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WS 14/15 Porto Medizin Porto bei Nacht Dass ich ein Auslandssemester in mein Studium einbauen wollte, wusste ich schon lange. Das 10. Semester, in dem in Würzburg nur Blockpraktika vorgesehen sind, erschien mir deshalb besonders geeignet, da ich, wie ich aus eini- gen Berichten erfuhr, mir diese problemlos anrechnen lassen kann und zudem bis zu diesem Zeitpunkt alle theoretischen In- halte durchgenommen worden sind, sodass, falls es mit der Sprachen nicht so klappen sollte, ich keine wichtigen Lerninhalte verpassen würde. Ich fing ungefähr ein Jahr vor meinem tatsächlichen Aufenthalt an, mich über die Unis zu in- formieren und durchstöberte die Erasmus Archive nach interessan- ten Berichten. Schließlich fiel meine Wahl auf Porto in Portugal. Ein Land, von dem ich bis dahin noch nicht viel wusste, was es umso spannender machte, sich dafür zu bewerben. Als Sprachvorbereitung machte ich einen einmonatigen Intensiv- Sprachkurs in Lissabon. Anson- sten bietet das Sprachzentrum in Würzburg natürlich Kurse an und auch das Erasmus-Programm selber organisiert Kurse, für die man sich allerdings einige Zeit vorher bewerben muss. Im klinischen Alltag kommt man problemlos unter den Studenten und Ärzten auf englisch zurecht, sobald man mit dem Patienten sprechen möchte, ist natürlich portugiesisch gefragt. Die Sprache ist am Anfang erstmal sehr ungewohnt. Eine Sprache, die man vielleicht nicht direkt im Ohr hat wie spanisch oder franzö- sisch. Allerdings kommt man mit ein bisschen Anstrengung und Fleiß schnell rein, ähnelt sie in ihrem Aufbau doch sehr anderen romanischen Sprachen. In der Fakultät für Sprachen und bei di- versen privaten Anbietern gibt es in Porto selbst natürlich weitere Sprachkurse, die ich sehr empfehlen kann. Porto als zweitgrößte Stadt Portu- gals gilt als einer der schönsten Städte Europas und das nicht um- sonst. Die Stadt besticht mit ihren wunderschönen mit Azulejos dekorierten Fassaden, den engen Gassen und dem tollen Hafenvier- tel direkt am Douro. Dazu haben die Portugiesen tolle Nachtische, viele Fisch-Gerichte, südländische Gelassenheit und eine Menge Gastfreundlichkeit anzubieten. Porto erreicht man am besten mit dem Flugzeug. Dabei bieten sich TAP und Ryanair an. Der Flug- hafen ist direkt durch die U-Bahn mit einer etwa 30-minütigen Fahrt ins Stadtzentrum angeschlossen. Die Wohnungssuche lief bei mir komplett über Facebook-Grup- pen, da gibt es wirklich eine Menge Auswahl und es war kein Problem vorher was zu finden. Ich zog in eine Erasmus-WG. Rein portugiesische WGs sind seltener, da die meisten Portugiesen während des Studiums meist aus finanziellen Gründen zuhause wohnen bleiben. Der komplette Unterricht und die Praktika finden am Hospital Sao Joao statt, das durch die U-Bahn und diverse Busverbindungen gut zu erreichen ist. Es sind ungefähr 20 Minuten vom Stadtzentrum mit der U-Bahn. Ich habe es vorge- zogen im Stadtkern zu wohnen, natürlich gibt es auch um das Krankenhaus herum viele Wohn- gelegenheiten. Portugiesische Studenten Zu den Praktika selber, muss ich leider sagen, dass alle ziemlich enttäuschend waren. Am Ende beschloss ich sogar den letzten Teil wieder in Deutschland zu machen. Innere war ganze zehn Wochen. Wir waren eine Gruppe von vier Studenten und zwei Assistenz- ärzten und hatten im Schnitt drei Patienten. Das heißt es gab ein- fach nichts zu tun. Blutabnahmen machen die Schwestern und das lassen sie sich auch ungern ab- nehmen. Die meisten Zeit saßen wir einfach nur rum und haben drauf gewartet, dass uns jemand eine Aufgabe gibt (teilweise dann zu viert EKG schreiben). Leider wirklich eine Enttäuschung. Mein zweiter Block war Geburtshilfe und Gynäkologie und war deutlich besser organisiert. Ich begleitete eine mir zugeteilte Assistenzärztin und konnte viel sehen und selber tun. Pädiatrie war wiederum eine absolute Katastrophe. Wir waren eine Gruppe von diesmal sechs Studenten und vier Assistenz-

WS 14/15 Porto Medizin umso spannender machte, sich Gassen ... · Joao statt, das durch die U-Bahn und diverse Busverbindungen gut zu erreichen ist. Es sind ungefähr 20 Minuten vom

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WS 14/15 Porto Medizin

Porto bei Nacht

Dass ich ein Auslandssemester in mein Studium einbauen wollte, wusste ich schon lange. Das 10. Semester, in dem in Würzburg nur Blockpraktika vorgesehen sind, erschien mir deshalb besonders geeignet, da ich, wie ich aus eini-gen Berichten erfuhr, mir diese problemlos anrechnen lassen kann und zudem bis zu diesem Zeitpunkt alle theoretischen In-halte durchgenommen worden sind, sodass, falls es mit der Sprachen nicht so klappen sollte, ich keine wichtigen Lerninhalte verpassen würde.

Ich fing ungefähr ein Jahr vor meinem tatsächlichen Aufenthalt an, mich über die Unis zu in-formieren und durchstöberte die Erasmus Archive nach interessan-ten Berichten. Schließlich fiel meine Wahl auf Porto in Portugal. Ein Land, von dem ich bis dahin noch nicht viel wusste, was es

umso spannender machte, sich dafür zu bewerben.

Als Sprachvorbereitung machte ich einen einmonatigen Intensiv-Sprachkurs in Lissabon. Anson-sten bietet das Sprachzentrum in Würzburg natürlich Kurse an und auch das Erasmus-Programm selber organisiert Kurse, für die man sich allerdings einige Zeit vorher bewerben muss. Im klinischen Alltag kommt man problemlos unter den Studenten und Ärzten auf englisch zurecht, sobald man mit dem Patienten sprechen möchte, ist natürlich po r tug ies i sch ge f rag t . D ie Sprache ist am Anfang erstmal sehr ungewohnt. Eine Sprache, die man vielleicht nicht direkt im Ohr hat wie spanisch oder franzö-sisch. Allerdings kommt man mit ein bisschen Anstrengung und Fleiß schnell rein, ähnelt sie in ihrem Aufbau doch sehr anderen romanischen Sprachen. In der Fakultät für Sprachen und bei di-versen privaten Anbietern gibt es in Porto selbst natürlich weitere Sprachkurse , d ie i ch seh r empfehlen kann.

Porto als zweitgrößte Stadt Portu-gals gilt als einer der schönsten Städte Europas und das nicht um-sonst. Die Stadt besticht mit ihren wunderschönen mit Azulejos dekorierten Fassaden, den engen

Gassen und dem tollen Hafenvier-tel direkt am Douro. Dazu haben die Portugiesen tolle Nachtische, viele Fisch-Gerichte, südländische Gelassenheit und eine Menge Gastfreundlichkeit anzubieten.

Porto erreicht man am besten mit dem Flugzeug. Dabei bieten sich TAP und Ryanair an. Der Flug-hafen ist direkt durch die U-Bahn mit einer etwa 30-minütigen Fahrt ins Stadtzentrum angeschlossen. Die Wohnungssuche lief bei mir komplett über Facebook-Grup-pen, da gibt es wirklich eine Menge Auswahl und es war kein Problem vorher was zu finden. Ich zog in eine Erasmus-WG. Rein portugiesische WGs sind seltener, da die meisten Portugiesen während des Studiums meist aus finanziellen Gründen zuhause wohnen bleiben.

Der komplette Unterricht und die Praktika finden am Hospital Sao Joao statt, das durch die U-Bahn und diverse Busverbindungen gut zu erreichen ist. Es sind ungefähr 20 Minuten vom Stadtzentrum mit der U-Bahn. Ich habe es vorge-zogen im Stadtkern zu wohnen, natürlich gibt es auch um das Krankenhaus herum viele Wohn-gelegenheiten.

Portugiesische Studenten

Zu den Praktika selber, muss ich leider sagen, dass alle ziemlich enttäuschend waren. Am Ende beschloss ich sogar den letzten Teil wieder in Deutschland zu machen. Innere war ganze zehn Wochen. Wir waren eine Gruppe von vier Studenten und zwei Assistenz-ärzten und hatten im Schnitt drei Patienten. Das heißt es gab ein-fach nichts zu tun. Blutabnahmen machen die Schwestern und das lassen sie sich auch ungern ab-nehmen. Die meisten Zeit saßen wir einfach nur rum und haben drauf gewartet, dass uns jemand eine Aufgabe gibt (teilweise dann zu viert EKG schreiben). Leider wirklich eine Enttäuschung. Mein zweiter Block war Geburtshilfe und Gynäkologie und war deutlich besser organisiert. Ich begleitete eine mir zugeteilte Assistenzärztin und konnte viel sehen und selber tun. Pädiatrie war wiederum eine absolute Katastrophe. Wir waren eine Gruppe von diesmal sechs Studenten und vier Assistenz-

Page 2: WS 14/15 Porto Medizin umso spannender machte, sich Gassen ... · Joao statt, das durch die U-Bahn und diverse Busverbindungen gut zu erreichen ist. Es sind ungefähr 20 Minuten vom

ärzten mit meistens nicht mehr als zwei Patienten, wenn überhaupt. Also wieder keine Beschäftigung für uns Studenten. Manchmal gab es Visiten, manchmal gab es keine, manchmal sind die Assis-tenzärzte verschwunden und nie-mand wusste wohin. Leider ist das Uniklinikum mit Per-sonal überbelegt und für Studen-ten gibt es einfach kein Platz im Stationsalltag. Aufgrund meiner Erfahrungen würde ich das Klinikum nicht für Blockpraktika weiterempfehlen. Andere Erasmus-Studenten aus den Jahren dadrunter waren allerdings sehr zufrieden mit ihren Vorlesungen und Kursen. Nur das 6. Jahr scheint einfach fruchtbar schlecht strukturiert zu sein.

Die Reisemöglichkeiten von Porto aus sind großartig. Im Prinzip kann man ganz Spanien problem-los mit low-cost Airlines erreichen. Portugal ist außerdem gut mit Bussen vernetzt, sodass man das Wochenende spontan und günstig auch mal in Lissabon verbringen kann. Von verschiedenen Reise-unternehmen werden auch Stu-dentenreisen nach Marokko or-ganisiert. Aber natürlich hat Porto selbst auch einiges zu bieten. Die Nähe zum Strand ist traumhaft gerade im Sommer. Sommerliche Tem-peraturen hatten wir bis Oktober. Fürs Fahrradfahren ist die Innen-

stadt ziemlich ungeeignet, aller-dings kann man sich gegen geringe Gebühren Fahrräder lei-hen und raus ans Meer fahren. Die gleiche Strecke eignet sich auch wunderbar zum Laufen. An-sonsten haben sich so ziemlich alle nach und nach im Fitness-Studio angemeldet, die meistens gute Konditionen für Studenten anbieten. Natürlich hat Porto auch eine im-mense Kultur- und Kunstszene. Das moderne Kunstmuseum mit seinem tollen Park drumherum ist sehr zu empfehlen. Außerdem gibt es eine tolles Konzerthaus und diverse Theater, die ein buntes Programm anbieten. Das ganze Jahr über findet man des Weiteren überall immer wieder tolle Kunst- und Flohmärkte. Wenn die kalten regnerischen Wintertage anfangen gibt es Einkaufszentren mit allem was das Herz begehrt; sogar ein Ikea für die Sachen, die im studentischen Haushalt so anfallen, ist gut mit einem Gratis-Bus erreichbar. Viele Freizeitbeschäftigungen werden auch von dem ESN-Team organisiert, eine Gruppe von heimischen Studenten. So gibt es am laufenden Band Parties, außerdem werden Tages- oder Wochenendtrips in ver-schiedene Städte organisiert. Ich kann diese Unternehmungen mehr oder weniger empfehlen :-), allerdings ist das am Anfang eine

tolle Möglichkeiten viele Leute kennen zu lernen.

Noch einige Insider zu Porto: Im Winter wird es wirklich kalt. Zwar keine Minusgrade und auch kein Schnee, aber auch 10 Grad ohne Heizung sind unangenehm. Portugiesische Häuser haben keine Zentralheizungen und sind oft schlecht isoliert. Man heizt mit Heizlüftern, Kerzen und deckt sich nach und nach mit dickeren Decken ein. Für Vegetarier ist manchmal nicht ganz so einfach; dafür meine Lieblingsadressen in Porto: os maus habitus, casa da horta.

Die Lebensmittelkosten sind et-was geringer als in Deutschland, wobei es dabei auch draufkommt was man kauft. Obst ist deutlich billiger, Käse und viele andere Milchprodukte gleichen denen in Deutschland.

Auch wenn die Praktika mich fachlich nicht weitergebracht haben, so möchte ich diese Aus-landserfahrung nicht missen. Meine Zeit in Portugal war un-vergessliche und prägend. Man knüpft unwahrscheinlich viele in-ternationale Kontakte, ist immer unterwegs, hat die Möglichkeit von Porto aus viel zu reisen und hat die Chance in eine andere Kultur und Mentalität einzu-tauchen. Als Tourist hat man

niemals die Möglichkeit ein Land auf eine solche Art und Weise kennen zu lernen. Und wenn ihr euch auch nicht für Portugal entscheidet, entscheidet euch dafür ins Ausland zu gehen.