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Redaktion: Plenar- und Ausschussdienst, Tel. 2325-1450 bzw. quer 99407-1450 18. Wahlperiode Plenar- und Ausschussdienst Wortprotokoll zu TOP 1 Öffentliche Sitzung Hauptausschuss 34. Sitzung 9. Mai 2018 Beginn: 12.00 Uhr Schluss: 18.13 Uhr Vorsitz: Fréderic Verrycken (SPD); zeitweise Andreas Statzkowski (CDU) Finanzen – 15 Vorsitzender Fréderic Verrycken: Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung a) Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/0968 Umgang des Senats von Berlin mit dem Ergebnis des Volksentscheids „Berlin braucht Tegel“ 1267 Haupt(f) UmVerk b) Bericht RBm-SKzl – ZS R 2 – vom 05.12.2017 Wortlaut des Auftrages für den Gutachter zum Volksentscheid Tegel sowie zum Folgeabschätzungskatalog des Senats (Berichtsauftrag aus der 20. Sitzung vom 08.11.2017, dort TOP 2 A) 1023 A Haupt c) Bericht RBm-SKzl – III B – vom 07.03.2018 Rechtsgutachten zum Umgang des Senats von Berlin mit dem Ergebnis des Volksentscheids „Berlin braucht Tegel“ und Folgenabschätzung (Berichtsauftrag aus der 20. Sitzung vom 08.11.2017) 1023 B Haupt

Wortprotokoll zu TOP 1 Öffentliche Sitzung...Prof. Dr. Elmar Giemulla, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes – herzlich willkommen! –schön, dass Sie da

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Page 1: Wortprotokoll zu TOP 1 Öffentliche Sitzung...Prof. Dr. Elmar Giemulla, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes – herzlich willkommen! –schön, dass Sie da

Redaktion: Plenar- und Ausschussdienst, Tel. 2325-1450 bzw. quer 99407-1450

18. Wahlperiode

Plenar- und Ausschussdienst

Wortprotokoll zu TOP 1

Öffentliche Sitzung

Hauptausschuss

34. Sitzung

9. Mai 2018

Beginn: 12.00 Uhr

Schluss: 18.13 Uhr

Vorsitz: Fréderic Verrycken (SPD);

zeitweise Andreas Statzkowski (CDU)

Finanzen – 15

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Ich rufe auf

Punkt 1 der Tagesordnung

a) Vorlage – zur Beschlussfassung –

Drucksache 18/0968

Umgang des Senats von Berlin mit dem Ergebnis des

Volksentscheids „Berlin braucht Tegel“

1267

Haupt(f)

UmVerk

b) Bericht RBm-SKzl – ZS R 2 – vom 05.12.2017

Wortlaut des Auftrages für den Gutachter zum

Volksentscheid Tegel sowie zum

Folgeabschätzungskatalog des Senats

(Berichtsauftrag aus der 20. Sitzung vom 08.11.2017,

dort TOP 2 A)

1023 A

Haupt

c) Bericht RBm-SKzl – III B – vom 07.03.2018

Rechtsgutachten zum Umgang des Senats von Berlin

mit dem Ergebnis des Volksentscheids „Berlin

braucht Tegel“ und Folgenabschätzung

(Berichtsauftrag aus der 20. Sitzung vom 08.11.2017)

1023 B

Haupt

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 2 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

- pe -

d) Bericht SenFin – I C 13 – vom 29.03.2018

Offenhaltung des Flughafens Tegel

(Berichtsauftrag aus der 20. Sitzung vom 08.11.2017)

m.d.B. um Fristverlängerung zu Punkt 4 bis zum

31.07.2018

0324 B

Haupt

e) Bericht SenUVK – I C 142 – vom 31.01.2018

Zeitplan über die Festsetzung der

Lärmschutzbereiche

(Berichtsauftrag aus der 24. Sitzung vom 22.11.2017

und aus der 28. Sitzung vom 06.12.2017)

1123 A

Haupt

f) Bericht SenFin – I C 43 – vom 05.03.2018

Haushaltsvorsorge Lärmschutz Tegel

(Berichtsauftrag aus der 28. Sitzung vom 06.12.2017)

0459 K

Haupt

g) Antrag der AfD-Fraktion

Drucksache 18/0976

Flughafen Tegel im Landesentwicklungsplan

Hauptstadtregion berücksichtigen, Landesplanung

neuen Erfordernissen zügig anpassen!

hierzu: Anhörung

Angehört werden:

Herr Prof. Dr. iur. Elmar Giemulla, Professor für Ver-

waltungsrecht an der Hochschule des Bundes (em.),

Honorarprofessor für Luftrecht (TU Berlin)

Herr Dr. Stefan Paetow, Vorsitzender Richter am Bun-

desverwaltungsgericht a.D.

Herr Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Jan Ziekow, Direktor

Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwal-

tung, Speyer

1275

Haupt(f)

UmVerk

StadtWohn

Hierzu haben wir überfraktionell eine Anhörung vereinbart. Ich begrüße recht herzlich Herrn

Prof. Dr. Elmar Giemulla, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes –

herzlich willkommen! –schön, dass Sie da sind –, Herrn Dr. Stefan Paetow, Vorsitzender

Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D. – herzlich willkommen! auch an Sie – sowie

Herrn Univ.-Prof. Dr. Dr. Jan Ziekow, Direktor des Deutschen Forschungsinstituts für öffent-

liche Verwaltung in Speyer. Auch an Sie herzlich willkommen, schön, dass Sie heute hier

sind! Gleichzeitig begrüße ich auch die Senatsverwaltung für Finanzen, Frau Staatssekretärin

Dr. Sudhof, die hierfür federführend anwesend ist, sowie auch die Mitglieder der Ausschüsse

für Verkehr und Wirtschaft. Schön, dass auch Sie hier mit dabei sind. Die Flughafengesell-

schaft ist ebenfalls anwesend. Ich begrüße last but not least Frau Fölster – schön, dass Sie

wieder da sind! – und Herrn Bobke-von Camen. Prima, dass Sie auch gut vertreten sind. Dann

sind wir soweit vollständig.

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 3 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

- pe -

Bevor wir in die Diskussion und in die Anhörung einsteigen können, verweise ich darauf,

dass uns die FDP-Fraktion zu Tagesordnungspunkt 1 das Rechtsgutachten mit der roten

Nr. 1267 A von Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat,

sodass wir mittlerweile eine komplette Diskussionsgrundlage haben.

Zum Ablauf der Anhörung hat sich die Sprecherrunde auf folgendes Verfahren verständigt:

Wir versuchen, die Anhörung inklusive Diskussion, Nachfragen usw. auf zwei bis maximal

zweieinhalb Stunden zu begrenzen. Ich glaube, das ist auch im Interesse der Anzuhörenden,

die auch nicht alle bis abends Zeit hätten. Das Verfahren ist so – und auch mit den Eingelade-

nen abgestimmt –, dass die drei Experten vorn jeweils fünf Minuten für ein Eingangsstate-

ment bekommen. Danach können sich die Fraktionen melden und haben ihrerseits ebenfalls

die Möglichkeit in einer ersten Fragerunde Pi mal Daumen fünf Minuten lang Fragen zu stel-

len. Wir lassen sie dann beantworten. In einer zweiten Runde gleiches Verfahren, pro Frakti-

on etwa fünf Minuten. Ich werde hier vorn nicht auf die Stoppuhr schlagen, wenn es fünf Mi-

nuten und 30 Sekunden sind, wenn wir uns dann aber im Bereich von zehn Minuten befinden,

werde ich das abbrechen, damit wir einen einigermaßen geordneten Zeitablauf bekommen,

und vor allem, damit die Experten die Möglichkeit erhalten, entsprechend zu antworten, weil

das eigentlich der Sinn und Zweck der Übung ist.

Die Frage anfangs, ob ein Wortprotokoll gewünscht ist. – Das ist der Fall. Dann lassen wir ein

Wortprotokoll erstellen.

Die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 g werden wir am Ende noch einmal vertagen, weil sich

die mitberatenden Fachausschüsse dazu noch verhalten müssen. Zum Procedere: Die Tages-

ordnungspunkte 1 b, c, e und f können wir nachher ggf. zur Kenntnis nehmen, wenn wir damit

einverstanden sind. Bei dem Bericht unter 1 d müssen wir darüber abstimmen, ob wir die

Fristverlängerung zu Punkt 4 bis zum 31. Juli 2018 miteinander vereinbaren. – Das war es

von meiner Seite.

Ich schlage vor, dass wir in der von mir vorgelesenen Reihenfolge beginnen, es sei denn, Sie

haben sich vorn auf etwas anderes verständigt? – Gut, dann gebe ich als Erstem Herrn Prof.

Dr. Giemulla das Wort. – Bitte schön!

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Vielen Dank, Herr Vorsit-

zender! – Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Problematik entzündet sich an der

Frage, ob mit Inbetriebnahme des BER die Kapazitäten hier in Berlin, die notwendig sind,

realistischerweise vorgehalten werden können. Das ist nicht die Frage, die ich konkret beant-

worten kann. Ob die Kapazitäten ausreichen, muss man vernünftiger- und seriöserweise gut-

achterlich feststellen lassen. Es scheint aber nach allem, was man weiß, was man nachvollzie-

hen kann, so, dass das nicht der Fall sein wird, dass also die Kapazitäten so schnell nicht er-

setzt bzw. in dem notwendigen, zukunftsorientierten Maße hergestellt werden können.

Das ist wohl auch die Meinung der Betroffenen, der Planer selbst, denn es gibt ja, wie wir alle

wissen, die Masterplanung 2040, die darauf abzielt, den Flughafen BER von zunächst

22 Millionen Passagieren auf 55 Millionen Passagiere bis zum Jahr 2035 auszubauen, die

Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Das heißt, man geht auch da sehr real von einer starken

Steigerung des Verkehrs, der Passagierströme aus, die dann vorsorgeweise beantwortet wer-

den müssen. Der Plan ist in vier Schritte unterteilt. Der Schritt eins ist bezeichnet mit Schritt

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 4 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

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null und betrifft praktisch die Gegenwart, wenn man so will, wenn man in die Gegenwart

auch das Jahr 2020 einbezieht, in dem bekanntermaßen der BER ans Netz gehen wird. Dieser

Schritt null betrifft dann den Zeitraum bis ins Frühjahr 2021. Dort sollen schon die Kapazitä-

ten auf 33 Millionen Passagiere hochgelevelt werden durch den Bau des T2, wie wir alle wis-

sen.

Die Frage ist, ob das vom juristischen Standpunkt aus realistisch ist, auch was die Zeitschiene

anbelangt. Ich sage, es ist zumindest ausgesprochen zweifelhaft und riskant. Man wird auch

diesen Schritt, den Schritt null, meiner Meinung nach planfeststellen müssen, und zwar des-

wegen, weil er erklärtermaßen in eine Gesamtplanung bis 2035 einbezogen ist, ausdrücklich

als erster Schritt, Schritt null hier bezeichnet. Das heißt, er ist nicht eine Nachplanung, die

durchaus bei einem laufenden Flughafen regelmäßig vorkommen kann, dass man einen Flug-

hafen erweitern muss, dass man eine Plangenehmigung benutzt. Das Institut der Plangeneh-

migung, das einfacher ist als eine Planfeststellung, keine UVP-Prüfung, wenn Rechte Dritter

nicht betroffen sind, ist es noch einfacher, mit anderen Worten: Die Frage lautet, ob das das

Muster, das Instrument ist, um diese Nachfrageschübe, das Gesamtkonzept des Masterplans

2040 zu bedienen oder auch nur einen Teil davon. Ich sage: Nein, das ist zumindest sehr ris-

kant. Wenn das angefochten wird, könnte ich mir vorstellen – aber dafür haben wir hier Beru-

fenere –, dass das zumindest sehr schwierig ist, gerichtlich darzustellen, dass es nicht Teil

einer Gesamtplanung ist, die insgesamt planfestgestellt werden muss.

Die brennende Frage ist dann, mit der wir uns alle herumschlagen – wenn ich das einmal so

sagen darf –, die uns bis in die Albträume hinein verfolgt: Was passiert im Jahr 2018 realisti-

scherweise, wenn man nicht davon ausgeht, dass der Bedarf einfach nicht bedient werden soll,

was glücklicherweise allgemein nicht der Fall ist. Man wird sich für ergänzende Maßnahmen

entscheiden müssen, wie immer man das bezeichnen muss, ergänzende oder ersetzende, so-

weit würde ich im Moment noch gar nicht gehen. Wenn man schon neu planfeststellen muss,

wenn man umfänglich planfeststellen muss, ob man dann die Grundsatzfrage stellt, ob denn

der BER wirklich der richtige Standort ist. All diese Dinge drängen sich wirklich fast auf,

wenn man wirklich die Grundsatzfrage aufwerfen muss. Die will ich jetzt aber gar nicht wei-

ter verfolgen, sondern eher in dem Bereich bleiben, dass wir weiterhin mit ergänzenden – ich

sage mal – fast Notmaßnahmen arbeiten müssen. Das heißt, wir brauchen dann in Berlin, in

der Region Berlin-Brandenburg zusätzliche Alternativen. Da drängt sich natürlich Tegel auf.

Tegel ist ein funktionierender Flughafen, Tegel ist im Moment noch fiktiv genehmigt und

planfestgestellt. Wie das dann rechtlich ist mit dem Widerruf des Widerrufes, alles das ist

hinlänglich ausgeführt worden, darauf gehe ich jetzt nicht im Einzelnen ein. Aber damit wird

man sich befassen müssen, Tegel zumindest bis auf Weiteres als Ergänzungs- und Entlas-

tungsflughafen für den BER weiter zu benutzten. Wenn man das nicht will oder jedenfalls

nicht will, dass die Auswirkungen auf die Tegel-Anwohner zu intensiv sind – Stichwort

Lärmschutz, ein weiteres Problem –, dann wird man sich gleichzeitig auch nach anderen

Möglichkeiten zusätzlich umsehen müssen – Satellitenflughäfen, Neuhardenberg beispiels-

weise –, um mit dem Ziel, BER möglichst effektiv zu betreiben, möglichst an die Kapazitäts-

grenzen heranzuführen, um spiegelbildlich oder im Sinne der kommunizierenden Röhren die

Tegel-Anwohner nicht über das notwendige Maß hinaus zu belasten. Ich glaube, dass man an

diese Thematik sehr, sehr bald herangehen muss. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Ganz herzlichen Dank, Herr Giemulla! – Dann ist als

Nächster Herr Dr. Paetow an der Reihe. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 5 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

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Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.): Vielen Dank,

Herr Vorsitzender! – Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich versuche, in fünf Minuten das

Allerwichtigste meiner rechtlichen Untersuchung darzustellen. Die entscheidende Rechts-

norm, um die sich alles drehen wird, ist der Landesentwicklungsplan Flughafenstandortent-

wicklung. Der sieht sinngemäß vor, dass nach Inbetriebnahme, so die Formulierung, des BER

Tegel – und Tempelhof – geschlossen werden müssen. Frage: Was heißt Inbetriebnahme. Ich

sehe das so, dass die Schließungsverpflichtung, die aus dem Landesentwicklungsplan hervor-

geht, erst dann greift, wenn der BER den gesamten Flugverkehr in der Region Berlin-

Brandenburg aufnehmen kann, und wenn bei der Eröffnung auch ein gewisser Puffer vorhan-

den ist, dass nicht ein Jahr danach bereits die Kapazität nicht ausreichen würde. Falls der BER

durch die Südbahn und die anderen Anlagen vorher in Betrieb gehen sollte, dann wäre das

rechtlich gesehen meiner Ansicht nach nur eine Teileröffnung, das heißt, Tegel würde offen

bleiben, die Schließungsverpflichtung greift noch nicht ein. Sie greift erst ein, wenn der ge-

samte Flugverkehr mit einem gewissen Puffer von dem BER übernommen werden kann, ein-

schließlich ggf. SXF.

Die Änderung des Landesentwicklungsplanes, die erforderlich wäre, wenn man von diesem

Junktim zwischen BER und Schließung von Tegel weg will, geht nur, das wissen Sie alle, mit

Brandenburg zusammen. Im Augenblick jedenfalls ist Brandenburg damit nicht einverstan-

den, das heißt, Stand jetzt wäre eine Änderung dieser Rechtsverordnung nicht möglich, aller-

dings weiß niemand, wie die politischen Dinge, wie die Entwicklung am BER weitergehen.

Es kann durchaus sein, dass sich daran etwas ändert und dass die dann entscheidenden Gre-

mien und Politiker an die Änderung dieses Landesentwicklungsplans herangehen wollen. Das

ist nur möglich durch eine Änderung dieser Rechtsverordnung nach den Vorschriften insbe-

sondere des Raumordnungsgesetzes und des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprü-

fung. Dort sind umfangreiche, verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Anforderungen

aufgestellt, also: Öffentlichkeitsbeteiligung, Anhörung der Betroffenen, strategische Umwelt-

prüfung, dann im Rahmen der Abwägung Alternativenabwägung usw., also es ist ein relativ

aufwändiges Verfahren.

Nach meiner Ansicht – das ist sicher ein Punkt, über den gestritten werden kann – ist eine

erfolgreiche Änderung zugunsten der Offenhaltung von Tegel nur dann möglich, wenn wirk-

lich handfeste Gründe gegen die bisherigen Gründe, die für das Single-Airport-Konzept spre-

chen, angeführt werden könnten.

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

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9. Mai 2018

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Ich nenne nur einmal die aus meiner Sicht beiden wichtigsten Punkte, die für die Schließung

von Tegel und die Konzentrierung auf einen Flughafen angeführt werden: Das ist einmal die

Entlastung Hunderttausender Bewohner von Lärm- und Luftverunreinigung und dann ein

Punkt, der – wie ich finde – zu wenig in der allgemeinen Diskussion beachtet wird, nämlich

der Gewinn einer großen Fläche für die Stadtentwicklung. Angesichts der dramatischen Flä-

chenknappheit, die in Berlin herrscht, scheint mir das ein wichtiger Gesichtspunkt zu sein. Es

gibt weitere. Also, gegen diese und die weiteren Gesichtspunkte müssten handfeste Gegen-

gründe bestehen, um erfolgreich, abwägungsfehlerfrei, wie die Juristen sagen würden, den

Landesentwicklungsplan zu ändern. Das könnte insbesondere natürlich die Kapazitätsfrage

sein, die sich festmacht an den Abfertigungskapazitäten, weniger oder gar nicht – vorerst je-

denfalls – an den Landebahnen, die wahrscheinlich sehr viel mehr aufnehmen könnten.

Man muss auch immer bedenken, es geht – das ist das Ziel des Volksentscheides – darum, auf

Dauer offen zu halten, es geht um Zeiträume von 20, 30, 40 Jahren, die Tegel offen gehalten

werden soll. Das muss man sich überlegen. Das heißt, man muss auch diesen Zeitraum – Herr

Giemulla hat davon auch gesprochen – in den Blick nehmen, wenn man sich fragt: Kann die

Kapazität so ausgebaut werden, dass der gesamte Flugverkehr übernommen werden kann.

Es ist ein bisschen Spekulation oder schwierig für einen Gutachter, dazu etwas zu sagen. Ich

habe in meinem Gutachten zwei Szenarien einfach beispielhaft genannt. Das eine Szenario ist,

das sehr optimistische Szenario der Flughafengesellschaft, die glaubt, dass in den nächsten

Jahrzehnten die Kapazität jeweils so gesteigert werden kann, dass ein reibungsfreier Flugver-

kehr möglich ist, und es gibt die gegenteiligen Szenarien, die besagen: Das wird nicht klap-

pen. Herr Giemulla hat sich sehr skeptisch geäußert. Ich glaube, wenn auf Dauer keine ernst-

lichen Kapazitätsengpässe am BER wären, sein sollten, dass es dann rechtlich nicht möglich

sein wird, rechtsfehlerfrei diese Rechtsverordnung, also den Landesentwicklungsplan, zu än-

dern. Anders könnte es durchaus sein, wenn auf Dauer deutliche Kapazitätsengpässe da sein

sollten. Dann könnte ich mir vorstellen, dass eine Änderung des Landesentwicklungsplans

ohne Rechtsfehler möglich ist und zwar zugunsten der Öffnung von Tegel, wobei allerdings

dort auch noch weitere Alternativen geprüft werden müssen. Abschließend ein Satz: Aus

meiner Sicht hängt diese Frage ganz ausschließlich von der Entwicklung am BER ab, wie das

weitergehen wird. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Danke an Sie! – Als Nächsten habe ich Herrn Univ.-

Prof. Dr. Dr. Jan Ziekow. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Vielen

Dank, Herr Vorsitzender! – Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich bedanke mich zu-

nächst einmal für die Einladung und die Gelegenheit, zu Ihnen zu sprechen. Ich werde mich

in den fünf Minuten – ohnehin schwierig für einen Hochschullehrer, der sich gern reden hört

– auf etwas anderes konzentrieren als die beiden Vorredner, damit wir uns auch ein wenig

ergänzen, nämlich zum Thema Volksentscheid etwas sagen, auch deshalb, weil das Thema

Bürgerbeteiligung mir seit vielen Jahren am Herzen liegt. Ich war auch Mitglied einer Enque-

te-Kommission, im Übrigen auf Vorschlag der SPD, das will ich bei dieser Gelegenheit ein-

mal einflechten.

Um mit dem Ergebnis anzufangen: Der Volksentscheid vom 24. September 2017 ist für den

Senat verbindlich. Der Senat ist verpflichtet, nicht nur ergebnisoffen zu prüfen, ob und unter

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18. Wahlperiode

Seite 7 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

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welchen Voraussetzungen ein Weiterbetrieb von Tegel möglich wäre, sondern er muss sozu-

sagen selber den Weiterbetrieb von Tegel wollen, ob er es nun selber will oder nicht, das liegt

in der Konsequenz des Volksentscheides. Dass es in der Diskussion, die in Berlin geführt

wird, soweit ich sie verfolgen kann, möglich ist, die Verbindlichkeit des Volksentscheids zu

bezweifeln, das liegt an einer Besonderheit der Berliner Verfassung, die, glaube ich, sonst nur

noch die Hamburger Verfassung kennt, nämlich zum einen den Volksentscheid über Gesetze

oder eingebrachte Gesetzentwürfe durch die Initiatoren des Volksbegehrens und zum anderen

über sonstige Gegenstände der politischen Willensbildung. Bei einem Volksentscheid über

ein Gesetz ist klar, da ist das Ergebnis verbindlich. Ein Gesetz ist immer verbindlich, das liegt

in der Konsequenz der Sache. Daraus wird nun in der Diskussion gefolgert, wenn es kein Ge-

setz ist, dann sei ein Volksentscheid über die sonstigen Gegenstände der politischen Willens-

bildung, um einen solchen handelt es sich hier bei dem Volksentscheid über Tegel, nicht ver-

bindlich. Das sehe ich etwas anders und ich glaube, das tue nicht nur ich.

Zunächst einmal handelt es sich um einen Entscheid, das heißt, das Volk gibt nicht nur seine

Meinung zu irgendetwas kund, sondern es hat entschieden. Der Gegenbegriff wäre dann im

Grunde die Volksbefragung oder – wie es in der Berliner Verfassung heißt – die Volksinitia-

tive. Das ist ein anderes Argument, was aber nach der Rechtsprechung der Landesverfas-

sungsgerichte selbstständig und eindeutig in der Verfassung geregelt sein muss. Man kann

also nicht etwa sagen, wenn ein Volksentscheid möglich ist, kann man sozusagen als Minus

auch eine Befragung durchführen. Das tut dann auch weniger weh. Von den Verfassungsge-

richten ist eindeutig entschieden: Wenn es ein Volksentscheid ist, ist er auch verbindlich. Das

Andere ist eine Volksbefragung und um die handelt es sich hier eben nicht. Der Grund, der

dahinter steht, ist der: Der Volksentscheid ist eine politische Sondersituation, das ist im Grun-

de so eine Auffangmöglichkeit, um Waffengleichheit zwischen den Vertretenen und den Ver-

treterinnen und Vertretern herzustellen, und zwar nur in einzelnen Punkten, die den Betroffe-

nen – hier den Wahlberechtigten – besonders wichtig sind. Diese Waffengleichheit erfordert

es eben auch, andernfalls wäre es gar keine Waffe, dass einem Volksentscheid auch dann

Verbindlichkeit zukommt, wenn es sich nicht um einen Gesetzentwurf handelt.

Sie kennen sicherlich auch das Argument: Ja, ein Volksentscheid über sonstige Gegenstände

sei einem Parlamentsbeschluss gleichzustellen und Parlamentsbeschlüsse seien nun mal nicht

verbindlich für die Regierung, könnten auch jederzeit geändert werden. Das hat eine ganze

Menge Prämissen, die so nicht stimmen. Man muss ganz einfach sagen, dass das einem Par-

lamentsbeschluss gleichzustellen ist, ist zunächst einmal zu hinterfragen, und zweitens – das

ist verfassungsrechtlich eindeutig – es gibt verbindliche Parlamentsbeschlüsse und es gibt

nicht verbindliche Parlamentsbeschlüsse. Wenn Sie beispielsweise an die Parlamentsbe-

schlüsse zum Auslandseinsatz der Bundeswehr denken, die sind verbindlich für die Regie-

rung. Das ist nun einmal so. Das heißt, es hängt vom konkreten verfassungsrechtlichen Kon-

text ab, ob ein Parlamentsbeschluss verbindlich ist für – in diesem Fall – die Regierung oder

nicht. Hier würde ich sagen, beim Volksentscheid handelt es sich wirklich um die letzte Waf-

fe des Souveräns, des Volkes, um ein verbrieftes Recht des Volkes, seine Auffassung in einer

spezifischen Sachfrage durchzusetzen.

Man muss also nach meiner Auffassung zwei Verbindlichkeitsbegriffe unterscheiden. Man

muss Ergebnisverbindlichkeit, das heißt, es wird ein Ergebnis durch Entscheid beschlossen

und das ist zu befolgen, das ist beim Gesetz so, und der sogenannten Handlungsverbindlich-

keit unterscheiden. Letzteres heißt, die entsprechenden staatlichen Organe müssen den Volks-

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Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 8 Wortprotokoll Haupt 18/34

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entscheid, wenn Sie so wollen, ausführen und umsetzen. Um eine solche Konstellation han-

delt es sich hier. Das heißt, der Senat von Berlin ist verpflichtet zu handeln, nämlich alles da-

für zu tun, was möglich ist, damit Tegel offen bleibt. Auf das Ergebnis kann er nicht ver-

pflichtet werden. Das wissen wir alle. Das hat auch Herr Paetow noch einmal dargestellt. Das

hängt von ganz vielen Schritten ab, die im Verfahren zu erreichen sind. Deshalb ist der Senat

nur zum Handeln verpflichtet und schuldet eben nicht das Ergebnis, die Offenhaltung von

Tegel.

Vielleicht am Rande, ich will das nicht vertiefen, denn das sind juristische Petitessen, es gibt

einen älteren Beschluss des Berliner Verfassungsgerichtshofs, wo er sich in einem einzigen

Satz, muss man sagen, mit der Verbindlichkeit von Volksentscheiden über sonstige Gegen-

stände der politischen Willensbildung befasst und diese Verbindlichkeit abgelehnt hat. Ich

weiß nicht, ob er diesen Satz so noch einmal wiederholen würde. Um diesen Satz ging es ein-

fach nicht. Es ist das, was man juristisch ein Obiter Dictum nennen würde, also bei der Gele-

genheit der Entscheidung dieses auch mal mitzuregeln. Die Konstellation – das war die Tem-

pelhof-Konstellation – war eine ganz andere. Damals gab es eben gerade keinen erfolgreichen

Volksentscheid. Dementsprechend sieht es etwas anders aus.

Nach meiner Auffassung könnte der Senat nur sagen: Nein, Tegel, da gibt es zu viele Schwie-

rigkeiten, den Weg gehen wir nicht weiter. – Dass es Schwierigkeiten gibt, das kann man

wirklich nicht bestreiten. Wenn am Anfang des Verfahrens feststehen würde, dass ein Weiter-

betrieb von Tegel objektiv unmöglich wäre, objektiv meint vor allen Dingen im Wesentlichen

tatsächlich die rechtliche Unmöglichkeit. Irgendwelche politischen Unwägbarkeiten oder fi-

nanzielle Folgewirkungen reichen nicht aus. Das liegt in der Konsequenz eines Volksent-

scheides, durch den sogar die Berliner Verfassung geändert werden könnte. Dass sich daraus

Folgewirkungen ergeben, das ist, denke ich, nicht das Problem. Die Juristen, die sich mittler-

weile mit den Fragen Weiterbetrieb Tegel auseinandergesetzt haben -– das sind ziemlich vie-

le, der Senat hat nicht nur Herrn Paetow, sondern verschiedene Senatsverwaltungen haben

mittlerweile drei Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das heißt die Fragen können nicht so

eindeutig zu beantworten gewesen sein –, die kommen aber alle zu ziemlich ähnlichen Ergeb-

nissen. Das heißt, die Rechtsfragen halte ich für ziemlich abgeräumt –vielleicht sind Herr

Paetow und ich an einer Stelle unterschiedlicher Auffassung –, jedenfalls dann, wenn der

mehrfach angesprochen Punkt, und im Übrigen auch in den Folgeabschätzungen der Senats-

verwaltungen die ausdrücklich geforderte und fundiert-methodische und unabhängige Kapazi-

tätsbewertung für den BER zu dem Ergebnis kommen würde, dass der BER – Herr Paetow

hat es eben gerade noch einmal ausgeführt – in einem prognostischen Zeithorizont nicht aus-

reichen würde, um den Flugverkehr im Raum Berlin-Brandenburg abbilden zu können, stehen

dem Weiterbetrieb von Tegel keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an Sie, Herr Prof. Dr. Dr. Ziekow. Damit

haben wir den Auftakt der Statements der Experten hier gehabt. Jetzt kommen wir zu den

Fraktionen. Wir gehen, wie in der Sprecherrunde vorgeschlagen, nach Stärke der Fraktionen

vor. Es beginnt in diesem Fall mit dem Kollegen Stroedter von der SPD-Fraktion. Bei den

Fraktionen, bei denen sich mehrere gemeldet haben, können Sie die Redezeit untereinander

aufteilen. Ich werde nicht nach fünf Minuten klingeln, aber wenn es in Richtung zehn Minu-

ten geht, werde ich hier vorn langsam unruhig werden. – Herr Kollege Stroedter, bitte schön!

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18. Wahlperiode

Seite 9 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

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Jörg Stroedter (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Ich will mit Ihnen anfangen, Herr

Professor Ziekow, weil Sie sich neu dazu geäußert haben und mir einige Dinge, die Sie sagen,

eigentlich unerklärlich sind. Wie kommen Sie darauf, dass dieser Volksentscheid, so, wie er

angesetzt worden ist, mehr wert ist als ein Parlamentsbeschluss? Wenn man etwas anderes

hätte machen wollen, hätte man ein Gesetz beantragen können. Wie stellen Sie sich eigentlich

vor, wie man einen Volksentscheid verbindlich machen kann, wenn die Eigentümer der Flug-

hafengesellschaft drei sind, nämlich der Bund, Brandenburg und Berlin, und sich der Volks-

entscheid nur an Berlin richtet. Welche rechtlichen Möglichkeiten hat faktisch das Land Ber-

lin gegenüber dem Bund und Brandenburg, das durchzusetzen? Das sehe ich bei Ihnen über-

haupt gar nicht beschrieben.

Wie es immer bei Juristen ist, wird über Kapazität gesprochen. Ich sage Ihnen mal, wie die

Kapazität in Tegel aussieht. Der Flughafen war für acht Millionen konzipiert, jetzt fliegen

dort über 21 Millionen. Daran sehen Sie, dass die Kapazitätsfrage als solche schwer greifbar

ist. Ich sage Ihnen, der Flughafen neuer BER reicht noch viel mehr aus, als die Flughafenge-

sellschaft im Augenblick sagt. Das Beispiel Tegel beweist es. Deshalb die Frage an Sie: Wie

widerlegen Sie es, dass für Tegel die Kapazität in der Größe ausreicht, und das am BER dann

angeblich nicht der Fall sein soll.

Ich würde gern von Ihnen auch wissen, warum Sie der Meinung sind, der Volksentscheid ist

für den Senat verbindlich. Der Senat hat doch gehandelt. Er hat in drei Punkten gehandelt. Er

hat erstens mit den Eigentümern Bund und Brandenburg gesprochen. Die haben sich klar po-

sitioniert. Zweitens, es hat eine erneute, komplette Prüfung durch den Senat, durch sämtliche

Senatsverwaltungen gegeben. Die ist Ihnen sicherlich bekannt. Drittens gibt es das Rechtsgut-

achten von Dr. Paetow, der Richter am Bundesverwaltungsgericht war und auch weiß, welche

Verbindlichkeit das Urteil am Bundesverwaltungsgericht hat. Das heißt, wo sehen Sie tatsäch-

lich begründbar die Äußerung gegeben, dass der Senat hier nicht gehandelt hat. Ich kann das

nicht erkennen, wenn ich diese drei Punkte sehe.

An Herrn Paetow habe ich folgende Fragen: Wenn man jetzt einmal anders herum denkt und

die Position aufnimmt, die die FDP, Ziekow und andere hier vertreten, nämlich die, es sei

alles ganz leicht, wir könnten Tegel offen halten, was passiert denn, wenn Tegel offen bleiben

würde, in der Frage Schallschutz, welche rechtlichen Ansprüche haben dort die betroffenen

Anwohnerinnen und Anwohner, welchen Vertrauensschutz gibt es überhaupt für die betroffe-

nen Anwohnerinnen und Anwohner in der Gestalt, dass ihnen eine verbindliche Zusage gege-

ben worden ist vom Land Berlin, aber auch von anderen Eigentümern, dass dieser Flughafen

definitiv bei der Inbetriebnahme des BER geschlossen wird, und welche Klagemöglichkeiten

haben die Anwohnerinnen und Anwohner dann, wenn Tegel offen bleibt, nicht nur bezogen

auf den Schallschutz, sondern auf die weitere Inbetriebnahme?

Sie haben gesagt, es gebe zwei Argumente für die Schließung des Flughafens Tegel, einmal

den Anwohnerschutz, das ist das, was ich in der vorherigen Frage bereits angesprochen habe,

und zum Zweiten die Gewinnung einer großen Stadtfläche für die Stadtentwicklung. Dafür

gibt es ein verbindliches Konzept – 9 000 Wohnungen, Forschungs- und Wirtschaftspark mit

vielen Arbeitsplätzen, die Beuth Hochschule mit einem zweiten Campus. Wie gewichten Sie

bei einer neuen Entscheidung vor entsprechenden Gerichten, bis hoch zum Bundesverwal-

tungsgericht, die Abwägung dieser Position der Gewinnung einer großen Stadtfläche im Ver-

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hältnis dazu, dass man sagt: Es könnten zwei Millionen an der Kapazität fehlen und deswegen

sollte man den ganzen Beschluss ändern.

Zum Abschluss an Herrn Professor Giemulla die Frage: Wir kommen Sie darauf, dass die

Kapazität am BER nicht ausreichend ist – das habe ich Prof. Ziekow eben auch schon ge-

fragt? Woher nehmen Sie die starke Steigerung der Passagierzahlen her, die sich aktuell gar

nicht ergibt. Der Markt ist äußert unter Druck. Nicht nur, weil Air Berlin pleitegegangen ist,

nicht nur, weil die Bahn deutlich neue Linien anbietet. Wir haben bei der Verbindung Berlin-

München innerhalb von zwei Monaten einen Passagierzuwachs von 50 Prozent. Das hat alles

Konsequenzen für das, was in Tegel stattfindet.

Dann würde ich auch gern etwas zu dieser Idee Neuhardenberg hören, wie Sie die bewerten.

Auch da gibt es bezogen auf den Landesentwicklungsplan ganz klare Positionen. – Danke

sehr!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Kollege Stroedter! – Mein Vorschlag ist,

dass wir für die Beantwortung in Dreierblöcken vorgehen, weil das jetzt sehr viele Fragen

gewesen sind. Sie erhalten dann nach drei Kollegen die Möglichkeit zu antworten, weil Sie

ansonsten die Situation hätten, dass Sie über hundert Fragen beantworten müssten. Das wäre

bestimmt nicht so gut. Falls es gegen den Vorschlag Widerspruch gibt, bitte ich um ein kurzes

Signal Ihrerseits. – Das ist nicht der Fall, dann verfahren wir so. Als Nächster dann der Kolle-

ge Evers für die CDU-Fraktion.

Stefan Evers (CDU): Vielen herzlichen Dank, auch an Sie und für Ihre Ausführungen, und an

Herrn Stroedter, wie immer, für die Vorlage. Ich finde die Frage, wie kommen Sie auf die

Idee, dass dieser Volksentscheid verbindlich sein könnte, eine Dreistigkeit sondergleichen,

die aber gleichzeitig den Kern dessen beschreibt, worum sich die politische Debatte dreht. Es

ist jetzt zwar nicht zulässig, Fragen an die Fraktionskollegen der SPD zu stellen, aber mit

Verlaub, wie kommen Sie auf die Idee, dass dieser Volksentscheid nicht verbindlich ist?

Wenn Sie über Vertrauensschutz sprechen, welches Vertrauen dürfen denn eine Million Ber-

linerinnen und Berliner genießen, die bei diesem Volksentscheid eine klare Entscheidung ge-

troffen haben? Darüber sollten wir viel eher politisch diskutieren, anstatt uns hier den juristi-

schen Einzelheiten zu widmen – [Torsten Schneider (SDP): Herr Evers! Hier ist keine Presse-

ausschusssitzung!] –.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Kollege Evers hat das Wort!

Stefan Evers (CDU): Ich mag es immer, wenn Sie dazwischen schreien, aber vielleicht hören

Sie an dieser Stelle einmal zu. Ich glaube, Sie können noch eine Menge lernen, übrigens auch

von den Anzuhörenden, denn alles, was wir hier gehört haben, widerspricht in wesentlichen

Punkten diametral den Argumenten, die der Senat im Zuge der Kampagne vor dem Volksent-

scheid vorgetragen hat. Ich habe nicht ein Wort dazu gehört, dass die Planfeststellung für den

BER einen Weiterbetrieb von Tegel ausschließen würde, beziehungsweise, dass – das war ja

die Behauptung des Senats – die Schließung des BER die unmittelbare Folge wäre, würde

man Tegel offen halten. Das war eines der ausschlaggebenden Argumente in der Öffentlich-

keitsarbeit des Senats. Mit Verlaub, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind wir weit davon

entfernt. Sie alle haben übereinstimmend die Aussage getroffen, dass selbstverständlich – eine

rechtsfehlerfreie Änderung der Landesentwicklungsplanung vorausgesetzt – ein Weiterbetrieb

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möglich ist. Wenn wir uns gemeinsam politisch in der Pflicht sehen – das sollten wir alle mit-

einander als demokratisch gewählte Abgeordnete, die einen Volksentscheid als politische und

moralische Verpflichtung empfinden –, dann müssen wir uns fragen, wie wir rechtsfehlerfrei

zu diesem Ergebnis kommen, dass die Berlinerinnen und Berliner sich wünschen.

Da haben Sie, auch Sie, Herr Dr. Paetow, das fand ich an Ihrem Gutachten bemerkenswert,

diesem Senat durchaus wertvolle Hinweise gegeben. Umso erstaunlicher finde ich es, dass wir

hier im Abgeordnetenhaus nach einem Volksentscheid, der sich an den Senat richtet, darüber

entscheiden sollen, dass der Senat ihn bitte nicht umsetzen soll. Das gehört zu den Treppen-

witzen, an denen die Nachgeschichte zu diesem Volksentscheid traurigerweise sehr reich ist.

Aber zu den einzelnen Fragen jenseits dessen, was ich gerade beschrieben habe, dass aus der

Planfeststellung für den BER nicht folgt, dass der Flughafen zu schließen hätte, bliebe Tegel

offen, sondern dass im Gegenteil die alles entscheidende Frage die Kapazitätsfrage ist. Übri-

gens eine Frage, zu der ich aus dem Senat nach dem Volksentscheid nichts vernommen habe.

Es hat nicht etwa eine ernsthafte Überprüfung der Annahme stattgefunden, dass wir hier in

absehbarer Zeit mit Kapazitätsproblemen zu rechnen haben. Ich fand den Hinweis von Pro-

fessor Dr. Giemulla – und vielleicht können die anderen Experten etwas dazu sagen – bemer-

kenswert, dass auch die Erweiterung des BER nicht rechtsfragenfrei ist, sondern dass durch-

aus auch hier im Zweifel Klagerisiken bestehen, die ausgeräumt werden sollten, bevor wir

annehmen, dass diese Kapazitäten vom BER jemals in absehbarer Zeit geleistet werden kön-

nen.

Zum Thema der politischen Verpflichtung des Auftritts gegenüber Brandenburg, da fehlt mir

jetzt ehrlicherweise der Vertreter des Senats, den man mal fragen könnte, wie denn eigentlich

mit Brandenburg verhandelt worden ist. Wann ist denn da was vorgetragen worden? Was wa-

ren die Argumente des Landes Berlin? Wie hat man sich juristisch, wie in der Sache, insbe-

sondere hinsichtlich der Kapazitätsfrage, gewappnet, einem Land gegenüberzutreten, das im

Übrigen auch bei der Braunkohle nicht bekannt dafür ist, besonders zukunftsfest, innovations-

freudig und vorausschauend zu agieren. Da habe ich wenig Verständnis für das Handeln des

Senats – das werden wir mutmaßlich noch in einem Untersuchungsausschuss nachbereiten,

dem sich diese Koalition genauso in den Weg stellt und sich darüber aufregt, dass wir es wa-

gen, neben den Fragen, die den BER unmittelbar betreffen, auch solche zu behandeln, die eine

Entlastung dieses Flughafens zur Folge hätten – [Steffen Zillich (LINKE): Das ist eine Frech-

heit und schlicht die Unwahrheit!] – und die Sicherung des Flughafenstandorts Berlin. Das

Dazwischenschreien – – Zu absichtlichen Unwahrheiten des Senats habe ich gerade etwas

beigetragen. Da möge er bitte hier hochrot anlaufen bei allem, was die Gutachter und Exper-

ten hier vorgetragen haben – [Zurufe] –, denn wenig von dem, was der Senat vor dem Volks-

entscheid gesagt hat, hat nach diesen Ausführungen noch Bestand. – [Zurufe] –

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Meine Damen und Herren! Herr Evers! Herr Evers hat

das Wort, auch wenn Ihnen das nicht gefällt, was Herr Evers sagt. Herr Evers hat das Wort!

Stefan Evers (CDU): Das tut es selten, aber es ehrt mich, wenn ich höre, von wem die Kom-

mentare kommen.

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Vorsitzender Fréderic Verrycken: Ich bitte Sie, Herrn Evers aussprechen zu lassen, aber ich

bitte auch darum, Herr Evers, dass gegebenenfalls noch Fragen an die Experten gestellt wer-

den, weil die Uhr auch bei Ihnen läuft.

Stefan Evers (CDU): Ich setze mich zur Not auch durch. Lauter als die Kollegen Schneider

und Co. kann ich das allemal. – Ach, der ist schon weg. Na, dann hat er es sich mit dem Lärm

nicht ganz so zu Herzen genommen.

Nächster Punkt: Es ist jetzt über das Thema Vertrauensschutz und auch die ernst zu nehmende

Lärmschutzbetroffenheit der Anwohner von Tegel gesprochen worden, von denen übrigens,

lieber Herr Stroedter, auch eine deutliche Mehrheit für die Offenhaltung von Tegel gestimmt

hat. Das vergessen Sie von Zeit zu Zeit. Aber Sie haben auch eine gewisse Erfahrung damit,

gegen den Willen Ihrer Wähler zu regieren. Vielleicht können Sie Ihre Wahlkreise gewinnen

– was wir nicht hoffen wollen –, wenn Sie genauer zuhören. Zum Thema Lärmbetroffenheit

und Vertrauensschutz: Der Planfeststellungsbeschluss für den BER geht erkennbar von einem

anderen Szenario aus als ich es jetzt in der Masterplanung 2040 erkenne, und er geht auch

übrigens von anderen Kapazitäten und Passagierzahlentwicklungen aus als wir sie in den ver-

gangenen Jahren erlebt haben und in den kommenden Jahren erleben werden. Ich finde es

erschreckend, wie wenig eigentlich über den Vertrauensschutz der Anwohner rund um den

BER gesprochen wird, die natürlich auch lärmbetroffen sind und mit einem ganz anderen

Fluggast- und Flugzahlaufkommen zu tun haben werden als ihnen ursprünglich in die Hand

versprochen worden ist. Auch da würde mich der Gesichtspunkt von Klagerisiken, Rechtsun-

sicherheiten interessieren, die aus der jetzt beabsichtigen masterplanbezogenen Erweiterung

des BER resultieren, denn nicht nur in Tegel stellen sich große Rechtsfragen, sondern auch,

was die Erweiterung des BER angeht. Wie gesagt, Herr Professor Giemulla hat an der Stelle

den richtigen Einstieg gewählt.

Zu guter Letzt als Frage: Halten Sie es für zutreffend, dass der Senat jederzeit, jedenfalls die

Vorbereitung und die Einleitung von Maßnahmen vornehmen kann, die auch zum jetzigen

Zeitpunkt noch den Zielen des Landesentwicklungsplans widersprechen, sondern eine Gleich-

zeitigkeit vornehmen sowohl der politischen Verhandlungen mit Brandenburg über eine Än-

derung des LEP, wie der Einleitung der notwendigen Verwaltungsverfahren zum Widerruf

des Widerrufs von Betriebsgenehmigung und Planfeststellung, dass wir da sehr wohl auf Ber-

liner Seite schon intensiv in den Senatsverwaltungen vorbereiten könnten, die Verfahren be-

ginnen und einleiten könnten, und dass es im Kern darauf ankommt, dass am Ende für eine

rechtsfehlerfreie Abwicklung sowohl dieser Verwaltungsverfahren als auch dann der Ände-

rung des Landesentwicklungsplans selbst, dass diese Ziele kongruent sind. Meine Behauptung

und These ist – dazu würde mich Ihre Einschätzung interessieren –, dass zum jetzigen Zeit-

punkt der Senat sehr wohl mehr machen könnte, als ein mehr oder weniger neutrales Gutach-

ten zu beauftragen und uns dann anschließend im Abgeordnetenhaus zu erklären, dass wir,

bitte schön, dafür sorgen sollen, dass der Senat sich nicht an einen aus unserer Sicht mindes-

tens politisch und moralisch verbindlichen Volksentscheid zu halten hat? – Danke!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Kollege Evers! – Vielleich noch einmal

zur Klarstellung: Zuständig ist federführend die Senatsverwaltung für Finanzen. Aber Sie

haben vielleicht auch wahrgenommen, dass auch der Chef der Senatskanzlei, Herr Gaebler,

anwesend ist, auch Herr Kirchner ist anwesend. Wenn es da das Bedürfnis gibt, vielleicht mit

einem kurzen Statement den Punkt, den Sie ganz am Anfang benannt haben, zu benennen,

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sind die beiden Herren selbstverständlich bereit, nach vorn zu kommen und auch noch einen

Satz dazu zu sagen. Das ist kein mangelnder Respekt, sondern war untereinander so abge-

stimmt, dass bei Bedarf nach vorne gekommen wird. Insofern schlage ich vor, dass Sie mit

nach vorn kommen, dann kann das in der Antwortrunde noch mal kurz mit angesprochen

werden.

Als Dritten im Bunde habe ich die Linke. Da hat sich Herr Wolf zuerst zu Wort gemeldet. Es

sei, denn Herr Efler und Herr Wolf haben sich darauf verständigt, dass es andersherum sein

soll? – Bitte schön, Herr Wolf!

Harald Wolf (LINKE): Besten Dank! – Ich habe einmal eine Frage zu dem Thema Verbind-

lichkeit. Herr Professor Ziekow, ich bin mit Ihnen sicherlich einer Meinung, dass es mit dem

erfolgreichen Volksentscheid auch einen klaren, verbindlichen Handlungsauftrag an den Se-

nat gibt. Ich denke aber auch, Sie stimmen mir zu, dass es einen Unterschied gibt zwischen

der Bindungskraft, die ein Gesetz – sei es durch Parlamentsbeschluss, sei es durch Volksent-

scheid – entfaltet, als ein Beschluss zu sonstigen politischen Gegenständen. Sie haben selbst

gesagt, es gebe keine Erfolgsgarantie. Insofern geht es natürlich auch um die Frage, jedenfalls

aus meiner Sicht, welche Handlungen notwendig sind und welche Handlungen zu verantwor-

ten sind. Zum Beispiel: Welche Kollateralschäden muss oder darf der Senat in Kauf nehmen,

die im Rahmen des Volksentscheids gar nicht entschieden worden sind, aber erhebliche Aus-

wirkungen hätten? Zum Beispiel die Aufgabe einer gemeinsamen Landesplanung mit dem

Land Brandenburg wäre aus meiner Sicht ein Kollateralschaden. Dazu hätte ich gern von den

Anzuhörenden eine Ausführung.

Zweitens: das Kapazitätsthema. Da ist auch meine Frage, was die rechtliche Bewertung an-

geht. Wir sind uns wahrscheinlich einig, dass es für den absehbaren Zeitraum, über den wir

jetzt reden, 20 bis 25 Jahre, was die Frage Start- und Landebahnen angeht kapazitätsmäßig

kein Problem gibt, sondern, wenn es ein Problem gibt, das abfertigungsseitig ist. Wenn es

gleichzeitig eine Planung der Flughafengesellschaft gibt, die notwendigen Kapazitäten abfer-

tigungsseitig bereitzustellen, für diese Planung auch die notwendigen Finanzierungsmittel zur

Verfügung stehen, kann dann der Senat verantworten zu sagen: Das halten wir alles für Fake

und gehen davon aus, dass es diese Kapazitäten nicht gibt und dann auf dieser Grundlage das

gesamte Verfahren, wie es beschrieben ist, wie man es machen kann, wenn die Kapazitäten

nicht da sind, einleitet? Dahinter mache ich auch ein großes Fragezeichen.

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Dritter Punkt, den ich ansprechen will: Jenseits der Frage, ob man ein neues Planfeststel-

lungsverfahren nach dem Widerruf des Widerrufs braucht, sind wir uns, glaube ich, alle einig

darüber, dass es ein umfangreiches Abwägungsverfahren, was die Frage der Umweltverträg-

lichkeitsprüfung etc. angeht, geben muss; ob in Form eines förmlichen Planfeststellungsver-

fahrens oder eines anderen raumordnerischen Verfahrens sei mal dahingestellt. Ist es nicht so,

dass in einem solchen Verfahren auch Alternativstandorte untersucht werden müssen? Das

heißt, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Standort Tegel als innerstädtischer Stand-

ort mit den damit verbundenen Belastungen und Risikopotenzialen in der Abwägung gegen-

über anderen Entlastungs- und Ergänzungsstandorten, wie es Prof. Giemulla genannt hat,

durchfällt? Ich glaube, heute wird in der Bundesrepublik Deutschland kein einziger innerstäd-

tischer Flughafen mehr genehmigt werden. Das heißt, dass es in einem solchen Falle gar nicht

mehr um die Offenhaltung von Tegel ginge, sondern um die Frage eines anderen, zusätzlichen

Standorts, wenn man in eine solche Abwägung ginge.

Vierter Punkt: Das ist in Ihren Vorträgen nicht benannt worden, aber ich sah einen Wider-

spruch zwischen der Rechtsauffassung von Prof. Ziekow und Dr. Paetow, nämlich bei der

Frage, ob es möglich ist, separat und singulär das Thema Single-Standort, Flughafenstandort,

aus der Landesentwicklungsplanung herauszunehmen, das heißt keine vollständige Kündi-

gung der Landesentwicklungsplanung vorzunehmen, sondern nur eine Kündigung dieses ei-

nen Bereichs. Ich neige zu der Auffassung, die Herr Dr. Paetow vertreten hat, nämlich, dass

es sich um ein Gesamtkunstwerk handelt und es nicht um eine Kleingartenanlage geht, son-

dern um einen Flughafen, der von erheblicher raumordnerischer und planerischer Bedeutung

ist und es deshalb nicht geht, es isoliert herauszunehmen, weil damit noch viele andere Ab-

wägungsfragen verbunden sind, aber dazu würde ich gern noch eine Antwort hören.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Wolf! – Für Herrn Efler bliebe jetzt

noch eine Minute übrig, und deshalb würde ich sagen, können Sie sich in der zweiten Runde

noch mal melden. Wir machen jetzt erst mal einen Cut. Die ersten drei haben viele Fragen

gestellt, und wir kommen zur Beantwortungsrunde. Mein Vorschlag wäre, dass wir dieses

Mal umgekehrt anfangen mit Herrn Universitätsprofessor Dr. Ziekow und dann die Reihe von

mir aus gesehen nach links vollziehen. – Bitte schön, Herr Ziekow!

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Vielen

Dank für die Fragen! Ich bitte um Nachsicht, dass ich nicht alle Fragen beantworten werde,

denn das würde etwas länglich.

Herr Stroedter! Ich fange mit Ihnen auch deshalb an, weil wir das gleiche Gymnasium in dem

schönen Ortsteil Tegel besucht haben, und darum freue ich mich über Ihre Fragen. Zunächst:

Hätte man in meinen Worten Ergebnisverbindlichkeit herstellen können durch die Einbrin-

gung eines Gesetzentwurfes? – Nein, das hätte man nicht machen können, denn eine Infra-

strukturplanung per Volksentscheid – es gibt eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs Hessen

von 1982 – ist nicht zulässig. Darum ging es einfach nicht. Das muss man an dieser Stelle

wirklich so sehen.

Zweitens: Weshalb ist der Volksentscheid über sonstige Gegenstände politischer Willensbil-

dung verbindlich und nicht wie ein Parlamentsbeschluss änderbar? – Das hängt davon ab, wie

man die Verfassung interpretiert. Berlin ist vielleicht nicht daran gewöhnt, aber in allen Ge-

meindeordnungen Deutschlands ist es so, dass nicht nur Bürgerentscheide über Satzungen für

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den Gemeinderat verbindlich sind, sondern auch Bürgerentscheide über sonstige Gegenstän-

de. Dem hat der Senat zu folgen. Das ist völlig normal, und im Übrigen, darauf will ich auch

hinweisen, ist es in vielen Gemeindeordnungen so geregelt, dass ein Bürgerentscheid vom

gleichen Gemeinderat häufig in dieser Legislaturperiode nicht mehr geändert werden kann.

Das steht übrigens so ähnlich auch in der Hamburger Verfassung für Volksentscheide drin.

Also, das ist eine verfassungsrechtliche Frage, wie man die Verfassung von Berlin interpre-

tiert. In letzter Konsequenz hat man Gewissheit, wenn der Verfassungsgerichtshof entschie-

den hat. Da werden sicherlich zwei Juristen drei Meinungen haben, das ist keine Frage.

Ich möchte darauf hinweisen: Dass der Senat nicht gehandelt habe, habe ich nirgendwo gesagt

und nirgendwo geschrieben, muss ich ganz einfach sagen. Ich habe nur gesagt, dass der Senat

mit einem Verwirklichungswillen handeln muss, als würde er es selbst wollen. Der Senat wird

am Besten beurteilen können, ob er das getan hat oder ob die Maßnahmen ausreichen. Vor

Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Das weiß man zum Schluss erst, wenn es

irgendjemand verbindlich entschieden hat. Das ist eine Frage, die nicht entschieden ist. Dazu

gibt es keinerlei Urteile. Ich würde allerdings sagen – da kommen wir wieder zu diesem wun-

derbaren Punkt der Kapazitätsprognose, die im Übrigen, ich weise noch mal darauf hin, in

den Folgeabschätzungen des Senats gefordert wird –: Das würde ich schon für erforderlich

halten, auch vor dem Hintergrund, den Herr Dr. Paetow gerade genannt hat, dass nämlich

Tegel erst dann vom Netz gehen kann, wenn wirklich eine valide belastbare Kapazitätsprog-

nose für den BER über einen längeren Horizont vorliegt. Das würde ich für erforderlich hal-

ten. Herr Giemulla hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Kapazitätsfrage des BER eine

ziemlich zentrale Schnittstelle ist. Der Rest sind im Grunde Quisquilien. Man weiß dann

mehr, wenn die Kapazitätsprognose an dieser Stelle ausgegangen ist.

Ganz kurz in diesem Zusammenhang zum Punkt von Herrn Evers: Gleichzeitigkeit von Ände-

rung der Landesentwicklungsplanung und eines Verfahrens des Widerrufs des Widerrufs für

Tegel oder wie auch immer. Ich hätte da jetzt aus dem Stand kein Problem, muss ich ganz

ehrlich sagen. Es kommt für die Rechtmäßigkeit sowohl des Beschlusses über einen Landes-

entwicklungsplan als auch des Widerrufs des Widerrufs – in Anführungszeichen –, das ist im

Zweifel eine Änderungsgenehmigung, auf den Zeitpunkt der Entscheidung an. Das einzige

Risiko, was passieren kann, ist, dass die wahrscheinlich doch beim Widerruf des Widerrufs zu

treffende Abwägungsentscheidung von anderen Prämissen ausgeht und die Nuancen im Lan-

desentwicklungsplan zum Schluss doch ein bisschen anders gesetzt sind. Das kann dann ein

Problem werden, dann ist es abwägungsfehlerhaft, aber ansonsten hätte ich, offen gestanden,

gegen die Gleichzeitigkeit jetzt nicht wirklich etwas.

Herr Wolf! Ich denke, Ihre Frage, was der Senat vorzunehmen hat, habe ich jetzt schon im

Kontext von Herrn Stroedter beantwortet. Ich würde im Grunde eine absolut belastbare Kapa-

zitätsprognose erwarten. Wir haben im Moment einfach unterschiedliche Auffassungen. Ich

beschäftige mich zwar seit 20 Jahren mit Luftverkehrsplanung, aber ich kann keine Kapazi-

tätsprognose machen. Ich kann es auch nur zur Kenntnis nehmen und denke, das wäre der

Punkt, den man wohl machen muss.

Ich würde deshalb auch sagen – das war Ihre Anschlussfrage: Könnte der Senat jetzt sagen,

dass alle Kapazitätsüberlegungen, die es derzeit gibt, Fake sind, so hatten Sie, glaube ich,

formuliert, und in das Verfahren Weiterbetrieb Tegel gehen? –: Das hängt davon ab, wenn

man es so sieht wie Herr Paetow, dass die fehlende Kapazität vom BER im Grunde das Es-

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sential dafür ist, dass Tegel weiterbetrieben werden könnte. Ich weiß nicht, ob ich das genau-

so sehen würde, aber gehen wir mal davon aus, dann würde ich sagen: Nein, dann würde auch

hier erst mal die Kapazitätsprognose gemacht werden müssen, sonst, würde ich denken, könn-

te man diesen Punkt auch bei der Entscheidung über den Weiterbetrieb von Tegel nicht wei-

tergehen.

Zum Punkt Herausnahme aus der Flughafenplanung, also nicht Kündigung des Staatsvertrags

über die gemeinsame Landesplanung: Das ist ein ziemlicher Kollateralschaden, das würde ich

auch sagen. Schön, dass zwei Bundesländer eine gemeinsame Landesplanung haben. Die soll-

te man auf jeden Fall erhalten. Das ist auch eine Frage der Auslotung. Ich denke in der Tat,

den Weg habe ich versucht aufzuzeigen, dass man vielleicht zunächst seitens des Senats un-

terhalb der Ebene auch nur einer Teilkündigung bleiben sollte und darüber sprechen kann,

was bei einer Anpassung der Geschäftsgrundlage, wieder auf der Annahme, dass die Kapazi-

tätsberechnungen ergeben, dass das nicht ausreicht, dann an dem raumordnerischen Ziel Sin-

gle-Airport-Konzept geändert werden kann. Das wäre sicherlich der Weg, den man zunächst

präferieren sollte, um einen Kollateralschaden zu verhindern. Ich hatte auch reingeschrieben:

Der brandenburgische Ministerpräsident, ob dieser oder ein früherer, meinte ja, dass ein Wei-

terbetrieb von Tegel möglicherweise wirtschaftliche Schäden in Brandenburg verursachen

würde. Man muss sicherlich auch über einen Lastenausgleich reden, das ist gar keine Frage.

Das muss man alles kommunizieren und verhandeln. Ich denke nur, allein die These, dass

Bund und Brandenburg nicht wollen, auch in der Flughafengesellschaft, das kann so sein.

Einer der Kollegen hat gesagt: Ich war nicht dabei, als mit der brandenburgischen Landesre-

gierung gesprochen wurde –, ich auch nicht. Der Bundesverkehrsminister hat sich jetzt zwei-

mal hintereinander sehr deutlich eingelassen, das heißt, das muss ihm ein wichtiger Punkt

sein. Dann gibt es Leute, die sagen, Frau Merkel wolle etwas anderes als Herr Scheuer. Das

weiß ich nicht, muss man sehen. Und in Brandenburg läuft ein Volksbegehren. Dann werden

wir sehen, wie die brandenburgische Landesregierung sich verhält. Ich will nur sagen: Das ist

ein offener Prozess. Deshalb würde ich ihn jetzt nicht abschließen. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an Sie! – Als Nächstes – Herr Dr. Paetow,

bitte schön!

Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.): Zu Herrn

Stroedter, Thema Schallschutz: Es ist bekannt, dass bis zum 31. Dezember 2019 die neuen

Lärmschutzbereiche vorliegen müssen, sollten und hoffentlich – es ist ja auch in Arbeit – und

nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm und nach den dazu ergangenen Verordnungen

der Prozess losgeht mit den Erstattungsmöglichkeiten für Schallschutzeinrichtungen. Das geht

zunächst sehr langsam los. Das sind Anwohner, die besonders stark betroffen sind. Da würden

sofort Ansprüche entstehen können, allerdings wohl nur die Pauschalen, die in diesen Verord-

nungen vorgesehen sind, und nach sechs Jahren, wenn ich das richtig im Kopf habe, würde

der größere Teil der Anwohner solche Ansprüche haben. Aber das ist natürlich ein finanziel-

ler Gesichtspunkt, der eine Rolle spielt.

Vertrauensschutz der Anwohner: Das habe ich in meinem Gutachten ausgeführt. Das ist für

meine Begriffe sicherlich ein wichtiger Abwägungsgesichtspunkt, auch wenn es wohl auch

Vertrauensschutz für BER-Anwohner geben könnte. Zu den Klagemöglichkeiten der Anwoh-

ner gegen eine Änderung des Landesentwicklungsplanes, der vom Single-Airport-Konzept

abweicht und Tegel offenhalten kann, gibt es die Umweltrechtsverbände. Die können dagegen

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klagen. Das ist jetzt in den Änderungen zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz klargestellt. Klagen

könnten auch Gemeinden. Das wäre im Fall Tegel vielleicht die Gemeinde Falkensee, die

dann betroffen wäre. Ob Anwohner klagen könnten, also eine Normenkontrollklage erheben

könnten, ist eine noch nicht endgültig geklärte Frage in der Rechtsprechung. Nach der alten

Rechtslage hat das Bundesverwaltungsgericht gesagt: Nein, solche Klagemöglichkeiten gibt

es nicht. – Nun haben wir aber eine neue Rechtslage im Raumordnungsgesetz mit sehr viel

stärkeren Beteiligungsmöglichkeiten der Anwohner, überhaupt der Öffentlichkeit, sodass ich

es nicht für ausgeschlossen halte, dass sich die Rechtsprechung ändern könnte, aber das weiß

man im Moment noch nicht.

Zur Gewichtung des Gesichtspunktes Gewinnung einer großen Fläche für die Stadtentwick-

lung muss man ganz grundsätzlich sagen: Das ist zunächst mal eine politische Entscheidung.

Die Gremien, die über die Planung zu entscheiden haben, setzen die Gewichtung. Die können

die Gewinnung an Stadtfläche als wichtiger ansehen als den Weiterbetrieb von Tegel, um es

mal vereinfacht zu sagen. In rechtlicher Hinsicht gibt es da nur äußere Grenzen, die von den

Gerichten überprüft werden können, ob es fehlerhaft ist, das eine stärker zu gewichten als das

andere. Das ist aber eher meine persönliche Meinung: Ich halte Gewinnung einer Stadtfläche

für einen wichtigen, abwägungserheblichen Gesichtspunkt –, aber das ist zunächst eine politi-

sche Entscheidung, um das ganz deutlich zu sagen.

Zu Herrn Evers – schon jetzt die Einleitung der Verwaltungsverfahren zur Aufhebung der

Schließungsbeschlüsse von 2004 und 2006: Das wäre der dritte oder zweite Schritt vor dem

ersten. Sie können das machen. Sie können das für die Schublade vorbereiten, aber ganz ent-

scheidend ist: Ist die Änderung des Landesentwicklungsplanes EFS möglich, und wenn ja,

was sagt der da? So lange Sie diese Grundlage nicht haben, können Sie diese Verwaltungsver-

fahren, die sich dann anschließen würden, finde ich jedenfalls, nicht wirklich seriös betreiben.

Die Rechtslage ist nach der Rechtsprechung doch folgendermaßen: Die Standortfrage wird in

der Raumordnung, also hier im Landesentwicklungsplan, entschieden. An diese Standortent-

scheidung ist die Verwaltung, die den Widerruf usw. machen würde, gebunden, aber nur, dass

sie keinen anderen Standort wählen darf, und sie muss dann überprüfen, ob an diesem Stand-

ort alle rechtlichen Voraussetzungen erforderlich sind. Das heißt, wenn Sie die ganz entschei-

dende Alternativenprüfung – Gibt es zur Offenhaltung von Tegel, wenn Kapazitätsengpässe

da sind, Alternativen? – nicht machen, ist rechtlich alles fehlerhaft. Das ist ganz klare Recht-

sprechung. Die kann nur bei der Änderung des Landesentwicklungsplanes erfolgen. Solange

das nicht ordnungsgemäß abgearbeitet ist und dann eine entsprechende Änderung erfolgt ist,

ist alles, was Sie verwaltungsmäßig im Hinblick auf die Schließungsbescheide machen, ei-

gentlich, sage ich jetzt mal etwas flapsig, eine gewisse Verschwendung von Arbeitskraft, weil

Sie einfach nicht genau wissen, was daraus wird. Sie können natürlich sagen: Die und die

Verwaltung soll sich jetzt schon mal darum kümmern: Was wäre denn wenn? –, das räume

ich ein.

Zu Herrn Wolf – Kollateralschäden des Volksentscheides: Ich weiß jetzt nicht genau, was Sie

damit gemeint haben. – [Harald Wolf (LINKE): Zum Beispiel die Kündigung der gemeinsa-

men Landesplanung!] – Ja, sicher. Das ist sowieso klar. Das ist kein Vorhalt oder kein Vor-

wurf an die Initiatoren des Volksentscheides. Das ganze Spektrum der Problematik ist nicht

aufgearbeitet gewesen, konnte vielleicht auch nicht beim Volksentscheid. Das ist ganz klar.

Dazu sind die Dinge in rechtlicher Hinsicht, nicht in politischer, zu schwierig. Das ändert

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nichts an der Verbindlichkeit des Volksentscheides, das ist richtig. – [Zuruf] – Sie sind ande-

rer Ansicht, auch in anderen Dingen, das weiß ich.

Zur Kapazität: Wie gesagt, das ist eine Frage, die von einem Juristen und auch von anderen

schwer zu beantworten ist, aber es ist wirklich die entscheidende Frage, ob auf Dauer davon

ausgegangen werden kann, dass eine Kapazität ausreichend vorhanden ist. Sie haben eine

ganz wichtige Bemerkung gemacht: Entscheidend wird die Terminalkapazität sein und nicht

die Kapazität der Start- und Landebahnen. München hat ziemlich genau dieselbe Konfigurati-

on wie der BER. Die haben jetzt 45 Millionen. Herr Söder hat gesagt, dass nicht vor 2021

entschieden wird, ob eine dritte Start- und Landebahn gebaut werden soll. Das zeigt schon,

was für Kapazitäten eine solche Konfiguration hat.

Zur Frage der Alternativstandorte beim Widerruf des Widerrufs: Das hatte ich eben schon

gesagt. Die Frage der Alternativstandorte muss bei der Änderung der Landesplanung geprüft

werden. Wenn die zu der Meinung käme, die Alternativen zu Tegel reichen nicht aus und

Tegel ist die erste Wahl, dann wäre das auch verbindlich für diese nachfolgenden Entschei-

dungen. Aber, wie gesagt, ich betone immer noch: Es kann nicht um kurzfristige Kapazitäts-

engpässe gehen. Der Flughafen München ist 1992 in Betrieb gegangen. Da hat man mit, ich

habe es nicht genau im Kopf, 9 Millionen oder 10 Millionen Passagieren gerechnet. Heute

haben wir 44 Millionen Passagiere. Das haben Sie bei jedem Flughafen so, dass sich das wei-

terentwickelt, und dass immer wieder Erweiterungen gemacht werden, scheint mir doch klar

zu sein.

Zur Teilkündigung: Da sind wir nicht so ganz einig, wobei ich einräume, dass das ein Thema

ist, das man noch genauer untersuchen muss. Ich halte es für raumordnerisch nicht möglich,

solche massiven raumordnerischen Auswirkungen wie sie zwei Flughäfen – – Es wären ja

zwei Flughäfen, die jetzt aus der Landesplanung rausgenommen werden müssen. Außerdem:

Was bringt es? Brandenburg müsste eine neue Planung für diesen Bereich machen. Berlin

müsste eine Planung nach dem Raumordnungsgesetz machen. Beide sind verpflichtet, eng

zusammenzuarbeiten und sich abzustimmen. Also, ob das so viel bringt, weiß ich nicht, aber

gut, darüber mag man streiten. Außerdem haben Sie bei der Teilkündigung auch das Fristen-

problem, dass nicht vor 2021, glaube ich, eine solche Teilkündigung wirksam werden könnte.

– Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an Sie! – Wir fahren fort mit Herrn

Prof. Dr. Giemulla. – Bitte schön!

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Vielen Dank! – Es ist zwar

schon alles gesagt worden, aber noch nicht von allen. Insofern will ich die Dinge nur insofern

wiederholen, als ich noch eine Ergänzung finde, vor allen Dingen zu diesen Wie-kommen-

Sie-dazu-Fragen von Herrn Stroedter. Die erste Wie-kommen-Sie-dazu-Frage betrifft die Fra-

ge der Kapazitäten. Ich gebe zu: Wie alle in diesem Saal wahrscheinlich, bin ich kein Prophet.

Ich weiß nicht, wie sich der Luftverkehr in Zukunft weltweit, national und in und um Berlin

entwickeln wird. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass es in den letzten Jahren und Jahrzehn-

ten immer Steigerungszahlen von 4 Prozent, 5 Prozent gab. Ich würde jedenfalls, wenn ich

das Instrument der Prophetie oder zumindest Vorausschätzung benutzte, nicht davon ausge-

hen, dass diese Entwicklung uns allen den Gefallen tut, im Oktober 2020 beendet zu sein.

Verantwortlicherweise muss man davon ausgehen, dass die Entwicklung auf die eine oder

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andere Weise weitergeht. Was das dann heißt, ob das dann 3 Prozent, 4 Prozent oder

5 Prozent sind, das kann natürlich überhaupt keiner voraussagen. Ich glaube, es ist durchaus

nicht an den Haaren herbeigezogen, wenn man sagt, dass die Zahlen weiter in der Richtung

bleiben werden. Ich bin sehr beruhigt, dass offensichtlich auch die FBB insofern zumindest

Vorausplanungen macht. Der Masterplan 2040 stammt ja nicht von mir. Wenn ich davon aus-

gehe, dass bis zum Jahr 2035 – was ist das? Das sind keine 20 Jahre, und wir wissen speziell

in Berlin, wie schnell die Zeit vergehen kann –, innerhalb von 17, 18 Jahren die FBB davon

ausgeht, eine Kapazität von 55 Millionen Passagieren herstellen zu müssen, dann deckt sich

das mit meinen Erwartungen bzw. muss ich sagen, beruhigenderweise übertrifft es die ein

bisschen. Insofern zur Frage: Wie kommen Sie dazu? – Ich binde mich ein in die sonstigen

Schätzungen von Leuten, die sich auskennen, besser als ich, das muss ich zugeben, und auch

Leute, die ihre Verantwortung wahrnehmen und solche Schätzungen in Pläne umsetzen.

Wenn man das mal zugrunde legt und wir leider jetzt dagegen spiegeln, wovon wir die ganz

Zeit reden, dass wahrscheinlich im Jahr 2020, wenn der BER ans Netz geht, diese Kapazitäten

nicht bedient werden können, jedenfalls sicherlich nicht in dem Fristbereich, in dem wir uns

hier aufhalten, dann muss man über zusätzliche Dinge nachdenken. Das ist doch völlig klar.

Zur Frage – und das betrifft ein bisschen die Fragen, die gerade gestellt worden sind – des

Vertrauensschutzes für die Anwohner von Tegel usw.: Es ist doch nicht so, dass kein vernünf-

tiger Mensch, jedenfalls habe ich noch nie einen getroffen, der das behauptet hätte, sagt, dass

Tegel weiterhin am Netz bleiben soll. Punkt. – [Zurufe] –

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Keine Zwiegespräche! Herr Prof. Giemulla hat das Wort.

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Vielen Dank! – Ich meinte

es genauso. Ich führe weiter aus: Der Wortlaut des Volksentscheids heißt doch: Der Flugha-

fen Tegel ergänzt und entlastet den geplanten Flughafen Berlin Brandenburg. – Das heißt,

selbst dieser Volksentscheid geht davon aus, dass wir demnächst einen anderen Flughafen

haben, der der Hauptflughafen sein wird und soll. Ergänzung und Entlastung heißt doch nicht,

dass Tegel der Flughafen bleiben wird, der er im Moment ist und in der Vergangenheit war.

Die Rolle von Tegel wird so oder so anders sein. Die wird sich anpassen an den Hauptplayer

im Spiel, nämlich an den BER, und damit ist eines klar: Der Verkehr, der jetzt dort stattfindet,

wird mit Inbetriebnahme des BER dort nicht mehr stattfinden. Das heißt, dass, wenn man

suggestiv in die Bevölkerung hineingibt: Tegel soll offen bleiben. Punkt –, dann der Vertrau-

ensschutzgedanke eine starke Rolle spielt, ist überhaupt keine Frage, aber man muss ihnen

natürlich auch sagen, was dann konkret dort geschehen soll. Dann erst ist die Frage im Raum:

Ist es dann noch ein schützenswertes Vertrauen, dass die Leute enttäuscht sind, wenn am BER

die Dinge stattfinden und doch einige Flüge, welche auch immer, das ist zu definieren, über

Tegel abgewickelt werden? Ich habe vorhin schon gesagt: Das heißt doch nicht, dass Tegel

der einzige zusätzliche Standort sein muss. Ich sage nicht, dass es Neuhardenberg werden

muss. Auch da gibt es Rechtsprobleme. Wir reden die ganze Zeit von Rechtsproblemen. Es

gibt vor allen Dingen das Problem mit der Bundeswehr. Die wollen östlich von Berlin keine

weitere Kontrollzone. Darüber muss man natürlich mit denen reden, das ist völlig klar. Aber

was haben wir denn sonst? Neuhardenberg wohl nicht als Regierungsflughafen, wohl nicht als

medizinischer Notfallverkehr, das ist völlig klar, sondern alle die Verkehre, die Kapazitäten

am BER einschränken, weil sie zu langsam sind oder spontan kommen. Kleinerer Luftverkehr

ist zu langsam, da muss man die Staffelung weiterziehen, das dünnt die Kapazitäten natürlich

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entsprechend aus. Oder Spontanluftverkehr, medizinische Notfallfälle, eilige Ersatzteile, Re-

gierungsflug, soll für meine Begriffe da heraus, um zu erreichen, dass die Tegelanwohner

entlastet werden, weil der Regelverkehr zu 99 Prozent am BER stattfinden kann. Und dann

muss man sehen, was man mit dem sonstigen Verkehr, mit diesem lästigen, behindernden

Verkehr, macht. Da sage ich nicht, das muss alles über Tegel laufen. Vielleicht gibt es

Frachtverkehre oder Großereignisse in Berlin – die russischen Oligarchen wollen auch ir-

gendwo parken –, was vielleicht auch in Neuhardenberg stattfinden kann. Solche Wellenbe-

wegungen müssen wir abfangen, die den sonstigen Verkehr in und an der Stadt stören.

Alternativen und Tegel und die Probleme für Tegel: Die Probleme werden größer, wenn der

Zeitrahmen entsprechend weiter gespannt wird. Wenn wir tatsächlich sagen, wir lassen Tegel

bis auf Weiteres auf als echte Konkurrenz zum BER, haben wir ein Riesenproblem, das ist gar

keine Frage. Wenn wir sagen, erklärtermaßen wird Tegel offen gehalten für eine Übergangs-

zeit, weil noch am BER dieser Masterplan umgesetzt werden soll, dann sind die rechtlichen

Probleme, die Hürden auch niedriger. All das muss man ausloten. Die Fragen, die Sie uns

stellen, sind eigentlich erst in zweiter Linie dran. Erst mal müssten diese ganzen Fragen ge-

klärt werden, müssen die Optionen durchgespielt werden und dann jeweils rechtlich gespie-

gelt werden, und dann mag man sich für die Optionen entscheiden, die rechtlich durchführbar

sind. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an Sie! – Jetzt haben wir die Senatsverwal-

tung, die insbesondere von Herrn Evers adressiert worden ist. Dazu haben sich Herr Gaebler

und Frau Sudhof gemeldet. Meine Bitte wäre, es möglichst kurz zu halten. – Bitte schön, Herr

Gaebler!

Staatssekretär Christian Gaebler (CdS): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Meine Damen

und Herren Abgeordnete und Anzuhörende! Wie wir gesehen haben, ist tatsächlich sehr vieles

im Abwägungsbereich und in einem Ausloten. Ich bin Herrn Prof. Giemulla dankbar dafür,

dass er selbst eben ausführlich betont hat, dass eine umfangreiche und sorgfältige Abwägung

der gesamten Dinge dringend nottut. Genau das hat der Senat gemacht, u. a. mit seinen Gut-

achten. Herr Evers! Dass der Senat nichts unternommen habe, außer Gutachten zu beauftra-

gen, ist so natürlich nicht richtig. Ich weiß, die Vorlage, die wir Ihnen geschickt haben, ist

relativ umfangreich, aber es steht relativ am Anfang, was der Senat alles gemacht hat. Wir

haben nämlich zum einen diese Folgeabschätzung gemacht unter den Aspekten: rechtliche

Folge, betriebswirtschaftliche Folgen, finanzielle Folgen, gesellschaftliche und stadtentwick-

lungspolitische Folgen und Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr und Gesundheit. – Das ergibt

sich schon daraus, dass hier kein Gesetz beschlossen worden ist, sondern dass es einen Be-

schluss gab, der anderes Recht nicht aufhebt. Deshalb muss doch geprüft werden, welche an-

deren Rechtsgüter gegen diese ultimative Aufforderung stehen, jetzt alles zu unternehmen,

um dem Wunsch, der im Volksentscheid geäußert wird, nachzukommen. Ich bin kein Jurist,

aber ich denke, die hier anwesenden Juristen werden diese Einschätzung teilen, dass es gut ist,

immer zu wissen, gegen welches höherrangige oder auch Länderrecht ein Appell verstößt, wie

verbindlich man ihn auch immer nimmt. Dazu, dass er keine Gesetzeskraft hat, habe ich hier

keine andere Meinung gehört. Das betrifft Bundesrecht, Planungsrecht, Haushaltsrecht, auch

gesetzliche Schutzbestimmungen gegen Lärm- und Luftbelastung, die alle mit in die Abwä-

gung einfließen müssen. Dass eine Abwägung tatsächlich möglich ist und ein Volksentscheid,

der kein Gesetz enthält, keine entsprechende Verbindlichkeit wie ein Gesetz entfaltet, ist für

die Landesebene höchstrichterlich vom Verfassungsgericht bereits 2008 entschieden worden.

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Ich weiß nicht, ob der Beschluss allen präsent ist. Das ist der auch in der Vorlage genannte

Beschluss vom Verfassungsgericht 86/08. Da steht ganz deutlich drin:

Gegenstand von Volksbegehren und Volksentscheid können nach Art. 62 Abs. 1

Satz 2 VvB wie im vorliegenden Fall auch Beschlüsse sein, die im Rahmen der Ent-

scheidungszuständigkeit des Abgeordnetenhauses die politische Willensbildung in

Berlin betreffen. Solchen Entschließungen kommt weder als schlichtem Parlaments-

beschluss des Abgeordnetenhauses noch als Ergebnis eines Volksentscheids …

rechtliche Bindungswirkung zu. Sie haben allein politische Qualität.

Ich glaube, da haben wir eindeutig eine verfassungsrichterliche Festsetzung im Gegensatz zu

dem, was in Hamburg festgesetzt worden ist. Für Berlin gelten meines Wissens die Entschei-

dungen des Verfassungsgerichtshofes, soweit es keine Bundesverfassungsgerichtsentschei-

dungen gibt, die mir an der Stelle nicht bekannt sind.

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Es hat eine Erörterung mit den Gesellschaftern der FBB gegeben, zum einen bei einer ge-

meinsamen Kabinettssitzung der Kabinette der Länder Berlin und Brandenburg, wo Berlin

deutlich diesen Wunsch artikuliert und gesagt hat: Um diesem nachzukommen, muss die ge-

meinsame Landesplanung geändert werden. Die ganz klare Aussage von Brandenburger Seite

war, dass sie sich für ein Festhalten am Konsensbeschluss aussprechen und damit für die

Schließung des Flughafens Tegel. Das ist in der Gesellschafterversammlung der FBB auch

angesprochen worden. Das ist auch dem Protokoll zu entnehmen, dass dort der Gesellschaf-

tervertreter Berlins für die Position des Volksentscheides geworben hat. Das Land Berlin

(sic!) hat mitgeteilt, dass es nicht beabsichtigt, den Konsensbeschluss zu ändern. Der Bund

verweist auf den Beschluss vom 16. August 2017.

Was die Bundesregierung jetzt tatsächlich durch öffentliche Äußerung hier signalisieren will,

mag jeder selber beurteilen, aber ich denke, da die Bundeskanzlerin als höchste Instanz und

Inhaberin der Richtlinienkompetenz sich hier eindeutig geäußert hat, sind vage Aussagen ei-

nes Bundesverkehrsministers an der Stelle auch einzuordnen.

Eine Abänderung ist selbstverständlich auch möglich. Auch das hat der Verfassungsgerichts-

hof in seinen Leitsätzen zu einem Urteil von 2009 festgestellt, wo auch ganz klar drinsteht,

dass der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, auch Gesetze, die per Volksentscheid beschlossen

worden sind, zu ändern und dass das in diesem konkurrierenden Verfahren auch durch den

Verfassungsgeber angelegt und insofern soweit auch alles richtig ist.

Als Letztes: Es wurde das Flughafensystem angesprochen. Dann könnte man in Tegel die

Flüge herunterfahren und am BER aufwachsen lassen. Erstens weiß ich nicht, ob das im Inte-

resse der Volksentscheidbetreiber war. Ich habe das immer anders verstanden. Zum Zweiten

würde mich interessieren, wie denn die hier anwesenden Gutachter die Steuerungsmöglich-

keiten sehen, denn der Senat hat ja schon das Problem mit Schönefeld und Tegel, Flüge sozu-

sagen festzulegen, wo mehr und wo weniger geflogen werden darf. Ob das bei einem anderen

Flughafensystem einfacher wird, ist aus Sicht des Senats doch stark anzuzweifeln.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Staatssekretär! – Frau Dr. Sudhof zur

Ergänzung!

Staatssekretärin Dr. Margaretha Sudhof (SenFin): Ergänzend – im Wesentlichen sind die

Dinge dargelegt worden – noch einmal der Hinweis darauf, dass der Senat, das mag nicht

unmittelbar immer öffentlichkeitswirksam gewesen sein, sich im Gesellschafterkreis mehr-

fach für ein Überdenken der bisherigen Planung eingesetzt hat. Der Gesellschafter Bund ist

über das Bundesverkehrsministerium dort vertreten und hat, jedenfalls in diesem Gremium,

die öffentlich von der Hausleitung hin und wieder nahegelegte Position nicht vertreten, son-

dern das Gegenteil vertreten. Das zum Ersten.

Zum Zweiten ist in der Tat die Kapazitätsfrage die relevante Frage, weshalb wir diese Frage

auch noch einmal genau beleuchtet haben. Hierzu will ich nur darauf hinweisen, dass der

Flughafen London Heathrow der größte Flughafen Europas ist. Dieser Flughafen hat ein ver-

gleichbares Start- und Landebahnsystem wie der Flughafen BER-Neu. Der Flughafen He-

athrow wickelt über dieses Start- und Landebahnsystem 78 Millionen Passagiere ab. – [Frank-

Christian Hansel (AfD): Andere Flugzeugtypen!] – Es gibt andere vergleichbare Flughäfen,

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die auch danach ranken, z. B. auch der Flughafen Zürich, der noch nicht einmal unabhängige

Start- und Landebahnen hat. Jedenfalls kann man, das sieht man auch an Tegel, die Kapazität

am Start- und Landebahnsystem orientiert ausweiten. Die landseitige Kapazität kann man

relativ problemlos arrondieren. Das sehen wir in Tegel. Das sehen wir in Schönefeld-Alt. Das

sehen wir in anderen Orten dieser Welt. Dieser Flughafen kann sich weiterentwickeln.

Zum Dritten haben wir eine verkehrstechnische Überprüfung der Kapazitätsannahmen des

Flughafens durch die Professoren Beckers und Malina vornehmen lassen. Es gibt die Kapazi-

tätsanalyse, die diesem Ausschuss auch vorliegt von, von Steer Davies Gleave, die auch per-

manent aktualisiert wird. Die ist plausibilisiert worden. Die Plausibilität wurde bestätigt.

Das Vierte ist der Masterplan. Den hat die Flughafengesellschaft challengen lassen durch die

Flughafen Zürich AG, die Erfahrungen hat mit der Kapazitätserweiterung durch landseitige

Arrondierung. Auch dort ist die Plausibilität bestätigt worden. Daher haben wir keinen An-

lass, daran zu zweifeln, dass die Kapazität beim BER den erforderlichen Flugverkehr der Re-

gion Berlin-Brandenburg aufnehmen wird.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Frau Staatssekretärin! – Wir würden jetzt

in den zweiten Teil der ersten Rederunde einsteigen wollen. Herr Kollege Dr. Efler hat net-

terweise signalisiert, dass er sich in der zweiten Rederunde bereithalten würde. Jetzt müssten

sich die Grünen nur kurz einigen, weil wir hier drei Wortmeldungen für die fünf Minuten ha-

ben. Herr Moritz, Herr Taschner, Herr Urbatsch. Wer möchte anfangen? – Herr Moritz, bitte

sehr!

Harald Moritz (GRÜNE): Danke! – Meine Fragen beginnen erst mal bei Herrn Prof.

Dr. Ziekow, und zwar: Sie führen aus, dass nach Berliner Rechtslage politische Beschlüsse

der Willensbildung, Volksentscheid und Parlamentsbeschlüsse, gleich sind, und Sie führen

auch aus in Ihrem Gutachten, wie Herr Gaebler auch gesagt hat, dass Parlamentsbeschlüsse

der politischen Willensbildung den Senat in keinem Fall binden. Wie bindet ein Beschluss der

politischen Willensbildung per Volksentscheid den Senat?

Dann haben Sie auch hier von Ergebnisverbindlichkeit und Handlungsverbindlichkeit gespro-

chen. Wir haben gerade von den Aktivitäten des Senats gehört. Die will ich jetzt gar nicht

wiederholen und die Ergebnisse, sondern ganz einfach fragen: Wer und wann kann beurteilen,

ob die Aktivitäten des Senats ausreichen und als abgeschlossen gelten können? Ich könnte das

noch überspitzen. Im Volksentscheid steht: alle Maßnahmen einzuleiten, die erforderlich sind.

Ich überhöhe es mal tatsächlich und frage nach den Grenzen dieser Handlungsverbindlichkeit.

Wäre das denn zwingend notwendig, wenn der Flughafen anders nicht offen gehalten werden

kann, dass das Land Berlin aus der Bundesrepublik Deutschland aussteigt, um diesen Tegel-

Volksentscheid umzusetzen? Mal überspitzt: Irgendwo muss es doch Grenzen geben, die das

regeln. Wer entscheidet das? Das würde mich interessieren.

Sie haben gesagt, die Initiative konnte kein Gesetz einbringen. Ich gehe davon aus, dass auch

das Abgeordnetenhaus und der Senat keinen Gesetzesentwurf einbringen könnten, der Tegel

auf Dauer festschreibt.

Sie haben gesagt, in dem Gutachten steht: wenn kein Einvernehmen mit Brandenburg herzu-

stellen ist über die Änderung der Landesplanung. Dann sprechen Sie von Anpassung. Es war

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auch von Teilkündigung die Rede. Ich weiß nicht, ob eine Teilkündigung überhaupt vorgese-

hen ist, aber auch eine Teilkündigung oder Anpassung würde ich als Änderung der Landes-

planung ansehen, und da brauche ich wieder ein Einvernehmen mit dem Land Brandenburg.

Wie sollte dieses überhaupt möglich sein? Was sind wesentliche geänderte tatsächliche Um-

stände? Wir streiten uns bei der Kapazitätsfrage: Muss der BER oder der Flughafen die Kapa-

zität, die im Moment schon da ist, tatsächlich schon abbilden, vorlaufend zur Prognose? Oder

muss es nur die Möglichkeit geben, diese prognostizierten Passagierzahlen abbilden zu kön-

nen?

Vielleicht auch noch einmal der Fall, Brandenburg würde ein Einvernehmen herstellen, müs-

sen dann nicht mehr Standorte als nur Tegel geprüft werden, die da infrage kämen? Beim Al-

leingang auch noch mal nach der zeitlichen Schiene. Wir gehen jetzt davon aus, der BER wird

2020 ans Netz gehen. Ich setze den Termin mal nur so. Wenn das Land Berlin die gemeinsa-

me Landesplanung kündigen würde, würde die erst 2022 wirksam werden. Dann würde doch,

wenn der BER an den Start geht, trotz Kündigung der gemeinsamen Landesplanung, der Wi-

derruf der Betriebsgenehmigung und der Planfeststellung für Tegel wirken, weil dann beide

Start- und Landebahnen in Betrieb gehen, und dann muss spätestens sechs Monate hinterher

geschlossen werden. Ist das so? Oder, wenn die Kündigung ausgesprochen ist, gilt der Wider-

ruf nicht mehr? Das kann ich mir nicht vorstellen.

Zu Herrn Dr. Paetow: Sagen Sie mir doch bitte einmal, in dem verfügenden Teil des Wider-

rufs der Betriebsgenehmigung, wo ist da ein Hinweis auf die Kapazitätsfrage? Wie verknüp-

fen Sie die? Ich finde da das Wort „Kapazität“ nicht. Nur, wenn beide Landebahnen geöffnet

sind, in Betrieb sind, muss Tegel sechs Monate später geschlossen werden. Von „Kapazität“

sehe ich da keinen Hinweis.

Noch zwei Fragen an Herr Prof. Dr. Giemulla: Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Mas-

terplan 2040 als Paket gesehen werden muss und für dieses Paket eine Planfeststellung not-

wendig sein müsste? Dazu hätte ich gerne eine Aussage. Muss sozusagen bei einer Prognose

die Kapazität immer nachgeführt werden, oder kann das nicht auch Grenzen haben? Ich glau-

be, der erwähnte Flughafen Zürich hat Grenzen, der kann nicht unendlich wachsen, der hat

natürliche Grenzen. Selbst wenn die Nachfrage viel stärker steigt, ist es zwingend erforder-

lich, der Prognose oder der potenziellen Nachfrage vorher zu folgen mit einem Ausbau der

Flughäfen.

Letzte Bemerkung zu Herrn Prof. Dr. Giemulla: Wenn Sie den Wortlaut des Volksentscheids

lesen, steht da sehr wohl drin, dass Tegel unbefristet fortbetrieben werden muss. Da steht

auch nicht „Tegel light“ oder sonst irgendetwas. Aus der Werbung für den Volksentscheid

ging es um den Weiterbetrieb von Tegel und nicht „Tegel light“ oder dergleichen. – Danke!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Abzüglich der kurzen Unpässlichkeit lagen Sie bei etwas

mehr als sieben Minuten. Deswegen gilt die gleiche Regelung wie bei der Linkspartei, dass

die beiden Kollegen dann in die zweite Runde aufgenommen werden. Als Nächstes wäre die

AfD dran. Da habe ich die Kollegen Hansel und Dr. Brinker. Da müssen Sie sich ebenfalls

entscheiden, wer als Erstes möchte. – Bitte, Herr Hansel!

Frank-Christian Hansel (AfD): Danke, Herr Vorsitzender! – Liebe Kollegen! Wir kommen

mal wieder zur Sachlichkeit zurück in der Fragerunde. Ich möchte vier Vorbemerkungen ma-

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chen. Erstens: Herr Stroedter und Herr Dr. Paetow! Die Frage Tegel, Stadtentwicklung oder

Flughafen, das hat tatsächlich das Volk entschieden. Das ist der Flughafen und nicht die Ur-

ban Tech Republic. Das ist zumindest klar. Insofern sind darüber alle Überlegungen sach-

fremd.

Zweitens: Der BER wird nicht gefährdet, wenn Tegel offen bleibt. Das haben Sie bestätigt.

Noch einmal fürs Protokoll: Auch darüber brauchen wir nicht mehr sprechen.

Drittens: Mythos Landebahn. Das Beispiel München zeigt, wenn man über 30, 40 Jahre rech-

net, dass es nur mit einer dritten Landebahn geht, wenn man einen Großflughafen machen

möchte. Dieser London-Mythos, den Frau Staatssekretärin Sudhof angebracht hat, das liegt an

den Widebodies, an dem Flughafen und an den Flugzeugtypen, die da fliegen, ist auch sach-

fremd. Also bitte auch hier Sachlichkeit. Wer einen Großflughafen Berlin Brandenburg Inter-

national haben möchte, braucht in der Sicht, in der Zeitschiene die dritte Start- und Lande-

bahn, sonst hat das gar keinen Sinn.

Viertens: Natürlich ist auch ein Flughafen Tegel in der Übergangsnutzung, und da muss man

sich tatsächlich überlegen, wie man das macht, als Regierungsflughafen oder als General Avi-

ation. Da gibt es viele Möglichkeiten. Dass das natürlich auch durch diesen Volksentscheid

abgedeckt ist, hat Herr Giemulla deutlich gemacht.

Wir haben uns, weil wir uns immer um Sachlichkeit bemühen und hier im Parlament sitzen,

einen Antrag überlegt, der im Grunde genau das vorwegnimmt, was Herr Prof. Ziekow gesagt

hat, dass wir uns bemühen – und das ist bitte die Anregung an alle Fraktionen im Hause –, das

Thema Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion anzugehen und da die Möglichkeit erst

einmal einzuräumen und reinzuschreiben, dass wir neben Schönefeld als Single-Airport – das

System muss aufgegeben werden, denn das ist ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, da sind

wir uns auch alle einig – die Flughäfen Schönefeld und Tegel wieder reinschreiben müssen.

Ich sage ganz klar, wenn wir alle diesem Antrag folgen, entsprechen wir dem Volksent-

scheidwillen. – Zweitens: Wir vergeben uns gar nichts, denn damit eröffnen wir nur den Weg,

dass wir in diesem offenen Prozess weiterkommen, dass wir uns die Handlungsmöglichkeiten

auch gegenüber dem Senat offen halten, hier auch die Landesplanung Flughafen zu verän-

dern. Das ist ganz wichtig. Das ist der erste parlamentarische Schritt, um dem Volkswillen

Genüge zu tun.

Ich kann Ihnen dann auch noch eines sagen: Wenn wir uns den Flughafen angucken, sollte er

2020 fertig werden, garantiere ich Ihnen, die Qualitätseinbußen, die Wartezeiten und Ver-

spätungen bei Belastung in Spitzenzeiten werden ein Horror. Der Senat sollte daran denken,

ein Szenario zu entwickeln, und ich wiederhole unsere Forderung: In einem Sonderausschuss

für ein effizientes Flughafensystem, alles das, was angesprochen wird, soll und muss parla-

mentarisch parallel begleitet werden die nächsten drei Jahre, damit wir am Ende 2021 nicht

vor einem Scherbenhaufen stehen, der kommen wird, wenn das alles so läuft wie jetzt, und es

ist eben nicht garantiert, dass der Flughafen fertig wird mit den Kapazitäten und auch nicht

mit den Erweiterungskapazitäten. Bitte gehen Sie in sich! Schauen Sie sich den Antrag an.

Bitte bestätigen Sie noch mal die Aussage, dass eine Schließungsverpflichtung definitiv nicht

besteht, wenn die Kapazitätsfrage ungeklärt ist. – An Herrn Dr. Paetow und die anderen Her-

ren, dass Sie auch noch mal bestätigen, dass wir, wenn wir in die Hauptstadtplanung rein-

schreiben, den Flughafen Tegel wieder explizit mit reinschreiben, dass dadurch nicht zwin-

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gend weitere Verpflichtungen entstehen, sondern dass das ein erster Schritt ist, um das Ver-

fahren im Sinne der Berlinerinnen und Berliner offen zu halten. – Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Hansel! – Hier hätte die AfD-

Fraktion für die erste Runde noch eine Minute übrig. Frage an Sie, ob Sie die nutzen oder

auch in die zweite Runde gehen wollen. – Besten Dank dafür! – Dann hätte die FDP-Fraktion

auch noch die Gelegenheit in der ersten Runde mit Herrn Czaja das Wort zu ergreifen. – Bitte

schön, Kollege Czaja!

Sebastian Czaja (FDP): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Man muss sich schon die Frage

stellen, was wir heute eigentlich im Sinne eines Entscheids, der mit einem klaren Votum ge-

troffen wurde in dieser Stadt, überhaupt tun. Wir reden nicht über die Frage: Wie setzen wir

den Volksentscheid durch? –, sondern wir tun das unter einer Überschrift, die der Senat vor-

gegeben hat in Form von Ignoranz und Arroganz mit der Frage des Umgangs des Volksent-

scheids. Die Frage des Umgangs stellt sich nicht, sondern ausschließlich die Frage der Durch-

setzung stellt sich. Die Frage der Durchsetzung stellt sich eben deshalb, weil eine Million

Berlinerinnen und Berliner ein klares Votum für eine Infrastruktur in dieser Stadt gegeben

haben. Das ist das Erste.

Dass der Senat gar kein Interesse an diesem Volksentscheid hat, das hat er bis heute lückenlos

dokumentiert. Nicht umsonst stellt Herr Gaebler die Frage. Er vermutet, dass die Initiatoren

anderer Auffassung sind und erwidert damit auf Prof. Dr. Giemulla. Er vermutet und hat eine

Lesart. Wieso vermuten Sie denn, Herr Gaebler? – Sie vermuten deshalb, weil Sie bis heute

nicht einmal mehr, mit Verlaub, die Initiatoren des Volksentscheids auch nur angehört haben

nach einem erfolgreichen Volksentscheid. Es interessiert Sie einen Dreck, was diese Stadt

entschieden hat, und an dieser Stelle müssen Sie sich schlichtweg vorwerfen lassen, dass Sie

in diesem gesamten Verfahren eines dokumentieren: Die Initiatoren des Volksentscheids ste-

hen stellvertretend für eine Million Berlinerinnen und Berliner, und Sie haben noch nicht

einmal die Größe besessen, ein Gespräch mit den Initiatoren zu führen über die Frage der

Vorstellung, über die Frage des Konzepts oder, oder, oder. Nichts ist passiert. Diese Gangart

halten Sie konsequent in allen politischen Fragen und Entscheidungen in dieser Stadt durch.

Ihre Show-Veranstaltung, zu der Sie heute hier eingeladen haben, die im Übrigen Herr Stro-

edter schon abgesungen hat im Vorfeld – ganz klar, können Sie nachlesen –, er hat gesagt: Es

wird sich nichts, aber auch gar nichts ändern nach der Veranstaltung, die hier heute stattge-

funden hat. Ihr Koalitionskollege – deutlich nachzulesen. Die Haltung des Senats aufgrund

des Gutachtens von Herrn Prof. Ziekow. Der Senat hat seine Meinung und wird dabei bleiben

und das nicht kommentieren, was Herr Ziekow in den Raum gestellt hat. Soll ich noch weitere

Belege dafür bringen, dass es Ihnen vollkommen egal ist, was Berlin entschieden hat und dass

Sie null Interesse haben an der Durchsetzung des Volksentscheids? – [Zuruf von Steffen Zil-

lich (LINKE)] –

Zweitens: – [Torsten Schneider (SPD): Sie werden doch gar nicht angehört, Herr Czaja!] –

Sie haben immer wieder den Masterplan in die Debatte gebracht. Herr Evers hat zu Recht

darauf hingewiesen, dass wir einen Untersuchungsausschuss an dieser Stelle leider erneut

brauchen, den Sie verhindern, weil der Masterplan laut Aussagen der Flughafengesellschaft

Berlin-Brandenburg an der Spitze mit Herrn Lütke Daldrup nicht mehr ist, als eine Ideenskiz-

ze, quasi Ihre Antwort darauf, wie Sie mit der Schließung von Tegel umgehen wollen. Des-

halb frage ich Herrn Dr. Paetow: Ist es richtig, dass die Prognosen, die durch die Flughafen-

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gesellschaft Berlin Brandenburg, dass 20 Prozent mehr an Kapazität auch schon bei Eröff-

nung vorgehalten werden müssen, auch nach Ihrer Einschätzung genau der Puffer sind, über

den Sie eingangs gesprochen haben? Sie haben gesagt, es braucht, wenn der BER eröffnet

wird, einen Kapazitätspuffer. Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg spricht von

20 Prozent zur entsprechenden Entwicklung. Das ist das Erste.

Das Zweite, Herr Prof. Dr. Ziekow, ist: Mich würde interessieren, wie Sie die Folgekostenab-

schätzung des Senates bewerten, der eine Folgekostenabschätzung im Rahmen dieses Volks-

entscheids vorgenommen hat, die auch heute immer wieder mal in die Debatte gebracht wor-

den ist. Wie gehen Sie eigentlich mit der Aussage um, die Herr Müller am 4. August 2015

getroffen hat, als es um die Frage des Volksentscheids ging, auf eine Schriftliche Anfrage,

17/16731, zur Vollständigkeit für das Protokoll:

Nein, denn Erzwingen könnte das Volk im Wege eines Volksentscheids einen Wei-

terbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel nur durch den Erlass eines Gesetzes, für das

das Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz besitzt. Diese Möglichkeit besteht hier

aber nicht. Denn wesentliche Entscheidungen hierfür müssten durch Verwaltungsent-

scheidungen aufgrund von Bundesrecht getroffen werden, welches einem Berliner

Volksentscheid entzogen ist.

Gehe ich recht in der Annahme, dass Berlin Entscheidungen treffen kann und damit der Re-

gierender Bürgermeister möglicherweise auch im Umfeld eines Volksentscheids frühzeitig

deutlich machen wollte, dass Berlin eigentlich keine Handlungskompetenz hat und aus-

schließlich der Bund an dieser Stelle handeln muss, oder hat Berlin doch entscheidende Mög-

lichkeiten, die man hätte im Übrigen – zweite Frage an Sie, Herr Dr. Ziekow –, möglicher-

weise im Rahmen auch der Gespräche, die der Senat in gemeinsamen Senatssitzungen, Kabi-

nettssitzungen mit dem Land Brandenburg hätte schon forcieren können, insbesondere mit

Blick auf die gemeinsame Landesentwicklungsplanung?

Mich würde im Weiteren interessieren, wie Sie, Herr Dr. Ziekow, die Frage bewerten, dass

eine gemeinsame Landesentwicklungsplanung am Ende des Tages das große Ungewisse ist

bzw. das Restrisiko, der Kollateralschaden. Ich will darauf durchaus noch einmal eingehen.

Die Frage hatte Herr Wolf gestellt. Ist es nicht so, dass man eine – ich formuliere es um-

gangssprachlich – Lex Tegel in dieser Landesentwicklungsplanung verabreden könnte, ohne

gemeinsame Entwicklungsvorhaben in der Hauptstadtregion, in der Metropolregion Berlin-

Brandenburg, also Verkehrsprojekte, Wohnprojekte etc. , zu gefährden und damit der Weg für

eine wachsende Stadt, für eine Metropole, die im Jahr 2030 vier Millionen Einwohner haben

wird, 60 Millionen Passagiere, die hochattraktiv ist, zu ebnen und damit die richtigen Wei-

chen für die Zukunft der Metropolregion Berlin-Brandenburg zu stellen und das allein die

Möglichkeit des Landes Berlin ist. – Vielen Dank!

Stellv. Vorsitzender Andreas Statzkowski: Herzlichen Dank! – Damit ist die erste Runde

der Abgeordneten beendet. Wir kommen jetzt zur zweiten Runde für die Anzuhörenden. Ich

schlage vor, dass wir jetzt mit Herrn Dr. Elmar Giemulla beginnen. – Bitte sehr!

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Honorarprofessor für Luftrecht): Soweit die Fragen

an mich gerichtet waren. – Volksentscheid Tegel, unbefristeter Fortbetrieb: Man muss diesen

Bescheid natürlich als ganzen Satz lesen. Die Dinge sind knapp formuliert. Deswegen darf

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kein Wort unterschlagen werden. Unbefristet im Sinne von Ergänzung und Entlastung, das

habe ich vorhin schon ausgeführt. Was immer mit Tegel in Zukunft geschieht, Tegel von

morgen wird nie mehr das Tegel von heute sein können und sollen nach diesem Entscheid.

Unbefristet und ob das ein Auftrag an den Senat ist, da verweise ich auf die Kollegen.

Prof. Ziekow hat sich ganz speziell mit dieser Frage befasst, wie Sie wissen. Deswegen will

ich das hier nicht weiter ausführen, weil es sozusagen sein Feld ist. Aber vielleicht nur dieser

eine Satz: Natürlich muss geprüft werden, ob das geht, nicht, ob das Handlungsinstrument

verpflichtend ist, das ist das Formale sozusagen, das Verfahrensrechtliche, sondern ob das,

was am Ende herauskommen soll, was der Auftrag ist, rechtlich überhaupt möglich ist bzw.

notfalls muss es möglich gemacht werden. Das ist völlig klar. Das muss im Einzelnen geprüft

werden. Die Frage der Unbefristetheit wird auch davon abhängen, was am BER tatsächlich

passiert, und das ist etwas, da sind wir uns, glaube ich, sehr einig. Wenn am BER die Kapazi-

täten, wann auch immer, zur Verfügung gestellt werden, erodiert die rechtliche Berechtigung

des Flughafens Tegel.

Das Zweite ist in dem Zusammenhang: Tegel von morgen wird nicht das Tegel von heute

sein, weder vom Volumen her noch von seinem Charakter. Das ist meine Auffassung. Herr

Gaebler vom Senat hat vorhin gesagt, es sei wahnsinnig schwierig. Er hat erst einmal von der

These her recht. Wenn man zwei konkurrierende Airports hat, ist es wahnsinnig schwierig,

den Verkehr zu verteilen. Es gibt zwar eine europäische Rechtsverordnung über die Ver-

kehrsverteilung, aber das dann umzusetzen ist so gut wie unmöglich. Es muss nicht diskrimi-

nierend sein. Wen schickt man wohin? Die wollen natürlich alle da sein, wo die Passagiere

am liebsten hinwollen, und dann gibt es da wieder Knappheiten usw. Das ist tatsächlich

schwierig, und es ist in anderen Städten auch schon zu entsprechenden Rechtsproblemen ge-

kommen. Aber man muss sich auch im Rahmen dessen, was der Auftrag an den Senat ist,

natürlich überlegen: Welche Optionen gibt es denn um das Hauptziel, den BER möglichst

effektiv zu halten? Da muss man sich z. B. auch überlegen, ob denn möglicherweise Tegel als

Regierungsflughafen ausgestaltet wird. Das würde dann in militärische Verwaltung überge-

hen. Militärische Verwaltung heißt nicht, dass es nicht eine zivile Mitbenutzung geben könnte

in einem begrenzten zu definierenden Rahmen. Ich habe vorhin schon gesagt: medizinische

Notfälle, eilige Ersatzteile, sonstiger Verkehr, der am BER stört. Das sind alles Dinge, die

halte ich von dem Auftrag, der natürlich maximal ist vom Auftrag des Volksentscheides, der

natürlich als Maximale rangeht – diese Stufen bis dahin, die darunterliegen, diese Optionen,

von denen ich geredet habe, von denen es vielleicht noch mehr gibt –, müssen geprüft werden,

völlig klar. Und wenn man dann feststellen sollte, so, wie es da steht, geht es nicht, heißt es

nicht, dass das überhaupt nicht mehr diskutiert wird, sondern man muss sich dann an den ent-

sprechenden unteren Stufen orientieren.

Ein Punkt brennt mir auf der Seele, obwohl die Frage nicht gestellt wurde, sondern das wurde

als These in den Raum gestellt, der Vergleich mit London Heathrow. Im Grunde kann man

nichts miteinander vergleichen, das ist völlig klar, aber das ist tatsächlich ein ganz schwieri-

ger Vergleich. London Heathrow hat zwei Start- und Landebahnen, das ist richtig. London

Heathrow hat fünf sehr große Terminals, eines ist stillgelegt worden, also vier. Die haben wir

am BER noch nicht. Und dann natürlich die Passagierzahlen. Da kann man Äpfel mit Birnen

vergleichen. Das sind doch alles Menschen, aber die fliegen in unterschiedlich großen Flug-

zeugen. Es sind nicht die Passagiere, die den Verkehr definieren, sondern das sind die Flug-

bewegungen. Da ist natürlich London Heathrow von seiner ganzen Struktur her völlig anders.

London Heathrow ist in erster Linie ein Interkontinentalflughafen oder zum großen Teil, das

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heißt, da fliegen Riesenflugzeuge los. Airbus 380 mit wie viel hunderten von Passagieren.

Das ist Berlin nicht. Von Berlin fliegen kleinere Flugzeuge, das heißt, die 400, 500,

600 Leute, die in den A 380 reinpassen, ist eine Flugbewegung. Wenn Sie so viele Leute hier

losfliegen lassen wollen, haben Sie gleich fünf Flugzeuge von der Sorte. Das muss man sich

ganz genau angucken, wenn man es dann letztlich vergleichen und daraus herleiten will, was

an einem künftigen BER insgesamt möglich ist.

Jetzt zu Ihrer Frage, Paket, der Masterplan: Ja, soweit ich das überhaupt definitiv sagen kann,

und ich kann es überhaupt nicht definitiv sagen, das machen die Gerichte, aber ich kann mei-

ne Einschätzung darlegen. Meine Einschätzung ist: Das Instrument des Planfeststellungsver-

fahrens hat natürlich einen guten Grund. Der ist hier mehrfach zitiert worden. Und die kleine

Lösung, nämlich die Plangenehmigung, die kein UVP braucht, setzt voraus, dass Rechte Drit-

ter nicht betroffen sind. Und diese Ausbaumaßnahmen, die mit dem Masterplan 2040 ins Au-

ge gefasst werden, da würde ich nicht sagen, spontan jedenfalls nicht, dass davon nicht die

Rechte Dritter betroffen sind, wenn ein Flughafen von 22 Millionen am Ende auf

55 Millionen hochgeht. Dann sind Rechte Dritter massivst betroffen. Das ist ein Grund, wes-

halb die Plangenehmigung wohl ein untaugliches Mittel ist. – Das Zweite ist: Die Plangeneh-

migung ist eigentlich vom Gesetzgeber geschaffen worden, um bei einem laufenden Flugha-

fenbetrieb, der auch unter dem Druck der zunehmenden Kapazitäten steht, die Kapazitäten

sukzessive, von mir aus gerne Sarotti-Methoden-mäßig, nachzuschieben.

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Sarotti-Methode hat insofern einen schlechten Klang, als dass man dahinter vermutet, dass

von vornherein schon eine Absicht dahintersteht und man diese Absicht aber nicht äußern

will, weil das zu kompliziert ist, also macht man es mit kleinen Stücken, das fällt nicht so auf.

Das wollen wir in Berlin nicht an die große Glocke hängen, dass das die Absicht ist. Das

macht man auch gar nicht, denn der Masterplan ist offen und ehrlich und sagt: Wir wollen bis

zum Jahr 2035 auf 55 Millionen kommen, und dann geht das in vier Schritten so. Wenn das

der Gedanke ist, wenn das die Planung ist und ich sage: Ich will das so, dann komme ich mit

Plangenehmigungen nicht an. Dann muss ich ein Planfeststellungsverfahren machen, und was

das für rechtliche Schwierigkeiten macht, auch was die Zeitschiene anbelangt, brauche ich

hier nicht weiter zu erwähnen. – Vielen Dank!

Stellv. Vorsitzender Andreas Statzkowski: Gut! – Ich bitte um Aufmerksamkeit für die

Anzuhörenden und würde jetzt Herrn Dr. Stefan Paetow um seine Einlassung bitten.

Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a. D.): Ich bin in

verschiedener Hinsicht angesprochen worden. Ich würde aber doch gerne, weil ich zu den

Wirkungen des Volksentscheids noch gar nichts gesagt habe, wenigstens zwei Sätze dazu

sagen, ohne das auszuführen. Eine praktische Überlegung ist – das ist, glaube ich, unstreitig –,

dass das Abgeordnetenhaus den Beschluss des Volksentscheids aufheben kann. Die Folge ist,

dass er keine Rechtswirkungen mehr entfaltet. Die politischen Wirkungen sind vermutlich

erheblich. Aber in rechtlicher Hinsicht reden wir zum Teil über etwas, was vielleicht gar nicht

praktisch wird.

In der Sache teile ich die Auffassung von Herrn Ziekow nicht, was die Verbindlichkeit an-

geht. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat gegenteilig entschieden. Ich räume allerdings

ein: Ob das das letzte Wort ist, weiß man nicht. Die Rechtsprechung kann sich auch entwi-

ckeln. Nur eines, was mir nicht einleuchtet – man kann vieles dazu sagen, und einiges, was

Herr Ziekow sagt, ist wahrscheinlich in der Entwicklung –, ist, dass ein vom Volk beschlos-

senes Gesetz, Flugfeld Tempelhof als Beispiel, unstreitig vom Parlament, also vom Abgeord-

netenhaus wieder aufgehoben werden kann. Ich wüsste auch nicht, dass der Senat, um dessen

Verpflichtung es geht, nicht verfassungsrechtlich befugt wäre, eine solche Vorlage dem Ab-

geordnetenhaus zu machen und zu sagen: Wir wollen dieses Gesetz wieder aufheben. Warum

das bei einem Beschluss über die politische Willensbildung anders sein soll, dass der Senat im

Ergebnis nicht sagen darf – er ist verpflichtet, das ernst zu nehmen, das zu überprüfen, das ist

eine verfassungsrechtliche Verpflichtung –, ich bilde meinen politischen Willen anders,

leuchtet mir auch unter dem Blickwinkel „Gesetz durch Volksentscheid“ nicht ein.

Aber jetzt zu Herrn Moritz: Sie haben mich gefragt, es stünde in dem Bescheid über den Wi-

derruf der Betriebsgenehmigung nichts über die Kapazität. Das ist richtig, aber darauf kommt

es auch gar nicht an. Die entscheidende Regelung steht im Landesentwicklungsplan. Da heißt

es: Nach Inbetriebnahme muss geschlossen werden. Man ist damals selbstverständlich davon

ausgegangen, dass der BER die Kapazität hat. Das ist gerade das Problem, dass man das da-

mals nicht gesehen hat, wie stark die Passagierzahlen und die Flugbewegungen steigen wür-

den. Deshalb ist meine Auffassung, dass das mit den sechs Monaten und diese ganzen Ge-

schichten und der Inbetriebnahme der Südbahn eine Konkretisierung ist, die aber selbstver-

ständlich die Voraussetzung hat, dass Tegel nur dann geschlossen werden darf, wenn der BER

bei der Eröffnung und einem gewissen Puffer den gesamten Flugverkehr aufnehmen kann.

Alles andere würde doch bedeuten, dass diejenigen, die den Landesentwicklungsplan gemacht

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haben, gesagt haben: Na ja, wenn wir die Südbahn in Betrieb nehmen und fünf oder zehn Mil-

lionen Passagiere können nicht zum BER fliegen, mögen die dann nach Leipzig fliegen. Es ist

doch klar, dass das nicht gemeint war, sondern dass gemeint ist, der BER kann rechtlich nur

dann zu einer Schließung von Tegel führen, wenn er alles an Flugverkehr aufnehmen kann.

Zu Herrn Hansel: Ich habe es eben schon mal gesagt, das bestätige ich noch mal mit der

Schließungsverpflichtung. Zu dem Antrag oder Ihrer Vorstellung, man könnte doch im Lan-

desentwicklungsplan, der in der Hauptstadtregion sozusagen in der Mache ist, die Änderung

aufnehmen: Weg vom Single-Airport-Konzept: Das kann man sicherlich machen, nur, das ist

ganz wichtig, und das würde ich auch zu Herrn Ziekow sagen, weil ich nicht weiß, ob er das

auch so gesehen hat: Sie kommen nicht drum herum, in einem geordneten Verfahren, wie es

die Gesetze vorschreiben, in jedem Fall den vorhandenen LEP – – [Zuruf] – Dann habe ich

Sie auch so verstanden. Dieses wahrscheinlich nicht einfache Verfahren muss in jedem Fall

verfahrens- und materiellrechtlich abgearbeitet werden. Das kann auch nicht durch eine recht-

lich einvernehmliche Anpassung oder sonst irgendwie zwischen Brandenburg und Berlin ge-

schehen.

Zu Herrn Czaja: Sie haben mich gefragt: Wie ist es mit dem Puffer? – Das habe ich Ihnen

schon gesagt. Mit den 20 Prozent – ich täte mich schwer, das zu quantifizieren. Da wird man

die Situation sehen müssen. Ich darf noch einmal das Beispiel München nehmen. Man ist bei

der Eröffnung 1991 von acht oder zehn Millionen Passagieren ausgegangen. Wenn man da-

mals verlangt hätte: Ihr müsst aber auch im Jahre 2018 dann die vielleicht möglichen

40 Millionen schaffen, das müsste schon sicher sein, dass man das schafft, dann hätte er da-

mals nicht eröffnet werden dürfen. Ich glaube, irgendwo hört es dann auf. Man muss auch ein

gewisses Vertrauen darauf haben, dass mit Blick auf andere Flughäfen, die entsprechend der

Situation immer wieder weiter ausgebaut werden, das auch im Falle BER möglich wäre. Es

darf aber nicht sein, das ist mein Petitum, das Stichwort Puffer, dass gerade eben alle abgefer-

tigt werden können und man weiß schon, in ein oder zwei Jahren nach Eröffnung des BER

reicht das nicht mehr. Das wäre in jedem Fall nicht die Situation, wo man sagen müsste, jetzt

muss Tegel geschlossen werden.

Stellv. Vorsitzender Andreas Statzkowski: Herzlichen Dank! – Dann bitte ich Herrn

Prof. Dr. Jan Ziekow um seine Beantwortung.

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Ich will

mich, um Gottes willen, nicht in einen Gutachterstreit verwickeln. Nur fürs Protokoll: Es ist

nicht unstreitig, dass das Abgeordnetenhaus einen Volksentscheid, sei es über ein Gesetz oder

über einen sonstigen Gegenstand der politischen Willensbildung, einfach aufheben kann. Ich

möchte jetzt nicht meine Meinung sagen, ich möchte nur verweisen auf die hochmögenden

Kollegen Hans Peter Bull, früherer SPD-Innenminister von Schleswig-Holstein, und Michael

Kloepfer, beide keine ausgewiesenen Freunde von partizipatorischen Beteiligungen, die ge-

sagt haben: Nein, ein Volksentscheid kann vom Parlament geändert werden, aber nur dann,

wenn besondere Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Ich will nur festhalten: Es ist nicht un-

streitig, man weiß es dann, wenn der Verfassungsgerichtshof entschieden hat.

Damit komme ich zu der Frage von Herrn Moritz zur Grenze der Handlungsverbindlichkeit

und wer sie im Grunde feststellt. – Das ist eine völlig offene Frage. Da befindet man sich et-

was im luftleeren Raum und sucht Anhaltspunkte dafür: Wo könnte man eine Handlungsver-

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bindlichkeit festmachen? Ob die allgemein so definiert werden kann, was Juristen gerne ha-

ben, schöne Definitionen und dann packt man das darunter, da bin ich jetzt gar nicht sicher.

Ich würde mich deshalb hier doch vergleichsweise an das halten, was da ist, und da haben die

mehrfach angesprochenen Folgeabschätzungen, zu den methodisch etwas zu sagen mich Herr

Czaja aufgefordert hat, selber darauf hingewiesen, sollte eine solche Prognose in Auftrag ge-

geben werden. Wenn der Senat die Folgeabschätzung reinschreibt, das habe ich auch in einer

Fußnote zitiert, dann sollte man das machen. Das wäre einer der Punkte. Ich sehe offen ge-

standen auch keinen Grund, denn das erzeugt keinerlei rechtliche Verbindlichkeit. Auf die

Frage der Teilkündigung in der gemeinsamen Landesplanung habe ich bewusst verwiesen. Ich

würde das auch in den Bereich Kollateralschaden einordnen. Das habe ich schon gesagt.

Wenn man aber mit Brandenburg über ein Anpassungsverlangen sprechen möchte hinsicht-

lich der gemeinsamen Flughafenplanung und der daraus folgenden städteplanerischen Konse-

quenzen für Berlin, dann muss Berlin in Vorlage gehen. Das ist völlig klar. Berlin muss dann

sagen: Wie sind die Konsequenzen, die sich daraus planerisch ergeben? Ich sehe, offen ge-

standen, kein wirkliches Verbot, zumindest dieser, wie wir identifiziert haben, zentralen

Schaltstelle bei der Frage der Landesplanung nachzugehen. Ob jetzt tatsächlich belastbare

Kapazitätsprognosen vorliegen, darüber kann man lange streiten. Das müsste man sich noch

einmal angucken. Genannt worden ist der Name Thorsten Beckers. Thorsten Beckers kenne

ich gut. Er war lange am Forschungsinstitut beschäftigt – der ist Betriebswirt. Er kann doch

keine Kapazitätsprognose von der flugseitigen Seite machen. Andere Namen fielen mir dann

eher ein, die sich auch in der öffentlichen Diskussion schon geäußert haben, die auf derartige

Prognosen spezialisiert sind. Das würde ich zunächst für das Essential halten, und je nach-

dem, wie eine solche belastbare Prognose ausgeht, entscheiden sich durchaus möglicherweise

einige andere Fragen.

Zur Frage, wie bewerte ich die Folgenabschätzung, die Herr Czaja gestellt hat: Das ist eine

gute Frage. Ich habe vor zehn Jahren auf ausdrücklichen Wunsch und mit Unterstützung von

Kurt Beck ein Institut für Folgenabschätzung gegründet. Das hat mittlerweile 30 Beschäftigte

aus verschiedenen Disziplinen. Eine richtige Folgenabschätzung, keine Material- oder Argu-

mentesammlung, ist methodisch ziemlich aufregend und anstrengend. Ich kenne nur

15 Seiten, die mir von der Folgeabschätzung zugänglich sind. Das würden wir als Executive

Summary bezeichnen. Darum kann ich nichts dazu sagen, wie die Folgenabschätzung aussah.

Ich kann sie weder positiv noch negativ bewerten. Ich kenne die gesamte Stellungnahme

nicht. – Ich möchte auch gleich dazu sagen: Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen der

Berliner Verwaltung sehr. Die wissen sicherlich, was sie schreiben. Das ist gar keine Frage.

Nur, eine Folgenabschätzung beruht natürlich darauf, dass man unterschiedliche intendierte

oder nichtintendierte Side Effects in ein Beziehungssystem zueinander setzt und verschiedene

Pfade aufzeigen kann, wie Entscheidungen getroffen werden können. Dazu kann ich nichts

sagen, weil ich, wie gesagt, das gesamte Werk nicht kenne.

Die weitere Frage, die Sie gestellt haben, zur Änderung des Landesentwicklungsplans: Eine

Aufstellung KR erzeugt keinen Zwang, Tegel offen zu halten. Das ist sicherlich klar. Ande-

rerseits will ich auch noch einmal darauf hinweisen, das hat Herr Paetow auch noch einmal

hervorgehoben, dass dieser Umstand – normalerweise würde man sagen, die Raumplanung

erzeugt insoweit keine Baupflicht und keine Offenhaltungspflicht – nichts daran ändert, dass

man entsprechende Abwägungsentscheidungen treffen muss. Es reduziert nicht den Aufwand

für die landesplanerische Abwägung, die dort vorzunehmen ist.

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Die Frage von Herrn Czaja: Kann nur Berlin Entscheidungen treffen oder nur der Bund? – Ich

weiß nicht genau, worauf sich die Äußerung des Regierenden Bürgermeisters damals bezog.

Was sicher richtig ist, ist, dass vieles Bundesrecht ist, insbesondere das Luftverkehrsrecht und

das Fluglärmschutzgesetz. Daran kann Berlin nichts ändern. Daran ist es gebunden. Ob man

Berlin, wenn es darauf ankäme – ich sehe nicht, wo es hier drauf ankommt, muss ich ehrlich

sagen auf diese Frage der Änderbarkeit von Bundesrecht –, verpflichten könnte, eine im

Zweifel aussichtslose Bundesratsinitiative zur Änderung von Bundesluftrecht zu starten, ist

eine weitere Frage. Da wäre ich etwas skeptisch. Ich sehe aber auch nicht, dass es darauf an-

kommt. Es geht um die Vollzugskompetenz, und die liegt, was den Flughafen Tegel anbe-

trifft, zunächst einmal bei den Planungsbehörden des Landes Berlin bzw. bei der gemeinsa-

men Landesplanung nicht. Das ist sicherlich der Punkt, wo Berlin im Moment nicht alleine

handeln kann. Darüber hatten wir auch schon gesprochen. Das ist sicherlich der Punkt, wo

meiner Ansicht nach Berlin durchaus noch etwas mehr in Vorlage gegenüber Brandenburg

gehen könnte, damit nicht nur in Kabinettsgesprächen darüber gesprochen wird, sondern eine

diskutable Vorlage vorliegt. Wie könnte ein Landesplanungsszenario, ohne dass das jetzt ab-

gewogen sein muss, bei Offenhaltung von Tegel aussehen? – Danke!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an Sie! – Auch hier gab es noch zwei

Nachfragen in Richtung Senat. – Dann hat Herr Gaebler auch noch mal die Gelegenheit, bitte

kurz darauf zu antworten.

Staatssekretär Christian Gaebler (CdS): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Meine Damen

und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Anzuhörende! Vorweg: Ich hatte das so verstanden,

dass das hier eine Anhörung auf Antrag aller Fraktionen ist und nicht nur der Regierungsfrak-

tionen. Nur, dass ich mir das nicht falsch gemerkt habe. Auch die FDP-Fraktion hat diese An-

hörung beantragt. Nur für mich, damit ich weiß, wie ich hier damit umgehe.

Zum Zweiten: Wir müssen uns mit dem Volksbegehren natürlich so auseinandersetzen, wie es

beschlossen worden ist, und im Volksbegehren gibt es klare Schlüsselworte, nämlich: Weiter-

betrieb unbefristet und als Verkehrsflughafen. – Es ist für den Senat natürlich schwierig zu

sagen, jetzt gucken wir mal, ob wir das interpretieren können, weil mehr als eine Million Bür-

gerinnen und Bürger dem zugestimmt haben. Deshalb hat der Senat geprüft, wie er diese

Leitworte umsetzen kann, und welche Rechtsfolgen das gegebenenfalls hat. Auch da hat der

Senat bereits durch das Gutachten von Herrn Paetow ausloten lassen: Wie müssten denn Än-

derungen des Landesentwicklungsplanes aussehen, und was hat das für andere Konsequen-

zen? Insofern ist das alles gemacht worden und liegt Ihnen mit der Vorlage auch vor. Ich

glaube, an der Stelle haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.

Als Letztes, weil wieder die Frage aufkam: Ist eindeutig entschieden, dass die Änderung eines

Volksentscheides durch das Parlament, egal, ob es ein Gesetz oder Beschluss ist, möglich ist

oder nicht? – Da berufe ich mich auf den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Der hat

nämlich 2009 in der Entscheidung 143/08 unter der Nummer 109 sehr deutlich formuliert:

Das Nebeneinander von parlamentarischem und Volksgesetzgebungsverfahren für

sich deckende Regelungsbereiche stellt beide Verfahren in ein Spannungsverhältnis

zueinander. Setzt der verfassungsändernde Gesetzgeber das Parlament bewusst die-

sem Spannungsverhältnis aus, ist damit die Erwartung verbunden, dass es in der La-

ge ist, sich hierin zu behaupten, ohne dass die Funktionsfähigkeit des Staates und

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Seite 34 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

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seiner Organe in Frage gestellt werden. Das Vertrauen in den mündigen und verant-

wortungsbewussten Bürger erstreckt sich nicht nur auf sein Abstimmungsverhalten,

sondern auch auf seine Bereitschaft, sich sowohl im Vorfeld einer Abstimmung als

auch in der öffentlichen Diskussion um den Vollzug beziehungsweise die Änderung

oder Aufhebung eines Volksgesetzes mit den Argumenten von Senat und/oder Ab-

geordnetenhaus auseinanderzusetzen, wenn diese ein Volksgesetz und dessen Folge-

wirkungen für unvereinbar mit höherrangigem Recht und dem Gemeinwohl halten.

(…) können der Senat und das Abgeordnetenhaus ihre Position wirksam öffentlich

zur Geltung bringen und dabei auch darauf hinweisen, dass notfalls eine Korrektur

(…) möglich bleibt.

Deshalb ist der Senat auch der Auffassung, dass er weiterhin darauf hinweisen kann, was dem

Umsetzen des Volksentscheids entgegensteht und nicht stur gegen die Wand rennen muss, um

es auf den Punkt zu bringen, weil hier so ein bisschen der Anspruch herrscht, der Senat dürfe

gar keine gegenteilige Argumentation wiederholen. Ich glaube, auch das ergibt sich nicht aus

der Rechtsprechung.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Staatssekretär! – Frau Dr. Sudhof,

bitte!

Staatssekretärin Dr. Margaretha Sudhof (SenFin): Ich möchte nur noch mal ergänzend

Stellung nehmen zu dem sicherlich anderen Menschen als mir zugänglichen Ranking der

Kompetenz von arrivierten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern. Herr Prof. Beckers

hat hier ökonomische Sachverhalte betrachtet. Die luftverkehrsrechtlichen und luftverkehrs-

technischen Sachverhalte hat Herr Prof. Malina von der Universität Hasselt betrachtet. Die

haben das Gutachten zusammen gemacht.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank! – Das war in der Tat sehr kurz. – Dann

kämen wir jetzt in die zweite Runde. Ich habe, kurz bevor wir einsteigen, folgende Wortmel-

dungen: Für die SPD-Fraktion erneut Herr Stroedter, für die CDU ein zweites Mal Herr E-

vers, von den Linken Herr Efler und Herr Zillich, von den Grünen nur noch Herr Urbatsch,

weil Herr Taschner mittlerweile weg ist, von der AfD-Fraktion Frau Dr. Brinker und Herr

Hansel, und die FDP-Fraktion würde sich gerne durch Herrn Swyter und Herrn Czaja noch

einmal melden. Das haben wir notiert. Dann bitte ich Sie, aber auch da noch mal auf Ihr Kon-

tingent zu achten, auch bei den Kollegen, die als Zweites dran sind, denn eine dritte Runde

machen wir nicht. Das wäre dann fraktionsintern zu klären, warum der Kollege oder die Kol-

legin heute nicht mehr zu Wort kommt. – Herr Stroedter!

Jörg Stroedter (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Ich darf als Erstes für meine Frak-

tion zurückweisen, Herr Czaja und Herr Evers, wie Sie diese Anhörung hier für politische

Statements missbrauchen. Sie stellen praktisch gar keine Fragen, sondern Sie sagen das, was

wir in der Parlamentsrede hören, und das finde ich nicht angemessen.

Zweitens: Herr Czaja! Ich weise auch zurück, dass die Initiatoren des Volksentscheids nicht

angehört worden sind. Ich glaube, die Kollegen Czaja und Luthe werden permanent in diesem

Parlament angehört, manchmal auch zu viel, aber das steht Ihnen ja zu.

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Drittens: Beantworten Sie doch mal die Frage, Herr Evers, ob Sie Herrn Paetow die Gelegen-

heit gegeben haben, in Ihre Fraktion eingeladen zu werden und da sein Gutachten vorzustellen

und mit ihm zu diskutieren. Nach meinen Informationen haben Sie das leider nicht gemacht.

Viertens: Die Koalition verhindert keinen Untersuchungsausschuss. Sie wollen aus einem

Untersuchungsausschuss einen Wahlkampfausschuss, einen Sonderausschuss, einen Beglei-

tungsausschuss machen. – [Zuruf von Stefan Evers (CDU)] – Ja, Dauerwahlkampfausschuss.

Herr Evers! Seitdem Sie hier in diesem Parlament sitzen, machen Sie sowieso nur Wahl-

kampf. Es kommt nur heiße Luft. Es kommt inhaltlich gar nichts. Das muss ich Ihnen mal so

deutlich sagen. Wir werden jedem Untersuchungsausschuss zustimmen. Das ist das Recht der

Opposition, ihn zu fordern, aber wir werden den Auftrag – – [Zurufe] –

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Herr Stroedter hat das Wort. Das gilt für ihn genauso wie

für Sie.

Jörg Stroedter (SPD): Herr Evers kann das kaum ertragen. Er hat so oft die Debatten verlo-

ren, deshalb fällt ihm das schwer. Sie werden den Auftrag hier nicht manipulieren können,

sondern die Koalition erwartet einen Auftrag, der ordnungsgemäß dem Untersuchungsaus-

schuss entspricht. – [Sebastian Czaja (FDP): Es wird nicht besser.] –

Dann ganz konkret zu einigen Punkten, die hier angesprochen worden sind: Herr Giemulla!

Ich würde gerne von Ihnen noch mal etwas zu dem Beleg zur Steigerung der Fluggastzahlen

hören. Sie haben gesagt, was die Flughafengesellschaft dort erwartet. Wir sehen die Entwick-

lung der letzten Jahre, und es gibt zu der Frage der Kapazität, die ist das Schlüsselargument,

dazu hätte ich gerne von Ihnen eine Erklärung, zwei Punkte: Zum einen die Frage der Start-

und Landebahnen. Die ist eindeutig. London Heathrow – 78 Millionen. Ich glaube, niemand

bestreitet, dass die beiden Start- und Landebahnen lange ausreichen. – Zweitens die Frage der

Abfertigung: Da möchte ich dann doch noch mal von Ihnen belegt haben, wie Sie sich das

erklären, dass das in München geht mit einer ganz anderen Auslegung, dass das in Tegel geht

mit einer ganz anderen Auslegung und dass das hier, wo wir ganz andere Möglichkeiten am

BER haben, auf einmal nicht mehr gehen und Tegel deshalb offen bleiben soll. Das ist bei mir

nicht angekommen.

Zweitens bringen Sie hier das Argument: Tegel als Regierungsflughafen. Das ist doch ent-

schieden von der Bundesregierung. Ich meine, dass der München-Lobbyist Scheuer immer

gerne andere Thesen vertritt, aber es ist doch entschieden von der Bundesregierung, dass der

Regierungsflughafen am BER angesiedelt wird.

Dann möchte ich zum Dritten von Ihnen wissen: Sie sagen – auch das Argument kenne ich –,

der Regelverkehr wird dann am BER und in Tegel wird alles anders sein. Wie kriegen Sie das

mit den Fluggesellschaften hin? Soll ich Ihnen mal sagen, was ich Ihnen prophezeie? – Wenn

Tegel dauerhaft offen bleibt, wollen die in Tegel bleiben und nicht zum BER gehen. Wie wol-

len Sie denn das verhindern? Welche rechtliche Möglichkeiten sehen Sie, und das kann ich

auch die beiden Juristen fragen, das überhaupt zu steuern, dass der Flugverkehr dann auf den

BER geht und nur ein Restverkehr, wie es immer dargestellt wird, woanders ist?

Dann sage ich Ihnen auch noch einmal deutlich: Das Argument für das Offenhalten von Tegel

ist doch die Bequemlichkeit der Leute. Die fliegen zweimal im Jahr, und dann ist es unzu-

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mutbar, dass sie so weit fahren müssen. Herr Czaja hat es in einem Interview noch deutlicher

gemacht. Er hat gesagt: Da komme ich von meinem Auto schnell zum Gate. Das ist die Ar-

gumentation. Da frage ich Sie noch mal, Herr Giemulla: Ist es denn so, oder noch besser, Herr

Paetow und Herr Ziekow, dass das Argumente sind, die rechtlich eine Rolle spielen könnten?

Insofern, Herr Paetow, geht die Frage an Sie. Sie haben gesagt: Wer kann klagen? – Gemein-

den haben Sie angesprochen, Anwohner ist noch offen, aber Umweltverbände könnten kla-

gen. Das hat doch zeitliche Konsequenzen, auch die Kündigung des Landesentwicklungs-

plans, der Widerruf vom Widerruf. Wir sind also in einem Klageszenario ersten Ranges. –

[Frank-Christian Hansel (AfD): Will doch keiner kündigen!] – Das ist doch die Konsequenz

dessen, was Sie hier betreiben. Wie soll denn sichergestellt werden, Herr Paetow, Herr Zie-

kow, dass das nicht dazu führt, dass die Stadt irgendwann gar keinen Flughafen mehr hat?

Tegel ist doch längst entwidmet, und am BER lassen wir weitere Klagen zu. Da würde ich

gerne zu der rechtlichen Bewertung und zu der Abschätzung etwas hören.

Ich würde auch gerne von allen dreien etwas zum Thema Flugrouten hören. Die Flugrouten

sind für den BER festgelegt, mit allen Konsequenzen, die das hat. Welche Auswirkungen hat

die Flugroutensituation bezogen darauf, wenn Tegel offen bleibt? Müssen die dann nicht alle

komplett offen gelegt werden, und hat das nicht sofort Konsequenzen auf das entsprechende

Genehmigungsverfahren?

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Stroedter! – Dann ist als Nächster für

die CDU Herr Evers dran.

Stefan Evers (CDU): Vielen Dank! – In welchem Wahlkampf Herr Stroedter sich befindet,

kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Uns geht es hier um die Umsetzung eines Volksent-

scheids, der entschieden ist. Da haben wir eigentlich keinen Wahlkampf mehr nötig, sondern

sollten gemeinsam Interesse daran haben, ihn auch umzusetzen. Punkt. Dazu haben wir eine

Menge von Ihnen gehört. Ich würde das noch um einige Rechtsfragen erweitern. Die eine

Frage ist zum Thema Lärmschutz: Inwieweit sehen Sie Anhaltspunkte dafür, dass die Ver-

pflichtung zur Schaffung von Lärmschutzbereichen früher greift, als der Senat offensichtlich

im Augenblick annimmt bzw. ab welchem Zeitpunkt, mit Blick auf die wiederholte Verschie-

bung und nunmehr für 2020 avisierte Eröffnung des BER, respektive eine noch spätere

Schließung von Tegel, haben die Anwohner rund um Tegel in welchen Lärmschutzstufen An-

spruch auf verbesserten Lärmschutz? Das ist etwas, wozu ernsthafterweise eine Koalition, die

den Lärmschutz immer vor sich herträgt, wenn es um die Schließungsabsichten von Tegel

geht, auch mal etwas sagen könnte. Ich habe nicht wahrgenommen, dass man sich hier mit

großer Verve um die Anwohner kümmert und bemüht. Aber an Sie die klare Rechtsfrage: Ab

wann greift aus Ihrer Sicht die Verpflichtung zur Schaffung von Lärmschutzbereichen, und

was bedeutet die Schaffung von Lärmschutzbereichen dann für den konkreten Lärmschutz der

Anwohner von Tegel? Meines Erachtens gibt es zumindest einen Kernbereich, in dem ein

Lärmschutzerfordernis jetzt sehr viel früher besteht und auch schon beplant und in Angriff

genommen werden müsste, als jedenfalls der Senat und die Flughafengesellschaft aktuell se-

hen.

Das Zweite, weil Sie es in verschiedener Hinsicht beschrieben haben, ist: Gibt es jemanden

hier, der es für rechtlich ausgeschlossen hält, diesen Volksentscheid umzusetzen, ja oder

nein? Ich habe verstanden, dass keiner der hier Anwesenden Rechtsexperten bisher eine Aus-

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sage dazu getroffen hätte, die den Schluss zuließe: Der Weiterbetrieb von Tegel ist ausge-

schlossen. Das ist ehrlicherweise die einzige Frage, die mich in dieser Anhörung interessiert.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Kollege Evers! – Das war kurz und

knapp. – Jetzt hat die Linke die Qual der Wahl, wer als Erster reden darf. – Herr Efler!

Dr. Michael Efler (LINKE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Zunächst einmal herzlichen

Dank an die Anzuhörenden, insbesondere auch für die schriftlichen Gutachten von Herrn

Dr. Paetow und Herrn Prof. Ziekow, die ich mit großem Interesse gelesen habe. – Zunächst

einmal: Nicht nur für mich persönlich, sondern auch für meine Fraktion sind Volksentscheide

und direkte Demokratie von sehr großer Bedeutung. Das können Sie auch daran sehen, dass

wir in der Regierungsverantwortung mehrfach die gesetzlichen Rahmenbedingungen, sowohl

die Verfassung als auch das Abstimmungsgesetz, geändert haben, um mehr Beteiligung und

direkte Demokratie zu ermöglichen, sogar so weit gehend, dass ohne eine Verfassungsände-

rung 2006 dieser Volksentscheid zu Tegel gar nicht möglich geworden wäre. Das noch einmal

als Vorbemerkung. Das hat sich auch nicht geändert. Wir haben auch in unserem jetzigen

Koalitionsvertrag klare Aussagen dazu, dass wir das Abstimmungsgesetz ändern wollen. Wir

wollen mehr direkte Demokratie im Rahmen der verfahrensmäßigen Vorgaben ermöglichen,

die die Verfassung stellt. Natürlich bemisst sich der Umgang oder die Glaubwürdigkeit auch

daran, wie man mit einem Volksentscheid umgeht, der einem in der Sache nicht gefällt. Da

bin ich auch vollkommen klar. Ich habe wenige Tage nach dem Volksentscheid einen Text

dazu veröffentlicht, den vielleicht der eine oder andere gelesen hat, wo ich nichts zurückzu-

nehmen habe, wo ich ganz klar formuliert habe, dass natürlich der Volksentscheid zu respek-

tieren und zu akzeptieren und, wenn es geht, selbstverständlich umzusetzen ist.

Wenn es geht, und das ist jetzt die entscheidende Frage. Mit diesen Punkten bin ich wahr-

scheinlich noch ziemlich nah bei Ihnen, Herr Czaja, und bei Herrn Evers, aber ich finde, Herr

Evers, da machen Sie es sich immer sehr einfach. Sie sind immer dabei, mit sehr großer Ver-

ve auf die Trommel zu schlagen. Aber wenn es darum geht, konkret darzulegen: Was sind

denn jetzt möglicherweise die nächsten Schritte, oder welche objektiven Hindernisse bestehen

denn für die Umsetzung des Volksentscheides? –, dann höre ich von Ihnen dazu eigentlich

relativ wenig, sondern nur: Es gibt niemanden, der das komplett ausschließt, also können wir

das irgendwie machen. Aber was soll genau passieren? Das müssten Sie einfach mal konkret

auf den Tisch legen. Das haben Sie bisher nicht getan. Das finde ich ein Versäumnis. Das gilt

aber auch für die FDP-Fraktion. Der erste Schritt ist, dass man sich ernsthaft darum kümmern

muss: Welchen rechtlichen Charakter hat dieser Volksentscheid? Das ist eine wichtige Frage,

die für die Umsetzung möglicherweise nicht die entscheidende Bedeutung hat, aber es hat

Bedeutung. Da hat mich die Position von Herrn Ziekow nicht überzeugt. Ich will Ihnen auch

sagen, warum, und Ihnen, Herr Ziekow, dazu auch eine Frage stellen.

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Erstens, das ist schon angesprochen worden, ich will es nicht in Gänze wiederholen: Es gibt

ein Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofes. Ich gebe zu, das ist nicht exakt vergleichbar,

weil es dort keinen Volksentscheid über Tempelhof gab, der Erfolg hatte, aber es ging um

dieselbe Sachmaterie. Das war auch ein Volksbegehren, wo eine andere Vorlage zugrunde

lag. Die Aussagen des Verfassungsgerichtshofs sind sehr klar gewesen, und das war nicht nur

ein Satz. Das war ein ganzer Absatz, das ist schon ein Unterschied. Der ist vorhin von Herrn

Gaebler vorgelesen worden, und ich denke, das ist durchaus richtig. Man kann sich eine ande-

re rechtliche Position wünschen, davon bin ich gar nicht so weit weg, sage ich ganz klar, aber

die Aussage dazu ist richtig. Aber was möglicherweise noch wichtiger ist: Sie haben zum

Beispiel darauf hingewiesen, dass kommunale Bürgerentscheide verbindlich seien. Nein, das

sind sie nicht. Gucken Sie auf die Bürgerentscheide hier in den Berliner Bezirken. Wir haben

eine Reihe von Bürgerentscheiden, die meisten sogar, die nicht verbindlich sind. Trotzdem

heißt es Bürgerentscheid und trotzdem sind sie wichtig, aber sie sind aus verschiedenen

Gründen teilweise rechtlich nicht verbindlich.

Das Gleiche: Sie haben gesagt, es gebe nur zwei Bundesländer, in denen es diese Verfas-

sungsrechtslage gibt. Es wundert mich wirklich, dass Sie das nicht wissen: Es gibt vier Bun-

desländer, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg und Berlin, die exakt diese Rechtslage

haben, dass man über Nichtgesetzentwürfe abstimmen darf. Deswegen hat es zum Beispiel in

Brandenburg immer wieder Fälle gegeben, wo Initiativen kein Gesetz vorgelegt haben, zum

Beispiel zum Nachtflugverbot. Das ist vom Parlament übernommen worden, und wenn es dort

zu einer Abstimmung gekommen wäre, wäre das auch keine verbindliche Abstimmung gewe-

sen. Aber das Entscheidende bei dem Punkt würde ich wirklich gern von Ihnen wissen: Sie

haben auf Hamburg Bezug genommen. Ich habe lange in Hamburg gelebt. Ich habe dort den

Landesverband „Mehr Demokratie“ gegründet. Ich war an allen größeren Kampagnen dieses

Vereins beteiligt. Dieser Verein hat zu der Veränderung dieser Verfassungsrechtslage beige-

tragen. Warum? – Es gab einen Volksentscheid. Landesbetriebe, Krankenhäuser sind privati-

siert worden. Das war kein Gesetz. Der damalige Regierende Bürgermeister Ole von Beust

hat das ignoriert. Dagegen ist geklagt worden. Daraufhin gab es ein Urteil, das gesagt hat:

Nein, der Volksentscheid ist nicht verbindlich –, und dann wurde die Verfassung geändert. Es

wurde ein Satz aufgenommen, den lese ich Ihnen mal vor:

Ein Volksentscheid über eine andere Vorlage bindet Bürgerschaft und Senat.

Dieser Satz steht in der Hamburger Verfassung. Er steht nicht in der Berliner Verfassung. –

[Zuruf] – Was in Ihrem Programm ist, ist völlig unerheblich. – Er steht auch nicht in der Ver-

fassung von Brandenburg und Schleswig-Holstein, und deswegen glaube ich, können Sie sich

nicht einfach die Verbindlichkeit reininterpretieren. Das finde ich schwierig. Ich würde Sie

bitten, zu der Genese in Hamburg Stellung zu nehmen, denn Sie haben das offensichtlich er-

kannt, und Sie haben das auch in Ihrem Gutachten beschrieben, aber Sie haben nicht diesen

Vorlauf beschrieben, und der ist aus meiner Sicht so überzeugend, dass es, glaube ich, eine

explizite Regelung in der Landesverfassung braucht.

Jetzt zu den Hindernissen der Umsetzung: Ich möchte einen Punkt ansprechen, weil der mich,

ehrlich gesagt, ein bisschen irritiert. Wir reden hier nicht über die Aufhebung eines Volksent-

scheides. Das ist auch nicht die Vorlage des Senats, sondern es gibt eine Vorlage des Senats,

und darin steht, dass es aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, diesen Volksentscheid

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umzusetzen. Darüber streiten wir gerade. – [Zuruf] – Entschuldigung! Das ist etwas anderes

als eine Aufhebung. Es geht nicht um eine Aufhebung. – [Zuruf] – Das ist überhaupt keine

Wortspielerei. Das ist ein riesiger Unterschied. Es geht um die Umsetzung, und dazu gibt es

eine ganze Reihe von Problemen, die Herr Paetow in seinem Gutachten beschrieben hat, und

da will ich zu zwei Aspekten nachfragen. Erster Aspekt, die zeitliche Dimension. Das scheint

relativ bedeutsam zu sein. Herr Paetow! Vielleicht können Sie es noch mal darlegen, denn in

Ihrem Gutachten haben Sie es wunderbar beschrieben. Selbst wenn man die ganzen Voraus-

setzungen – dass der Bund zustimmt und meines Erachtens Brandenburg – klärt und die ver-

schiedenen Verfahrensschritte durchführt, bis zu welchem Jahr könnte man rechtsverbindlich,

rechtskräftig eine dauerhafte Offenhaltung Tegels erreichen? Das würde mich interessieren,

gern auch für die beiden Varianten, einseitiges Handeln oder auch nicht einseitiges Handeln,

und was es für mögliche Probleme auslösen würde, wenn man in der Zwischenzeit möglich-

erweise dazu käme, Tegel müsste schließen, aber danach hätte man möglicherweise die pla-

nungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen und dann sollte man wieder öffnen. Wie stellen

Sie sich das vor? Das erschließt sich mir nicht so richtig.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Sie nähern sich mittlerweile auch den zehn Minuten.

Dr. Michael Efler (LINKE): Ich habe auch lange genug gewartet, bin auch gleich fertig. Ich

habe noch eine Frage an Herrn Ziekow. In Ihrem Gutachten haben Sie immer nur Branden-

burg angesprochen. Sie haben aus meiner Sicht nicht darauf hingewiesen, dass der Bund einer

Offenhaltung Tegels auch zustimmen müsste, weil er Miteigentümer des Flughafens ist. Kön-

nen Sie sich dazu noch äußern? Herr Paetow hat sich dazu klar geäußert und gesagt, es sei

notwendig, dass auch der Bund zustimmt. Übrigens, auf den Bundesverkehrsminister zu ver-

weisen: Wenn die Bundesregierung andere Positionen hat, kommen wir damit auch nicht wei-

ter. Ich würde gern hören, ob es aus Ihrer Sicht notwendig ist, dass drei Beteiligte zustimmen

müssen und nicht nur zwei.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank! Damit ist Die Linke auch zeitkonti-

genttechnisch erschöpft. Wir kommen zu den Grünen. Da ist jetzt noch Herr Urbatsch übrig. –

Bitte, Herr Urbatsch!

Marc Urbatsch (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Ich hätte folgende Fragen an

Herrn Prof. Giemulla: Sie sprechen davon, dass es bei dem Masterplan eine Planfeststellung

braucht. Das steht im Gegensatz zu dem, was die FBB momentan plant. Wenn ich sie richtig

verstanden habe, wird mit einer Planergänzung geplant. Könnten Sie freundlicherweise mal

ausführen, wenn die FBB bei ihrer Planung bleiben würde, ob das beklagbar ist, von wem und

mit welchen zeitlichen Risiken für die Umsetzung dieses Masterplans. Was würde das bedeu-

ten? Sie haben die Frage der Planfeststellung mit den wachsenden Passagierzahlen verknüpft.

Könnten Sie eine Größe geben? Ist das bei der Größenordnung, wenn man den Masterplan

angeht, oder könnte das auch für wesentlich kleinere Terminals gelten, schon bei sechs Milli-

onen Passagieren zum Beispiel, dass da eine Planfeststellung notwendig wäre? Oder wie wür-

den Sie im Endeffekt die Abgrenzung vornehmen?

Ich habe eine kurze Frage an Herrn Dr. Paetow: Sie haben den Begriff „schwerstbetroffen“

eingeführt. Könnten Sie den freundlicherweise in dem Kontext einmal definieren?

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Vielleicht die Frage an alle drei Gutachter: Sie haben alle gesagt, dass die Kapazitätsunterde-

ckung festzustellen, eine juristisch eine sehr schwierige Fragestellung ist. Wie würde das in

dem Fall funktionieren? Laienhaft würde ich sagen: Kommt dann 2020, gäbe es mutmaßlich

von der Initiative eine einstweilige Verfügung auf das Offenhalten von Tegel, gäbe es dann

einen juristischen Akt, der das feststellen würde, oder wie hat man sich so ein Verfahren vor-

zustellen? Oder ist das juristisch gar nicht leistbar und man müsste im Endeffekt mit dem ge-

hen, was die Flughafengesellschaft annimmt? Dazu würde mich Ihre Meinung interessieren. –

Vielen Dank!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Das war auch kurz und knapp. Besten Dank dafür! –

Dann kommen wir jetzt zur Antwortrunde – die zweite Hälfte machen wir im zweiten Durch-

gang –, jetzt wieder von hinten beginnend mit Herrn Prof. Ziekow. – Bitte sehr!

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Vielen

Dank! Ich werde zunächst die Frage, die sowohl Herr Evers als auch Herr Zillich gestellt ha-

ben, noch mal rhetorisch beantworten, weil ich es schon in meinem Gutachten beantwortet

habe. Für mich gibt es derzeit keine objektiven Gründe, die es ausschließen – wohlgemerkt:

ausschließen –, dass Tegel weiterbetrieben werden kann. Ob man, wenn man die gesamten

Verfahrensschritte durchlaufen hat, dazu kommt, dass Tegel doch nicht weiterbetrieben wer-

den kann – das ist so. Dafür gibt es Abwägungsverfahren. Das ist ganz klar. Ich sagte schon

mal: Wenn man drei Gutachten beauftragt, dann hat es vielleicht die Gründe, dass die Rechts-

lage eben nicht so eindeutig ist. Diese Gründe gibt es für mich nicht. Ansonsten würde ich

mich gern auf das Feuerwerk, das Sie, Herr Zillich, gezündet haben, konzentrieren.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Herr Zillich hätte es gern. Herr Efler war das.

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Ich bitte

um Nachsicht. Da habe ich offenbar die falschen Namen übereinander geschrieben. – Noch

mal zur Tempelhof-Entscheidung: Ich bleibe dabei. Nur, um die Konstellation noch mal deut-

lich zu machen: Es ging um die Frage: Darf der Senat vorher sagen, er folgt hinterher dem

Volksentscheid nicht und braucht das auch nicht? – Hinterher haben die Initiatoren des

Volksbegehrens das nicht Zustandekommen des Volksentscheides angefochten mit der Be-

gründung, es sei nicht auszuschließen, dass diese Feststellung des Senats dazu geführt habe,

dass der Volksentscheid keinen Erfolg hatte. Dann hat der Gerichtshof gesagt, ohne dass es

irgendwie für die Entscheidung darauf ankommt – er hat sich auch noch auf ganz viele andere

Gründe gestützt –: Nein, das durfte der Senat sagen, denn der Volksentscheid ist in der Tat

nicht verbindlich über politische Gegenstände der Willensbildung. Das ist eine völlig andere

Konstellation, das muss man wirklich ehrlich sagen, als hier, wo der Volksentscheid verbind-

lich war. Dass der Senat vorher sagen darf, darüber würde ich überhaupt nicht streiten: Das

sehe ich anders. Ich habe auch keine Lust, dem zu folgen. Es gibt gute Gründe, weshalb ich

das ganze Begehren ganz anders sehe. – Das ist völlig richtig, das gehört zum politischen

Diskurs. Ich würde gar keinen Zweifel daran haben. Wir haben aber hier eine andere Diskus-

sion. Ich will auch darauf hinweisen: Dass ich das aus der Hamburger Regelung abgeleitet

habe: Nein, das wäre ein juristisches Puzzlespiel, das habe ich nicht gemacht. Ich habe es ab-

geleitet aus einer Analyse von den Wirkungen von verfassungsrechtlichen Regelungen und

das in Beziehung gesetzt, das war ein kleiner Exkurs, und darauf hingewiesen, dass es ansons-

ten in der Landschaft eine ganze Reihe von Regelungen gibt, bei denen Entscheide der Be-

völkerung verbindlich sind, und zwar auch nicht ohne Weiteres änderbar. Die Berliner Bezir-

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ke, bei allem Respekt vor den Berliner Bezirken – ich bin auch in einem aufgewachsen –, sind

keine Selbstverwaltungskörperschaften. Da gilt wirklich etwas völlig anderes als für Gemein-

den, auch für das Verhältnis Rat und Verwaltungsspitze. Dass hier etwas anderes gilt, hat

auch etwas mit dem Verhältnis Spitze – Bezirke zu tun. Das ist insoweit eine andere Konstel-

lation. Darum glaube ich, ist das Gegenbeispiel nicht gut. Ich will damit nur sagen: Sie haben

recht. Es gibt diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Sie haben ebenfalls recht: Es

gibt diese Entscheidung von 2005, glaube ich, des Hamburger Verfassungsgerichts. Das sind

in der Tat vollkommen singuläre Entscheidungen. Darauf will ich auch hinweisen. Die sind

ziemlich alt. Ein Kollege, der noch im Amt ist, hat neulich bei dem Verkehrsrechtstag gesagt,

die Halbwertszeit von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts liegt nach seiner

Schätzung bei fünf Jahren, denn dann ist der Senat anders zusammengesetzt, und dann könne

man die gleiche Sache ruhig noch mal versuchen. – [Zuruf: Zehn Jahre mindestens!] – Aber

die haben wir in beiden Fällen auch schon überschritten, sowohl beim Verfassungsgerichtshof

Berlin als auch in Hamburg.

Ich will nur darauf hinweisen: Das sind alles Entscheidungen, die in einer Zeit getroffen wor-

den sind, wo wir weit weg von der Partizipationsdebatte waren, die wir nach Stuttgart 21 ge-

führt haben. Ob man die gleichen Fragen heute noch mal so beurteilen kann, weiß man nicht.

Ich würde meinen, es wäre nichts aussichtslos, das überprüfen zu lassen, aber das ist, ich sag-

te es vorhin schon: zwei Juristen, drei Meinungen. Das ist so.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Prof. Ziekow! – Als Nächstes – Herr

Dr. Paetow, bitte schön!

Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.): Zu Herrn

Stroedter – Steuerung des Flugverkehrs zwischen den beiden in rechtlicher Hinsicht. Herr

Giemulla kann das besser beantworten als ich. Ich sehe im Moment eigentlich nur die Mög-

lichkeit über Gebühren, aber auch das ist wahrscheinlich eher Theorie als Praxis. Also, das

wird man sehen. Dass viele Fluggesellschaften gern weiter von Tegel fliegen würden, da

würde ich Ihnen zustimmen, kann das auch nachvollziehen.

Da bin ich schon beim zweiten Punkt, ob es ein Argument sei, die Bequemlichkeit – so haben

Sie es genannt –, dass man in 15 oder 20 Minuten – – Ich bin auch davon betroffen. Für mich

ist es nach Schönefeld auch weiter. Aber ich glaube, dass dieses Argument, so menschlich

verständlich es ist, ein Westberliner Argument ist für Menschen, die in bestimmten Bezirken

wohnen, aber es ist letztlich ein Scheinargument. Es gibt Abschätzungen, dass es ungefähr,

grob gesehen, wenn Sie Berlin und Brandenburg als Einzugsgebiet für diesen Flughafen neh-

men, die eine Hälfte näher zu Tegel hat, und die andere Hälfte hat es näher zu Schönefeld

bzw. BER; sehr grob gesehen, es mag auch 40:60 sein. Aber ich glaube, dieses Argument, so

verständlich es ist, wäre kein rechtliches Argument.

Die zeitliche Dimension durch Klagen: Es kann alles, was hier an möglichen Maßnahmen in

Betracht zu ziehen ist, beklagt werden, allerdings mit unterschiedlichen Wirkungen, was die

aufschiebende Wirkung angeht. Als Erstes wären wohl, wenn es so kommt mit der Änderung

des Landesentwicklungsplans, Normenkontrollklagen gegen diesen geänderten Landesent-

wicklungsplan, die, ich nehme mal an, Umweltverbände sicherlich erheben werden, jedenfalls

nach deren bisherige Äußerungen. Diese Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Das

heißt, der geänderte Landesentwicklungsplan könnte weiter betrieben werden, seine Wirkun-

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gen entfalten mit den Verwaltungsverfahren Aufhebung der Schließungsverfügung u. Ä. Al-

lerdings gibt es auch die Möglichkeit, und die würde wahrscheinlich genutzt werden, beim

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das dafür zuständig wäre, einstweiligen Rechts-

schutz zu beantragen und diese Wirkungen des geänderten Landesentwicklungsplanes einst-

weilen auszusetzen bis in der Hauptsache entschieden ist. Das sind alles Verfahren, die sicher

ein Jahr, anderthalb Jahre dauern würden, denke ich. Bleiben wir mal bei einem Jahr, das wä-

re wahrscheinlich relativ optimistisch. Wenn es dann weitergehen sollte, nämlich die Aufhe-

bung der Schließungsverfügung von 2004 und 2006: Das sind Verwaltungsakte, die auch an-

gefochten werden können, und zwar auch von den betroffenen Anwohnern. Da hätten Klagen

aufschiebende Wirkung, die könnten also nicht vollzogen werden. Natürlich gibt es auch da

wieder rechtliche Instrumente, um diese aufschiebende Wirkung zu beseitigen, aber all das

dauert relativ lange. Das muss man einfach sehen, und es ist immer ein Risiko, ehe etwas

rechtskräftig entschieden ist, damit zu beginnen. Es gibt auch noch eine zweite Instanz durch

das Bundesverwaltungsgericht. Wenn es denn, was keiner wünschen kann, zu einer solchen

Klageorgie käme, dann nimmt das erhebliche Zeit in Anspruch. Das muss man ganz klar sa-

gen.

Zu Herrn Evers – Lärmschutz: Ich verstehe das Gesetz so – es gibt ja auch ein bisschen Streit,

ob das nicht schon jetzt 2017 war, darauf spielen Sie vielleicht an, darüber kann man viel-

leicht streiten, aber ich denke, es spricht mehr dafür, dass die Lex Tegel, diese Privilegierung

des Flughafens Tegel, am 31. Dezember 2019 ausläuft. Das heißt, am 1. Januar 2020 müssten

die Lärmschutzbereiche festgesetzt sein. Wenn das nicht der Fall wäre, wenn das nicht zu

schaffen ist – ich kann überhaupt nicht beurteilen, wie weit die Arbeiten da gediehen sind –,

dann könnte eine ungemütliche Situation eintreten. Dann könnte man möglicherweise mit

Klagen von Tegelanwohnern rechnen, nicht auf Einstellung des Flugbetriebs, aber auf Redu-

zierung des Flugbetriebs, weil der Lärmschutz noch nicht entsprechend der neuen Regelungen

garantiert ist. Aber das ist ein bisschen Spekulation, ob es so weit käme. Jemand anderes hatte

gefragt, welche Betroffenen zuerst Anträge stellen könnten. Das sind die der Lärmschutzzo-

ne 1. Für die entstehen sofort Ansprüche, die aber geltend gemacht werden müssen. Man

muss deutlich sagen: Im Fluglärmschutzgesetz und in den Verordnungen dazu geht es nicht

darum, dass sofort Fenster eingebaut oder Wände gedämmt werden müssen, sondern es geht

nur um die Erstattung von Maßnahmen, die die Eigentümer selbst vornehmen. Die Kosten

hierfür können in bestimmtem Umfang erstatten erstattet werden, wobei bei normalen Wohn-

häusern üblicherweise die Dinge pauschal abgegolten werden.

Herr Evers! Ich glaube, Sie hatten auch um eine Bestätigung gebeten – ich kann nur für mich

sprechen –, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass entsprechend dem Votum der Berliner Be-

völkerung Tegel offen bleiben kann. Das kann ich bestätigen. Ich habe auch ein Szenario dar-

gelegt, dass bei dauerhaften, nicht überwindbaren Kapazitätsengpässen ich es mir gut vorstel-

len kann, dass die Landesplanung entsprechend geändert wird, wenn nicht andere Alternati-

ven zu Tegel da sind, und die sind wahrscheinlich nicht da, und Tegel dann offen bleiben

kann. Das sehe ich auch so.

Die zeitliche Dimension bei Klagen hatten Sie schon angesprochen. Das hatte ich, glaube ich,

eben schon ungefähr dargelegt, oder hatten Sie noch eine konkrete Frage?

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Bitte keine Zwiegespräche. Ich hatte auch den Eindruck,

dass die Frage schon beantwortet war.

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18. Wahlperiode

Seite 43 Wortprotokoll Haupt 18/34

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Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.): Dann wurde

von dem Abgeordneten der Grünen – den Namen weiß ich im Moment nicht – gefragt, wie es

denn mit den Planergänzungen für BER und den Klagen sei, wenn Erweiterungen stattfinden,

wie der Masterplan das vorsieht. Das ist sicher so. Herr Giemulla hat sicher recht, dass man

das mit einer Plangenehmigung wohl nicht machen kann, sondern man muss Ergänzungsplan-

feststellungsbeschlüsse machen, und die sind selbstverständlich im Rahmen ihres Regelungs-

gehaltes klagefähig. In dem Fall wäre wohl das Bundesverwaltungsgericht zuständig, wenn es

um Schönefeld geht. Wir haben so ein Verfahren, das beim Bundesverwaltungsgericht anhän-

gig ist. Ich kenne nicht die Einzelheiten, aber soweit ich weiß, geht es darum, dass im Hin-

blick auf die Weiternutzung der Anlagen des alten Schönefelder Flughafens eine Planergän-

zung ergangen ist, und diese Planergänzung ist jetzt von Anwohnern aus Blankenfelde, glaube

ich, beklagt worden, unter anderem wohl mit der Begründung: Da hättet ihr nicht nur einen

normalen Planergänzungsbeschluss machen müssen, sondern ihr hättet auch eine Umweltver-

träglichkeitsprüfung machen müssen. – Solche Klagen kann es und wird es in Zukunft geben,

das ist ganz sicher, gegen solche Erweiterungen. Daran habe ich gar keinen Zweifel. – Ich

glaube, ich habe jetzt im Wesentlichen die Fragen beantwortet.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Herzlichen Dank auch an Sie! – Als Nächstes – Herr

Prof. Giemulla, bitte sehr!

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Zu den Fragen von Herrn

Stroedter: Die juristisch formulierte Antwort heißt: Zur Vermeidung von Wiederholungen

verweise ich auf meine Antwort in der ersten Runde.

Kapazitäten: Ich weiß nicht, welche Kapazitäten sich entwickeln werden. Ich kann nur wie

jeder normale Beobachter aus den Steigerungszahlen der letzten 30 Jahre im Luftverkehr auf

die voraussehbare Zukunft schlussfolgern. Nun mögen Sie sagen: Ja gut, was der Giemulla

schätzt, ist völlig egal – da haben Sie recht –, sondern was sind denn verbindlichere Einschät-

zungen? Da scheint es wohl allgemeine Meinung zu sein, jedenfalls wird es nicht ernsthafter-

weise bestritten, dass der Luftverkehr weiterhin steigen wird, und ob das, wie gesagt,

4 Prozent oder 5 Prozent sein werden, weiß natürlich kein Mensch. Aber ich kann nur noch

mal darauf verweisen, dass offensichtlich auch die FBB verantwortlicherweise des Themas in

der Masterplanung 2040 angenommen hat. Darauf würde ich dann eher verweisen.

Zu der Halbwertszeit von Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen haben wir gerade schon

etwas gehört, weil dann der Senat wechselt, die Mitglieder des Senats langsam in Pension

gehen, durch neue ersetzt werden. Das ist in der Politik auch nichts Unübliches. Erstens das.

Zweitens, Dinge können sich bekanntermaßen verändern gegenüber den Entscheidungen und

dem Zeitpunkt im Umfeld der Entscheidungen, wie sie in irgendeiner Vergangenheit getrof-

fen worden sind. Dass die Regierung beschlossen hat, vom BER abzufliegen, mag damals ins

Szenario gepasst haben oder es hat sicherlich reingepasst, aber die Dinge haben sich nun mal

in genau der Weise verändert, wie wir sie heute diskutieren, und ich kann mir nicht vorstellen,

dass diese Entscheidungen rechtlich gesehen nicht aufgehoben werden können. Ob das ge-

schieht, kann ich wiederum nicht beurteilen. Es können solche Entscheidungen verändert

werden, es können Gesetze verändert werden. Es können sogar die Verfassungen geändert

werden, also warum auch nicht ein Entschluss der Regierung?

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Die Verkehrsverteilungsfrage ist in der Tat ein sehr sensibles Thema. Dazu habe ich gerade

auch schon kurz Stellung genommen. Ich habe es auch gesagt: Wenn man Tegel als gleichbe-

rechtigten Verkehrsflughafen neben dem BER offen lässt, hat man tatsächlich ein Problem

der Verteilung, weil der Run auf Tegel wahrscheinlich höher ist als umgekehrt auf den BER.

Da wird man sich mal hinsetzen und das Ganze mal analysieren müssen in der Weise, dass

man durch sonstige ermutigende Maßnahmen die Fluggesellschaften eher an den BER bringt.

Das kann in der Gebührenstruktur – –

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Ich muss ganz kurz unterbrechen. Es werden dort hinten

wieder Fotos gemacht. Können Sie kurz sagen, für wen Sie da sind, und für wen Sie Fotos

machen? – [Zuruf] – Für wen sind Sie da, weil hier normalerweise vorher eine Genehmigung

eingeholt wird? – [Zuruf] – Für die AfD-Fraktion. Bei allem Verständnis, das ist jetzt ein

bisschen schwierig. Das hatten wir auch x-mal als Thema. Ich bitte Sie herzlich: Die Fotos,

die Sie gemacht haben, können Sie gern für sich behalten, aber nicht in irgendeiner Art und

Weise veröffentlichen. Ich bitte, weitere Fotos nicht zu machen, ohne dass der Ausschuss

zustimmt. Für Medien machen wir das gern. Aber dass jetzt Fraktionen oder Parteien anfan-

gen, ohne Voransprache Bilder zu machen, finde ich schwierig. Wenn das von einer Fraktion

anders gesehen wird, können wir das gern in der Sprecherrunde noch mal besprechen. – Ver-

zeihung, dass ich Sie unterbrochen habe! Herr Giemulla! Sie haben das Wort.

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Verkehrsverteilung: Es gibt

Möglichkeiten, wie man das steuern kann. Die muss man sich im Einzelnen überlegen. Ich

habe vorhin schon Ideen geäußert. Ich will nicht sagen, dass das so sein soll oder kommen

muss, aber für meine Begriffe muss man sich Methoden überlegen, wie man die Kapazitäten

des BER maximal ausnutzen kann. Das heißt, wie ich vorhin gesagt habe, umgangssprachlich

der störende Verkehr sollte ferngehalten werden. Das kann man mit Gebührenstaffelung ma-

chen, das kann man dadurch machen, dass man Gewichtsunterscheidungen macht. Das kann

man auch damit machen, dass man bestimmte Betriebsarten unterscheidet: allgemeine Luft-

fahrt, Notfallverkehre, Regierungsflughafen usw. Da wird man sich sicherlich eine Verkehrs-

verteilung nicht in dem Sinne der gleichberechtigten Verkehre, die einen hier, die anderen da,

sondern unterschiedliche Verkehre auf die beiden Flughäfen, vornehmen. Das ist kein leichtes

Brett, keine leichte Aufgabe, aber ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass nichts von

dem, was wir hier alternativ als Rettungsmaßnahmen erörtern, überhaupt leicht ist. Dann

bräuchte man uns hier nicht.

Zu den Lärmschutzbereichen: Das hat Herr Paetow ausgeführt. Meine Meinung ist, so lese ich

das Fluglärmschutzgesetz, das diesen Fall gar nicht vorgesehen hat, das im Jahr 2007 ergan-

gen ist. Darin steht, dass die Lärmschutzbereiche innerhalb von zwei Jahren festzulegen sind

– das wäre aus der damaligen Sicht 2009 gewesen – und dass es eine Ausnahme gibt. Tegel

steht zwar nicht drin, aber Flughäfen, die innerhalb von zehn Jahren außer Betrieb genommen

werden sollen. Wir haben alle geglaubt, dass das der Fall sein würde. Die Wirklichkeit hat uns

eines anderen belehrt. Als dann die Entscheidung verkündet worden ist, dass BER nicht in-

nerhalb dieser Frist eröffnet werden kann, war damit klar, dass der Flughafen Tegel nicht in-

nerhalb von zehn Jahren geschlossen werden soll. Das ist die Formulierung, die im Fluglärm-

gesetz steht. Das heißt, Ende letzten Jahres war das, dass das verkündet worden ist, und dann

beginnt die Uhr für meine Begriffe zu ticken, diese Zweijahresuhr, dass nämlich innerhalb

von zwei Jahren seitdem die Lärmschutzbereiche festgelegt sein müssen. Das bedeutet, dass

man mit dem Verfahren langsam beginnen sollte. Ende 2019, sprich: BER ist immer noch

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nicht am Netz – tritt dann diese rechtliche Tatsache ein, zunächst, da hat Herr Paetow völlig

recht, für einen relativ begrenzten Kreis von Leuten. Die Schutzzone 1 unterscheidet nach

Dezibel nach Schutzzone 2. 65 Dezibel ist die Grenze. Ich habe mal ein bisschen im Internet

geguckt. Ich glaube, auf der Senatsseite war es, wo ich gefunden habe, dass nur

65 000 Anwohner von der Schutzzone 1 betroffen sein würden. Das kam mir sehr niedrig vor.

Auch da würde ich anregen, dass man da noch mal genauer hinguckt. Das wird man sicherlich

auch tun, wenn ich unterstelle, dass man gerade dabei ist, diese Verordnungen vorzubereiten,

die die Schutzzonen definieren.

Kann man die Planergänzung beklagen? – Ja, die Frage ist von Herrn Paetow schon beant-

wortet worden.

Eine Zusatzfrage, die ich beantworten könnte, ist, ab wann denn ein Planfeststellungsverfah-

ren nötig ist und wann man noch mit Planergänzungen arbeiten kann: Ich meine, man kann

mit Planergänzungen im wörtlichen Sinne nur dann arbeiten, wenn ein bestehender Plan er-

gänzt werden soll, und hier soll ja etwas völlig Neues durch den Masterplan geschaffen wer-

den, praktisch mehr als das, was im Moment vorgesehen ist. Bei einer Erhöhung von

22 Millionen auf 55 Millionen Passagiere, ist nicht ernsthafterweise von Ergänzung zu reden.

– Das ist ein Punkt.

Dann die kleinen Sarottischeibchen, vielleicht besser die vier Phasen, die dort beschrieben

worden sind: Das ist vielleicht noch mit der Planergänzung, mit der Plangenehmigung zu ret-

ten. Wenn ich mal auf die Phase null gucke, die uns alle am meisten interessierende Phase,

weil sie auch zeitlich am nächsten dran liegt: Da gibt es zwei Maßnahmen, die ich hier sehe,

einmal die betriebliche Optimierung und Erweiterung der Gepäcksortierung – das soll dann

5 Millionen Passagiere mehr produzieren – und zweitens Neubau Terminal 2. Da könnte man

jetzt Folgendes sagen: Die Gepäcksortiererei und die betriebliche Optimierung, das muss

nicht unbedingt, wenn man es isoliert sieht, mit einer Planfeststellung gemacht werden. Ich

erinnere mich an die traditionelle Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts, damals noch

4. Senat, Schlichter, die gesagt haben: Eine Planfeststellung ist dann nötig, wenn der Flugha-

fen sein Gesicht verändert. Wenn es um betriebliche Verbesserungen geht, dann verändert er

nichts im Aussehen. Das ist natürlich völlig anders, wenn ein Terminal gebaut werden soll.

Das ändert dann schon das Gesicht des Flughafens, und ich denke, da ist es außerhalb jeder

Betrachtung, dass das mit einer Planfeststellung gemacht werden muss. Es hat also nicht un-

mittelbar damit zu tun, wie viele Passagiere da jetzt zusätzlich abgefertigt werden können,

sondern durch welche Mittel das erreicht werden soll.

Letzte Bemerkung: Ich schließe mich den Kollegen an. Ich halte einen Weiterbetrieb von

Tegel nicht für ausgeschlossen.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank auch an Sie! – Wir kommen jetzt in die

letzte Runde der zweiten Fragerunde. Ich habe für die AfD-Fraktion Frau Dr. Brinker und

Herrn Hansel auf der Liste. Wer möchte als Erstes? – Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Brinker!

Dr. Kristin Brinker (AfD): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Vielen Dank für das Votum

der drei Rechtsexperten, dass die Offenhaltung Tegels auch aus juristischer Sicht nicht grund-

sätzlich ausgeschlossen werden kann.

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Herr Ziekow! Vielen Dank für Ihre Einschätzung, dass im Prinzip eine Folgenabschätzung

ganz viele Wägbarkeiten und Bausteine abklopfen muss, um zu einem vernünftigen Ergebnis

zu kommen. Das war auch immer unser Anliegen, und wir haben das ganz explizit beim Senat

versucht zu erfragen. Ich sage bewusst, versucht zu erfragen, denn wir hängen da immer ir-

gendwo und versuchen auch weiter nachzuhaken, wie sich das zum Beispiel auch auf die

steuerliche Situation auswirkt.

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Jetzt haben wir Steuereinnahmen durch den Flughafenbetrieb in Tegel und von den Anrai-

nern, die Zulieferer sind usw. Wenn Tegel geschlossen wird und dort tatsächlich die Urban

Tech Republic entwickelt wird, hat das auch Konsequenzen. Dazu fehlt uns nach wie vor vom

Senat eine Folgenabschätzung. Die ist nicht geliefert worden.

Zu Herrn Gaebler: Sie haben vorhin in der ersten Runde gesagt, dass der Senat alles unter-

nimmt, um die Sachverhalte zu klären. Da muss ich sagen: Dem ist leider nicht so. Ich bezie-

he mich da ganz klar auf die rote Nr. 0324 B, die Bestandteil dieses Tagesordnungspunktes 1

ist. Dort geht es wieder einmal um die Prognose der Wirtschaftlichkeit der Offenhaltung von

Tegel und darum, was das für die Rentabilität von Tegel bedeutet. Auch dort ist nicht deutlich

vom Senat erklärt worden, welche Konsequenzen das hat. Ich berufe mich da auch wieder

– inzwischen ist das mein Lieblingsthema – auf das PwC-Gutachten vom Juli 2017, das in der

Flughafengesellschaft hängengeblieben und nicht endabgenommen worden ist. Es hat aber

– glaubt man der Berichterstattung – festgestellt, dass Tegel rentabel ist. Es ist sehr viel Geld

für dieses Gutachten ausgegeben worden. Wir haben den Senat mehrfach darauf hingewiesen,

dass man sich darüber Gedanken machen sollte, was da drinsteht. Leider wurde das vom Auf-

sichtsrat immer nur zur Kenntnis genommen, aber er sah sich nicht in der Lage nachzuhaken,

was in dem Gutachten wirklich drinsteht. Insofern bitte ich den Senat – insbesondere Frau

Dr. Sudhof, die sich mit dem Sachverhalt besser auskennt als Herr Gaebler – noch einmal

darum, seiner Pflicht als Aufsichtsrat nachzukommen und sich mit allen Wägbarkeiten ver-

traut zu machen. Das ist ein großes Thema, das wir nach wie vor haben.

Nach wie vor ist keine Simulation des Senats zum Doppelbetrieb vorhanden. Das ist das Ent-

scheidende. Wenn ich weiß, dass Tegel aus juristischer Sicht offen gehalten werden kann,

dann ist der Senat in der Pflicht, aus verschiedenen Aspekten eine Simulation zum Doppelbe-

trieb aufzulegen, damit wir als Abgeordnete entscheiden können, was sinnvoll ist und was

nicht. Auch die Flughafengesellschaft muss das für sich wissen. Insofern ganz dringend der

Appell an den Senat, hier aktiv zu werden und die Option der Offenhaltung Tegels nicht

komplett auszuschließen, weil ihm das politisch nicht passt, sondern offen und transparent

dabei zu sein und entsprechende Grundlagen zu liefern.

Ich habe noch eine Minute aus der ersten Runde, die ich an Herrn Hansel weitergebe.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Bitte schön, Herr Hansel!

Frank-Christian Hansel (AfD): Viele Dank, Frau Kollegin! Ich will hier anschließen: Die

Simulation eines Doppelbetriebs hat die AfD bereits im Abgeordnetenhaus beantragt. Das

sollten wir in den Ausschüssen behandeln.

Aus unserer Sicht ergibt sich aus der Anhörung relativ klar, dass es ein einfaches „Weiter so“

und eine einfache Ablehnung nicht geben wird.

Zur Frage der Kapazität schauen wir uns mal nicht die Zukunft, sondern den jetzigen Zustand

an: Gäbe es diese künstliche Verknappung aufgrund der Pannen, die es gegeben hat, nicht,

wären wir wahrscheinlich heute bei 40 oder 45 Millionen. Das muss man ganz klar sehen.

Also sind alle Argumente, die mit der Zukunft zu tun haben, zu relativieren. Das sagt übrigens

auch das Ryanair-Gutachten. Da muss man mal in die Geschichte gucken: Das ist eine künst-

liche Angebotsverknappung, die dazu geführt hat. Es gibt ja auch Kollegen aus den Koaliti-

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onsparteien, die diese Angebotsknappheit weiterhin durchsetzen wollen, damit es noch weni-

ger Flugverkehr gibt. – Aber keine Polemik! – Wenn der BER so kommt, lautet die Aufforde-

rung an die Koalition – sowie operativ als auch demokratietheoretisch –: Halten Sie sich den

Prozess offen! Machen Sie mit uns den Sonderausschuss für ein Flughafensystem, das wir

brauchen werden, und schauen Sie sich noch einmal unseren Antrag zur Landesentwicklungs-

planung an! Das ist der erste Schritt, um dieses Verfahren so zu machen, dass auch der Senat

und die Koalition aus ihrer sturen Haltung herauskommen.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank an die AfD für die zeitliche Punktlandung!

– Wir kommen zur FDP. – Bitte schön, Herr Czaja!

Sebastian Czaja (FDP): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Ich muss leider dabei bleiben,

Herr Gaebler und Herr Stroedter: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Sie haben immer noch

nicht die notwendige Demut gegenüber dem Souverän in der Stadt. Die vermisse ich nach wie

vor. Und wenn sich Herr Stroedter dann hinstellt und sagt, er müsse Vorwürfe und Anschul-

digungen zurückweisen, dann kann ich ihn nur auf sein eigenes Zitat vom 26. April 2018 in

der „BZ“ hinweisen, wo er Folgendes zur heutigen Anhörung gesagt hat:

Es geht dabei um einen Austausch der Argumente. Ich glaube aber nicht, dass es an

den Positionen etwas ändern wird. Ich will Tegel schließen.

– Nur zur Frage, wie wer hier auftritt, Herr Kollege.

Ich darf noch einmal den Versuch unternehmen, den Senat, wenn er nunmehr ernsthaft, insbe-

sondere nach dreimaligem Bejahen der rechtlichen Möglichkeit zur Offenhaltung von Tegel,

zumindest nach der heutigen Anhörung eine Kurskorrektur vornehmen möchte, bitten, die

Frage der Folgekosten noch einmal neu zu bewerten und insbesondere diesem Ausschuss eine

solide Folgekostenabschätzung vorzulegen. Zweitens bitte ich den Senat, für größtmögliche

Klarheit und Transparenz zu sorgen, dass auch alle Kolleginnen und Kollegen, die hier in

diesem Haus Akteneinsicht bei den Senatsverwaltungen zu den Vorgänge Masterplan BER,

PwC-Prognosen etc. beantragt haben, diese Einsicht bekommen. Drittens bitte ich Sie, und da

will ich gerne mitmachen, zur Kenntnis zu nehmen, dass für die Zukunft der Stadt, für die

Metropolregion eine Notwendigkeit der Offenhaltung von Tegel besteht. Bei der objektiven,

nicht politischen, nicht ideologischen Betrachtung des Sachstandes ist nach den heutigen Aus-

führungen eins klar: Der Weiterbetrieb von Tegel ist alternativlos. – [Zurufe] – Ich habe ja

gesagt, bei einer objektiven, nicht politischen und nicht ideologischen Betrachtung ist das so.

– In diesem Sinne leite ich gerne an Herrn Swyter über.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank! – Der Kollege Swyter hat noch anderthalb

Minuten. – Bitte sehr!

Florian Swyter (FDP): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – In der Tat hat das dreimalige Ja

die häufig behauptete Aussage, der Weiterbetrieb von Tegel sei rechtlich unmöglich,

schlichtweg widerlegt. Wir haben dreimal Ja gehört. Das ist beeindruckend, und zwar nicht

nur um seine Position zu bekräftigen und Wahlkampf zu machen, sondern auch um neue Er-

kenntnisse zu erlangen. Das sollten Sie beherzigen, denn dann ist klar, was geboten ist. Ich

gebe allen Vorrednern recht, die sagen: Dann ist es geboten, den Volksentscheid umzusetzen.

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Wir haben jetzt herausgearbeitet, dass wir gewissenmaßen zwei Alternativen haben. Eigent-

lich haben wir nur eine Alternative, nämlich den Weiterbetrieb von Tegel aufgrund des

Volksentscheids, aber der Masterplan wird dagegengestellt. Der hat für mich aber bisher nur

das Stadium von bunten Folien. Zum Masterplan würde mich noch einmal von Herrn Paetrow

und Herrn Ziekow interessieren: Wenn wir herausgearbeitet haben, dass Planfeststellungsbe-

schlüsse nötig sind, frage ich, mit welchen Verzögerungen man da gegebenenfalls rechnen

müsste. Sind das nicht auch ein bis zwei Jahre? Wir reden jetzt schon von einem Zeitrahmen

bis 2035. Müssten wir da nicht auch mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren, die Sie

für die anderen Klageverfahren in den Raum gestellt haben, rechnen? Dagegen müssten man

halten: Wir haben einen funktionierenden Flughafen, der in Betrieb ist, nämlich Tegel, und

wir haben einen bunten Folienmasterplan, von dem noch nichts realisiert ist. Da müssen wir

auch noch mit Verzögerungen rechnen.

Eine weitere Frage an Sie, Herr Paetow: Sie haben gesagt, Tegel sei nach jetziger Rechtslage

zu schließen, wenn die Kapazität des BER ausreicht. Nun hoffen wir alle auf 2020. Was ist

denn, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist? Was ist, wenn bis 2020 diese Kapazität vom

BER nicht ausreicht? Was ist dann die rechtliche Folge? Was würde dann passieren? – Dann

lassen wir Tegel offen. So hatte ich Sie in der Schlussfolgerung verstanden.

Meine letzte Frage richtet sich an Sie, Herr Paetow und Herr Ziekow: Wenn Sie Senat wären,

hätten Sie Ihrer Ansicht nach – Stand heute – bisher alle Maßnahmen ergriffen, die erforder-

lich sind, um den Weiterbetrieb von Tegel zu sichern? Ober ist das, was wir bisher vom Senat

gesehen haben, unzureichend? Ich hätte mir mindestens einen Entwurf für eine Veränderung

des Landesentwicklungsplans und eine Folgekostenabschätzung – Thema Schallschutz – vor-

gestellt. Reicht das jetzt schon aus? Immerhin haben wir einen verbindlichen Volksentscheid.

– Meine Zeit ist um. Ich danke Ihnen.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Swyter! – Danke auch für die Dis-

kussion und die Fragen insgesamt! Jetzt kommen wir noch zur abschließenden Antwortrunde.

Ich habe Fragen an Herrn Paetow, Herrn Ziekow und Herrn Gaebler identifiziert. Herr

Dr. Giemulla kann noch ein Abschlussstatement abgeben. – Ich bitte Sie zu beginnen, Herr

Ziekow!

Prof. Dr. Jan Ziekow (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung): Schöne

Frage: Hat der Senat schon alles getan? – Das würde voraussetzen, dass man juristisch defi-

nieren könnte, was „alles“ ist. Ich glaube, das dürfte schwierig werden. Beim Lärmschutz

besteht ohnehin eine rechtliche Verpflichtung nach dem Lärmschutzgesetz. Es wurde auch

von Herr Paetow und von Herrn – [unverständlich] – deutlich gemacht, dass die Wege dorthin

durchaus voraussetzungsreich sind. Das hat aber meines Erachtens wenig mit dem Volksent-

scheid zu tun, weil es ohnehin eine rechtliche Verpflichtung ist.

Zum Landesentwicklungsplan und den weiteren Verfahren – ich weiß nicht, ob ich das als

unstreitig bezeichnen würde – besteht eine gewisse Tendenz hier im Raum, sich darauf zu

einigen: Gibt es eine wirklich belastbare Kapazitätsprognose, die methodisch absolut zu-

reichend ist oder nicht? Wenn nicht, dann sollte man sie unbedingt beauftragen, weil daran im

Grunde die ganzen weiteren Fragestellungen hängen. Es würde aus meiner Sicht jetzt nicht

unbedingt etwas entgegenstehen, zumindest einmal ein Szenario zu entwerfen – weil man ja

ohnehin beim LEP HR ist –, wie der Hauptstadtbereich aussehen würde, wenn Tegel offen

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bliebe. Welche Prämissen wären dann an die Landesentwicklungsplanung anzulegen? Ich

denke, das ist etwas, was noch keine Stufe der Verbindlichkeit erreicht, aber es wäre eine

Grundlage, mit der man mit Brandenburg ins Gespräch kommen müsste. Die Frage wäre: Wie

gestaltet sich jetzt nur für diesen kleinen Bereich, wenn man ansonsten an der Landesplanung

festhält, insbesondere die Einwirkung auf die Landesplanung in Brandenburg? – Ich würde

sie offen gestanden für materiell vergleichsweise gering halten. Für den Berliner Raum sollte

man sich darüber Gedanken machen.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Prof. Ziekow! – Als Nächster Herr

Dr. Paetow! – Bitte schön!

Dr. Stefan Paetow (Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht a. D.): Zu Ihrer Fra-

ge: Wie sieht es aus mit etwaigen Verzögerungen, wenn der Masterplan beispielsweise umge-

setzt wird? – Zunächst einmal: Ja, in aller Regel werden das Planfeststellungsbeschlüsse,

Planfeststellungsergänzungsbeschlüsse sein müssen mit allem Drum und Dran. Plangenehmi-

gung wird zumindest nicht bei Ergänzungen gehen, die eine Erhöhung der Flugbewegungen

und damit des Lärms bedeuten. Das ist völlig klar. Das muss eine Planfeststellungsergänzung

sein. Die können in der Tat zu gewissen Verzögerungen führen. Das kann man nicht aus-

schließen. Wobei ich an der Stelle vielleicht sagen sollte, dass man jetzt schon von Gegnern

des BER immer wieder das Argument hört: Der Planfeststellungsbeschluss von 2004 schreibt

eine Obergrenze fest. Es dürfen nicht mehr als 360 000 Flugbewegungen sein. Alles, was dar-

über ist, ist nach jetzigem Recht unzulässig – so das Argument – und müsste mit einem neuen

Planfeststellungsbeschluss auf eine höhere Ebene mit mehr Flugbewegungen gebracht wer-

den. – Das ist nach jetzigem Stand der Rechtsprechung jedenfalls nicht richtig. Es ist aus-

drücklich in dem Urteil zum Planfeststellungsbeschluss für den BER vor 2006 gesagt worden,

dass der Planfeststellungsbeschluss keine Obergrenze enthält, und zwar weder bezüglich der

360 000 noch der 450 000, die da auch eine Rolle spielen. Diese Zahlen sind für die Lärm-

schutzberechnung maßgeblich. Wenn die tatsächlichen Zahlen der Flugbewegungen darüber

hinausgehen, muss eine neue Lärmschutzberechnung erfolgen. Das ist ganz sicher, und man

kann nicht ausschließen, dass solche Planfeststellungsergänzungsbeschlüsse angefochten

werden. Ich bin sogar sicher, dass das geschehen wird.

Zur Frage: Was ist denn eigentlich, wenn die Kapazität des BER bei seiner Eröffnung nicht

ausreicht? – Wenn es so ist, wie ich das schon mehrfach gesagt habe, dass der gesamte Flug-

verkehr nicht vom BER aufgenommen werden könnte oder es so knapp ist, dass nach ein oder

zwei Jahren schon ein Kapazitätsengpass da ist, dann ist das noch keine Schließungsverpflich-

tung. Dann bleibt Tegel offen, und zwar so lange, bis entweder feststeht, der BER wird das

nie erreichen, oder bis man sagt, die Kapazitätsengpässe sind beseitigt.

Zu der Frage: Volksentscheid, und wurde alles getan? – Ich bin anderer Auffassung. Ich mei-

ne ja, dass er zwar rechtliche, auch verfassungsrechtliche Verbindlichkeit hat und sich der

Senat ernsthaft und vertiefend damit auseinandersetzen muss, dass aber keine Handlungs-

pflichten erfolgen, wenn er das tut. Insofern würde ich mich nicht unbedingt dazu äußern wol-

len, ob der Senat schon genug getan hat oder nicht. Man kann vielleicht immer noch mehr

tun, aber das ist – –

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Vorsitzender Fréderic Verrycken: Herzlichen Dank, Herr Paetow! – Wenn Sie mögen,

noch ein kurzes Abschlussstatement von Ihnen, Prof. Dr. Giemulla.

Prof. Dr. Elmar Giemulla (TU Berlin; Professor für Luftrecht): Gerne! – Ich denke, es ist

klar geworden, dass wir drei hier keine Störenfriede, Stänkerer oder sonst was sind, sondern

dass wir uns um das Sorgen machen, was mit der Eröffnung des BER geschieht.

Was ist mit dem Luftverkehr? – Herr Paetow hat gerade gesagt, dann bleibt Tegel offen. Das

ist nicht gerade die Lösung, die sich diejenigen vorstellen, die daran glauben, das würde sich

alles prima von selbst entwickeln, denn wenn Tegel offen bleibt, dann verstößt diese Situation

gegen alles, wovon wir heute gesprochen haben, nämlich in dem Sinn, dass der Landesent-

wicklungsplan dann nicht mehr mit dem übereinstimmt, was tatsächlich geschieht. Das heißt,

mit Sicherheit würden dann die entsprechenden Vorwürfe laut – um es zurückhaltend zu sa-

gen –, dass der Berliner Senat sehenden Auges – wir haben heute dazu beigetragen, dass Sie

bösgläubig geworden sind – die Sache hat schleifen lassen und genau diese Situation provo-

ziert hat. Was das heißt zwischen den beiden Ländern und welche Schadenersatzansprüche

entstehen, lasse ich mal im Raum stehen.

Die zweite Alternative wäre, dass für Tegel die Genehmigung erlischt, weil man möglicher-

weise formal der Auffassung ist, die beiden Landebahnen sind in voller Länge in Betrieb ge-

nommen – ob die den Betrieb aufnehmen können, sei mal dahingestellt. Dann würde in Tegel

kein Flugverkehr mehr abgewickelt. Prima, aber die Frage ist dann, was man mit denjenigen

macht, die nicht mehr anfliegen können. Das ist nicht nur eine Frage der ausgeschöpften Ka-

pazitäten, wie man sich das im Normalbetrieb vorstellt, in dem ein Flughafen die Kapazitäten

irgendwann einmal nicht mehr bedienen kann und Fluggesellschaften abgewiesen werden

müssen. Die müssen sich dann hinten anstellen und Slots, die frei werden, an Newcomer – –

Das sind komplizierte Regelungen. Das ist hier aber nicht die Situation. Diejenigen, die dann

abgewiesen werden, sind nicht in einer normalen Situation herangewachsen, sondern die wur-

den bis dato bedient, und zwar in Tegel oder vom BER. Dann muss man eine Verkehrsvertei-

lungsregelung haben, die es rechtlich gar nicht gibt, und die nicht voraussetzt: Entweder du

kommst auf den einen oder auf den anderen Flughafen, und fühle dich bitte nicht diskrimi-

niert –, sondern die Verkehrsverteilung – in Anführungsstrichen – heißt: Du kommst über-

haupt nicht. – Das ist eine raffinierte Verkehrsverteilung. Da möchte ich mal wissen, wie man

das machen will, ohne jemanden zu diskriminieren. – Bitte nehmen Sie die Warnungen, die

sich aus unseren Schlussfolgerungen ergeben, im eigenen Interesse ernst!

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Prof. Giemulla! – Zum Abschluss Herr

Staatssekretär Gaebler. Es gab noch ein paar Fragen an Sie.

Staatssekretär Christian Gaebler (CdS): Vielen Dank, Herr Vorsitzender! – Meine Damen

und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Anzuhörende! Ich musste gerade darüber nachdenken,

was Herr Giemulla am Schluss gesagt hat, aber ich soll ja nicht auf die Anzuhörenden reagie-

ren, sondern auf die Fragen der Abgeordneten.

Für den Senat gelten Recht und Gesetz. Das heißt, Verfassungsgerichtsentscheidungen sind

bindend. Mir ist jedenfalls keine Halbwertszeit an der Stelle bekannt, sondern die gelten so

lange, bis etwas Neues beschlossen ist. Das mag die Freiheit der Wissenschaft anders sehen,

aber die Verwaltung, die an Recht und Gesetz gebunden ist, hält sich an das, was ein Gericht

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entschieden hat. Da ist ganz klar festgelegt worden, dass das Parlament das Recht hat, durch

Volksentscheid zustande gekommene Gesetze und Beschlüsse zu ändern. Das ist nicht 2005

passiert, sondern im Jahr 2009. Ich will das noch einmal erläutern: Der Beschluss 2009 ist

ergangen, weil gesagt worden ist, ein Volksbegehren ist u. a. deshalb zulässig, weil das Par-

lament wieder Änderungen vornehmen kann, wenn das am Ende, wenn das Gesetz beschlos-

sen wird, zu starke Auswirkungen hat. Insofern hat sich das Gericht hier sehr explizit damit

beschäftigt, ob das Parlament das ändern kann oder nicht, und es hat nicht in einem Nebensatz

etwas dazu gesagt. Deshalb ist es wichtig, sich das noch einmal in Ruhe anzugucken.

Zu den Steuereinnahmen und zur Rentabilität kann Frau Dr. Sudhof noch etwas sagen.

Ich will zum Abschluss nur sagen: Mit dem Wort alternativlos sollte man vorsichtig umgehen.

Wir haben hier das Problem, das theoretisch vieles – auch juristisch – denkbar und möglich

ist, die Praxis das aber nicht immer belegt. – [Sebastian Czaja (FDP): Der politische Wille ist

nicht da!] – Auch der politische Wille ist in der Theorie manchmal sehr stark, aber in der Pra-

xis stößt er an Grenzen, die Recht und Gesetz und auch Gerichtsentscheidungen vorgeben.

Damit müssen wir alle leben. Wichtig ist nur, dass sich die Verfassungsorgane gegenseitig

respektieren und wir entsprechend auch das Verfassungsinstrument Volksentscheid respektie-

ren. Die Bürgerinnen und Bürger müssen dabei aber auch die Rolle des Parlaments und des

Senats respektieren und die Grenzen, die diesen gesetzt sind, wenn sie etwas beschließen,

akzeptieren. Insofern ist das vom Senat nur noch ergänzend zu beantworten. Ich habe hier

keine neuen Erkenntnisse mitgenommen, die den Senat jetzt zu völlig neuen Denkrichtungen

bringen werden.

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank, Herr Staatssekretär! – Bitte sehr, Frau

Staatssekretärin!

Staatssekretärin Dr. Margaretha Sudhof (SenFin): Besten Dank, Herr Vorsitzender! – Sehr

geehrte Abgeordnete! Was die Steuereinnahmen angeht, ist es so: Völlig unabhängig davon,

ob der Flughafen in Tegel betrieben wird oder nicht, werden die Einnahmen der Flughafenge-

sellschaft Berlin-Brandenburg GmbH in Brandenburg versteuert und nicht in Berlin. Das gilt

auch für den Ertrag des Flughafens Tegel. Wenn natürlich dort ein größeres Urban-Tech-

Republic-Gebiet mit Wirtschaft, Wohnen usw. erschlossen wird, macht sich das bei den Steu-

ereinnahmen des Landes Berlin bemerkbar, und zwar in der Einwohnerwertung, in der Ge-

werbesteuer und in allen anderen Steuerarten. Manchmal sind die Wahrheiten doch einfacher,

als es im ersten Moment den Anschein hatte.

Zu den anderen Fragen, die gestellt wurden, kann ich nur sagen: Bisher wurden im Flughafen-

system Berlin keine Verkehre abgewiesen. Von künstlicher Verknappung kann nicht die Rede

sein. Das Flughafensystem leidet ein wenig darunter, dass der Luftkoordinator in Frankfurt

zumindest derzeit Berlin keine Langstreckenverbindungen mehr zubilligt. Das würde die Art

der Verkehre, Herr Prof. Giemulla, sehr stark ändern, weil wir dann nämlich größere Flugge-

räte hätten. Letztlich wird dadurch aber kein Kapazitätsproblem aufgeworfen.

Akteneinsichtsprobleme sind mir bisher nicht bekannt geworden. Es gab aus Ihrem Kreis Ak-

teneinsichtsgesuche bei der Senatsverwaltung für Finanzen. Denen sind wir jeweils umfäng-

lich und kurzfristig nachgekommen.

Page 53: Wortprotokoll zu TOP 1 Öffentliche Sitzung...Prof. Dr. Elmar Giemulla, Professor für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes – herzlich willkommen! –schön, dass Sie da

Abgeordnetenhaus von Berlin

18. Wahlperiode

Seite 53 Wortprotokoll Haupt 18/34

9. Mai 2018

- be -

Vorsitzender Fréderic Verrycken: Besten Dank! – Wir hatten eine engagierte, sehr lange

Diskussion. Aber es war wichtig, noch einmal die unterschiedlichen Positionen auszutau-

schen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. Giemulla, bei Herrn Dr. Paetow

und bei Herrn Prof. Dr. Ziekow. – Schön, dass Sie da gewesen sind! – Das Thema Flughafen

Berlin-Brandenburg setzen wir gleich im nächsten Tagesordnungspunkt fort.

Zunächst schlage ich vor, die Vorlagen – zur Beschlussfassung – unter a und g, Drucksa-

che 18/0968 und 18/0976, bis zum Vorliegen des Wortprotokolls und der Stellungnahmen der

mitberatenden Fachausschüsse zu vertagen. Gibt es gegen dieses Verfahren Widerspruch? –

Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einvernehmlich beschlossen.

Die Berichte unter b, c, e und f haben wir zur Kenntnis genommen, und beim Bericht unter d

müssen wir entscheiden, ob wir der Fristverlängerung bis zum 31. Juli 2018 zustimmen wol-

len. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitions-

fraktionen. Gegenstimmen? Enthaltungen? – Alle anderen enthalten sich. Damit ist auch das

so beschlossen.