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29 falstaff 04/2017 28 falstaff 04/2017 karriere / WEINMARKE DIE MARKE WEIN Gleiche Lage, gleiche Rebsorten, gleicher An- und Ausbau: Wie positioniert man sich als Weingut, wenn die Qualitäts- unterschiede zu anderen heute oft nur noch marginal sind? KARRIERE sprach mit drei Experten über erfolgreiche Markenbildung und -führung. TEXT SONJA PLANETA FOTOS IAN EHM STEFANIE RENNER Gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Susanne stieg Stefanie Renner 2014 in den elterlichen Betrieb ein. Seither produzieren die Töchter des Pannobile-Winzers Helmuth Renner aus Gols unter der Marke rennersistas ihre eigenen biologischen – ab der Ernte 2018: biodynamischen – Naturweine. www.rennerundsistas.at STEFAN TSCHEPPE Er ist seit 2012 General Manager des Weinguts Esterházy im burgenländischen Trausdorf. Unter seiner Führung entwickelte sich der geschichtsträchtige Betrieb, der zuvor vor allem für seine Kunstsammlung und sein Schloss bekannt war, zu einem modernen Weingut. www.esterhazywein.at WOLFGANG HAGN JUN. Er führt seit 2006 gemeinsam mit Cousin und Kellermeister Leo Hagn jun. das über 300 Jahre alte Familien- weingut Hagn in Mailberg in Nieder- österreich. Hagn, der für Vertrieb und Marketing zuständig ist, legt seit der Übernahme besonderen Wert auf eine nachhaltige und zukunfts- orientierte Bewirtschaftung. www.hagn-weingut.at

WOLFGANG HAGN JUN. Betrieb ein. Seither produzieren www ...€¦ · Weingeschichte stehe ich für Vertriebspartner und Lieferanten als Garant für eine gewisse Qualität und gewisse

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Page 1: WOLFGANG HAGN JUN. Betrieb ein. Seither produzieren www ...€¦ · Weingeschichte stehe ich für Vertriebspartner und Lieferanten als Garant für eine gewisse Qualität und gewisse

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karriere / W E I N M A R K E

DIEMARKEWEIN

Gleiche Lage, gleiche Rebsorten, gleicher An- und Ausbau: Wie positioniert man sich als Weingut, wenn die Qualitäts-unterschiede zu anderen heute oft nur noch marginal sind? KARRIERE sprach mit drei Experten über erfolgreiche Markenbildung und -führung.TEXT SONJA PLANETA FOTOS IAN EHM

STEFANIE RENNER Gemeinsam mit ihrer älteren

Schwester Susanne stieg Stefanie Renner 2014 in den elterlichen Betrieb ein. Seither produzieren

die Töchter des Pannobile-Winzers Helmuth Renner aus Gols unter der

Marke rennersistas ihre eigenen biologischen – ab der Ernte 2018:

biodynamischen – Naturweine. www.rennerundsistas.at

STEFAN TSCHEPPE Er ist seit 2012 General Manager

des Weinguts Esterházy im burgenländischen Trausdorf. Unter

seiner Führung entwickelte sich der geschichtsträchtige Betrieb,

der zuvor vor allem für seine Kunstsammlung und sein Schloss bekannt war, zu

einem modernen Weingut. www.esterhazywein.at

WOLFGANG HAGN JUN. Er führt seit 2006 gemeinsam mit

Cousin und Kellermeister Leo Hagn jun. das über 300 Jahre alte Fami lien-

weingut Hagn in Mailberg in Nieder-österreich. Hagn, der für Vertrieb

und Marketing zuständig ist, legt seit der Übernahme besonderen Wert

auf eine nachhaltige und zukunfts-orientierte Bewirtschaftung.

www.hagn-weingut.at

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treten mit den Weingütern weniger in Inter-aktion und sind mehr an den Produkten und der Lage interessiert. Diese romantische Vor-stellung der Österreicher, dass man die heimi-sche Landwirtschaft unterstützt und Gutes tut, wenn man bei einem kleinen Weingut zwölf Flaschen Wein kauft, gibt es in Amerika nicht. Dort geht es mehr um Image und schöne Dinge, die man sich leistet. Man kann eine Marke in den USA auch leichter an die un-terschiedlichen Märkte anpassen, weil mehr Daten über vergleichbare Markenwelten verfügbar sind, das fehlt in Österreich.

Zurück zum Thema Generationswechsel: Bleibt Alt(-bewährt-)es bestehen oder positi-oniert man die Marke neu?HAGN Wir haben vor sieben Jahren alles auf den Kopf gestellt: Stilistik, Design, Marketing. Ich war aber schon immer der risikofreudige Typ. Natürlich kann das auch schiefgehen, aber man muss nicht immer jedem Trend folgen. Sich neu zu erfinden, ist eine Heraus-forderung, man schafft aber auch ein neues Erlebnis für den Kunden.RENNER Wir wollten unseren Eltern einer-seits Respekt zollen und Wertschätzung ent-gegenbringen für das, was sie uns vorgelebt und ermöglicht haben, andererseits aber auch unsere eigene Handschrift einbringen. Das ist uns gelungen, indem wir zwei Linien parallel fahren: die Elternlinie und die Schwestern-linie, über die wir unser Interesse für Natur-weine ausleben können.

Markenaufbau ist ein langjähriger Prozess. Wie leicht oder schwer haben es Quereinstei-ger, im Markt Fuß zu fassen?TSCHEPPE Eine neue Marke zu etablieren, ist ambitioniert, aber möglich, das zeigen Beispiele auf der ganzen Welt. Viele Querein-steiger unterschätzen jedoch den Aufwand. Die Frage ist: Wie wird man gehört, was gibt es für ein Netzwerk, in welche Nische passt das Produkt, wo kann ich mich abgrenzen? Für einen kompletten Neustart braucht es Entschlossenheit, Überzeugung, Leidenschaft und Glück.RENNER Wer bei null startet, braucht eine Geschichte und kann zudem keine langjähri-ge Qualität vorweisen. Wir haben mit den rennersistas auch eine neue Marke aufge-baut, hatten durch das Weingut der Eltern aber eine andere Ausgangssituation.HAGN Eine Marke muss langsam, sprich: ge-sund wachsen. Es braucht Zeit, bis der Kon-sument Vertrauen zum Produkt aufbaut.

Die Vielfalt heimischer Wei-ne ist groß, das internati-onale Angebot allgegen-wärtig. Wer sich am Markt behaupten will, muss seine Stärken und Schwächen kennen und

dem Kunden einen Zusatznutzen bieten. Das wissen auch die Winzer Stefanie Renner, Wolfgang Hagn jun. und Stefan Tscheppe – sie teilen offen ihre Erfahrungen und ihr Wis-sen, das zur Profilierung und Durchsetzung im Wettbewerb notwendig ist.

Wie schaffe ich es, mich als Winzer vom Mitbewerb abzugrenzen?TSCHEPPE Eine gute Weinmarke geht über die reine Weinproduktion hinaus. Abgesehen von der Weingartengröße und dem Geschmack braucht es also zusätzliche Akzente, um sich vom Nachbarbetrieb zu unterscheiden. Das funktioniert zum Beispiel über eine Person, die die Marke durch ihre persönliche Geschichte positiv auflädt und ihr damit Charakter verleiht.

Gutes Stichwort: Welche Rolle spielt denn der Winzer als Teil der Marke?HAGN Die Qualität muss stimmen. Dann erst kommt die Person ins Spiel. Sie spiegelt das Produkt wider und vermittelt dem Kunden, was dahintersteckt. Das ist auch wichtig, denn was bringt es, den besten Wein zu ha-ben, wenn ihn keiner kennt? Wenn die Positi-onierung aber nur über die Person läuft und im Hintergrund die Qualität leidet, haben das Weingut und die nachkommenden Gene-rationen nichts davon.RENNER Da bin ich ganz bei dir: Das Pro-dukt steht im Mittelpunkt. Aber natürlich prägt auch die Familiengeschichte die Marke, weil sich der Wein mit jeder neuen Generati-on weiterentwickelt. So wie bei uns: Meine Schwester und ich haben natürlich andere Vorstellungen als unsere Eltern – was nicht schlecht ist, aber natürlich Veränderung mit sich bringt.TSCHEPPE Grundsätzlich ist die Weinindus-trie sowohl in Europa als auch in Übersee ein persönlichkeitsgetriebenes Geschäft, aber es gibt Unterschiede. Österreich ist ein sehr klei-ner Markt, da spielt die Familiengeschichte eine große Rolle, weil der Konsument mit dem Winzer in Berührung kommt. Je weiter man sich entfernt, desto mehr treten Fakto-ren wie das Weinbaugebiet und Anbautechni-ken in den Vordergrund.

Herr Tscheppe, Sie führen ein Weingut, das nicht Ihren Namen trägt. Wie stark forcieren Sie die Verbindung mit Ihrer Person?TSCHEPPE Aufgrund meiner 30-jährigen Weingeschichte stehe ich für Vertriebspartner und Lieferanten als Garant für eine gewisse Qualität und gewisse Produktionsgrundsätze, die eingehalten werden. Für den Endkonsu-menten spielt mehr die Marke eine Rolle, die nicht nur durch den Weinbau aufgeladen wird, sondern auch durch die Geschichte und das Esterházy’sche Kulturangebot.

Wie präsent muss man als Winzer sein? Wie sehr sucht der Konsument das persönliche Gespräch?HAGN Ich bin in der Hinsicht ein Freak. Mir macht der persönliche Kundenkontakt sehr viel Spaß, dementsprechend häufig bin ich unterwegs und bei ca. 50 Prozent der Verkos-tungen dabei.RENNER Die persönliche Präsenz bringt auch eine gewisse Authentizität mit sich, weil ich unsere Weine und Philosophie nun mal am besten kenne und vermitteln kann.TSCHEPPE Ich halte es für einen Fehler, wenn Weingüter den Ab-Hof-Verkauf schließen, denn der persönliche Kontakt zum Weingut ist noch immer das wichtigste Markenbil-dungsinstrument.

Herr Hagn, Sie haben es schon angesprochen: Wer seine Stärken kennt, muss diese auch klar kommunizieren können. Gelingt das über Neue Medien heute besser, einfacher?HAGN Es braucht einen guten Mix aus klas-sisch und neu. Die sozialen Medien ermöglichen aber zum Beispiel keinen neuen Vertriebs-weg, dazu sind die User zu kurz angebunden.RENNER Soziale Medien können aber sehr wohl ein Multiplikationsfaktor sein, vor al-lem wenn jemand mit einem weinaffinen Netzwerk eine Flasche Wein postet. Das ist zumindest meine Erfahrung. Die Bekanntheit wächst schneller.TSCHEPPE Man kann viel Zeit und Geld lie-gen lassen, wenn man in die falschen oder in zu viele Kanäle investiert. Ich finde, es wirkt auch sehr bemüht, wenn man permanent präsent ist. Je größer die Erfahrung, desto mehr Gefühl bekommt man für die richtigen Kommunikationskanäle.

Herr Tscheppe, Sie waren lange Zeit in Kali-fornien: Welche Unterschiede gibt es in puncto Markenaufbau im Vergleich zu Österreich?TSCHEPPE Der US-Markt ist größer, die Leute >

»Das Produkt steht im Mit-telpunkt. Aber natürlich prägt die Familiengeschichte die Marke, weil sich der Wein mit jeder Generation verändert.« STEFANIE RENNER rennersistas

»Wir haben alles auf den Kopf gestellt. Sich neu zu erfinden, ist eine Herausforderung, schafft aber auch ein neues Erlebnis für den Kunden.« WOLFGANG HAGN JUN. Weingut Hagn

»Eine gute Weinmarke geht über die reine Weinproduktion hinaus. Es braucht zusätzliche Akzente, um sich vom Nach-barbetrieb zu unterscheiden.« STEFAN TSCHEPPE Weingut Esterházy

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Wenn man schwierige Jahrgänge hat, muss man durchbeißen können.

Wie wichtig sind Auszeichnungen für die Marke?HAGN Sie sind in erster Linie eine Bestätigung für dich selbst. Ich habe das bei uns gesehen: Leo, unser Kellermeister, ist ein kompletter Quereinsteiger. Für ihn, der 365 Tage im Jahr im Weinkeller steht, waren Auszeichnungen vor allem zu Beginn wichtig, um sich im Be-

trieb zu positionieren. Der Konsument muss dann ohnehin selbst entscheiden, ob es ihm schmeckt.

Das heißt, Kunden greifen nicht bevorzugt zu Flaschen mit entsprechendem Aufkleber?HAGN Nein. Sie probieren den prämierten Wein natürlich genauso, aber wenn er ihrem Geschmack nicht entspricht, bringt die Aus-zeichnung wenig.

RENNER Auszeichnungen sind schmeichel-haft, danach zu streben, menschlich: Wer würde sich nicht darüber freuen? Viel wertvoller und persönlicher ist für mich aber positives Kundenfeedback.TSCHEPPE Die Zeiten, in denen sich eine Auszeichnung verkaufsmäßig sofort nieder-schlägt, sind vorbei. Aber natürlich erwartet sich der Konsument vor allem bei etablierten Weingütern, dass die Weine kontinuierlich gut bewertet sind.

Diese Art der Verlässlichkeit macht auch eine gute Marke aus. Für mich ist es nach wie vor wichtiger, vom Mitbewerb empfohlen zu werden. Das zeigt, dass man auch in der Weinszene als Marke angesehen wird.

Je größer die Erfahrung in der Weinbranche, desto besser die Positionierung. Wichtig ist neben der Qualität vor

allem der Zusatznutzen für den Konsumenten.

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Oliver Heiss, Managing Partner der Branding-Agentur »Brainds« und Spezialist für innovative Marken führung und markt orientierte Unternehmens entwicklung, erklärt die wichtigsten Begriffe im Bereich Markenaufbau:

MarkeAus strategischer Sicht ist eine Marke das Instru-ment, um aus der eigenen Identität – also den dahin-ter liegenden Werten, Kompetenzen, Besonderhei-ten – eine marktorientierte und auf die Zielgruppen abgestimmte Positionierung abzuleiten – quasi den Leitstern und Leitfaden für alle zukünftigen Maß-nahmen und Aktivitäten, von der Marktbearbeitung und Kommunikation bis zur Produktentwicklung und Mitarbeiterführung.

MarketingMarketing umfasst die operative Umsetzung der Markenstrategie in der Marktbearbeitung. Ausge-richtet auf die in der Positionierung festgelegten Inhalte und Ziele einerseits und die Anforderungen der Zielgruppen andererseits, wird ein Maßnahmen-Mix über die definierten Kanäle entwickelt, imple-mentiert und anschließend evaluiert.

BrandingBranding bezeichnet die Übersetzung einer Strategie in eine visuelle, wahrnehmbare Form. Das beginnt bei Namen und Logo und setzt sich fort über das Design von Etiketten, Shop oder Website bis zum Story telling. Branding führt alle Elemente zu einer zusammen-hängenden und wiedererkennbaren Markenwelt.

MARKEN- JARGON

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