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Wunderbares Gefühl Theater Neu-Ulm Claudia Riese und Heinz Koch im NUZ-Interview zur Premiere „Ganze Kerle" (Sept 08) VON DAGMAR KÖNIGSDORFER Neu-Ulm „Ganze Kerle", das Stück von Kerry Renard, das, wie berichtet, im AuGuSTheater Premiere hatte, ist wieder - wie „Geschichten über Männer" - ein Stück „über Männer". Männer und die Frage, ob sie und die Frauen überhaupt zusammenpassen, haben auf der Bühne derzeit Hochkonjunktur. Die NUZ gab Claudia Riese und Heinz Koch Ge- legenheit, über die aktuelle Theater-Situation und die Erwartungen des Publikums zu sprechen. Claudia Riese: Ich bin selbst erschrocken, als mir aufgefallen ist, auf wie vielen Bühnen derartige Fragen momentan abgehandelt werden. Dabei - mit dem Thema haben wir uns schon vor 15 Jahren beschäftigt, als wir „Liebe und andere Katastrofen - passen Männer und Frauen über- haupt zusammen?" auf die Bühne brachten. Loriots Aussage ist ja die, dass sie nicht zusammenpassen. Heinz Koch: Es muss ja nicht alles zusammenpassen. Aber inzwischen gibt es ja schon eine Postkarte mit dem Text: „Mann und Frau passen nicht zusammen - außer manchmal in der Mitte." Nein, im Ernst: Es ist doch eigentlich die einzige weltbewegende Frage in unserer Gesellschaft, von Shakespeare bis Loriot, und es ist die einzige Frage, mit der sie junge Leute und ältere Jahrgänge glei- chermaßen ansprechen. Die Darstellung und die sprachliche Qualität machen den Unterschied aus, aber die Frage selbst geht durch alle sozialen Schichten. Was uns beschäftigt, das ist die Kluft zwischen qualitätsvollem Theater und Publikumsanspruch. Das ist derzeit eine Gratwanderung. Claudia Riese: Das Publikum wurde zum einen durch die Phase des Ekel-Theaters vergrätzt, in der vielfach sprachliches, gutes Theater von bloßer Provokation nicht mehr zu unterscheiden war. Und zum anderen: Die Leute wollen unterhalten werden. Da ist die Haltung „Überall auf der Welt sind Krisen, überall ist Krieg und Katastrophen. Wenn ich weggehe, will ich Sicherheit, was ich für mein Geld bekomme." Die Comedies und

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Theater Neu-Ulm Claudia Riese und Heinz Koch im NUZ-Interview zur Premiere „Ganze Kerle" (Sept 08) Claudia Riese: Ich bin selbst erschrocken, als mir aufgefallen ist, auf wie vielen Bühnen derartige Fragen momentan abgehandelt werden. Dabei - mit dem Thema haben wir uns schon vor 15 Jahren beschäftigt, als wir „Liebe und andere Katastrofen - passen Männer und Frauen über- haupt zusammen?" auf die Bühne brachten. Loriots Aussage ist ja die, dass sie nicht zusammenpassen.

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Wunderbares Gefühl Theater Neu-Ulm Claudia Riese und Heinz Koch im NUZ-Interview zur Premiere „Ganze Kerle" (Sept 08) VON DAGMAR KÖNIGSDORFER

Neu-Ulm „Ganze Kerle", das Stück von Kerry Renard, das, wie berichtet, im AuGuSTheater Premiere hatte, ist wieder - wie „Geschichten über Männer" - ein Stück „über Männer". Männer und die Frage, ob sie und die Frauen überhaupt zusammenpassen, haben auf der Bühne derzeit Hochkonjunktur. Die NUZ gab Claudia Riese und Heinz Koch Ge-legenheit, über die aktuelle Theater-Situation und die Erwartungen des Publikums zu sprechen.

Claudia Riese: Ich bin selbst erschrocken, als mir aufgefallen ist, auf wie vielen Bühnen derartige Fragen momentan abgehandelt werden. Dabei - mit dem Thema haben wir uns schon vor 15 Jahren beschäftigt, als wir „Liebe und andere Katastrofen - passen Männer und Frauen über-haupt zusammen?" auf die Bühne brachten. Loriots Aussage ist ja die, dass sie nicht zusammenpassen.

Heinz Koch: Es muss ja nicht alles zusammenpassen. Aber inzwischen gibt es ja schon eine Postkarte mit dem Text: „Mann und Frau passen nicht zusammen - außer manchmal in der Mitte." Nein, im Ernst: Es ist doch eigentlich die einzige weltbewegende Frage in unserer Gesellschaft, von Shakespeare

bis Loriot, und es ist die einzige Frage, mit der sie junge Leute und ältere Jahrgänge glei-chermaßen ansprechen. Die Darstellung und die sprachliche Qualität machen den Unterschied aus, aber die Frage selbst geht durch alle sozialen Schichten. Was uns beschäftigt, das ist die Kluft zwischen qualitätsvollem Theater und Publikumsanspruch. Das ist derzeit eine Gratwanderung.

Claudia Riese: Das Publikum wurde zum einen durch die Phase des Ekel-Theaters vergrätzt, in der vielfach sprachliches, gutes Theater von bloßer Provokation nicht mehr zu unterscheiden war. Und zum anderen: Die Leute wollen unterhalten werden. Da ist die Haltung „Überall auf der Welt sind Krisen, überall ist Krieg und Katastrophen. Wenn ich weggehe, will ich Sicherheit, was ich für mein Geld bekomme." Die Comedies und

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Daily Soaps aus dem Fernsehen haben da großen Einfluss.

Heinz Koch: Mein Vorbild ist das Theaterpaar Dario Fo und Franca Rame - obwohl wir uns mit denen nicht messen dürfen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in der Provinz Theater machen und dass der Umkreis, aus dem unser Publikum kommt, etwa 15 Kilometer sind. Aber Franca Rame sagte, dass man die Gehirne der Menschen öffnet, wenn man sie zum Lachen bringt, und dann könne man auch Nägel der Vernunft einschlagen. Es sind nur wenige Theatergänger, die bereit sind, sich einem Stück emotional auszusetzen, auch der Kälte, die aus einer wertvollen Inszenierung kommen kann. Man zahlt für alles einen Preis. Ich sage keinesfalls, dass ich es bedaure, jetzt ein festes Haus zu bespielen. Aber Träume zu verwirklichen, bedeutet auch, finanziell pla-nen zu müssen.

Claudia Riese: Und es ist ein wunderbares Gefühl, einen vollen Saal zum Lachen zu bekommen. Das möchte ich nicht missen.

Heinz Koch: Es ist auch ambivalent, wenn ich sage, dass wir eine Schaubühne für zeitgenössisches Theater sind. Viele Stücke, die wir auf die Bühne bringen, gehören zu den meistgespielten im Land - das kann man so verstehen, dass wir das bieten, was das Publikum verlangt, das kann aber auch bedeuten, dass wir die Nase im Wind haben. Trotzdem war es auch eine gute Zeit, als ich einmalige Abende machen konnte wie „Die neue Zeit" oder jenen nach dem Attentat aufs World Trade Center oder jenen über die vier prägenden Ereignisse in Deutschland, die an einem 9. November geschahen.

Claudia Riese: Das ist dein Steckenpferd. Ich komme ja mehr vom Komödiantischen her.

Heinz Koch: Und ich würde dir gern einen großen schwäbischen Abend gönnen, gute Unterhaltung auf Schwäbisch!