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GLINTER PICKERT WINKELMESSUNG UND ORIENTIERUNG Herrn Helmut Salzmann zum 60. Geburtstag A~SX~ACT. In an affine plane oriented distance d and oriented angle w (between non-oriented fines) are introduced as mappings into ~, fulfilling certain axioms. Examples show, that the use of w is of advantage in elementary geometry. Axiomatic consequences of generalizing d, w to mappings into ordered abelian groups are considered. Von G. D. Birkhoff stammt ein Axiomensystem der ebenen Geometrie, bei dem L/ingen- und Winkelmessung als Grundbegriffe auftreten ([1]; s. dazu auch [11]). Dabei werden orientierte Winkel zwischen orientierten Geraden mit Werten rood 2~z gemessen. Ffir viele Zwecke der Elementargeometrie sind aber orientierte Winkel zwischen (nichtorientierten) Geraden zweckmfil3iger. Diese Winkelmessung (mit Werten mod rr) wird leider wenig benutzt, obwohl durch sie manche Beweise erst fallunterscheidungsfrei formulierbar sind. Eine Ausnahme bildet das Buch von Johnson [4]. In Abschnitt 1 wird nun in Modifizierung des Birkhoffschen Systems diese Winkelmessung zugrundege- legt, wobei sich der Orientierungsbegriff fiir Geraden- und Punktetripel sehr einfach mittels Winkelsummen einffihren l/il3t und die bekannten ebenen Anordnungseigenschaften folgen. In Abschnitt 2 zeigen Beweise des Umfangswinkelsatzes, des Satzes von Pappos und des Satzes von der Simsongeraden die Angemessenheit des gewfihlten Winkelbegriffs. Abschnitt 3 untersucht, was sich aussagen lfil3t, wenn die Lfingen- und Winkelwerte nur als Elemente angeordneter abelscher Gruppen-in Verallgemeinerung von (~, +, <)-vorausgesetzt werden. ° In einer affinen Ebene wird ein orientierter Abstand d als Abbildung der Menge aller Punktepaare in ~ mit den folgenden beiden Eigenschaften vorausgesetzt: (D1) F/ir jede Gerade 9 und jeden Punkt P ~ 9 istl X~--~d(P,X)[g Bijektion von g auf ~. i FIg bezeichnet die Einschr/inkung der Abbildung F aufg. Wegen (D2)darf man in (D1) 'jeden Punkt' durch 'einen Punkt' ersetzen. Geometriae Dedicata 36: 239-260, 1990. © 1990 Kluwer Academic Publishers, Printed in the Netherlands.

Winkelmessung und Orientierung

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Page 1: Winkelmessung und Orientierung

GLINTER PICKERT

W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G

Herrn Helmut Salzmann zum 60. Geburtstag

A~SX~ACT. In an affine plane oriented distance d and oriented angle w (between non-oriented fines) are introduced as mappings into ~, fulfilling certain axioms. Examples show, that the use of w is of advantage in elementary geometry. Axiomatic consequences of generalizing d, w to mappings into ordered abelian groups are considered.

Von G. D. Birkhoff stammt ein Axiomensystem der ebenen Geometrie, bei dem L/ingen- und Winkelmessung als Grundbegriffe auftreten ([1]; s. dazu auch [11]). Dabei werden orientierte Winkel zwischen orientierten Geraden mit Werten rood 2~z gemessen. Ffir viele Zwecke der Elementargeometrie sind aber orientierte Winkel zwischen (nichtorientierten) Geraden zweckmfil3iger. Diese Winkelmessung (mit Werten mod rr) wird leider wenig benutzt, obwohl durch sie manche Beweise erst fallunterscheidungsfrei formulierbar sind. Eine Ausnahme bildet das Buch von Johnson [4]. In Abschnitt 1 wird nun in Modifizierung des Birkhoffschen Systems diese Winkelmessung zugrundege- legt, wobei sich der Orientierungsbegriff fiir Geraden- und Punktetripel sehr einfach mittels Winkelsummen einffihren l/il3t und die bekannten ebenen Anordnungseigenschaften folgen. In Abschnitt 2 zeigen Beweise des Umfangswinkelsatzes, des Satzes von Pappos und des Satzes von der Simsongeraden die Angemessenheit des gewfihlten Winkelbegriffs. Abschnitt 3 untersucht, was sich aussagen lfil3t, wenn die Lfingen- und Winkelwerte nur als Elemente angeordneter abelscher Gruppen-in Verallgemeinerung von (~, +, <)-vorausgesetzt werden.

°

In einer affinen Ebene wird ein orientierter Abstand d als Abbildung der Menge aller Punktepaare in ~ mit den folgenden beiden Eigenschaften vorausgesetzt:

(D1) F/ir jede Gerade 9 und jeden Punkt P ~ 9 istl X~--~d(P,X)[g Bijektion von g auf ~.

i F Ig bezeichnet die Einschr/inkung der Abbildung F aufg. Wegen (D2)darf man in (D1) 'jeden Punkt' durch 'einen Punkt' ersetzen.

Geometriae Dedicata 36: 239-260, 1990. © 1990 Kluwer Academic Publishers, Printed in the Netherlands.

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240 GUNTER PICKERT

(D2) Ftir kollineare Punkte X, Y, Z gilt d(X, Y) + d(Y, Z) = d(X, Z).

Als einfache Folgerungen ergeben sich

d(X, Y) = 0.**, X = Y,

d(Y, X) = - d(X, Y).

Fiir den Abstand

]XYI ----d~f Id(X, Y)]

hat man entsprechend

IX YI = O .~ X = Y,,

I YX{ = IX YI

sowie die Dreiecksungleichung

IXZI <-IXYI + IYZI

im Fall kollinearer X, Y, Z, wobei das Gleichheitszeichen genau fiir Y ~ X Z gilt. Strecke und Halbgerade lassen sich folgendermal3en definieren (dabei A ~ B):

AB =def {X IX ~ AB, d(A, X)d(X, B) > 0},

AB =def {X I X ~ AB, d(A, X)d(A, B) > 0}.

Unter einer Orientierung der Geraden g versteht man eine Relation < ( c g x 0) mit

X < Yc~d(X, Y ) > 0 (ffiralleX, Y+g)

oder aber mit

X < Y ~ d(X, Y) < 0 (fiir alle X, Y e g).

Jede Gerade besitzt also genau zwei Orientierungen, und diese sind lineare Ordnungsrelationen auf ihr.

Bei der Winkelmessung wird im folgenden zur Vereinfachung 1 statt n (bzw. 180) geschrieben. Es gibt dann, je nachdem ob die Ebene (damit die Winkel) bzw. die Geraden orientiert sind oder nicht, vier verschiedene Winkelbegriffe (s. [-3, S.15], I-8, S.173]), deren Wertebereiche (als Intervalle 2) in der folgenden Tafel angegeben sind:

2 [a,b[=e, ef{x[a<=x<b} ' [a,b]=d,f{xla<x<=b}.

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Geraden

Ebene orientiert nichtorientiert

orientierte [0, 2[ [0, 1 [ nichtorientierte [0, 1] I-0, ½]

Es wird hier darauf verzichtet, Winkel als geometrische Objekte einzuffihren. Ganz analog zum (orientierten) Abstandsbegriff setzen wir in der affinen Ebene einen orientierten Winkel w als Abbildung der Menge aller Geraden- paare in ~ m i t den folgenden Eigenschaften voraus:

(Wl) Ffir jeden Punkt P und jede Gerade g ~ e ( = B f i s c h e l der Geraden dureh P) ist

x ~ w(9 , x) J ~ e eine Bijektion von ~p auf [0, 1 [.

(W2) F/Jr kopunktale Geraden x, y, z gilt

~w(x, z) oder w(x, y) + w(v, z) = ~w(x, z) + 1.

(W3) x II x', y [I y' =~ w(x, y) = w(x', y').

Wegen (W3) kann die Voraussetzung 'kopunktar in (W2) entfallen. Mit a - b als Abkfirzung ffir 'a-b ganzzahlig' 1/il3t sich (W2) wegen 0 < w(x, z) < 1 auch ersetzen durch

(W2') w(x, y) + w(y, z) - w(x, z).

Offenbar hat man (da [0, 1 [ die Bildmenge von w ist)

w(x, y) =_ w(x', y')=~ w(x, y) = w(x', y')

und nach (W2') (mit x = y = z)

(1) w(x, x) = o

sowie nach (W3) dann

x lf y=~ w(x, y) = O.

Im Fall x ~ y und P e x , y mull nach (Wl) und (1) w(x,y) ~ 0 sein; also hat man sogar

(2) x II Y ~ w(x, y) = 0

und wegen (W2') daher

(2') x II Y ~ w(x, z) = w(y, z).

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242 GUNTER PICKERT

Nach (W2) und (1) gilt

w(x, y) + w(y, {0, 1},

wegen (2) also

(3) x }1 y =~ w(y, x) = 1 - w(x, y).

Die Orthogonali t i i t 3_ wird durch

(4) x_l_ y ~ w(x, y) = w(y, x) ^ x }{ y

eingeffihrt, und man erh/ilt aus (3)

(4') x 3_ y ¢¢, w(x, y) = ½.

Wie man leicht sieht, folgen die bekannten Orthogonalit/itseigenschaften (Orthogonalit~itsaxiome)

x ± y ~ y ± x ,

x ± y ^ x ' l ' z ~ y l l z ,

x3_ y A y l l z ~ x ' ± z ,

x ,± y=~ x ¢ y ;

zu jedem Punkt P und jeder Geraden x gibt es genau eine Gerade y mit P e y ± x .

Als Abkiirzungen dienen im folgenden

ab =a~f w(a, b)

ABC =def w ( A B , BC) (fiir B # A, C).

HILFSSATZ 1. aa' = bb' =~ ab = a'b',

insb.

a ± a ' A b ± b ' = ~ . a b = a'b'.

Beweis. Nach (W2') ±st wegen aa' = bb'

a'b' -= a'a + ab + bb' - ab + a'a + aa' - ab,

also

a'b' = ab.

HILFSSATZ 2. ab < ac =~ ab + bc = ac, bc < ac.

Beweis. ab + bc < ab + 1 < ac + 1, und nach (W2) daher ab + bc = ac,

also auch bc < ac.

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W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G 243

Fiir drei kopunktale Geraden a, b, c gilt nach (W2) und (3)

und wegen (W3) bleibt das gfiltig, wenn die a, b, c nur paarweis nichtparallel sind. Die Orientierung eines solchen Geradentripels (a, b,c) wird dement- sprechend so definiert:

(abc) pos. =dof ab + bc + ca = 1,

(abc) neg. =aef ab + bc + ca = 2.

Offenbar bleibt die Orientierung bei zyklischer Permutation der a,b,c

erhalten, w~hrend sie bei einer Transposition wechselt:

(abc) pos. ~ (bac) neg.;

denn

ba+ac +cb= 1 - a b + 1 - c a + 1 - b c = 3 - ( a b + b c +ea).

Bei einem Dreieek ABC (d.h. A, B, C nicht kollinear) mit den Seiten

a = CB, b = AC, c = BA

und den Winkelwerten

a = c b , f l=ac , y = b a

definiert man die Orientierung yon (ABC) als die von (cba), hat also

(ABC) pos. ~ a + fl + ~ -- 1.

Man ben6tigt nun noch eine Verbindung zwischen den Abbildungen d, w:

AXIOM (DW). (ABC)pos., A' ~BC\{B , C} ~ BAA' < BAC (s. Fig. 1).

C

A B

Fig. 1.

ZUSATZ. Nach Hilfssatz 2 hat man dann auch A'AC < BAC. Die folgende Umkehrung yon (DW) ist nun beweisbar:

(WD) (ABC)pos., A' ~BC, BAA' < BAC=~ A' eBC\ { C} .

Page 6: Winkelmessung und Orientierung

244 GLrNTER PICKERT

Beweis. Unter den Voraussetzungen ist A' = C ausgeschlossen wegen (W 1).

Sei nun in Negation der Behauptung A'q~BC. Es sind zwei F/ille zu behandeln:

(a) C~A'B\{A',B}. Mit den Bezeichnungen von Fig. 2 gilt wegen der Voraussetzung (~' < ~)

~ ' + f l + 7 ' < ~ + f l + 7 ' = 1 + ~ ' - ~ < 2 ,

A'

A- -B

Fig. 2.

also c ( + fl + 7 ' = 1, d.h. (ABA')pos., nach (DW) dann aber cc < e' im Widerspruch zur Voraussetzung.

(b) BsA'C\{A' , C}. Mit den Bezeichnungen yon Fig. 3 folgt aus e' < c~

• ' + / ~ ' + ~, < ~ + y + ~ = 1 - / ~ + f f < 2,

C

A ,

A Fig. 3.

also e' + fl' + 7 = 1, d.h. (AA'C) pos., nach dem Zusatz bei (DW) daher e < e' im Widerspruch zur Voraussetzung.

STRECKENTREUE DER PARALLELPROJEKTIONEN. A,B,C nicht

kollinear, C' ~ AC\{A, C}, B' e AB, B'C' II BC ~ B' ~ AB. Beweis. (a) (ABC)pos. Mit den Bezeichnungen yon Fig. 4 hat man

e + fl + 7 = 1. Nach dem Zusatz bei (DW)-angewandt auf BCA-folgt ff < fl und weiter

c x + f f + ~ ' < ~ + f l + 7 ' = 1 - - ~ + 7 ' < 2 ,

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C

A B' B

Fig. 4.

also c~+fl '+y'= 1, d.h. (ABC')pos. Wegen y '= 1 - ~ - f l ' > 1 - a - f l = y ergibt

(WD) dann B' e AB.

B

A ~" C Fig. 5.

(b) (ABC)neg. (BAC)pos., also rnit den Bezeichnungen von Fig. 5 +/~ + 7 = 1 und nach (DW)/~' </~. Wie im Fall (a) folgt ~ +/~' + y' = 1, also

(C'BA) pos. und weiter y' > y. Nach Hilfssatz 2 ist dann auch BC'B' < 7' und

nach (WD) daher B'EAB.

Bekanntlich (s.z.B. [6]) ist damit die affine Ebene (bez. der durch d hervorgerufenen Ordnungsrelation auf jeder Geraden) eine angeordnete Ebene, und zu jeder Geraden gibt es die bekannte Seiteneinteilung der nicht auf ihr liegenden Punkte. Diese soll nun aber im folgenden unmittelbar aus dem Orientierungsbegriff gewonnen werden, indem man linke und rechte Seite einer orientierten Geraden (9, <) folgendermal]en definiert:

L(g, <) =a~ {C[Es gibt A, Beg: A < B, (ABC)pos.}

R(g, <) =d,f{CJEs gibt A, Beg: A < B, (ABC)neg.}.

Offensichtlich ist R(9, <) = L(g, >).

Damit nun aber linke und rechte Seite von (g, <) eine Klasseneinteilung der Menge der nicht auf g liegenden Punkte bilden, mu[3 man in den Definitionen 'Es gibt A, B e 9: A < B', durch 'F/Jr alle A, B e g: A < B ~ ' ersetzen dfirfen.

Das sichert der

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246 GLINTER PICKERT

ORIENTIERUNGSSATZ. Fiir Punkte A, B, A', B' einer orientierten Geraden (9, <) #ilt: A < B, A' < B', (ABC)pos. =>(A'B'C)pos.

Zum Beweis verwendet man zweckm~ig den

HILFSSATZ 3. Fiir B' ~ :4B\{A, B} oilt:

(a) (ABC) pos. =~ (AB'C), (B'BC) pos. (b) (AB'C) oder (B'BC) pos. =~ (ABC) pos.

Beweis. (a) Mit den Bezeichnungen von Fig. 6 besagt die Voraussetzung

(,) ~ + f l + 7 = 1 , C

A B' B Fig. 6.

und nach (DW) ist 7' < 7, also

~+3' +y < ~+ 3' +7 = 1 +/~'-/~< 2

und damit

(**)

d.h. (AB'C)pos. Die Gleichungen (,), (**) ergeben fl+y =ff +7', also (I - if) +/~ + (y - 7') = I, d.h. (B'BC)pos.

(b) Kontraposition: (ABC)neg., also (BAC)pos., nach Fall (a) (A, B ver- tauscht) daher (BB'C), (B'AC)pos. und damit (B'BC), (AB'C)neg.

Der Beweis des Orientierungssatzes erfolgt nun dutch Fallunterscheidung, wobei stets A < B, A' < B', (ABC) pos. vorausgesetzt ist:

(1) A = A', B' < B: Hilfssatz 3(a). (2) A = A', B < B': Hilfssatz 3(b). (3) A < A': Nach den F/illen 1,2 ist (AA'C)pos., wegen

A'~ AB-~\{A, B') also nach Hilfssatz 3 (A'B'C) pos. (4) A' < A: A ~ A'B\{A', B}, also nach Hilfssatz 3(b) (A'BC) pos. und

weiter nach Hilfssatz 3(a) (A'AC)pos. Je nachdem nun B' < A oder A < B' ist, erh/ilt man daraus (A'B'C) pos. nach Hilfssatz 3(a)

bzw. 3(b).

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WINKELMESSUNG UND ORIENTIERUNG 247

Die zu der Klasseneinteilung {L(9, <), R(9, <)} geh6rende Aquivalenzre- lation in der Menge der nicht auf O liegenden Punkte findert sich bei Ersetzen von (0, <) durch (9, >) offenbar nicht, h/ingt also nur von 9 ab; sie wird im folgenden mit (O) bezeichnet. DaB (O) die bekannte Relation 'auf gleicher Seite yon 9' ist, ergibt sich aus dem

SEITENSATZ. Fiir C, D e # 9ilt:

C(o)D ¢~ CO n 9 = 9.

Beweis. O.B.d.A. sei C e L(g, <). Drei F/ille sind dann zu untersuchen:

1. CD n 9 = {B} (Fig. 7): Man w/ihlt A e 0 mit A < B, Dann ist (ABC) pos.,

Fig. 7.

damit auch (BCA)pos., nach Hilfssatz 3(b) (DCA)pos. und dann nach Hilfssatz 3(a) (DBA)pos., also (ABD)neg., d.h. D e R(g, <) und somit nicht C(o)D.

2. CD n g = 9, CD n g = {B} (Fig. 8, auch mit Vertauschung yon C, D): A wird wie bei Fall 1 gew/ihlt, so dad also (ABC) pos., nach Hilfssatz 3(a) oder 3(b) auch (ABD)pos. ist, d.h. DEL(g, <) und somit C(g)D.

\ / C ' - ~ D ' g

E B ,4 \

Fig. 8. Fig. 9.

3. CD Itg (Fig. 9): Man w/ihlt ECg mit CEc~ 9 = {C'}, also nach Fall 1 E ER(9, <). Wegen der Streckentreue der Parallelprojektionen hat man

ED c~ 9 # 9, nach Fall 1 (mit Vertauschung yon L, R) also D ~ L(9, <) und somit C(g)D.

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248 GUNTER PICKERT

Zur Verwendung in Abschnitt 2 ben6tigt man noch den folgenden Hilfssatz, wobei 'gl.or,' zwischen Punkt- ocler Geradentripeln bedeutet, dafl entweder beide positiv oder beide negativ orientiert sind,

HILFSSATZ 4. Sind a = BC, b = CA, c = A B nicht kopunktal , so 9ilt:

A e a', B(a')C ~ (cba) gl.or. (cba').

Beweis. Wegen (W3) daft man a' )t a voraussetzen, also einen Schnittpunkt D yon a', a (s. Fig. 10). Wegen B(a')C ist dann (ADB) gl.or. (ADC), also

a'c + ca + aa' = a'b + ba + aa'.

,a a' D \

Fig. 10.

Wegen ca = 1 - ac, a'b = 1 - ba' folgt daraus

ba + ac = ba' + a'c,

darnit

d.h.

cb + ba + ac = cb + ba' + a' c,

(cba) gl.or. (cba').

2.

Ffir die Herleitungen in diesem Abschnitt werden die folgenden beiden Spezialisierungen von Kongruenzs/itzen ben6tigt:

(K1) A, B, C nichtkollinear, IACh = IBCI ~ B A C = CBA.

(K2) M E r e , M E A B _ I _ m , IAMI = ]MBI, C ~ m ~ [AC[ = ]BC[.

Mi t te l s (K1) gewinnt man die Kennze ichnung des Lotes als kiirzeste

Verbindungsstrecke zwischen Punk t und Gerade:

(L) A B _1_ B C ~ IBC] < ]ACI.

Page 11: Winkelmessung und Orientierung

W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G 249

Beweis. Man bestimmt A' durch A'eAC, A(BC)A', IA'CI = IBCI. Nach Definition der Relation (BC) ist dann (A'BC) gl.or. (ABC).

(a) (ABC)pos. (Fig. ll(a)): (K1) ergibt BA'C= CBA', und aus

BA'C + A'CB + CBA' = 1

C

A B

Fig. 1 l(a).

folgt daher CBA' < ½ = CBA, nach (WD) also A'eAC\{A} und sornit IACI > FA'CI = IBCI.

(b) (ABC)neg. (Fig. 1 l(b)): (A'BC)neg., also (BA'C)pos., und wie in Fall (a) erh~ilt man A'BC < ½ = ABC. Daher ist wegen (W2)

3 > ABA' + A'BC ~ {~,1 ~},3

C

B ,4

Fig. 1 l(b).

also ABA' < ½ = ABC, nach (WD) somit wieder A' ~AC\{A}.

Mittels (L) gewinnt man die Dreiecksungleichung fiir nichtkollineare Punkte:

(DU) Yq~XZ~IZX] < IXY] + IYZ].

Beweis. Mit Y ' e X Z , Y Y ' ± X Z hat man nach (L) irn Fall Y ' e X Z \ { X , Z} (s. Fig. 12(a))

IXZt = IXY'I + IY'ZI < IXYt + IYZI

Page 12: Winkelmessung und Orientierung

250 GUNTER PICKERT

Y

/ k x z

Fig. 12(a).

und im Fall Z ~ X Y ' (s. Fig. 12(b))

IXZl ~ IXY'I < IXYI + IYZI;

Y

Fig. 12(b).

der noch ausstehende Fall X ~ Y 'Z erledigt sich durch Vertauschen von X, Z.

Mittels (DU) ergibt sich nun (in bekannter Weise) eine Umkehrung yon (K2):

(K2') M~m, MeAB. I_m, IAMI = IMBI, IZCI = lOCI ~ C~m.

neweis (durch Kontraposition). Es sei m die Mittelsenkrechte zu AB und

C ~ m. Da wegen M ~ A n nicht A(m)n ist, darf man o.B.d.A. C(m)n vorausset- zen (s. Fig. 13). Es ist also nicht A(m)C, und nach dem Seitensatz gibt es daher

D ~ A C c~ m. Nach (K2) (f/Jr D statt C) gilt nun IADI = IBDI. Im Fall D~AB,

also D = M, ist C ( # M ) ebenfalls auf An und somit IACI ~ Incl. Im Fall D e A n aber ergibt (DU), angewandt auf B, C, D:

[ACI = IAOI + lOCI = IBDI + lOCI > Incl.

m C

IM Fig. 13.

B

Page 13: Winkelmessung und Orientierung

W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G 251

Wir ben6tigen ferner die folgende Konstruktion der Winkelhalbierenden:

(H) A, B, C nichtkollinear, [AC] = IBCI, O e AB, CO ± AB

ACD = DCB.

Beweis. Ffir die durch M ~ AB _1_ m, M ~ m, IAM[ = [MB[ bestimmte Mittel-

senkrechte m von AB folgt wegen IACI=IBC[ nach (K2') Cem, wegen

CD_kAB, D e A B also M = D , m = C D (s. Fig. 14). Wegen M e A B \ { A , B } ,

also etwa A < M < B, ist (ADC) gl.or. (DBC) nach dem Orientierungssatz, also

DAC + ACD + CDA = CBO + BDC + DCB.

C

A '£J

179

Fig. 14.

Wegen CDA = ½ = BDC und der aus (K1) folgenden Gleichung

DAC = BAC = CBA = CBD

ergibt sich daraus ACD = DCB.

Ein leider etwas in Vergessenheit geratener Beweis des Sehnentangentensatzes

(s. [7, S.87]) l~il3t sich nun - ohne Fallunterscheidung hinsichtlich der 'Lage' - folgenderma[3en ffihren, wobei A, B, C drei Punkte auf einem Kreis JT um O seien (s. Fig. 15). Aus (L) folgt ffir die Gerade t~ A_ AO durch A: t a n ~ = {A}.

Fig. 15.

Page 14: Winkelmessung und Orientierung

252 GUNTER PICKERT

Ffirjede Gerade 9 ¢ t a durch A aber erhfilt man [9 c~ Y l = 2; denn mit M s 9, O M _1_ g (falls 0 ¢ 9 ; andernfalls M = O), also M ~ A wegen ta ¢ g, und dem

durch IAMI = IMBI bestimmten Punkt B e 9 \ { A } gilt nach (K2) IOA I = JOBI

also B s ~ . Daher ist tA die Tangente an Yg in A.

Aus (L) ergibt sich ferner nach dem Seitensatz B(tA)O(tA)C, also B(tA)C und nach Hilfssatz 4 mit den dort eingefiihrten Bezeichnungen a, b, c

(*) (cba) gl.or. (cbta).

Wie iiblich wird ~ = cb, fi = ac, y = ba gesetzt. Mit Hilfsatz 1 liefert (H) (s. Fig. 15)

taC = CtB(= 7'),

tBa = arc(= ~'),

tcb = bta(=fl ') .

Mit diesen Bezeichnungen nun besagt (,)

a + / ~ + 7 = ~ +/~ ' + 7',

also fl + 7 = fl' + 7', und entsprechend hat man

7 + ~ = 7' + ~',

Addition der beiden ersten und Subtraktion der dritten dieser Gleichungen

liefert dann 27 = 27', also 7 = 7'.

Aus dem Sehnentangentensatz erh/ilt man sofort den

U M F A N G S W I N K E L S A T Z . Fiir vier Punkte A, B, C, D auf einem Kreis 9ilt

A C B = ADB.

Man beweist dann die

U M K E H R U N G DES U M F A N G S W I N K E L S A T Z E S . Vier Punkte

A, B, C, D mit A C B = A D B ~ 0 lieoen auf einem Kreis.

Dazu bildet man zuerst in bekannter Weise nach (K2), (K2') den Umkreis .3ff des Dreieeks A B C und zeigt dann AD ~ tA, SO da[~ also AD mit ~" einen Punkt D' ~ A gemeinsam hat; im Fall t~ = AD w~ire nach dem Sehnentan- gentensatz D A B = tAc = A C B = ADB, also ABII DB, d.h. A D B = 0 im Widerspruch zur Voraussetzung. Naeh dem Umfangswinkelsatz ist nun

AD'B = A C B = ADB, wegen AD = AD' also D'B II DB, d.h. B, D, D' kol- linear, was wegen der Niehtkollinearit~it von A , B , D (denn A D B ~ O) sehlie~lieh D' = D, also D ~ a'ff ergibt.

Page 15: Winkelmessung und Orientierung

WINKELMESSUNG UND O R I E N T I E R U N G 253

Der Umfangswinkelsatz und seine Umkehrung ffihren nun unmittelbar zum

VIERECKSWlNKELSATZ (VWS). Bei vier Punkten Pi (i = 1, 2, 3, 4) zieht jede der Winkelgleichungen PIPkP j = P~PtPj mit {i,j, k, l} = { 1, 2, 3, 4} die iibrigen nach sich.

Der Fall, dal3 die Pi kein Viereck bilden, also etwa P1, P2, P3 kollinear sind, beweist sich dabei so: Aus der Voraussetzung P1P4P2 = P1P3P2 (=0 wegen der Kollinearit/it) folgt PaEP1P2, soda~ alle Winkel =0 sind; aus der Voraussetzung P1P2P4=PIP3P4 erh/ilt man wegen PIP2=P~P3 die Kollinearit/it von P2, P3, P4, sodafl ebenfalls alle Winkel = 0 sind.

Im Vierecksfall reduziert sich (VWS) bis auf Umnumerierung auf die beiden Implikationen (s. Fig. 16)

~ =~PaP2P1 = P3P4P1 P4P1P3 = P4PEP3 ~ p 1 p a P 2 PIP4P2.

Die zweite l/il3t sich iibrigens bereits ohne (K1, 2) mit

a = P , P 4 , a' = P 1 P 3 , b = P 4 P 2 , b' = P z P 3 (s. Fig. 16)

~ b

Fig. 16.

aus dem Hilfssatz 1 gewinnen. In [5, S.30/31] wird ein Beweis des Satzes von Pappos im Rahmen der

Kongruenzgeometrie (mit Parallelenaxiom) angegeben. Da aber hierbei unorientierte Winkel zwischen orientierten Geraden benutzt sind, ben6tigt man Anordnungs/iberlegungen, die nicht ausgeffihrt werden; zudem fehlen Zusatz/iberlegungen ffir Sonderffille. Im folgenden wird der Beweis aus [5] mit Hilfe des (VWS) durchgefiihrt, wobei Fallunterscheidungen bez. der Anordnung entbehrlich werden.

SATZ VON PAPPOS. Liegen yon den sechs Punkten A, B, C, A', B', C' die

Page 16: Winkelmessung und Orientierung

254 GUNTER PICKERT

ersten drei auf der Geraden g, aber nicht auf der Geraden g' und die letzten drei

auf g' abet nicht auf g, so gilt:

A'C II AC', B'C II BC' ~ A'B I[ AB'.

Beweis. Man bildet den Schnittpunkt D' yon g' mit der durch B~h,

g'h = A'CB ( # 0 wegen A'6 CB) gem~il3 (Wl, 3) bestimmten Geraden h (s. Fig. 17). Unter der zusdtzlichen Voraussetzung A' 4: D' gilt dann

(1) A'CB = A'D'B

C B

D t

'I

und nach (VWS) weiter

(2) A'BC = A'D'C.

Wegen A'C f[ AC' hat man nach (W3)

(3) A'CB = CAB.

g

Fig. 17.

Aus (1, 3) folgt unter der zusdtzlichen Voraussetzung C' ~ D'

C'D'B (= A'D'B) = C'AB

und nach (VWS) daraus weiter

(4) D'C'B = O'AB.

Wegen B'C I[ BC' hat man nach (W3) unter der zustitzlichen Voraussetzung

B ' # D '

(5) D'B'C = D'C'B.

Page 17: Winkelmessung und Orientierung

W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G 255

Aus (4), (5) folgt

D',4C (= D'AB) = D'B'C,

nach (VWS) daraus

(6) B ' A C = B 'D'C.

Wegen B'D' = A 'D' ergeben (2), (6) schliel31ich

(7) A ' B C = B ' A C ,

also nach §1(2'), A ' B I1B'A.

Es sind nun noch die bisher ausgeschlossenen Sonderfiille D'E {A', B', C'} zu behandeln. Im Fall D' = A' hat man

(1') A ' C B = C 'A 'B .

Mit A ' B = b, A ' C = c gilt also g'b = c9, nach Hilfssatz 1 daher 9'c = bg, d.h.

(2) B ' A ' C = A ' B C .

Aus (1), (3) ergibt sich C A B = C A ' B , und mittels (VWS) erh/ilt man dann (4)-(6) mit D' = A' sowie aus (2'), (6) schlie~lich (7).

Im Fall D' = C' hat man statt (4)

A ' C ' B = C ' A B ,

woraus man mit (5) in der Form C ' B ' C = A ' C ' B dann

C ' A C (= C ' A B ) = C ' B ' C

erh/ilt. Nach (VWS) folgt daraus

B ' A C = B ' C ' C

und nach (2) wegen B'C ' = A ' C ' schliel31ich (7). Im Fall D' = B' hat man statt (5)

A ' B ' C = D'C 'B ,

mit (4) wegen A B = A C also

A ' B ' C = B ' A C

und nach (2) dann schliel31ich wieder (7). In ~ihnlicher Weise 1/il3t sich der Beweis des Satzes yon Pascal fiir den Kreis

ffihren (s.z.B. [I0, S.169/170]).

Ebenfalls mittels (VWS) beweist man (s.z.B. [2]) den

SATZ VON DER SIMSON-GERADEN. Sind zu nichtkoll inearen P u n k t en

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256 GONTER PICKERT

A, B, C und einem Punkt D die Punkte A', B', C' bestimmt als die Schnittpunkte

der Geraden BC, CA, ABjeweils mit den Senkrechten zu ihnen dutch D (s. Fig. 18) und ist oU der Kreis dutch A,B,C, so gilt:

D e ~,~ ¢*, A', B', C' kollinear.

C' D

B

Fig. 18.

Beweis. Wegen D = A . ~ - B ' = C' und der entsprechend durch zyklische Vertauschung der A, B, C entstehenden ,~quivalenzen gilt die Behauptung sowohl bei D e { A , B , C } wie bei I{A',B',C'}( < 2 (A',B',C' sind dann kol- linear und D e J~). Man daft also D # A, B, C und die Verschiedenheit der A' ,B' ,C' voraussetzen. Im Fall D e{A' ,B ' ,C '} ist dann D ~ , und die

A', B', C' sind nichtkollinear, die Behauptung also ebenfalls gfiltig. Daher darf man auch D' v~ A', B', C' voraussetzen. Bei {A,B,C} = {A',B',C'}, o.B.d.A. also A' = B, B' = C, C' = A sind die A', B', C' nicht kollinear; bei D e ~ h~itte man dann nach dem Umfangswinkelsatz DCB = DAB, wegen DAB - ½ - DCA also DCB = DCA im Widerspruch zur Nichtkollinearit~it der A, B, C, so da[3 D ~ ~ sein mu~ und die Behauptung daher auch in diesem Fall 3 gilt. O.B.d.A. daft daher fiir den folgenden Beweis aul~er den schon festgestellten Ungleichungen noch B' # A, C angenommen werden.

Aus AB ± C'D, BC 3_ A'D liefert Hilfssatz 1

(1) ABC = C'D'A'.

3 Man kann zeigen, dal3 er nicht eintreten kann.

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W I N K E L M E S S U N G U N D O R I E N T I E R U N G 257

Nach (W2') hat man

A D C - A D A ' + A ' D C ,

C ' D A ' - C ' D A + A D A ' ,

also

(2) A D C = C ' D A ' ~ A ' D C -= C 'DA.

Falls C # A', ergibt C B ' D (=½) = C A ' D nach (VWS)

(3) A ' D C = A ' B ' C ,

und ffir C = A' gilt diese Gleichung trivialerweise. Entsprechend erh/ilt man

(4) C ' D A = C ' B ' A .

Aus (1)-(4) folgt nun

A ' B ' C = C ' B ' A ¢*. A D C = A B C .

Hier besagt die rechte Seite gerade D e xC und die linke Seite A ' B ' = C 'B '

(wegen B ' C = B'A), also die Kollinearit/it der A', B', C'.

.

Wie ein Durchgehen der Herleitungen in §1 und §2 zeigt, bleiben diese gfiltig, wenn man d , w in (D1,2), (W1-3) nur als Abbildungen in angeordnete abelsche Gruppen (9, +, <) bzw. ($1z, +, <) voraussetzt, wobei die Bild- menge von w ein Intervall [0, 2p[ mit einem positiven p ~ W" sein soil; o.B.d.A. darf man annehmen, dal3 das Intervall [0, p] die Gruppe ~ erzeugt. Ffir die (wie in §1 definierte) Orthogonalit/it erh/ilt man dann

x _L y , * ~ w ( x , y) = p.

Im folgenden werden (D1, 2), (Wl-3) mit diesen Modifizierungen vorausge- setzt und ferner (DW), (K1, 2). Nach §1 ist die affine Ebene angeordnet (mit dem dort mfftels d definierten Streckenbegriff), und nach §2 gilt in ihr der Satz yon Pappos. Es handelt sich also um eine affine Ebene fiber einem angeord- neten (kommutativen) K6rper • , dessen Ordnungsrelation wieder mi t< bezeichnet sei. W/ihlt man auf einer Geraden 9 zwei Punkte O, E, so kann man bekanntlich die Punkte von 9 mit den Elementen yon X (insbesondere O, Emit Null- bzw. Einselement yon ~ ) identifizieren, so dal3 die Anordnung (<) yon ~(( die Orientierung yon 9 mit O < E liefert. Die Wahl yon O, E ist demnach so m6glich, dal3 (bei der Identifizierung)

(1) X < Y . , ~ d ( X , Y) > 0

Page 20: Winkelmessung und Orientierung

258 G/,)N TER P I C K E R T

gilt. Ffir die durch

(2) ,~(X) = d(O, X)

definierte Abbildung 3 yon 9 (identifiziert mit 3if) auf ~ gilt nun nach (D2)

(2') d(X, Y) = 6(Y) - a(X)

und daher wegen (1)

X < Y-:~b(X) < 3(Y):

6 ist eine isotone Abbildun9 yon ( ~ , <) auf (N, <). Wegen (2) ist 6 genau dann auch ein lsomorphismus von (dr', +) auf (N, +),

wenn fiir alle X, Y ~ ~f"

el(O, X + Y) = d(O, X) + d(O, Y),

wegen (D2) also

(3) d(O, Y) = d(X, X + Y)

gilt. Bekanntlich lfi[3t sich Z = X + Y aus O, X, Y mittels eines Parallelo- gramms OYY 'O ' konstruieren (s. Fig. 19). Um (3) zu erhalten ist es daher naheliegend,

d(O, Y) = d(O', Y') = d(X, Z)

0 X Y Z

Fig. 19.

zu fordern. Da man in der angeordneten Gruppe (X ~, + , <)

0 < Y.c*,X < X + Y ( = Z )

und daher

d(O, Y) > 0 ~ d(X, Z) > 0

hat, geniigt aber schon (Abstandsdefinition wie in §1)

ION = IO'Y'I = IXZ[,

also das neu¢ Axiom

(D3) AB # A'B', AB [[ A'B', AA ' II BB' =~ lAB[ = [A'B'I.

Page 21: Winkelmessung und Orientierung

WINKELMESSUNG UND O R I E N T I E R U N G 259

Ebenso wie (K1, 2) ist (D3) Spezialfall eines Kongruenzsatzes, wie man an Hand von Fig. 20 wegen A A ' B = B 'BA' , A ' B A = BA 'B ' erkennt.

A B

Fig. 20.

W~ihlt man drei Punkte A, B, C mit A C B = p und (ABC)pos . , so folgt aus (DW) und der Folgerung (WD) unter Zuhilfenahme von Hilfssatz 3(a) leicht, da~ die durch

f ( A C X ) = IAXI for alle X e A B

definierte Abbildung f von [0,p] eine isotone Abbildung auf [0, c] (mitc = [AB[) ist. Da (~/V, +) yon [0, p] erzeugt wird, l~il3t sich somit (iV, <) isoton auf eine von einem Intervall erzeugte Untergruppe von (JC, + , <) abbilden. Da die /iblichen Orthogonalit/itsaxiome gelten (s.z.B. [9, S.19]), kann man in bekannter Weise die Spiegelung ag an der Geraden g einfiihren (s. [9, S.22]). Nach (D3) hat man (AB bezeichnet die Translation, die A nach B bringt)

AB = A'B' =~ I a n l = IA'B'I,

und man kann daher den Betrag IABI des Vektors AB durch IABI definieren. In (K2) ergibt sich aus der Voraussetzung AM = MB und damit am(A) = B.

Wegen tr,,,(C) = C fiir C ~ m folgt nach (K2) dann lam(A)tr,,,(C)l = IACI. Daher ist die von am in der Menge der Vektoren hervorgerufene Abbildung a* (s. [9, S.23]) betragstreu. Ferner liefern (K2, 2') fiir Vektoren a(= MA), b(= MB)

lal = Ibl "~-a + b _1_ a - b (s. Fig. 21).

f /

f f

f f

b"

a - b , , ~ B

M Fig. 21.

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260 GONTER PICKERT

Daher erweisen sich die Spiegelungen, da betragstreu, auch als orthogonali- t/itstreu. Ferner folgt aus (K2'), dal3 es zu zwei betragsgleichen Vektoren stets eine die beiden vertauschende Spiegelung gibt. Man kann daher in der fiblichen Weise das Skalarprodukt a- b yon Vektoren so einfiihren (s. [9, 3.1]; die dort gemachte Voraussetzung Jg = R wird nicht ben6tigt), dal3 (a,b)--*a'b eine symmetrische Bilinearform ist und lalZ= a ' a gilt. Der angeordnete K6rper o~(( mul3 daher pythagoreisch sein (d.h. jede Quadrat- summe ist Quadrat), und man hat die fibliche euklidische Metrik erhalten. Often bleibt die Frage, welchen Bedingungen der pythagoreische K6rper s f geniigen mul3, damit eine Abbildung w mit den modifizierten (s. Anfang von §3) Eigenschaften (Wl-3), (DW) und (K1, 2) existiert.

LITERATUR

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Anschrift des Verfassers:

Giinter Pickert, Universit/it Gie[3en, Mathematisches Institut, Arndtstra[~e 2, D-6300 Gieflen, B.R.D.

(Eingegangen am 7. September 1989)