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Könnte ein Roboter meinen Job erledigen? Bis 2035 sollen 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, aber genauso viele entstehen. Foto: dpa S ind Sie Lehrer oder Physiothera- peut? Falls ja, dann herzlichen Glückwunsch! Ihr Beruf ist momen- tan gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang durch Maschinen ersetzbar. Prä- dikat: digitalresistent. Beim Beruf des Kas- sierers sieht das anders aus. Die Aufgaben können bereits heute zu 100 Prozent von einer Maschine erledigt werden. Wer sei- nen Arbeitsplatz auf Zukunftsfähigkeit testen will, kann das mit Hilfe des soge- nannten Job-Futuromats machen. Nach Eingabe des Berufs folgt die Einschätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs- forschung (IAB) aus Nürnberg, welches das Online-Tool entwickelte. Die Welt verändert sich rasant, die Di- gitalisierung hält Einzug in alle Lebensbe- reiche. Auch die Bundesregierung hat das erkannt und schreibt sich nach einer Digi- talklausur in dieser Woche das Thema Künstliche Intelligenz auf die Fahnen. Der Wandel trifft den Arbeitsmarkt. Roboter und Algorithmen können immer öfter un- seren Job übernehmen. Die Arbeitsfor- scher vom IAB schätzen: Ein Viertel der so- zialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland arbeiten in Berufen, in de- nen mindestens 70 Prozent der Tätigkei- ten von Computern oder computerge- steuerten Maschinen erledigt werden könnten. Das Institut betont, dass das ei- ne Momentaufnahme sei. Man könne nicht genau sagen, welche Berufe künftig wegfallen werden. Aber: Für Tätigkeiten, die heute schon zu einem hohen Maß er- setzt werden können, sieht die Prognose nicht rosig aus. Der Philosoph Richard David Precht – bekannt aus diversen TV-Auftritten – macht pessimistische Vorhersagen: Etwa die Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze in der westlichen Welt könnten schon 2030 nicht mehr existieren. Precht bezieht sich dabei auf eine US-Studie aus dem Jahr 2013. Harald Hagemann, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler an der Univer- sität Hohenheim, warnt vor „Horroszena- rien“. „Es ist sicher, dass Jobs wegfallen werden“, sagt der Professor. Unklar sei aber, wie viele, welche genau und wann. „Viele Schätzungen beziehen sich auf eine US-Studie, die viele Faktoren nicht be- rücksichtigt“, kritisiert er. Beispielsweise entstünden durch die Digitalisierung auch viele neue Jobs. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Be- rufsforschung schätzt, dass es bis zum Jahr 2035 durch den technologischen Wandel 1,5 Millionen Arbeitsplätze nicht mehr geben wird, gleichzeitig aber etwa genau- so viele Jobs neu entstehen. Die Gefahr, dass die menschliche Arbeitskraft an den Rand gedrängt wird, sieht Joachim Möller, Leiter des IAB, nicht. So schrieb er in einer Kolumne im Spiegel: „Mir erscheint realis- tischer, dass der Mensch die Kon- trolle über die Produktion behält und die intelligente Technik ihm zuarbeitet. Der Mensch wird von monotonen, körperlich anstren- genden Tätigkeiten entlastet und erhält die Möglichkeit, seine Krea- tivität stärker einzubringen.“ Was sicher ist: Es finden Um- wälzungen statt. Und laut den Forschern des IAB aufgrund der hohen industriellen Konzentration vor allem im Südwesten. „Für Baden-Württemberg ergeben sich die größten Umwälzungen. Im Jahr 2035 wer- den dort aufgrund der Digitalisierung rund 210 000 Arbeitsplätze weggefallen sein. Gleichzeitig werden rund 200 000 neue Arbeitsplätze entstehen“, so die Ar- beitsforscher. Insgesamt sind damit in Ba- den-Württemberg knapp sieben Prozent aller Arbeitsplätze von der Digitalisierung betroffen. Generell gilt: In Fertigungs- und Fertigungstechnischen Berufen ist die Gefahr der Ersetzbarkeit höher als in den sozialen und kulturellen Dienstleis- tungsberufen. „Immer dann, wenn wir kreative Fähigkeiten brauchen, ist der Mensch im Vorteil gegenüber Maschi- nen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Ha- gemann. Vor allem Routinetätigkeiten seien gefährdet. Die Digitalisierung be- droht aber nicht nur die Jobs von Men- schen ohne Ausbildung. „Es wird auch mittlere Qualifizierte treffen.“ Bislang ist noch kein humanoider Ro- boter marktreif, deshalb hat diese Ent- wicklung laut IAB noch keine Folgen für den Arbeitsmarkt. Allerdings gibt es Fort- schritte bei kollaborativen, mobilen Ro- botern. Tätigkeiten, die bisher als nicht er- setzbar galten, können nun von diesen Helfern übernommen werden. Zum Bei- spiel das Kommissionieren im Lager. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzt auf Weiterbildung. „Es geht da- rum, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, bevor sie entsteht“, sagt der Minister im Rah- men der Digitalklausur. „Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, es wird aber andere Arbeit sein.“ Die entscheidenden Stell- schrauben seien die Qualifizierung und die Weiterbildung. Die IHK Region Stuttgart will dabei un- terstützen: „Auch in der Wirtschaft 4.0 ist gut qualifiziertes Personal entscheidend für den Erfolg. Die IHK bringt sich dabei ein, wenn die Inhalte der betrieblichen Aus- und Weiterbildung immer wieder an- gepasst werden, damit sie mit der Verän- derung der Arbeitswelt Schritt halten“, sagt Präsidentin Marjoke Breuning. Es steigt der Bedarf an Fachkräften im Be- reich Informatik, zudem entstehen neue Ausbildungsberufe. Susanne Kunschert, geschäftsführende Gesellschafterin des Automatisierungsspezialisten Pilz aus Ostfildern, hat im September zwei junge Menschen für die neue Ausbildung „Fach- informatiker – Systemintegration“ einge- stellt. Der praktische Teil findet nicht nur in der IT-Abteilung statt, sondern auch im Controlling, Qualitätsmanagement und Vertrieb. Kunschert betont: „Die Digitali- sierung funktioniert nur dann, wenn in- terdisziplinär gedacht und gehandelt wird. So müssen die IT-Administratoren stärker in Fertigungsprozessen und wirt- schaftlichen Zusammenhängen denken. Die Fertigungstechnik wiederum muss den Wert digitaler Daten kennen.“ Kun- schert ist sich sicher: „Industrie 4.0 bedeu- tet nicht nur einen Technologie- sondern auch einen Kulturwandel in allen Unter- nehmensbereichen.“ Bei Pilz hat man dafür ein neues Team ge- schaffen, dass die Aufgabe hat, Zu- kunftsthemen wie Mensch-Robo- ter-Kollaboration zu bewerten. Der Hohenheimer Professor Hagemann sieht durch den Pro- duktivitätszuwachs durch Ma- schinen angenehme Effekte für die Arbeitnehmer: „Es kann zu Arbeits- zeitverkürzungen kommen.“ Technische Revolutionen gab es in der Menschheits- geschichte bereits einige. „In der Vergan- genheit sind neue Märkte und Jobs ent- standen, die Verluste durch Fortschritt auffangen konnten“, sagt Hagemann. „Man muss beim Übergang aber die Frage der Verteilung im Blick behalten. Es darf nicht zu viele Verlierer geben.“ Das sei de- mokratiegefährdend. E Wer seinen Beruf auf „Digitalresistenz“ testen will, kann das tun unter: https:// job-futuromat.iab.de „Es ist sicher, dass Jobs wegfallen“ Der Südwesten ist von den Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung besonders betroffen Von Sabrina Erben » Industrie 4.0 bedeutet nicht nur einen Technologie-, sondern auch einen Kultur- wandel in allen Bereichen. Susanne Kunschert « Inflation in der Eurozone steigt Luxemburg  ˉ In der Eurozone ist die Inflation im Oktober den zweiten Mo- nat in Folge gestiegen und hat den höchsten Wert seit fast sechs Jahren er- reicht. Die nach europäischen Stan- dards berechneten Verbraucherpreise seien um 2,2 Prozent zum Vorjahres- monat gestiegen, teilte das Statistikamt Eurostat in Luxemburg mit. Im ge- meinsamen Währungsraum ist die Teu- erung damit so stark wie seit Dezember 2012 nicht mehr. Im September hatte die Jahresinflationsrate noch bei 2,1 Prozent gelegen und im August bei 2,0 Prozent. Ohne die schwankungsanfäl- ligen Preise für Energie sowie Lebens- und Genussmittel fiel die Teuerung im Oktober deutlich schwächer aus. Die sogenannte Kernrate stieg aber von 0,9 Prozent im Vormonat auf 1,1 Prozent. Mit 2,2 Prozent liegt die Gesamtinflati- on über dem Zielwert der EZB.  (dpa) E ZB-Präsident Mario Draghi hat trotz der Schuldenkrise Italiens, der Brexit- Turbulenzen und schwächerer Wirt- schaftsdaten die Furcht vor einem Wachs- tumseinbruch gedämpft. „Es gibt sicher keinen Grund, warum das Wachstum im Euroraum abrupt enden sollte“, sagte er am Freitag während einer Bankenkonfe- renz in Frankfurt. Der in Deutschland we- gen seiner Nullzins-Politik umstrittene EZB-Präsident sieht für die Politik aber kei- nen Grund sich auszuruhen – im Gegen- teil. Er mahnte einheitliche Regeln für Banken und Kapitalmärkte an. „Die Voll- endung der Bankenunion in all ihren Di- mensionen, einschließlich der Risikomin- derung, und der Beginn der Kapitalmarkt- union durch die Umsetzung aller laufen- den Initiativen bis 2019 sind jetzt so drin- gend wie die ersten Schritte im Krisenma- nagement des Euro-Währungsgebiets vor sieben Jahren“, sagte er. In einer Kapital- marktunion liege die beste Antwort auf die Bedrohungen, denen sich die Wäh- rungsunion ausgesetzt sehe. „Darauf gibt es nur eine Antwort: Mehr Europa“. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sieht dies wie Draghi. „Einer der Haupt- gründe, warum Europa hinterherhinkt, ist Fragmentierung“, sagte Sewing. „Ameri- kanische Banken haben einen riesigen Heimatmarkt, während europäische Ban- ken es mit 27 oder 28 nationalen Märkten mit inkonsistenter Regulierung und ver- schiedenen Strukturen zu tun haben.“ Deshalb müsse die Bankenunion be- schleunigt und das Konzept einer Kapital- marktunion wiederbelebt werden. Ein- heitlichere Kapitalmarktregeln stehen be- reits seit Längerem auf der politischen Agenda der Europäischen Kommission. Mit der Kapitalmarktunion will die Kom- mission neue Finanzierungsquellen für Unternehmen erschließen, die Kosten der Kapitalaufnahme senken und das Ange- bot für Sparer in der EU erweitern. Zur Konjunktur sagte Draghi weiter, ei- ne graduelle Verlangsamung des Wachs- tums sei normal, wenn der Konjunkturzy- klus reife und sich das Wachstum seinem langfristigen Potenzial annähere. Aller- dings sei die Wachstumsphase im Euro- raum noch relativ kurz und gering in ih- rem Ausmaß. Seit 1975 hätten Auf- schwünge im Gebiet des Euroraums durchschnittlich acht Jahre angehalten und eine Steigerung der Wirtschaftsleis- tung um 21 Prozent bewirkt. Der gegen- wärtige Aufschwung dauere erst fünfein- halb Jahre an mit einem Zugewinn an Wirtschaftskraft um zehn Prozent. Draghi dämpft Wachstumssorgen Der Präsident der Europäischen Zentralbank fordert Kapitalmarktunion Von unseren Korrespondenten Ford-Tochter sammelt Geld ein London/Dearborn  ˉ Im Wettrennen um die Entwicklung selbstfahrender Autos will die Ford-Tochter Argo Milli- arden Dollar von Investoren und von anderen Autobauern einsammeln. „Wir sprechen definitiv mit anderen möglichen Kunden, Autoherstellern, und wir sprechen mit mehr als einem“, sagte Argo-Chef Bryan Salesky im Inter- view der „Financial Times“. Der Auto- bauer will den Rückstand auf den US- Rivalen General Motors aufholen, der 2019 mit seiner Marke Cruise eine weit- gehend selbstfahrende Flotte auf den Markt bringen will. Ford hat das mit Ar- go im großen Stil für 2021 im Sinn und steckte dafür eine Milliarde Dollar in die 2017 übernommene Firma. Die Google-Schwesterfirma Waymo gilt als führend im Bereich autonomes Fahren und will in den kommenden Monaten an den Start gehen.  (dpa) VW: 44 Milliarden fließen in E-Autos und Digitalisierung Von Thomas Strünkelnberg Wolfsburg  ˉ Volkswagen setzt noch entschlossener auf E-Autos als bisher: Der Autobauer stockt seine Investitio- nen in Elektromobilität, autonomes Fahren und Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren auf knapp 44 Milliarden Euro auf. Dies entspreche ei- nem Drittel der Gesamtausgaben im Planungszeitraum 2019 bis 2023, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch am Freitag in Wolfsburg nach Beratun- gen der VW-Kontrolleure. Für die bis- lang letzte Fünf-Jahres-Periode hatte die Summe noch 34 Milliarden Euro be- tragen. „Wir machen Tempo bei den Zukunftstechnologien und beim not- wendigen Umbau unserer Werke“, be- tonte Konzernchef Herbert Diess. 30 der 44 Milliarden Euro für Zukunfts- technologien seien für die Elektromo- bilität bestimmt. Die Abgas-Affäre und die Krise des Dieselmotors machen Investitionen für VW allerdings zu einem Kraftakt. Allein die Beilegung der Abgasaffäre hat den Konzern bisher gut 27 Milliar- den Euro gekostet. Diess räumte zudem ein, dass die Ertragskraft im Automobil- geschäft mit dem Wandel vom Ver- brennungsmotor zum E-Auto zunächst abnehme. Jüngst hatte der Konzern- chef davor gewarnt, dass die E-Strategie teurer werden könnte als geplant. Man habe sich das Ziel gesetzt, das Innovati- onstempo zu erhöhen. Geprüft werde auch die Beteiligung an einer Batterie- zellfertigung. Diese Prüfung sei jetzt „sehr viel konkreter“. 2019 fährt die Produktion hoch In der im Sommer bekanntgewordenen geplanten Partnerschaft mit Ford bei den leichten Nutzfahrzeugen sieht Diess eine Chance, den Pickup Amarok „profitabel“ fortzuführen. Eine Kapi- talbeteiligung oder komplette Fusion sei „nie Ziel der Gespräche“ gewesen. Ab Ende 2019 will VW die Produktion von E-Autos hochfahren – dann rollt das erste rein elektrische Modell der ID- Familie in Zwickau vom Band. Bis 2025 wollen die Marken des Autobauers zu- nächst 50 neue vollelektrische Modelle an den Start bringen. Künftig sollen auch an den beiden VW-Standorten Hannover und Emden E-Autos gebaut werden. Der bisher in Emden gefertigte Passat wird dann nach Tschechien zu Skoda verlagert. Auch will VW einen E- Kleinwagen für unter 20 000 Euro auf den Markt bringen, der neben Limousi- nen mehrerer Marken in Emden gefer- tigt werden soll. In Hannover soll der elektrische Kleinbus ID Buzz entstehen, aber auch der „Bulli“ wird weiter dort gebaut. Zu- sätzlich soll dort laut Konzernbetriebs- rat ein großes Elektrofahrzeug vom Band rollen. IG-Metall-Chef Jörg Hof- mann erklärte, es sei richtig, dass VW „entschlossen die Elektrifizierung des Antriebs angeht“. Der Wandel werde aber von den Beschäftigten „nur dann positiv begleitet, wenn dabei niemand auf der Strecke bleibt“. 9 Cannstatter/Untertürkheimer Zeitung Samstag/Sonntag, 17./18. November 2018 WIRTSCHAFT

WIRTSCHAFT - Sabrina Erbensabrinaerben.com/wp-content/uploads/2019/03/... · 2019. 3. 11. · Controlling, Qualittsmanagement und Vertrieb. Kunschert betont: ¹Die Digitali-sierung

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  • Könnte ein Roboter meinen Job erledigen? Bis 2035 sollen 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen, aber genauso viele entstehen. Foto: dpa

    S ind  Sie  Lehrer  oder  Physiotherapeut?  Falls  ja,  dann  herzlichenGlückwunsch! Ihr Beruf ist momentan gar nicht oder nur in sehr geringemUmfang durch Maschinen ersetzbar. Prädikat: digitalresistent. Beim Beruf des Kassierers sieht das anders aus. Die Aufgabenkönnen bereits heute zu 100 Prozent voneiner Maschine erledigt werden. Wer seinen  Arbeitsplatz  auf  Zukunftsfähigkeittesten will, kann das mit Hilfe des sogenannten  JobFuturomats  machen.  NachEingabe des Berufs folgt die Einschätzungdes Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung  (IAB)  aus  Nürnberg,  welchesdas OnlineTool entwickelte.

    Die Welt verändert sich rasant, die Digitalisierung hält Einzug in alle Lebensbereiche. Auch die Bundesregierung hat daserkannt und schreibt sich nach einer Digitalklausur  in  dieser  Woche  das  ThemaKünstliche Intelligenz auf die Fahnen. DerWandel  trifft den Arbeitsmarkt. Roboterund Algorithmen können immer öfter unseren  Job  übernehmen.  Die  Arbeitsforscher vom IAB schätzen: Ein Viertel der sozialversicherungspflichtig  Beschäftigtenin Deutschland arbeiten in Berufen, in denen mindestens 70 Prozent der Tätigkeiten  von  Computern  oder  computergesteuerten  Maschinen  erledigt  werdenkönnten. Das Institut betont, dass das eine  Momentaufnahme  sei.  Man  könnenicht genau sagen, welche Berufe künftigwegfallen werden. Aber: Für Tätigkeiten,die heute schon zu einem hohen Maß ersetzt werden können, sieht die Prognosenicht rosig aus. 

    Der Philosoph Richard David Precht –bekannt  aus  diversen  TVAuftritten  –macht pessimistische Vorhersagen: Etwadie Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze inder westlichen Welt könnten schon 2030nicht mehr existieren. Precht bezieht sich

    dabei  auf  eine  USStudie  aus  dem  Jahr2013.  Harald  Hagemann,  Wirtschaftsund Sozialwissenschaftler an der Universität Hohenheim, warnt vor „Horroszenarien“.  „Es  ist  sicher, dass  Jobs wegfallenwerden“,  sagt  der  Professor.  Unklar  seiaber, wie viele, welche genau und wann.„Viele Schätzungen beziehen sich auf eineUSStudie,  die  viele  Faktoren  nicht  berücksichtigt“,  kritisiert  er.  Beispielsweiseentstünden  durch  die  Digitalisierungauch viele neue Jobs. 

    Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung schätzt, dass es bis zum Jahr2035 durch den technologischen Wandel1,5  Millionen  Arbeitsplätze  nicht  mehrgeben wird, gleichzeitig aber etwa genauso viele Jobs neu entstehen. Die Gefahr,dass die menschliche Arbeitskraft an denRand gedrängt wird, sieht Joachim Möller,Leiter des IAB, nicht. So schrieb er in einerKolumne im Spiegel: „Mir erscheint realistischer, dass der Mensch die Kontrolle über die Produktion behältund die intelligente Technik ihmzuarbeitet. Der Mensch wird vonmonotonen,  körperlich  anstrengenden Tätigkeiten entlastet underhält die Möglichkeit, seine Kreativität stärker einzubringen.“

    Was sicher  ist: Es  finden Umwälzungen statt. Und laut den Forscherndes IAB aufgrund der hohen industriellenKonzentration vor  allem  im Südwesten.„Für BadenWürttemberg ergeben sich diegrößten Umwälzungen. Im Jahr 2035 werden  dort  aufgrund  der  Digitalisierungrund  210 000  Arbeitsplätze  weggefallensein.  Gleichzeitig  werden  rund  200 000neue Arbeitsplätze entstehen“, so die Arbeitsforscher. Insgesamt sind damit in BadenWürttemberg knapp  sieben Prozentaller Arbeitsplätze von der Digitalisierungbetroffen.  Generell  gilt:  In  Fertigungsund  Fertigungstechnischen  Berufen  istdie Gefahr der Ersetzbarkeit höher als in

    den  sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen.  „Immer  dann,  wenn  wirkreative  Fähigkeiten  brauchen,  ist  derMensch  im  Vorteil  gegenüber  Maschinen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Hagemann.  Vor  allem  Routinetätigkeitenseien  gefährdet.  Die  Digitalisierung  bedroht aber nicht nur die Jobs von Menschen  ohne  Ausbildung.  „Es  wird  auchmittlere Qualifizierte treffen.“

    Bislang ist noch kein humanoider Roboter  marktreif,  deshalb  hat  diese  Entwicklung laut IAB noch keine Folgen fürden Arbeitsmarkt. Allerdings gibt es Fortschritte bei kollaborativen, mobilen Robotern. Tätigkeiten, die bisher als nicht ersetzbar  galten,  können  nun  von  diesenHelfern übernommen werden. Zum Beispiel das Kommissionieren im Lager.

    Bundesarbeitsminister  Hubertus  Heil(SPD) setzt auf Weiterbildung. „Es geht darum, Arbeitslosigkeit zu vermeiden, bevor

    sie  entsteht“,  sagt  der  Minister  im  Rahmen der Digitalklausur. „Die Arbeit wirduns nicht ausgehen, es wird aber andereArbeit  sein.“  Die  entscheidenden  Stellschrauben  seien  die  Qualifizierung  unddie Weiterbildung. 

    Die IHK Region Stuttgart will dabei unterstützen: „Auch in der Wirtschaft 4.0 istgut  qualifiziertes  Personal  entscheidendfür den Erfolg. Die IHK bringt sich dabeiein,  wenn  die  Inhalte  der  betrieblichenAus und Weiterbildung immer wieder angepasst werden, damit sie mit der Veränderung  der  Arbeitswelt  Schritt  halten“,sagt  Präsidentin  Marjoke  Breuning.  Es

    steigt  der  Bedarf  an  Fachkräften  im  Bereich Informatik, zudem entstehen neueAusbildungsberufe.  Susanne  Kunschert,geschäftsführende  Gesellschafterin  desAutomatisierungsspezialisten  Pilz  ausOstfildern, hat im September zwei jungeMenschen für die neue Ausbildung „Fachinformatiker – Systemintegration“ eingestellt. Der praktische Teil findet nicht nurin der ITAbteilung statt, sondern auch imControlling,  Qualitätsmanagement  undVertrieb. Kunschert betont: „Die Digitalisierung funktioniert nur dann, wenn interdisziplinär  gedacht  und  gehandeltwird.  So müssen die  ITAdministratorenstärker in Fertigungsprozessen und wirtschaftlichen  Zusammenhängen  denken.Die  Fertigungstechnik  wiederum  mussden Wert digitaler Daten kennen.“ Kunschert ist sich sicher: „Industrie 4.0 bedeutet nicht nur einen Technologie sondernauch einen Kulturwandel in allen Unter

    nehmensbereichen.“ Bei Pilz hatman  dafür  ein  neues  Team  geschaffen, dass die Aufgabe hat, Zukunftsthemen wie MenschRoboterKollaboration zu bewerten.

    Der  Hohenheimer  ProfessorHagemann  sieht durch den Produktivitätszuwachs  durch  Maschinen  angenehme  Effekte  für

    die  Arbeitnehmer:  „Es  kann  zu  Arbeitszeitverkürzungen kommen.“ TechnischeRevolutionen gab es in der Menschheitsgeschichte bereits einige. „In der Vergangenheit sind neue Märkte und Jobs entstanden,  die  Verluste  durch  Fortschrittauffangen  konnten“,  sagt  Hagemann.„Man muss beim Übergang aber die Frageder Verteilung im Blick behalten. Es darfnicht zu viele Verlierer geben.“ Das sei demokratiegefährdend. 

    E Wer  seinen  Beruf  auf  „Digitalresistenz“testen will, kann das tun unter: https://jobfuturomat.iab.de

    „Es ist sicher, dass Jobs wegfallen“Der Südwesten ist von den Veränderungen der Arbeitswelt durch die Digitalisierung besonders betroffen 

    Von Sabrina Erben

    » Industrie 4.0 bedeutet nichtnur einen Technologie,sondern auch einen Kulturwandel in allen Bereichen.

    Susanne Kunschert «

    Inflation in der Eurozone steigt Luxemburg ˉ In der Eurozone ist dieInflation im Oktober den zweiten Monat  in  Folge  gestiegen  und  hat  denhöchsten Wert seit fast sechs Jahren erreicht.  Die  nach  europäischen  Standards  berechneten  Verbraucherpreiseseien um 2,2 Prozent  zum Vorjahresmonat gestiegen, teilte das StatistikamtEurostat  in  Luxemburg  mit.  Im  gemeinsamen Währungsraum ist die Teuerung damit so stark wie seit Dezember2012 nicht mehr. Im September hattedie  Jahresinflationsrate  noch  bei  2,1Prozent gelegen und im August bei 2,0Prozent. Ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie sowie Lebensund Genussmittel fiel die Teuerung imOktober  deutlich  schwächer  aus.  Diesogenannte Kernrate stieg aber von 0,9Prozent im Vormonat auf 1,1 Prozent.Mit 2,2 Prozent liegt die Gesamtinflation über dem Zielwert der EZB.   (dpa)

    E ZBPräsident Mario Draghi hat trotzder Schuldenkrise Italiens, der BrexitTurbulenzen  und  schwächerer  Wirtschaftsdaten die Furcht vor einem Wachstumseinbruch  gedämpft.  „Es  gibt  sicherkeinen Grund, warum das Wachstum imEuroraum abrupt enden sollte“, sagte eram Freitag während einer Bankenkonferenz in Frankfurt. Der in Deutschland wegen  seiner  NullzinsPolitik  umstritteneEZBPräsident sieht für die Politik aber keinen Grund sich auszuruhen – im Gegenteil.  Er  mahnte  einheitliche  Regeln  fürBanken und Kapitalmärkte an. „Die Vollendung der Bankenunion in all ihren Dimensionen, einschließlich der Risikominderung, und der Beginn der Kapitalmarktunion durch die Umsetzung aller laufenden Initiativen bis 2019 sind jetzt so drin

    gend wie die ersten Schritte im Krisenmanagement des EuroWährungsgebiets vorsieben Jahren“, sagte er. In einer Kapitalmarktunion  liege  die  beste  Antwort  aufdie  Bedrohungen,  denen  sich  die  Währungsunion ausgesetzt sehe. „Darauf gibtes nur eine Antwort: Mehr Europa“.

    DeutscheBankChef Christian Sewingsieht dies wie Draghi. „Einer der Hauptgründe, warum Europa hinterherhinkt, istFragmentierung“,  sagte  Sewing.  „Amerikanische  Banken  haben  einen  riesigenHeimatmarkt, während europäische Banken es mit 27 oder 28 nationalen Märktenmit inkonsistenter Regulierung und verschiedenen  Strukturen  zu  tun  haben.“Deshalb  müsse  die  Bankenunion  beschleunigt und das Konzept einer Kapitalmarktunion  wiederbelebt  werden.  Einheitlichere Kapitalmarktregeln stehen bereits  seit  Längerem  auf  der  politischen

    Agenda  der  Europäischen  Kommission.Mit der Kapitalmarktunion will die Kommission  neue  Finanzierungsquellen  fürUnternehmen erschließen, die Kosten derKapitalaufnahme senken und das Angebot für Sparer in der EU erweitern. 

    Zur Konjunktur sagte Draghi weiter, eine graduelle Verlangsamung des Wachstums sei normal, wenn der Konjunkturzyklus reife und sich das Wachstum seinemlangfristigen  Potenzial  annähere.  Allerdings  sei die Wachstumsphase  im Euroraum noch relativ kurz und gering in ihrem  Ausmaß.  Seit  1975  hätten  Aufschwünge  im  Gebiet  des  Euroraumsdurchschnittlich  acht  Jahre  angehaltenund eine  Steigerung der Wirtschaftsleistung um 21 Prozent bewirkt. Der gegenwärtige Aufschwung dauere erst fünfeinhalb  Jahre  an  mit  einem  Zugewinn  anWirtschaftskraft um zehn Prozent.

    Draghi dämpft Wachstumssorgen Der Präsident der Europäischen Zentralbank fordert Kapitalmarktunion 

    Von unseren Korrespondenten

    FordTochter sammelt Geld einLondon/Dearborn  ˉ  Im  Wettrennenum  die  Entwicklung  selbstfahrenderAutos will die FordTochter Argo Milliarden Dollar von Investoren und vonanderen  Autobauern  einsammeln.„Wir  sprechen  definitiv  mit  anderenmöglichen  Kunden,  Autoherstellern,und wir sprechen mit mehr als einem“,sagte ArgoChef Bryan Salesky im Interview der „Financial Times“. Der Autobauer will den Rückstand auf den USRivalen General Motors aufholen, der2019 mit seiner Marke Cruise eine weitgehend  selbstfahrende  Flotte  auf  denMarkt bringen will. Ford hat das mit Argo im großen Stil für 2021 im Sinn undsteckte dafür  eine Milliarde Dollar  indie  2017  übernommene  Firma.  DieGoogleSchwesterfirma Waymo gilt alsführend im Bereich autonomes Fahrenund will in den kommenden Monatenan den Start gehen.   (dpa)

    VW: 44 Milliarden fließen in EAutos und Digitalisierung Von Thomas Strünkelnberg

    Wolfsburg  ˉ  Volkswagen  setzt  nochentschlossener auf EAutos als bisher:Der Autobauer stockt seine Investitionen  in  Elektromobilität,  autonomesFahren  und  Digitalisierung  in  denkommenden fünf Jahren auf knapp 44Milliarden Euro auf. Dies entspreche einem  Drittel  der  Gesamtausgaben  imPlanungszeitraum 2019 bis 2023, sagteAufsichtsratschef  Hans  Dieter  Pötscham Freitag in Wolfsburg nach Beratungen der VWKontrolleure. Für die bislang  letzte  FünfJahresPeriode  hattedie Summe noch 34 Milliarden Euro betragen.  „Wir  machen  Tempo  bei  denZukunftstechnologien  und  beim  notwendigen Umbau unserer Werke“, betonte  Konzernchef  Herbert  Diess.  30der  44  Milliarden  Euro  für  Zukunftstechnologien seien für die Elektromobilität bestimmt. 

    Die AbgasAffäre und die Krise desDieselmotors  machen  Investitionenfür  VW  allerdings  zu  einem  Kraftakt.Allein  die  Beilegung  der  Abgasaffärehat den Konzern bisher gut 27 Milliarden Euro gekostet. Diess räumte zudemein, dass die Ertragskraft im Automobilgeschäft  mit  dem  Wandel  vom  Verbrennungsmotor zum EAuto zunächstabnehme.  Jüngst  hatte  der  Konzernchef davor gewarnt, dass die EStrategieteurer werden könnte als geplant. Manhabe sich das Ziel gesetzt, das Innovationstempo zu erhöhen. Geprüft werdeauch die Beteiligung an einer Batteriezellfertigung.  Diese  Prüfung  sei  jetzt„sehr viel konkreter“.

    2019 fährt die Produktion hochIn der im Sommer bekanntgewordenengeplanten  Partnerschaft  mit  Ford  beiden  leichten  Nutzfahrzeugen  siehtDiess eine Chance, den Pickup Amarok„profitabel“  fortzuführen.  Eine  Kapitalbeteiligung  oder  komplette  Fusionsei „nie Ziel der Gespräche“ gewesen.Ab Ende 2019 will VW die Produktionvon EAutos hochfahren – dann rolltdas erste rein elektrische Modell der IDFamilie in Zwickau vom Band. Bis 2025wollen die Marken des Autobauers zunächst 50 neue vollelektrische Modellean  den  Start  bringen.  Künftig  sollenauch  an  den  beiden  VWStandortenHannover und Emden EAutos gebautwerden. Der bisher in Emden gefertigtePassat wird dann nach Tschechien zuSkoda verlagert. Auch will VW einen EKleinwagen für unter 20 000 Euro aufden Markt bringen, der neben Limousinen mehrerer Marken in Emden gefertigt werden soll.

    In  Hannover  soll  der  elektrischeKleinbus ID Buzz entstehen, aber auchder „Bulli“ wird weiter dort gebaut. Zusätzlich soll dort laut Konzernbetriebsrat  ein  großes  Elektrofahrzeug  vomBand rollen. IGMetallChef Jörg Hofmann erklärte, es sei richtig, dass VW„entschlossen  die  Elektrifizierung  desAntriebs  angeht“.  Der  Wandel  werdeaber von den Beschäftigten „nur dannpositiv begleitet, wenn dabei niemandauf der Strecke bleibt“. 

    9Cannstatter/Untertürkheimer Zeitung Samstag/Sonntag, 17./18. November 2018

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