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Motoren mit Wasser betreiben – eine schöne Vorstel- lung. „Doch so weit sind wir noch lange nicht“, so Prof. Dr. Ulrich Spicher, Leiter des Instituts für Kolbenma- schinen an der Universität Karlsruhe. Tognum-Tech- nikvorstand Dr. Ulrich Dohle erklärt jedoch, dass MTU schon Motoren entwickelt, die mit alternativen Kraftstoffen wie Gas oder Ethanol betrieben werden. Wie lange gibt es noch Öl? Schon seit Jahrzehnten versu- chen Experten, diese Frage zu beantworten. Noch 30 Jah- re? Noch 50 Jahre? Bisher waren alle Antworten falsch. Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es noch immer reichlich Ölreserven und fossile Kraftstoffe bestimmen den Markt für Off-Highway-Fahrzeuge auf der ganzen Welt. Doch das wird nicht so bleiben. Es kann zwar keiner seriös vorhersagen, wie viel Öl noch gefunden wird, doch schon heute lässt der steigende Bedarf nach Öl den Preis kräftig steigen. Es ist abzusehen, dass rohölbasierte Kraftstoffe alleine den weltweit immer größer werdenden Bedarf an Energie nicht decken können. Dieselmotoren so zu verbessern, dass sie die strenger werdenden Grenzwerte für den Ausstoß von Rußpartikeln und Stickoxiden erfüllen, wird außerdem zu- nehmend aufwändiger. Da sind Alternativen gefragt. Alles was brennt Alternative Kraftstoffe Technologie Lange Zeit galten Elektromotoren als die beste Möglichkeit, Verbrennungsmotoren zu ersetzen. Pkw fahren teilweise schon mit Elektromotoren. Doch dass eine Megayacht, eine Schnellfähre oder ein Muldenkipper damit angetrieben werden, ist derzeit kaum denkbar. Noch zeigt die unzurei- chende Speicherdichte der Batterien, die zu einer sehr ge- ringen Reichweite führt, den Entwicklern die Grenzen auf. Hybrid-Lösungen, wie sie MTU derzeit in einem Triebwagen der Deutschen Bahn erprobt, sind eine Alternative. Doch auch sie kommen nicht ohne den Dieselmotor aus. Experten sagen voraus, dass der Verbrennungsmotor sei- ne dominierende Stellung nicht verlieren wird. Doch nicht mehr jeder Off-Highway-Motor wird mit Diesel betrieben werden. Vielmehr wird es ein Nebeneinander von verschie- densten Kraftstoffen geben: Diesel wird nicht mehr nur auf Rohöl basieren, sondern kann auch synthetisch hergestellt werden. Biogene Kraftstoffe wie Ethanol sind schon heu- te im On-Highway-Markt vor allem in Nordamerika oder Brasilien gefragt. Und Gas ist allein schon wegen seiner hohen Verfügbarkeit ein Thema. Experten aus unterschied- lichen Bereichen erläutern auf den nächsten Seiten, wohin die „Kraftstoff-Reise“ geht und welche Produkte MTU den Kunden auf dieser Reise zur Verfügung stellen wird. Glossar alternativer Kraftstoffe Biodiesel. Biodiesel wird nicht wie der konventionelle Diesel-Kraft- stoff aus Erdöl, sondern aus Pflanzenöl gewonnen. Dieses wird mit etwa zehn Prozent Methanol umgeestert und gereinigt. Dadurch ist der Biodie- sel in seiner Zündfähigkeit und dem Fließverhalten dem Dieselkraftstoff sehr ähnlich. Doch steigende Lebensmittelpreise durch die Konkurrenz etwa um den Mais wecken Zweifel an dem Kraftstoff. Den Durchbruch soll der Biodiesel der zweiten Generation bringen. Anders als beim Bio- diesel der ersten Generation wird hier die ganze Pflanze verarbeitet, so dass pro Hektar Acker dreimal mehr Diesel erzeugt werden kann. Doch noch sind die Herstellungsverfahren unwirtschaftlich. Bioethanol. Bioethanol ist ein Otto-Kraftstoff, der wie herkömmlicher Alkohol durch alkoholische Gärung aus Zucker (Glucose) mit Hilfe von Mikroorganismen gewonnen und anschließend durch thermische Trenn- verfahren gereinigt wird. Der weltweit größte Hersteller von Ethanol- Kraftstoff ist die USA, die im Jahr 2010 45 Milliarden Liter hergestellt haben. Dicht darauf folgt Brasilien, wo Bioethanol aus Zuckerrohr gewon- nen wird. Wie auch beim Biodiesel der ersten Generation erzeugt diese Art der Ethanolherstellung eine Konkurrenzsituation zum Lebensmittel- markt. Neue Verfahren, bei denen pflanzliche Reststoffe wie Stroh oder Holzreste verwendet werden, sind jedoch noch nicht wirtschaftlich. Denn bei dieser zweiten Generation ist die Ethanolherstellung komplizierter, weil ein zusätzlicher Schritt nötig ist. Das Ausgangsmaterial ist dort Zellulose, die zunächst aus der Pflanze getrennt, dann in Stärke gespalten und schließlich wieder in seine Zucker-Bestandteile aufgelöst werden muss. Erst dann kann es zu Alkohol vergoren werden. LNG (Flüssigerdgas). Liquefied Natural Gas (LNG) ist Erdgas, das auf minus 164 Grad Celsius gekühlt und verflüssigt wird. LNG weist etwa ein 600stel des Volumens von Erdgas in Gasform auf. In der Schifffahrt wird flüssiges Erdgas bereits seit vielen Jahren zum Antrieb genutzt – bis- her allerdings größtenteils in LNG-Tankern, die das Gas transportieren und ihre Ladung gleichzeitig als Treibstoff nutzen: Anfangs wurde das LNG verfeuert und der damit erzeugte Dampf trieb über eine Dampftur- bine den Propeller an. Heute werden die Tanker von Motoren angetrie- ben, die sowohl mit LNG als auch mit Schweröl fahren können. Da LNG sauberer ist als die anderen Schifffahrtskraftstoffe Schweröl und Dieselöl, wird ihm bei strenger werdenden Emissionsgrenzwerten eine große Zukunft als Schiffskraftstoff vorhergesagt. CNG (Erdgas). Bei CNG handelt es sich um ein hochkomprimiertes Erdgas, also zu 99 Prozent um Methan. Es wird oft zusammen mit Erdöl unterirdisch gefunden und bildet sich unter Luftabschluss, erhöhter Temperatur und hohem Druck aus abgestorbenen und abgesunkenen Mikroorganismen, Algen und Plankton. Bei der Verbrennung werden 24 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Auch unter dem Sicher- heitsaspekt ist Erdgas eine gute Alternative – bei einer Leckage im Treibstoffsystem verflüchtigt es sich einfach. Erdgas ist das in Deutsch- land am meisten genutzte Gas für den Fahrzeugantrieb. Biogas. Biogas ist ein brennbares Gas, welches im Gegensatz zu Erdgas durch Vergärung von Biomasse jeder Art hergestellt wird. In Biogasanla- gen können sowohl Abfälle als auch speziell dafür produzierte Energie- pflanzen vergoren werden. Das Gas könnte auch als Kraftstoff für sons- tige Antriebe genutzt werden. Um ausreichende Kraftstoffmengen in mobilen Maschinen und Fahrzeugen mitzuführen, müsste es jedoch auf 200 bis 300 Bar verdichtet und der CO 2 -Anteil weitgehend entfernt werden. MEMO Um deren Siedeverlauf von Kraftstoffen zu testen, werden die Flüssigkeiten in einem Kolben auf einer heißen Platte zum Sieden gebracht. Die heißen Tempe- raturen sorgen dann für das bunte Kraftstofffarbspiel, das auf den nächsten Seiten zu sehen ist. 4 I MTU Report 02/12 MTU Report 02/12 I 5

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Motoren mit Wasser betreiben – eine schöne Vorstel-lung. „Doch so weit sind wir noch lange nicht“, so Prof. Dr. Ulrich Spicher, Leiter des Instituts für Kolbenma-schinen an der Universität Karlsruhe. Tognum-Tech-nikvorstand Dr. Ulrich Dohle erklärt jedoch, dass MTU schon Motoren entwickelt, die mit alternativen Kraftstoffen wie Gas oder Ethanol betrieben werden.

Wie lange gibt es noch Öl? Schon seit Jahrzehnten versu-chen Experten, diese Frage zu beantworten. Noch 30 Jah-re? Noch 50 Jahre? Bisher waren alle Antworten falsch. Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es noch immer reichlich Ölreserven und fossile Kraftstoffe bestimmen den Markt für Off-Highway-Fahrzeuge auf der ganzen Welt. Doch das wird nicht so bleiben. Es kann zwar keiner seriös vorhersagen, wie viel Öl noch gefunden wird, doch schon heute lässt der steigende Bedarf nach Öl den Preis kräftig steigen. Es ist abzusehen, dass rohölbasierte Kraftstoffe alleine den weltweit immer größer werdenden Bedarf an Energie nicht decken können. Dieselmotoren so zu verbessern, dass sie die strenger werdenden Grenzwerte für den Ausstoß von Rußpartikeln und Stickoxiden erfüllen, wird außerdem zu-nehmend aufwändiger. Da sind Alternativen gefragt.

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Lange Zeit galten Elektromotoren als die beste Möglichkeit, Verbrennungsmotoren zu ersetzen. Pkw fahren teil weise schon mit Elektromotoren. Doch dass eine Megayacht, eine Schnellfähre oder ein Muldenkipper damit angetrieben werden, ist derzeit kaum denkbar. Noch zeigt die unzurei-chende Speicherdichte der Batterien, die zu einer sehr ge-ringen Reichweite führt, den Entwicklern die Grenzen auf. Hybrid-Lösungen, wie sie MTU derzeit in einem Triebwagen der Deutschen Bahn erprobt, sind eine Alternative. Doch auch sie kommen nicht ohne den Dieselmotor aus.

Experten sagen voraus, dass der Verbrennungsmotor sei-ne dominierende Stellung nicht verlieren wird. Doch nicht mehr jeder Off-Highway-Motor wird mit Diesel betrieben werden. Vielmehr wird es ein Nebeneinander von verschie-densten Kraftstoffen geben: Diesel wird nicht mehr nur auf Rohöl basieren, sondern kann auch synthetisch hergestellt werden. Biogene Kraftstoffe wie Ethanol sind schon heu-te im On-Highway-Markt vor allem in Nordamerika oder Brasilien gefragt. Und Gas ist allein schon wegen seiner hohen Verfügbarkeit ein Thema. Experten aus unterschied-lichen Bereichen erläutern auf den nächsten Seiten, wohin die „Kraftstoff-Reise“ geht und welche Produkte MTU den Kunden auf dieser Reise zur Verfügung stellen wird.

Glossar alternativer Kraftstoffe

Biodiesel. Biodiesel wird nicht wie der konventionelle Diesel-Kraft-stoff aus Erdöl, sondern aus Pflanzenöl gewonnen. Dieses wird mit etwa zehn Prozent Methanol umgeestert und gereinigt. Dadurch ist der Biodie-sel in seiner Zündfähigkeit und dem Fließverhalten dem Dieselkraftstoff sehr ähnlich. Doch steigende Lebensmittelpreise durch die Konkurrenz etwa um den Mais wecken Zweifel an dem Kraftstoff. Den Durchbruch soll der Biodiesel der zweiten Generation bringen. Anders als beim Bio-diesel der ersten Generation wird hier die ganze Pflanze verarbeitet, so dass pro Hektar Acker dreimal mehr Diesel erzeugt werden kann. Doch noch sind die Herstellungsverfahren unwirtschaftlich.

Bioethanol. Bioethanol ist ein Otto-Kraftstoff, der wie herkömmlicher Alkohol durch alkoholische Gärung aus Zucker (Glucose) mit Hilfe von Mikroorganismen gewonnen und anschließend durch thermische Trenn-verfahren gereinigt wird. Der weltweit größte Hersteller von Ethanol-Kraftstoff ist die USA, die im Jahr 2010 45 Milliarden Liter hergestellt haben. Dicht darauf folgt Brasilien, wo Bioethanol aus Zuckerrohr gewon-nen wird. Wie auch beim Biodiesel der ersten Generation erzeugt diese Art der Ethanolherstellung eine Konkurrenzsituation zum Lebensmittel-markt. Neue Verfahren, bei denen pflanzliche Reststoffe wie Stroh oder Holzreste verwendet werden, sind jedoch noch nicht wirtschaftlich. Denn bei dieser zweiten Generation ist die Ethanolherstellung komplizierter, weil ein zusätzlicher Schritt nötig ist. Das Ausgangsmaterial ist dort Zellulose, die zunächst aus der Pflanze getrennt, dann in Stärke gespalten und schließlich wieder in seine Zucker-Bestandteile aufgelöst werden muss. Erst dann kann es zu Alkohol vergoren werden.

LNG (Flüssigerdgas). Liquefied Natural Gas (LNG) ist Erdgas, das auf minus 164 Grad Celsius gekühlt und verflüssigt wird. LNG weist etwa ein 600stel des Volumens von Erdgas in Gasform auf. In der Schifffahrt wird flüssiges Erdgas bereits seit vielen Jahren zum Antrieb genutzt – bis-her allerdings größtenteils in LNG-Tankern, die das Gas transportieren und ihre Ladung gleichzeitig als Treibstoff nutzen: Anfangs wurde das LNG verfeuert und der damit erzeugte Dampf trieb über eine Dampftur-bine den Propeller an. Heute werden die Tanker von Motoren angetrie-ben, die sowohl mit LNG als auch mit Schweröl fahren können. Da LNG sauberer ist als die anderen Schifffahrtskraftstoffe Schweröl und Dieselöl, wird ihm bei strenger werdenden Emissionsgrenzwerten eine große Zukunft als Schiffskraftstoff vorhergesagt.

CNG (Erdgas). Bei CNG handelt es sich um ein hochkomprimiertes Erdgas, also zu 99 Prozent um Methan. Es wird oft zusammen mit Erdöl unterirdisch gefunden und bildet sich unter Luftabschluss, erhöhter Temperatur und hohem Druck aus abgestorbenen und abgesunkenen Mikroorganismen, Algen und Plankton. Bei der Verbrennung werden 24 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Auch unter dem Sicher-heitsaspekt ist Erdgas eine gute Alternative – bei einer Leckage im Treibstoffsystem verflüchtigt es sich einfach. Erdgas ist das in Deutsch-land am meisten genutzte Gas für den Fahrzeugantrieb.

Biogas. Biogas ist ein brennbares Gas, welches im Gegensatz zu Erdgas durch Vergärung von Biomasse jeder Art hergestellt wird. In Biogasanla-gen können sowohl Abfälle als auch speziell dafür produzierte Energie-pflanzen vergoren werden. Das Gas könnte auch als Kraftstoff für sons-tige Antriebe genutzt werden. Um ausreichende Kraftstoffmengen in mobilen Maschinen und Fahrzeugen mitzuführen, müsste es jedoch auf 200 bis 300 Bar verdichtet und der CO

2-Anteil weitgehend entfernt

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Um deren Siedeverlauf von Kraftstoffen zu testen, werden die Flüssigkeiten in einem Kolben auf einer heißen Platte zum Sieden gebracht. Die heißen Tempe-raturen sorgen dann für das bunte Kraftstofffarbspiel, das auf den nächsten Seiten zu sehen ist.

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„Synthetische Kraftstoffe bieten große Möglichkeiten“

Technologie

> Wie lange werden noch Off-Highway-Fahrzeuge mit Großdieselmotoren unter-wegs sein?Im Off-Highway-Bereich wird man sicherlich noch lange Zeit mit Dieselmotoren fahren. In zehn Jahren werden Diesel und Benzin die mit Abstand am häufigsten eingesetzten Kraftstoffe sein. Auch in 50 Jahren werden mit großer Sicherheit weiterhin Dieselmoto-ren eingesetzt, die dann aber nicht mehr ausschließlich mit herkömmlichem Diesel-kraftstoff aus Erdöl betrieben werden. In der allgemeinen öffentlichen Diskussion wer-den die Kraftstoffe Benzin und Diesel immer mit dem irgendwann nicht mehr zur Verfü-gung stehendem Erdöl verbunden, was dazu führt, dass damit auch der Verbrennungsmo-tor nicht mehr existieren wird. Dies ist jedoch völlig falsch, da Verbrennungsmotoren nicht von Kraftstoffen, die aus Erdöl produziert wer-den, abhängig sind. Erdöl ist sicherlich nicht die Zukunft. Zwar gehen neueste Prognosen davon aus, dass wir noch genug Erdöl für die nächsten 100 Jahre haben, doch es wird der Tag kommen, an dem wir kein Öl mehr haben.

> Ist Gas eine Alternative?Erdgas sehe ich in der Mobilitätsanwendung nur bedingt. Die Energiedichte ist im Vergleich zu flüssigen Kraftstoffen, wie wir sie heute haben, geringer. Beim Einsatz von Gas werden für die gleiche geforderte Reichweite deutlich größere Tanks benötigt. Außerdem ist es sinn-voller, Erdgas in der stationären Anwendung sowohl zur Stromerzeugung als auch zur Ver-sorgung mit Wärmeenergie, also zum Heizen, einzusetzen. Anders sieht es beim verflüs-sigten Gas – dem so genannten LPG – aus. Das ist eigentlich ein Abfallprodukt, denn es wird unter anderem aus dem Gas gewonnen, welches bei der Erdölförderung abgefackelt wird. LPG ist flüssig, hat eine hohe Energie-dichte und eignet sich sehr gut als Kraftstoff für Benzinmotoren.

> Biokraftstoffen wird oft der Vorwurf gemacht, dass ihre Erzeugung in Konkur-renz zur Produktion von Nahrungsmitteln steht. Wann werden die Biokraftstoffe der zweiten Generation verfügbar und wirt-schaftlich sein, die aus Abfällen und nicht aus Futtermitteln gewonnen werden?Das ist für mich die unbedingte Vorausset-zung, um sie überhaupt zu nutzen. Die Bio-masse, die wir für die Kraftstoffe benötigen, darf auf keinen Fall aus Nahrungsmitteln be-ziehungsweise aus der Nahrungsmittelproduk-tion kommen. Nahrungsmittel müssen immer Vorrang vor den Kraftstoffen haben. Es kann nicht sein, dass Menschen nichts zu essen haben, weil wir unsere Fahrzeuge betanken wollen. Doch die synthetischen Kraftstoffe, von denen ich spreche, werden aus Abfallpro-dukten wie Stroh, Rasen oder Blättern, aber auch aus nicht für Nahrungsmittel nutzbaren Pflanzen hergestellt. Wir wollen sogar noch weiter gehen und Kraftstoffe auch aus an-fallendem Müll machen, beispielsweise aus Kunststoff. Das wird alles kommen, da bin ich mir ziemlich sicher.

> Welche Möglichkeiten bieten synthe-tische Kraftstoffe?Synthetische Kraftstoffe bieten nicht nur den Motorenentwicklern große Möglichkeiten, son-dern könnten einen entscheidenden Beitrag zur sicheren Energieversorgung in der mobi len Anwendung liefern. Bisher müssen Verbren-nungsmotoren in der Entwicklung den weltweit unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten bezie-hungsweise den unterschiedlichen Kraftstoff- eigenschaften angepasst werden. Neben vielen positiven Eigenschaften sind einige für den Betrieb der Motoren und für deren Entwick-lung nicht so gut geeignet. Beim Dieselkraft-stoff ist es zum Beispiel das Siedeverhalten. Die verschiedenen Komponenten im Diesel verdampfen bei unterschiedlichen Tempera-turen: Die Skala reicht von 220 bis 360 Grad Celsius. Das Problem dabei ist, dass beson-ders die Komponenten, die bei den höheren Temperaturen verdampfen, eine unsaubere Verbrennung aufweisen können, was zu einer erhöhten Partikelemission führt. Synthetische Kraftstoffe für die Anwendung in Dieselmo-toren könnte man so herstellen, dass dieses nicht mehr problematisch ist und im Idealfall sogar eine vollkommen rußfreie Verbrennung möglich wird. Hätte man einen solchen Kraft-stoff weltweit einheitlich, so wäre dies für die Umweltemissionen eine enorme Verbesse-rung. Bisher haben wir mit den weltweit zur Verfügung stehenden Kraftstoffen so unsere Probleme, die Qualität ist nicht immer gleich und es ist schwer, die Motoren auf diese Un-terschiede einzustellen. Mit synthetischen Kraftstoffen könnte man dieses Problem leicht beheben.

> Wann kann man diese Kraftstoffe wirt-schaftlich herstellen?Sicherlich bald. Wir arbeiten am Karlsruher Institut für Technologie intensiv daran, syn-thetische Kraftstoffe der zweiten Generation wirtschaftlich herzustellen und sind dem Ziel schon sehr nah. Noch sind die synthetischen Kraftstoffe zwar teurer als herkömmlicher Die-sel oder Benzin. Aber ich bin mir sicher, dass sich dieses in absehbarer Zeit ändern wird.

> Und wann werden die ersten Motoren mit Wasserstoff betrieben? Oh, sicherlich nicht so bald. Es sei denn, wir haben irgendwann Strom im Überfluss und wissen nicht, wie wir ihn zwischenspeichern. Das Problem beim Wasserstoff ist, dass für die Herstellung sehr viel Energie benötigt wird. Theoretisch ginge das, und wenn wir irgendwann Strom im Überfluss haben, dann kann man das auch machen. Aber ich gehe nicht davon aus, dass dieses in den nächs-ten 100 Jahren der Fall sein wird, weshalb wir aus meiner Sicht Wasserstoff als zukünftigen Kraftstoff wohl vernachlässigen können.

> Wie sähe der Motor aus, den Sie für ein Off-Highway-Fahrzeug, nehmen wir als Beispiel einen großen Muldenkipper, bau-en würden, wenn Sie alle Möglichkeiten dazu hätten?Ich habe da eine Vision: Mein Motor verbrennt den Kraftstoff zu 99,99 Prozent schadstofffrei und ist natürlich hocheffizient mit Antriebswir-kungsgraden im Bereich von 50 Prozent und even tuell sogar etwas darüber. Da kommt na-türlich auch der Forscherdrang in mir hoch. Theoretisch ist das möglich. Wie weit aber die Praxis an diese Theorie herankommt, wird uns die Zukunft zeigen. Natürlich reizt es mich, den Dual-Fuel-Motor, den wir gerade zusam-men mit MTU entwickeln, in einem Mulden-kipper einzusetzen. Dieser Motor arbeitet mit einem Hauptkraftstoff, zum Beispiel mit Ben-zin oder Ethanol oder aus einer Mischung dieser beiden Kraftstoffe. Auch Erdgas ist als Grundkraftstoff möglich. Der zweite Kraft-stoff, der nur in kleinen Mengen benötigt wird, dient zur Entflammung des jeweiligen Grund-kraftstoffes. Dadurch gelingt es, besonders schadstoffarm und damit extrem sauber sowie mit niedrigem Kraftstoffverbrauch zu verbren-nen. Somit kommen wir der erwähnten Vision schon näher. Bisher hat der Motor jedoch für diese Anwendung etwas zu wenig Leistung, da müssen wir noch ein wenig dran arbeiten. Ich bin mir aber sicher, dass wir das gemeinsam mit den MTU-Mitarbeitern schaffen werden.

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Prof. Dr. Ulrich Spicher, Leiter Institut für Kolbenmaschinen der Universität Karlsruhe

Prof. Dr. Ulrich Spicher studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen und promovierte dort im Jahr 1982 zum Dr.-Ing. Nach einigen Jahren als Abtei-lungs- und Bereichsleiter bei der heutigen FEV GmbH, einem der weltweit größten unabhängigen Dienstleistungsunternehmen in der Entwicklung von Verbrennungsmotoren und Antriebssystemen, übernahm er 1994 die Leitung des Instituts für Kolbenmaschinen an der Universität Karlsruhe, dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das Institut für Kolbenmaschinen genießt weltweit ein hohes Ansehen in der Forschung und Analyse der motorischen Verbrennung von Otto- und Dieselmotoren sowie aller Aspekte der Ge-mischbildung und der Schadstoffreduzierung.

MTU Report 02/12 I 76 I MTU Report 02/12

> MTU verkauft schon lange Gasmotoren, allerdings bisher nur für stationäre Anwen-dungen zur Stromerzeugung. Was sind die entscheidenden Unterschiede zwischen einem stationären und einem mobilen Gas-motor?Das Besondere am mobilen Einsatz von Gas-motoren ist, dass der Motor wie der Diesel-motor auch, den transienten Betrieb im gesamten Kennfeld nutzt. Wir betreiben unsere heutigen Gasmotoren ja nur stationär und mit einer festen Drehzahl.

> Wie schätzen Sie die Zukunft von biogenen Kraftstoffen ein?Ich glaube nicht, dass sich reiner Biodiesel als Hauptkraftstoff für Motoren durchsetzen wird. Beim Biodiesel der ersten Generation stehen Aufwand und die Ausbeute in keinem Zusam-menhang. Um genug Biodiesel zu produzie-ren, müssten ein großer Teil der Ackerflächen der Erde mit Mais oder Soja bepflanzt werden, und diese Flächen werden nun mal zur Ernäh-rung der Weltbevölkerung benötigt. Bei Bio-diesel der zweiten Generation besteht diese Problematik zwar nicht mehr, denn er wird aus kompletten Pflanzen oder aus Bioabfall herge-stellt. Doch die Verfahren sind sehr komplex und teuer und werden es schwer haben, sich durchzusetzen. Anders sieht es beim Etha-nol aus. Das wird beispielsweise in Brasilien relativ kostengünstig aus Zuckerrohr herge-stellt und ist ausreichend vorhanden. Zur Zeit wird Ethanol in Großmotoren nicht eingesetzt, doch ich gehe davon aus, dass sich das än-dern kann.

> Welche Folgen haben biogene Kraftstoffe für die innermotorischen Systeme von MTU-Dieselmotoren?Biodiesel der zweiten Generation verbrennt zum Teil sauberer als mineralischer Kraftstoff, von daher entstehen für den Motor keine Pro-bleme. Beimischungen von sieben Prozent Biodiesel zum Kraftstoff sind heute die Norm.

„Wir können auf den Verbren-nungsmotor nicht verzichten“

> Ethanol ist vor allem in Südamerika erhältlich, Biodiesel in Europa – bei der Kraftstoffverfügbarkeit gibt es große regionale Unterschiede. Muss MTU bald für jeden Kontinent einen anderen Motor anbieten?Wir werden Motoren für Regionen anbieten, die einen spezifischen Kraftstoff zur Verfü-gung stellen. Unsere Baureihe 1600 soll ohne grundlegende Veränderungen am Motor mit anderem Kraftstoff betrieben werden können. Wir haben einen Grundmotor, der über die Kraftstoffzuführung variiert wird. Er bekommt zusätzlich eine Ethanol- oder Benzineinspritz-ung zur Dieseleinspritzung.

> Sie haben sich ihr ganzes Berufsleben lang mit Dieselmotoren beschäftigt. Wie bitter war für Sie die Erkenntnis, dass Diesel nicht der Roh-Kraftstoff der Zu-kunft ist?Nun, die Erkenntnis ist nicht ganz neu. Als ich 1977 meine erste Studienarbeit geschrieben habe, habe ich schon den Satz übernommen, dass die Ölreserven nur noch die nächsten 30 Jahre ausreichen werden. 2007 wäre demnach Schluss gewesen. Jetzt reden wir immer noch von 30 Jahren. Mein Sohn stu-diert Antriebstechnik und ich gehe davon aus, dass auch er und seine Generation noch viel Nutzen aus dem Verbrennungsmotor ziehen werden. Die Glorifizierung des Elektromo-tors der letzten Jahre hat mir da schon mehr Bauchschmerzen bereitet. Doch die Eupho-rie verfliegt langsam und es setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir auf den Verbren-nungsmotor in den nächsten Jahrzehnten nicht verzichten können.

zu 2.500 Bar, eine sehr aufwändige Aufl adung und ein weiteres Finetuning aller Komponen-ten. Bei Gasmotoren ist der Aufwand, die Schad stoffgrenzwerte einzuhalten, wesent lich geringer. Wenn dann noch die Kraftstoff preise signifikant geringer sind als beim Diesel motor, spricht einiges für Gasmotoren.

> Bi-Fuel-Motoren, Dual-Fuel-Motoren, reine Gasmotoren – es gibt viele Möglich-keiten und Variationen, Verbrennungsmo-toren mit alternativen Kraftstoffen zu betreiben. An welchen Motoren arbeiten Sie derzeit konkret?Wir arbeiten sowohl an reinen Gasmotoren als auch an Bi- und Dual-Fuel-Motoren, die mit verschiedenen Kraftstoffen betrieben werden können. Stationäre Erd- und Biogas-motoren haben wir schon länger im Portfolio. Und wir erproben gerade einen Motor unserer Baureihe 1600 auf dem Prüfstand, der mit Ethanol betrieben wird und eine teilhomo-gene Verbrennung mit kontrollierter Zündung ermöglicht, hierzu wird eine geringe Menge Dieselkraftstoff eingespritzt.

> Wie viel Prozent der Tognum-Entwick-lungskapazitäten verwenden Sie für Die-selmotoren und wie viel für Motoren, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden können?Ganz grob verwenden wir heute 80 Prozent unserer Kapazität für den Diesel- und 20 Pro-zent für Gas- und Ethanol-Motoren. Ich gehe aber davon aus, dass sich diese Verteilung in den nächsten Jahren in Richtung 50/50 ent-wickeln wird.

> Dr. Dohle, das Zeitalter der fossilen Kraftstoffe ist zwar noch lange nicht vorüber, wohl aber das des billigen Öls. Was bedeutet das für MTU als Hersteller von Dieselmotoren?Zunächst einmal bedeutet das auf keinen Fall das Ende des Dieselmotors, da schließe ich mich dem an, was Professor Spicher gesagt hat. Den Dieselmotor wird es weiter geben, doch einige unserer Kunden werden Alterna-tiven suchen. Die Gasvorkommen beispiels-weise sind riesig und es wird der Zeitpunkt kommen, an dem Gas als Kraftstoff wirtschaft-licher sein wird als Diesel. Wir werden dann auch Gasmotoren in ähnlicher Anwendungs-breite, wie heute Dieselmotoren zur Verfügung stellen. Sehr interessant ist der Gasmotor sicherlich für die Schifffahrt. Ab dem Jahr 2016 gelten hier besonders in den küsten-nahen Bereichen Emissionsgrenzwerte, die mit dem Dieselmotor nur mit sehr viel Aufwand eingehalten werden können. Hier ist es sicher-lich sinnvoll, Gasmotoren einzusetzen.

> Welche Möglichkeiten sehen Sie noch, den Wirkungsgrad von MTU-Antriebssys-temen zu steigern, so dass diese nicht nur weniger Schadstoffemissionen erzeugen, sondern auch weniger Kraftstoff benötigen?Der Dieselmotor hat sicherlich noch Reserven. Wir haben im letzten Jahrzehnt intensiv daran gearbeitet, unsere Motoren sauberer und spar-samer zu machen. Das ist uns auch gelungen. Die neue Motorengeneration unserer Baurei-hen 2000 und 4000 halten die kommenden Emissionsstufe Tier 4 final ein, ohne dass sie eine Abgasnachbehandlungsanlage benöti-gen. Dabei haben wir es sogar geschafft, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Diese beiden Ziele schließen sich eigentlich aus. Unsere Entwickler haben hier sehr gut gearbeitet und ich denke, ein paar Wirkungsgradpunkte sind noch rauszuholen. Doch der Aufwand dafür ist groß: Die Motoren benötigen eine gekühlte Ab-gasrückführung, hohe Einspritzdrücke von bis

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Dr. Ulrich Dohle, Tognum-Technikvorstand

Dr. Ulrich Dohle ist stellvertretender Vorstandsvor-sitzender der Tognum AG und leitet das Ressort Technology & Operations. Er studierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen Maschinenbau mit Schwerpunkt Ver-brennungsmotoren und promovierte auf dem Gebiet der stationären Verbrennung. Von 1984 bis 2009 war er bei der Stuttgarter Robert Bosch GmbH tätig. Seit 1998 der Geschäftsleitung ange-hörend, verantwortete Dr. Dohle bis zu seinem Einstieg bei Tognum als Vorsitzender des Bereichs-vorstands den größten Bosch-Geschäftsbereich Diesel Systems.

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„LNG ist der Schiffskraft-stoff der Zukunft“

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Paul Melles, Managing Director Reederei Doeksen

Paul Melles ist, mit nur einer kleinen Unter-brechung, seit 25 Jahren bei der Reederei Doeksen tätig. Er war technischer Manager, als er im Jahr 1999 für zwei Jahre technischer Direktor der Hol-ding Koninklijke Doeksen BV wurde. Im Jahr 2001 kehrte er als Managing Director zu Doeksen zurück. Seine Reederei fährt mit insgesamt sechs Schiffen die niederländischen Nordseeinseln Terschelling und Vlieland an.

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> Was macht Sie so sicher, dass LNG für Schiffe der richtige Kraftstoff ist?Dafür gibt es mehrere Gründe. Punkt 1: Gas ist sicherlich noch viel länger verfügbar als erdölbasierte Kraftstoffe. Punkt 2: Mit LNG-angetriebenen Motoren erreichen Sie die Emissionsgrenzwerte, die Dieselmotoren nur mit einem aufwändigen Abgasnachbehand-lungssystem schaffen können. Wir sprechen hier von 95 Prozent weniger Stickoxiden und Rußpartikeln, die ausgestoßen werden. Und wenn im Jahr 2015 die ersten „Umweltzo-nen“ (ECAs) in der Nordsee eingerichtet wer-den, dann werden keine Schiffe mehr in den küsten nahen Bereichen fahren dürfen, die die-se Emissionsgrenzwerte nicht erfüllen. Dann habe ich also die Wahl zwischen einem Die-selmotor mit aufwändigem Abgasnachbehand-lungssystem oder einem LNG-Motor. Punkt 3 betrifft die Lärmemissionen. LNG-Motoren lau-fen wesentlich leiser als Dieselmotoren. Ge-rade auf Passagierfähren ist das ein wichtiger Punkt. Und noch etwas ist mir wichtig: Wenn wir erst mal ein funktionierendes LNG-System an Bord haben, können wir dies auch mit Bio-gas betreiben, und dann haben wir eine kom-plett klimaneutral angetriebene Fähre. Das ist unser Ziel.

> Ist LNG auch wirtschaftlich interessant?Das kommt drauf an, womit man ihn vergleicht. Zur Zeit ist er günstiger als sauberer Diesel-kraftstoff, aber teurer als Schweröl. Wie sich die Preise entwickeln werden, weiß natürlich keiner. Eigentlich kann man davon ausgehen, dass der LNG-Preis im Vergleich zum Diesel-preis sinken wird, denn Öl wird in Zukunft immer aufwändiger, und daher teurer zu för-dern sein. Doch so genau werden das nur die wissen, die den Kraftstoff anbieten, und ich kenne deren Pläne ja nicht.

> Können Sie sich LNG als Kraftstoff für Luxus-Yachten vorstellen?Sicherlich, warum denn nicht? Auch die Yacht-besitzer mögen keinen Rauch und wollen mit ihren Yachten in küstennahen Gebieten fah-ren. Und wenn diese zu den ECAs gehören, gelten auch dort bald die wesentlich strenge-ren Emissionsgrenzwerte. Doch LNG ist längst nicht nur ein Kraftstoff für Schiffe. In den Nie-derlanden gibt es schon Lkw, die mit LNG betrieben werden. Und je mehr Fahrzeuge mit LNG angetrieben werden, desto besser wird sich die Infrastruktur entwickeln.

> Herr Melles, alle Ihre Fähren werden bisher mit Diesel betrieben. Warum soll das nicht so bleiben?Wir haben uns schon im Jahr 2000, als in Norwegen die erste mit LNG angetriebene Fähre fuhr, für das Thema interessiert. Damals haben wir geplant, eine neue Fähre zu kaufen und wollten in eine fortschrittliche Technologie investieren. Doch leider war die Verfügbarkeit von LNG noch sehr schlecht und die Behör-den in den Niederlanden haben zu dieser Zeit auch nichts getan, das zu ändern. Also haben wir uns im Jahr 2003 von dem Konzept ver-abschiedet. Doch wir haben nie aufgehört, uns für LNG zu interessieren. Da wir jetzt wie-der eine neue Fähre brauchen, wollen wir das Thema noch einmal angehen. Die Fähre soll sehr umweltfreundlich sein: Aus Aluminium gebaut, den Strom für den Hotelbetrieb wollen wir zum Teil mit Sonnenkollektoren herstellen. Ende des Jahres wollen wir das Konzept fertig haben, so dass wir im nächsten Jahr die Aus-schreibung beginnen können.

> Ist denn die Verfügbarkeit von LNG-Kraftstoff jetzt gewährleistet?Nun, sie ist sicherlich noch nicht optimal. Bei unserem ersten Versuch im Jahr 2000 hätten wir den Kraftstoff aus Portugal oder aus Nor-wegen beschaffen müssen, jetzt gibt es ihn immerhin schon in Zeebrugge und im nächs-ten Jahr wohl auch in Rotterdam. Das ist zwar noch nicht ideal, aber es reicht für den An-fang. Die Schiffsindustrie ist eher konservativ, jeder möchte, dass die Technologie garan-tiert funktioniert, keiner will der erste sein, der etwas neues ausprobiert. Aber solange keiner auf LNG setzt, wird auch keiner investieren, die Infrastruktur auszubauen. Da ich mir aber sicher bin, dass LNG der Schiffskraftstoff der Zukunft ist, wollen wir mit unserer Reederei jetzt diesen Schritt gehen. Wir wollen unsere Erfahrungen und Daten der Industrie zur Verfü-gung stellen und mit unseren hoffentlich guten Erfahrungen weitere Schiffsbetreiber davon überzeugen, ihre Flotte mit LNG anzutreiben.

„Ottomotor mit Diesel-Zündung“

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Sowohl bei MTU als auch im Karlsruher Institut für Kol-benmaschinen wird derzeit ein MTU-Dual-Fuel-Motor getestet.

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Dr. Philippe Gorse, MTU-Teamleiter für die Entwicklung neuer Motorkonzepte

Seit 2009 ist Dr. Philippe Gorse Teamleiter in der MTU-Vorentwicklung und verantwortet die Ent-wicklung neuer Motorkonzepte. Zuvor arbeitete er zwei Jahre lang als Projektleiter in der Vorentwick-lung. Im Jahr 2001 schloss er an der Universität Karlsruhe sein Maschinenbau-Studium ab. In der Folge promovierte er dort und war zudem wissen-schaftlicher Mitarbeiter.

MTU Report 02/12 I 1312 I MTU Report 02/12

Ottomotoren im Off-Highway-Bereich: Das schien sich bisher auszuschließen. Doch der steigende Ölpreis und die immer hö-here Verfügbarkeit synthetischer und biogener Ottokraftstoffe lässt diese Grenze fallen. MTU testet derzeit gemeinsam mit dem Karlsruher Institute of Technology einen Ottomotor, der wirtschaftlich be-trieben werden kann und zudem die Emissionsgrenzwerte der Stufe 4 rein innermotorisch erfüllt. Die Basis ist ein Industrie motor der MTU-Dieselmotoren-baureihe 1600. Doch Diesel wird lediglich zur Zündung benötigt. Der Motor wird hauptsächlich mit Ethanol oder Benzin betrieben. Der Vorteil: Das Gemisch aus Ethanol und Luft ist sehr homogen, wo-durch bei der Verbrennung wesentlich weniger Stickoxide und Rußpartikel ent-stehen als beim konventionellen Diesel-motor. Derzeit werden zwei Prototypen auf Prüfständen getestet.

> Wie kommt ein Hersteller von Diesel-motoren auf die Idee, einen Ottomotor zu entwickeln?Da gibt es mehrere Gründe. Dieselmotoren sind zwar heute sehr sauber und stoßen kaum noch Schadstoffemissionen aus, doch um die-se Werte zu erreichen, werden sie immer kom-plexer. Zudem deutet sich bereits an, dass je

> Was sind die größten Änderungen am Motor im Vergleich zum konventionellen Dieselmotor?Zum einen natürlich die Einspritzung. Neben Diesel müssen wir nun auch Ethanol, bzw. Benzin in den Brennraum bringen. Dies ge-schieht durch eine Einspritzung in das Lade-luftrohr des Motors – der Kraftstoff gelangt dann mit der angesaugten Luft in den Zylinder. Um zu verhindern, dass diese Ottokraftstoffe sich unkontrolliert und zu früh entzünden, mussten wir den Sauerstoffgehalt im Brenn-raum absenken. Dies erreichen wir mit einer sehr hohen Abgasrückführrate von bis zu 60 Prozent. Zum Vergleich: Beim unserem Tier 4 final-Dieselmotor der Baureihe 4000 liegt die-se bei 30 bis 40 Prozent. Um diese hohe Ab-gasrückführrate zu erreichen und gleichzeitig noch eine hohe Motorleistung zu realisieren, benötigen wir wiederum viel Luft im Brenn-raum. Dazu haben wir eine spezielle zweistu-fig geregelte Aufladung mit Zwischenkühlung entwickelt.

> Wie hoch ist der Diesel- und wie hoch der Ethanolanteil?Das kommt auf den Betriebspunkt an. Wir haben einen Regler entwickelt, der das Kraft-stoffverhältnis in Abhängigkeit von Leistung und Drehzahl exakt berechnet. Bei niedrigen Leistungen benötigen wir mit bis zu 25 Pro-zent den höchsten Dieselanteil. Mit steigender Leistung nimmt der Dieselgehalt jedoch ab, bei Nennleistung liegt er nur noch bei etwa fünf Prozent.

> Ziel war es, dass der Motor die Emissi-onsgrenzwerte der Stufe 4 final ohne den Einsatz einer Abgasnachbehandlungsanla-ge erreicht. Haben Sie das Ziel erreicht?Ja, das haben wir. Auch wenn dieser Motor nicht als Serienlösung für die Stufe Tier 4 fi-nal geplant ist, emittiert er 93 Prozent weniger Stickoxide und 40 Prozent weniger Rußparti-kel als die nordamerikanische Gesetzgebung ab 2014 in dieser Leistungsklasse fordert. Auf eine SCR-Anlage können wir daher auf jeden Fall auch zukünftig verzichten. Die HC- und CO-Emissionen sind zwar etwas höher als beim Dieselmotor, doch die können wir mit einem einfachen Oxidations katalysator redu-zieren.

> Sie testen das Brennverfahren derzeit an einem MTU-Motor der Baureihe 1600. Ist es denkbar, das Verfahren auf leistungs-stärkere Motoren zu übertragen?Ich denke ja. Mit dem 1600er-Motor möchten wir zunächst zeigen, dass das Verfahren funk-tioniert. Wir betrachten diesen Motor als einen Versuchsmotor, an dem wir die Technologien entwickeln und testen können, die wir für die Motoren der Zukunft benötigen. Wenn das Brennverfahren an diesem Motor läuft, werden wir prüfen, ob wir es auch auf andere Motoren übertragen können. Zunächst liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns, dieses neue Brennverfahren serienreif zu machen.

nach Region Benzin bzw. Ethanol im Verhältnis zum Diesel günstiger und damit auch für Off-Highway-Fahrzeuge wirtschaftlich interessant wird. Ethanol ist wie Benzin ein Ottokraftstoff. Er wird aus Pflanzen, wie z.B. Zuckerrohr oder Mais, hergestellt. Dadurch dass die Pflanzen als Rohstoff genutzt werden, kann bei der Ver-brennung im Motor auch der globale Ausstoß von Treibhausgasen reduziert werden. Gera-de in Nord- und Südamerika ist der Kraftstoff schon weit verbreitet, allerdings für On-High-way-Fahrzeuge. Im Off-Highway-Bereich spielt Ethanol dagegen noch fast keine Rolle. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es noch keinen geeigneten Motor gibt. Doch das wollen wir ändern.

> Kann der Motor nur mit Ethanol, oder auch mit Benzin betrieben werden?Unser Ziel ist es, einen Motor zu entwickeln, der sowohl mit Benzin als auch mit Ethanol betrieben werden kann. Langfristig ist sogar die Nutzung von Erdgas denkbar. Um eine sol-che Kraftstoffflexibilität anbieten zu können, ist noch eine Menge an Entwicklungsarbeit am Kraftstoffsystem, dem Brennverfahren und der Regelung des Motors erforderlich.

Mehrdazu...Prof. Dr. Ulrich Spicher und Dr. Philippe Gorse erklären den Dual-Fuel-Motor. Ohne QR-Code-Reader unter http://bit.ly/MmMcrZ

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Text und Interviews: Lucie DammannBilder: Robert Hack