Upload
others
View
2
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
~'f Top-Thema
Jg. 1966;Studium und Promotion:Dr. Dipl.-Soziologin;Ausbildung in systemischerOrganisationsberatung,Organisationsentwicklung undSuperoision;Unternehmens-/Organisationsberaterin und Trainerin in Wien.
Ansätze und Methoden zurAnalyse von Unternehmenskultur
Management SummaryUnternehmenskultur umfasst Grundannahmen und Werte, die den Mitgliedern einer Organisation Handlungsimpulse und Handlungsorientierung bieten. Die Grundannahmen,die einer Unternehmenskultur (undihren Subkulturen) zugrunde liegen,sind meistens jedoch nicht bewusstund nicht explizit gemacht. Die beobachtbaren Handlungen ("Artefakte")sind nicht eindeutig zu entscWüsselo,so dass eine vollkommene Gewissheitüber die tatsächlichen wirksamen (imUnterschied zu den bekundeten)Werten nicht herzustellen ist. DieAnalyse der Unternehmenskultur, diehilfreich ist, um die Logik und Eigendynamik eines Unternehmens zu verstehen, hat diesen VoraussetzungenRechnung zu tragen. So erscheint esunabdingbar, Unternehmensanalysen nicht als Selbstzweck, sondernziel- und kontextbezogen durchzuführen. Instrumente der Kulturanalyse sind: die Befragung von MitarbeiterInnen mittels schriftlicher Fragebögen oder mittels mündlicherInterviews anband von einem Interview-Leitfaden. t.o.p.Grid ist eincomputergestütztes Befragungsverfahren, dass auf den Vergleich vonÄhnlichkeiten und Unterschiedenvon Sichtweisen zielt. Workshopsund Großgruppenveranstaltungenerlauben es, Unternehmens-Subkulturen unmittelbar erlebbar undreflektierbar zu machen.
Der Begriff der nUnternehmenskultur" in Anlehnung an Edgar Schein'Unternehmenskultur ist ein Muster vongemeinsam geteilten Grundannahmen,die bestimmen, wie alltägliche Phä-
". WINCi-business II (1001) 1
nomene wahrgenommen, das heißtbeobachtet, kognitiv und emotionalbewertet, interpretiert und behandeltwerden. Indem Unternehmenskultur alltäglichen Vorgängen bestimmte Bedeu-
tungen und Interpretationsweisen zuordnet, werden Ängste und Handlungsunsicherheiten reduziert. Die Erwartbarkeit und Berechenbarkeit von Verhaltenerhöht sich.
------------------------------------_._--~
Top-Thema ~~
tionen zu verstehen. Die tiefere Einsichtvon kulturellen Mechanismen in Unternehmen ermöglicht es, die Handlungenvon Personen und von Gruppen jenseitsvon persönlichen Motiven und gruppendynamischen Prozessen zu begreifen.Eine solche wertvolle Einsicht setztBeobachtung und Analyse der bestehenden Unternehmenskultur voraus. Soüberzeugend der Nutzen einer Unternehmenskultur-Analyse erscheint, sovielfältig sind die Faktoren, die eben dieses Vorhaben erschweren:• Bereits die Beobachtung eines Phäno
mens ist nicht objektiv, sondern abhängig von personen-, gruppen- und organisationsspezifischen Erfahrungshintergründen und Deutungsmustern.
• Die Beobachtung eines Phänomenswird mit kulturspezifischen Bewertungen, Grundannahmen und Schlussfolgerungen gekoppelt, die in ihrerZusamrnenwirkung die Basis des Handelns bieten. Dieses Herzstück desWahrnehmungsprozesses hat jedoch
Analyse von Untemehmenskultur - "invisible hand" in einer Bla(k BoxDie Analyse von Unternehmenskulturhilft, das Leben von und in Organisa-
unter besonderer Beobachtung. Ihr Verhalten gilt als Maßstab und ist damitim besonderen Umfang für die Kultureines Unternehmens prägend. Dies bedingt, dass eine zentrale Managementund Führungsfunktion darin besteht,Unternehmenskultur nicht nur wildwüchsig "passieren" zu lassen, sondernbewusst zu kreieren, zu gestalten und sofern dysfunktional und überlebensuntauglich - auch teilweise zu "zerstören". Jedoch nicht nur die Verände-
rung, sondern schondie Beobachtungund Analyse vonUnternehmenskulturerweist sich als an-spruchsvolles Vorhaben.
Wer ein Unternehmen managen,sprich steuern will, kommt ni(htumhin, si(h mit Unternehmenskultur zu befassen.
W er ein Unternehmen managen,sprich steuern will, kommt nicht
umhin, sich mitUnternehmenskultur zu befassen.Denn die Kultureines Unternehmens bietet seinenMitgliedern Hand-lungsorientierung, und zwar nicht minder,wie Strategien, Strukturen, Prozesseund technologische Rahmenbedingungen dies tun. Zugleich haben ManagerInnen gegenüber den MitarbeiterInnenVorbildfunktion inne. In ihrer exponierten Position stehen Führungskräfte
D a~it diese D~finition greifbarwird, werden Im folgenden die
Wahrnehmungsweisen eines (konstruierten, jedoch hoch wahrscheinlichen)Phänomens beschrieben, das sich inzwei Unternehmen unterschiedlicherKulturen des Umgangs mit Konfliktenund mit Emotionalität ereignet.
Stufenleiter derWahrnehmung Unternehmen A Unternehmen B(n. Christa Harris)
Beobachtung Im Laufe einer Auseinandersetzung im Im Laufe einer Auseinandersetzung imTeam bricht eine Teamkollegin in Tränen Team bricht eine Teamkollegin in Tränenaus. aus.
Bewertung Die Kollegin bringt eine Stimmung zum Die Kollegin kann ihre Gefühle offenbar- kognitiv und emotional Ausdruck, die für die Gruppe Bedeutung nicht kontrollieren und bringt hier ihre
hat. Es macht mich betroffen, dass es der persönlichen Befindlichkeiten und Proble-Kollegin schlecht geht, und zugleich bin me ein. Ihr Verhalten ist unsachlich undich erleichtert, dass diese Stimmung nun daher für alle Beteiligten unangenehm.auf dem Tisch und damit besprechbar ist.
Cirundannahme I Werthaltung Konflikte sind Voraussetzung von Entwi(k- Konflikte sind hö(hst unangebra(ht, emo-lung. Emotionen sind Quellen nützli(her tionale Ausbrü(he unangemessen. JederEnergie und gehören dazu. sollte skh um 5a(hli(hkeit bemühen.
Schlußfolgerung Trost geben und an der Auseinander- Den Ausbruch ignorieren und zu densetzung dranbleiben! Sachthemen zurückkehren!
Handlung / TeamkollegInnen reichen Taschentücher Peinlich berührtes Schweigen breitet sich
Reaktion und fragen nach, was Auslöser des Wei- aus. Niemand reagiert. Die anschließendenens ist. Der Konflikt wird weiter bearbei- Kaffeepause wird zur Flucht genutzt.tet.
Abbildung 1: Verschiedene Wahrnehmungsweisen eines
Phänomens in unterschiedlichen Unternehmenskulturen
\\' WING-business II (2001) 2 I
~__.....ii~t.~ ~-__.. """ ......:!!
~__~.c::~ ....__~_ ~...c::»tilc::»........-=~.iic:: ...~_..-. -=__~__~ii~ .....
c:::Top-Thema
Managerinnen haben gegenüber denMitarbeiterInnen eine Vorbildfunktioninne und stehen in ihrer exponiertenPosition unter besonderer Beobachtung. Ihr Verhalten gilt als Maßstab undist damit im besonderen Umfangfür dieKultur eines Unternehmens prägend.
seinen Platz ineiner nicht einseh baren BlackBox. Die Grundannahmen undWerthaltungen,die der Unternehmenskulturzugrunde liegen, sind in den meistenFällen nicht bewusst und nicht explizit.Sie entziehen sich damit der Zugänglichkeit sowohl außenstehender BeobachterInnen als auch der betroffenenOrganisationsmitglieder selbst. Unternehmenskultur wird im Arbeitsalltagerlebt und gelernt und internalisiert weitgehend enthoben von gezielterReflexion und Explikation.
• Jedoch auch beobachtbare Handlungen sind nicht digitalisierbar bzw. eindeutig lesbar und interpretierbar. Auchwenn im Rahmen einer Unternehmenskultur-Analyse die Möglichkeitbesteht, die Handlungen der Organisationsmitglieder direkt zu beobachten, ergeben sich daraus keine eindeutigen Beschreibungen der ihnenzugrunde liegenden Grundannahmenund Bewertungen. Diese lassen sichoftmals nur schwer und letztlich nielOO%ig gesichert "entschlüsseln".
• Es kann im weiteren nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden,dass die von einem Unternehmen - zumBeispiel in Broschüren, Leitbildern undFührungsgrundsätzen - bekundetenWerte mit den tatsächlichen, gelebtenWerten übereinstimmen.
• Die einzige, alleinige Unternehmenskultur existiert nicht. Unternehmenumfassen vielfältige Subkulturen,deren Ausdifferenzierung auf unterschiedliche Erfahrungshintergründe,
unterschiedlicheFachausrichtungen, Kundensegmente, MitarbeiterInnenstrukturen,regionale Gegebenheiten usw. zurückzuführen sind.
Analyse von Unternehmenskultur - zielund kontextbezogenDie Analyse von Unternehmenskulturerfordert sowohl das Öffnen und Erweitern von Komplexität wie auch dasFokussieren und Reduzieren von Komplexität:• Wie bei vielen Vorhaben erscheint es
auch und besonders im Fall einerUnternehmenskultur-Analyse sinnvoll,die Frage zu beantworten, welchesProblem durch die Analyse gelöst werden soll. Was soll die Analyse leisten?Welche Frage soll geklärt, welcheskonkrete Anliegen soll beantwortetwerden? Worin besteht der Auslöserfür das Vorhaben? Mögliche Zielsetzungen können beispielsweise darinbestehen, Handlungsansätze zu eruieren, um: das Betriebsklima zu verbessern, die Fluktuation der MitarbeiterInnen zu mindern, die Kundenzufriedenheit zu steigern, die Konfliktreife zu erhöhen oder die Teamfähigkeit zu stärken.
• In Anknüpfung an eine solche Problemspezifizierung bzw. Zielfindungder Unternehmenskultur-Analyse kannim weiteren konkretisiert werden, welche Kulturdimensionen für die Untersuchung von Bedeutung sind: etwa dieTeamkultur, Führungskultur, Konfliktkultur, Lernkultur, Kommunikati-
onskultur oder die Kultur im Umgangmit relevanten Umwelten (Kunden,Eigentümer etc.), im Umgang mit verschiedenen Nationalitäten, mit derGeschlechterdifferenz, mit Zeit, mitWissen, mit Fehlern usw.
• Die "Auftrags- und Kontextklärung"zur Unternehmenskultur-Analyseumfasst neben der inhaltlichen Ebeneauch soziale, zeitliche und ressourcenbezogenen Aspekte: Welche Subkulturen sind betroffen und miteinzubeziehen in welchem zeitlichen Rahmen undmit welchen verfügbaren Ressourcen?
Analyse von Untemehmenskultur - Instrumente und MethodenDie Instrumente und Methoden zur Kulturanalyse sind sehr vielfältig und facettenreich. Ihre Auswahl richtet sich nachdem Erkenntnisinteresse bzw. der Zielsetzung und den Kontextbedingungendes betreffenden Unternehmens. Im folgenden werden vier Vorgehensweisenhervorgehoben.Befragungsverfahren sind eine Varianteder Analyse von Unternehmenskultur.Befragungen können per schriftlichenFragebogen oder an Hand von Interview-Leitfaden erfolgen.
I n einem Cherniekonzern haben wireine sehr erfolgreiche Unternehmens
kultur-Analyse begleitet und beraten,die mittels eines Fragebogens durchgeführt wurde. Der Fragebogen wurdevon einem Team von MitarbeiterInnendes Unternehmens selbständig entwickelt und ausgewertet. Eine zentraleZielsetzung der Kulturanalyse bestandin der Identifikation von Handlungs-
\\' WING-business 11 (2001) 2
1 Edgar H. Schein (1997). Organizational Culture
and Leadership. Second Edition. Jossey-Bass
Publishers. San Francisco.
W ie so oft im Leben steht auch beider Unternehmenskultur-Ana
lyse weniger das Ergebnis (etwa inForm eines Berichtes), sondern vielmehr der Weg bzw. der Analyseprozessals solcher im Vordergrund. ManagerInnen, die sich dieser spannenden Herausforderung stellen, sind gut beratenzu berücksichtigen, dass schon dieAnkündigung und spätestens dieDurchführung einer Unternehmenskultur-Analyse eine Kulturinterventiondarstellt, die bereits das, was betrachtetund dadurch bewusst wird, "online"prägt und verändert. Dieser Hinweissoll allerdings nicht die Erfahrungschmälern und irritieren, dass Kulturveränderungen ihre eigene Zeitlichkeithaben: eine Zeitlichkeit, die ihrer eigenen Logik folgt und sich über Jahre erstrecken kann.
nicht Einzelpersonen und ihre EinzelSichtweisen im Vordergrund. Vielmehrwerden Settings geschaffen, in denenGruppen jeweils einer Subkultur (nichtmischen!) die Dynamik entfalten können, die auf die zugrunde liegende Unternehmens(teil)kultur schließen lässt.Unternehmenskultur wird auf dieseWeise für alle Beteiligten unmittelbarerfahrbar und reflektierbar gemacht.
Last but not least ist die Analysemethode der "Selbstbefragung" im
Rahmen von Workshops und Großgruppenveransta Itungen hervorzuheben. Eine relevante, möglichst repräsentative Anzahl von MitarbeiterInnender unterschiedlichen UnternehmensSubkulturen kommt zu einem ein- biszweitägigen Workshop zusammen. Das
Ziel dieses Workshops, der durchexterne und/oderinterne BeraterInnen begleitet wird,besteht darin,Räume derFremd- und
Selbstbeobachtung und Reflexion zuschaffen. Bei die er Methode stehen
troffen und mit eigenen Worten artikuliert. Die so erhobenen Unterscheidungsmerkmale werden durch eine/nInterviewerln direkt am Laptop eingegeben und mittels der t.o.p. GRID-Software aufbereitet. In einem Frage-undAntwort-Spiel legen die interviewtenPersonen ihre persönlichen Bewertungen und Einstellungen dar, die ihr persönliches Handeln bestimmen. Über einspeziell entwickeltes mathematischesVerfahren werden die einzelnen Einschätzungen dann zu einem interpretierbaren Ganzen verdichtet. Der Corn-
o puter stellt das Ergebnis als dreidimen- sionale Grafik dar, in der Gemeinsam
keiten und Unterschiede in den Einschätzungen der Gruppe direkt sichtbarund statistisch überprüfbar werden.Am Ende eines ca. 60-minütigen Interviews entsteht ein Gesamtbild der persönlichen Sichtweise des Befragten.
Diege-
Bei der Untemehmenskultur-Analyse steht weniger das Ergebnis, sondern vielmehr der Weg bzw. der AnaIysep!ozess als solcher im Vordergrund!
Verfahren. Die MitarbeiterInnenUnternehmens ver-gleichen Werte,Handlungsprinzipien, Produkte, Orga nisa tionsei nheiten oder Personenmiteinander undreflektieren derenÄhnlichkeiten und Unterschiede.Entscheidungen werden spontan
D as Befragungsinstrument t.o.p.GRID ist ein computergestütztes
des
Eine nächste Befragungsform stellenLeitfaden-Interviews dar, die in der
Regel von externen BeraterInnendurchgeführt werden. Nach einer ausführlichen Auftrags- und Kontextklärungsphase entwickeln die BeraterInnen einen Interview~Leitfadeni
führen die Interviews mit einer relevanten Stichprobe der betreffenen Unternehmenseinheiten durch und wertendiese aus. Die Ergebnisse der Interviewswerden im Rahmen eines Workshops inForm von Thesen zu den relevanten Dimensionen der Unternehmenskulturzurückgespiegelt. Daran schließen gemeinsame Reflexionen mit dem Kunden an, so dass relevante Handlungsfelder und mögliche Schritte zur weiterenBearbeitung dieser Felder abgeleitetwerden können.
ansätzen, um die Zufriedenheit derMitarbeiterInnen zu erhöhen. Der Fragebogen erhob die Einschätzungen derMitarbeiterInnen unter anderem zurFührungs-, Konflikt- und zur Kooperationskultur im Unternehmen.
\\. WINC-business 33 (2001) 2 11