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MEDIZIN & TECHNIK 16 Orthopädieschuhtechnik 5/2007 D iabetische Fußulzera gehören weltweit zu den häufigsten Ursa- chen für Amputationen im Be- reich der unteren Extremitäten. Alleine in Deutschland sind nach Schätzungen der AOK für das Jahr 2001 zirka 29 000 Diabetiker betroffen, das sind fast 70 Prozent aller nicht-traumatischen Am- putationen (1). Säulen der Therapie dieser Wunden sind ein fachgerecht ausgeführtes, re- gelmäßiges Wunddebridement, die sta- diengerechte lokale Wundbehandlung, die Therapie eventuell vorhandener Weichteil- oder Knocheninfektionen und eine konsequente Druckentlas- tung. Auch eine Revaskularisation und damit die Wiederherstellung oder Ver- besserung der Durchblutungssituation am Fuß kann angezeigt sein. Insbesondere der Druckentlastung kommt in diesem Behandlungsschema eine ganz entscheidende Rolle zu. Nur so können die Druckspitzen an den durch andauernde mechanische (Fehl-) Belastung entstandenen Wunden wir- kungsvoll minimiert werden. Durch spezielle druckentlastende Maßnah- men können darüber hinaus Scherkräf- te vermieden werden. Denn der Patient selbst spürt aufgrund der Nervenschä- digung den als Warnung funktionieren- den Schmerz nicht mehr und hat keine Chance, die notwendigen Druckentlas- tungen selbst durchzuführen. Druckentlastung Die Möglichkeiten der Druckentlastung sind vielfältig. Sie reichen von Bett- ruhe, Zuhilfenahme von Gehstützen und Rollstühlen über Entlastungsschu- he bis hin zu Ein- und Zweischalenent- lastungsorthesen, die unter Verwen- dung verschiedener Materialien von spezialisierten Fachleuten angefertigt werden. Eine Methode, der bisher in Deutschland nur in wenigen Fußbe- handlungseinrichtungen Beachtung geschenkt wird, obwohl sie in der Na- tionalen Versorgungsleitlinie zu Prä- ventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen bei Typ II-Dia- betes empfohlen wird, ist der Total Contact Cast. Bei dieser Art der Druck- entlastung werden Fuß und Unter- schenkel mit einem rigiden Steifver- band aus Gips- oder Glasfasermaterial versorgt. Durch eine spezielle Modellierung der Fußsohle wird erreicht, dass das Gewicht des Patienten von den druck- exponierten Stellen des Fußes auf an- dere Bereiche des Fußes verteilt wird. Zudem wirkt der feste Unterschenkel- verband wie ein Schaft, der Teile des Gewichtes bereits am Unterschenkel abfängt und unerwünschte Scherkräf- te, das heißt ein Hin- und Herrutschen des Fußes im Cast, durch Fixierung des Unterschenkels reduziert. Der Total Contact Cast In der Ausführung eines Voll-Kontakt- gipses wurde der Total Contact Cast (TCC) bereits in den 30er Jahren in In- dien zur Behandlung von Leprakranken mit neuropathischen Fußgeschwüren eingesetzt (2). In den 60er Jahren fand die Methode in den USA Einzug in die Therapie neuropathischer Ulzera. Die Applikation des TCC wurde dort Total Contact Cast: Effektiv in der Behandlung Diabetischer Fußulzera Wolf-Rüdiger Klare, Annette Koggel, Jürgen Stumpf und Herrmann Trentmann: Anschrift für die Verfasser: Dr. Wolf-Rüdiger Klare, Internist/Diabetologe Oberarzt und Leiter des Diabetes- zentrums am Hegau-Bodensee- Klinikum Radolfzell Hausherrenstr. 12 78315 Radolfzell Zusammenfassung: Die fachgerechte Wundbehandlung, die Therapie eventuell vorhandener Weich- teil- oder Knocheninfektionen und eine konsequente Druckentlastung sind die drei Säulen bei der Behandlung diabeti- scher Fußulzera. Insbesondere der Druckentlastung kommt eine zentrale Funktion zu. Im Beitrag wird eine in Deutschland bislang noch wenig eingesetzte Methode zur Druckentlastung mit einem Total Contact Cast in Zwei-Schalen-Technik beschrieben. Der Cast wird individuell für den Pa- tienten gefertigt. Durch die spezielle Mo- dellierung der Fußsohle wird der Druck von den besonders belasteten und ge- fährdeten Stellen auf andere Bereiche des Fußes verteilt. Zudem wirkt der feste Unterschenkelverband wie ein Schaft, der unerwünschte Scherkräfte – ein Hin- und Herrutschen des Fußes im Cast – durch Fixierung des Unterschenkels reduziert.

Wolf-Rüdiger Klare, Annette Koggel, Jürgen Stumpf und · PDF file · 2017-03-17ge des TCC erfolgte in diesen Fällen durcheinenspeziellgeschultenzertifi - zierten Wundmanager oder

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16 Orthopädieschuhtechnik 5/2007

Diabetische Fußulzera gehörenweltweit zu den häufigsten Ursa-chen für Amputationen im Be-

reich der unteren Extremitäten. Alleinein Deutschland sind nach Schätzungender AOK für das Jahr 2001 zirka 29 000Diabetiker betroffen, das sind fast 70Prozent aller nicht-traumatischen Am-putationen (1).

Säulen der Therapie dieser Wundensind ein fachgerecht ausgeführtes, re-gelmäßiges Wunddebridement, die sta-diengerechte lokale Wundbehandlung,die Therapie eventuell vorhandenerWeichteil- oder Knocheninfektionenund eine konsequente Druckentlas-tung. Auch eine Revaskularisation unddamit die Wiederherstellung oder Ver-besserung der Durchblutungssituationam Fuß kann angezeigt sein.

Insbesondere der Druckentlastungkommt in diesem Behandlungsschemaeine ganz entscheidende Rolle zu. Nurso können die Druckspitzen an dendurch andauernde mechanische (Fehl-)Belastung entstandenen Wunden wir-kungsvoll minimiert werden. Durchspezielle druckentlastende Maßnah-men können darüber hinaus Scherkräf-te vermieden werden. Denn der Patientselbst spürt aufgrund der Nervenschä-digung den als Warnung funktionieren-den Schmerz nicht mehr und hat keineChance, die notwendigen Druckentlas-tungen selbst durchzuführen.

DruckentlastungDie Möglichkeiten der Druckentlastungsind vielfältig. Sie reichen von Bett-ruhe, Zuhilfenahme von Gehstützenund Rollstühlen über Entlastungsschu-

he bis hin zu Ein- und Zweischalenent-lastungsorthesen, die unter Verwen-dung verschiedener Materialien vonspezialisierten Fachleuten angefertigtwerden.

Eine Methode, der bisher inDeutschland nur in wenigen Fußbe-handlungseinrichtungen Beachtunggeschenkt wird, obwohl sie in der Na-tionalen Versorgungsleitlinie zu Prä-ventions- und Behandlungsstrategienfür Fußkomplikationen bei Typ II-Dia-betes empfohlen wird, ist der TotalContact Cast. Bei dieser Art der Druck-entlastung werden Fuß und Unter-schenkel mit einem rigiden Steifver-band aus Gips- oder Glasfasermaterialversorgt.

Durch eine spezielle Modellierungder Fußsohle wird erreicht, dass dasGewicht des Patienten von den druck-exponierten Stellen des Fußes auf an-dere Bereiche des Fußes verteilt wird.Zudem wirkt der feste Unterschenkel-verband wie ein Schaft, der Teile desGewichtes bereits am Unterschenkelabfängt und unerwünschte Scherkräf-te, das heißt ein Hin- und Herrutschendes Fußes im Cast, durch Fixierung desUnterschenkels reduziert.

Der Total Contact CastIn der Ausführung eines Voll-Kontakt-gipses wurde der Total Contact Cast(TCC) bereits in den 30er Jahren in In-dien zur Behandlung von Leprakrankenmit neuropathischen Fußgeschwüreneingesetzt (2). In den 60er Jahrenfand die Methode in den USA Einzug indie Therapie neuropathischer Ulzera.Die Applikation des TCC wurde dort

Total Contact Cast:Effektiv in der BehandlungDiabetischer Fußulzera

Wolf-Rüdiger Klare, Annette Koggel, Jürgen Stumpf und Herrmann Trentmann:

Anschrift für die Verfasser:

Dr. Wolf-Rüdiger Klare,Internist/DiabetologeOberarzt und Leiter des Diabetes-zentrums am Hegau-Bodensee-Klinikum RadolfzellHausherrenstr. 1278315 Radolfzell

Zusammenfassung:Die fachgerechte Wundbehandlung, dieTherapie eventuell vorhandener Weich-teil- oder Knocheninfektionen und einekonsequente Druckentlastung sind diedrei Säulen bei der Behandlung diabeti-scher Fußulzera. Insbesondere derDruckentlastung kommt eine zentraleFunktion zu.

Im Beitrag wird eine in Deutschlandbislang noch wenig eingesetzte Methodezur Druckentlastung mit einem TotalContact Cast in Zwei-Schalen-Technikbeschrieben.

Der Cast wird individuell für den Pa-tienten gefertigt. Durch die spezielle Mo-dellierung der Fußsohle wird der Druckvon den besonders belasteten und ge-fährdeten Stellen auf andere Bereichedes Fußes verteilt. Zudem wirkt der festeUnterschenkelverband wie ein Schaft, derunerwünschte Scherkräfte – ein Hin- undHerrutschen des Fußes im Cast – durchFixierung des Unterschenkels reduziert.

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1984 erstmalig in einer Fachzeitschriftbeschrieben (3). So wird zunächst dasAnbringen eines Baumwoll-Polstersoder PU-Schaums im Zehenzwi-schenraum empfohlen, um interdigita-le Mykosen während der Tragedauerdes Gipsverbandes zu verhindern.

Anschließend wird ein Baumwoll-Schlauchverband über Fuß und Unter-schenkel gestreift und am Zehenendezugenäht oder mit Klebeband bündigverschlossen. Die Malleolen und die Ti-biakante werden mit speziell zuge-schnittenen Filzplatten separat ge-schützt, in der Zehenregion dient einSchaumstoffpolster dem Schutz der Ze-hen. Zwei bis drei Lagen Gipsbindenwerden zirkulär an Fuß und Unter-schenkel locker angelegt und sehr vor-sichtig an die knöchernen Prominen-ten und den Fuß anmodelliert.

Die so angefertigte sogenannte „in-nere Hülle“ des TCC lässt man abbin-den, bevor im Fußsohlen- und Waden-bereich, sowie an beiden Seiten desUnterschenkels Gips-Longuetten zurErhöhung der Festigkeit des TCC einge-arbeitet werden. Unter Verwendung

von drei bis vier weiteren Gipsbindenwird nun der Zehenbereich geschlos-sen, weitere zirkuläre Touren gewickeltund ein Gehstollen über einer denPlantarbereich des Fußes zusätzlichversteifenden Sohle (zurechtgeschnit-tene Spanplatte) fixiert.

Dieser TCC wird gewöhnlich nach 3bis 7 Tagen erneuert, da insbesonderein den ersten Tagen eine Entödemati-sierung des Unterschenkels die Passge-nauigkeit beeinträchtigt. Tragezeitendes zweiten TCC sind abhängig von derArt und Größe des Ulkus und werden inder Literatur mit durchschnittlich 7 bis14 Tagen angegeben (4).

Bis heute hat dieser klassische To-tal Contact Cast viele Modulationen er-fahren. So wurde beispielsweise zurGewichtsreduktion der Versorgung dasGipsmaterial durch Glasfasermaterial(Kunststoffsteifverband) ersetzt (5).

Bei beiden Materialien (Gips undGlasfaser) wurde zeitweise mit Fenste-rungen im Bereich der Wunde gearbei-tet (6), um eine Wundversorgung un-abhängig vom Erneuerungsintervalldes TCC zu gewährleisten. Wegen der

Provozierung von Fensterödemen wur-de diese Technik von vielen Arbeits-gruppen wieder aufgegeben.

Die Verwendung des Glasfasermate-rials eröffnet eine interessante Varian-te der Druckentlastung: Der TCC inZwei-Schalen-Technik. Hier wird derzirkuläre Verband aufgetrennt, so dasszwei Schalen entstehen (7). Diese wer-den mit Klettverschlüssen wieder zu-sammengeführt und fixiert. So kannjederzeit der Verbandwechsel erfolgenund meist bis zur vollständigen Abhei-lung mit einem einzigen Steifverbandgearbeitet werden.

Die Technik zur Anlage eines TCC inZwei-Schalen Technik soll hier vorge-stellt werden.

Die Zwei-Schalen-TechnikDie Versorgung des Patienten beginntmit der Anpassung eines 5 Millimeterdicken, klebenden Filzpolsters („Cello-na“-Polster, s. Abb. 1). Dieses wird indoppelter Stärke über die gesamteFußsohle des Patienten platziert, un-ter Aussparung des Wundbereiches(s. Abb. 2). Um genügend Raum für die

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1 Ein Filzpolster wird nach den Maßen undder Form des Fußes ausgeschnitten.

3 Zum Schutz der Zehen wird eine Spitzen-zugabe fixiert.

6 Als Polster werden Fuß und Bein halb-überlappend mit Synthetikwatte umwickelt.

9 Drei Schlaufen werden als Führungs-laschen für Klettbänder eingearbeitet.

8 Der Cast wird angewickelt.7 Das Fibulaköpfchen wird markiert als An-haltspunkt, wie weit der Cast reichen darf.

12 Ein Verbandschuh über dem Cast dientder besseren Mobilität.

11 Nach dem Sägen werden beide Teile mitKlettbändern fixiert.

10 Das genaue Anmodellieren der Fußsohlebestimmt die Wirkung der Druckentlastung.

5 Ein Schlauchverband deckt Fuß und Beinab.

4 Der Fußrücken wird mit einem Polstergeschützt.

2 In das Filzpolster werden Aussparungenfür die zu entlastenden Stellen geschnitten.

Herstellung des Total Contact Cast

Zehen zu schaffen, wird mit einer han-delsüblichen Spitzenzugabe gearbei-tet, die mit klebenden Polsterstreifen(„Cellona“-Randpolster) fixiert wird(s. Abb. 3).

Soll der TCC nach Anlage zunächstfür einige Tage am Patienten belassenwerden, kann dieser Raum auch mit6 bis 8 Lagen Synthetikwatte („Cello-na“-Synthetikwatte) geschaffen wer-den.

Der Fußrücken wird ebenfalls mit„Cellona“-Polster geschützt (s. Abb.4), der Schutz der Tibiakante und derMalleolen kann bei Bedarf mit denklebenden Filzprodukten erfolgen.Ein Schlauchverband („tg“-Schlauch-verband) dient der Abdeckung von Un-terschenkel und Fuß (s. Abb. 5).

Gepolstert wird mit einer Lagehalb-überlappend gewickelter Synthe-tikwatte („Cellona“-Synthetikwatte,s. Abb. 6), die anschließend mit demam Fuß überstehenden Schlauchver-band bedeckt wird.

Als weitere Schutzlage wird überdiese Schlauchverband-Watte-Schlauch-verband-Kombination ein weicherFrotteeschlauch („tg“-soft Polster-schlauchverband) angelegt, der sichgut mit dem Glasfasermaterial verbin-det und später den TCC innen ausklei-det. Eine Markierung des Fibulaköpf-chens erleichtert es, beim Anlegen dennötigen Abstand von zirka 2 Zentime-ter zwischen Castabschluss und Fibu-laköpfchen einzuhalten (s. Abb. 7).

Je nach Größe und Gewicht des Pa-tienten wird der Unterschenkelcast mit5 bis 6 Glasfaser-Castbinden („Cella-cast“-Xtra, 10 cm x 3,6 m) angelegt.

Mit einer letzten 5 Zentimeter „Cel-lacast“-Xtra-Binde werden drei Schlau-fen als Führungslaschen für die zumVerschluss benötigten Klettbändereingearbeitet (s. Abb. 8 und 9).

Wichtig ist das korrekte Modellierender Fußsohle, bei dem das Fußgewölbeund die späteren drei Auflagepunkte(Ferse, Großzehen- und Kleinzehen-Grundgelenk) gut herausgearbeitetwerden müssen (s. Abb. 10).

Nach Aushärtung des Casts wirdmithilfe einer Castsäge der TCC geöff-net, die Spitzenzugabe entfernt unddie Castränder mit einem Kantenschutz(„Porotape“) versehen. Die beidenSchalen werden mit Klettbändern fi-xiert (s. Abb. 11) und ein Verband-schuh („Cellona“-Shoe Verbandschuh)zur besseren Mobilität angelegt (s.

Abb. 12).Die hier beschriebene Zwei-Scha-

len-Technik des TCC ermöglicht eineindividuelle Wundkontrolle, ohne denTCC bei jeder Wundversorgung erneu-ern zu müssen. Es muss nur zwingenddarauf geachtet werden, dass das un-ter der Fußsohle klebende Polster im-mer in gleicher Weise angebracht wird.

Alle für die Anfertigung eines TCCbenötigten Verbrauchsmaterialien wer-den in dem Therapiesystem „Cella-cast“-TCC (Lohmann & Rauscher GmbH& Co. KG) angeboten.

StudienlageIn den USA wird der Total Contact Castmittlerweile als Goldstandard zur Be-handlung plantarer Ulzera der Wagner-grade 1 und 2 angesehen (8). Dies istunter anderem mit der guten Studien-lage in den USA zu erklären. So wird ineiner Übersicht, die 11 Studien mit389 Fußgeschwüren berücksichtigt,von einer Abheilrate bei der Anwen-dung des TCC von 91 Prozent innerhalbvon 43 Tagen berichtet, bei einerdurchschnittlichen Bestandsdauer derUlzera von 9 Monaten vor Behand-lungsbeginn mit TCC (9).

Ähnliche Ergebnisse zeigt eine ran-domisierte, kontrollierte Studie, in derbei 40 Patienten mit neuropathischemFußulkus der TCC mit konventionellenDruckentlastungsmaßnahmen (Ver-bandschuhe, Schuhe mit adaptiertemFußbett) verglichen wird. Die Ge-schwüre hatten vor Behandlung mitTCC 155 – 195 Tage (Interventions-gruppe) beziehungsweise 175 – 200Tage (Kontrollgruppe) bestanden.

In der mit TCC behandelten Gruppewurde bei 90 Prozent der Patienten in-nerhalb von 42 ± 29 Tagen eine Abhei-lung beobachtet, während in der Kon-trollgruppe innerhalb von 65±29 Tagennur 32 Prozent der Wunden abgeheiltwaren (10).

Eigene ErfahrungenDer hier vorgestellte TCC in Zwei-Scha-len-Technik ist im Rahmen von Anwen-dungsbeobachtungen an der DDG-zer-tifizierten Diabetesfußambulanz desHegau-Bodensee-Klinikums in Radolf-zell getestet worden (11). 16 Diabeti-ker mit 17 Fußläsionen (max. Wagner2, keine klinisch bedeutsame Ischä-mie, kein Infekt, Wundgröße: 0.06 –9.60 cm²) wurden konsekutiv mit demUnterschenkel-TCC versorgt. Die Anla-

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ge des TCC erfolgte in diesen Fällendurch einen speziell geschulten zertifi-zierten Wundmanager oder eine Wund-assistentin DDG.

Bei 14 der behandelten Patientenstagnierte die Wundheilung vor TCC-Behandlung unter Verwendung einesVorfußentlastungsschuhs beziehungs-weise individueller Schuhzurichtungüber einen Zeitraum von 42 Tagen bis48 Monaten.

Nach Anlage des TCC wurde die lo-kale Wundversorgung nach den Regelnder feuchten Wundbehandlung un-verändert beibehalten, die Verband-wechselintervalle betrugen 3 – 7 Tage.Die Patienten wurden angehalten, denTCC nicht eigenständig abzunehmen.

Nach durchschnittlich 41 (+/-25)Tagen waren 16 der 17 Ulzera abge-heilt. Nur bei einem Patienten musstedie Behandlung nach 60 Tagen abge-brochen werden. Die Ulkusgröße stag-nierte, da der Patient entgegen derärztlichen Anweisung den TCC nur zeit-weise angelegt hatte. Neue Druckläsio-nen traten während der Anwendungdes TCC nicht auf.

Abbildung 13 zeigt exemplarischden Ausgangsbefund eines Patientender Studie vor TCC Behandlung, sowieden Befund nach 14 Tagen konsequen-ten Tragens des TCC (Abb. 14).

Fachgerechte AnwendungwichtigDie Anlage eines TCC sollte nur nachfachgerecht durchgeführter Schulungdurch erfahrene Spezialisten erfolgen.Kenntnisse über die Pathophysiologiedes Diabetischen Fußes und Erfahrun-gen in der Behandlung des Diabeti-schen Fußsyndroms sind unbedingt er-forderlich.

Ein TCC sollte nicht bei Patientenverwendet werden, die eine klinischbedeutsame Ischämie aufweisen. Als

Richtwert für eine Ischämie wird einKnöchel-Arm-Druck-Index < 0,8 oderdie Abwesenheit tastbarer Fußpulseangesehen. Eine akute Infektion mitklinischen Infektionszeichen ist eben-falls eine Kontraindikation für den TCC.

Da es sich um eine gelenkübergrei-fende Immobilisation handelt, ist eineThromboseprophylaxe zu empfehlen,insbesondere wenn der TCC Tag undNacht getragen wird.

Für den Behandlungserfolg ist einegute Compliance, das heißt ein gutesVerständnis des Patienten für seine Er-krankung und eine entsprechende Mit-arbeit bei der Behandlung, sehr wich-tig. Gemäß den bisherigen Erfahrun-gen hat es sich bewährt, den Patienteneine eigenständige Abnahme des TCCnicht zu gestatten. Dies sollte nur inder Fußbehandlungseinrichtung oderdurch den zuvor im Abnehmen undWiederanlegen des TCC geschultenWundbehandler (z. B. ambulante Pfle-gedienste, Homecarer) erfolgen. BeiCompliance-Problemen kann eine „Ver-plombung“ des TCC, zum Beispieldurch Überwickeln einer Haftbinde(z. B. „Mollelast“-Haft) über die geöff-neten Schalen, hilfreich sein.

Die bisherigen Erkenntnisse aus den

Anwendungsbeobachtungen zeigen,dass der TCC in Zwei-Schalen-Technikfür die ambulante Behandlung von Pa-tienten sehr gut geeignet ist. Aucherste Erfahrungen von Orthopä-dieschuhmachern, die in der Anlagedes TCC geschult wurden, sind durch-aus positiv. Als Partner im interdis-ziplinären Team der zertifizierten Fuß-behandlungseinrichtungen sind Or-thopädieschuhmacher ohnehin schonheute der kompetente Ansprechpart-ner für das Thema Druckentlastung.

Vor allem das Know-how in den Be-reichen Biomechanik und Gipstechniklässt sich bei der Anwendung des TCCsinnvoll integrieren. Das Anfertigeneines Gipsabdruckes zum Beispiel füreine Unterschenkelinnenschuhversor-gung oder eine Therapieentlastungs-orthese stellt an den Orthopädie-schuhtechniker ähnliche Anforderun-gen bezüglich der korrekten Fußstel-lung und der Anmodellierung der Fuß-plastik wie das Anlegen eines TCC.

Ein weiteres Element zur Qualitäts-sicherung und Risikominimierung imRahmen der TCC-Versorgung ist die Be-urteilung der Druckentlastungswirkungunter Zuhilfenahme eines Druckvertei-lungsmesssystems (Abb.15).

Zudem ist die Analyse des Gangbil-des unter Einsatz eines computer-gestützten Bewegungsanalysesystems(Abb. 16) wichtig, um bei Bedarf not-wendige Stellungskorrekturen oder Ab-rollmaßnahmen am Überschuh vorneh-men zu können. Somit können negati-ve Folgen für das Gangbild aber auchAuswirkungen auf die Gelenke zumBeispiel das Kniegelenk vermiedenwerden.

Der TCC stellt eine sehr gute Ergän-zung zu den bisher von der Orthopä-dieschuhtechnik hergestellten Hilfs-mitteln dar, da er die Notwendigkeit

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20 Orthopädieschuhtechnik 5/2007

15Der Effekt des Gip-ses auf die plantare

Druckbelastungkann mit Hilfe derDruckverteilungs-

messung dokumen-tiert werden.

13 + 14 Ausgangsbefund einer Wunde und der Zustand nach 14 Tagen Tragezeit des TotalContact Cast.

von handwerklichen Fertigkeiten undtheoretischen Kenntnissen im Bereichder diabetischen Fußversorgung idealverbindet.

Literatur:1. Heller G, Günster C, Schellschmidt H: Wiehäufig sind Diabetes-bedingte Amputationenunterer Extremitäten in Deutschland? EineAnalyse auf Basis von Routinedaten. Dtschmed Wochenschr 2004; 129: 429 – 433.2. Laing, PW, Cogley DI, Klenerman L: Neuro-pathic foot ulcerations treated by total

contact casts. J Bone Joint Surgery 1991;74B (1): 133 – 136.3. Coleman WC, Brand PW, Birke JA: TheTotal Contact Cast, A Therapy for Plantar Ul-ceration on Insensitive Feet. J Am Pod Assoc1984; 74(11): 548 – 52.4. Myerson M, Papa J, Eaton K, Wilson K: Thetotal contact casting for management ofneuropathic ulceration of the foot. J BoneJoint Surg 1992 74-A (2): 261 – 269.5. Caravaggi C, Faglia E, de Giglio R, ManteroM, Quarantiello A, Sommariva E, Gino M, Pri-telli C, Morabito A: Effectiveness and safetyof a nonremovable fiberglass off-bearing castversus a therapeutic shoe in the treatment ofneuropathic foot ulcers- a randomized study.Diabetes Care 2000; 23: 1746 – 1751.

6. Ha Van G, Siney H, Hartmann-Heurtier A,Jacqueminet S, Greau F, Grimaldi A: Nonre-movable, Windowed, Fiberglass Cast Boot inthe Treatment of Diabetic Plantar Ulcers: Ef-ficacy, safety, and compliance. Diabetes Care2003, 26(10): 2848 – 2852.7. Nabuurs-Franssen MH, Sleegers R, Huij-berts MSP, Wijnen W, Sanders AP, WalenkampG, Schaper NC:Total Contact Casting of theDiabetic Foot in Daily Practice. Diabetes Care2005; 28 (2): 243 – 2478. American Diabetes Association. ConsensusDevelopment Conference on Diabetic FootWound Care. Diabetes Care 1999; 22:1354 –13609. 12. Sinacore DR: Total contact casting fordiabetic neuropathic ulcers. Phys Ther 1996;76 (3): 296 – 30110. Mueller MJ, Diamond JE, Sinacore DR,Delitto A, Blair VP 3rd, Drury DA, Rose SJ:Total Contact Casting in Treatment of Diabe-tic Plantar Ulcers, Diabetes Care 1989; 12(6): 384 – 38811. Klare WR, Ledermüller A, Krenmayer H,Koggel A: Druckentlastung mittels Unter-schenkel-Total Contact Cast (TCC) in der Be-handlung diabetischer Fußulzera - Ergebnisseeiner Anwendungsbeobachtung. ZfW 2007, 1:58.12. Nationale Versorgunsleitlinie Typ-2 Dia-betes – Präventions- und Behandlungsstra-tegien für Fußkomplikationen (Langfassung,Version 2.2, März 2007). http://www.diabe-tes.versorgungsleitlinien.de

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16 Bewegungsana-lysen mit angeleg-tem TCC und Ver-bandschuh sindsinnvoll, um Stel-lungskorrekturenvorzunehmen oderdie Abrollung zuverbessern.