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Außerdem in dieser Ausgabe Die Deutsche Bahn im ethischen Verkehr Nachhaltigkeit im Einkauf Wie gut können wir sein? Moral und Ethik in Unternehmen und im Einkauf Ihr Magazin für Einkauf & Logistik Ausgabe 04 / 2018

Wie gut können wr siein? - drozak.com · Branchentreff im Bereich Logistik und Supply Chain NOVEMBER 13. – 15. 11.2019 » BME-Symposium in Berlin « 3 Editorial während der besinnlichen

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Außerdem in dieser Ausgabe

Die Deutsche Bahn im ethischen Verkehr

Nachhaltigkeit im Einkauf

Wie gut können wir sein?

Moral und Ethik in Unternehmen und im Einkauf

Ihr Magazin für Einkauf & Logistik

Ausgabe 04 / 2018

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Drozak vor Ort

Drozak vor Ort Save the dates:

Veranstaltungskalender für das Jahr 2019

MAI 15. - 16.05.2019

» World Procurement Congress in London « High velocity procurement: The competitive advantage

OKTOBER 23. – 25.10.2019

» BVL-Logistikkongress in Berlin » Branchentreff im Bereich Logistik und Supply Chain

NOVEMBER 13. – 15. 11.2019

» BME-Symposium in Berlin «

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Editorial

während der besinnlichen Advents- und Weihnachtszeit sind wir zugäng-licher für eine ethische Auseinander-setzung mit gesellschaftlichen und politischen Dramen, die sich gegen-wärtig überall abspielen und uns belasten.

Wenn wir diese nachdenkliche Stimmung auf unseren Geschäfts-alltag übertragen, kommen Fragen hoch, die wir manchmal unter drücken, um einer ethischen Auseinander-setzung aus dem Weg zu gehen. Ver-halten wir uns immer ethisch und mo-ralisch korrekt? Konkret heißt das: ist unser Druck auf Lieferanten, Kunden, Partner, Mitarbeiter und Kollegen nicht manchmal zu hoch? Entspricht unser Verhalten unseren eigenen ethischen Vorstellungen? Oder überschreiten wir manchmal die ethische Grenze und beruhigen unser Gewissen dann mit der „Arznei der logischen Gründe“ wie: „Es geht um die Existenz des Unter nehmens“, „Es ist ein Über-lebenskampf gegen den Wettbewerb“ oder „Ich muss die Perspektive der eigenen Familie sichern“. Diese Fragen stelle ich mir manchmal…

Deshalb haben wir zum Jahres-ausklang dieses besondere Thema ausgewählt. Nicht nur wegen der vorweihnachtlichen Stimmung, aber vor allem, weil es selten behandelt wird und seine Bedeutung aus vie-len Gründen kontinuierlich zunimmt, wollen wir es auf die Perspektive der Ethik im Einkauf ausrichten.

In unserem Leitartikel beginnen wir mit einer ethischen „Tour de Force“ von der Bibel über die Römer bis zum Code of Conduct und dem Thema Compliance. Die geisteswissenschaft-lich anspruchsvolle Aufgabe, diese ethische Brücke zu bauen, hat der Schweizer Theologe, Philosoph und Kirchenrechtler Daniel Schwenzer übernommen.

Danach bleiben wir auf der Einkaufs-seite und genießen einen Tiefgang in diese Thematik. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, den CPO des Konzerns, der den strengsten Anforderungen bezüglich Transpa-renz, Rückverfolgbarkeit und Compli-ance unterliegt, für ein umfassendes Interview zu gewinnen. Uwe Günther

von der Deutschen Bahn demon striert eindrucksvoll die praktische Um-setzung der ethischen Grundwerte in einem anspruchsvollen Umfeld.

Mit dem letzten Artikel runden wir das thematische Dreieck Ethik – Einkauf – Umsetzung ab: Weitere interessante Beispiele, wie Konzerne weltweit posi-tiv mit dem Thema Ethik im Sinne des „Sustainable Procurement“ umgehen, zeigt Thomas Keitel auf.

Viel Spaß beim Lesen, sowie frohe Weihnachten und ein gesundes neues Jahr, wünsche ich Ihnen und Ihren Familien

Ihr Dr. Jacek Drozak

„ Entspricht unser Verhalten unseren ethischen Vorstellungen?“

Dr. Jacek Drozak, Gründer und Geschäftsführer von Drozak Consulting

Ethik im Einkauf

Brauchen wir neue Gebote?Ethik im Unternehmen und im Einkauf

Welchen Regeln sollen wir folgen?

» Die Wirtschaft als Fakt hat in mir immer ein philosophisches ‘Staunen’ geweckt, und die Frage nach einer Philosophie der Wirtschaft ... ist im Grunde genommen nie aus meinem geistigen Horizont gewichen. « So schreibt 1912 der russische Ökonom und Theologe Sergij Bulgakow.

Das ‚Staunen‘ Bulgakows und seine Frage nach einer Philosophie der Wirt-schaft ist damals wie heute ein wich-tiges und ein aktuelles Thema, nicht nur aus der Sicht eines Theologen und Ethikers sondern auch für den Unter-nehmer, die Führungskraft und den Angestellten.

Sie alle stellen sich doch bewusst oder unbewusst die Fragen: Welche Regeln, Normen und Leitlinien – jenseits der gesetzlich vorgegebenen – sind ver-bindlich für unser Handeln in der Unter-nehmenswelt? Stehen wir im Konflikt mit den Geboten der Nächsten liebe, der Mitmenschlichkeit und der Barm-herzigkeit, wenn wir die wirtschaft-lichen Interessen unseres Arbeit-gebers durchzusetzen suchen? Ist die Umsetzung einer Unternehmens-richtlinie ‚Corporate Governance‘ und der Code of Conduct, die die meisten

Unternehmen eingeführt haben, eine zufriedenstellende Antwort? Und wie sollte insbesondere der Einkauf eine wesentliche Schnittstelle von Außen beziehungen und Geldfluss des Unter nehmens, mit dem Thema Ethik umgehen?

Blindheit der Ökonomen

Viele Fragen, deshalb gibt es auch viele Theorien über Wirtschaft, jeder hat » seine « Theorie oder Dogma, daher spricht man ja auch von Wirt-schaftsdogmatik. Jede Wirtschafts-dogmatik unterlegt ihre Theorie mit geforderten oder abzulehnenden Re-gelungsmechanismen, das geht von

der sozialistischen Planwirtschaft, die sich die deutsche Kriegswirtschaft des Ersten Weltkrieges zum Vorbild genommen hatte, über den modernen Sozial staat, der im 19. Jahrhundert ent wickelt wurde bis hin zum soge-nannten Raubtier kapitalismus, der am liebsten gar keine Regeln akzeptiert

und hinnimmt, dass viele einfach auf der Strecke bleiben. Ein Kompro-miss ist die soziale Marktwirtschaft, die – fußend auf der Enzyklika Rerum Novarum von Papst Leo XIII. (1891) – adaptiert und weiterentwickelt durch den Ökonomen und späteren Bundeskanzler Ludwig Erhardt, die Marktwirtschaft der Bundes republik Deutschland war (besonders der „Bonner Republik“) und es mit Abstri-chen noch heute ist.

Natürlich gibt es viele Kritiker. So z. B. monierte 2010 die Ökonomin Karen Horn die » verheerende philosophische und sozialwissenschaftliche Blindheit « der modernen Ökonomen, ein Fehlen

» logische[r] Stringenz «, » Kopplung der Theorie an die Realität «. Diese Kritik wird man auch der aktuellen Politik, der deutschen wie der euro-päischen, angedeihen lassen müssen. Ein kurzsichtiges laisser-faire, oder » wir schaffen das « will nicht mehr ge-stalterisch nach vorne schauen und

Ein kurzsichtiges laisser-faire, oder ein » wir schaffen das « will nicht mehr

gestalterisch nach vorne schauen und scheut sich vor Konsequenzen

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Ethik im Einkauf

scheut sich vor Konsequenzen in die Zukunft hinein.

Die Verantwortung des Individuums

Zurück zu Bulgakow. Seine philo-sophische Einsicht ist, dass die Kate-gorie der Freiheit des Handelns und des Nachdenkens nicht nur im Reich des Geistes, sondern auch im Reich der Materie (also in wirtschaftlichen Zusammenhängen) anzuwenden ist, nicht nur individuell, sondern auch in der Gesamtgesellschaft, insofern der Mensch nach Aristoteles ja ein zoon politikon ist, ein Wesen, das in der polis lebt, wörtlich in einer Gemeinschaft von Vielen. Das Ziel des zoon politikon ist nach Aristoteles das Erreichen des » guten Lebens «, daher hat es der Mensch als Natur in sich, sich in Ge-meinschaften und Staaten zu organi-sieren. Das wiederum bedingt Regeln und geregelte Märkte und Wirtschaft. Das Leben ist also ein wirtschaftlicher Prozess und das Welt geschehen kann als Wirtschaftsgeschehen gedeutet werden.

Ein Rechtsgrundsatz der Römer lautet «ubi societas, ibi ius», wo es Gesell-schaft gibt, gibt es Recht; das stellt uns vor weitere Fragen: Wo es Gesell-schaft und wo es Menschen gibt, gibt es Märkte, die der Regelung bedürfen. Sicher sind Märkte als solche so alt wie die Menschheit selbst. Die Frage ist, wie bewegt man sich auf diesen, wie geht man mit den Partnern um, die sich ebenfalls auf diesen Märkten tummeln, wie können alle Beteiligten einen Vorteil oder Nutzen aus diesem System ziehen, also eine Situation der Teilhabe Aller schaffen?

Was bedeutet das für jeden Einzelnen von uns? Hier ist die Verantwortung gefragt, unsere persönliche Einstel-lung, unsere persönliche Ethik und unser persönliches Engagement. Grund legende Begriffe sind Solidari-tät, Integrität, Gemeinwohl und Nach-haltigkeit. Diese Prinzipen gelten im kleinen, wie im großen Bereich. Es geht um Verantwortung von Unter-nehmen, aber auch um die Verant-wortung und Freiheit des einzelnen Mitarbeiters, losgelöst von seiner

Stellung in Funktion und Hierarchie des Unternehmens im Rahmen seiner Aufgabe. Unternehmens richtlinien, Corporate Responsibility und der Code of Conduct des Arbeitgebers sind zu beachten, er setzen aber nicht die zwingen de Notwendigkeit, als Indi-viduum und Mensch in der jeweiligen Situation eine Entscheidung zu treffen, die dem eigenen Anspruch gerecht wird. Und die eventuell den Wei-sungen des Vorgesetzten zuwider-läuft, und damit großen Mut erfordert (und den rechtlichen Schutz solcher Whistleblower).

Corporate Responsibility in der Bibel

Hier sind wir wieder beim Einkauf! Denn Corporate Responsibility, Integ-rität und die Verantwortung und Frei-heit des Einzelnen sind natürlich auch ein Einkaufsthema. Aufgrund seiner Aufgabe, Geld des Unternehmens effi-zient und effektiv einzusetzen, ist er in mehrfacher Hinsicht ethisch gefordert und manchmal auch heraus gefordert. Glücklicherweise hat sich seit Adam Smith und David Ricardo die Erkennt-nis in politischer, wirtschaftlicher sowie ethischer Sicht durchgesetzt, dass Handel – und damit auch wirtschaft-liches Handeln als Unternehmen – grundsätzlich den Wohlstand aller Beteiligten erhöht.

Dies wiederum ist durchaus biblisch, und findet im neutestamentlichen Gleichnis von den Talenten seinen Niederschlag: Ein reicher Mann ging auf Reisen und verteilte sein Vermö-gen unter seinen Dienern, damit sie,

je nach ihrer Begabung, mit dem Geld arbeiteten und es vermehrten. Nach seiner Rückkehr wird Abrech-nung gehalten; der, der fünf Talente erhalten hatte, hatte weitere fünf er-wirtschaftet; der, der zwei Talente er-halten hatte, hat ebenfalls zwei dazu gewonnen. Nur der, der – anschei-nend war er ohnehin schon der am

wenigsten Begabte – nur ein Talent erhalten hatte, hatte gar nichts dazu verdient. Aus Angst vor Verlust hatte er sein Talent einfach begraben. Das Gleichnis wirft auch einen Blick auf unsere je eigene Auf gabe und Persön-lichkeit. Die » Talente « sind ursprüng-lich eine alte Währungs einheit, aber in unserem Sprach gebrauch das ge-worden, was wir noch heute darunter verstehen: Begabung, Können. Es ist also ethisch, mit seinen Begabungen zu arbeiten, das anvertraute Gut zu vermehren. Dies wiederum scheint sich zum Segen aller auszuwirken: Der reiche Mann aus dem Gleichnis ist zufrieden, denn sein Vermögen konnte durch seine Mitarbeiter ver-mehrt werden, die erfolg reichen Die-ner sind ebenfalls zufrieden, denn sie erhalten ihren persönlichen Anteil ihres Erfolges. Es hat sich also gelohnt, mit den Talenten zu arbeiten. Nur der, der nichts unternimmt, wird abgestraft. Die Bibel und ihre Gleichnisse beruhen damit auf menschlicher Erfahrung, sie sind zwar ein Spiegel der dama-ligen Gesellschaft, haben aber auch ihre Weisung in unsere Gesellschaft hinein: Arbeit, gemäß dem eigenen Talent, lohnt sich und soll sich lohnen, oder ausgedrückt im Kontext der mo-dernen, arbeitsteiligen Gesellschaft: Eigen tum (und Funktion im Unterneh-men) verpflichtet.

Walk the Talk

In einer Welt, in der immer noch fast eine Milliarde Menschen in absoluter Armut leben, ist das eine starke Legi timation für die Arbeit in einem Unter nehmen.

Die größte Ab nahme der Armut hat in den Ländern statt gefunden, die sich dem Handel geöffnet haben. Und sind die Einkäufer nicht häufig die Speer-spitze des Handels gewesen, die als erste in nahen und fernen Ländern den Wirtschaftssubjekten den Ein-tritt in die globale Wirtschaft eröff-net haben? Aber es ist wichtig, dass

Einkauf und unternehmerische Prozesse müssen einer umfassenden Nachhaltigkeit und damit

einem ethischen Konzept in die Zukunft folgen

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Einkauf, und auch Verkauf, ethischen Prinzipien folgen, damit sie wirklich al-len zu einem Anteil am Glück und Er-folg gereichen – Adam Smith’ unsicht-bare Hand schafft Wohlstand, aber verteilt ihn nicht notwendiger weise gerecht. Der Einkäufer muss sich also immer wieder fragen: Ist mein Einkauf sauber, ist er richtig, folge ich als Ein-zelperson, folgen wir als Unternehmen den richtigen Werten? Den richtigen

Werten in dem Sinne, dass eben für alle Beteiligten eine Win-Win- Situation entsteht, und nicht die einen zurück-stecken müssen, während die ande-ren alles einstecken. Anders gefragt: Folgen der Einkauf und die unter-nehmerischen Prozesse einer um-fassenden Nachhaltigkeit und damit eben einem ethischen Konzept in die Zukunft hinein?

Hier muss sich jede Gesellschaft an die eigenen unternehmerischen Nasen fassen und sich immer wieder selbst kritisch befragen. Im Sinne eines ethi-schen Anspruchs der Wirtschafts-subjekte, freier Märkte und freier Wirt-schaft ist wünschenswert, dass dies von innen geschieht, in einer Selbst-beleuchtung und nicht von außen, etwa durch Gesetze. Wir sprechen also von Corporate Responsibility. Diese betrifft aber immer das ganze Unternehmen als eine Körper schaft und nicht nur die Chef etage oder Headquarters oder Sales, die vielleicht gute Ideen und Leitbilder vertreten, die dann aber nicht weiter verfolgt oder beachtet werden.

‚Was du nicht willst, das man dir tu...‘

Der gelebte Anspruch der Corporate Responsibility in einem Unternehmen sollte Einkauf und Lieferanten regel-mäßigem Monitoring, Screening, Kon-trolle und Protokollierung dieser Pro-zesse unterzogen werden. Und hier ist das einzelne Mitglied des Unterneh-mens gefragt. Letztlich kann man viele

biblische Vorgaben tatsächlich unter dem Motto zusammenfassen: Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg’ auch keinem andern zu. Oder positiv formuliert: Was ich als Mitglied meines Unternehmens, als Einkäufer für richtig und wichtig erachte, das muss ich in meinem ethischen Handeln selbst vor-machen und vorleben. Diese Selbst-verantwortung gilt also von oben und von unten, von innen und von außen.

Nur dann können die Märkte tatsäch-lich zur Beendigung und Befreiung von Armut dienen. Angesichts wach-sender Bevölkerungszahlen kann diese Welt, wenn es nicht regelmäßig zu Katastrophen kommen soll (Kriege, Hungersnöte, Seuchen – und oft be-dingt ja der eine Faktor den anderen), nur funktionieren, wenn jedes Glied Nachhaltigkeit fördert und fordert. Es geht um das Verhältnis der Menschen zu- und miteinander und um die Frage, wie man mit Armut umgeht, denn im Rahmen unfrei williger Armut kann es keine Wahlfreiheit geben. Wahlfreiheit (Ausbildung, freie Berufswahl, hori-zontale und vertikale Mobilität) aber ist Vorbedingung für freie Entwick-lung der Staaten und ihrer Einwohner. Wenn der Mensch, wie oben ange-deutet, zoon politikon ist, dann ist die polis, im kleinen als Stadt, im großen als Staat, im ganz großen als Staaten-gemeinschaft immer der Ort, wo Wirt-schaft und eben auch Politik gemacht wird. Jeder, der sich an ethische Re-geln hält, macht damit bereits Politik, denn er trägt zum Wellbeing und zum Wellfare aller bei, und damit natürlich auch seinem eigenen.

Was nützt es, wenn man heute einen großen Gewinn machen kann, das Gegenüber über den Tisch zieht, die Einkaufs- und Absatzzahlen nach oben katapultiert, damit aber auf lange Sicht die Absatzgebiete und -märkte, die man ja weiter bedienen will, zerstört und wegrationalisiert? Damit würde man sich, bzw. seine

ökonomische Existenz in letzter Kon-sequenz ja selbst wegrationalisieren.

Werden diese Punkte beachtet und gelebt, kann man als Teil eines Unter-nehmens mit Erfolg dazu beitragen, dass unsere Welt ein bißchen gerech-ter und vernünftiger wird, daß vielleicht auch unsere Kinder und die Kinder unserer Gegenüber (und so weiter) in einer gerechten Welt leben. Gerecht und Nachhaltig. Zukunftsorientiert. Ehrlich.

Daniel Schwenzer, Theologe, Philosoph, Kirchenrechtler

und Organisationsberater

Ethik im Einkauf

Es geht um das Verhältnis der Menschen zu- und miteinander

Daniel Schwenzer, Theologe, Philosoph, Kirchenrechtler und

Organisationsberater

Daniel Schwenzer forscht, arbeitet und lebt an der Schnittstelle der kirchlichen, geistlichen und welt-lichen Sphären. Seine Arbeit als Verwaltungsrat, Leiter von Flücht-lingsheimen, Experte für kanoni-sche Gutachten, kirchlicher Rich-ter und Sachverständiger begleitet er mit wissenschaftlichen Aktivi-täten. Mit über 50 Einträgen auf seiner Veröffentlichungsliste ist er vielgelesen und oft zitiert. Seine Leidenschaft gilt neben seiner Familie der Frage, ‚was die Welt im Innersten zusammenhält‘.

Er hat in Tübingen, Wien, Stras bourg und Fribourg (Schweiz) Theologie, Philosophie, Geschichte und Kirchenrecht studiert.

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trend: Ethik im Einkauf bedeutet, dass ein Unternehmen Grundsätze und Leitlinien hat, die auch im Einkauf Anwendung finden sollten. Mit welchem Anspruch oder Rahmen operiert hier die Deutsche Bahn? „

Bei dem Begriff Ethik geht es um Handlungsnormen, also um Regeln, an denen wir uns orientieren, wenn eine Handlungsentscheidung zu treffen ist. Das beinhaltet moralische, sittliche und verantwor-tungsgerechte Kriterien und Werte und betrifft alle Mitarbeiter, ist aber natürlich in erster Linie eine Führungsaufgabe – auch im Einkauf. Der Einkauf hat in der Regel das größte Schnittstellen umfeld in das Unter-nehmen hinein und zu den Marktteil-nehmern, also den Lieferanten. Das ist bei der Bahn nicht anders. Vom Bleistift bis zum ICE, wir beschaffen alles. Unser Geschäftsauftrag ist es dabei, die Versorgungssicherheit in al-len Warengruppen für unsere internen Kunden nach den Kriterien Qualität, Logistik und Wirtschaftlichkeit herzu-stellen und unser Anspruch ist es, da-bei international, innovativ und nach-haltig zu agieren. Dabei sind ethische Grundsätze ganz klar in den Hand-lungsregeln und Wertmaßstäben der Beschaffung integriert. Im Rahmen

der internationalen Bahnsektor- Messe InnoTrans vergeben wir alle zwei Jahre Lieferantenprädikate an heraus-ragende Geschäftspartner, die Krite-rien wie Umweltschutz und einwand-freie Produktionsbedingungen für ihre Beschäftigten vorbildlich umsetzen. Norm- und gesetzes treues Verhal-ten ist eine der wesentlichen Grund-bedingungen für eine funktionierende

Beschaffungsorganisation und war innerhalb der Deutschen Bahn schon immer eine Hauptanforderung an Mit-arbeiter, Führungskräfte, Prozesse und Systeme.

trend: Und wie wird im Tagesgeschäft der Deutschen Bahn sichergestellt, dass dieser Anspruch operativ umgesetzt wird? Welche Instrumente werden dafür eingesetzt? „

Voraussetzung ist eine klare Positio-nierung des Managements, d. h. der ‚Tone from the Top‘ muss klar sein. Dann gilt es die notwendigen Regularien in Festlegungen und Verein barungen zu definieren und ein Kontroll system zu

etablieren. Das beginnt beim Einkauf mit einer internen Einkaufsrichtlinie und für die Geschäftspartner mit dem Code of Conduct (CoC). Hier stehe ich in regelmäßigem Austausch mit unserem Konzernvorstand und wir beschließen gemeinsam alle Doku-mente und Schritte. Die Anerkennung unseres CoC oder eines äquivalenten Dokumentes ist Voraussetzung für

die Aufnahme von Geschäfts beziehungen. Diese Doku mente konkretisieren nicht nur die gesetzlichen Anforderungen, son-dern formulieren

auch frei willige Selbst verpflichtungen und Werte, die für uns als Deut-sche Bahn wichtig sind. Dazu ge-hört auch ein vertrauens voller, fairer Umgang mit Kollegen, Lieferanten und Kunden sowie allen Geschäfts- und Schnittstellen partnern. All das haben wir in unserem Lieferanten-managementsystem verankert und potentielle Anbieter müssen sich zu diesen Werten bekennen. Dabei wollen wir volle Transparenz. Das ist eine der Grundlagen für eine lang-fristig stabile Lieferbeziehung. Das Lieferanten managementsystem be-ginnt mit einer Eignungsprüfung poten tieller Lieferanten und dabei

Interview

Moralische Weichenstellung im Großkonzern

Die Anerkennung unseres Code of Conducts ist Voraussetzung für die Aufnahme von

Geschäfts beziehungen

Uwe Günther, Chief Procurement Officer im Interview über Wertmaßstäbe und Verantwortung im Einkauf bei der Deutschen Bahn AG

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Interview

werden neben den qualitativen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch ethische und soziale Voraus-setzungen geprüft. Es werden keine Anforderungen separiert, sondern es kommt auf das Gesamtpaket an. Die Lieferantenqualifikation ist Vorausset-zung für die Teilnahme am Wettbe-werb. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Prävention.

Im Tagesgeschäft arbeiten wir in ver-schiedenen Gremien, so etwa im Steuerkreis Kartellschadenspräventi-on oder im Entscheiderkreis Vergabe-sperre, und beurteilen die Vertrags-erfüllung unserer Lieferanten auch in diesen Feldern. Auffällig keiten oder Verstöße werden erkannt und geahn-det. Jeder Lieferant bekommt regel-mäßig eine Lieferanten bewertung, bei der die Kriterien aber schon zum Vertrags abschluss bekannt sind.

trend: Das hat Breite und Tiefe. Aber wie stellen Sie sicher, dass bei der Komplexität dieser Thematik die Einkäufer immer von den gesetzlichen Änderungen erfahren? „

Innerhalb des Einkaufs führen wir ein regelmäßiges Schulungs programm zum Lieferantenmanagement und zum Thema Compliance durch, heute natürlich schon als E-Learning zum Verhaltenskodex und zur Korruptions-prävention. Dabei binden wir alle am Beschaffungsprozess beteiligten Mit-arbeiter ein, auch unsere Techniker, Qualitätsingenieure und die Bedarfs-träger aus den Geschäftsfeldern. Es findet eine ressortübergreifende Ko-ordination statt. Selbstverständlich gibt es bei der Deutschen Bahn auch ein Hinweisgebermanagementsystem,

welches auch von externen Partnern genutzt werden kann.

trend: Ethischer Anspruch und unternehmeri-sche Interessen scheinen Vielen ein Spannungs-feld – das finanzielle Unternehmensziel ist der höchste Gewinn, so dass andere Interessen wie die der Umwelt und die der Lieferanten unter-geordnet erscheinen. Gelingt der Deutschen Bahn hier der Interessensausgleich? „

Die Deutsche Bahn zielt auch auf nachhaltigen Gewinn ab, was in der Konzernstrategie fest verankert ist.

Dort finden sich Profitabilität, Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte und auch der Anspruch, Top-Arbeitgeber zu sein, in einem gleichberechtigten Dreiklang wieder.

Die heutigen Manager finden ihre Herausforderungen zwischen Markt, Macht und Moral. Meine Grund-überzeugung ist: Moral im Business ist möglich. Und sie ist wichtiger als der Preis. Moral und Ethik dürfen bei all dem Drang nach Erfolg und Geld nicht auf der Strecke bleiben. Die ethische Grundorientierung darf nicht durch falsche Ziele, überbewertete Er-gebnisse, eine schleichende Unmoral oder stillschweigende Duldung torpe-diert werden.

Diese Grundüberzeugung setze ich in meiner täglichen Arbeit um und erwarte das auch von meiner Or-ganisation. Das verlangt eine klare

Kommunikation nach innen und au-ßen und eine permanente Reflektion der aktuellen Marktbedingungen. Das vorliegende Regelwerk der Deut-schen Bahn ist in den letzten Jah-ren intensiv weiterentwickelt worden und stellt heute aus meiner Sicht ein beispielhaftes Grundgerüst für eine Compliance- gerechte Konzernfunk-tion Beschaffung dar. Dies lassen wir uns regelmäßig auch durch exter-ne Benchmarks bestätigen. In den Warengruppen strategien und den

Zielvereinbarungen der Mitarbeiter stehen auch Nach haltig keits- und Umweltziele gleichberechtigt neben den Ergebnis- und Wertbeitragszielen.

trend: Das kennen wir aus den Medien: Die Deutsche Bahn ist in den letzten Jahren in verschiedenen Fällen Opfer unethischen (und kriminellen) Verhaltens von Lieferanten geworden. In welcher Art versucht sich die Deutsche Bahn davor zu schützen? „

Ja, leider gab es diesbezüglich einige Fälle. Der schwerste Fall war sicher das Schienenkartell, in dem sich ein Teil der Hersteller zu Preisabsprachen hinrei-ßen ließ und so die Deutsche Bahn und unsere Kunden geschädigt hat. Durch die Nutzung der gesetz lichen Mög-lichkeiten der Kron zeugen regelung und gezieltes Lieferantenmanagement konnten wir solche Fälle aufdecken, die Verhaltens weise ahnden und den

Meine Grund überzeugung ist: Moral im Business ist möglich.

Und sie ist wichtiger als der Preis.

Kartellschadensprävention oder Vergabe sperre:

Jeder Lieferant bekommt regel mäßig eine Lieferanten-

bewertung. Auffällig keiten oder Verstöße werden erkannt und

geahndet.

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Interview

Schaden wiedergutmachen. Dabei ar-beitet der Einkauf eng mit der Rechts-abteilung und der Revision zusammen. Da es sich bei den Lieferanten oft um personen bezogenes Fehlverhal-ten handelt, erwarten wir zuallererst von den Firmen eine Selbstreinigung und ein aktives Mitwirken bei der Auf-klärung der Fälle. Dann natürlich eine Schadens wiedergutmachung und eine Veränderung der Prozesse. Wir führen im Nachgang entsprechende Compliance- Audits durch und bieten den Lieferanten auch Schulungen an. All das muss kommunikativ of-fen ausgewertet werden und wir dis-kutieren regelmäßig zu den Themen auf Verbands tagungen und Fach-konferenzen. Auch der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) bietet dazu Schulungen an.

Wir dürfen in der Prävention und Sensi bilisierung nicht nachlassen und müssen gerade jungen Managern hier Handlungssicherheit geben.

trend: Was uns alle sicherlich als DB-Kunden interessiert: Ist ethisches Verhalten für die Bahn aus rationaler Sicht ein Wettbewerbsvorteil oder entstehen durch diesen Anspruch der Bahn nur zusätzliche Kosten und Aufwände? „

Hinter den Verhaltensregeln stehen Werte, zu denen wir uns bekennen. Dabei wird nicht abgewogen, ob wir uns das leisten können. Aus diesen Werten leiten wir Regeln und Pflich-ten ab, deren Einhaltung verbindlich ist. All das zusammen führt zu einem transparenten und fairen Wettbewerb, in dem die Eignungs- und Zuschlags-kriterien offen nachvollziehbar ange-wendet werden und jeder Anbieter sei-ne Chance hat. Das ist dann ein Vorteil für die Deutsche Bahn, ihre Kunden und alle Geschäftspartner. Sie können sich darauf verlassen, dass wir ethi-sche Grundsätze befolgen und nicht rein profitorientiert handeln. Denn das ist heute gesellschaftlicher Konsens, dem wir uns in führender Position anschließen. Dabei sind wir Einkäufer ein Aushängeschild für die Deutsche Bahn und müssen uns dieser Verant-wortung bewusst sein.

trend: Sie sind schon einige Jahre CPO der Deutschen Bahn: Auf welchen Erfolg im Konzern einkauf hinsichtlich Ethik sind Sie besonders stolz? „

Ich freue mich über die Gesamt-entwicklung der Beschaffungs-organisation und der Schnittstellen-partner in den letzten Jahren gerade in Bezug auf das Compliance-Manage-ment system, das Kartell schadens -präventions system und das Liefe-ranten management. Hier sind wir auf dem richtigen Weg. Das zeigt auch das Ergebnis unseres letzten exter-nen Benchmarks bezogen auf die Entwicklung zu einer World-Class Procure ment- Organisation. Dort wur -den wir als „Professional Procure-ment“ ein gestuft. Das gelingt nur, wenn Sie auch ethische Grundsätze im Beschaffungs prozess anwenden und umsetzen.

trend: Bitte um Ihren Tipp für die produzierende Industrie: Was können andere Unternehmen von der Deutschen Bahn bzgl. der Ethik im Einkauf lernen? „

Meine Empfehlung ist immer: Lassen sie uns in den Austausch treten, alle Anforderungen des Mobilitäts marktes diskutieren und gemeinsam nach den innovativsten und nachhaltigsten Lö-sungen suchen! Lassen sie uns auch über potentielle oder eingetretene Verfehlungen und deren Ursachen sprechen. Gerade in der heutigen Zeit, in der mit Strafzöllen und Handels-sanktionen gedroht und argumentiert wird, ist ein fairer und transparenter Welthandel notwendig.

In der täglichen Arbeit müssen wir uns gemeinsam gegen die kleinen Versu-chungen, ethische Grundsätze aufzu-weichen, sensibilisieren und am Ende immunisieren, ohne selbstverständlich das gesunde Augenmaß zu verlieren.

Dabei kommt dem Einkauf eine wich-tige Rolle zu. Wir wollen mit leistungs-fähigen Lieferanten nachhaltig den Kunden gewinnen und die Bahn zum ersten Mittel der Wahl im Mobilitäts-markt machen.

Das Interview führte Jacek Drozak, CEO Drozak Consulting

Uwe Günther, Chief Procurement Officer,

Deutsche Bahn AG

In seiner Funktion als Chief Procurement Officer verantwortet er ein Einkaufs volumen von 20 Milliarden Euro des Konzerns, von DB Schenker und DB Arriva. Zuvor war er bei der Deutschen Bahn als Leiter Beschaffung Infra struktur und Leiter Beschaf-fung Bauliche Anlagen tätig. Als Ingenieur ökonom war Uwe Günther vor seiner Zeit bei der Deutschen Bahn in leitenden Ein-kaufsfunktionen bei der Siemens AG Rail Automation, Rolls-Royce Deutschland GmbH und auch bei Elektro Apparate Werke Berlin beschäftigt.

Seit 2018 fungiert Uwe Günther auch als Mitglied des Bundes-vorstands des Bundes verbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME), dem Fachverband für Einkäufer, Supply Chain Manager und Logistiker in Deutschland und Kontinentaleuropa.

Bis zum Frühjahr diesen Jahres war er zudem Chairman der Railsponsible-Initiative, die ihren Schwerpunkt auf nachhaltige Beschaffung in der Eisenbahn-industrie legt.

Uwe Günther ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

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Nachhaltige Beschaffung

wird allmählich zum Standard, bietet jedoch noch einen

Wettbewerbsvorteil

„Nachhaltigkeit“ ist ein Schlagwort, das viele von uns nicht mit ihrem aktu-ellen Geschäft in Verbindung bringen. Trotzdem wurde es zu einem wichti-gen und integrierenden Bestandteil in der Geschäftstätigkeit von führenden internationalen Unternehmen. Das gilt vor allem für ihre jeweiligen Beschaf-fungsabteilungen. Darüber hinaus wird nachhaltige Beschaffung sicherlich zu-künftig zu einem etablierten Thema im Einkauf werden.

Doch was ist nachhaltige Beschaffung überhaupt? Allgemein ausgedrückt be-deutet dies die Durchführung des Be-schaffungsprozesses auf eine Art und Weise, bei der die Entstehung von Ab-fall und der Verbrauch von Energie und Rohstoffen minimiert werden, während auch auf Mindeststandards bei der Unternehmensführung, dem Umwelt-schutz und Sicherheit und auf soziale Standards bei den Zulieferern geachtet wird. Diese Standards können auch entlang der Lieferkette ein gefordert werden, wobei potentiell auch die Sublieferanten und ihre jeweiligen Zu-lieferer einbezogen werden. Praktisch ausgedrückt, wird so verhindert, dass entdeckt wird, in der Lieferkette Ihres Unternehmens auf Kinderarbeit zu-rückgegriffen wird, so wie dies einem bekannten Bekleidungsunternehmen

passiert ist. Ebenso kann es das Pro-zessrisiko verringern – das zum Bei-spiel durch NGOs besteht, die korrek-terweise darauf hinwiesen, dass eine global operierende Verbrauchermarke korrupten Regierungen indirekte Un-terstützung bei der Abholzung von Regenwald in weit entfernten Ländern lieferte.

Durch die bewusste Befolgung von nachhaltigen Beschaffungsstandards, treffen Konzerne eine ethische Ent-scheidung – ohne dass sie von exter-nen Anforderungen wie Rechtsvor-schriften, internationalem Recht oder supranationale Abkommen angeleitet werden. Auf diese Weise zeigen sie Verantwortung gegenüber der Umwelt, den Menschenrechten und dem Kampf gegen Korruption.

Ethisch und auch noch gut für das Geschäft

Doch ist einzig die ethische Einstellung der treibende Faktor, dass Konzerne einen nachhaltigen Beschaffungspro-zess entwickeln? Nehmen sie die An-strengung der Umsetzung eines neuen und anspruchsvollen Verfahrens auf sich, nur um sich auf den moralisch rechten Pfad zu begeben? Selbstver-ständlich spielen dabei auch andere Gründe eine Rolle. Zusätzlich zu den

rein ethischen Gründen, sehen Unter-nehmen in solchen Aktivitäten auch greifbare Vorteile.

Maßnahmen dieser Art können Repu-tationsrisiken abwenden und einen Wettbewerbsvorteil bei der Reputation bieten. Dies ist ein großer Bereich, da Kunden sich dem Unternehmensver-halten insbesondere im Bereich der Endkundenmärkte bewusster werden. Solche Maßnahmen können auch zu-künftige Rechtsvorschriften vorgreifen, während die Belastbarkeit der Liefer-kette und ihre Fähigkeit verbessert wird, bei einer ständig steigenden Vo-latilität der Liefermärkte zu bestehen. Sie stärken und verbessern Partner-schaften innerhalb des Lieferuniver-sums des Unternehmens, indem eine engere Zusammenarbeit erfordert und ermöglicht wird. Und schließlich treiben sie Entwicklung und Innovation durch die Verbesserung der vorliegenden und die Erfindung neuer Produkte und Prozesse an. Das liegt teilweise daran, dass das Prinzip der nach haltigen Beschaffung eine Verringerung der CO²-Bilanz erfordert. Daraus ergibt sich, dass eine bestimmte Menge an Produkten unter Erzeugung weniger Abfalls und unter Einsatz weniger Roh-stoffe und Energie hergestellt werden müssen.

Nachhaltige BeschaffungWalmart wird entlang der

Lieferkette die CO2-Emissionen um

1 Mrd. Tonnen reduzieren, greenbiz.com

„Allein die Anwendung der gesetzlichen

Vorschriften reicht nicht aus. Wir müssen

bei Fragen der sozialen Verantwortung

wegweisend sein.“

Kellogg plant, die Verpa-

ckungen bis Ende 2025

vollständig nachhaltig zu

machen,

Thomson Reuters

$ 100 Millionen in 5 Jahren einsparen,

Insgesamt 97% der befragten

Beschaffungsorganisationen

fanden nachhaltige Beschaf-

fung entweder „wichtig“ oder

„ ausgesprochen wichtig“,

HEC / Ecovadis SP Barometer 2017

Together for Sustainability ist eine Initiative

von 18 der wichtigen Chemieunternehmen,

welche sich der Verbesserung der

Nachhaltigkeit in der Lieferkette widmet.

indem das Unternehmen ein innovatives

Recycling-Modell eingeführt hat,

Harvard Business Review

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Die Kapitalmärkte lieben Nachhaltigkeit

Ein besonders wichtiger Vorteil im Zu-sammenhang mit nachhaltigen Maß-nahmen ist die Aussicht auf einen besseren Zugang zu Beteiligungska-pital und Krediten. Die Anleger legen heutzutage bei ihren Anlageentschei-dungen mehr Wert auf Nachhaltigkeit. Einige große institutionelle Anleger investieren nur in Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und -tätigkeiten. Was die Kreditvergabe angeht, sind große Kreditgeber (z. B. supranationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank, EBWE oder KfW) eher bereit, nachhaltige Unternehmen oft auch bei vergleichsweise niedrigeren Kapitalkosten zu finanzieren.

Eine Reihe von großen Aktien- und Kreditprogrammen bieten sehr güns-tige Konditionen ausschließlich dafür an, die Nachhaltigkeit in Unterneh-men zu fördern und zu verbessern.Globale Konzerne wie Nestlé, BASF, Unilever und Anglo American wenden allesamt die Praxis der nachhaltigen Beschaffung an. Die meisten führen-den Großkonzerne verfügen über ei-nen Verhaltenskodex (CoC) oder eine Nachhaltigkeits-Charta. Der Trend ist bei der öffentlichen Hand noch ausge-prägter, wo die nachhaltige Beschaf-fung häufig eine Voraussetzung ist.

Obwohl viele globale Konzerne nachhaltige Beschaffungsprozes-se in irgend einer Form umgesetzt haben, wurde noch kein universell anerkannter Standard geschaffen. Vielmehr gibt eine Vielzahl an unter-schiedlichen Ansätzen. Zum Beispiel wird die Norm ISO 20400:2017 häufig in Großbritannien und Australien an-gewendet. Sie liefert Organisationen unabhängig ihrer Tätigkeitsfelder, Größe oder Eigentümer struktur einen Kanon an Leitlinien. Der Leitfaden der Government Buying Standards (GBS) liefert öffentlichen Beschaf-fungsstellen in der angelsächsischen Welt einen Rahmenplan. Darüber hinaus gibt es produkt- und zuliefer-basierte Ansätze sowie Konzepte, die spezifische Branchen abdecken. Es gibt auch Rahmen pläne der KfW und der Vereinten Nationen, die sich auf öffentlich-private Projekte beziehen.

Wie können Konzerne erfolgreich einen Wechsel hin zur Nachhaltigkeit in ihren Beschaffungsabteilungen in einer Um-gebung vollziehen, in der es kein Muster für nachhaltige Beschaffungs standards gibt? Die Antwort ist einfach: Jede Or-ganisation muss ihr Geschäft aus Sicht der Nachhaltigkeit prüfen. Das bedeu-tet das Überdenken des Geschäfts-modells, der Geschäftstätigkeit, des Lieferuniversums und Marktes des Un-ternehmens. Somit ist ein individueller Ansatz und Prozess erforderlich. Doch wie kann das in Gang gesetzt werden?

Ein von der Geschäftsführung kommender Impuls ist erforderlich

Als universelle Regel sind bei der Schaf-fung und Umsetzung von nachhaltigen Beschaffungspraktiken Maßnahmen von der Organisationsführung erfor-derlich. Die Entscheidung für ein nach-haltiges Handeln ist naturgemäß eine strategische Wahl, die weitreichende Auswirkungen mit sich führt. Allgemein ist eine umfassende Zustimmung nötig. In der Folge wird sich das Unterneh-men seinen Aktionären gegenüber an-ders verhalten. Die Eigen tümerstruktur wird betroffen sein, da andere Arten von Investoren angezogen werden und aktuelle Aktionäre eventuell ihr Geld lieber woanders anlegen möchten. Die Angestellten müssen von dieser Initiati-ve unterrichtet werden. Einige müssen erst überzeugt werden und alle müssen geschult und dazu befähigt werden, effektiv in dieser neuen Umgebung arbeiten zu können. Prozesse und Systeme müssen entsprechend ange-passt werden. Anreiz systeme müssen angeglichen werden. Die Kunden und Märkte müssen über den Wandel infor-miert werden. Doch die Beschaffungs-abteilung wird die größten Auswirkun-gen zu spüren bekommen, da sie mit der Durchführung der Änderungen auf der Lieferantenseite beauftragt wird und garantieren muss, dass diese gut in die vorliegenden Organisations-prozesse integriert werden.

Beschaffung im Fokus – zuerst der Mensch, dann der Prozess

Sobald die Entscheidung des Wandels in Richtung Nachhaltigkeit getroffen wurde, muss die Beschaffungsabteilung

die Übergangsphase vorbereiten. Das bedeutet die Integration von Prinzipien wie Verantwortung, Transparenz, ethi-sches Verhalten, Achtung der Aktionär-sinteressen und Einhaltung der Men-schenrechte bei der Geschäftstätigkeit. Dies stellt eine deutliche Mehrarbeit neben dem traditionellen Schwerpunkt auf Kosten, Qualität und Zeit dar. Des-halb ist es von grundlegender Wich-tigkeit Personal zu finden, anzuziehen und zu binden, das eine solche Initiative managen kann. Es muss ein Kernteam an Change Agents und Verbreitern mit einem starken Mandat aufgebaut wer-den, um einen Plan für die nachhaltige Beschaffung aus Sicht der Konzern-strategie zu erstellen.

Langsam und stetig starten und ständig verbessern

Für die Integration neuer Dimensionen wie Arbeits- und Menschenrechte, Umweltprüfung und faire Arbeitsprak-tiken bei der Arbeit der Beschaffungs-abteilungen ist Zeit erforderlich. Selbst bei einem guten Management wird es eine Lernkurve geben. Insbesondere die Kommunikation und Umsetzung dieser neuen Anforderungen innerhalb des Lieferantenuniversums des Unter-nehmens werden zu einer schrittwei-sen Entwicklung und in einigen Fällen zum Wechsel der Lieferanten führen, da einige der aktuellen Zulieferer nicht den Anforderungen nachkommen kön-nen oder wollen. Die Minderung von Versorgungsengpässen ist entschei-dend. Andererseits kann solch ein Wechsel den Neustart bei den Liefe-rantenbeziehungen erleichtern und es einem Unternehmen ermöglichen, alte Partnerschaften zu stärken und neue zu knüpfen. Nach einem vorsichtigen Start kann das Change-Management-team das Tempo erhöhen und es tritt ein Erfolgskreis ein.

Seien Sie selbst die Veränderung, die Sie in der Welt sehen wollen

Nachhaltige Beschaffung ist ethisch, gut für das Geschäft und wird letzt-endlich zum Standard werden. Worauf warten Sie?

Thomas Keitel, Partner bei Drozak Consulting

Nachhaltige Beschaffung

Insgesamt 97% der befragten

Beschaffungsorganisationen

fanden nachhaltige Beschaf-

fung entweder „wichtig“ oder

„ ausgesprochen wichtig“,

HEC / Ecovadis SP Barometer 2017

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