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Eine Übung soll nur dann begonnen werden, wenn man gewiss ist, sie für einen bestimmten Zeitraum (z.B. drei Wochen) täglich ausführen zu können. Der Zeitraum kann anschließend immer noch verlängert werden. Aber etwas, das man sich vorgenommen hat, täglich zu unternehmen, auch nur an einem Tag ausfallen zu lassen, geht zu Lasten der Willenskraft. Am besten ist es, man beginnt mit einer Übung und lässt dann immer mal wieder eine neue dazukommen, oder eine schon gemachte wegfallen, um sie einige Zeit später wiederaufzunehmen. Die Übungen zeigen in der Regel erst dann Resultate, wenn sie über mindestens ein halbes Jahr ausgeführt werden. 1. Schönschreiben Am besten nimmt man sich ein Heft, das ganz für diese Übung reserviert ist. Darin schreibt man jeden Tag soviel Text, wie man es sich regelmäßig zutraut, beispielsweise einen Bibelvers oder eine Strophe eines Liedes. Dann bemüht man sich, im Laufe der Zeit immer weniger sich gedrängt zu fühlen, bald fertig zu werden, sodass schließlich die Buchstaben mit aller Gemächlichkeit Strich um Strich gemalt werden. Diese Übung wirkt noch besser, wenn man sich bemüht, immer wieder einmal einen einzelnen Buchstaben seiner Handschrift zu verändern (z.B. ein altdeutsches durch ein modernes „z“ zu ersetzen oder einen Großbuchstaben nach dem anderen besonders auszugestalten), und diese Veränderung schließlich auch in die alltägliche Handschrift zu übernehmen. 2. Kontrolle über Lachen und Weinen Zuerst bemüht man sich in Situationen, die einem zum Lachen oder zum Weinen drängen, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie man sich innerlich beim Lachen etwas auszudehnen scheint (das kann soweit gehen, dass man vorübergehend „außer sich“ ist), beim Weinen zusammenzuziehen (bis hin zum innerlichen Verkrampfen). – Später nimmt man sich für eine begrenzte Zeitspanne (z.B. während einer Mahlzeit in Gesellschaft) vor, alles Lachen und Weinen zu unterdrücken (bzw. darauf zu „verzichten“). Wenn man spürt, dass einen ein Lachen oder Kichern anfliegt oder man innerlich zusammenschrumpft, bemüht man sich, „sich zusammenzunehmen“ und dem Ausdehnen oder Zusammenziehen entgegenzuwirken. Dadurch werden Lachen und Weinen nicht gewaltsam erstickt oder gar ausgerottet, sondern man lernt irgendwann, selbstverständlich über sie Herr zu sein und nichts Unwillkürliches zuzulassen, sodass Lachen und Weinen, wenn sie angebracht sind, nur umso reiner zum Ausdruck kommen können. Die so erworbene Fähigkeit sollte ganz allgemein immer dann angewendet werden, wenn man sich beispielsweise gedrängt fühlt, über etwas zu lachen, das man eigentlich gar nicht lustig findet oder das man nur aus Höflichkeit aufgesetzt hat. 3. Konzentration Man nimmt sich täglich für 3 oder 5 Minuten einen einfachen, unbedeutenden Gegenstand vor, der einen nicht näher interessiert (z.B. einen Stift). Dann bemüht man sich, für die festgesetzte Zeitspanne nur Gedanken aufkommen zu lassen, die sich irgendwie auf diesen Gegenstand beziehen. Man kann z.B. sich daran machen, sein Aussehen und seine Form in allen Einzelheiten verbal zu beschreiben, oder sich an andere Eindrücke wie

Willensübungen

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Einige Übungen zur Schulung des eigenen Willens, formuliert vom Herausgeber, basierend auf den Forschungsergebnissen der anthroposophischen Geisteswissenschaft.

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Eine bung soll

Eine bung soll nur dann begonnen werden, wenn man gewiss ist, sie fr einen bestimmten Zeitraum (z.B. drei Wochen) tglich ausfhren zu knnen. Der Zeitraum kann anschlieend immer noch verlngert werden. Aber etwas, das man sich vorgenommen hat, tglich zu unternehmen, auch nur an einem Tag ausfallen zu lassen, geht zu Lasten der Willenskraft. Am besten ist es, man beginnt mit einer bung und lsst dann immer mal wieder eine neue dazukommen, oder eine schon gemachte wegfallen, um sie einige Zeit spter wiederaufzunehmen. Die bungen zeigen in der Regel erst dann Resultate, wenn sie ber mindestens ein halbes Jahr ausgefhrt werden.1. SchnschreibenAm besten nimmt man sich ein Heft, das ganz fr diese bung reserviert ist. Darin schreibt man jeden Tag soviel Text, wie man es sich regelmig zutraut, beispielsweise einen Bibelvers oder eine Strophe eines Liedes. Dann bemht man sich, im Laufe der Zeit immer weniger sich gedrngt zu fhlen, bald fertig zu werden, sodass schlielich die Buchstaben mit aller Gemchlichkeit Strich um Strich gemalt werden. Diese bung wirkt noch besser, wenn man sich bemht, immer wieder einmal einen einzelnen Buchstaben seiner Handschrift zu verndern (z.B. ein altdeutsches durch ein modernes z zu ersetzen oder einen Grobuchstaben nach dem anderen besonders auszugestalten), und diese Vernderung schlielich auch in die alltgliche Handschrift zu bernehmen.2. Kontrolle ber Lachen und WeinenZuerst bemht man sich in Situationen, die einem zum Lachen oder zum Weinen drngen, ein Gespr dafr zu entwickeln, wie man sich innerlich beim Lachen etwas auszudehnen scheint (das kann soweit gehen, dass man vorbergehend auer sich ist), beim Weinen zusammenzuziehen (bis hin zum innerlichen Verkrampfen). Spter nimmt man sich fr eine begrenzte Zeitspanne (z.B. whrend einer Mahlzeit in Gesellschaft) vor, alles Lachen und Weinen zu unterdrcken (bzw. darauf zu verzichten). Wenn man sprt, dass einen ein Lachen oder Kichern anfliegt oder man innerlich zusammenschrumpft, bemht man sich, sich zusammenzunehmen und dem Ausdehnen oder Zusammenziehen entgegenzuwirken. Dadurch werden Lachen und Weinen nicht gewaltsam erstickt oder gar ausgerottet, sondern man lernt irgendwann, selbstverstndlich ber sie Herr zu sein und nichts Unwillkrliches zuzulassen, sodass Lachen und Weinen, wenn sie angebracht sind, nur umso reiner zum Ausdruck kommen knnen. Die so erworbene Fhigkeit sollte ganz allgemein immer dann angewendet werden, wenn man sich beispielsweise gedrngt fhlt, ber etwas zu lachen, das man eigentlich gar nicht lustig findet oder das man nur aus Hflichkeit aufgesetzt hat.3. KonzentrationMan nimmt sich tglich fr 3 oder 5 Minuten einen einfachen, unbedeutenden Gegenstand vor, der einen nicht nher interessiert (z.B. einen Stift). Dann bemht man sich, fr die festgesetzte Zeitspanne nur Gedanken aufkommen zu lassen, die sich irgendwie auf diesen Gegenstand beziehen. Man kann z.B. sich daran machen, sein Aussehen und seine Form in allen Einzelheiten verbal zu beschreiben, oder sich an andere Eindrcke wie Gewicht, Geruch, Festigkeit und dergleichen zu halten. Schlielich kann auch die Funktion durchdacht werden, die Unterschiede gegenber hnlichen Gegenstnden oder darber, wie er hergestellt worden ist (dabei kann man durchaus die Fantasie spielen lassen; aber man soll nicht abstrakt werden oder den Gegenstand aus dem Blick verlieren). Taucht ein Gedanke auf, der nicht zum Gegenstand gehrt, oder bemerkt man, dass man abgewichen ist, erinnert man sich an den letzten auf den Gegenstand bezogenen Gedanken zurck und fhrt dann weiter fort. Einem unsachgemen Gedanken soll nicht mit rger oder Aufbrausen begegnet werden, sondern man kann innerlich sagen: Gedanke! und ihn loslassen, oder es so machen, wie in der 4.bung beschrieben ist. Man fr einige Tage immer denselben Gegenstand nehmen oder tglich einen anderen. Es ist unerheblich, ob man sich jeden Tag dieselben Gedanken macht.4. GeistesgegenwartJeden Abend nimmt man sich einen Gegenstand vor, den man am nchsten Tag sicher brauchen wird, und legt ihn, ganz bewusst, an einen ungewhnlichen Platz, am besten jeden Tag an einen anderen. Auf diese Weise wird man gezwungen, wenigstens zum Zeitpunkt des Verlegens ganz bei sich zu sein, um sich am andern Tag auch an den Fundort zurckerinnern zu knnen.5. Erinnern und VerzeihenJeden Abend vor dem Schlafengehen denkt man an den vergangenen Tag zurck und erinnert sich an 7 Gegebenheiten, ber die man sich gefreut hat oder htte freuen knnen, und versucht in sich wenigstens ansatzweise ein Gefhl der Dankbarkeit oder wenigstens der Anerkenntnis aufkommen zu lassen. Auerdem erinnert man sich an 7 Gegebenheiten, bei denen man durch jemand Anderes Verschulden unzufrieden oder aufgebracht war; dann versucht man, sich einigermaen in die betreffenden Personen hineinzuversetzen und fr jede dieser Taten sich von ihrem Standpunkt aus einen Entschuldigungsgrund einfallen zu lassen.6. Man macht sich zur Gewohnheit, einen oder mehrere der folgenden Sprche regelmig zu sprechen oder sich in sie zu versenken. Es ist nicht ntig, sie auswendig zu lernen, sondern nach einigen Tagen oder Wochen wird man sie von selbst auswendig knnen. Man kann ihre Wirkung noch verstrken, wenn man sie schon sicher auswendig beherrschend die Sprche innerlich Zeile fr Zeile vom Ende zum Anfang hin zu rekonstruieren versucht; nur einmal berhaupt, oder tglich. Man soll sich nicht zu einem bestimmten Spruch zwingen, wenn er einem Abneigung verursacht. Aber es kann auch vorkommen, dass ein Spruch nach einiger Zeit diese Wirkung verliert; dies sollte aber erst probiert werden, wenn man sich an das regelmige Versenken in solche Sprche gewhnt hat. Ein Spruch, der einen vllig unberhrt oder kalt lsst, wird keine Wirkung haben. Wenn sich daran nicht etwas ndert, kann man den betreffenden Spruch einige Zeit pausieren und es dann noch einmal mit ihm versuchen.Wall aus Kristall,

allberall

schliee dich

rings um mich

schliee ein

mich im Sein

berwalle mich

berforme mich

la nichts herein

la Licht allein

Ich schaue in die Finsternis

In ihr ersteht Licht,

Lebendes Licht.

Wer ist dies Licht in der Finsternis?

Ich bin es selbst in meiner Wirklichkeit.

Diese Wirklichkeit des Ich

Tritt nicht ein in mein Erdendasein.

Ich bin nur Bild davon.

Ich werde es aber wiederfinden,

wenn ich,

guten Willens fr den Geist

Durch des Todes Pforte gegangen.Sieghafter Geist

Durchflamme die Ohnmacht

Zaghafter Seelen.

Verbrenne die Ichsucht,

Entznde das Mitleid,

Da Selbstlosigkeit,

Der Lebensstrom der Menschheit,

Walte als Quell

Geistiger Wiedergeburt.

Ich denke an mein Herz

Es belebet mich

Es erwrmet mich

Ich vertraue fest

Auf das ewige Selbst

Das in mir wirket,

Das mich trgt.

Ich trage Ruhe in mir

Ich trage in mir selbst

Die Krfte, die mich strken.

Ich will mich erfllen

Mit dieser Krfte Wrme,

Ich will mich durchdringen

Mit meines Willens Macht.

Und fhlen will Ich

Wie Ruhe sich ergiet

Durch all mein Sein,

Wenn ich mich strke,

Die Ruhe als Kraft

In mir zu finden

Durch meines Strebens Macht.Groer umfassender Geist,

mein Ich erhebe sich von unten nach oben,

ahnen mg es Dich im Allumfassen.

Der Geist meines Wesens durchleuchte sich

mit dem Licht Deiner Boten,

Die Seele meines Wesens entznde sich

an den Feuerflammen Deiner Diener

Der Wille meines Ich erfasse

Deines Schpferwortes Kraft.

Du bist.

Dein Licht strahle in meinen Geist,

Dein Leben erwarme meine Seele,

Dein Wesen durchdringe mein Wollen,

da Verstndnis fasse mein Ich

fr Deines Lichtes Leuchten,

Deines Lebens Liebewrme,

Deines Wesens Schpferworte.

Du bist.

O du Licht der Welt

Erhelle mir den Weg

Erhelle mich im Ich

In mir, durch Dich

Erhelle mir das Ich

Nehme hinweg den Schatten

Der die Liebe hindert.

(An Christus gerichtet)Nimm heute mich

auf Deines Weges hartem Wandern mit

Denn dienend will ich mit Dir gehn.

Leuchtend la mein Licht

dem Deinen sich vermhlen.

Und, da gemeinsam Deine Kmpfe

meine Kmpfe werden,

Nimm Deinen Dienern, Herr,

auf Deinen Weg.

Dieser Spruch aus dem Buch Brcke ber den Strom; die brigen von Rudolf Steiner.