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WIE DEFINIEREN SIE EIGENTLICH RISIKO? Jeder versteht unter Risiko etwas anderes und geht entsprechend unterschiedlich damit um. Um möglichst viele verschiedene Sichtweisen und daraus resultierende Definitionen zu erhal- ten, die ein komplettes Bild entstehen lassen sollen, haben wir verschiedenen Vertretern der Finanzbranche "riskante" Fragen gestellt. Wir wollten wissen, was der Sturz vom Bullen für jeden einzelnen eigentlich bedeutet und was er mit unserem Titelbild verbindet. Die Antworten lesen Sie nun auf den folgenden Seiten. GUIDO GIESE ist Director of Research & Deve- lopment bei STOXX Ltd. in Zürich Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer Eyb & Wallwitz Vermögensma- nagement Thomas Meyer zu Drewer, Geschäftsführer und leitender Fondsmanager der ComStage ETFs Herr Giese, unter welchem Blickwinkel geht ein Indexanbieter an das Thema Risiko heran? „Als Indexanbieter beschäftigen wir uns primär mit folgenden drei Risikoquellen: Allgemeine Marktrisiken, das heißt das Risiko eines Wertverlusts im Portfolio aufgrund allgemein fallender Kurse. ,Sin- gle-name’ Risiko – das Risiko, dass ein Unternehmen total ausfällt. Die Finanzkrise hat diesbezüglich deutlich vor Augen geführt, dass selbst renommierte Unternehmen welche als ,too big to fail’ galten plötzlich ausfallen können. Liquiditätsrisiko: Das bedeutet das Risiko, dass in ei- ner Finanzkrise gewisse Wertschriften kaum noch handelbar sind und somit ein Verkauf mit zusätzlichen Verlusten verbunden sein kann. Im Anschluss an die Finanzkrise hat sich das Indexgeschäft dahinge- hend verändert, dass Indexanbieter neben reinen Standardindizes, die traditionell marktkapitalisierungsgewichtet sind, risikooptimierte Indizes entwickeln und anbieten, die durch eine fortschrittliche und strikt regelbasierte Auswahl und Gewichtung der Indexkomponenten das Risikoprofil des Index verbessern. Insbesondere lassen sich das allgemeine Marktrisiko und das Ausfallrisiko von Einzelkomponen- ten reduzieren sowie das Liquiditätsprofil des Index ohne negative Einflüsse auf die langfristige Performance des Index im Vergleich zu Standardindizes entscheidend verbessern.“ Als Vermögensverwalter haben Sie doch einen sehr raumgreifenden, kundengetriebenen Bick auf Risiken. Wer hat ihrer Einschätzung nach in der großen Finanzkrise besonders versagt? „Zu den Krisenverlierern gehört ein wenig beachteter Notfall: Die Finanzwissenschaft, deren Theorien das Fiasko der Banken erst ermöglicht haben. Bis dahin gab es einen einzigen Risikofaktor, die Sensitivität zum Aktienmarkt. Die hi- storischen Wertentwicklungen wurden fortgeschrieben, das Interesse galt nur den Mittelwerten und Varianzen der Renditen. Die Annahme: Märkte sind effizient, Investoren rational. Heute wissen wir: Risikoprämien und erwartete Renditen ändern sich. Märkte können aufhören zu funktionieren, Investoren irrational sein. In der Praxis schaut man auf eine Reihe von Risikofaktoren und nicht mehr nur auf den Aktienmarkt. Zum Beispiel ist in den neuen Modellen ein- gearbeitet, dass Investoren das Geld ausgehen kann, sodass sie massenhaft zu irrationalen Entscheidungen gezwun- gen sein können. Jede Assetklasse (Renditequelle) sollte nach ihrer Volatilität gleichmäßig allokiert werden. Je höher die negative Korrelation mit dem Rest des Portfolios und je besser das Verhalten der Assetklasse in ,schlechten Zeiten’, desto stärker die Übergewichtung. Extremrisiken einzugehen ist erst dann sinnvoll, wenn sie gut bezahlt werden.“ Welche spezifischen neuen Risikoelemente sehen Sie bei den neu- en ETF-Konstruktionen (Swaps, Leverage, immer engere Indizes)? Wie minimieren Sie diese und kommunizieren das Ihren Kunden? „Die Kapitalmärkte haben sich verändert. Und mit ihnen das Anle- gerverhalten. War es früher die langfristige Anlagestrategie, so ist es heute sehr oft ein trading-orientierter Ansatz, insbesondere bei institutionellen Anlegern. Dementsprechend sind neue ETF-Themen hinzugekommen: Short und leveraged ETFs mit und ohne Hebel oder ETFs auf engere Indizes. In der Diskussion eng damit verbunden sind die synthetischen oder Swap-basierten ETFs, die es in Europa zwar schon seit dem Jahre 2000 gibt, die aber die Umsetzung der vorge- nannten Strategien oder Themen erst möglich machten. Während Indizes auf engere Märkte ein Diversifikationsproblem sind, steht bei der Swap-basierten Nachbildung das Emittentenrisiko im Vordergrund. Swap-basierte ETFs sind, wie traditionelle Investmentfonds auch, Sondervermögen. Gesetzlich ist der Swap-Anteil auf zehn Prozent begrenzt. Um das mögliche Ausfallrisiko zu eliminieren, haben sich einige ETF-Anbieter dazu entschlossen, den Swapanteil zu besichern. Der Swap-Anteil ist also mit Wertpapieren unterlegt, auf die im Falle des Ausfalls eines Emittenten zurückgegriffen werden kann. Zudem profitiert der Anleger von einer hohen Transparenz, da die Bestand- teile im Swap-basierten ETF weit über das von traditionellen Fonds bekannte Maß hinaus veröffentlicht werden." Risiko – ein janusköpfiger Befund „Die unter Marktteilnehmern übliche Sprache subsummiert unter dem Aus- druck `Risiko` jegliche Form von Gefahr. In der einschlägigen Finanzliteratur wird mit Risiko sodann eine Zielverfeh- lung bezeichnet, deren Wahrschein- lichkeit bestimmbar ist. Die heute gängigen Risikomasse entspringen ganz überwiegend diesem vor circa 40 Jahren ins Leben gerufenen Trend der Mathematisierung in den Wirtschafts- wissenschaften. Gemeinsam ist den meisten dieser Verfahren, dass sie sich am Kurs und nicht am Wert von Anla- gegegenständen orientieren. Erst seit der Subprime Krise 2007 bis 2008 wer- den Zweifel an derartiger Risikobestim- mung lauter artikuliert. Es ist fatal, dass viele Marktteilnehmer sich in guten Marktzeiten nur wenig um das Thema Risiko kümmern, dann aber nach dem Aufteten einer Krise in einen Risikomodus verfallen, der es ihnen verwehrt, die sich durch die Kri- se bietenden Chancen zu nutzen. Mit Blick auf das Verhalten der Kapital- marktteilnehmer während der vergan- genen Jahrzehnte sollte deshalb der Hinweis gestattet sein, dass die Risi- kodebatte in Deutschland in der Regel zu asymmetrisch verläuft und die The- matik des Chancenmanagements grob vernachlässigt. Daher schließlich noch ein Wort über die Gefahr, keine Aktien zu besitzen. Denn so sehr der Aktien- besitz in Deutschland irrigerweise als riskant gilt, so klar ist bei rationaler Betrachtung auch, dass die größere Vermögensgefahr vom Nichtbesitz von Aktien ausgeht.“ Dialog über Risiken ist begrüßenswert Die öffentliche Wahrnehmung um die un- terstellten Risiken der ETFs hat zuletzt zu- genommen. Dazu hat eine Reihe von Veröf- fentlichungen, zum Beispiel des Financial Stability Boards, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und des Interna- tionalen Währungsfonds beigetragen. Als Erfinder des ETFs und einer der größten ETF- Manager weltweit begrüßen wirden Dialog. Im Kern geht es um folgende Punkte: Die ETF-Anbieter müssen Investoren dabei un- terstützen, zu verstehen, was ETFs sind, wie sie funktionieren, wie die einzelnen Produkte sich unterscheiden und genutzt werden kön- nen. Wir verwalten SPDR ETFs bereits seit fast 20 Jahren. Seitdem gab es mehrere beson- deren Marktsituationen, in denen es jeweils größere Zu- und Abflüsse gab – ETFs haben in solchen Märkten erwartungsgemäß re- agiert. Man sollte nicht übersehen, dass es sich bei ETFs um Fonds handelt, die stren- gen regulatorischen Anforderungen, zum Beispiel der europäischen OGAW-Richtlinie, unterliegen. Wir bieten derzeit lediglich phy- sisch unterlegte ETFs an, das heißtwir inve- stieren unmittelbar in Aktien und Anleihen. Investoren sollten sich aber über die mit den unterschiedlichen Nachbildungsmethoden verbunden Renditen und Risikoprofilen be- wusst sein. Das gilt ebenso für den jeweiligen Index, der nachgebildet wird. Als einer der weltweit führenden Indexmanager profitie- ren unsere Kunden von einem entsprechend erfahrenen Portfoliomanagement, einem umfangreichen Risikomanagement und viel- schichtigen Kontrollmechanismen. Axel Riedel, State Street Global Advisors, zuständig für das ETF-Geschäft in Deutschland Dr. Christoph Bruns, Fondsmanager und Vorstand der LOYS AG TITELTHEMA I I TITELTHEMA 2 1

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Wie Definieren Sie eigentlich riSiko?Jeder versteht unter Risiko etwas anderes und geht entsprechend unterschiedlich damit um. Um möglichst viele verschiedene Sichtweisen und daraus resultierende Definitionen zu erhal-ten, die ein komplettes Bild entstehen lassen sollen, haben wir verschiedenen Vertretern der Finanzbranche "riskante" Fragen gestellt. Wir wollten wissen, was der Sturz vom Bullen für jeden einzelnen eigentlich bedeutet und was er mit unserem Titelbild verbindet. Die Antworten lesen Sie nun auf den folgenden Seiten.

GUIDO GIESE ist Director of Research & Deve-lopment bei STOXX Ltd. in Zürich

Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer Eyb & Wallwitz Vermögensma-nagement

Thomas Meyer zu Drewer, Geschäftsführer und leitender Fondsmanager der ComStage ETFs

Herr Giese, unter welchem Blickwinkel geht ein Indexanbieter an das Thema Risiko heran?

„Als Indexanbieter beschäftigen wir uns primär mit folgenden drei Risikoquellen: Allgemeine Marktrisiken, das heißt das Risiko eines Wertverlusts im Portfolio aufgrund allgemein fallender Kurse. ,Sin-gle-name’ Risiko – das Risiko, dass ein Unternehmen total ausfällt. Die Finanzkrise hat diesbezüglich deutlich vor Augen geführt, dass selbst renommierte Unternehmen welche als ,too big to fail’ galten plötzlich ausfallen können. Liquiditätsrisiko: Das bedeutet das Risiko, dass in ei-ner Finanzkrise gewisse Wertschriften kaum noch handelbar sind und somit ein Verkauf mit zusätzlichen Verlusten verbunden sein kann.

Im Anschluss an die Finanzkrise hat sich das Indexgeschäft dahinge-hend verändert, dass Indexanbieter neben reinen Standardindizes, die traditionell marktkapitalisierungsgewichtet sind, risikooptimierte Indizes entwickeln und anbieten, die durch eine fortschrittliche und strikt regelbasierte Auswahl und Gewichtung der Indexkomponenten das Risikoprofil des Index verbessern. Insbesondere lassen sich das allgemeine Marktrisiko und das Ausfallrisiko von Einzelkomponen-ten reduzieren sowie das Liquiditätsprofil des Index ohne negative Einflüsse auf die langfristige Performance des Index im Vergleich zu Standardindizes entscheidend verbessern.“

Als Vermögensverwalter haben Sie doch einen sehr raumgreifenden, kundengetriebenen Bick auf Risiken. Wer hat ihrer Einschätzung nach in der großen Finanzkrise besonders versagt?

„Zu den Krisenverlierern gehört ein wenig beachteter Notfall: Die Finanzwissenschaft, deren Theorien das Fiasko der Banken erst ermöglicht haben. Bis dahin gab es einen einzigen Risikofaktor, die Sensitivität zum Aktienmarkt. Die hi-storischen Wertentwicklungen wurden fortgeschrieben, das Interesse galt nur den Mittelwerten und Varianzen der Renditen. Die Annahme: Märkte sind effizient, Investoren rational. Heute wissen wir: Risikoprämien und erwartete Renditen ändern sich. Märkte können aufhören zu funktionieren, Investoren irrational sein. In der Praxis schaut man auf eine Reihe von Risikofaktoren und nicht mehr nur auf den Aktienmarkt. Zum Beispiel ist in den neuen Modellen ein-gearbeitet, dass Investoren das Geld ausgehen kann, sodass sie massenhaft zu irrationalen Entscheidungen gezwun-gen sein können. Jede Assetklasse (Renditequelle) sollte nach ihrer Volatilität gleichmäßig allokiert werden. Je höher die negative Korrelation mit dem Rest des Portfolios und je besser das Verhalten der Assetklasse in ,schlechten Zeiten’, desto stärker die Übergewichtung. Extremrisiken einzugehen ist erst dann sinnvoll, wenn sie gut bezahlt werden.“

Welche spezifischen neuen Risikoelemente sehen Sie bei den neu-en ETF-Konstruktionen (Swaps, Leverage, immer engere Indizes)? Wie minimieren Sie diese und kommunizieren das Ihren Kunden?

„Die Kapitalmärkte haben sich verändert. Und mit ihnen das Anle-gerverhalten. War es früher die langfristige Anlagestrategie, so ist es heute sehr oft ein trading-orientierter Ansatz, insbesondere bei institutionellen Anlegern. Dementsprechend sind neue ETF-Themen hinzugekommen: Short und leveraged ETFs mit und ohne Hebel oder ETFs auf engere Indizes. In der Diskussion eng damit verbunden sind die synthetischen oder Swap-basierten ETFs, die es in Europa zwar schon seit dem Jahre 2000 gibt, die aber die Umsetzung der vorge-nannten Strategien oder Themen erst möglich machten.

Während Indizes auf engere Märkte ein Diversifikationsproblem sind, steht bei der Swap-basierten Nachbildung das Emittentenrisiko im Vordergrund.

Swap-basierte ETFs sind, wie traditionelle Investmentfonds auch, Sondervermögen. Gesetzlich ist der Swap-Anteil auf zehn Prozent begrenzt. Um das mögliche Ausfallrisiko zu eliminieren, haben sich einige ETF-Anbieter dazu entschlossen, den Swapanteil zu besichern. Der Swap-Anteil ist also mit Wertpapieren unterlegt, auf die im Falle des Ausfalls eines Emittenten zurückgegriffen werden kann. Zudem profitiert der Anleger von einer hohen Transparenz, da die Bestand-teile im Swap-basierten ETF weit über das von traditionellen Fonds bekannte Maß hinaus veröffentlicht werden."

Risiko – ein janusköpfiger Befund

„Die unter Marktteilnehmern übliche Sprache subsummiert unter dem Aus-druck `Risiko jegliche Form von Gefahr. In der einschlägigen Finanzliteratur wird mit Risiko sodann eine Zielverfeh-lung bezeichnet, deren Wahrschein-lichkeit bestimmbar ist. Die heute gängigen Risikomasse entspringen ganz überwiegend diesem vor circa 40 Jahren ins Leben gerufenen Trend der Mathematisierung in den Wirtschafts-wissenschaften. Gemeinsam ist den meisten dieser Verfahren, dass sie sich am Kurs und nicht am Wert von Anla-gegegenständen orientieren. Erst seit der Subprime Krise 2007 bis 2008 wer-den Zweifel an derartiger Risikobestim-mung lauter artikuliert.

Es ist fatal, dass viele Marktteilnehmer sich in guten Marktzeiten nur wenig um das Thema Risiko kümmern, dann aber nach dem Aufteten einer Krise in einen Risikomodus verfallen, der es ihnen verwehrt, die sich durch die Kri-se bietenden Chancen zu nutzen. Mit Blick auf das Verhalten der Kapital-marktteilnehmer während der vergan-genen Jahrzehnte sollte deshalb der Hinweis gestattet sein, dass die Risi-kodebatte in Deutschland in der Regel zu asymmetrisch verläuft und die The-matik des Chancenmanagements grob vernachlässigt. Daher schließlich noch ein Wort über die Gefahr, keine Aktien zu besitzen. Denn so sehr der Aktien-besitz in Deutschland irrigerweise als riskant gilt, so klar ist bei rationaler Betrachtung auch, dass die größere Vermögensgefahr vom Nichtbesitz von Aktien ausgeht.“

Dialog über Risiken ist begrüßenswert

Die öffentliche Wahrnehmung um die un-terstellten Risiken der ETFs hat zuletzt zu-genommen. Dazu hat eine Reihe von Veröf-fentlichungen, zum Beispiel des Financial Stability Boards, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und des Interna-tionalen Währungsfonds beigetragen. Als Erfinder des ETFs und einer der größten ETF-Manager weltweit begrüßen wirden Dialog. Im Kern geht es um folgende Punkte: Die ETF-Anbieter müssen Investoren dabei un-terstützen, zu verstehen, was ETFs sind, wie sie funktionieren, wie die einzelnen Produkte sich unterscheiden und genutzt werden kön-nen.

Wir verwalten SPDR ETFs bereits seit fast 20 Jahren. Seitdem gab es mehrere beson-deren Marktsituationen, in denen es jeweils größere Zu- und Abflüsse gab – ETFs haben in solchen Märkten erwartungsgemäß re-agiert. Man sollte nicht übersehen, dass es sich bei ETFs um Fonds handelt, die stren-gen regulatorischen Anforderungen, zum Beispiel der europäischen OGAW-Richtlinie, unterliegen. Wir bieten derzeit lediglich phy-sisch unterlegte ETFs an, das heißtwir inve-stieren unmittelbar in Aktien und Anleihen. Investoren sollten sich aber über die mit den unterschiedlichen Nachbildungsmethoden verbunden Renditen und Risikoprofilen be-wusst sein. Das gilt ebenso für den jeweiligen Index, der nachgebildet wird. Als einer der weltweit führenden Indexmanager profitie-ren unsere Kunden von einem entsprechend erfahrenen Portfoliomanagement, einem umfangreichen Risikomanagement und viel-schichtigen Kontrollmechanismen.

Axel Riedel, State Street Global Advisors, zuständig für das ETF-Geschäft in Deutschland

Dr. Christoph Bruns, Fondsmanager und Vorstand der LOYS AG

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Tom Wede, Geschäftsführer Berenberg Lux Invest

Dr. Thorsten Neumann, Leiter Risikoresearch bei Union Investment

Vincent Strauss, Fondsmanager Comgest Magellan

Welche Lehren ziehen Sie als Kapitalanlagegesellschaft aus den Verwerfungen der Krise und dem veränderten Risikobewusstsein?

„Die volatilen Märkte der vergangenen Dekade haben gezeigt, dass neben dem Investmentmanagement ein funktio-nierender Prozess zur Risikobegrenzung unerlässlich ist. Unter dem Begriff Risiko verstehen wir nicht nur die klassische Definition der Standardabweichung, sondern ergänzen die Betrachtung um zum Beispiel den Maximum-Drawdown, den Value at Risk (VaR), den Conditional Value at Risk (CVaR) sowie weitere aufschlussreiche Risikomaße. Neben der herkömmlichen Ableitung der Portfoliozusammensetzung mittels Markowitz-Optimierung über die Nutzenfunktion, müssen erweiterte Verfahren angewendet werden um den Kunden ein Gefühl für das inhärente Risiko zu geben. Die oben genannten Risikomaße helfen bei der Ermittlung der Risikoneigung des Kunden und vereinfachen eine Klassi-fizierung. Uns bekannte Risikomaße werden auch weiterhin ihre Berechtigung haben, wenngleich eine isolierte Be-trachtung wenig Aufschluss über die anhaftenden Risiken ermöglicht. Relative Risikomaße wie das Jensen sche Alpha, Treynor Ratio oder Sharpe Maß bieten hier -neben der Zerlegung der Risikokomponenten- sinnvolle Ergänzungen.“

Buy and Hold ist nicht genug

Der aktive Manager muss sein Risikoverständnis an den Anlagezielen der Investoren ausrichten. Das benchmarkorientierte Management ist in seinem Risikoverständnis auf das Abweichungsrisiko fokussiert. Die Übergewichtung eines vielversprechenden Titels in einem Aktien-fonds eröffnet die Chance auf Outperformance und das Risiko einer Underperformance.

Bei der Gestaltung einer Asset Allokation kommt es dagegen darauf an, einen absoluten Ertrag zu erzielen und das absolute Risiko zu steu-ern. Die Grundausrichtung sollte bestmöglich diversifiziert sein und kontinuierlich an geänderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Zudem sind ausgeprägte taktische Positionen unerlässlich, um bei starken Marktschwankungen absolute Renditen zu erzielen.

Viele Investoren müssen einen Kapitalerhalt sicherstellen und abso-lute Verluste vermeiden. Das aktive Management wägt hier im Sinne eines verlustorientierten Risikoverständnisses die aktuellen Ertrag-schancen und Risiken einer aktiv gesteuerten Asset Allokation ab. Im Fall einer negativen Wertentwicklung werden risikoreiche Assetklas-sen reduziert und der Kapitalerhalt zum Wertsicherungszeitpunkt sichergestellt.

Für verbindlichkeitsorientierte Investoren kommt es darauf an, zu-künftig bestimmte Verpflichtungen bedienen zu können. Ihr Risiko-verständnis wird durch die Frage bestimmt, wann wie viel Kapital gebraucht wird. Die Risiken einer Asset Allokation werden in diesem Fall nicht absolut, sondern in Relation zu den ausstehenden Verbind-lichkeiten betrachtet.

Wie definieren Sie als aktive Fondsmanager Risiko?

„Für uns als Stockpicker bedeutet Risiko allein, in das falsche Un-ternehmen zu investieren. Falsch heißt dabei, dass die berichteten Gewinne des ausgewählten Unternehmens erheblich von unseren Vorhersagen abweichen oder wir unsere zukünftigen Gewinnerwar-tungen an ein Unternehmen entscheidend korrigieren müssen. Das Risiko, in ein Unternehmen zu einer zu hohen Bewertung investiert zu haben, ist für uns als disziplinierte und langfristig orientierte antizy-klische Anleger im Vergleich dazu deutlich geringer.

Der Anwendung von Risikokennziffern wie VaR stehen wir sehr skep-tisch gegenüber. Extremrisiken werden nicht erfasst. Pleiten, Zah-lungsausfälle von Staaten oder ähnliche Katastrophen führen dazu, dass Finanzinstitute, die sich allein auf den VaR verlassen, ihr Risikoen-gagement unterschätzen. Wir freuen uns allerdings, wenn die große Verbreitung solcher Kennziffern in Krisen zu Marktübertreibungen nach unten führt – da bieten sich dann häufig die besten Gelegen-heiten für Stockpicker.“

Was bedeutet für Sie Risiko - auf be-ruflicher und privater Ebene und wie gehen Sie persönlich damit um?

„In der Unternehmensführung ist man ständig mit Entscheidungen kon-frontiert, die ein mehr oder weniger großes Risiko bergen. Insbesondere dann, wenn man innovative Ansät-ze und Ideen verfolgt, wie es bei der Börse Stuttgart der Fall ist. Wer aber beruflich Erfolg haben will, und privat viel Lebensfreude, darf das Risiko nicht scheuen, sondern muss es erkennen, analysieren und sich entsprechend da-rauf einstellen. Dann verlieren Risken ihren Schrecken.“

Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung der Börse Stuttgart

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