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28 WIE BEHÖRDEN SOCIAL MEDIA FÜR „BÜRGERSERVICE 2.0“ NUTZEN KÖNNEN EIN GASTBEITRAG VON CHRISTIANE GERMANN, WWW.AMTZWEINULL.COM

WIE BEHÖRDEN...Stattet die Social Media-Redaktion mit ausreichend kompetentem Personal aus. Meistens ist die Redaktion im Bereich Presse- und Öfentlichkeitsarbeit angesiedelt und

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28 WIE BEHÖRDEN SOCIAL MEDIA FÜR„BÜRGERSERVICE 2.0“ NUTZEN KÖNNENE I N G A S T B E I T R AG VO N C H R I S T I A N E G E R M A N N , W W W. A M T Z W E I N U L L .C O M

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S OZ I A L E N E T Z W E R K E H A B E N I N D E N L E T Z T E N J A H R E N F R AG L O S AU C H D I E KO M M U N I K AT I O N Z W I S C H E N

S TA AT U N D B Ü R G E R N V E R Ä N D E R T. N E B E N P O L I T I K E R N U N D PA R T E I E N S I N D H E U T E AU C H B E H Ö R D E N – VO N

S TÄ DT E N Ü B E R M I N I S T E R I E N B I S Z U P O L I Z E I E N U N D Ö F F E N T L I C H E N V E R K E H R S B E T R I E B E N – G A N Z S E L B S T-

V E R S TÄ N D L I C H B E I FAC E B O O K , T W I T T E R O D E R I N S TAG R A M A K T I V. L E I D E R N U T Z E N N O C H N I C H T A L L E DA S

G R O S S E P OT E N Z I A L , DA S S I C H DA R AU S F Ü R D E N S E R V I C E G EG E N Ü B E R D E N B Ü R G E R N E R G I B T. G E R N E

M Ö C H T E I C H D E S H A L B A N D I E S E R S T E L L E E I N I G E T I P P S G E B E N .

Ob Fahndungsaufruf, Stellenanzeige oder Einsatzbericht – Fragen Einzel-ner werden vom Social Media-Team schnell und serviceorientiert beantwortet. Ausnahme sind Notrufe und Anzeigen, die weiterhin über die Notrufnummer 110 beziehungsweise persönlich erfolgen müssen.

Um erst mal mit den guten Nachrichten anzufangen: Es gibt ganz wunderbare Best Practice-Beispiele von Behör-den, die den Dialog über Social Media bereits perfektio-niert haben und von denen sich alle anderen etwas ab-schauen können. BEHÖRDEN, DEREN BÜRGERSERVICE BEREITS „SOCIAL“ IST Eins dieser guten Beispiele ist die Polizei Berlin, die seit längerem bei Twitter und Facebook aktiv ist. Ob Fahn-dungsaufruf, Stellenanzeige oder Einsatzbericht – der Bürger, die Öffentlichkeit ist immer Adressat und ganz nah dabei. Fragen Einzelner werden vom Social Media-Team schnell und serviceorientiert beantwortet. Die Grenze zieht die Polizei bei Notrufen und Anzeigen, die weiterhin über die Notrufnummer 110 beziehungsweise persönlich erfolgen müssen. Auf diese Weise spielen die verschiedenen Wege, die Polizei zu erreichen, perfekt zusammen. Das zeigte sich gerade auch in den schweren Tagen des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz: Social Media-Kommunika-tion, Notruf, Bürgertelefon, Video-Upload-Plattform für Augenzeugen und Pressearbeit bildeten eine Einheit und bedienten alle Zielgruppen. „Es gibt ganz wunderbare Best Practice-Beispielevon Behörden, die den Dialog über Social Media bereitsperfektioniert haben.“

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Die Bundesregierung antwortet auf Facebook gelassen und charmant, aber auch mit hohem Informationsgehalt auf Fragen und Kommentare.

Ein anderes Best Practice ist die Bundesregierung mit ihrer Facebook-Seite: Die gelassene und charmante Art, jeden noch so herausfordernden Bürger-Kommentar zu beant-worten (solange er nicht unter die Gürtellinie geht), sucht ihresgleichen. Neben der Tonalität besticht vor allem auch der Informationsgehalt der Antworten. Diese enthalten oft Fakten und Erklärungen, die im ursprünglichen Posting keinen Platz hatten. Diese Zusatzinfos erwachsen direkt aus dem Nutzerdialog und bringen der Bundesregierung viele Kommentar-Likes, regelmäßiges Lob und massig Re-spekt ein. Auch die Deutsche Bahn – immerhin eine frühere Behör-de – twittert seit Jahren Zugverspätungen, Wetterschä-den und WLAN-Ausfälle. Zudem ist sich die Bahn nicht zu schade, jedem einzelnen Nutzer zu antworten, der eine Frage zu obigen Themen, zu seiner Verbindung oder etwa zu Umbuchungsoptionen hat.„Leider ist noch nichtallen Behörden klar, dassSocial Media in ersterLinie Dialog bedeutet.“ SOCIAL MEDIA = DIALOG! Viele sehen Facebook, Twitter und Instagram als eine Art zweite, dritte und vierte Website an, auf der man zwar In-halte veröffentlichen kann, aber ‚anstrengende’ Diskus-sionen mit Bürgern doch möglichst vermeiden oder zu-mindest nicht ‚herausfordern’ sollte. Das ist jedoch ganz falsch! Warum? "WARUM HABEN WIR SO WENIG ERFOLG?" Zunächst ist ein wie oben skizziertes Vorgehen falsch, weil es den ‚Erfolg’ der Social Media-Präsenz von Anfang an verhindert. Vor allem bei Facebook ist es aufgrund des Algorithmus wichtig, dass mit den Postings möglichst viel interagiert wird. Likes, Shares, aber vor allem Kommentare

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SocialHub Mag NO.06_2018 | socialhub.io/magRawpixel.com/Shutterstock.com SOCIAL MEDIA = DIALOG!

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Die Deutsche Bahn twittert seit Jahren kundenrelevante Meldungen und ant-wortet jedem Nutzer auf seine Fragen.bringen Reichweite und Sichtbarkeit für den jeweiligen Beitrag, aber auch für nachfolgende. Wer es nicht schafft, Interaktion zu erzeugen, wird schon bald nur noch einen Bruchteil seiner Fans erreichen und im übrigen auch bei ei-

ner niedrigen Fan-Anzahl stagnieren. Das bedeutet natür-lich, dass die Mühe und Arbeit, die man in die Beiträge in-vestiert, sich nicht wirklich rentiert. Viele Behörden-Seiten stagnieren bei einigen hundert oder tausend Fans, niedri-gen Reichweiten und kaum Reaktionen auf ihre Beiträge. Und fragen sich, warum. „Die Nutzer erwartenSocial Media-Kundenservice nicht nur von Unternehmen, sondern auch von Behörden, sobald diese sich in deneinschlägigen Netzwerkenbewegen.“ DIE ZUKUNFT DES BÜRGERSERVICE Der wichtigere Grund für Erfolg ist aber: Bürgerservice über Social Media ist (auch für Behörden) ein Zukunfts-modell. Unternehmen kommunizieren auf diese Weise seit Jahren mit ihren Kunden, was bedeutet, dass sie auf Facebook oder Twitter etwa Fragen zu Produkten und zum Unternehmen beantworten, Reklamationen entge-gen nehmen und auf Beschwerden antworten. Die Nutzer sozialer Netzwerke sind mittlerweile gewohnt, ihre Anliegen auch über Facebook und Twitter abwickeln zu können und nicht wegen jeder Kleinigkeit einen Brief oder eine E-Mail schreiben zu müssen. Sie erwarten dies auch von Behörden, sobald diese sich in den einschlägigen Netzwerken bewegen.Wenn die Erwartung nicht erfüllt wird, wird die Mehrzahl auch nicht für (einseitige) Botschaften empfänglich sein. Die sozialen Netzwerke fördern diese Erwartung übrigens, indem sie sich selbst immer mehr auf Kunden- und Bür-gerservice ausrichten: Der Facebook-Messenger etwa hat über die Jahre immer mehr Funktionen erhalten, die an ein Kundenreaktionsmanagement erinnern. Bald soll er sogar direkt in Firmen-Websites eingebunden werden können. Wer als Behörde eine Facebook-Seite oder eine sonstige Präsenz in einem sozialen Netzwerk hat, wird es bereits er-lebt haben: Die Nutzer/Bürger wenden sich darüber auch

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» S O C I A L H U B M A G G A S T B E I T R A G «mit typischen Service-Anliegen an das Amt. Noch reicht diese Art von Kontaktaufnahme zahlenmäßig nicht an analoge Anschreiben und Anrufe heran, die eine Behörde erhält. Dennoch oder gerade deshalb ist es wichtig, jetzt die notwendigen Voraussetzungen für guten Bürgerservice über soziale Plattformen zu schaffen. ICH EMPFEHLE BEHÖRDEN FOLGENDE SCHRITTE: ► Legt „Bürgerservice“ als konkretes Ziel in eurem Social Media-Konzept fest.► Werbt aktiv dafür, dass man euch auch über Kanäle wie Facebook oder Twitter erreichen kann, indem ihr eure so-zialen Kanäle bei der Aufzählung von Kontaktwegen (z.B. auf eurer Website) stets mit erwähnt. Da man euch dort ohnehin kontaktieren wird, könnt ihr die Möglichkeit auch gleich ‚anpreisen’ - und es wird euch den guten Ruf einer modernen Behörde einbringen! ► Lasst auf allen Plattformen auch persönliche Nachrich-ten zu (bei Facebook und Twitter kann man dies auch un-terbinden, was aber nicht empfehlenswert ist). ► Stattet die Social Media-Redaktion mit ausreichend kompetentem Personal aus. Meistens ist die Redaktion im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt und das ist auch gut so; möglich und überlegenswert ist aber eine organisatorische Verquickung mit dem Bürgerservice oder Beschwerde-Management des Amts.

► Stellt sicher, dass die auf Social Media-Plattformen übli-chen kurzen Antwortzeiten eingehalten werden können. In der Regel sollte am gleichen Tag geantwortet werden. Das klappt am besten, wenn das Social Media-Team möglichst eigenständig arbeiten kann, statt jede Antwort mit einem Presse-Verantwortlichen oder Vorgesetzten abzustimmen. Wichtig ist auch, dass die Fachbereiche mitspielen und das Social Media-Team auch kurzfristig mit angefragten Fachinformationen versorgen. ► Falls eine Antwort doch mal länger dauert: Gebt dem oder der Fragenden ein kurzes Signal, dass ihr euch hierzu in den nächsten Tagen nochmals melden werdet. ► Gebt euch Diskussionsregeln und legt intern fest, in welchen Fällen ihr Nutzerbeiträge löscht, meldet oder gar bei der Polizei anzeigen wollt. Bei der täglichen Umsetzung könnt ihr euch in eurem Team beraten. ► Je nach Behörde, Themen und Größe der Community empfiehlt sich ein Wochenend-Dienst. Denn: Das Netz

kennt keine Öffnungszeiten und am Wochenende haben viele Zeit, ihr Anliegen zu formulieren oder auch Frust ab-zulassen. Meine Empfehlung: Antwortet am Wochenende nur auf dringende Anliegen, um den personellen Aufwand nicht zu groß werden zu lassen. ► Es empfiehlt sich, ein Social Media-Tool wie den SocialHub einzusetzen: Er sorgt für Übersicht bei der Beantwortung von Nachrichten und Kommentaren und ist vor allem dann sinnvoll, wenn hieran im Team gearbeitet wird.

W E N N I H R A L L D I E S E S C H R I T T E B E A C H T E T, S T E H T E I N E M E R F O L G R E I C H E N B Ü R G E R D I A L O G Ü B E R S

S O C I A L W E B N I C H T S M E H R E N TG E G E N . E U R E B Ü R G E R U N D B Ü R G E R I N N E N W E R D E N E S E U C H DA N K E N – M I T

A U S D R Ü C K L I C H E M L O B U N D G E S T E I G E R T E M V E R T R A U E N E U R E R B E H Ö R D E G E G E N Ü B E R !

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SocialHub Mag NO.06_2018 | socialhub.io/magTimon Studler/Unsplash.com SOCIAL MEDIABÜRGERSERVICE =ZUKUNFTSMODELL

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SocialHub Mag NO.06_2018 | socialhub.io/mag Bilder & Screenshots: Christiane Germann, amtzweinull.com

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ist Beraterin für digitale Behördenkommunikation. Auf ihrem Blog gibt sie

Behörden praktische Tipps für die Nutzung von Social Media. In den letzten

Jahren hat sie zahlreiche Kommunen, Ministerien, Bundes- und Landesbe-

hörden geschult. Aufgrund des steigenden Bedarfs gründete sie zum Jahres-

beginn 2018 die „Amt 2.0 Akademie“. Künftig wird unter diesem Label ein

Dozenten- und Berater-Team Behörden umfassend beim Einsatz sozialer

Medien unterstützen. Mehr Infos: www.amtzweinull.com

Obwohl der öffentliche Kommentar und die persön-

liche Nachricht die gängigsten Dialogformen in so-

zialen Netzwerken sind, solltet ihr auch andere Op-

tionen nutzen. Veranstaltet mindestens einmal pro

Monat einen Live-Chat mit eurer Bürgermeisterin

oder eurem Minister, bei dem die Fans und Follower

ihm oder ihr eine halbe oder ganze Stunde Fragen

zu einem aktuellen Thema stellen können. Die ‚vor-

sichtigere’ Variante: Sammelt einige Fragen, die auf

Facebook oder Twitter gestellt wurden und lasst eu-

re/n Behördenleiter/in per aufgezeichnetem Video

darauf antworten. Wichtig: Nennt den/die jeweili-

ge/n Fragesteller/in mit Namen. WEITERE MÖGLICHKEITEN DER NUTZER-EINBINDUNG: ► Umfragen (per Umfrage-Tool bei Facebook/Twitter)► Foto-Wettbewerbe► Instawalks

DON'TS – WIE IHR DEN DIALOG AUF EUREN SOZIALEN PLATTFORMEN GARANTIERT VERHINDERT ► Vermeidet auf euren Profilen und Seiten Postings zu Themen von allgemeinem Interesse (für die ihr zwar leider zuständig seid, aber zu deren Diskussion ihr weder Zeit noch Lust habt). Beschränkt euch stattdessen auf Handshake-Fotos des Behördenleiters und zweitverwertete Pressemitteilungen! ► Deaktiviert persönliche Nachrichten und Bewertungs-funktionen bei Facebook und Twitter. Wer etwas will, kann schließlich anrufen! ► Sollte trotzdem jemand eine Frage oder ein Anliegen auf eurer Seite kundtun: Verweist auf eure Post- oder E-Mail-Adresse oder ignoriert die Frage einfach. Eure Fans und Follower werden dann schon bald Ruhe geben, aber eben auch eure Beiträge mit Nichtbeachtung strafen.Christiane Germann

(@amtzweinull)

„ I hr antwortet nicht nur derBürgerin oder dem Bürger, der gefragt hat –sondern bis zu hundertfach vielen Mitlesenden.Es lohnt sich also, Zeit in informative undzuvorkommende Antworten zu investieren!“