Upload
baerbel-zarr
View
107
Download
2
Embed Size (px)
Citation preview
Wie entscheiden wir – determiniert oder frei?
Evidenzen aus der modernen Hirnforschung
Silke Huber & Wendy Svirakova
24. Juni 2005
Logik der Forschung: Seminar zur Wissenschaftstheorie
Gliederung
Erkenntnisse der modernen Hirnforschung
Recht und Soziologie
Zukunftsperspektiven
Seminar: Logik der Forschung (Wissenschaftstheorie)
Einleitung
Hirnforschung
Was ist Hirnforschung?
• Aufbau des Gehirns
• Neurophysiologische Funktionsweise
• Geistige Prozesse die mit bio-physikalischen Gehirnphänomenen einhergehenden (Wahrnehmung, Bewusstsein, Kognition, Verhalten, Bewegung)
•Verschiedene Theorien über Art des Zusammenhangs zwischen biophysikalischen Abläufen im Gehirn und geistigen (bewussten oder unbewussten) Prozessen.
Hirnforschung
Entwicklungsgeschichtlicher Überblick über die Hirnforschung
Frühzeitliches Verständnis des Gehirns
Drei Konzepte:
• Spiritus animalis (Antike) • Hirnventrikel (Mittelalter)• Das Gehirn = Seelenorgan (17. Jhd)
=> alle 3 Konzepte sind erkenntnisleitend für das Verständnis des Hirnlebens
Hirnforschung
Entwicklungsgeschichtlicher Überblick über die Hirnforschung
Beginn der modernen Neurowissenschaften (19. Jhd.)
• Hirnforschung: Domäne der Medizin• Neuroanatomie • Seelenlehre (Soemmering)• Schädellehre (Franz Josef Gall)
Hirnforschung
Entwicklungsgeschichtlicher Überblick über die Hirnforschung
Fortentwicklung im 20. Jhd.
• Erforschung des kranken Gehirns (Neuropathologie) mit Seziermesser und Lichtmikroskop
• Elitegehirnforschung• Exners Physiologie psychischer Erscheinungen• Renaissance der Schädellehre
Hirnforschung
Entwicklungsgeschichtlicher Überblick über die Hirnforschung
Neuere Entwicklungen
• Entdeckung von ableitbaren Hirnströmen• Entwicklung des EEG Paradigmenwechsel in den 1960er Jahren:
Vermischung von Medizin und experimentellen Disziplinen, Neuroanatomie gewinnt an Bedeutung
Hirnforschung
Theorien über den Zusammenhangs zwischen biophysikalischen Abläufen im Gehirn und
geistigen Prozessen
Wolf Singer
Medizinstudium an der LMU München
Staatsexamen und Promotion an der
L.M.U. München
Habilitation an der medizinischen Fakultät der TU München für das Fach Physiologie
Seit 1981 Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung (Abteilung Neurophysiologie)
Hirnforschung
Singers Theorie Dass Menschen aus freiem Willen über ihr Handeln bestimmen ist eine Illusion
Im Gehirn gibt es kein Zentrum, keine ICH - Zentrale
Was wir tun, ist Folge des unmittelbar vorausgehenden Zustands unseres Gehirns, von dem wir nur wenige Variablen bewusst kontrollieren
Ausbildung der Großhirnrinde („Cortex“ auf der Neuronen „hin und her feuern“) ist von Sinnessignalen, also Erfahrungen abhängig!
Hirnforschung
Wolfgang Walkowiak: Tun wir das was wir wollen, oder wollen wir, was wir tun?
Professor für Zoologie am Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Köln, Abteilung Neuronale Grundlagen komplexen Verhaltens.
Forschungsschwerpunkte: neuronale Grundlagen der Verhaltenssteuerung
Hirnforschung
Wolfgang Walkowiak: Tun wir das was wir wollen, oder wollen wir, was wir tun?
Wir sind es gewohnt, eine Ursache für eine Wirkung anzunehmen (Kausalitätsprinzip)
Wir schreiben die Ursache unseres Handelns dem Wirken des Ich zu
Wir fühlen, dass wir die Ursache unseres Handelns sind. Wille ist ein Gefühl!
Die Erfahrung (das Gefühl) eines bewussten Willens ist aber kein direkter Indikator dafür, dass der bewusste Gedanke auch die Aktion verursacht hat. In diesem Sinne könnte der freie Wille eine Illusion sein.
Hirnforschung
Das elfte Gebot: Du sollst dich nicht täuschen!
K a n i s z a – D r e i e c k
Hirnforschung
Hirnforschung
Wolfgang Prinz: für freien Willen ist kein Platz
Direktor des Arbeitsbereichs Psychologie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in München
Forschungsschwerpunkte: Wahrnehmung und Handlung, Aufmerksamkeit und Wille.
Hirnforschung
Wolfgang Prinz: für freien Willen ist kein Platz
Wir leben in dem Verständnis, uns frei entscheiden zu können und dass wir uns auch immer anders entscheiden könnten, als wir es tatsächlich tun (Freiheitsintuition)
In der wissenschaftlichen Psychologie ist für den freien Willen als theoretisches Konstrukt kein Platz
Was wir wahrnehmen ist nicht die Wirklichkeit selbst, sondern das Resultat von Konstruktionsprozessen (selektiv & kategorial)
Hirnforschung
Gerhard Roth: Entthronung des Menschen als frei denkendes Wesen
Promotion in Philosophie
Promotion in Biologie
Seit 1976 Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität Bremen
Seit 1989 Direktor des Instituts für Hirnforschung der Universität Bremen.
Hirnforschung
Gerhard Roth: Entthronung des Menschen als frei denkendes Wesen
Das Gehirn ist nicht hierarchisch, sondern distributiv aufgebaut
Es gibt keine obersten Zentren des Bewusstseins oder der Wahrnehmung.
Das Gehirn kann zwar von Außen erregt werden, aber die Bedeutung dieser Wahrnehmung kann nur durch das Gehirn erfolgen.
Die Interpretationskriterien liegen im Gehirn und werden auch von ihm selbst entworfen.
Es gibt keine real existierende Wirklichkeit
So viele verschiedene Wirklichkeiten, wie es Menschen gibt
HirnforschungHirnforschung
Gerhard Roth: Entthronung des Menschen als frei denkendes Wesen
Nichtexistenz menschlicher Freiheit, denn der Willensakt tritt erst dann auf, nachdem das Gehirn entschieden hat, welche Bewegung es ausführen wird ( Libet Experiment)
Eine einmal getroffene Entscheidung ist fest, es gibt kein „Vetorecht“ des Willens
Wünsche, Ziele, Pläne, Absichten bei unseren Handlungen und denen der Mitmenschen zur leichteren Beschreibung menschlichen Handelns und der Rechtfertigung vor uns selbst.
Hirnforschung
Als ein Objekt naturwissenschaftlicher
Forschung erscheint der Mensch nicht frei !!!
Hirnforschung
Das Libet Experiment (1983)
Hirnforschung
Das Libet Experiment (1983)
Ergebnisse:
Das unbewusste Bereitschaftspotential geht dem bewussten Willensentschluss im Durchschnitt 550 – 350 ms voraus
Der Wille kann nicht als mentaler, materiell selbst unverursachter Verursacher gesehen werden
Veto – Theorie
zwar kein freier Wille, aber wenigstens freier Unwille (2/10 Sec zwischen Entschluss & Reaktion)
Hirnforschung
Das Libet Experiment - Kritik
Methodologie:
Kein Hypothesenprüfendes Verfahren
Keine Definition von AV und UV
Keine gezielte Manipulation der UV
keine operationale Definition von freiem Willen und auf dieser Basis entwickelte experimentelle Entscheidungsversuchspläne
Gleichsetzung von bewusst = gleich und vorher = ursächlich
Viel zu wenig VPn – keine Vergleichbarkeit
Kontrolltechniken vorhanden? (Versuchs - Kontrollgruppe)
Hirnforschung
Das Libet Experiment - Kritik
Validität
Ethisch nicht relevante Entscheidung
Reduktionistisches Experiment – Ableitung auf komplexe Entscheidungen nicht möglich
Es geht beim Experiment nicht um die Entscheidung, ob Handlung durchgeführt wird, sondern nur darum, zu welchem Zeitpunkt sie durchgeführt wird
Hirnforschung
Das Libet Experiment - Kritik
Außerdem
Ist Bereitschaftspotential nicht ein messbares Phänomen einer kognitiven Leistung, die eine willentliche Entscheidung des Subjekts repräsentiert?
Neueste Ergebnisse der Hirnforschung zeigen, dass auch Nervenzellen existieren, die sowohl bei motorischen als auch kognitiven Leistungen aktiv sind (Mirror-Neuron-Experimente)
Hirnforschung
(1) Verstrickung in das Henne-Ei-Problem
(2) Keine klaren Definitionen, Operationalisierungen und experimentelle Designs (messen alleine genügt nicht)
(3) Vermischung des bewußten mit dem freien Willen
(4) Falsche Interpretation der zeitlichen Ordnung
(5) Fehlende differentialdiagnostische Klärung und Klarheit dessen, was nichtbewusste und was bewusste Entscheidungen sind und damit
(6) ebensolche Unklarheiten, welche Hirnaktivitäten eben nichtbewusste und bewusste Entscheidungen und Willensvorgänge anzeigen
(7) wie es scheint, krankt diese ganze Forschungsrichtung daran, daß sie offenbar im Nebenbei Psychologie ohne Psychologie betreiben möchte
Hauptfehler der Forschungsrichtung
Hirnforschung
Freiheitsintuitionen sind soziale Institutionen im Dienste der Regulierung von kollektiver Regulierung individuellen Handelns Freiheitsintuitionen sind keine Selbsttäuschung. Sie sind psychologisch wirksam und erfüllen wichtige soziale Funktionen
Prinz
Singer
Freier Wille als „kulturelles Konstrukt“
Hirnforschung
Wolfgang Prinz: freier Wille als soziale Institution
freier Wille ist soziale Institution
Wozu die Institution eines Selbsts mit Freiheitsintuitionen?
Handlungsregulierung durch Moral- und Rechtsnormen
Handlungsregulierung durch Freiheitsjargon:
• Lokalisierung der Handlungsentscheidungen in der Person
• Person als Sanktionsträger Politik: Idee des Sozialvertrags und demokratischer Willensbildung basieren auf Idee des autonomen Individuums
Hirnforschung
Schlüsselbegriffe und Definitionen
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Freiheit• Gemeint ist Willensfreiheit = ein Wesen bestimmt seinen
Willen selbst und frei
• Selbst:– Mensch trifft seine Entscheidung aus sich selbst
heraus ohne innere und äußere Zwänge– Wille ist Urheber der Handlung
• Frei: Prinzip der alternativen Möglichkeiten
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Hirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Prinzip der alternativen Möglichkeiten:• Frei handeln, d. h. Handlungsalternativen zu besitzen• Je mehr Handlungsalternativen beschrieben werden
können, desto größer der Handlungsspielraum
Verantwortung für das eigene Handeln:• Handlungen sind auf das Wesen zurückzuführen, wenn
sie aus freiem Willen resultieren • der Mensch besitzt Freiheitsintuition
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Determination
Zweifel am Konzept des freien Willens:Teilung der Wissenschaft in Deterministen und Indeterministen
These des Determinismus:Gesamtzustand der Welt zu einem beliebigen Zeitpunkt t legt fest, in welchem Zustand sich die Welt zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt t´ befinden wird
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
These des Indeterminsimus
Es gibt Ereignisse, die nicht vollständig durch frühere Zustände bestimmt sind.
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Freiheitskonzepte
Inkompatibilistisches Freiheitskonzept• Unvereinbarkeit von Freiheit und Determination • Freiheit ist immer unbedingte Freiheit
Begründung:• Wenn Wille determiniert ist => keine alternativen
Handlungsmöglichkeiten => keine FreiheitAnnahme:• In der kausalen Vorgeschichte einer Handlung muss es ein
indeterministisches Element geben
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Kompatibilistisches Freiheitskonzept
• Vereinbarkeit von Freiheit und Determination • Freiheit ist immer bedingte Freiheit
Begründung:
Handlungen, die nicht von persönlichen, Überzeugungen, Wertvorstellungen und Wünschen bestimmt sind, sind zufällig => keine Freiheit
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Schlüsselbegriffe der Freiheitsdiskussion
Bewusstsein die Fähigkeit• zu erleben und zu erkennen• sich selbst im Kontrast und in seiner Beziehung zu
seiner Umwelt wahrzunehmen • sich als Individuum zu verstehenEs existiert• kein naturwissenschaftliches Verständnis• keine allgemein anerkannte präzise Definition
SchlüsselbegriffeHirnforschung
Das Libet - Experiment rüttelt an den Grundsätzen unseres Rechtsystems: Darf
man jemanden für eine Tat bestrafen, die er nicht hätte nicht tun können?
SchlüsselbegriffeHirnforschung SchlüsselbegriffeHirnforschung Recht
Rechtsphilosophie und Hirnforschung
Schlüsselbegriffe: Schuld und Schuldprinzip
Nach dem Prinzip der Gerechtigkeit Bemessung von Strafe
• anhand der Rechtsverletzung selbst und • aufgrund der persönlichen Schuld des Täters
Schuld wird durch eine freiwillige Normverletzung
begründet
Schuldprinzip: Bindung von Strafe an Schuld und damit an
Freiheit
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Rechtsphilosophie und Hirnforschung
Schlüsselbegriff: Strafe
• Strafe setzt Schuld voraus• Unterscheidung des Begriffs „Strafe“ von „Maßregel der
Besserung und Sicherung“
2 Arten von Straftheorien:• Absolute Strafzwecktheorie (repressiv: Sühne,
Vergeltung)• Relative Strafzwecktheorie (präventiv: Spezial- und
Generalprävention)
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Rechtsphilosophie und Hirnforschung
Strafrechtliche Verantwortung und Hirnforschung
Deterministische Hirnforscher: „Mensch ist nicht
schuldfähig“• Perspektivenwechsel in der Kriminologie:
Hirnforschung liefert heute Ursachen für kriminelles Verhalten
• Ziel: Gefährlichkeit von Straftätern naturwissenschaftlich exakt begutachten können
Forderung nach Reform der Strafprozessordnung
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Rechtsphilosophie und Hirnforschung
Konsequenzen
Veränderter Strafzweck: Schutz der Gesellschaft
Verdrängung des strafrechtlichen Sühnegedankens
Gefahren• Sinkendes Verantwortungsbewusstsein• Kontrolle, die gegen Menschenrechte verstößt
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Rechtsphilosophie und Hirnforschung
Vorschläge aus rechtsphilosophischer Sicht
• an Verantwortung festhalten
• Befunde der Hirnforschung für die Prävention bzw. Prognose nutzen unter Annahme der Schuldfähigkeit
• Diskussion nutzen zur Verbesserung des Strafrechts
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Wie beschäftigen sich die Sozialwissenschaften mit menschlichen
Handlungen?
Welche Konsequenzen ergäben sich für die Sozialwissenschaften?
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie
Soziologie und Hirnforschung
• Keine Einigkeit über zentrale menschliche Eigenschaften für das soziologischen Menschenbild
• Zwei Bilder:
homo sociologicus: orientiert sein Handeln an sozialen Normen (Max Weber)
homo oeconomicus: wählt zwischen verschiedenen Handlungsalternativen nach seinem persönlichen Nutzen aus (Rational Choice, z.B. Coleman, Esser)
• Webers Ansatz mehrheitlich akzeptiert: Handeln ist auf die Wirkung äußerer sozialer Faktoren zurückzuführen
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Schlüsselbegriff: Soziales Handeln
Max Weber
• Forschungsgegenstand der Soziologie: Soziales Handeln
• Soziologie ist eine Wissenschaft, die soziales Handeln deutend versteht und dadurch in seinem Ablauf und
seinen Wirkungen ursächlich erklären will.
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Schlüsselbegriff: Soziales Handeln
Max Weber
Soziales Handeln
1. ein dem subjektiv gemeinten Sinn des Handelnden nach auf das Verhalten anderer bezogenes,
2. durch diese sinnhafte Bezogenheit in seinem Verlauf mitbestimmtes,
3. und aus diesem subjektiv gemeinten Sinn heraus verständlich erklärbares Handeln
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Schlüsselbegriff: Soziales Handeln
Rational Choice (Hartmut Esser, James Coleman)
Nutzenansatz
Jede Handlung des Akteurs wird allein durch die
Maximierung des persönlichen Nutzens auf Basis
rationaler Überlegungen determiniert
Sinnstifter des Handelns
Ratio
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Schlüsselbegriff: Soziales Handeln
Niklas Luhmann
Prinzip der Kontingenz
in unserer individualistischen Gesellschaft hat jeder Mensch unendlich viele Handlungsalternativen
Prinzip der doppelten Kontingenz
beiderseitige Ungewissheit darüber, was die andere Seite tun wird
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Schlüsselbegriff: Soziales Handeln
Niklas Luhmann
Komplexe Welt moralische Regeln geben Handlungsanleitung und schränken den Handlungsspielraum ein
bei Regelverstoß soziale Sanktionen
AnnahmeMensch hat moralische Regeln internalisiert und handelt danach -> moralisches Gewissen vorhanden
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Ist der Handlungsbegriff der Soziologie durch die Hirnforschung bedroht?
Webers subjektiver Sinn
• entsteht im Laufe der Biographie durch äußere soziale Einflüsse
• dieser subjektive Sinn müsste im limbischen System des Gehirns abgespeichert sein
Ursprung der Handlung
Kein Widerspruch zur Hirnforschung
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Rational Choice Ansatz
• Prinzip alternativer Möglichkeiten widerspricht Hirnforschung• Aber: Entscheidung für die Nutzen maximierende Handlung
Nahe liegende Annahme:
• genau diese rational günstigste Handlungsalternative müsste aufgrund früherer Erfahrungen im limbischen System abgespeichert sein
Ist der Handlungsbegriff der Soziologie durch die Hirnforschung bedroht?
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Ist der Handlungsbegriff der Soziologie durch die Hirnforschung bedroht?
LuhmannDoppelte Kontingenz
• Existenz des moralischen Gewissens wird von Hirnforschung abgestritten
• Moralisches Gewissen aber durch Erziehung geprägt• Erziehung lagert Informationen im Gehirn ein
kein Widerspruch zur HirnforschungIdee des moralisches Gewissen bleibt bestehen
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Ist der Handlungsbegriff der Soziologie durch die Hirnforschung bedroht?
Fazit: Nein!
• Freiheitsintuition vorhanden
• Determination durch soziale und biologische Faktoren gegeben
• Konzepte der Sozialwissenschaften bleiben relevant
SoziologieHirnforschung RechtSchlüsselbegriffe
Neue Entwicklungen: Neuroökonomik & Neurosoziologie
Zukunftsperspektiven
Widerbeleben des alten Wissenschaftsverständnisses
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Widerbeleben des alten Wissenschaftsverständnisses Sozialphilosophische Betrachtung
• Sozialwissenschaftliche Hermeneutik kontra naturwissenschaftliche Kausalität
Erfassung komplexer Phänomene (freier Wille = soziales Phänomen)
• Kein Modell besitzt Allgemeingültigkeit
Gleichberechtigung von Natur- und Sozialwissenschaften (Problem: Forschungsgelder)
Zukunftsperspektiven
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
„Wissen kann nur im Zusammenspiel von Geistes- und Naturwissenschaften erlangt werden“ (Singer)
Materielles (Naturwissenschaften)
Geistiges (Geisteswissenschaften)
Brücken- oder Meta-theorien
Zukunftsperspektiven
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Problem: fehlender Respekt voreinander
Respekt aber notwendig, da:• Forschungserkenntnisse die Quellen für verlässliche
Handlungsmaximen in der Wissenschaft vernichten• die Verantwortung der Wissenschaft für die Menschheit
wächst
Empfehlung von Singer:
Führung der Wissenschaft durch „das Wissen um die Begrenztheit des Wissbaren“
Zukunftsperspektiven
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Wirtschaftsnobelpreisträger 2003 Vernon Smith:
Hirnforschung als „Beginn einer Unternehmung, die einen grundlegenden Wandel in der Art und Weise
verspricht, wie wir denken, beobachten und Entscheidungen fällen“
Praktische Relevanz
Kaufentscheidungen der Menschen
Neuroökonomie / Neuromarketing
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Uni Münster: Zusammenschluss von
1. Mitgliedern der Klinik und Poliklinik für Neurologie,
2. des Instituts für Klinische Radiologie und
3. des Instituts für Handelsmanagement und Netzwerkmarketing
Wollen sich zur Speerspitze der Neuroökonomie entwickeln
Neuroökonomie / Neuromarketing
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Arbeitsweise: funktionelle Kernspintomographie
Analyse von Bildern des Hochfeld-Kernspintomographen
Neuroökonomie / Neuromarketing
Bilder reichen, um „die Grundlagen des ökonomischen Handelns von Menschen auf naturwissenschaftlicher Ebene zu erforschen“
Experimente zur neuronalen Wirkung einer Produktmarke
1. Probanden werden verschiedene Produkte (Kaffeesorten) vorgestellt.
2. Produkte werden mit je einer Marke versehen
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Neuroökonomie / Neuromarketing
Ergebnisse
1. Entscheidung der Teilnehmer zugunsten der Marke
2. Hirnaktivität verändert: Bei Präsentation einer Marke sind einige Hirnareale extrem aktiv (Emotionale Zentren), andere extrem wenig aktiv (Ratio)
Bei Marken schaltet der Verstand aus
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Neurosoziologie
Neurosoziologie: Zukunft der Hirnforschung
die neuronalen Grundlagen von zwischenmenschlichen Beziehungen und Bindungen, aber auch den Zusammenhalt von sozialen Gemeinschaften und größeren Gruppierungen.
Stellt das Zentralnervensystem ein Netz aus unzähligen verkoppelten Neuronen dar, so ist die Gesellschaft ein Netz aus unzähligen eng aufeinander bezogenen Gehirnen.
Hirnforschung RechtSchlüsselbegriffe Soziologie Perspektiven
Lebenspraktischer Umgang
THESE
Selbst wenn wir aus naturwissenschaftlicher Perspektive die Vorstellung, wir seien frei, fallen
lassen müssen, muss und wird das an den bisherigen Formen unseres Zusammenlebens wenig
bis gar nichts ändern.
Was ist unserer alltäglicher Umgang miteinander?
Jeder von uns schreibt sich und anderen ständig Wahrnehmungen, Gefühle, Absichten, Überzeugungen, Wünsche etc. zu.
Wir nehmen auf diese uns zugeschriebenen mentalen Zustände Bezug, um unser Verhalten und Handeln
• zu beschreiben,• zu erklären,• vorherzusagen,• zu kritisieren und zu rechtfertigen,• zu planen und zu koordinieren.
1. Wenn wir in Wahrheit unfrei sind, waren wir schon immer unfrei.
2. Insbesondere haben wir all das getan und tun es weiterhin, was wir damit begründeten und immer noch begründen, wir seien frei.
3. Dass diese Begründung hinfällig geworden ist, macht noch lange nicht die so begründete Praxis hinfällig.
4. Wir können an unserer üblichen Praxis auch ohne die kommentierende und begründende Rede von „Willensfreiheit“ festhalten.
Setze in Zukunft einmal folgende Sätze auf Deinen privaten „Index der verbotenen
Sätze“:
• Ich bin frei.
• Wenn ich mich anders entschieden hätte, hätte ich anders gehandelt.
• Unter sonst gleichen Umständen kann ich mich immer wieder anders entscheiden.
Sei also unbesorgt: Auch beim Verzicht auf diese Sätze werden Sie genauso gut und genauso
schlecht wie bisher mit sich, der Welt und ihren Mitmenschen zurecht kommen.
Aber in anderer Hinsicht stehen Sie besser da.
Sie sind ein „philosophisches Problem“ losgeworden.
Das Problem des freien Willens!
Hirnforschung24.info, Ihre Online Suche, 2004, Wikipedia: Gehirnforschung, http://www.hirnforschung.de/index.php4?lexithema=Gehirnforschung, abgerufen am 16.06.05
• DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2003, Lebenslauf: Wolf Singer, http://www.dfg.de/aktuelles_presse/preise/communicator_preis/2003/singer/lebenslauf.html, abgerufen am 16.06.05
• Wilken Augenoptik, Das elfte Gebot: Du sollst dich nicht täuschen, http://www.optikwilken.de/Optische_Phaenomene/Optische_Phaenomene_06.htm, abgerufen am 16.06.05
• Turm der Sinne – Das besondere Museum zum Be-greifen der Sinne. Ein Ort zum Erleben, Staunen, Be-Greifen, Symposium 2004, Prof. Dr. Wolfgang Walkowiak, Wille, wo bist du? Handlungsplanung und Selektion aus neurobiologischer Sicht, http://www.optikwilken.de/Optische_Phaenomene/Optische_Phaenomene_06.htm, abgerufen am 16.06.05
• Turm der Sinne – Das besondere Museum zum Be-greifen der Sinne. Ein Ort zum Erleben, Staunen, Be-Greifen, Symposium 2004, Prof. Dr. Matthias Kettner, Selbstbestimmung. Das latente Thema der Willensfreiheit, http://www.turmdersinne.de/dl/Kettner.pdf, abgerufen am 16.06.05
• Psychologische Rundschau 55 (4), 2004, Wolfgang Prinz, Kritik des freien Willens: Bemerkungen über eine soziale Institution, 198–206, http://www.psy.mpg.de/home/kprinz/www/pru5504198.pdf, abgerufen am 17.06.05
• CoMedWeb, Medizin und Bewusstsein, Das Menschliche Gehirn und seine Wirklichkeit. Interview mit dem Neurobiologen Gerhard Roth, http://www.comedweb.de/DE/page.php?pageID=119, abgerufen am 18.06.05
• Zur deutschen Sprache. Die Sprache als Bild der Seele, Hirnforschung widerlegt nicht Freiheit. Libet-Experiment misst keine Willensentscheidung, http://www.sprache-werner.info/index.php?Rpage=gehirn/gehirn-nrw-zilles-widerlegt.html, abgerufen 19.06.05
• Methodologie der Willensforschung, Kritik der Libet-Experimente und ihrer Interpretation Wie kann, wie soll der freie Wille erforscht werden und inwiefern ist hier besondere psychologische Kompetenz vonnöten?, http://www.sgipt.org/gipt/allpsy/wollen/dgvmP02.htm, abgerufen am 19.06.05
• Holm Tetens, Ändert sich etwas für uns wenn wir nicht frei sind? Zwei Thesen, http://www.treffpunkt-ethik.de/download/Leben-gestalten_tetens.pdf, abgerufen am 20.06.05
© Mokry, Basha