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Yuja Wang - Konzerthaus Dortmund · 2011. 5. 3. · umrahmt werden diese beiden Werke von Klaviermusik Scarlattis, sozusagen einem der erfinder der Klaviersonate, und Schubert-liedern

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Yuja Wang Klavier

abo: Solisten iii – »junge Wilde«

in unserem Haus hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – leider auch Husten, niesen und Handy-klingeln. ebenfalls aus rücksicht auf die Künstler bitten wir Sie, von Bild- und Tonaufnahmen

während der vorstellung abzusehen. Wir danken für ihr verständnis!

2,50 E

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Programm6i7

Franz ScHuBerT (1797 – 1828)Drei liederFassung für Klavier von Franz liszt

›gretchen am Spinnrade‹ D 118 (1814)›auf dem Wasser zu singen‹ D 774 (1823)›erlkönig‹ D 328 (1815)

Sergej ProKoFieW (1891 – 1953)Sonate für Klavier nr. 6 a-Dur op. 82 (1940)

allegro moderatoallegrettoTempo di valzer lentissimovivace

– ende ca. 21.00 uhr –

einführung mit ulrich Schardt um 18.15 uhr im Komponistenfoyernach dem Konzert: »meet the artist!« im Backstage-Bereich in englischer Sprache

Domenico ScarlaTTi (1685 – 1757)Sonate g-Dur K 427 (1755)Sonate h-moll K 87 (1742)Sonate e-Dur K 380 (1754)Sonate g-Dur K 455 (1755)

roBerT ScHumann (1810 – 1856)Sinfonische etüden für Klavier op. 13 (1835)

Thema. andante Étude i (variation i). un poco più vivo Étude ii (variation ii)Étude iii. vivace Étude iv (variation iii)Étude v (variation iv) variation posth. nr. 3 Étude vi (variation v). agitatoÉtude vii (variation vi). allegro molto variation posth. nr. 2 variation posth. nr. 5 Étude viii (variation vii). andante Étude iX. Presto possibile Étude X (variation viii). allegro Étude Xi (variation iX). con espressioneÉtude Xii (Finale). allegro brillante

– Pause ca. 19.50 uhr –

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Kurz vor Dem KonzerT neue Wege auF Dem BoDen Der KlavierTraDiTion

zwei wahrhaft große Werke stehen im zentrum des heutigen Klavierabends: robert Schumanns Sinfonische etüden op. 13 und Prokofiews Sonate nr. 6. Beide Werke gehen auf dem Fundament großer Klaviertradition und kompositorischer erfahrung eigene Wege. Bei Schumann ist es die sehr freie Form der variation eines Themas in großen romantischen etüden, bei Prokofiew ist es die harmonische und ausdrucksdynamische Kühnheit in der wiederum strengen Sonatenform. umrahmt werden diese beiden Werke von Klaviermusik Scarlattis, sozusagen einem der erfinder der Klaviersonate, und Schubert-liedern in Bearbeitungen für Klavier solo von Franz liszt.

KreaTiver Pionier Der KlavierSonaTeDomenico ScarlaTTi SonaTen

Domenico Scarlatti, einer der gefragtesten und berühmtesten europäischen Hofkomponisten der ersten Hälfte des 18. jahrhunderts, schreibt in seinem Komponistenleben nicht weniger als 555 Klaviersonaten. Die einsätzigen Werke sind fast ausnahmslos zweiteilig konzipiert und bestechen durch höchsten künstlerischen rang, thematische vielfalt und für ihre zeit kühne virtuosität. Sie stehen folgerichtig zu Beginn unzähliger Klavierabende. Scarlatti darf hier durchaus als einer der ganz großen Pioniere der Klavier- bzw. cembalokompositionskunst angesehen werden. in seinen späteren Werken, von denen heute drei zu hören sind, gelangt Scarlatti zu einer vertiefung des musikalischen gehalts, indem er thematisch und harmonisch neue Wege beschreitet, einzelheiten der sich erst später ausprägenden Sonatensatzform vorwegnimmt und auch dynamisch neue Wege geht.

BrillanT unD TriumPHalroBerT ScHumann SinFoniScHe eTüDen Für Klavier oP. 13

1834 schreibt robert Schumann den zyklus Sinfonische etüden op. 13. Das Werk darf als eines der glänzendsten und wirkungsvollsten in Schumanns gesamtem Schaffen gelten. Die melodie des Themas stammt von einem »amateur«, wie es in frühen Drucken des Werkes vermerkt ist. Der amateur war der Flöte spielende Hauptmann von Fricken in asch, der beinahe Schumanns Schwiegervater geworden wäre. er hatte sich selbst an variationen versucht, die er Schumann zur Begutachtung schickte. obschon nicht von Schumann selbst, muss man dem schlichten und ernsten cis-moll-Thema außerordentliche Schönheit attestieren: ein fein ausgeschmückter ge-sang – in sich ruhend.

WerKe

Schumann geht in seinen etüden freie und kreative Wege. es geht ihm nicht um einen variatio-nenzyklus im strengen Sinne. Das Thema bleibt nur als Formgerüst enthalten. Schumann entwirft selbstständige charakterbilder und romantische entwürfe großer Szenen. von den ursprünglich 17 etüden wurden in der ersten Fassung zwölf zu einem zyklus zusammengefasst. Drei der fünf etüden, die posthum veröffentlicht wurden, integriert Yuja Wang am heutigen abend in das Werk.

Schon die erste variation beeindruckt mit einem verhaltenen, aber fesselnden einsatz des Bassmotivs. in der zweiten variation kontrastieren Bassgewalten mit höchster virtuosität und auf liszt verweisenden Klaviertechniken in der rechten Hand. Die Étude iii macht sich ganz von dem ursprungsthema frei: Die Schleuderakrobatik der rechten Hand (im Pianissimo, espres-sivo und staccato!) erscheint kaum mehr manuell realisierbar. allerhöchste klaviertechnische ansprüche werden da im Pianissimo versteckt. Die nächste etüde kommt im strengen Kanon mit scharfen Sforzati »vorbeigeritten«. es folgt ein wunderschönes notturno im 12/8-Takt. ge-dankenverloren entwirft Schumann hochkreative romantische Bilder von großer Weite und Tiefe. Die musik nimmt den Hörer einfach mit in diese Fantasiewelt. von feuriger Bravour und typisch Schumann’scher nervosität ist die sechste etüde geprägt: schwer durchhörbar. Die Étude vii ist von festlichem charakter, viii von Bach’scher Strenge und hoher rhythmischer Prägnanz. Die neunte etüde jagt im Presto possibile (oder sollte man besser schreiben »impossibile«?) vor-bei – eine einzige dynamische aufwärts- und abwärtsbewegung. Die Étude X setzt kreativ auf den Kontrast zwischen rollenden Bässen und punktierten akkorden. nach einer zäsur durch die folgende variation beginnt das Finale majestätisch. Schumann entwickelt diese etüde, die ein neues Thema vorstellt, langsam aber wirkungsvoll. Der Schluss des Werkes ist ein einziger Dur-Triumph. von Des-Dur verschiebt Schumann das Werk in die Sphäre eines optimistischen B-Dur. Kein zweifel herrscht hier über den triumphalen charakter und gestus dieser musik – Beethoven’sche gefühle im Kompositionsstil robert Schumanns. Die Sinfonischen etüden sind ein guter anlass, zu Schumanns 200. geburtstag mit den üblichen vorurteilen von depressiv rheinnebel-verhangener melancholie aufzuräumen.

ScHuBerT-lieDer in oPulenTem KlanggeWanDFranz ScHuBerT Drei lieDer

Franz liszts ideal bei der Bearbeitung oder neukomposition bekannter Schubert-lieder war es, dass der Hörer den Sänger gar nicht vermissen sollte. einsam und traumverloren umspielt liszt das ohnehin schon kontemplative Schubert-lied ›gretchen am Spinnrade‹. ›auf dem Wasser zu singen‹ erklingt bei liszt als großer Traum in einem Spannungsbogen. und auch für den ›erlkönig‹ findet liszt noch dramatischere Klangmöglichkeiten als sie schon von Schubert im original notiert sind.

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ironiScHe HärTen in üBerlegener DiSPoSiTionSergej ProKoFieW SonaTe Für Klavier nr. 6 a-Dur oP. 82

Die Tatsache, dass viele Komponisten mit nur wenigen ihrer Werke assoziiert werden, steht oft im di-ametralen verhältnis zur wahren Qualität des gesamtwerkes eines Tonschöpfers oder sogar seines eigentlichen künstlerischen Kraftzentrums. Sergej Prokofiew ist einer dieser meister, dessen Wahr-nehmung in Westeuropa sich auf letztlich sehr wenige Werke fokussiert. Da werden regelmäßig die erste und die fünfte Sinfonie aufgeführt, die beiden violinkonzerte, das eine oder andere Klavierkon-zert, »romeo und julia« – konzertant oder als Ballett – und was noch? Sergej Prokofiew ist gleich-wohl einer der ganz großen Klavierkomponisten des 20. jahrhunderts und definitiv der letzte große Klaviersonaten-Komponist bis dato. ohne die Phalanx der Klaviergiganten russlands der letzten 60 jahre wären diese Sonaten kaum je in das repertoire der westeuropäischen Konzerthäuser einge-zogen. Wir heutigen Hörer und auch viele der jungen Klaviervirtuosinnen und -virtuosen verdanken es Swjatoslaw richter, emil gilels, vladimir ashkenazy, grigory Sokolov, mikhail Pletnev und evgeny Kissin, dass wir zumindest ein reiches diskografisches Bild von Prokofiews Sonatenwelt haben. im Konzertleben gelten viele dieser kompositorischen meilensteine der Klavierliteratur nicht nur als schwer spielbar, sondern vielmehr als »schwer vermittelbar und nicht leicht zu vermarkten«. auch dies sind leider argumente für die relative Seltenheit der aufführungen Prokofiew’scher Sonaten.

Sergej Prokofiew darf als Wiederentdecker der Klaviersonate im 20. jahrhundert gelten. in der vorausgegangenen epoche des so genannten impressionismus haben besonders die franzö-sischen Komponisten Debussy und ravel eine abwendung vom Sonatenschema vollzogen. nach Brahms und liszt und der Dominanz der Sonate auf dem gebiet der Klaviermusik des 18. und 19. jahrhunderts suchten sie neue, eigene Wege und Formen. Prokofiew hingegen interpretiert die Sonate gänzlich neu. erstaunlicherweise empfindet er die Form an sich als hilfreich. Sein Kompositionsstil ist von logik und klaren Schemata geprägt. auch im Hinblick auf Tonarten gibt sich Prokofiew scheinbar konservativ, indem er sich zum klaren Bezug zur Tonika bekennt. eine Kompositionsweise ohne eindeutigen Tonartenbezug, wie er nach Brahms und liszt immer mo-derner und üblicher geworden war, vergleicht Prokofiew mit einem Bau auf Sand. Darüber hinaus ist Prokofiew glühender anhänger der Polyphonie als einem zukunftsweisenden Kompositionsbe-standteil: »Wo sonst als in der Polyphonie kann man den Weg zu neuland finden?« Bevor Prokof-iew allerdings seine Klaviersonate nr. 6 im jahre 1940 schreiben soll, hat er einen quasi multikul-turell beeinflussten Weg als Komponist, Klaviervirtuose und Dirigent hinter sich. ausgebildet am St. Petersburger Konservatorium unter anderem bei ljadow, rimski-Korsakow und Tscherepnin, begegnet Prokofiew 1914 dem stilbildenden Ballettimpressario Diaghilew, reist 1918 (nach der oktoberrevolution) aus russland aus, stellt sich erfolgreich dem internationalen Kompositions- und Konzertmarkt in den uSa und europa und lebt in Paris und in ettal. 1932 kehrt Prokofiew in seine russische Heimat zurück, in der er bis zu seinem Tode bleiben und komponieren wird.

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ersten Konzertvortrag besorgt Swjatoslaw richter im november des gleichen jahres in moskau – wahrhaft große erst-interpreten.

geHörT im KonzerTHauSim Februar 2006 gestaltete jean-Yves Thibaudet im Konzerthaus einen abend mit Schumann und ravel, bei dem auch die Sinfonischen etüden auf dem Programm standen. elisabeth leonskaja, damals artist in residence, spielte im oktober 2002 Prokofiews Klaviersonate nr. 6.

ScHarDTS PlaTTenScHranK

Für Franz liszts adaptionen der Schubert-lieder bietet das russische Klavierwunder evgeny Kissin die richtige mischung aus sensibler lyrik und angedeuteter zirzensik, ohne die bei liszt nun mal nichts geht. Die Sinfonischen etüden robert Schumanns empfehle ich in einer »alten« 1989er aufnahme ebenfalls mit evgeny Kissin (Brillant classics). Bei Prokofiews Klaviersonaten muss man Swjatoslaw richter hö-ren. Der uraufführungsinterpret diverser Werke des russischen Komponisten hat die Sonaten im laufe seiner langen Klavierkarriere oftmals (ein-)gespielt. Seine früheren aufnahmen sind in der regel die klaviertechnisch brillanteren und kompromissloseren varianten. nicht zu übertreffen ist die Klavierso-nate nr. 6 auch unter den Händen von evgeny Kissin, sozusagen der musterinterpret (nicht nur) für das repertoire des heutigen abends. ideal trifft er den spezifischen Tonfall Prokofiews zwischen Transpa-renz, perkussiver Härte, beißender ironie und avantgardistischer Harmoniewelt – technisch selbstver-ständlich eine eigene, die Kissin-liga (universal classics). ein weiterer großer Prokofiew-interpret ist, besser muss man sagen war, mikhail Pletnev, der ja unverständlicherweise das Klavier endgültig gegen den Taktstock ausgewechselt hat. Pletnev spielt mit clarté, außerordentlicher anschlagsdifferenzierung und unerbittlicher Härte: Klaviereisberge.

14 i 15

Die Sonate nr. 6 gehört zu der Trias der ganz großen Sonaten 6 bis 8. Die ersten Sonaten schreibt Prokofiew zwischen 1909 und 1923. nach einer längeren zäsur setzt er sich also 1940 mit dieser gattung erneut auseinander. anstoß dazu gegeben hat wohl die lektüre des rolland-romans »johann christof«, in dem Beethovens Sonatenwerk, das Prokofiew neben dem Schaffen Brahms’ und Schumanns als vorbild dient, einen beachtlichen Platz einnimmt. Die Sonate a-Dur op. 82 ist ein viersätziges Werk, das geprägt zu sein scheint von den äußeren (politischen und sozialen) einflüssen der Kriegszeit: grelle Kontraste, zuweilen harmonische und anschlagsdyna-mische Brutalität, aber auch typisch Prokofiew’sche beißende ironie sind prägende musikalische charaktermerkmale des Werkes.

Der erste Satz wird eröffnet und dominiert von einem motiv voller rhythmischer Sprengkraft, das in den Flügel gemeißelt zu werden verlangt. Die sowjetische musikwissenschaft feiert es als »rohen, schmetternden marsch« – aber ist es nicht vielleicht eher ein »Stalin-motiv«, mit dem die lebensverhältnisse dieser zeit durchaus realistisch, damit aber nicht verherrlichend darge-stellt werden? gleichzeitig tönt aus der musik doch viel mehr avantgardistische und freigeistige Harmonie, als dem sowjetischen musikapparat lieb sein kann. Das Seitenthema ist von »romeo und julia«-Delikatesse. zwischenzeitlich bringt Prokofiew die musik bewusst zum Stillstand, um dann die maschinerie staccatohaft wieder zum laufen zu bringen. Wie scheinbar spielerisch leicht Prokofiew den Klavierpart zu einem polyfonen Satzgebirge aufschichtet, ist von bezwingender Kühnheit und zeitloser modernität. Der zweite Satz täuscht tupferhaft Harmlosigkeit vor. eine »Par-odie eines militärmarsches« sieht der russische Klaviervirtuose Kissin hier. ein sanglicher mittelteil erscheint auch nicht gänzlich ungetrübt. Beeindruckend ist die Transparenz des Klaviersatzes. Hier schreibt ein Klaviervirtuose musik für seinesgleichen. Tempo di valzer lentissimo nennt Prokofiew den dritten Satz, der im sanft wiegenden 9/8-Takt nachdenklich akkordschichtungen und harmo-nisch raffinierte melodiebegleitungen aufweist. im weiteren Satzverlauf baut Prokofiew dramatur-gisch gekonnt Spannung und Dynamik auf. unter der harmonisch brillanten oberfläche scheint das Konfliktpotenzial fast verdrängt. Dennoch – nationaler jubel hört sich wohl anders an. aber in der Sowjetunion Stalins herrschte eine selektive Kunstkritik und -wahrnehmung. man hörte das, was man hören wollte. Das Finale ist von brillanter motorik, permanenter unrast und eisblockartiger gestik. Dazwischen gibt es kurze nachdenkliche Sequenzen. Dann schreit das »Stalin-motiv« aus dem ersten Satz dem Hörer verzweifelt entgegen. Die Figurationen und überdrehten läufe sind im Wortsinne schon wahnsinnig. evgeny Kissin bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: »Was Prokofiew ganz am ende der coda macht: er erdrückt Stalin mit dem gewicht seines eigenen pompösen leitmotivs.« Hier muss nicht zwischen den Tönen gelesen werden, um die mär vom sozialistischen realismus ad absurdum zu führen. Die Sprache der musik verfügt gerade in verzweifelten zeiten und Situationen über eine differenzierte ausdruckskraft.

Die Sonate nr. 6 spielt Prokofiew im april 1940 zum ersten mal im sowjetischen rundfunk; den

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und dem »verbier Festival« zu gast. Sie arbeitete mit vielen weltbekannten Dirigenten, u. a. claudio abbado, charles Dutoit, robert Spano, michael Stern, Yuri Temirkanov, michael Tilson-Thomas, osmo vänskä und Pinchas zuckerman.

in dieser Saison spielte Yuja Wang die uraufführung von jennifer Higdons Klavierkonzert mit dem national Symphony orchestra unter andrew litton in Washington D. c., ging auf eine Tournee durch elf Städte in den uSa mit dem Shanghai Symphony orchestra und long Yu zum 130. jubiläum des orchesters und konzertierte mit dem russian national orchestra unter Pa-trick Summers. Sie trat mit dem Philadelphia orchestra, dem indianapolis Symphony orchestra, dem San Francisco Symphony und dem new World Symphony unter michael Tilson-Thomas auf. mit dem lucerne Festival orchestra unter claudio abbado spielte sie in Peking, mit dem royal Philharmonic orchestra in Spanien und london und mit dem Hong Kong Philharmonic orchestra wird sie in Hongkong auftreten. mit Klavierabenden ist sie u. a. in San Francisco, vancouver, De-troit, Washington D. c., zürich, Paris, madrid, lissabon und venedig zu hören. im Sommer 2010 spielt Yuja Wang erneut beim »Santa Fe chamber music Festival« und beim »verbier Festival«.

geboren 1987 in Peking, begann Yuja Wang mit sechs jahren Klavier zu spielen und gab erste öffentliche Konzerte in china, australien und Deutschland. Sie studierte am central con-servatory of music in Peking bei ling Yuan und zhou guangren. von 1991 bis 2001 nahm Yuja Wang an den morningside Sommerkursen am mount royal college in calgary teil, einem künstlerischen und kulturellen austauschprogramm zwischen Kanada und china. aufgrund dieser Kontakte übersiedelte sie nach Kanada und begann ihr Studium bei Hung Kuan chen und Tema Blackstone am mount royal college conservatory. 2002 gewann sie mit 15 jahren den Wettbewerb des »aspen music Festival« und zog in die uSa, um bei gary graffman am curtis institute of music in Philadelphia zu studieren. 2008 beendete sie ihr Studium dort. 2006 war Yuja Wang Preisträgerin des »gilmore Young artist award«. 2010 erhielt sie den »avery Fisher career grant«.

Yuja Wang im KonzerTHauS DorTmunDYuja Wang gibt ihr erstes Konzert in der reihe der »jungen Wilden«, in der sich acht junge musiker in drei Spielzeiten mit unterschiedlichsten Programmen und musikalischen Partnern präsentieren. Schon die erste riege »junger Wilder« mit Künstlern wie martin Stadtfeld oder annette Dasch konnte als neue generation klassischer musiker vermitteln: Klassik ist nicht elitär. Dass diese Künstler frischen Wind in die musikwelt bringen, davon können sich regel-mäßig jugendliche aus Dortmunder Schulen bei den Besuchen der »jungen Wilden« und die Konzertgänger beim »meet the artist!« nach dem Konzert hautnah überzeugen. ohne Berüh-rungsängste eröffnen sie einen neuen Blick auf klassische musik.

18 i19 BiograFie

Yuja Wang

Die 23 jahre alte chinesische Pianistin Yuja Wang ist bekannt für ein Klavierspiel, das die Spon-taneität und die furchtlose vorstellungskraft der jugend mit der Disziplin und Präzision eines reifen Künstlers verbindet. oft gelobt für ihre kontrollierte, saubere Technik, wurde Yuja Wangs Spiel schon als »verblüffend« und »übermenschlich« beschrieben; Kritiker schätzen die mei-sterhafte Beherrschung komplexester technischer ansprüche des repertoires, ihre musikalität sowie ihre frischen interpretationen und anmutige und charismatische Bühnenpräsenz. Die »Washington Post« fand für ihr Debüt-recital im Kennedy center ein Wort: »atemberaubend«; nach ihrem Debüt in San Francisco schrieb »The San Francisco chronicle«: »Das erscheinen der chinesischen Pianistin Yuja Wang auf der musikalischen Bildfläche ist ein berauschendes und nervenaufreibendes ereignis. ihr zuzuhören bedeutet, seine vorstellungen darüber, wie gut man überhaupt Klavier spielen kann, zu überprüfen.«

Yuja Wang nimmt exklusiv für die Deutsche grammophon auf. ihre Debüt-cD »Sonatas & etudes« erschien im april 2009. »eine Kombination aus glänzender Technik und einem sel-tenen Sinn für Poesie«, schreibt das magazin »gramophone« und ernennt die Pianistin bei den »gramophone awards 2009« zum »Young artist of the Year«. Das album war für einen »grammy« nominiert und wurde vom magazin »international Piano« zum besten Debütalbum 2009 erklärt. Yuja Wangs zweites album »Transformation« mit Werken von Strawinsky, Scarlatti, Brahms und ravel erschien in Deutschland im mai 2010.

in den wenigen jahren seit ihrem Debüt 2005 mit dem national arts center orchestra unter Pinchas zukerman, das die kanadische Presse mit »a star is born« kommentierte, ist Yuja Wang bereits mit den renommiertesten orchestern der Welt aufgetreten, darunter das Baltimo-re Symphony, Boston Symphony, chicago Symphony, Dallas Symphony und Detroit Symphony orchestra, das Houston Symphony, los angeles Philharmonic, national Symphony orchestra, new World Symphony, Philadelphia orchestra, Pittsburgh Symphony orchestra und das San Francisco Symphony in den uSa sowie u. a. mit dem Tonhalle-orchester zürich, dem china Philharmonic, london Philharmonic und nagoya Philharmonic orchestra sowie mit dem nHK Symphony orchestra Tokyo. 2006 debütierte Yuja Wang beim new York Philharmonic beim »Bravo! vail music Festival« und spielte mit dem orchester in der Saison darauf unter lorin maazel in japan und Korea. in derselben Saison trat sie in leeds auf und unternahm eine Tour-nee mit dem St. Petersburg Philharmonic orchestra unter Yuri Temirkanov. im Frühling 2008 tourte sie durch die uSa mit der academy of St martin in the Fields und Sir neville marriner. 2009 trat sie als Solistin mit dem YouTube Symphony orchestra unter michael Tilson-Thomas in der carnegie Hall auf. regelmäßig ist sie bei Festivals wie dem »aspen Festival«, dem »Santa Fe chamber music Festival«, dem »gilmore Festival«, dem »Schleswig-Holstein musik Festival«

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meiSTerPianiSTen

junge PianiSTenPerSönlicHKeiTnachdem lise de la Salle in ihrem ersten »junge Wilde«-Konzert mit chopin und Beethoven begeisterte, kann sie in der kommenden Saison mit filigranen Scarlatti-Sonaten und den aufbrau-

senden Klavierstücken aus »romeo und julia« ihre vielseitigkeit beweisen.

Do 23.09.2010 · 19.00

eigenWillig unD genialDer polnisch-ungarische Pianist Piotr anderszewski gehört zu den stillen Stars der Klavierszene. Für seinen ersten auftritt im Konzerthaus hat er ein Programm mit Werken von Bach und Schu-

mann zusammengestellt.

Di 05.10.2010 · 20.00

FingerSPiTzengeFüHlverblüffende virtuosität brachte Yuja Wang den Spitznamen »Fliegende Finger« ein. inzwischen widmet sie sich ebenso gern tiefgründigeren Werken, die viel einfühlungsvermögen verlangen,

wie beispielsweise den Präludien und etüden von Skrjabin.

Fr 12.11.2010 · 19.00

WeiTerHören

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TeXTe ulrich Schardt

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anzeigen anne-Katrin röhm · T 0231-22 696 161

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