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Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zukunft: …...der Studienpla¨tze in Wirtschaftsinformatik an Fachhochschulen eingerichtet wurde. An den Universita¨ten ist die Wirtschaftsinforma-tik

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Page 1: Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zukunft: …...der Studienpla¨tze in Wirtschaftsinformatik an Fachhochschulen eingerichtet wurde. An den Universita¨ten ist die Wirtschaftsinforma-tik

Universität Augsburg, D-86135 Augsburg Besucher: Universitätsstr. 12, 86159 Augsburg Telefon: +49 821 598-4801 (Fax: -4899) Universität Bayreuth, D-95440 Bayreuth Besucher: Wittelsbacherring 10, 95444 Bayreuth Telefon: +49 921 55-4710 (Fax: -844710) www.fim-rc.de

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873

Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zukunft: Welche Qualifikationsentwicklung benötigen wir in Zukunft an

Universitäten und wie können die Universitäten für diese attraktiver gemacht werden?

von

Hans Ulrich Buhl, Ulrich Faisst

2003

in: Wirtschaftsinformatik, 45, 3, 2003, p. 374-380

Page 2: Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zukunft: …...der Studienpla¨tze in Wirtschaftsinformatik an Fachhochschulen eingerichtet wurde. An den Universita¨ten ist die Wirtschaftsinforma-tik

Meinung/Dialog

In der heutigen Ausgabe der Rubrik „Mei-nung und Dialog“ mochten wir Ihnen zweiThemengebiete prasentieren:

Zunachst diskutieren Prof. Dr. Peter Fran-kenberg, Minister fur Wissenschaft, For-schung und Kunst in Baden-Wurttemberg,Dr. Jurgen Harengel, Managing Director,Leiter Direkt Brokerage & maxblue, Deut-sche Bank AG, Frankfurt, Dr. Hans-GertPenzel, Direktor, HypoVereinsbank AG,Munchen, PD Dr. Gerhard Satzger, Directorof Finance, IGS Central Region, IBMDeutschland GmbH, Stuttgart und Prof. Dr.Stefan Kirn, Lehrstuhlinhaber fur Wirt-schaftsinformatik an der TU Ilmenau sowieStellvertretender Nachwuchsobmann derWissenschaftlichen Kommission Wirt-schaftsinformatik (WKWI) uber das Thema:„Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zu-kunft: Welche Qualifikationsentwicklungbenotigen wir in Zukunft an Universitatenund wie konnen die Universitaten fur dieseattraktiver gemacht werden?“

Im Anschluss daran stellen Prof. Dr. ArminHeinzl, Universitat Mannheim, und Prof.Dr. Wolfgang Konig, Goethe-UniversitatFrankfurt a. M., ihren kontroversen Stand-punkt als Replik zum Beitrag von Prof. Dr.Erich Ortner „Was behauptet die Wirt-schaftsinformatik eigentlich?“ (in: WIRT-SCHAFTSINFORMATIK 45 (2003) 1, S.100–101) dar.

Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl

Wirtschaftsinformatik-Professorender Zukunft: Welche Qualifikations-entwicklung benotigen wir in Zukunftan Universitaten und wie konnendie Universitaten fur diese attraktivergemacht werden?

�ndern sich die Rahmenbedingungen anUniversitaten nicht, lauft gerade die Wirt-schaftsinformatik angesichts der hervor-ragenden Praxischancen Gefahr, dass eineHochschulkarriere nur noch fur mittelmaßi-ge (Nachwuchs-)Wissenschaftler interessantwird. Wahrend es bei der momentan schwie-rigen wirtschaftlichen Lage noch gelingt, ei-ne Reihe sehr guter Kandidaten fur die Uni-versitaten zu gewinnen, durfte sich dieSituation spatestens bei Entspannung derwirtschaftlichen Lage wieder kritisch zuspit-zen, wenn Spitzenleute die Hurden und Be-dingungen einer Hochschullaufbahn gegendie Praxischancen abwagen.

Erste kontrovers diskutierte Reformansatzesind seit einiger Zeit zu erkennen: Wissen-schaftlichen Nachwuchskraften eroffnen sichzukunftig auf dem Weg zur Professur meh-rere Wege, darunter neben der konventionel-le Habilitationsschrift, die kumulative Habi-litation sowie die Junior-Professur [Daruberhinaus gab es bislang schon „Habilitations-aquivalente Leistungen“, die es Kandidatenmit dem Nachweis wissenschaftsaquivalenterLeistungen und Praxiserfahrung zumindestim Prinzip ermoglichten, auch ohne Habili-tation auf eine Professur berufen zu wer-den.].

Fur Nachwuchswissenschaftler auf dem Wegzur Professur stellt sich zudem die Frage,welche Fahigkeiten sie auf diesem Karriere-weg aufbauen mussen, sollen sie doch idea-lerweise hervorragend in der wissenschaftli-chen Methodik, zugleich aber auchpragmatisch in ihren Losungen sein, um denAnspruchen ihrer offentlichen und privatenGeldgeber bestens gerecht zu werden.

Ein weiteres Problem bei der optimalen Be-setzung von Professuren stellen die nach wievor vorherrschenden „Kaminkarrieren“ dar.Selten kommt es bspw. vor, dass Fuhrungs-krafte aus der Wirtschaft fur einige Jahre aneine Universitat wechseln. Dabei ist die per-sonelle Durchlassigkeit zwischen Wissen-schaft und Wirtschaft speziell fur die Wirt-schaftsinformatik ein entscheidender Faktor,um Know-how-Transfer aus Wissenschaftund Wirtschaft zu ermoglichen. Erschwertwird dies noch zusatzlich durch die gelten-den Entlohnungssysteme an Universitaten.Wahrend in der Wirtschaft vielfaltige An-reizsysteme leistungsentsprechender Entloh-nung vorhanden sind, gibt es dazu an Uni-versitaten bislang nur vergleichsweisegeringfugige Ansatze.

Vor diesem Hintergrund werden daher inder anschließenden Diskussionsrunde u. a.folgende Fragen diskutiert:

1. Was soll man Nachwuchswissenschaftlernder Wirtschaftsinformatik auf dem Wegzur Professur zwischen Habilitation undJunior-Professur raten?

2. Welche Mischung an Fahigkeiten ausTheorie und Praxis mussen Wirtschafts-informatik-Professoren zukunftig mit-bringen?

3. Gelingt es uns mit den bisherigen Entloh-nungs- und leistungsbezogenen Anreiz-systemen Spitzenkrafte an die Universita-ten zu bringen und dort zu halten?

Lesen Sie hierzu Stellungnahmen aus Politik,Wirtschaft und Wissenschaft. Als Autorenkonnten wir fur Sie gewinnen:

– Prof. Dr. Peter Frankenberg, Minister furWissenschaft, Forschung und Kunst inBaden-Wurttemberg.

– Dr. Jurgen Harengel, Managing Director,Leiter Direkt Brokerage & maxblue,Deutsche Bank AG, Frankfurt.

– Dr. Hans-Gert Penzel, Direktor, GroupProjects and IT Controlling, HypoVer-einsbank AG, Munchen.

– PD Dr. Gerhard Satzger, Director of Fi-nance, IGS Central Region, IBMDeutschland GmbH, Stuttgart.

– Prof. Dr. Stefan Kirn, Lehrstuhlinhaberfur Wirtschaftsinformatik an der TU Il-menau, Ilmenau sowie StellvertretenderNachwuchsobmann der Wissenschaftli-chen Kommission Wirtschaftsinformatik(WKWI).

Wenn auch Sie zu diesem Thema oder einemArtikel der Zeitschrift WirtschaftsinformatikStellung nehmen mochten, dann senden SieIhre Stellungnahme (max. 2 DIN A4 Seiten,gerne auch als E-Mail) bitte an den Haupt-herausgeber, Prof. Dr. Wolfgang Konig, Uni-versitat Frankfurt am Main,E-Mail: [email protected].

Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl,Dipl.-Wi.-Ing. Ulrich Faisst,

Lehrstuhl fur Betriebswirtschaftslehre,Wirtschaftsinformatik

& Financial Engineering,Universitat Augsburg

Diskussionsbeitrag „Qualifikationswegezur Professur in der Wirtschafts-informatik: Die Situationaus baden-wurttembergischer Sicht“von Peter Frankenberg

In den beruflichen Einsatzfeldern von Wirt-schaftsinformatikerinnen und -informatikernspielen sich zurzeit grundlegende Wand-lungsprozesse ab. Dies betrifft nicht nurWirtschaft und Verwaltung; auch das Ar-beitsfeld Hochschule und die Qualifikati-onswege, die dorthin fuhren, wandeln sich.

Bei allen Veranderungen sehe ich grundsatz-lich gute Berufsaussichten fur Nachwuchs-wissenschaftler, die eine Professur in derWirtschaftsinformatik anstreben. Der kunfti-ge Bedarf fur Wirtschaftsinformatiker aufdem Arbeitsmarkt lasst sich zwar schwer ab-schatzen. Da aber Wirtschaftsinformatikermit je einem Bein in der Betriebswirtschafts-lehre und in der Informatik stehen und da-mit breit einsetzbar sind, sind sie jedenfallsweniger von Schwankungen auf dem Ar-beitsmarkt abhangig als „reine Informati-ker“. Folglich kann man davon ausgehen,

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dass auch die bestehenden Ausbildungskapa-zitaten und der Bedarf fur neue Lehrende anden Hochschulen erhalten bleiben.

In den Hochschulstudiengangen wirken dieDisziplinen Betriebswirtschaftslehre, All-gemeine Informatik und Wirtschaftsinforma-tik im engeren Sinne zusammen. DasStudium ist interdisziplinar und anwen-dungsorientiert wie in kaum einem anderenFach. Dies erklart auch, weshalb die Masseder Studienplatze in Wirtschaftsinformatikan Fachhochschulen eingerichtet wurde. Anden Universitaten ist die Wirtschaftsinforma-tik als Teildisziplin der wirtschaftswissen-schaftlichen Studiengange verankert, dochbieten die Universitaten zunehmend auchspezielle Wirtschaftsinformatik-Studiengan-ge an, vielfach auch bereits mit gestuften (Ba-chelor- und Master-) Abschlussen.

Gesellschaftswissenschaftlich-betriebswirt-schaftliche und formal abstrakte, ingenieur-wissenschaftliche Methoden werden in derWirtschaftsinformatik zusammengefuhrt. Sounterschiedlich wie die beteiligten Fachkul-turen sind auch das fachliche Spektrum unddie Qualifikationswege der Hochschullehrer.Professorinnen und Professoren der Wirt-schaftsinformatik haben oft ihren wissen-schaftlichen Hintergrund in den Wirtschafts-wissenschaften und das notwendigetechnische Know-how in der beruflichenPraxis erworben. Viele andere besitzen eineAusbildung als Ingenieur und haben sichuber Zusatzstudien betriebswirtschaftlicheKenntnisse angeeignet. Der bereits an derHochschule interdisziplinar ausgebildete,wissenschaftlich qualifizierte Wirtschafts-informatiker durfte bisher die Ausnahmesein.

Soweit ich dies uberblicken kann, wurdenbislang die Lehrstuhle in der Wirtschafts-informatik meist mit Habilitierten besetzt,obwohl es das Hochschulrecht ja schon bis-her durchaus zulasst, auch qualifizierte Prak-tiker ohne Habilitation zu berufen. Wegendes besonderen Anwendungsbezugs derWirtschaftsinformatik wurde ich mir wun-schen, dass dieser Weg dort kunftig haufigerbeschritten wird.

Dabei ist fur die Hochschulen die Gewin-nung von Spitzenkraften im Wettbewerb mitder Wirtschaft zweifellos nicht immer ein-fach. Eine gewisse Verbesserung in diesemZusammenhang bringt den Hochschulen dieProfessorenbesoldungsreform mit der Mog-lichkeit, Leistungsbezuge zu gewahren.

Auch die Moglichkeiten eines Personalaus-tauschs zwischen Wirtschaft und Hochschu-le gilt es verstarkt zu nutzen. Universitats-professoren konnen im Rahmen von

Forschungssemestern oder einer Beurlau-bung fur eine Tatigkeit in der Wirtschaft frei-gestellt werden. Fuhrungskrafte aus der In-dustrie konnen nicht nur uber Lehrauftrage,sondern auch durch Gastprofessuren undbefristete Vollzeit- und Teilzeitprofessurenin die Lehre eingebunden werden. Die Un-ternehmen sollten diese Moglichkeiten, auchim Sinne einer Strategie der Personalent-wicklung, nutzen.

Als neuen Qualifikationsweg fur Hoch-schulprofessoren sieht die 5. Novelle desHochschulrahmengesetzes (HRG) vom Fe-bruar 2002 die Juniorprofessur vor. Baden-Wurttemberg und andere Bundeslander ha-ben im Bundesrat zahlreiche Kritikpunktegegen diese Gesetzesnovelle vorgebracht.Die mit ihr verbundene Zielsetzung, bessereBedingungen fur den wissenschaftlichenNachwuchs zu schaffen, teilen wir zwar. DieUmsetzung dieses Zieles ist mit der 5. HRG-Novelle nach unserer Einschatzung abernicht gelungen. Wir werden deshalb die Um-setzungsfrist des neuen Bundesrechts vollausschopfen und zunachst das Ergebnis derNormenkontrolle vor dem Bundesverfas-sungsgericht abwarten.

Baden-Wurttemberg halt die Diskriminie-rung der Habilitation fur falsch, die derBund mit der 5. HRG-Novelle betreibt. Wirsprechen uns angesichts unterschiedlicherFacherkulturen fur ein Wahlrecht zwischenverschiedenen Qualifikationswegen und eineKonkurrenz von Juniorprofessur und klassi-scher Habilitation aus. Ich bin uberzeugt,dass die Habilitationsschrift bei der Beset-zung freier Professuren auch kunftig einewichtige Rolle spielen und in die Qualifikati-onsbeurteilung einbezogen werden wird.

Fazit: In Bezug auf die Qualifikationswegezur Professur in der Wirtschaftsinformatikverandert sich einiges. Aber auch in Zukunftwerden unsere Hochschulen auf gut aus-gebildeten Nachwuchs fur Forschung undLehre in der Wirtschaftsinformatik angewie-sen sein. Ich bin optimistisch, dass es auchkunftig gelingen wird, dafur hochqualifizier-te Wissenschaftler zu gewinnen.

Prof. Dr. Peter Frankenberg,Minister fur Wissenschaft, Forschung

und Kunst des Landes Baden-Wurttemberg,Stuttgart

Diskussionsbeitrag „Wirtschafts-informatik-Professoren der Zukunft“von Jurgen Harengel

1) Habilitation versus JuniorprofessurZiel auf dem Weg zu einer Professur – nachder Promotion – muss eine eigenstandigeForschung und Lehre inkl. der entsprechen-den Managementaufgaben sein. Grundsatz-lich konnen diese Ziele in allen Varianten(klassische Habilitation, kumulative Habili-tation, Junior-Professur) erreicht werden.Wichtige Nebenbedingung im deutschenUniversitatssystem ist hierbei das Vorhan-densein von ausreichend Budget und Res-sourcen fur die Universitaten. Da sich diepolitischen Instanzen aber wechselseitig dieVerantwortung fur die leeren Kassen zu-schieben, ist die Gefahr eines Reformstausauf dem Weg zu einem qualitativ besserenBildungsangebot groß.

Das Bildungswesen lasst sich jedoch mitGeld alleine nicht verbessern, zumal andereLander weniger ausgeben und dennoch bes-sere Ergebnisse erzielen. Bildung darf nichtverwaltet, sondern muss gestaltet werden.Demzufolge muss das vorhandene Budgetnicht in Burokratie sondern in Bildung in-vestiert werden, auch damit die Lehr- undVerwaltungsbelastungen fur die Lehrstuhl-inhaber beherrschbar bleiben.

Besonders risikobehaftet erscheint hierbeidas Qualifikationsmodell der Junior-Profes-sur wenig Budget, wenig Ressourcen undohne Anbindung an einen Lehrstuhl, abermit potenziell großer Lehrbelastung. ZurAnschubfinanzierung einer Junior-Professurwerden zwar Mittel bereitgestellt und eine„angemessene“ Ausstattung in Aussicht ge-stellt, aber es ist zu befurchten, dass sich einJunior-Professor in seiner „kreativsten Le-bensphase“ uberwiegend mit administrativenTatigkeiten beschaftigen muss. Im ame-rikanischen Hochschulsystem erscheint dieseKonstruktion tragfahig, im deutschen Lehr-stuhlsystem weniger.

Fur einen Praxispartner ist ein derartigerJuniorprofessor auch wenig interessant, da ernur temporar einsatzfahig ist und kaumRessourcen fur großere Praxisprojekte inForschung oder Lehre bewegen kann. Imubrigen bleibt auch aus Sicht des Nach-wuchswissenschaftlers ein hohes Maß anUngewissheit, auf welche Leistungen er sichfokussieren muss, um moglichst schnell eineVoll-Professur zu erreichen.

Attraktiv erscheint dagegen ein gemischtesModell, in dem ein Nachwuchswissenschaft-ler – angebunden an einen Lehrstuhl – einekleine Nachwuchsgruppe leitet und seine be-

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reits publizierten Forschungsergebnisse ineiner kumulativen Habilitationsschrift zu-sammenfasst. Ein wesentlicher Vorteil einerkumulativen Habilitationsschrift liegt darin,dass die aktuellen Ergebnisse kurzfristig pub-liziert werden konnen, was gerade im Fach-gebiet der Wirtschaftsinformatik besonderswichtig ist. Die hier vorgesehene Unterstut-zung eines Mentors im komplexen Feld derWissenschaft ist sinnvoll, da die wissen-schaftliche Forderung und Betreuung durcheinen erfahrenen Hochschullehrer großeVorteile bringt. Demzufolge sollten in demModell Anreize fur Lehrstuhlinhaber ge-schaffen werden, sich intensiver um denNachwuchswissenschaftler zu kummern.Die von der Politik angestrebte Autonomieund Gleichberechtigung des Junior-Profes-sors gegenuber den etablierten Hochschul-lehrern ist hingegen nur schwer vorstellbar.

2) Mischung aus Theorie und PraxisJedes universitare Fach soll definitionsgemaßdie Theorie weiterentwickeln und praktischeProblemlosungen voranbringen. Es ist nurschwer vorstellbar, dass praktische Problem-losungen ohne eigene reale praktische Erfah-rungen entwickelt bzw. gelehrt werden kon-nen. Ich halte daher einschlagige praktischeErfahrungen fur einen Universitatsprofessorder Wirtschaftsinformatik fur unverzichtbar.Diese praktischen Erfahrungen sollten kon-tinuierlich durchgefuhrt werden, um dieQualitat der Lehre an den Universitaten ste-tig zu erhohen.

Gerade im Fachgebiet der Wirtschaftsinfor-matik existieren hier eine Reihe von Ansat-zen, von langerfristig angelegten Kooperati-onsprojekten zwischen Universitat undPraxispartnern bis hin zu Praxisaktivitatenim Beratungs- oder Softwarebereich. Aberauch die Unternehmen sind aufgefordert,sich aktiv z. B. in die universitare Lehre ein-zubringen. Dies kann durch das Durchfuh-ren von Gastvortragen, ubernehmen vonLehrauftragen bis hin zu Honorarprofessu-ren geschehen.

3) Anreizsystem UniversitatBisher ist das Gehalt eines Lehrstuhlinhabersabhangig vom Dienstalter und individuellverhandelten „Sonderbestandteilen“, die inder Regel unbefristet vergeben werden undnur uber Berufungsverhandlungen zu errei-chen sind. In einem ersten Schritt soll derDienstalterbezug wegfallen, Zuschlage wa-ren dann frei verhandelbar und ggf. befristet.

Diese Neuerungen sind prinzipiell zu begru-ßen und werden, wenn Marktmechanismenzum Tragen kommen, fur die Wirtschafts-informatik generell vorteilhaft sein. Aber be-rucksichtigt man einerseits die hohen An-forderungen und den risikobehafteten

Qualifikationsweg, als auch die Alternativenim Ausland bzw. in der Wirtschaft, ist dasEinkommensniveau fur besonders engagierteund erfolgreiche Lehrstuhlinhaber generellunzureichend.

Zwar bieten gerade die vielfaltigen Freiheiteneines Lehrstuhlinhabers sicherlich einen An-reiz, doch sollte der Spielraum des Einkom-mens nach oben deutlich erhoht werden.Dies sollte nicht inflationar betrieben wer-den, sondern sich punktuell auf wenige Pro-fessoren fokussieren. So wurde das neue Sys-tem eine enorme Signalwirkung hinsichtlichdes Stellenwertes von Lehrstuhlinhabernentwickeln und kommt den Hochschultra-gern gar nicht so teuer.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt ware einegewisse Einschrankung von vereinzelt exten-siven Nebentatigkeiten der Hochschullehrerim Rahmen von vielfach gegrundeten Bera-tungsfirmen, auf Kosten der Qualitat derLehre u. a. resultierend aus mangelnder Aus-richtung auf die Studenten und deren Be-durfnisse. Eine mogliche Einschrankung darfjedoch nicht den fur Forschung und Lehrewichtigen Praxisbezug der Lehrstuhlinhaberaufs Spiel setzen.

Es bleibt festzuhalten, dass eine Abwan-derung der „besten“ Nachwuchswissen-schaftler ins Ausland verhindert und dieWettbewerbsfahigkeit der deutschen Hoch-schulen im internationalen Vergleich gestarktwerden muss. Die geplanten �nderungenweisen Defizite auf und berucksichtigennoch zu wenig die Belange von innovativenDisziplinen wie die der Wirtschaftsinforma-tik. Es gilt Wege zu finden, die diese Defizitebeheben, um den Nachwuchswissenschaft-lern ein fruchtbares Umfeld fur Forschungund Lehre zu ebnen.

Literatur (Auswahl)

[LeMe02] Leist, S.; Meier, M.: Perspektiven derJunior-Professur aus Sicht von Nachwuchswis-senschaftlern der Wirtschaftsinformatik. Wirt-schaftsinformatik 44 (2002) 5, S. 506–514.

Dr. Jurgen Harengel,Managing Director,

Leiter Direkt Brokerage & maxblue,Deutsche Bank AG,Frankfurt am Main

Diskussionsbeitrag „Wirtschafts-informatik-Professoren der Zukunft:Welche Qualifikationsentwicklungbenotigen wir in Zukunft anUniversitaten und wie konnen dieUniversitaten fur diese attraktivgemacht werden?“von Hans-Gert Penzel

Alle Nachfrage geht vom Kunden aus. Sieaußert sich in Preis-Absatz-Funktionen. An-bieter werden nur erfolgreich und zufriedensein, wenn sie dies nie vergessen. So lehrenes die Wirtschaftswissenschaften.

Auch das Angebotsspektrum der heutigenund zukunftigen Professoren fur Wirt-schaftsinformatik (WI) sollte von den Preis-Absatz-Funktionen ihrer nachfragendenKunden gepragt sein. Drei Kundengruppenkonnen wir identifizieren: (1) Studenten, (2)offentliche und private Auftraggeber mitkonkreten, einzel-finanzierten Forschungs-auftragen und (3) die offentliche Hand mitihrem globalen, pauschal finanzierten Inno-vationsinteresse. Indem wir das Nachfrage-verhalten dieser drei Gruppen untersuchen,werden wir automatisch die Antworten aufdie gestellten Fragen finden.

(1) Studenten sind ungewohnliche Nachfra-ger: Angeblich wollen die meisten dunneBretter bohren. Und kaum einer zahlt furdie Ausbildungsleistung direkt – die Ein-nahmen laufen vielmehr aus dem Steuertopfuber Kanale, deren Verteil-Algorithmen furWirtschaftspraktiker schwer nachvollziehbarsind, an die Universitaten. Da ist der Anreiznicht allzu groß, dass sich WI-Professorenund Nachwuchswissenschaftler intensiv umihre Studenten kummern, und Hochachtungist angebracht, wenn sie es trotzdem tun.

Eine klare Fehlsteuerung! Denn Studentensind aus Sicht der Praxis die wichtigste Kun-dengruppe der Universitat. Studenten sindnicht pauschal Dunnbrettbohrer. Die Mehr-zahl bemuht sich, die Anforderungen ihrerzukunftigen Arbeitgeber zu verstehen, undrichtet sich daran aus. Wie alle Kunden las-sen sie sich segmentieren in Anspruchslosereund Anspruchsvollere. Der Arbeitsmarktwird Dunnbrettbohrern einfachere undDickbrettbohrern komplexere Aufgaben an-bieten – bei unterschiedlich hohem Gehaltnaturlich. Die (zukunftigen) WI-Professorensind gefordert, entsprechend differenzierteStudiengange mit unterschiedlichen Laufzei-ten – von drei bis zu sechs Jahren – ein-zurichten und weiterzuentwickeln.

Aber auch an inhaltlichen Schwerpunktenmussen sie arbeiten. Die Universitaten sindin der Vermittlung strukturierter Analyse-

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Page 5: Wirtschaftsinformatik-Professoren der Zukunft: …...der Studienpla¨tze in Wirtschaftsinformatik an Fachhochschulen eingerichtet wurde. An den Universita¨ten ist die Wirtschaftsinforma-tik

und Losungsansatze und in fachlicher Inno-vation schon gut unterwegs. In drei Dimen-sionen besteht allerdings Nachholbedarf:

Erstens mussen Studenten starker an Fallbei-spielen arbeiten, die gerne in Projektarbeitzusammen mit Unternehmen entwickeltwerden konnen – aber bitte nicht unter demStichwort „bezahlter Beratungsauftrag“!Zweitens mussen Studenten lernen, ihre In-novationsideen in die komplexe Realitat zuimplementieren, und dazu auch Maßnahmenzur Komplexitatsreduzierung beherrschen.Am konkreten Beispiel: Es ist schon, dieneueste Java-Version zu beherrschen, aberwir brauchen vor allem Profis, die diese inbestehende IMS-, CICS- und DB2-Technik-welten bzw. SAP-, PeopleSoft- oder Oracle-Anwendungswelten integrieren konnen. Dasmacht dann echte, weil umgesetzte Innovati-on aus! Drittens mussen Studenten in eineminternationalen Netz agieren konnen. Jedergute Student sollte mindestens ein halbesJahr im fremdsprachlichen Ausland zubrin-gen – nicht nur, um eine andere Sprachewirklich zu beherrschen, sondern auch, ummit der Kenntnis einer zweiten Kultur die ei-gene relativieren zu lernen.

Aus den genannten Punkten lassen sich diegewunschten Anforderungen an Nach-wuchswissenschaftler direkt ableiten. Sie ge-hen sehr stark in Richtung der Schaffungstarker differenzierter Programme, intensi-verer Vernetzung mit der Wirtschaft undVerstandnis fur die dort existierende Kom-plexitat und schließlich in Richtung Bru-ckenbau zu Universitaten im fremdsprach-lichen Ausland.

Naturlich muss sich der Aufbau von Fahig-keiten fur die Professoren in spe lohnen. Des-halb sollten Studenten ihre Ausbildung uberBildungsgutscheine bezahlen und die Leh-renden sollten uber eine zusatzliche, variableGehaltskomponente an der Zahl der empfan-genen Bildungsgutscheine partizipieren.

(2) Der Umgang mit der zweiten Kunden-gruppe ist ebenfalls ungewohnlich: �ffentli-che oder private Auftraggeber wollen kon-krete, einzelfinanzierten Forschungsauftrageplatzieren. Aber viele Auftrage konnen vonProfessoren nicht ohne weiteres entgegen-genommen werden, sind zum Beispiel zuwettbewerbshaltig oder lassen sich argumen-tativ nur schwer in die langfristigen For-schungsprogramme integrieren. Schließlichmussen die Zusatzeinnahmen oft weitgehendabgefuhrt werden. Um dem Kunden trotz-dem gerecht zu werden, muss man innovativeKonstrukte finden oder gar seine eigene Un-ternehmensberatungsgesellschaft grunden.

Auch hier liegt eine Fehlsteuerung vor, undwir Praktiker wunschen uns Veranderung inden Dimensionen „Inhalte“ und „Laufzei-ten“.

Inhaltlich sind Universitaten uberlegen imvorwettbewerblichen Bereich, im objektivie-renden Research, in der intensiven Analyse,Strukturierung und Standardisierung,schließlich auch in einzelnen, theoriehaltigenFachlosungen. Darauf sollten sich die WI-Wissenschaftler konzentrieren und dortmussen burokratische Hurden beseitigt wer-den. Universitaten sind dagegen keine wett-bewerbsfahigen Konkurrenten von Manage-ment-Beratungen oder Software-Hausern.In diesen Feldern sollten sie nicht antreten.

Hinsichtlich der Projektlaufzeiten sind vieleUniversitatsvertreter vom Denken in lang-fristigen Forschungsprogrammen gepragtund bieten Projekte mit ein, zwei oder gardrei Jahren Dauer an. Die Privatwirtschaftdenkt eher in Zwei-, Drei- oder maximalSechs-Monats-Zyklen. Hier wunschen wiruns deutlich mehr Zeitnahe. Insofern sinduns auch mehrjahrige Habilitationen sus-pekt, und schon deshalb halten wir denWeg uber den Junior-Professor fur attrakti-ver.

Naturlich muss sich auch diese (Neu-)Ori-entierung fur den Wissenschaftler auszahlen.Deshalb sollte ein wesentlicher Anteil derProjekteinnahmen dem Lehrstuhl zugutekommen und ein Teil dessen sollte sich alsvariable Zusatzkomponente im personlichenGehalt des Wissenschaftlers niederschlagen.Damit erubrigt sich auch die Grundung ei-nes eigenen Beratungsunternehmens.

(3) Die dritte Kundengruppe, die offentlicheHand mit ihrem abstrakten Innovationsinte-resse, verhalt sich aus Marktsicht am unge-wohnlichsten: Sie zahlt (namlich einen Teildes Gehalts) dafur, dass der Wissenschaftlerforscht – egal woruber, unabhangig vom Er-gebnis.

Die Praxis halt dies unter dem Aspekt Inno-vationsforderung durchaus fur akzeptabelund wunschenswert, weist nur darauf hin,welchen ungewohnlichen Komfort der Be-troffene damit genießt. Insofern wunschenwir uns auch hier eine �nderung: Man sollteklare Zeitkontingente vereinbaren, maximal25 Prozent der Arbeitszeit, und damit einViertel des Basisgehalts dafur zur Verfugungstellen. In diesem Rahmen kann der Nach-wuchswissenschaftler naturlich auch eineHabilitation beenden, wenn er dazu eine per-sonliche Affinitat hat.

Blickt man zusammenfassend auf die Nach-frage der drei Kundengruppen, so wird deut-

lich: Kundenorientierung ist alles! Eine star-ker kundenorientierte Ausrichtung ist notigund moglich, sie erhoht die Zufriedenheitvon Anbietern und Nachfragern. Wesentlichstarkere Leistungskomponenten im Gehaltsteigern gleichzeitig die finanzielle Attrakti-vitat. Spitzenkrafte unter Nachwuchswissen-schaftlern haben dann keinen Anlass mehr,dauerhaft abzuwandern – weder in die In-dustrie noch ins Ausland. Ein temporaresAbwandern ware dagegen durchaus er-wunscht: Praktiker mit einem Forschungs-jahr an der Universitat, Wissenschaftler furzwei Jahre im Unternehmen. Welche Chan-cen der Vernetzung entstehen damit! WelcheBereicherung fur beide Seiten! Aber damitdieses so selbstverstandlich wird wie in man-chen anderen Landern, ist noch viel �ber-zeugungsarbeit zu leisten.

Dr. Hans-Gert Penzel,Direktor, Group Projects,

and IT Controlling,HypoVereinsbank AG,

Munchen

Diskussionsbeitrag „Wirtschafts-informatik-Professoren der Zukunft –Sind Wissenschaft und Praxisnotwendigerweise antagonistischeKarrierealternativen?“von Gerhard Satzger

Traditionell stehen in der Regel Doktoran-den – nicht nur in der Wirtschaftsinformatik– vor der Notwendigkeit, sich zwischen ei-ner post-doktoralen Wissenschaftslaufbahnund einer Karriere in der Unternehmenspra-xis entscheiden zu mussen. Auf der Suchenach zukunftsweisenden Gestaltungsoptio-nen fur den Wirtschaftsinformatik-StandortDeutschland gilt es, diese Trennung kritischzu hinterfragen, und Konsequenzen zu be-leuchten, die sich aus einer starkeren Verzah-nung von Praxis und Wissenschaft einerseitsfur Nachwuchswissenschaftler selbst, ande-rerseits fur die erforderlichen institutionellenRahmenbedingungen ergaben.

Warum kann man insbesondere fur die Wirt-schaftsinformatik – trotz moglicher Konflik-te mit dem Humboldt’schen Ideal der Hoch-schule – derartige Praxisorientierung furvielversprechend halten? Hierfur gibt esmindestens drei gewichtige Grunde: Erstensist die Wirtschaftsinformatik (wie auch eini-ge andere Wissenschaftsdisziplinen) schonper definitionem mit der Praxis eng verbun-den: nach herrschender Meinung sind Ge-genstand der Wirtschaftsinformatik Informa-tions- und Kommunikationssysteme inWirtschaft und Verwaltung: „Im Vorder-grund steht das Management betrieblich re-

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levanter Information, insbesondere die Pla-nung, die Entwicklung, die Einfuhrung, derEinsatz und die Wartung betrieblicher An-wendungssysteme“ [GI03]. Daher kann dieVertrautheit mit dem Umfeld des For-schungsgegenstandes, namlich der Wirtschaftund Verwaltung, dem Anliegen nur forder-lich sein – ganz analog wie fur Medizin-Pro-fessoren Erfahrungen in der klinischen Pra-xis hilfreich, wenn nicht unabdingbar sind.Zweitens erfordert zudem die atemberau-bende Geschwindigkeit und Dynamik dertechnologischen Entwicklung in der Infor-mations- und Kommunikationstechnologieentsprechend geringe (Re-)Aktionszeiten, sodass eine zeitnahe Verbindung von For-schung und Praxis stets gegeben sein muss,um im internationalen Wettbewerb jeweilseine Spitzenstellung zu erlangen oder zu er-halten. Und drittens sind viele aktuelle Prob-lemstellungen der Wirtschaftsinformatik nurnoch in großeren Teams zu losen [Le-Me02, 511], bei denen sich eine enge Koope-ration von Wissenschafts- und Praxispart-nern nachgerade anbietet.

Folgt man dieser Logik, so ergeben sich furden einzelnen Wissenschaftler, der eine Pro-fessur anstrebt, einige Konsequenzen:

& Aufgrund der Technologiedynamik sowiedem Verfall der „Halbwertszeit des Wis-sens“ kommt es noch mehr auf Fahigkei-ten an, die helfen, neue Problemgebiete zustrukturieren und zu losen, denn auf stati-sche Expertise in einem Fachgebiet – unddies gilt sowohl fur die Praxis wie auchfur die Wissenschaft. Profunde Kenntnissedes wissenschaftlichen „Handwerks-zeugs“ (wie z. B. der Mathematik oderStatistik), konzeptioneller und kreativerFertigkeiten sowie Projekterfahrung er-scheinen daher besonders erstrebenswert.

& In Bezug auf die personliche Karriereent-wicklung wird es weniger Patentrezeptegeben: eine „Verlaufbahnung des Qualifi-kationsweges“ [Detm01, 246] muss nichterfolgen; stattdessen ermoglichen geeig-nete Entwicklungspfade auch den Wechselin die Praxis (und zuruck). Wahrend derwissenschaftlichen Qualifizierungsphasemuss der Nachwuchswissenschaftler da-rauf achten, einerseits seinen Marktwertauch außerhalb der Hochschule zu erhal-ten (indem er entsprechend praxisrelevantarbeitet) wie auch innerhalb der wissen-schaftlichen „Community“ (indem er ent-sprechend publiziert und Kontakteknupft). Obwohl Verallgemeinerungen inBezug auf den Qualifikationsweg ange-sichts der Vielfalt der inhaltlichen Themenund individuellen Konstellationen nursehr eingeschrankt moglich sind, erscheintdies unter einem Habilitations-Regime

eher machbar als in einer Juniorprofessur:die Einbettung eines Habilitanden in dasakademische Netzwerk sowie bestehendePraxisverbindungen eines renommiertenLehrstuhls mag hier forderlicher sein alsder „unabhangige“ Weg uber eine Junior-professur, die dem Wissenschaftler gleich-zeitig auch mit einem signifikanten Mehran Lehr- und administrativer Verantwor-tung belastet [HaRi03]. Angesichts derkurzen Technologiezyklen konnen beson-ders kumulative Habilitationen attraktivsein: Der Kandidat hat hier eher dieChance, sich starker in der Breite des For-schungsgebietes zu beweisen als auch eineobjektivere Evaluation der Forschungs-leistung anhand der notwendigen Publi-kationen in renommierten Zeitschriftenzu ermoglichen. Von dort ist auch derSchritt zur Anerkennung „habilitations-adaquater Leistungen“ nicht mehr sogroß, der zwingend notwendig ist, willman auch umgekehrt hervorragende For-scher aus der Praxis fur die Hochschulengewinnen, und will man die deutsche For-schungslandschaft international vergleich-bar machen.

Aus institutioneller Sicht gibt es eine Reihevon Aspekten, die Beachtung verdienen, willman Spitzenkrafte fur die Universitaten inKonkurrenz zur Praxis gewinnen, allen vo-ran die Neukonzeption eines anachronistischanmutenden Berufungsprozesses sowie dieGestaltung flexibler Entlohnungssysteme.

& Konkurrieren Praxis und Wissenschaftum Kandidaten, so kann ein universitarerAuswahlprozess uber Berufungskommis-sionen und -listen, der sich in der Regelmonatelang, und in manchen Fallen jahre-lang hinzieht, kaum dazu angetan sein,Spitzenkrafte aus der Praxis an die Hoch-schulen zu locken – wenn gleichzeitig inder Praxis (wie zunehmend auch an pri-vaten oder auslandischen Universitaten)Entscheidungen uber die Besetzung inte-ressanter alternativer Positionen binnenWochen, oder gar Tagen, gefallt werdenkonnen. Abgesehen davon, fuhrt der hoheAnteil zeitweise unbesetzter (oder nurvorubergehend vertretener) Professurennaturlich zu einem herben Qualitatsver-lust in der Lehre, der vermieden werdenkonnte, wenn fachkompetente Univer-sitatsgremien rasch uber Besetzungen ent-scheiden konnten. So waren z. B. voreinem Jahr 14% der 140 Wirtschaftsinfor-matik-Lehrstuhle in Deutschland vakant[LeMe02, 511f].

& In krassem Gegensatz zur Dauer des ge-samten Prozesses hingegen steht die Nut-zung der Moglichkeiten, den Bewerberauf die relevanten Qualifikationen hinprufen zu konnen: angesichts der hohen

Spezialisierung und der oftmals durchaustechnischen Ausrichtung von Wirtschafts-informatik-Professoren finden sich zu-nachst in Berufungskommissionen haufignur vereinzelt Mitglieder, die wirklich inder Lage sind, neben den didaktischenauch die fachlichen Qualitaten der Kan-didaten in der Tiefe zu beurteilen. Auchwenn extern eingeholte Gutachten „amgrunen Tisch“ die wissenschaftliche Leis-tung des Bewerbers anhand von Publika-tionen zu verifizieren suchen, bleiben spe-ziell fur Wirtschaftsinformatiker wichtigeQualifikationen, wie z. B. Team- und Mo-tivationsfahigkeit oder Projektmanage-mentkompetenz, nicht zwingend ausrei-chend berucksichtigt. Wahrend in derPraxis mehrtagige Assessment-Centeroder Interview-Runden den Kandidaten„auf Herz und Nieren“ prufen (die mandann in der Regel noch uber eine Pro-bezeit von 6 Monaten beobachten kann),begnugt sich die staatliche Hochschulehaufig mit einem zweistundigen personli-chen Kontakt, um dann eine Top-Positionpraktisch irreversibel auf mehrere Deka-den zu besetzen. Hier erscheint mir eineweit starkere Verlagerung der Verantwor-tung und Mitsprache auf die universitats-ubergreifenden einschlagigen Fachgre-mien sowie auf solche universitareGremien empfehlenswert, in der entspre-chende Fachvertreter auch aus dem Be-reich außerhalb der Hochschule reprasen-tiert sind. Dies mag auch beitragen,Eigeninteressen der Berufungskommis-sions-Mitglieder gegenuber den Interes-sen der Hochschule hinten anzustellen.Gerade gegenuber exzellenten Wirt-schaftsinformatikern, die oft vergleichs-weise hohe Drittmittelbeitrage einwerbenund durch attraktive Praxisprojekte Stu-denten „binden“ konnen, mag bisweileneine gewisse Furcht vor eigenem Macht-verlust gegeben sein – mundend in derVersuchung, eher mediokre Mitbewerbervorzuziehen.

& Wenngleich fur viele Wissenschaftler diematerielle Entlohnung naturlich nicht al-lein entscheidungsrelevant ist, so sinddoch ohne geeignete finanzielle Rahmen-bedingungen Spitzenkrafte fur die Uni-versitat weder zu halten noch zu gewin-nen. Neben individuell verhandelbarenZuschlagen (wie bereits fur C4 Professo-ren ublich) sind hier entsprechende groß-zugige Nebenverdienstregelungen einwichtiges Thema. Stattdessen scheint dieneue Besoldungsstruktur nach dem5. HRG�ndG das allgemeine Entloh-nungsniveau weiter zu senken – ohne zu-mindest fur eine ausreichende marktorien-tierte Differenzierung von Basisgehalternzu sorgen. Die neuen Ansatze zu einer

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partiell leistungsabhangigen Vergutungfur Hochschulprofessoren leiden – nebendem gewaltigen Problem der Finanzier-barkeit – vor allem am Problem der Mess-barkeit dieser Leistung, die insbesonderedann schwer zu erreichen ist, wenn Pro-fessoren heterogener Disziplinen inner-halb einer Universitat zu vergleichen sind.Hier erschiene es mir eher praktikabel,forschungsleistungbezogene Fonds univer-sitatsubergreifend fur einzelne Diszipli-nen aufzusetzen und diese durch Fachgre-mien nach fachspezifischen Kriterienverteilen zu lassen: Also lieber ein Gremi-um von Wirtschaftsinformatik-Professo-ren uber die Zulagen innerhalb Ihrer„Community“ entscheiden lassen als eineUniversitat uber die eigene, fachspezifischheterogene Klientel. Erganzend konnteman einen komplementaren Fonds fur dieLehrleistung universitatsintern verteilen,da hier die Leistung wohl eher auf Cam-pus-Basis vergleichbar ist.

Eine weitergehende �ffnung von Wissen-schaft und Praxis fur die Vertreter der jeweilsanderen Seite ware m. E. fur die Entwick-lung der Wirtschaftsinformatik durchausvorteilhaft und der internationalen Wett-bewerbsfahigkeit enorm zutraglich. MehrFlexibilitat und Professionalitat in denHochschulstrukturen konnten dazu wesent-lich beitragen.

Literatur (Auswahl)

[Detm01] Detmer, Hubert: Der Referentenentwurfzum Hochschulrahmengesetz – Juniorprofessurversus Habilitation. In: Zeitschrift fur Beamten-recht (2001) 7, S. 244–249.

[GI03] Gesellschaft fur Informatik: FachbereichWirtschaftsinformatik – Ziele und Aufgaben.http://www.gi-ev.de/fachbereiche/fb-5/zielauff.html, 24.2.2002.

[HaRi02] Hansen, Ursula; Ridder, Hans-Gerd:Der Beitrag von Fakultaten zur Qualifizierungvon Juniorprofessoren. Erscheint in: Zeitschriftfur Betriebswirtschaft 73 (2003) Erganzungsheft2.

[LeMe02] Leist, Susanne; Meier, Marco: Perspekti-ven der Junior-Professur aus Sicht von Nach-wuchswissenschaftlern der Wirtschaftsinfor-matik. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK44 (2002) 5, S. 511–512.

PD Dr. Gerhard Satzger,Director of Finance,IGS Central Region,

IBM Germany,Stuttgart

Diskussionsbeitrag „Vom Konigsweg(Habilitation) zur Vielfalt:Qualifikationserfordernisse undQualifikationswege fur zukunftigeWirtschaftsinformatik-Professoren“von Stefan Kirn

Mit der Einfuhrung der „Juniorprofessur“sind, wieder einmal, die Wege vom Nach-wuchswissenschaftler zum Universitatspro-fessor in die Diskussion geraten. Um esgleich vorweg und auch ganz pointiert zu sa-gen: Dieser Diskussion fehlt weitgehend derdringend notwendige Bezug zum relevantenKontext. Hier sind v. a. (1) die finanziellenRahmenbedingungen zu betrachten, (2) dieverschwimmenden Grenzen zwischen Uni-versitaten und Fachhochschulen sowie (3)die Mitwirkung an der Grundlagenfor-schung und der allerdings stark anwen-dungsorientierten Verbundforschung aufBundes- und EU-Ebene. Interessant ist da-bei auch immer zu fragen, wem welche Lo-sung eigentlich aus welchen Grunden nutzt.�berraschungen sind dabei moglicherweisenicht ausgeschlossen.

1 Finanzielle Rahmenbedingungen undindividuelle Wettbewerbsfahigkeit

Die finanzielle und damit die personelle so-wie die sachliche Ausstattung der Landes-ebenso wie der privaten Universitaten ver-schlechtert sich erheblich bis dramatisch (im-mer knappere offentliche Mittel, Ruckzugprivater Trager [vgl. bspw. Ruckzug der Ber-telsmann-Stiftung aus der Universitat Wit-ten-Herdecke], Prioritatenverlagerung derPolitik hin zu Fachhochschulen). In der Fol-ge wird es fur die Chance auf Forschungs-erfolg (gerade auch vor Erstberufungen!) im-mer wichtiger, erfolgreich Fordermitteleinwerben zu konnen. Hier konkurrierenJuniorprofessoren – organisatorisch, fach-lich und ggf. auch infrastrukturell auf sich al-leine gestellt, direkt mit etablierten Lehr-stuhlen und Forschungsinstituten, dieihrerseits problemlos fachliche Exzellenznachweisen, projekt- (und akquisitions-)er-fahrene Mitarbeiter einsetzen konnen, finan-ziell durch laufende Drittmittelprojekte oftbereits gut ausgestattet und in die erforderli-chen Netzwerke integriert sind sowie ubereconomies of scale verfugen. Juniorprofesso-ren verlieren bei ihrem Schritt in die (forma-le) akademische Selbstandigkeit jedoch gera-de diese wichtigen Erfolgsfaktoren – ausdieser Perspektive hatte ein Wechsel als Ha-bilitand in eine starke Arbeitsgruppe also er-hebliche Vorteile gegenuber einer Juniorpro-fessur.

2 Veranderungen in der deutschenHochschulstruktur

Die Grenzen zwischen Universitaten undFachhochschulen verschwimmen: AktuelleStichworte sind Promotionsrecht fur Fach-hochschulabsolventen (und Fachhochschu-len), Akkreditierung von Studiengangenanstatt Rahmenprufungsordnungen furHochschultypen, Neuordnung der Professo-renbesoldung und angestrebte Abschaffungder Habilitation. Hier besteht das zentraleProblem darin, dass Juniorprofessoren diefur ihre wissenschaftliche Weiterqualifizie-rung unabdingbare inhaltliche Fokussierungin Einklang bringen mussen mit den neu aufsie zukommenden Aufgaben in Lehre undSelbstverwaltung. So durften nur die wenigs-ten Promovenden im Verlauf ihrer Promoti-onszeit nennenswerte Erfahrungen mit demeigenstandigen Aufbau eines Curriculumsgesammelt haben, und es macht durchaus ei-nen Unterschied, ob man als Mittelbauver-treter/in in einem Selbstverwaltungsgremiummitarbeitet (was man unbedingt auch ma-chen sollte!), oder dort verantwortlich dieInteressen der eigenen Fakultat vertretenmuss. Fur die Anerkennung als Hochschul-lehrer in der eigenen Fakultat sind Einsatzund Erfolge auf diesen Gebieten jedoch un-abdingbar. Der angehende Fachhochschul-lehrer dagegen verbringt diese Zeit in einemUnternehmen und konzentriert sich auf dieihm dort ubertragenen Aufgaben. In einemguten Unternehmen durchlauft er dort einTraineeprogramm und hat auch sonst Chan-cen auf vielfaltige Forderung (Sprachkennt-nisse, Ausland, Verhandlungsfuhrung undProjektmanagement, Mitarbeiterfuhrung,Rhetorik, usw.), bei deutlich besserem Ge-halt als an der Universitat. Hier ist derJuniorprofessor, v. a. naturlich der in der In-dustrie stark nachgefragte Wirtschaftsinfor-matiker, in jeder Hinsicht klar im Nachteil –Gewinner dieses Vergleichs ist also zunachstder zukunftige Fachhochschulprofessor (!),der sich zudem immer auch die Option aufFortsetzung seiner industriellen Karriere of-fen halt. Der Habilitand dagegen wird seineeigene fachliche Exzellenz durch die fur dieHabilitation unabdingbare Fokussierungentwickeln (Ausbildung von Kernkom-petenzen), sich beim Aufbau eigener Lehreim Arbeitszusammenhang einer Arbeits-gruppe erproben und diese Fahigkeiten beiseiner Habilitation auch unter Beweis stellenmussen (so fordern es schon lange viele Ha-bilitationsordnungen). Und es spricht aucheiniges dafur, dass die Erfahrung einer Habi-litation zumindest in den ersten Jahren alsProfessor/in auch die Betreuung von Pro-movenden erleichtert. Auch diesen Vergleichverliert das Konzept Juniorprofessur alsoglatt. Ganz anders stellen sich die Erfolgs-

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chancen fur in der Wissenschaft profilierteKandidaten mit solider Basis in der Unter-nehmenspraxis dar. Verschiedene Beispielelegen jedenfalls den Schluss nahe, dass dieVerzahnung wissenschaftlicher und prakti-scher Berufstatigkeit, z. B. durch halftige Be-setzung von Stellen in Wissenschaft und Pra-xis, sowohl im Berufungsgeschehen als auchdanach Vorteile verspricht.

3 Grundlagenforschungund Verbundforschung

Ganz wesentlich fur die Ausbildung wissen-schaftlicher Exzellenz ist die erfolgreicheTeilnahme an der Grundlagenforschung. AlsKriterium herangezogen wird hier oft dieEinwerbung von DFG-Mitteln. Hier domi-niert die sogenannte Sachbeihilfe, uber dieman Finanzierungen fur ein bis zwei Mit-arbeiter uber zwei bis maximal drei Jahre fi-nanzieren kann. Der zeitliche Vorlauf vonBeginn der Antragsverfassung bis Zuwei-sung der Mittel im Erfolgsfall betragt nichtselten mehr als 12 Monate, mit derzeit raschsteigender Tendenz wegen der aktuellenHaushaltskurzungen (Anlass: erheblicheMittelkurzungen in der Grundlagenfor-schung zur finanziellen Forderung vonGanztagsschulen!). Die daraus resultieren-den Unwagbarkeiten (z. B. Planungssicher-heit im Personalsektor) ebenso wie die damitzugleich verschlechterten Erfolgschancen beider Antragstellung treffen Antragsteller mitschwacherer Arbeitsinfrastruktur naturge-maß harter als die ohnehin bereits etabliertenGruppen. Ein ahnliches Bild ergibt sich beider Verbundforschung auf Bundes- und EU-Ebene, wobei die Antragstellung dort zu-satzlich eine Integration in sehr gute Netz-werke voraussetzt. Hier sind also sowohl dieEintrittshurden als auch die Vorlaufkostenund die Ausfallrisiken besonders hoch. DieSchlussfolgerungen hinsichtlich der Junior-professur entsprechen deshalb den bereitsunter 1. genannten Konsequenzen.

4 Last but not least: Verlasslichkeit derrechtlichen Rahmenbedingungen

Naturlich sind die wirtschaftlichen und ge-sellschaftlichen Rahmenbedingungen in denletzten Jahren erheblich in Bewegung ge-kommen, und naturlich gibt es auch keinenGrund, warum nun gerade das Hochschul-system davon ausgenommen bleiben soll.Gleichwohl, einige Beobachtungen stimmenhier schon nachdenklich. So bewirkt dieUmstellung auf „leistungsgerechte“ Besol-dungsformen fur den Universitatsprofessorzunachst einmal eine spurbare Reduzierungder zu erwartenden Bezuge. Die Lehre desJuniorprofessors ist fur die Universitatstra-

ger zu geringeren Kosten zu haben als die ei-nes C4- oder zukunftigen W3-Professors.Die Forschung, insbesondere die Grund-lagenforschung, besitzt in der aktuellen Dis-kussion auf allen Ebenen nur eine viel zudurchsetzungsschwache Lobby. So reduzie-ren Universitaten in Finanznoten zwar gernedie Zahl der Mittelbaustellen (Besetzungs-sperren), nicht jedoch den Umfang der Lehreoder der in sekundare Aktivitaten (Univer-sitatsverwaltung, zentrale Dienste) geleitetenMittel. Auch der Regierungswechsel in Nie-dersachsen mit der sofortigen Ankundigungder unverzuglichen Wiedereinfuhrung desdreigliedrigen Schulsystems weist in eine kri-tische Richtung. Es konnte also auch sein,dass das Konzept der Juniorprofessur garnicht so lange Bestand hat wie es fur eineverlassliche individuelle Zukunftsplanungnotig ware. Der bereits von Leist und Meier[LeMe02] zitierte Begriff der „Lost Genera-tion“ spricht hier Bande.

5 Was kann, was soll man raten?

Der Verfasser dieses Beitrags, seit Jahren inunterschiedlichen Funktionen in der Forde-rung des wissenschaftlichen Nachwuchsestatig, rat von der Nutzung des Juniorprofes-surkonzeptes ab. Es dient eben gerade nichtder Forderung individueller Exzellenz, undes besitzt kaum zu verantwortende Risikenfur den Einzelnen. Zu diesen Risiken gehort,dass es ein politisches Konzept ist, welchesmoglicherweise ebenso rasch wieder in derVersenkung verschwinden kann wie es auf-getaucht ist. Jedenfalls vorlaufig scheint dieHabilitation deshalb der verlasslichere, beiallen dennoch bestehenden Risiken der bes-ser planbare Weg auf eine Universitatspro-fessur zu sein. Daneben konnte man geradein der Qualifizierungsphase allerdings aucheine Erganzung wissenschaftlicher Profilie-rung (Habilitation) um substanzielle Erfah-rungen aus der Praxis ernsthaft in Erwagungziehen. Hier sind vielfaltige Variationendenkbar, bspw. auch in Kombination mitAuslandsaufenthalten oder der zeitweisenMitarbeit in industriellen Forschungslabors.Sie verbessern auf jeden Fall die personlichenNetzwerke und eroffnen vielleicht bis dahinauch nicht wahrgenommene Entwicklungs-perspektiven. Eng damit zusammen hangtubrigens die durch die Politik (!) bewirkteaktuelle Hervorhebung der monetaren ge-genuber den nicht-monetaren Anreizen desProfessorenberufs – vielleicht ist es ja garnicht so schlecht, wenn man sich auch als(angehende/r) Hochschullehrer/in von Zeitzu Zeit einmal uber die Relation der moneta-ren zu den nicht-monetaren Anreize seinesBerufes Gedanken macht. Insoweit stellendie aktuellen Diskussionen durchaus eineAnregung zur Entwicklung neuer Optionen

dar – auch wenn sich diese dann vielleichtnicht ganz mit denen decken, die die Politikfur uns alle vorgedacht hat.

Literatur

[LeMe02] Leist, Susanne; Meier, Marco: Perspekti-ven der Junior-Professur aus Sicht von Nach-wuchs- wissenschaftlern der Wirtschaftsinfor-matik. In: WIRTSCHAFTSINFORMATIK44 (2002) 5, S. 511–512.

Prof. Dr. Stefan Kirn,TU Ilmenau,

Institut fur Wirtschaftsinformatik,Stellvertretender Nachwuchsobmannder Wissenschaftlichen Kommission

Wirtschaftsinformatik (WKWI)

Replik zum Leserbrief vonErich Ortner „Was behauptet dieWirtschaftsinformatik eigentlich?“(in: WIRTSCHAFTSINFORMATIK 45(2003) 1, S. 100–101)von Wolfgang Konigund Armin Heinzl

Erich Ortner argumentiert ausschließlichentlang theoretischer-deduktiver �berlegun-gen, wahrend wir bereits in unserem Leser-brief in WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44(2002) 5, S. 508–511, darauf hingewiesen ha-ben, dass pragmatisch-evolutionare Gege-benheiten auch das Erscheinen von Wissen-schaften beeinflussen, vielleicht sogar inZeiten starken außeren Drucks – man denkebeispielsweise an vielfaltige Budgetkurzun-gen in Universitaten – in erhohtem Maße.Problematisch wird sein monokausales Welt-bild, wenn – wie geschehen – hierauf fuß-ende Argumente kommen, die andere Denk-muster und Schlussfolgerungen rundumaußer Acht lassen.

So sagt Erich Ortner, dass Wissenschaftenoffen sein mussen und Segregationsbildun-gen unzulassig sind. Wer wollte dem wider-sprechen? Aber diese sehr allgemein formu-lierte Forderung kann doch nicht bedeuten,dass es grundsatzlich unmoglich ist, eineneue Wissenschaft zu begrunden. Die Ent-scheidung, ob ein solches Konstrukt imWettbewerb uberlebt oder nicht, sollten wirzumindest dann, wenn sich zu diesem ein-fachen Weltmodell wesentliche, aber nichterfassbare Einflusse bemerkbar machen,nicht einseitig theoretisch-deduktiv vorweg-zunehmen versuchen. Oder anders herumformuliert: Wissenschaftler, welche die prag-matisch-evolutionare Dimension systema-tisch ausblenden, drucken eigentlich nur aus,dass sie diese fur nicht relevant erachten, und

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mussen sich dann z. B. fragen lassen, wie inden sechziger Jahren die Informatik entstan-den ist.

Erich Ortner fordert die Erarbeitung eines„originaren Grundlagenwissens“. Auch dieswirkt als ein bezuglich pragmatisch-evolu-tionarer Gegebenheiten ungerechtfertigter-weise alles erschlagendes Argument. Zumeinen ist die Bestimmung dessen, wasGrundlagen sind, unscharf. Zum anderendiffundieren in einer zwangslaufig schritt-weise aufkommenden Interdisziplin originargeschaffene Grundlagen zunachst per se indie Mutterdisziplinen. Dies ist insofern aucherstrebenswert, da unser ursprunglicher Ar-beitszweck als Forscher nicht darin besteht,Wissenschaftsgrenzen aufzubauen oder ein-zureißen, sondern Probleme in unserer Le-bens- und Arbeitswelt zu erkennen undnachhaltig zu losen. Es ist doch gerade einewesentliche Erklarung fur das Entstehen vonInterdisziplinen, dass die Mutterdisziplinen– aus welchen Grunden auch immer – wich-tige Probleme der Lebens- und Arbeitsweltentweder nicht erkennen oder nicht adaquatlosen. Vor diesem Hintergrund erscheint essinnvoll, dass z. B. die Informatik aus derWirtschaftsinformatik Anstoße fur dasWorkflow-Management ubernimmt, genauso wie die Wirtschaftswissenschaften aus derWirtschaftsinformatik Impulse fur die theo-retische Fundierung der Produktion von In-formation erhalten. Dies ist doch eine Formder oben geforderten Offenheit der Wissen-schaften. Und dieser Zusammenhang giltinsbesondere fur Grundlagen. Insofern er-scheint es verfruht und verkurzt, nach denoriginaren Grundlagen der aufkommendenWirtschaftsinformatik zu fragen, zumal diemonokausal begrundete Antwort von ErichOrtner bereits gegeben wurde: Man kann dieWirtschaftsinformatik „. . . ohne Rest Fa-chern wie Informatik, Wirtschaftswissen-schaften, . . .“ zuschlagen. Nach diesemDenkmuster konnte allerdings auch die In-formatik wahrscheinlich ohne Rest der Ma-thematik zugeordnet werden und die Wirt-schaftswissenschaften gingen ruckstandslosin den Sozialwissenschaften auf. Allerdingssind beide Disziplinen existent und sehr le-bendig.

Erich Ortner konstatiert daruber hinaus,dass „die unbestreitbaren Grundlagen einerWissenschaft . . . a) originare Gedanken undb) der wissenschaftliche Charakter, d. h. diemethodisch erfolgte �berprufung der Gul-tigkeit ihrer Grundlagen [sind]“. Nach demdarauffolgenden Absatz fugt er hinzu: „Wasdie Wirtschaftsinformatik in dieser Qualitatheute originares behauptet, ja daruber gebenWolfgang Konig und Armin Heinzl in ihremLeserbrief keine Stellungnahme ab.“ Zur

Frage des wissenschaftlichen Charaktersmochten wir nur kurz ausfuhren, dass dann,wenn methodische Standards eingehaltenwerden, wahrscheinlich pragmatisch-evolu-tionare Faktoren ein starkeres Gewicht be-zuglich der Bildung von Wissenschaftsdis-ziplinen erhalten. Erich Ortner fordertinduktive oder deduktive Substanziierungjeglicher Inhalte der Wirtschaftsinformatikund wir stimmen zu – wer wollte dem wi-dersprechen? – , mochten aber anmerken,dass dies kein Spezifikum der Wirtschafts-informatik ist, sondern fur jede Disziplingilt. Tatsachlich sind wir uberzeugt, dass dieWirtschaftsinformatik nur die Chance zum�berleben wahrt, wenn Methodenstandardseingehalten werden. Und hinsichtlich deroriginaren Gedanken – nicht nur Grund-lagen – haben wir in Heft 5/2002 darauf hin-gewiesen, dass wir einen Ideenwettbewerbbrauchen, denn nur durch Innovation wer-den wir unsere Stellung im Wettbewerb derWissenschaften halten, vielleicht sogar aus-bauen konnen. Dies war eine Zielsetzungunserer Delphi-Studie, namlich zu helfen,zukunftige Arbeitsfelder, auf denen nachhal-tige Innovationen getatigt werden konnen,zu identifizieren. Und auch unsere Ausfuh-rungen zum Kollaborationsindividualistenrespektive Individualkollaborateur gebenhierzu Anregungen. Die Bewertung derLeistungsbeitrage uberlassen wir bewahrtenMechanismen der Qualitatssicherung imRahmen von wissenschaftlichen Begutach-tungsprozessen fur Veroffentlichungen oderProjektbewilligungen. Unsere Leser mogendie angesprochenen Arbeitsfelder vertiefen,erganzen oder abwandeln. Oder sie bringenihrerseits neue Ideen in den Wettbewerb ein.Das ist es, was benotigt wird. Wir solltendiesen Weg auch weiter beschreiten, statt unsin einseitigen theoretisch-deduktiven �ber-legungen zu erschopfen.

Allein der Tatbestand, dass sich dieser Leser-brief nur zu 10% seines Umfangs mit Inno-vation und konkreter Losung wichtiger Auf-gaben in der Lebens- und Arbeitsweltbefasst, konnte per se als problematisch be-anstandet werden.

Prof. Dr. Wolfgang Konig,Universitat Frankfurt;

Prof. Dr. Armin Heinzl,Universitat Mannheim

Mitteilungen desGI-Fachbereichs Wirtschafts-informatik

Rahmenempfehlung fur dieUniversitatsausbildungin Wirtschaftsinformatik

– Von einer Fachkommission im Auftrag derWissenschaftlichen Kommission (WK) Wirt-schaftsinformatik im Verband der Hoch-schullehrer fur Betriebswirtschaft e.V. unddes Fachbereichs Wirtschaftsinformatik derGesellschaft fur Informatik e.V. (GI) erarbei-tet und von der WK (Marz 2002 im Umlauf-verfahren) und dem Prasidium der GI am31.1.2003 genehmigt.

0 Vorbemerkung

Studienplanempfehlungen fur die Ausbil-dung in Wirtschaftsinformatik gibt es seit1984. Damals rief die Schmalenbach-Gesell-schaft/Deutsche Gesellschaft fur Betriebs-wirtschaft e.V. einen Fachausschuss ins Le-ben, der unter Leitung von P. Mertens eineEmpfehlung erarbeitete. Der Ausschusswurde von der Wissenschaftlichen Kommis-sion (WK) Betriebsinformatik im Verbandder Hochschullehrer fur Betriebswirtschafte.V. und der Gesellschaft fur Informatik e.V.mitgetragen. Die Empfehlung trug den Titel„Anforderungsprofil fur die Hochschulaus-bildung“ im Bereich der betrieblichen Da-tenverarbeitung „(Betriebsinformatik)‘‘ [1].

Die rasche Weiterentwicklung im technolo-gischen Umfeld der WI, verbunden mit einerinhaltlichen Konsolidierung des Fachs,machten bereits nach wenigen Jahren eine�berarbeitung erforderlich. Auf Initiativeder WK Wirtschaftsinformatik wurde 1989unter Leitung des damaligen Sprechers (K.Kurbel) eine durchgangig revidierte Fassungder Empfehlung erstellt [2]. Eine erneute�berarbeitung schloss sich im Jahre 1996 an[3]. Zwischenzeitlich hatten sich auch eigen-standige Studiengange mit dem Abschluss„Diplom-Wirtschaftsinformatiker/in‘‘ etab-liert. 1992 wurden Empfehlungen fur die in-haltliche Ausgestaltung dieser Studiengangeverabschiedet [4].

Neue Entwicklungen, Paradigmen und me-thodische Ansatze machten jetzt erneut eineRevision der verschiedenen Studienplanemp-fehlungen erforderlich. Die vorliegendeEmpfehlung beschreibt einen allgemeinenRahmen fur die Wirtschaftsinformatik-Aus-bildung, der unabhangig von unterschiedli-chen Auspragungen ist und fur alle Ausbil-dungsformen (Prasenzlehre, E-Learning,

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Mitteilungen des GI-FB WI 381

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virtuelle Ausbildung u. a.) gelten kann. Siesteht in Einklang mit der Rahmenprufungs-ordnung fur Wirtschaftsinformatik, die 1999von der Kultusministerkonferenz der Bun-desrepublik Deutschland erlassen wurde [5].

Der Kommission, die diese Empfehlung er-arbeitete, gehorten folgende Personen an:Prof. Dr. Hans-Jurgen Appelrath (Univer-sitat Oldenburg), Prof. Dr. Jorg Becker(Universitat Munster), Prof. Dr. GerhardKnolmayer (Universitat Bern), Prof. Dr.Karl Kurbel (Universitat Frankfurt/Oder –Sprecher der Kommission), Prof. Dr. PeterMertens (Universitat Erlangen-Nurnberg),Dr. Olaf Roper (Krupp Uhde AG, Dort-mund), Dr. Frank Schonthaler (PromatisAG, Karlsbad), Prof. Dr. Elmar Sinz (Uni-versitat Bamberg), Prof. Dr. Horst Strunz(ExperTeam AG, Koln), Prof. Dr. WolffriedStucky (Universitat Karlsruhe), Dr. MichaelTeufel, VEW Energie, Dortmund), Prof. Dr.Klaus G. Troitzsch (Universitat Koblenz),Prof. Dr. Rainer Unland (Universitat Essen),Dr. Andre Warner (PSI AG, Berlin) und Dr.Raoul Wild (S Broker AG, Duisburg).

1 Gegenstand der Empfehlung

Universitatsausbildung im Fach Wirtschafts-informatik wird unter verschiedenen Rah-menbedingungen praktiziert. Unterschiedeliegen u. a. hinsichtlich der Zielgruppen, desUmfangs, der institutionellen Verankerungund der inhaltlichen Schwerpunkte vor. DieAuspragungen reichen von Einfuhrungsver-anstaltungen und Wahlpflichtfachern in ei-nem betriebswirtschaftlichen Studium uberStudienschwerpunkte, Nebenfacher in ande-ren Studiengangen (z. B. Informatik, Mathe-matik) bis hin zu eigenstandigen Studiengan-gen, die zum Diplom oder neuerdings zueinem Bachelor- oder Master-Grad in Wirt-schaftsinformatik fuhren.

Im Gegensatz zu den fruheren Empfehlun-gen, die jeweils nur fur eine bestimmte Aus-pragung der Wirtschaftsinformatik-Ausbil-dung galten, wird mit der vorliegendenversucht, die Wirtschaftsinformatik-Ausbil-dung in allgemeinerer Form durch inhalt-liche Schwerpunkte zu beschreiben. Damitsoll ein gemeinsames Dach fur die Vielfaltvon Ausbildungsvarianten geschaffen wer-den. Die Abbildung der Inhalte auf konkreteLehrveranstaltungen kann im Einzelfall un-ter den jeweiligen universitatsspezifischenGegebenheiten getroffen werden (vgl. untenAbschnitt 6).

2 Gegenstand und Ziele der Ausbildung

Gegenstand der Wirtschaftsinformatik sindInformations- und Kommunikationssysteme

(IKS) in Wirtschaft und Verwaltung, die zu-nehmend auch in die privaten Haushalte hi-neinwirken; sie werden kurz als Informati-onssysteme (IS) bezeichnet. IS sindsoziotechnische Systeme, d. h., die Aufgabenwerden von personellen und maschinellenAufgabentragern kooperativ durchgefuhrt.

Von IS zu unterscheiden sind betrieblicheAnwendungssysteme (AS). Anwendungssys-teme sind automatisierte Teilsysteme von IS.Im weiteren Sinne umfassen sie die zugeho-rige Hardware, Systemsoftware, Kommuni-kationseinrichtungen und Anwendungssoft-ware. Im engeren Sinne wird mit demBegriff die Anwendungssoftware bezeichnet.

Aufgabe der Wirtschaftsinformatik ist dieEntwicklung und Anwendung von Theo-rien, Konzepten, Modellen, Methoden undWerkzeugen fur die Analyse, Gestaltungund Nutzung von Informationssystemen.Dabei greift die Wirtschaftsinformatik auchauf Ansatze der Betriebswirtschaftslehre(und gelegentlich der Volkswirtschaftslehre)sowie der Informatik zuruck, die sie erwei-tert, integriert und um eigene spezifischeAnsatze erganzt.

Aus der Sicht betrieblicher Systeme arbeitetdie Wirtschaftsinformatik querschnittsbezo-gen, aus der Sicht der Wissenschaftsgebieteinterdisziplinar. Gerade die Wirtschaftsinfor-matik kann einen Beitrag dazu leisten, dasDenken in integrierten Systemen zu schulen.Wichtige Voraussetzung fur das Hochschul-studium der Wirtschaftsinformatik sind da-her gute analytische und konstruktive Fahig-keiten im Hinblick auf ganzheitliche,integrative Ansatze.

Die Berufstatigkeit des Wirtschaftsinformati-kers bringt es mit sich, dass an bestimmteSchlusselqualifikationen (z. B. Arbeiten ininterdisziplinaren Projektteams, Prasentationund Diskussion von Arbeitsergebnissen,auch in Fremdsprachen, Erstellung von Do-kumentationen) hohe Anforderungen zustellen sind. Lehrveranstaltungen, in deneneinschlagige Fahigkeiten dazu vermittelt undgeubt werden, mussen einen hohen Stellen-wert erhalten. Die Wahrnehmung der gestal-terischen Aufgaben bei der Entwicklung vonInformationssystemen setzt das Verstandnisder Wirkungsmechanismen von Software-systemen voraus; dementprechend ist es un-abdingbar, dass Studierende auch selbst Pro-gramme entwickeln.

Ein Hochschulstudium soll die Studierendenmit der wissenschaftlichen Durchdringungihres Fachgebiets vertraut machen. Demge-maß sollen mit dem Wirtschaftsinformatik-Studium die Ansatze vermittelt werden, dieAbsolventinnen und Absolventen in die La-

ge versetzen, IS in Organisationen und orga-nisationsubergreifend zu analysieren, zu ge-stalten, zu implementieren und zu nutzen.Als zukunftige Entscheidungstrager und Ak-teure sollen sie befahigt werden, die Nutzen-potenziale der zielgerichteten Informations-versorgung insbesondere zur inner- undzwischenbetrieblichen Optimierung von In-formations- und Guterflussen zu verstehenund durch geeigneten Einsatz von IS zu rea-lisieren.

Das wissenschaftliche Studium der Wirt-schaftsinformatik ist konzeptionell-metho-disch fundiert und gleichzeitig berufs- undarbeitsmarktorientiert. Das Erwerben vonProblemlosungskompetenz ist ein wichtigesTeilziel der Ausbildung. Konkrete Produkteund Fallstudien werden herangezogen, umAnsatze zu verdeutlichen bzw. umzusetzen.Die Wirtschaftsinformatik-Ausbildung tragtder Tatsache Rechnung, dass die Informati-onsverarbeitung die Strategien, Funktionenund Prozesse von Unternehmen und Unter-nehmensverbunden stark beeinflusst oderuberhaupt erst ermoglicht.

3 Schnittstellen zurBetriebswirtschaftslehre und Informatik

Da die Wirtschaftsinformatik als interdiszip-linares Fach Wissensgebiete der Betriebs-wirtschafts-lehre und der Informatik inte-griert, muss bei der Festlegung der Inhaltegefragt werden, ob bzw. in welchem AusmaßAusbildungsgegenstande dieser beiden Dis-ziplinen außerhalb der Wirtschaftsinformatikgelehrt werden. Zwei typische Szenariensind die folgenden:

a) Wenn die Wirtschaftsinformatik-Ausbil-dung von einer wirtschaftswissenschaftli-chen Fakultat getragen wird, kann in derRegel davon ausgegangen werden, dassdie betriebswirtschaftlichen Komponen-ten bereits abgedeckt sind. Es ist dann si-cherzustellen, dass auch die relevantenTeile der Informatik vermittelt werden.Letzteres kann, wenn eine Informatik-Fa-kultat vorhanden ist, durch diese erfolgen;andernfalls mussen die Informatikteile imRahmen der Wirtschaftsinformatik-Aus-bildung gelehrt werden.

b) Der umgekehrte Fall liegt vor, wenn eineInformatik-Fakultat das Fach Wirt-schaftsinformatik anbietet. In diesem Fallkann in der Regel davon ausgegangenwerden, dass die relevanten Informatik-komponenten des Wirtschaftsinformatik-Studiums bereits abgedeckt sind, wah-rend andererseits sichergestellt werdenmuss, dass auch die relevanten Teile derBetriebswirtschaftslehre im Rahmen derAusbildung vermittelt werden.

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Der Beschreibung der Ausbildungsinhalte imfolgenden Abschnitt liegt der Fall a) zugrun-de, der fur dieMehrzahl derWirtschaftsinfor-matik-Ausbildungsgange zutrifft. Auf denFall b) wird im Abschnitt 5 eingegangen.

4 Inhalte des Studiums

4.1 Vorkenntnisse

Allgemeine Kenntnisse und Fertigkeiten furden Umgang mit einem Personal Computerwerden nicht als Bestandteile derWirtschafts-informatik-Ausbildung angesehen, sondernvorausgesetzt. Es wird erwartet, dass Studie-rende mit einem Betriebssystem, Browser,Textverarbeitungssystem, Tabellenkalkulati-on, ElectronicMail etc. umgehen konnen.

Studienanfangern, die uber diese Kenntnissenoch nicht verfugen, sollte ein Vorberei-tungskurs angeboten werden. Der Umgangmit Office-Programmen kann hierbei an be-triebswirtschaftlichen Beispielen vermitteltwerden.

4.2 Hauptausbildungsbereiche

Die wesentlichen Inhalte der Wirtschafts-informatik-Ausbildung werden den folgen-den sieben Schwerpunkten zugeordnet. Ent-sprechend der Zielsetzung der Empfehlungwerden sie thematisch umrissen, aber nichtin allen Details spezifiziert. Hier sollen Ge-staltungsfreiraume fur die jeweilige Univer-sitat erhalten bleiben.

Teilweise brauchen die Schwerpunkte nichtim Rahmen der Wirtschaftsinformatik-Aus-bildung gelehrt zu werden, wenn sie an an-derer Stelle im Studienplan verpflichtendvorgeschrieben sind. Dies gilt etwa fur denSchwerpunkt (2), falls er im Fach Informatikgelehrt wird, oder den Schwerpunkt (7), derdurch Lehrveranstaltungen in Betriebswirt-schaftslehre und Informatik abgedeckt seinkann.

(1) Allgemeiner Teil

a) Gegenstand der Wirtschaftsinformatik,�berblick uber Teilgebiete, Arten von In-formationssystemen

b) Bezuge zwischen Wirtschaftsinformatikund Unternehmensfuhrung; angelsachsi-sche Sichtweise: Management Informati-on Systems

c) Rechtliche Rahmenbedingungen: Ver-tragsrecht, Urheberrecht, Datenschutz,Betriebsverfassung, Unternehmensrecht,Produkthaftung u. a.

d) Relevante Betrachtungsgegenstande undMethoden aus den Verhaltenswissen-schaften

e) Informatik-Industrie (Produktpolitik,Softwaremarketing, Standardisierung, In-novationsmanagement); Markt fur Infor-matik-Produkte

(2) Informations- und Kommunikations-technologie

a) Theoretische Grundlagen der Informatik;Funktionsweise und Nutzungsformenvon Rechner- und Betriebssystemen:Hardwarekomponenten, Rechnerarchi-tekturen, Systemsoftware

b) Hardware- und Systemsoftwareplattfor-men (z. B. MS Windows/PC, Sun Solaris/Workstation, Datenbankmanagementsys-teme) sowie Middleware und Entwick-lungsplattformen (z. B. CORBA, COM/DCOM, J2EE/EJB)

c) Rechnernetze: Internet, Intranet; lokaleNetze, Weitverkehrsnetze; drahtlose Net-ze

d) Datenkommunikation: Dienste (z. B.WWW, FTP, Telnet, SMS) und Protokol-le (z. B. TCP/IP, HTTP, SMTP)

(3) Informationsmanagement

a) Produktionsfaktor Information; Gestal-tung der Informationsfunktion inUnternehmen; Nutzen von Information;Informationsbedarfsanalyse; Planung,Steuerung und Kontrolle der RessourcenHardware und Software (insbes. Infra-struktur und Anwendungssysteme), In-formation, Wissen, Menschen

b) Informationsversorgungsstrategie; Quali-tat der Informationsversorgung; Risikoa-nalyse; Kosten-Nutzen-Betrachtungen;Controlling der Informationsversorgung;IV-Aufbauorganisation, Outsourcing; In-formationsmarkt

c) Gestaltung und Betrieb von Informati-onsnetzen zur Schaffung von Mehrwert(z. B. Supply Chain); Diffusion von Stan-dards, Interoperabilitat; Ansatze zur un-ternehmensinternen und zur unterneh-mensubergreifenden Integration vonAnwendungssystemen (z. B. EnterpriseApplication Integration); Systeme zurUnterstutzung der Kooperation (z. B.Groupware, Workflowsysteme)

d) Sicherheit in der Informationsverarbei-tung (IV); Datenschutz

e) Informationssystem-Architektur als „Ge-neralbebauungsplan“ des Unternehmens;Modelle, Methoden und Werkzeuge zurGestaltung von IS-Architekturen; tech-nologische Infrastruktur; Integrations-konzepte, individuelles/personelles Infor-mationsmanagement

(4) Betriebliche Informationssysteme,Electronic Business/Electronic Commerce

Anmerkung: Angesichts der zunehmendenNetz- bzw. Internetbasierung der betriebli-

chen Informationssysteme wird darauf ver-zichtet, eine Abgrenzung zwischen den „tra-ditionellen“ Informationssystemen und denfur Electronic Commerce, Electronic Busi-ness etc. geeigneten Informationssystemenzu treffen. Netzorientierte Aspekte, ein-schließlich des Mobile Commerce/MobileBusiness, werden deshalb nicht gesondertausgewiesen, sondern unter diesem Schwer-punkt subsummiert.

a) Wirtschaftszweigorientierte Informati-onssysteme, insbesondere in Industrie,Handel und Dienstleistungssektor, ein-schließlich Enterprise-Resource-Plan-ning-Systemen

b) Prozessorientierte Informationssysteme(z. B. Auftragsabwicklung), funktionsori-entierte Informationssysteme (z. B. Per-sonalwirtschaft, Finanzwirtschaft)

c) Funktions- und prozessubergreifende In-tegrationsbereiche (z. B. Life CycleManagement, Customer RelationshipManagement, Computer Integrated Ma-nufacturing, Supply Chain Management)

d) Elektronische Marktplatze; digitale Pro-dukte

(5) Anwendungssystem-Entwicklung

a) Grundlagen der Entwicklung von AS:Analyse, Entwurf, Realisierung, Einfuh-rung, Betrieb und Wartung; Modellierungvon Daten, Funktionen, Vorgangen undProzessen; objektorientierte Modellie-rung (z. B. auf Basis von UML), BusinessObjects; Geschaftsprozess- und Work-flow-Modellierung; Vorgehensmodelle;Software Engineering (einschl. Require-ments Engineering); Softwareergonomie;Entwicklungswerkzeuge (Programmier-sprachen, Software-Entwicklungsumge-bungen, CASE Tools u. a.); Algorithmikund Programmierung

b) Entwicklung webbasierter AS: WebsiteEngineering, Vorgehensmodelle; client-seitige Entwicklung (HTML, JavaScript,XML u. a.); serverseitige Entwicklung(Common Gateway Inter-face, ActiveServer Pages, Java Server Pages, Servlets,Applikationsserver u. a.); multimedialeInformationsdarstellung; Internetportale;Benutzerschnittstellengestaltung

c) Auswahl, Anpassung und Einfuhrungvon Standardanwendungssoftware (z. B.von Enterprise-Resource-Planning-Syste-men): Phasenmodell fur betrieblicheAnwendungssysteme; Customizing, Para-metrisierung, Generierung u. a.

d) Systemintegration: Integration von Indi-vidual- und Standardsoftware; Integrati-on von Neu- und Altsystemen; Software-Reengineering; Schnittstellen undIntegration von Standardsoftware unter-schiedlicher Hersteller; Schnittstellen zutechnischen Systemen (z. B. CAx); Vor-

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Mitteilungen des GI-FB WI 383

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gehensmodelle zur Beherrschung des In-tegrationsprozesses

(6) Daten und Wissen

a) Datenmodelle und Datenbanksysteme:Konzeptuelle Datenmodellierung, Unter-nehmens-datenmodellierung (insbesonde-re Entity-Relationship-Modellierung, ob-jektorientierte Datenmodellierung);Datenbankschemata; Datenbankmanage-mentsysteme; Datenbanksprachen (ins-besondere SQL)

b) Data Mart, Data/Information Warehouse:Konzepte und praktische Losungen

c) Wissensreprasentation und -verarbeitung,Knowledge Engineering; Wissensmanage-ment, Business Intelligence (einschl.KDD – Knowledge Discovery in Databa-ses, Data Mining, Text Mining)

(7) Dispositions- und Entscheidungshilfen

a) Mathematisch-statistische Methoden undModelle, z. B. Prognoseverfahren

b) Methoden und Modelle des OperationsResearch (einschließlich Methoden undModellen der Simulation)

c) Methoden und Modelle der KunstlichenIntelligenz, des Softcomputing und derAgententechnologie

d) Hilfsmittel fur das strategische Manage-ment (z. B. Risikoanalysen)

4.3 Erganzende Hinweise

Wenn Studierende der Wirtschaftsinformatikgleichzeitig betriebswirtschaftliche Facherstudieren – dies ist typisch etwa fur Wirt-schaftsinformatik-Ausbildung als Wahl-pflichtfach im BWL-Studium oder als Di-plom-Studiengang Wirtschaftsinformatik –und wenn an der jeweiligen Universitat ent-sprechende Facherkombinationen existieren,wird empfohlen, die Schwerpunkte im Wirt-schaftsinformatik-Studium entsprechend de-nen im BWL-Studium zu akzentuieren. Sokonnten Studierende mit BWL-Wahlpflicht-fach Industriebetriebslehre oder Logistik beientsprechenden Wahlmoglichkeiten im FachWirtschaftsinformatik etwa die Vertiefung„Industrielle Informationssysteme“ wahlen.Fur Studierende mit Schwerpunkt Marketingbietet sich ein Besuch der Veranstaltung„Customer Relationship Management“ an.Bei Unternehmensfuhrung als BWL-Schwer-punkt ist es naheliegend, Informationsmana-gement eingehender zu studieren.

5 Wirtschaftsinformatik furNicht-Wirtschaftswissenschaftler

Fur das Studium der Wirtschaftsinformatiksind betriebswirtschaftliche Kenntnisse un-verzichtbar. Diese mussen im jeweiligen Stu-

diengang verpflichtend vorgesehen sein. Eswird davon ausgegangen, dass diese Voraus-setzung durch den Aufbau des Studiums her-gestellt wird, wenn WirtschaftsinformatikBestandteil eines wirtschaftswissenschaftli-chen Studiums oder ein eigenstandiger Studi-engang ist (vgl. auch Abschnitt 6).

Wenn Wirtschaftsinformatik im Rahmenoder als Erganzung eines anderen Studien-gangs (z. B. Informatik, Ingenieurwissen-schaften) angeboten wird, so ist es unabding-bar, dass auch die betriebswirtschaftlichenKomponenten in der Ausbildung verankertwerden. Sofern dies nicht außerhalb desFachs Wirtschaftsinformatik im engerenSinne erfolgt, mussen die betriebswirtschaft-lichen Komponenten in die Wirtschaftsinfor-matik-Ausbildung mit aufgenommen wer-den. Dies erfordert ein entsprechend hoheresStundenvolumen fur das Fach Wirtschafts-informatik.

Als wesentlich und unabdingbar werden diefolgenden betriebswirtschaftlichen Teilgebie-te betrachtet:

a) Entlang der Wertschopfungskette: Mar-keting und Vertrieb, Produktion, Be-schaffung, Logistik

b) Querschnittsfunktionen: Personalwesen,Rechnungswesen, Finanzierung, Unter-nehmensfuhrung, Organisation

6 Gewichtung undSchwerpunktsetzungen

Angesichts der Vielfalt von Varianten derWirtschaftsinformatik-Ausbildung und dermittlerweile zu verzeichnenden Differenzie-rung des Fachs wird darauf verzichtet, eineexplizite Gewichtung der Hauptausbil-dungsbereiche bzw. eine stundenmaßige Ver-teilung auf Lehrveranstaltungen vorzuneh-men. Diese muss im Einzelfall unterBerucksichtigung der ortlichen Gegebenhei-ten, der wissenschaftlichen Ausrichtung derFachvertreter und des im Studienplan vor-gesehenen Umfangs vorgenommen werden.Die o. g. Bereiche (1) bis (7) werden alsKernbereiche der Wirtschaftsinformatik-Ausbildung angesehen. Sie sollen als Orien-tierung fur die Gestaltung des Studienplansdienen. Wenn das Stundenkontingent nichtausreicht, alle Bereiche umfassend zu behan-deln, so werden zeitliche Kurzungen in allenBereichen, jedoch nicht das Weglassen einesgesamten Bereichs empfohlen.

Fur eigenstandige Studiengange Wirtschafts-informatik (Diplom-, Bachelor-, Master-Stu-diengange u. a.) gilt unverandert die Pramis-se, dass Inhalte der Betriebswirtschaftslehre,der Informatik und der Wirtschaftsinforma-

tik im engeren Sinne etwa mit gleichem An-teil vertreten sein sollten, erganzt um einevierte Saule vergleichbaren Umfangs mitGrundlagen aus Mathematik, Statistik, Rechtund Verhaltenswissenschaften [4]. Der Ge-samtumfang des Studiums orientiert sich ander Rahmenordnung fur die Diplomprufungim Studiengang Wirtschaftsinformatik anUniversitaten und gleichgestellten Hoch-schulen [5], die 180 SWS und 9 Semester Re-gelstudienzeit (einschließlich Studienarbei-ten, Diplomarbeit, usw.) vorsieht. Danachsollte z. B. ein Bachelorstudium mit 6 Semes-tern Regelstudienzeit insgesamt 120 SWSumfassen.

In der Minimalversion – in Studiengangen, indenen Wirtschaftsinformatik lediglich einenmoglichen Schwerpunkt darstellt (z. B. alsVertiefungsfach in einem betriebswirtschaft-lichen Studium) – sollte der Gesamtumfangim Grund- und Hauptstudium 20 SWS nichtunterschreiten. Im ECTS (European Com-munity Course Credit Transfer System) ent-spricht dies einer Leistung von 30 Credits.

Anmerkung

Alle als Beispiele genannten System- oderProduktbezeichnungen sind bezogen auf dasStichjahr 2001.

Literatur

[1] Vgl. Mertens, P. (Berichterstatter): „Anforde-rungsprofil fur die Hochschulausbildung imBereich der Betrieblichen Datenverarbeitung(Betriebsinformatik)‘‘. In: Informatik-Spek-trum 7 (1984) 4, S. 256–258.

[2] Vgl. „Anforderungsprofil fur die Universitats-ausbildung in Wirtschaftsinformatik in wirt-schaftswissenschaftlichen Studiengangen‘‘. In:Informatik-Spektrum 12 (1989) 4, S. 225–228,und in Wirtschaftsinformatik 32 (1990) 5, S.472–475.

[3] Vgl. „Anforderungsprofil fur die Universitats-ausbildung in Wirtschaftsinformatik in wirt-schaftswissenschaftlichen Studiengangen‘‘. In:Wirtschaftsinformatik 39 (1997) 5, S. 514–517.

[4] Vgl. „Rahmenempfehlungen fur Diplom-Stu-diengange Wirtschaftsinformatik an Univer-sita-ten‘‘. In: Informatik-Spektrum 15 (1992) 2,S. 101–105, und Wirtschaftsinformatik 34(1993) 4, S. 446–449.

[5] Vgl. „Rahmenordnung fur die Diplomprufungim Studiengang Wirtschaftsinformatik an Uni-versitaten und gleichgestellten Hochschulen‘‘,hrsg. vom Sekretariat der Standigen Konferenzder Kultusminister der Lander in der Bundes-republik Deutschland (1999).

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Aus den Hochschulen

Dr.-Ing. Sahin Albayrak, Jahrgang 1958, dersich 2002 habilitierte und die Lehrbefugnisfur das Fach Angewandte Informatik erhielt(vgl. WIRTSCHAFTSINFORMATIK 44(2002) 5, S. 513), hat im Fachbereich Infor-matik der Technischen Universitat Berlineine Professur fur Agententechnologien inbetrieblichen Anwendungen und der Tele-kommunikation angenommen. Er ist gleich-zeitig wissenschaftlicher Leiter des Distribu-ted-Artificial-Intelligence-(DAI-)Labors derTechnische Universitat Berlin. Seine For-schungsschwerpunkte sind Aufbau undNutzung agentenorientierter Technologien,Service-Engineering und Anwendungsent-wicklung in Telekommunikation undE-Business sowie im Mobile Management.

Prof. Dr. Jorg Becker, Jahrgang 1959, Uni-versitat Munster, hat einen Ruf auf dieProfessur fur Betriebswirtschaftslehre, ins-besondere Wirtschaftsinformatik, an derUniversitat des Saarlandes, Saarbrucken, er-halten. Seine Forschungsschwerpunkte sindInformationsmanagement, Informations-modellierung, Referenzmodellierung, Pro-zessmanagement, Handels- und Industrie-informationssysteme(http://www.wi.uni-muenster.de/is/mitarbeiter/person.cfm?name= isjobe).

An der Universitat St. Gallen wurde Anfang2003 unter Leitung von Prof. Dr. ElgarFleisch und in Kooperation mit dem Massa-chusetts Institute of Technology, Boston, ei-nes der sechs global verteilten Auto-ID Cen-ter Labs gegrundet. Seine Mission ist dieEntwicklung betriebswirtschaftlicher An-wendungen auf Basis des Ubiquitous-Com-putings und die Mitentwicklung der dazubenotigten Infrastruktur zur automatischenIdentifikation (http://autoidcenter.org).

Prof. Dr. Wilhelm Hasselbring hat den Rufauf eine Professur fur Praktische Informatikmit dem Schwerpunkt Software-Enginee-ring/Software-�kononomie an die Univer-sitat Kassel (vgl. WIRTSCHAFTSINFOR-MATIK 45 (2003) 1, S. 102) abgelehnt undeinen Ruf auf eine C4-Professur fur Soft-ware-Engineering im Fachbereich Informa-tik der Universitat Oldenburg angenommen.

Prof. Dr. Florian Matthes, Jahrgang 1963,der an der Technischen Universitat Ham-burg-Harburg eine Professur fur Software-systeme bekleidete, hat einen Ruf an dieTechnische Universitat Munchen in derFakultat fur Informatik auf den Ernst-De-

nert-Stiftungslehrstuhl fur Software-Engi-neering betrieblicher Informationssystemeangenommen. Seine gegenwartigen For-schungsschwerpunkte sind Softwarekarto-graphie, generische Content-Management-und Community-Systeme sowie ihre soft-waretechnischen und programmiersprach-lichen Grundlagen(http://wwwmatthes.in.tum.de).

Prof. Dr. Gunther Pernul hat den Ruf an dieUniversitat Regensburg auf eine Professurfur Wirtschaftsinformatik in der Fakultat furWirtschaftswissenschaften (vgl. WIRT-SCHAFTSINFORMATIK 44 (2002) 3, S.305) angenommen.

Dr. Erhard Petzel, Jahrgang 1954, bisher alsDirektor fur E-Commerce, Online-Bankingund IT-Strategie bei der NetBank in Ham-burg tatig, hat den Ruf auf eine Professur furBanking und IT in der School of BusinessAdministration der International Universityin Germany, Bruchsal, angenommen. SeineForschungsschwerpunkte sind Informati-ons- und Technologiemanagement in Ban-ken, E-Business und IT-Sicherheit(http://www.i-u.de).

Dr. Norbert Schreier, Jahrgang 1969, bis-lang verantwortlich fur die langfristige Un-ternehmensplanung und fur das Product-Lifecycle-Management von 7er, X5 und X3in der Vertriebsregion Europa der BMWGroup in Munchen, hat den Ruf auf eineProfessur fur Betriebswirtschaft, Informa-tionstechnik, Qualitatsmanagement undMarketing im Fachbereich Fahrzeugtech-nik der Fachhochschule Esslingen ange-nommen. Seine Forschungsschwerpunktesind Informations- und Kommunikations-technologien in den Bereichen Automobilund Service sowie Marketing und Vertrieb(http://www2.fht-esslingen.de/fachbereiche/fz/profs/schreier/).

Dr. Herbert Schuster, Jahrgang 1964, bis-lang als Vorstand eines mittelstandischenSoftwareunternehmens tatig, hat an derFachhochschule Heidelberg im Fach-bereich Informatik eine Professur furWirtschaftsinformatik ubernommen. SeineForschungsschwerpunkte sind Business-Intelligence and -Analytics, IT-gestutzteProzessoptimierung sowie SAP-System-Landscape-Verbesserung(http://www.fbi.fh-heidelberg.de).

Call for Papers

SchwerpunktthemaWIRTSCHAFTSINFORMATIK Heft 3/2004

IV-ControllingMessen von Verbrauchen und Leistungen,Bewerten von Handlungsalternativen,Gestalten von Systemen

Der Erfolg vieler Unternehmen hangt vomwirksamen und kostengunstigen Nutzungs-und Durchdringungsgrad seiner Informati-ons- und Kommunikationssysteme ab. Da-bei stehen gerade in Zeiten knapper Budgetssowohl die Leistung der IT-Abteilung alsauch die damit verbundenen Kosten unterbesonderer Beobachtung. Gleichzeitig wach-sen die Anforderungen der Systemnutzer so-wie die Nachfrage der Unternehmensfuh-rung nach weiter verbesserter Unterstutzungder Geschaftsstrategie durch Informations-und Kommunikationssysteme. EmpirischeBefunde belegen etwa eine steigende Kom-plexitat der Systeme und zunehmendeFlexibilitatsanspruche. Somit kommt demControlling der Informationsverarbeitung(IV-Controlling) eine zentrale Rolle bei Pla-nung, Steuerung und Kontrolle der entspre-chenden Prozesse zu. Hier ist die Wirt-schaftsinformatik besonders gefordert, weiles um Fragen der effektiven und effizientenGestaltung der Interdependenzen zwischenTechnik, betrieblichen Aufgaben, Prozessenund Organisationsmitgliedern geht. Dies ge-schieht vor dem Hintergrund einer eherkurzfristigen, finanzorientierten Steuerungvon Unternehmen und einem starker lang-fristig ausgerichteten Potenzialaufbau in ei-nem von schnellen Innovationen gekenn-zeichneten technologischen Umfeld.

Die Fragestellungen, die an das IV-Control-ling gerichtet werden, reichen von derHerstellung einer Kosten- und Leistungs-transparenz uber das Aufzeigen von Opti-mierungspotenzialen bis hin zur Ausrichtungder IT-Systeme an den Geschaftszielen. Inder Praxis liegt zurzeit ein Fokus auf der Re-duzierung der mit dem Einsatz von Informa-tions- und Kommunikationssystemen ver-bundenen Kosten. In diesem Zusammenhangkann es auch Aufgabe des IV-Controllingssein, einen zu einseitig auf die Kostensituati-on gerichteten Blick zu relativieren und denKosten die entsprechenden Leistungen ge-genuberzustellen, um so ein unverhaltnis-maßig starkes Eingreifen in die IT-Substanzdes Unternehmens mit evtl. mittelfristigschadlichen Folgen zu vermeiden.

Zur Bewaltigung dieser Aufgaben kann manzum einen aus der Gestaltung der zwischen-

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Call for Papers 385

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betrieblichen Leistungsstrome bekannte,aber mit Blick auf die neueren Entwicklun-gen in den Unternehmen adaptierte Instru-mente einsetzen. Hierzu gehoren der Einsatzvon Service-Level-Agreements sowie dieStandardisierung der betrieblichen Prozesseder IV-Leistungserstellung. Neben den Fra-gen der okonomisch begrundeten Gestaltungvon Governance-Strukturen der IT sind auchsolche der Portfoliooptimierung, der Multi-projektsteuerung und des Life-Cycle-Cos-ting fur eigen entwickelte und Standardsoft-ware von Bedeutung. Daruber hinauswerden geeignete Budgetierungs- und Kenn-zahlensysteme verlangt, die auf der Grund-lage der Erfassung moglichst einzelner Ver-brauchseinheiten beispielsweise darlegen, inwelcher quantitativen Abhangigkeit Endbe-nutzerprozesse von verfugbaren Infrastruk-turleistungen stehen. Letztendlich ist es einZiel, auf Basis einer IV-Prozesskosten- und-Leistungsrechnung die Ausnutzung vonRessourcen zu maximieren sowie des Wei-teren zu untersuchen, ob und wie Fragen desIT-Risikomanagements in die Controlling-prozesse integriert werden konnen. Insofernbietet sich der Anwendungsfall des IV-Con-trollings auch als spannendes und zuneh-mend beherrschbares Einsatzfeld allgemeinerInfrastruktur-Planungs-, -Steuerungs- und-Kontrollverfahren an.

Mit dem geplanten Schwerpunktheft soll dieaktuelle methodische Situation des IV-Con-trollings beleuchtet und der Stand der Dis-kussion zu seiner Weiterentwicklung deut-lich gemacht werden. Erwunscht sindsowohl empirische als auch Gestaltungsbei-trage.

Beispiele fur Themengebiete sind:

& Projekt- und Multiprojektcontrolling,einschließlich Bewertung von Neu- undFolgeinvestitionen sowie von Finanzie-rungsalternativen

& Gestaltung und Bewertung von Outsour-cing

& Controlling von IV-Betriebsubergangenbei Fusionen

& Leistungsverrechnung und Sicherstellungvon Quality-of-Service fur verteilt erstell-te IV-Dienste

& Risikomanagement (z. B. Umsetzung vonBasel-II-Bestimmungen, Geschaftsfolgen-abschatzung bei Ausfall von IV-Syste-men)

& IT-Governance (z. B. Integration der Pro-zesse des IV-Controllings in die Unter-nehmensgesamtsteuerung)

& Steuerungssysteme, z. B. Balanced Score-card

& Standardisierungsanstrengungen im Be-reich der IV-Prozesse, z. B. IT Infra-structure Library (ITIL)

& Betriebscontrolling& Produktcontrolling& korperliche und finanzielle Bestandsver-

waltung (Asset Management)& Kennzahlensysteme und Berichtswesen& Werkzeugunterstutzung fur das IV-Con-

trolling

Einreichung von Betragen

Sollten Sie beabsichtigen, einen Beitrag ein-zureichen, so waren wir Ihnen fur eine baldi-ge, unverbindliche Mitteilung uber den ge-planten Arbeitstitel dankbar.

Bitte beachten Sie die Hinweise zu formalerGestaltung und Umfang von Beitragen furdie WIRTSCHAFTSINFORMATIK. Bei-trage sollten bis zu 10 Druckseiten umfassen;das entspricht ca. 50.000 Zeichen einschließ-lich Leerzeichen, abzuglich 5.000 Zeichen jeSeite an Bildern. Beitrage sollten in deutscheroder englischer Sprache verfasst sein undelektronisch (als *.doc oder *.rtf-Dokumen-te) eingereicht werden. Grafiken von ange-nommenen Beitragen werden als separateDateien in bestimmten Formaten (cdr, epsmit Voransicht oder tif) benotigt.

Eingereichte Beitrage werden anonymisiertvon jeweils drei Gutachtern auf Relevanz,Originalitat und fachliche Qualitat beurteilt.Neben den Herausgebern des Schwerpunkt-heftes und jenen der Zeitschrift WIRT-SCHAFTSINFORMATIK wirken dabeiweitere ausgewiesene Personlichkeiten ausWissenschaft und Praxis im In- und Auslandmit.

Erganzend zu den Aufsatzen sind auch Bei-trage zum Schwerpunktthema fur andereRubriken der Zeitschrift WIRTSCHAFTS-INFORMATIK willkommen, z. B. furWI – State-of-the-Art,WI – Schlagwort,WI – Innovative Produkte,WI – Interview,Fur Sie gelesen undFur Sie gesurft.Auch in diesem Fall bitten wir um fruhzeiti-ge Kontaktaufnahme.

Zeitplan

Einreichung von Beitragen: 2003-11-01Benachrichtigung der Autoren: 2003-12-20Abschluss von �berarbeitung und Folge-begutachtung: 2004-02-28Geplanter Erscheinungstermin Heft 3/2004:Mitte Juni 2004

Kontaktadressen fur Ruckfragenund zum Einreichen von Beitragen

Prof. Dr. Helmut KrcmarTechnische Universitat MunchenLehrstuhl fur WirtschaftsinformatikBoltzmannstr. 385748 Garching bei MunchenTel. 089 289-19532Fax 089 289-19533E-Mail: [email protected]://www.winfobase.de

Dipl.-Kfm. Sertac SonSiemens AGInformation and Communication NetworksCommunciation Consulting and ServicesRodelheimer Landstr. 5–960487 Frankfurt am MainTel. 069 797-3982Fax 069 797-3437Mobil 0175 7243342E-Mail: [email protected]

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