ZDF Schriftenreihe 33-20 Jahre Aspekte

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m F Schriftenreihe Heft 33 Materialienzum Programr 20 Jahre »aspekte«\ ^»»»_--ZDF-Schriftenreihe Heft 33Materialien zum Programm20 Jahre »aspekte«Kulturvermittlung im FernsehenWnhalt3 5 11 1620 Jahre »aspekte« — Bilanz und ProgrammDieter StolteKulturfür viele — oder Das Fernsehen als KulturvermittlerAlois Schardt20 Jahre »aspekte« — und wie weiter?Karl SchneltingPopulär, nicht populistischStandortbeschreibung eines KulturmagazinsDieter Schwarzenau2432»aspekte«

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m F Schriftenreihe Heft 33 Materialien

zum Programr 20 Jahre aspekte\ ^_--

ZDF-Schriftenreihe Heft 33

Materialien zum Programm

20 Jahre aspekteKulturvermittlung im Fernsehen

W

nhalt

3 5 11 16

20 Jahre aspekte Bilanz und ProgrammDieter Stolte

Kulturfr viele oder Das Fernsehen als KulturvermittlerAlois Schardt

20 Jahre aspekte und wie weiter?Karl Schnelting

Populr, nicht populistischStandortbeschreibung eines KulturmagazinsDieter Schwarzenau

2432

aspekte im Vergleich zur Nutzung kultureller AngeboteBernward Frank

Die Qual der WahlHannes Keil

353852

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner elektronischen UmeproduzierbarkeitHannes Keil

Kultur ja bitte!Ein Gesprch zwischen Hartmut Wrede (Hrzu) und Uwe Kammann (epd)Animation zur Reaktion

Theaterberichterstattung im FernsehenBenedikt Gondolf

56

Theater auf dem BildschirmErgebnisse einer Auswertung der aspekte-Sendungen 1978 bis 1983Christine Post

61

Filmkritik im Fernsehen

Ein Gesprch zwischen Elke Heidenreich und Peter W. Jansen

7580

Literatur im Fernsehen geht das berhaupt ?Alexander U. Martens

Der jungen Literatur eine ChanceThomas Hocke

85

Nur eins ist schwieriger, als alte Mauern abzulichten: sie zu erhaltenMiszellen zum Denkmalschutz im FernsehenVolker Panzer

9298

aspekte Ein KulturmagazinKultur und Kulturkritik

Eine unzeitgeme BetrachtungJohannes Willms

103 104

20 Jahre aspekte in Zahlen Nicht nur aus Lust an der Freud': aspekte-TrailerMichael Stefanowski

20 Jahre aspekte Bilanz und Programm20 Jahre aspekte das sind 771 Sendungen mit 4069 Einzelbeitrgen in insgesamt 32554 Sendeminuten. Imponierende Zahlen, die Umfang,Intensitt und vor allem Kontinuitt der kulturellen Berichterstattung

im Fernsehen widerspiegeln dies vor allem, seit aspekte ab Frhjahr 1977 wchentlich erscheint. Die Sendereihe ist dadurch seit langem zu einer Institution im Kulturleben unseres Landes geworden, die nicht nur kritisch ber kulturelle Vorgnge und Ereignisse berichtet, sondern auch

Anste gibt. Dazu gehrten in letzter Zeit die Themen zu Fragen desDenkmalschutzes, der Umweltgestaltung, der Architektur, aber auch die Einrichtung eines Literaturpreises fr Debtanten, insgesamt das Bem hen, neue Strmungen und Entwicklungen aufzuspren und zu frdern.Offenheit ist dabei ein Charakteristikum von aspekte, und so

spiegelt seine Geschichte auch die Schwankungen des Zeitgeistes. Ein anderes ist Bestndigkeit, der beharrliche Verweis auf die existentielle Kraft und gesellschaftliche Bedeutung kulturellen Tuns. Mit seinen kultu rellen Sendungen versucht der >Unterhalter< Fernsehen ber sich hinauszuweisen, sucht er im Massenpublikum das Individuum, das seinen

>Eigensinn< in geistiger, vielleicht sogar knstlerischer Ttigkeit findet aktiv wie rezeptiv.

In Zeiten zunehmender Nivellierung des Geschmacks und des Wis sens ist Kulturvermittlung in doppelter Hinsicht Aufgabe des Massenmediums Fernsehen: als kritische Information wie auch als Ansto wenn

es sein mu bis zur Anstigkeit. In Zeiten der Vervielfltigung der

Unterhaltungsprogramme durch private Anbieter eine notwendige Aufgabe des ffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Der vorliegende Band der ZDF-Schriftenreihe versucht, auf eine Rei he von Fragen der Kulturvermittlung Anworten aus der Sicht der Redaktion zu geben. In ihnen spiegeln sich die Interessen, Meinungen und Talente wider. Es ist eine Bilanz, gleichzeitig auch eine programmatische Erklrung, die eine weiterfhrende ffentliche Diskussion anregenmchte.

Professor Dieter Stolte Intendant des ZDF

1986 by Zweites Deutsches Fernsehen

Information und Presse / ffentlichkeitsarbeitMainz, Mrz 1986Redaktion: Montana Heiss

Herstellung: Jobst Barkewitz Gestaltung: Heinz Zrcher Bildnachweis: Klett-Verlag (Seiten 92-97), ZDF (60) Umschlagzeichnung: Harald Ngli Druck: Wiesbadener Graphische Betriebe GmbH, Wiesbaden Printed in Germany / Alle Rechte vorbehalten

Aloisschardt

Kultur fr viele oder Das Fernsehen als KulturvermittlerDas Fernsehen und gerade auch das ffentlich-rechtliche mit seiner ver traglich festgelegten Aufgabe, ein informierendes, bildendes und unter

haltendes Programm anzubieten, ist ein Massenmedium, das seine Klientel eben zunchst einmal unterhlt, ein Umstand, der es den Kulturkri

tikern seit je verdchtig macht. Um so mehr vielleicht, weil es als sinnli ches Medium mit Bild und Ton operiert und eine erhebliche suggestive Macht hat. ber Kultur oder besser: Kulturelles wird permanent geredet und geschrieben. Das hat seine Berechtigung, wenn auch vielleicht fr eine reduzierte, spezielle Allgemeinheit, wie sie die zehn Prozent unserer Bevlkerung darstellen, die ffentliche Bchereien benutzen oder ins Theater gehen. An diesen Personenkreis wenden sich auch die Feuilleton seiten der Zeitungen, die, wie die Kultur im Fernsehen, Aufflligkeitenaus diesem Bereich behandeln. Wie die Gesamtheit der Feuilletonseiten

ein Millionenpublikum erreicht, so werden auch die Kulturprogrammeim Fernsehen von Millionen gesehen.

Unstreitig ist also das Fernsehen ein bedeutender Faktor in unserem kulturellen Leben, dessen Rolle in der ffentlichkeit stets auf zwei Ebenen diskutiert wird: Einerseits geht es dabei um die kulturelle Berichter stattung, um Wiedergabe, Darstellung und kritische Wrdigung von kulturellen Ereignissen und Themen, ber die das Fernsehen mit journalistischem Sachverstand und mit Problembewutsein zu berichten hat.

Andererseits erbringt das Fernsehen auch eine eigene Kulturleistung,indem es etwa Fernseh- und Dokumentarspiele produziert, Filme mitfi nanziert, Theater- und Opernauffhrungen, Ballette usw. ausstrahlt. Wenn Defizite bei der Wahrnehmung dieser zweifachen Funktion des Fernsehens als Kulturvermittler konstatiert und beklagt werden, dann werden als Argumente fast immer die unzureichenden Sendezeiten und die schlechten Sendepltze fr Kulturprogramme angefhrt. Inhalt liche Fragen scheinen dieser Kritik sekundr zu sein; diese beschftigen immer nur kleine Zirkel. Das Dilemma fr den Programmverantwortli chen besteht dann jeweils darin, eine Verteidigung aufbauen zu mssen, da er in jedem Fall gezwungen ist, vom gesamten Programm und von seinem Publikum her zu denken. Als Verteidigungsformeln bieten sichdabei an:

Es ist unzureichend, nicht die gesamte kulturelle Leistung des Fernse hens zu sehen und kritisch zu wrdigen. Die Kultur hat zwar die Lobby die Unterhaltung jedoch dieMehrheit.

Schon wird die essentielle Frage der Kulturvermittlung durch das Fernse hen berlagert von dem vorausgesetzten Konflikt zwischen Kultur und Unterhaltung. Diesen Konflikt gibt es jedoch nur scheinbar, denn Kultur und Unterhaltung sind eigenstndige Programmgattungen. Zwischen ih nen kann es Annherungen, aber keine Identitt geben: Kulturelle Unter haltung und unterhaltende Kultur sind im Gesamtprogramm vorstellbar als Ausnahme, nicht als Regel. Das Publikum will das eine und das andere in Reinform. Allerdings gibt es ein Spannungsverhltnis von

Kultur und Unterhaltung, das von der ffentlich-rechtlichen Koordination und Konkurrenz herrhrt.

Idealtypisch lassen sich Kulturprogramme jedweder Art innerhalb eines Systems sicherlich plazieren. Gibt es aber zwei oder mehr Programmanbieter, so wird jede Form von Schutzplazierung obsolet.

Kultur und Unterhaltung, Koordination und Konkurrenz unterliegen ebenso diffizilen wie fatalen Rahmenbedingungen. Wie kann man die aufgezeigten Rahmenbedingungen nun beeinflus sen? Sicherlich weder durch Larmoyanz noch durch Resignation. Auch nicht mit theoretischen Langzeitbetrachtungen, weil das Fernsehen ein

schnellebiges Verbrauchsmedium ist. Dennoch gilt es fr die Wahrungder Aufgabe, durch das Fernsehen auch Kulturvermittlung fr viele und

wenige sicherzustellen, bei der konkreten Programmarbeit einige Orientierungspunkte zu beachten. Aufgelistet und ungewichtet sind dies: Inhalt

und Ereignishaftigkeit, Live-Mglichkeiten, Kreativitt und Ehrgeiz der Programmacher, Programmablauf, Prsentation, Plazierung. Hier gibtes natrlich Querverbindungen und Abhngigkeiten, doch ist es zunchst angezeigt, jeden Aspekt kurz zu erlutern.

Hierbei ist von einer Selbstverstndlichkeit auszugehen: Fernsehen richtet sich an die Allgemeinheit und will von dieser wahrgenommenwerden, von Mehrheiten und Minderheiten dieser nicht erkennbaren

Gemeinschaft. Wer wie es auch das Fernsehen tagtglich unternimmt verffentlicht, tut dies fr Empfnger: Leser, Hrer, Seher

sollen erreicht werden mit der Publikation, der Rundfunksendung, demFernsehprogramm. Programm machen bzw. ausstrahlen ist kein Selbst

zweck. Die Sendungen sind fr die/den Zuschauer bestimmt; jedes Programm endet auf dem Bildschirm.

Kulturvermittlung bedeutet in erster Linie Inhaltsvermittlung. Welche Inhalte bieten sich an? Zunchst all jene, die in der Kulturszene vorkommen: Ausstellungen, Auffhrungen, Kongresse, Konzerte, Tour neen, knstlerische Wettbewerbe usw ... Sie geben die Vielfltigkeit desnationalen und internationalen Kulturlebens wieder. Kultur wird dabei

verstanden als Grundvorrat an Wissen. Sinnerleben, Traditionen, Sitten,Normen und Ausdrucksformen einer erkennbaren Gemeinschaft sowie ihrer Kommunikationsformen. Von Richard von Weizscker stammt das

Wort: Kultur, das heit Lebensweise, Kultur ist daher auch Politik.

Kultur, verstanden als Lebensweise, ist vielleicht sogar die glaubwrdig ste Politik. Darber ist im Fernsehen zum Beispiel in Magazinform zu berichten. Daneben gibt es noch andere Mglichkeiten: Das Fernsehen kann die Kulturszene nicht nur abbilden, sondern kann sie auch

kritisch unter die Lupe nehmen, indem es Defizite, Fehlentwicklungenund Probleme zum Thema macht. Der Denkmalschutz ist dafr nur ein

Beispiel von vielen. Aber auch eine Frderung des aktuellen Kulturlebens ist denkbar etwa in Form von Literatur- oder Kunstpreisen. Insofern werden ber die vorgegebenen Inhalte hinaus selbstndig Impulse gegeben. Eine andere wesentliche Funktion als Kulturvermittler hat das Fern

sehen, indem es kulturelle Ereignisse, an denen nur wenige teilnehmen knnen, die aber viele interessieren, anbietet, das heit als Programm bertrgt: zu denken ist an Konzerte, Opern- und Theaterauffhrungen,Messen. Das sind Kulturofferten fr kleinere Interessentenkreise. In

Bayreuth werden Die Meistersinger vielleicht von zwanzigtausend Be suchern gesehen. Im Fernsehen sind es dann schon ein bis zwei Millionen

Musica .

Litteratiira

La MoclaLArte ...

Zuschauer. Das lohnt sich, auch wenn es nicht zu vergleichen ist mit der Sehbeteiligung fr populre Programme. Wer den Vergleich quantitativ wagt, ist unredlich. Gegenberstellungen sind in diesem Fall immer kon

struiert. Sie sind gefhrlich, weil undifferenziert, wenn sie ohne Interpre tationen publiziert werden. Abgesehen von dieser Ereignisbernahme verantwortet das ffentlich-rechtliche Fernsehen in der Bundesrepublik,wie schon angedeutet, durch eigenproduzierte Fernseh- und Dokumentarspiele, durch Neuinszenierungen von Theaterstcken oder Literaturverfilmungen jhrlich mehrere hundert Premieren. Auf das ZDF entfallen allein rund hundertzwanzig Stcke, die in die Rubrik Kulturvermittlung einzuordnen sind. Diese Leistungsbilanz fllt fast immer durch das Argu mentationsgitter, wenn es um das Thema Kultur im Fernsehen geht.Leider!

Live-bertragungen vonkulturellen Ereignissen ergnzen diePaletteder Kulturvermittlung im Fernsehen. Ereignis bedeutet Erlebnis, undzwar fr die, die direkt dabei sind, oder fr die Zuschauer zu Hause. Eine Mozart-Messe aus dem Petersdom, La Boheme aus der New Yorker

Met, eine Callas-Hommage am gleichen Abend aus vier europischenOpernhusern, das Londoner Benefizkonzert fr Afrika, die Berichter

stattung ber den Halleyschen Kometen und vieles mehr sind Einmalig keiten. Das Fernsehen macht es mglich, mit Augen und Ohren dabei zu sein, ein Stck Kulturgeschichte direkt mitzuerleben. Vom Programm wert her gesehen, haben solche Ereignisse einen enormen Reiz, zumal sietechnisch zu bewltigen sind. Als aktuelles Medium mu das Fernsehen deshalb seine Live-Mglichkeiten konsequent wahrnehmen. Der personale Faktor bei der Kulturvermittlung durch das Fernse hen ist die Disposition des Programmachers, in anderer Hinsicht natr lich auch die der Knstler. Kreativitt und Ehrgeiz sind neben der voraus gesetzten Kompetenz das Kapital des Programmachers beim Fernsehen, also des Redakteurs. Das sind essentielle Notwendigkeiten. Ohne sie wre das Programmangebot, inhaltlich und formal gesehen, beliebig. Und nichts wre fr das Programm schdlicher als die Kompilation von Beliebigkeiten. Deshalb mssen sich insbesondere die Kultursendungen durch zuschauerbezogene Inhalte, durch Originalitt und Professionalitt ausweisen. Nur so erhalten sie ein unverwechselbares Profil, dasdurchaus die Handschrift der Macher erkennen lassen soll.

Nachdem das Produkt ber den Sender gegangen ist, interessiert zunchst einmal die gemessene Akzeptanz. Nicht zuletzt werden >schlechte< Sendepltze, die und so werden sie kategorisiert geringe Einschaltquoten bringen, gerade beim Kulturprogramm in den Anstal

ten, ihren Gremien und in der ffentlichkeit kritisiert. Unbercksichtigtbleibt dabei aber meist, da es neben dem rein quantitativen Erfolg oder Mierfolg eines Programms auch noch das Kriterium der Qualitt gibt. Was sagt die Kritik, wie ist das Echo bei den Kollegen, welche Reaktionen zeigen die Zuschauer? Der kulturvermittelnde Programmmacher wird sich zu Recht auch intensiv damit auseinandersetzen.

Programmehrgeiz nur von den Einschaltungen abzuleiten, entspricht wohl in praxi nicht dem Ethos der Macher. Das ist gut so, denn sonstwre das bundesdeutsche Fernsehen ein Sinn und Verstand vernichtender

Amsierbereich, ein mediales Las Vegas, leistete es einem inkurablen Unterhaltungssyndrom Vorschub. Der Programmablauf des Fernsehens schliet die Plazierungen von Sendungen zwar ein, mu aber als eigenstndiges Kriterium gerade im8

Kontext der Kulturvermittlung durch das Fernsehen gesehen werden. Ein Programm ist mehr als die Summe von Sendungen. Dahinter steht ein Konzept, das Wandlungen unterworfen ist. Es geht also beim Pro grammablauf darum, nicht Sendungen aneinanderzureihen verbunden durch Ansagen , sondern um Aufmerksamkeit fr die Inhalte und Mglichkeiten der Verbindung zwischen unterschiedlichen Gattungen. Mit anderen Worten: Wie bespiele ich die Sendepltze, gibt es themati

sche hnlichkeiten oder Annherungen, lt sich mit Blick auf die Zuschauer eine >Staffettenbergabe< versuchen und, ganz wichtig, bieten sich Sendeformen an, die Brcken schlagen zwischen unterschiedlichen Genres? Das sind nur einige Aspekte des Programmablaufs, die deutlich machen sollen, da Kulturvermittlung auch von ihrer Dislozierung im Gesamtprogramm her gesehen werden mu.

Zunehmend wichtiger wird dabei der Aspekt, wie man das Publikum an einem Abend fr einen Sender gewinnen kann. Dem sich abzeichnen den Unterhaltungsslalom knnte so wenigstens etwas entgegengewirkt werden. Mit sogenannten interredaktionell gestalteten Ein-ThemenAbenden mu ebenso experimentiert werden wie mit Formen der punktu ellen Verknpfung von Kultur und Unterhaltung oder Kultur und Film,ohne da das eine oder andere Genre dabei zu Schaden kme. Der

tgliche Programmablauf nimmt als ein Wettbewerbsfaktor angesichts der sich vermehrenden Programmangebote immer mehr zu, besonders dann noch, wenn sich ARD und ZDF von ihrer Koordinierungspflichtabnabeln.

Zur Prsentation von kulturellen Programmangeboten ist anzumerken, da es sich hier in erster Linie um die Verpackung der Inhalte handelt.

Dabei geht es weder um die Ansage, den Trailer oder die Telegenitt des Moderators, noch darum, da Kultursendungen sich einem Populismus beugen sollen. Vielmehr ist es ein Anliegen, die Sendungen, abgesehen von den Inhalten, auch optisch attraktiv zu machen, beispielsweise durch die Variierung der Dekoration, das Ausnutzen aller technischen Mglich keiten, oder die Verwendung zustzlicher berraschender Live-Elemente. Zur ffentlichen Prsentation gehrt auch die allgemeine Publizitt. Dar unter ist die Vor- und Nacharbeit in der Presse zu verstehen. Hier zeigen sich noch ungenutzte Chancen. Wenn Kulturvermittlung im Fernsehen eine Aufflligkeit sein will sie sollte es sein , so mu auch das Instrumentarium eingesetzt werden, mit dem Aufmerksamkeit geschaf fen wird. Aufflligkeiten schaffen Aufmerksamkeit und das in allenProgrammsparten.

Fr die Kulturvermittlung im Fernsehen vielleicht am kritischsten, am schwierigsten ist die Plazierung entsprechender Programme. Die Diskussion darber ist wohl so alt wie das Fernsehen selbst. Den Anstalten

wird bestndig der Vorwurf gemacht, die Kultur an den Rand des Pro gramms zu drngen oder auch, politischen Sendungen den Vorzug zu geben. Dabei geht es eigentlich nur um die sogenannte Prime-time. Frdas ZDF ist das bekanntermaen die Zeit zwischen 19.30 und 21.45 Uhr,

die 135 Minuten also zwischen dem Ende von heute und dem Beginn des heute-journals. Dieser Prime-time-Begriff ist allerdings zu eng, wenn man berck sichtigt, da bei der ARD die Prime-time um 20.15 Uhr beginnt und um 22.30 Uhr endet. Mithin gibt es eine ffentlich-rechtliche Kernsendezeit von 19.30 bis 22.30 Uhr an Werktagen. Das sind 180 Minuten, in denen

sich viel Kultur im Programm beider Systeme wiederfindet und auch gesehen wird. Diese Tatsache sollte man beim Formulieren von bekann ten Klagen genau bedenken wie auch den Umstand, da das Fernsehspielum 19.30 Uhr ebenso ein Stck Kulturvermittlung ist wie auch die Oper ab 21.15 Uhr und anderes. Die Reduzierung der stets heftigen Diskussion um die Kulturtermine auf eine einseitige redaktionelle Zustndigkeit leitet in die Irre; genauso falsch ist es zu argumentieren, da das kulturell interessierte Publikum sowieso spter zu Bett gehe. Richtig ist dagegen der Hinweis auf soziospezifische Interessen, auf den mehrheitlichen Wunsch nach ablenkender Unterhaltung gerade am Beginn des Abends und bis zu den zweiten Nachrichtensendungen. Diese Bedrfnisse gibt es

bei allen Zuschauergruppen. Die Prime-time fr Kultur im Fernsehen ist unabhngig davon aber immer spter oder lnger als die fr Unterhal tung. Kultursendungen jeder Art mssen im Programm als Aufflligkeit und zu Zeiten angeboten werden, die den Ansprchen der Zuschauer entsprechen. Fernsehen ist eine Dienstleistung. In der Praxis ist es doch auch so, da Kulturprogramme nicht alle Leute interessieren, nur weil sie um 19.30 Uhr ausgestrahlt werden. Zufllig erreicht werden sicherlich einige Hunderttausend mehr. Und auch Unterhaltung wird um 22 Uhrimmer mehr Publikum haben als eine kulturelle Dokumentation. Aber

es kann, wie gesagt, nicht darum gehen, Programmgattungen gegeneinan der auszuspielen. Ziel mu es sein, sie ideal zu verbinden, um sich denGewohnheiten und Bedrfnissen des Zuschauers anzunhern. Aufschls

se sowie Orientierungspunkte liefert die Medienforschung unter anderem mit Tagesablaufstudien, die ernsthaft zu analysieren sind und deren Er gebnisse Bercksichtigung verdienen. Es ist schon gut, da die Kultur die Lobby und die Unterhaltung die Mehrheit hat. Damit werden Extre me der einen oder anderen Art korrigiert. Kulturvermittlung im Fernsehen darf nicht hochstilisiert werden zu einem Korrektiv der Kultsendun

gen fr Massen. In diesem Fall wre sie Dienerin und nicht mehr souverne Herrin dieses Bild sei erlaubt. Nur als selbstverstndlich und

notwendig kann die Kulturvermittlung im Fernsehen das sein, was siewar und was sie im ffentlich-rechtlichen Fernsehen als einer Verbindung von Treuhnderschaft und gesellschaftlicher Verantwortung so einmalig macht: ein Programmkontinuum, dem das legitime Bestreben eigen ist, mglichst viele Zuschauer zu erreichen. Dieses Programmkontinuum

prgt und akzentuiert gerade das Profil des ffentlich-rechtlichen Rundfunks und wird diese Funktion auch weiterhin wahrzunehmen haben.

10

Kari schneiting

20 Jahre aspekte und wie weiter?

Ein Kulturmagazin, das zwanzig Jahre existiert, hat bereits Tradition. In weniger als zwei weiteren Dezennien erreichen wir das Jahr 2000. Alleindas markante Datum reizt zu einem Blick nach vorn. Die Warnungen,

die schon vor Jahren beispielsweise im Bericht des Club of Rome oder auch in der Studie Global 2000 ausgesprochen wurden, haben vieleMenschen in allen Schichten zum Nachdenken veranlat. Nimmt man

den bergang ins neue Jahrtausend nicht nur als runde Zahl, sondernals Zeitenwende im Sinne eines Umbruchs, dann wchst das Interesse zu

wissen: Was wird sich ndern, oder geht es weiter wie bisher? Die Hinweise auf eine >neue< Zeit nehmen so deutlich erkennbar zu. da sie Beach

tung fordern.

Gleichviel wie tiefgreifend die Vernderungen sein werden, die aufuns zukommen, ein Kulturmagazin wie aspekte wird sein Renommeenur dann bewahren und ausbauen knnen, wenn es sich wie bisher dem

Neuen, auch dem Unerwarteten beherzt und mutig ffnet. Im journalisti schen Verstndnis heit dies, die richtige Themenwahl zu treffen und

jedes gewhlte Thema qualitativ berzeugend darzustellen. Aus der Flle mglicher Themen so zu selektieren, da der allgemein interessierte Zuschauer verstndlich informiert, der Kenner des Kulturbetriebes nicht

enttuscht wird, ist auch bei einem Magazin mit wchentlichem Rhyth mus schwieriger, als es fr Auenstehende erscheinen mag. Um wieviel Ausgewogenheit man sich auch bemht, es wird immer Anstze geben fr kritische Fragen wie: Warum wurde dieses nicht bercksichtigt, jenes so ausfhrlich dargestellt? Absolute Mastbe fr die Auswahl kann es nicht geben. Mancherlei Faktoren spielen eine Rolle, vor allem die Aktualitt des Themas, die Bedeutsamkeit eines Ereignisses, der redaktionell gesetzte Schwerpunkt, nicht zuletzt und durchaus legitim die Interessen und besonderen fachlichen Eignungen der redaktionellen Mitarbeiter. Und immer gilt es zu verhindern, da der wchentliche Rhythmus zur Routine, die Vielfalt des thematischen Spektrums zur Verzettelung fhrt. Vor allem aber darf in der Aktualitt des Tages und der Woche nicht das Gespr verlorenge hen fr Entwicklungen, die weniger ins Auge fallen, aber tiefer greifen. Solche tiefergehenden Entwicklungen hat aspekte stets frhzeitigund mit Nachdruck thematisiert. Als noch Betonsilos fr statistisch

errechnete Durchschnittsfamilien hochgezogen wurden, setzte sich aspekte fr menschlicheres Wohnen und bio-organische Baustoffe ein. Als man noch jedes neuerbaute Stck Autobahn als Fortschritt feierte, als man um dieses Fortschritts willen noch unbedenklich in kologische Naturzusammenhnge eingriff, warnte aspekte vor Landschaftszerst rung und irreparabler Schdigung der Umwelt. Als Stadtsanierung noch ein Schlagwort war, dem wertvolle alte Bausubstanz geopfert wurde, machte die Redaktion durch ihre Filmbeitrge deutlich, da sie Themen

wie Stadtplanung, Wohnformen und kologie durchaus mit dem BegriffKultur verbindet. Schon 1974 erhielt Reinhart Hoffmeister, seinerzeit

Leiter der Redaktion aspekte, fr seine Aktion Brger, rettet Eure Stdte! die Schinkel-Medaille in Gold. Von Hoffmeister spannt sich der11

Bogen bis zu Dieter Schwarzenau, der 1985 den Preis der Deutschen Stiftung fr Denkmalschutz entgegennahm. Auch das gesellschaftliche Gesprch ber die geistigen Tendenzen und Strmungen unserer Zeit fand immer wieder Niederschlag in Sen dungen. Erinnert sei nur an die Sendungen mit Carl Friedrich von Weiz scker, Fritjof Capra und Herbert Pietschmann ber den Wandel in den

Grundanschauungen der Menschen, den vielbeschworenen ParadigmenWechsel. Auch das Thema Anthroposophie war wegen seiner wachsen den Bedeutung, die sich auch in einer Flut von Publikationen nieder schlug, ein Gegenstand der Planung in der Redaktion. Wenngleich die groe Spiegel-Serie zum gleichen Thema die Redaktion bewog, ihr Vorhaben zunchst zurckzustellen, so soll es doch 1986, im Jahr des 125.

Geburtstages von Rudolf Steiner, in aspekte aufgegriffen werden. Will das Kulturmagazin des ZDF in den vierzehn Jahren bis zum Jahrtausend wechsel eines der wichtigen Foren fr die bewegenden Zeitthemen blei ben, stellt sich die Frage: Welches knnten die geistigen Strmungen sein, die strker als die Ben der Tagesaktualitt den Kurs des Schiffes >Gesellschaft< steuern werden? Gewi, jede Voraussage lt sich erst im Rckblick verifizieren. Zum verantwortlichen Handeln gehrt gleich wohl, da wir uns immer wieder Gedanken machen ber knftige Ent wicklungen.Mit diesen knftigen Entwicklungen verbindet der Autor dieser Zeilen, selbst keineswegs Anthroposoph, den Namen Rudolf Steiner auch wenn dieser in den sechs Bnden des im Propylen-Verlag erschienenen Werkes Die groen Deutschen keine Aufnahme gefunden hat. Nach seiner Lehre fhrt die Entwicklung der menschlichen Erkenntnisfhigkeit zu einer fortschreitenden Wesensschau des Geistigen in Welt und Mensch.

Und wiederum fllt auf, da selbst bei jenen, die den Bewutseinssprung der Menschheit fr unser >Zeitalter der Wandlungen< prognostizieren, der Autor Rudolf Steiner keineswegs im Mittelpunkt des Denkens steht.Doch wchst die Erkenntnis, da seine Lehren sich bewhren, wo immer

sie in seinem Sinn praktisch angewendet werden wie in der biologisch dynamischen Landwirtschaft, der anthroposophischen Heilpdagogikund Medizin, den Waldorf-Schulen und manchem anderen mehr. Die

geistige Auseinandersetzung mit seinem umfangreichen Lebenswerk hat eingesetzt. Das Fernsehen wird sich knftig sehr viel strker als bisher mit grundle gend neuen Denkmodellen auseinanderzusetzen haben. Warum? Unsere

Zeitwirdallzusehr beherrscht von Resignation, von ngstenund endzeitlicher Katastrophenstimmung. Einige der Grnde des kollektiven Unbe hagens lassen sich mit wenigen Stichworten bezeichnen: die atomare Rstung, die jetzt durch SDI auch in den Weltraum bergreift; die Zerstrung des kologischen Gleichgewichts; die Hungersnte in der Dritten Welt. Als weiteres Beispiel sei nur das Gesundheitswesen noch genannt, in dem so deutlich wie in kaum einem anderen Lebensbereich des Westens der Wandel zu einem neuen Denken sprbar wird. Die Menschen gehen auf Distanz zur Schulmedizin, die ihnen allzusehr auf die Symptome der Krankheit und die Behandlung allein des Krpers fixiert erscheint. Sie erkennen wieder strker den Zusammenhang von Krper, Geist und Seele. Die chemische Arznei wird nicht mehr selbstver stndlich angenommen, weil man sich der Nebenwirkungen bewut ge12

worden ist. Schlielich gab auch zu denken, da trotz des enormen Fortschritts in der technisch-apparativen Medizin die eigentlichen Hin tergrnde der Krankheitsentstehung und -entwicklung vor allem im psy chosomatischen Bereich noch weitgehend im dunkeln liegen. Dies und manch andere Desillusion trugen dazu bei, da der Glaube an den Fortschritt einer weitverbreiteten Sorge wich. Der Mann auf der Strae traut den beschnigenden Reden der Experten und Politiker nicht mehr und begibt sich auf die Suche nach neuen Inhalten, nach Orientie rungshilfen, die er auch im Fernsehen irgendwo zwischen Nachrichten sendung und Schwarzwaldklinik zu finden hofft. Viele nachdenkliche Menschen erkannten in den Krisen die Folgen einer materialistischen

Denkweise, die allzu kurz gegriffen hatte: Sie setzte die Materie an dieerste Stelle, fr sie war das Bewutsein eine Eigenschaft komplexer mate rieller Strukturen, eine Eigenschaft, die irgendwann als Folge biologischer Evolution hervortritt.

Entsprechend sah sie den Fortschritt des Menschen im Wachstum seiner materiellen Basis. Der heutige Mensch nun sieht diese Basis mit samt seiner eigenen Existenz durch eben diesen Fortschritt in Gefahr und sucht im Ausgleich den Weg zu seinem Innern. Zugleich dringt die Er kenntnis der Naturwissenschaft unseres Jahrhunderts ins allgemeine Be wutsein, da der Geist nicht als Sptfolge in der Evolution des Lebens entstanden ist, sondern schon immer als Matrix, Quelle und Bedingung der physikalischen Realitt da war, da der Stoff, aus dem die physikali sche Realitt besteht, Geist ist (Prof. George Wald auf der Tagung der Medizinnobelpreistrger in Lindau 1984). Der Glaube an die Macht desBewutseins ber die Materie bricht sich Bahn. Inzwischen werden ziem

lich einhellig als Antwort auf die scheinbar ausweglose Lage eben nicht neue technische Verfahren und bessere Apparaturen gefordert, sondern grundlegende Bewutseinswandlungen als Schlssel fr die Transfor mation des einzelnen und der Gesellschaft. Die beiden groen Kirchen in der Bundesrepublik sprechen in einer gemeinsamen Erklrung von notwendigen Vernderungen bis auf den Grund des menschlichen Ver haltens und der Ordnung dieser Welt. So zu tun, als ginge es mit kleinen Korrekturen hier und dort so weiter wie bisher, als sei mit den Rezepten von gestern und vorgesternAbhilfe zu schaffen, wird sich, so steht zu befrchten, als eine Selbsttu

schung erweisen. Die groe Zeitenwende scheint immer weniger eine Frage von falscher oder richtiger Prophetie, sondern schiere Notwendig

keit frs berleben, und es wird tatschlich nichts Geringeres gefordertals ein vllig neues Denken, wenn wir den grandiosen Aufstieg in Naturwissenschaft und Technik nicht mit einem tiefen Fall beenden wollen.

Ein Wandel dieser Art wird nicht wohlfeil zu haben sein, ihn werden

vielmehr groe geistige Auseinandersetzungen begleiten. Die zutage getretenen Probleme lassen sich nicht auf der Ebene eben dieser Probleme

lsen. Aus dem militrischen Sicherheitsdilemma kommen wir beispiels weise nicht heraus durch immer mehr und immer bessere Rstung. Die vieldiskutierten Probleme der Apparatemedizin lassen sich nicht lsen mit immer kostspieligeren Apparaten, und der Informationsberflutungwerden wir nicht Herr durch immer neue, immer zahlreichere Informatio

nen. Die Lsungen fr die Probleme unserer Welt erfordern deshalb grundlegend neue Denkanstze. Der Proze tiefgreifender Vernderungen, der in einigen Bereichen

bereits begonnen hat, kann nicht spurlos an den Medien vorbergehen.13

Die Rundfunkanstalten spiegeln das Bewutsein der Gesellschaft wider und schaffen ihrerseits Bewutsein. Ein wchentliches Fernsehmagazin wird eines der ffentlichen Foren sein fr diesen Wandel, aspekte wird,wenn es nicht abseits stehen will, die neuen kulturellen Trends thematisie

ren, sie dem prfenden Wechselspiel der Meinungen aussetzen und kri tisch engagiert die oftmals verblffend neuen Anstze fr Krisenlsungenzur Debatte stellen.

Die oben skizzierten Fehlentwicklungen haben in der Bevlkerung auch zu einer Krise der Sinnfindung gefhrt. Sie merkt, da der uere Wohl stand, den noch die Groeltern so nicht zu erhoffen wagten, sie innerlich keineswegs befriedigt. Das kann doch nicht alles gewesen sein dieses Lied zur Gitarre, das Wolf Biermann fr ein Fernsehspiel des Saarlndischen Rundfunks schrieb, wurde zu einer Art Leitmotiv der in den

siebziger Jahren beginnenden Nachdenklichkeitswelle. Seit Beginn der achtziger Jahre ist das Interesse der Menschen an Fragen nach ihrem Selbst, nach einer kosmischen Ordnung, nach Schpfer und Schicksal, nach Tod und Wiedergeburt noch einmal verstrkt hervorgetreten. Dies zeigt sich unter anderem an der stndig wachsenden Zahl von Publikatio nen und daran, da viele groe Verlage sich jetzt auch dieses Themenbe reiches angenommen haben. Man mu kein Prophet sein, um vorherzusa gen, da bis zum Jahr 2000 die Frage nach dem Sinn von Mensch und Welt sich nicht beruhigen, sondern immer mehr Menschen bewegen wird. Es steht also drittens zu vermuten, da aspekte mit diesem groen Fragenkreis, der den tieferen Kern jeder Kultur ausmacht, kon frontiert sein wird. Dieser >religise< Aufbruch dies zeichnete sich schon in den vergangenen Jahren ab ist im Gegensatz zur Revolte von 1968 keine Bewegung nur der studentischen Jugend, sondern erfat alle sozialen Schichten. Daher schon jetzt die unerwartet groe Resonanz auf Sendungen, die sich in spirituelle Dimensionen wagen. Die Sinnsuche, auch dies ist seit einiger Zeit deutlich geworden, bewegt sich nicht so sehr im Rahmen hergebrachter Konfessionen, zielt auch weniger auf religise Lehren als auf eigenes Erfahren anderer Wirk lichkeiten. Hierbei gehen die Menschen ganz bewut eigene Wege, vom jahrtausendealten Yoga des Ostens bis zur transformativen Psychologie des modernen Westens. Wenngleich es auch ein neues Erwachen inner halb der Kirchen gibt, wie es die Pfmgstgemeinden und charismatischen

Gruppen zeigen, stellen doch alle Beobachter bereinstimmend fest, dader Strom des neuen Bewutseins in einem erstaunlich geringen Mae

von den Kirchen ausgeht, aber auch kaum in die Kanle der etablierten Religionen fliet. Das Angebot an Lebenshilfeseminaren auerhalb kirchlicher Einrichtungen erweitert sich stndig und erfreut sich trotz Gebhrenpflicht eines seit langem wachsenden Zuspruchs. Marilyn Fer

guson spricht von >BewutseinstechnologienDurchblicker-AttitdeKundenMrkteKultur und Wissenschaft in den Zeitungen zu bezeich nen (92%), bei den Typen 4 und 5 lesen nur je ein Drittel Artikel ausdiesen Bereichen.

Als Resmee dieser Ergebnisse bleibt die Feststellung, da an ein Kulturmagazin wie aspekte diffuse, zum Teil gegenlufige Programm erwartungen gerichtet sind. 10. Es hat den Anschein, als sei der Weg, ber Statistiken und Umfrageergeb nisse zu kulturellen Institutionen und Angeboten Anhaltspunkte fr die Bewertung jener 8 Prozent Einschaltquote oder 2,63 Mio Zuschauer zu

gewinnen, doch nicht sehr ergiebig gewesen. Es sieht vielmehr eher so aus, als knnte aspekte ber den Kreis der Kulturinteressierten hinaus Zuschauer ansprechen, die von den anderen Institutionen und Medien nicht erreicht werden. Ein in der Fernsehforschung hinlnglich bekanntes Phnomen, nmlich die mindestens teilweise Auerkraftsetzung der selektiven Wahrnehmung beim Fernsehverhalten ist hierfr haftbar zu machen. Fernsehen kennt nicht solche Schwellenngste fr die einen nicht gegenber Kultur, nicht gegenber Politik, fr die anderen nicht gegenber trivialen Serien und Unterhaltung. Es besteht zumindest eine Chance, da situativ bedingt jemand eine Sendung sieht, fr deren Thematik er sich nicht interessiert zeigte, wrde man ihn im Inter view danach fragen. So erklrt es sich, da zum Beispiel im letzten Quartal des Jahres 1982 immerhin 12,25 Mio Zuschauer mindestens eine der zwlf, aber nur 0,51 Mio sechs und mehr der zwlf angebotenen aspekte-Sendungen gesehen haben. Drei bis fnf aspekte-Sendungen haben 2,71 Mio Zuschauer gesehen. Viel >LaufpublikumStammpublikum< wie bei den meisten Fernsehreihen, zum Beispiel auch bei politischen Sendereihen.11. Aber vielleicht gehrt diese fernsehspezifische Chance, an der Barriere der selektiven Wahrnehmung vorbei oder ber sie hinweg Zuschauer zu erreichen, bald der Vergangenheit an. Der Ausblick in die Zukunft der elektronischen Medienangebote signalisiert Vernderungen, die nicht zu letzt die kulturellen Angebote des Fernsehens betreffen. Meine These ist, da aspekte jene Zuschauer mehr und mehr verlieren wird, die kein gerichtetes Interesse an der Thematik des Kulturmagazins haben, also vor allem jene 6,64 Mio Seher, die in dem oben genannten Quartal nur einmal aspekte gesehen haben, sprich: die >LaufkundschaftArbeitshaltung< beim Zuschauervoraussetzen. Man kann ihr aber auch einen positiven Aspekt abgewin nen, verbleibt doch nur jenes Publikum, das explizit an der gebotenen30

Thematik interessiert ist. Kleiner, aber feiner, knnte man formulieren, will sagen: Das aspekte-Publikum nhert sich bei einer Angebotsver mehrung durch neue, unterhaltungsorientierte Programme tendenziell dem durch eine aktive Teilhabe am kulturellen Geschehen ausgewiesenen Publikumssegment. Mit der spezifischen Bild-Ton-Qualitt des Mediums wird es ergnzend und erweiternd das Informationsbedrfnis derer be friedigen, die Bcher lesen, Theater und Kunstausstellungen besuchen,sich fr Denkmalschutz interessieren oder fr die Filmkunst.

31

Hannes Keil

Die Qual der Wahl

Wie entsteht eigentlich das wchentliche Programm eines aktuellen Kul turmagazins? Diese oft gestellte Frage lt sich, ohne letzte Redak tionsgeheimnisse zu verraten, recht einfach beantworten: durch Zufall. Freilich nicht durch jenen ordinren Zufall, wie er etwa Nachrichtensen dungen kennzeichnet, die zu vermelden haben, was ihnen an Material jeweils zugefallen ist. Eine wchentliche aktuelle Kultursendung hat vielmehr die Chance, den Zufall auf das feinste zu lenken, so da man den

Proze der Programmgenese als kybernetische Aleatorik bezeichnenknnte.

Die

Wrfel in diesem Spiel sind unter anderem: die Flle vorhersehbarer Ereignisse die Aktualitt pltzlicher Ereignisse das Engagement einzelner Mitarbeiter fr ein Thema vertrauliche Information aus eingeweihten Kreisen gruppendynamische Prozesse in Redaktionskonferenzen zufllige Brainstormings in der Kantineund nicht zuletzt der Informationsdruck und der Versuch der Einflunahme von Interessenvertretern.

Diese und noch zahlreiche weniger offenkundige Faktoren zu einer Folge von Sendungen zu bndeln, dient ein System lngerfristiger Planung, die bis hin zum Tag der jeweiligen Ausstrahlung einer stndigen Anpassung an die neuesten Entwicklungen unterliegt. Das Ideal, das hier zugrunde liegt, ist das Bestreben, einen fiktiven regelmigen Zuschauer in die Lage zu versetzen, sich ein ungefhres Bild von den hauptschlichen Entwicklungen jeder Art von Kultur um ihn herum zu machen das heit, den >Zeitgeistungefhr< und >in groben Zgen

eines Kulturmagazins, in dem jhrlich vielleicht fnfzig Berichte ber bildende Kunst vorkommen. Das sind in zwanzig Jahren immerhin rundtausend.

Diese tausend Berichte sind zumeist sorgfltig und nach langen Dis kussionen, Analysen usw. ausgewhlt worden. Es ist abgewogen worden, ob sie journalistisch interessant waren, ob sie dem Zuschauer etwas entscheidend Neues boten, ob sie aus irgendeinem Grunde sich aus dem brigen Kontext der Kunst heraushoben usw. Kurz, sie sind nach allen Regeln redaktioneller Arbeit ins Programm gehoben worden. Betrachtet man das enzyklopdische Ergebnis von zwanzig Jahren Kunstberichterstattung in aspekte und kennt man das Gesetz der groen Zahl, kommt man nicht ganz um den Gedanken herum, da das Gesamtergebnis in nahezu gleicher Weise vielleicht auch erreicht worden wre, wenn man einen Kalender der jeweils ernstzunehmenden Ausstel lungen an die Wand geheftet und nach Magabe darauf geschleuderter Dart-Pfeile die Auswahl getroffen htte. Diese Methode htte angesichts der eingangs geschilderten verwir renden Komplexitt des Kunstgeschehens, der immer rascher wechseln den Kunstmoden, der immer raffinierteren Marketingmethoden des Handels und des immer mehr um sich greifenden Starrummels der Knst ler wenigstens den Vorzug der Objektivitt. Andererseits wrde diese Art der Lenkung des Zufalls wahrscheinlich als Zynismus und Kapitulation vor der neuen Unbersichtlichkeit angesehen. Man wird sich also wohl weiterhin bemhen mssen, die Qual einer Art unfreiwilligen Kunstrichtertums auf sich zu nehmen, die nur dadurch gemildert wird, da man sich der Zuversicht hingibt, eine Reihe von kundigen Autoren mit verschiedenen Sichtweisen brchte auf die Dauer nach dem Gesetz der groen Zahl eine hinlnglich zufrieden stellende Rasterfahndung nach dem jeweiligen Zustand der Knste unserer Zeit zustande.

34

Hannes Keil

Das Kunstwerk im Zeitalter seiner

elektronischen UnreproduzierbarkeitAuf den ersten Blick scheint es ein Glcksfall fr die Kunst zu sein, da das Farbfernsehen erfunden wurde. Ende der sechziger Jahre glaubte

man, nunmehr knnten die Menschen massenweise und auf das bequemste am Kunstbetrieb teilhaben.

Der gegenwrtige Kunstbetrieb spielt sich wesentlich in geschlosse nen Kreisen fr Eingeweihte und Kenner ab, schrieb 1967 der damalige Hauptabteilungsleiter Kultur des ZDF, Wolfgang Brobeil. Die Isolationvom breiten Publikum, die das bedeute, wolle das aktuelle Kulturmaga

zin aspekte berwinden helfen; es solle vor allem die heutigen Knstlerund ihre Produktionen dem Publikum nherbringen und Verstndnisdurch kritische Information wecken.

Das scheint in vielen Fllen auch geglckt zu sein, wie die derzeit gewaltigen Besucherzahlen der Museen beweisen. Es ndert aber nichts daran, da zeitgenssische Kunst die Angelegenheit einer Elite gebliebenist, selbst wenn es mit Hilfe des Massenmediums gelungen sein sollte,diese Elite vielleicht zu verzehnfachen.

Kunstbetrachtung, zumal die extrem flchtige im Fernsehen, setzt nun einmal einige Grundbereinstimmungen von Filmautor und Publi kum voraus. Eine Tennisbertragung, die neuerdings die grte Leiden schaft unserer Mitbrger ist, sagt mir zum Beispiel gar nichts, weil ich die Regeln, die dem seltsamen Treiben zugrunde liegen, nicht kenne. Dadas sich wahrscheinlich aber bei den meisten Menschen ebenso verhalten

drfte, ist die Begeisterung eigentlich noch geheimnisvoller, lt anderer seits jedoch die Hoffnung zu, da das Publikum in aspekte einen Kunstbeitrag ber sich ergehen lt, ohne jemals zuvor an dergleichen interessiert gewesen, dies im glcklichsten Falle aber geworden zu sein. Wenn berhaupt, geschah das fast ausschlielich ber die Persnlichkeiteines Knstlers, wenn dieser selbst in dem Film auftrat.

Vielleicht liegt darin die bedeutendste Chance des Mediums, denn die lngst vorhandene Mglichkeit, Kunstwerke farbig in Bchern und Zeitschriften abzubilden, hat den Kreis der Kunstinteressierten ja nicht gerade zur Massenbewegung werden lassen. Da dies aber auch mit Hilfe des Fernsehens nicht gelingen wird, liegt im Wesen der Kunst. Schon in seinem Buch Kunst und Gesellschaft schreibt Herbert Read: Auf der einen Seite steht die groe Masse, die man Gesellschaft oder Volk nennt, mit ihrem Verlangen nach Naturalismus oder Realismus, nach einem Bild, das etwas erzhlt. Auf der anderen Seite steht der Knstler, als Persnlichkeit oder als Teil einer eng um grenzten Elite, mit seinem Verlangen, seine Gefhle oder seine Gedanken

auszudrcken. Demgem entsteht eine Spannung, ein Gegensatz zwi schen Knstler und Gesellschaft. Nun drfte es aber einen groen Teil des aspekte-Millionenpublikums geben, der auch gar nicht von der Kunst einzelner Knstler berzeugt werden will, der aber informiertwerden mchte, was sich um ihn herum so tut, eben auch auf dem Gebietder Kunst.

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Information zu bieten, drfte mit zwei Ausnahmen auch vom Wesen des Fernsehens her die einzige Mglichkeit des Mediums sein. Das Fern

sehen ist nicht die Reduktion des Kinos auf husliche Dimensionen,sondern die Erweiterung des Radios um das Sichtbarmachen der Her kunft des Tons, ein Sprech- und Informationsmedium also. Interessanter

als die auf dem Schirmvorgefhrten Kunstwerke ist das, was dazu gesagtoder durch musikalische Interpretation intendiert wird. Man stelle sich nur vor, in einer puristischen TV-Galerie wrden Kunstwerke stumm vorgefhrt. Ganz abgesehen davon, da das wegen der schieren Gren verhltnisse des Bildschirms und der Werke nicht mglich ist ohne die Vermittlung durch Kameraeinstellungen, Schnitt und eben den Text bliebe das Gezeigte schlicht unverstndlich. Es sei denn, es wre fr Gre und Format des Bildschirms eigens hergestellt.Und damit sind wir bei den beiden Ausnahmen: Videokunst und

andere eigens fr den Bildschirm konzipierte Werke eignen sich natrlich bestens fr die Ausstrahlung im Fernsehen, was allerdings noch nichts ber die Aufnahme beim Publikum besagt. Aktionskunst, die jedoch auch wieder nur >vermittelt< werden kann, ist oft berhaupt nur filmisch

an die ffentlichkeit zu bringen und wird nicht selten gezielt fr dieDokumentation im Fernsehen produziert. Auf die kinsthetischen Pro bleme bei der Vermittlung von Kunst im Fernsehen die der im Kino

hnlich sind soll hier nicht nher eingegangen werden. (Siegfried Kracauer tat das erschpfend in seiner Theorie des Films.) Statt dessen sei noch einmal Wolfgang Brobeil zitiert, der bei Aufkommen des Farb fernsehens 1967 den Filmautoren einige Weisheiten mit auf den Weg gab,auf die sich mancher wieder einmal besinnen sollte: Kunstwerke drfen

vor allem nicht mehr so kurz gebracht werden, wie dies im Schwarzwei film blich geworden ist. Es war auch bisher schon eine Unsitte, da die von Knstlern gemalten Bilder oft nicht viel lnger gezeigt wurden als Aufnahmen realer Dinge und Vorgnge. Dem Zuschauer wurden nur wenige Sekunden Zeit gelassen, in denen er das dargestellte Objekt geradeoberflchlich aufzunehmen vermochte. Aber erst beim intensiven Be

trachten kann er die Komposition des Bildes erkennen und seine knstle rischen Realitten nachempfinden. Wenn nun die Farbe hinzukommt,

mu der Bildwechsel noch langsamer und jede Kamerabewegung noch ruhiger werden. Da die Form- und Farbkomposition als Ganzes begriffenwerden mu, darf die Totale auch nur mavoll in Detailausschnitte

zerlegt werden. Das wird zwangslufig dazu fhren, da wir in der begrenzten Sendezeit eben weniger Bilder darbieten als bisher. Wir sollten jedenfalls die bildende Kunst, diesen kostbaren Schatz des Farbfernse hens, nicht als Material flchtiger Montagen verschleudern, sondern ihn werkgerecht und damit wahrhaft bildend erschlieen. Da die Praxis in den letzten zwanzig Jahren vielfach anders aussah,ist nicht auf den bsen Willen der Filmer zurckzufhren, sondern auf

vermeintliche und tatschliche Zwnge bei der Umsetzung von Kunst in bewegte Bilder. Da es in den letzten zwanzig Jahren auch Glcksflle auch in aspekte gegeben hat, liegt an einem bemerkenswerten Umstand : Ein Film ber Kunst kann selbst Kunst sein.

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A. R. Penk

Biennale Venedig '8437

Gesprch zwischen HartmutWrede (Hrzu)und

Kultur - ja bitte!

Uwe Kammann (epd)

Wrede Wir haben uns zusammengesetzt zwei nicht dem Fernsehen angehrende Journalisten , um zu sprechen, einerseits ber das Maga zin aspekte als solches, aber da meine ich, wren wir sehr schnell fertig. Andererseits sollten wir das Gesprch ein bichen ausweiten auf den Kulturbegriff im Fernsehen im ganzen, denn wenn ich es richtig verstehe: aspekte ist ja zunchst einmal ein Vehikel der Berichterstat tung, das heit, es ist eine Sendereihe, die ber Kultur berichtet, aber eigentlich selbst keine Kultursendung. Keine Sendung, die Kultur imreinen Sinn ist.

Kammann Das wre sicherlich ein Punkt, an dem man schon anfangen mte nachzudenken: Ist eine Sendung, die innerhalb eines groen Gesamtprogramms luft, nicht auch Bestandteil einer Gesamtkultur des Fernsehens? Also: hat nicht auch die Veranstaltung Fernsehen etwas beizutragen zu dem, wie wir uns selber verstehen, wie wir miteinander umgehen, wie wir uns in Beziehung setzen zur Welt, zu Menschen? Ichmeine, das hat schon etwas damit zu tun. Man kann nicht einfach eine

Sendung als Kstchen herausnehmen und sagen, hier findet so etwas wie

eine neutrale bermittlung statt, wir sind nur so ein Transmissionsriemenfr Ereignisse, die auerhalb der Fernsehanstalten stattfinden und diedort mit dem Etikett Kultur versehen werden.

W. Kann ich das mal vertiefen? Sind Sie denn der Auffassung, da die Veranstaltung von Fernsehen an sich schon eine kulturelle Leistung ist? Wrden Sie den Kulturbegriff insgesamt so weit fassen, da Sie sagen,Fernsehen wre an sich schon Kultur? K. Also fr mich steht das auer Zweifel. Auch wenn man immer

wieder fragen kann, welche Bedeutung hat diese Kultur, in welchem

Mae unterscheidet siesichvon anderen uerungen und Darstellungsformen, die wir im Umgang miteinander pflegen? Mir erscheint es sogarals wichtigste Kulturuerung, die wir in unserem Leben haben. Zumin dest im Alltagsleben der meisten spielt das Fernsehen eine doch fast berragende Rolle; wenn man einfach den Zeitaufwand sieht, wenn man sieht, da das Familienleben ja doch bei sehr vielen Menschen durch die Programmeinteilung des Fernsehens bestimmt wird; wenn man wei, da Gesprchsstoffe geliefert werden am Arbeitsplatz oder in jeder belie bigen Situation durch das Fernsehen, dann wei man, da dort einFaktor ist, auf den man sich bezieht. Insofern meine ich, da ohnehin menschliches Leben aus dem Sich-Mitteilen, aus dem Austausch besteht,

ist das Fernsehen als eine technische Form der Mitteilung und ber deren Einschrnkung und Mglichkeiten wre natrlich lange noch zu reden eine ganz eminente Sache der Kultur. Fernsehen ist Alltags kultur und in vielerlei Hinsicht vielleicht sogar der bedeutendste Ausdruck dieser Kultur in der modernen Zeit.

W. Nun lassen Sie mich einmal provozieren: Ich stelle die These auf, da Kultur des Fernsehens berhaupt nicht bedarf. Das Fernsehen gibt38

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es nach dem Krieg seit 1952/53, es existiert berhaupt erst seit 1935/36,aber es hat immer Kultur gegeben. Auch vorher, ohne das Fernsehen, und wenn man sich mal vorstellen wrde, es wrde durch irgendeinen merkwrdigen Akt ab morgen kein Fernsehen mehr geben, dann wrde es natrlich trotzdem weiterhin Kultur geben. Ich gehe noch weiter: Es gibt im Fernsehen eine ganze Vielzahl von Bereichen, bei denen sehrzweifelhaft sein drfte, ob es sich um Kultur handelt. Die reine Bericht

erstattung (Nachrichtensendungen) kann keine Kultur in diesem Sinn sein. Selbst bei der Unterhaltung gibt es sehr flieende Grenzen. Ich kann mir nicht vorstellen, da Dallas oder Denver-Clan, selbst Die Schwarzwaldklinik, die so viele schtzen und lieben, oder Derrickoder Krimis wie Der Alte, da das Kultur sein soll. Das wre fr mich

eine Denaturierung dieses Begriffs.K. Das hiee also, Herr Wrede, Sie sagen: Kultur, das ist etwas sehr Ausgewhltes, etwas Erlesenes, etwas Gediegenes; also etwas, das man mit groer Bewutheit herstellt, vor allem in Kunstprodukten im klassi schen Sinn, seien es die bildenden Knste, sei es Musik, sei es Theater, sei es Tanz, sei es Literatur, sei es Film. Die Art, wie wir uns selber

verhalten, wie wir denken, wrde also nicht so sehr unter diesen engerenBegriff fallen. W. Das mu aber eigentlich so sein! Das ZDF hat einen Fernsehrat und verschiedene Ausschsse fr die einzelnen Sparten, und es hat aucheinen Fernsehratsausschu fr Kultur und Wissenschaft. Interessanter

weise heit er Kultur und Wissenschaft, wobei unterstellt wird, da Wis senschaft was anderes sein sollte als Kultur. Es gibt auch einen Ausschu fr Politik undZeitgeschehen, und es gibt dann auch eine Hauptredaktion

Kultur, in der interessanterweise wiederum eine Unterabteilung fr Wissenschaft ist. Wenn das nicht so wre, knnte man vielleicht wirklich sagen: Die Veranstaltung von Fernsehen ist Kultur schlechthin. Man kann aber auch eben einengen auf den klassischen Kulturbegriff, der sich

etwa im vergangenen Jahrhundert richtig ausgeprgt hat. Da fllt bri gens auch beim ZDF eine Sparte wie Medizin noch darunter. Medizin ich wei nicht, ob Sie das fr Kultur halten? Ich wrde eher sagen, die Wissenschaft von der Medizin, also die Vermittlung, das Studieren von Medizin, oder berhaupt auch ein Medizinmagazin wie das Gesund heitsmagazin PRAXIS , das knnte ich fr eine kulturelle Leistung halten. Und schlielich: Ich glaube, da der Kulturbegriff im engeren Sinn in der Tat durch die Leistungen und Berichterstattungen von aspekte im guten Sinn abgedeckt und gegriffen wird. Da ist nichts zuviel und nichts zuwenig. Das ist der Begriff, den ich fr Kultur halte;wobei ich nochmals sage, aspekte ist fr mich nicht Kultur, sondern eine journalistische Sendung.

K. Vielleicht noch mal ganz kurz zu unserem Disput ber das, was man jetzt zur Kultur zhlen sollte. Der Streit ist natrlich uralt, und jeder behauptet etwas. Recht greifbar ist es nie. Ich sage einfach eine schlichteDefinition fr mich: Kultur ist alles das, was den Menschen betrifft. Ich

erinnere mich an eine Sendung gestern ber das Fernsehen in Italien. Dort stand in einer neapolitanischen Wohnung der Fernseher direkt neben dem Etisch, der gerade gedeckt war, zwei Meter weiter war das Bett. Der Fernseher lief dort, wie der Reporter berichtete, praktisch40

ununterbrochen den ganzen Tag. Damit ist ein ganz einschneidender, bestimmender Faktor da. Ein Einschnitt gegenber frheren Lebensfor men, im Leben dieser Familie und, wie man hrt, im Leben vieler anderer Familien auch, das heit, da sie damit in ihrem Selbstverstndnis sich sicherlich ganz anders bewegen als frher. Und man spricht dort tatschlich auch von einer Art anderer Lebenskultur. Manche wrden dies sicher

ablehnen, ich meine, es gehrt dazu. Aber sicherlich hat es auch sein Recht und ja auch eine gute praktische Begrndung, wenn man Arbeits bereiche einteilt, also wenn es jetzt einen Fernsehratsausschu gibt und Hauptabteilungen und -redaktionen. Das hat einfach seinen Grund auch darin, da man die groe Menge dessen, was man vermitteln mchte,einteilen mu, um sie handhabbar zu machen. Das heit, es sollte Leute

geben, die mit bestimmten Dingen besonders gut umgehen knnen, und da ist es keine Frage, da man auch die Spezialisten braucht, die sich um eine knstlich abgegrenzte klassische Kultur kmmern und die das dann

mit mehr oder weniger Erfolg eben auch in einem ich betone es noch mal Kulturmedium ersten Ranges, wie das Fernsehen es ist, tun.W. Mit Worten kann man natrlich sehr viel ich betone, ich meine nicht Sie mit Worten kann man falschmnzen. Es wird ja auch von

politischer Kultur gesprochen, von Ekultur; ich habe aus dem Munddes Intendanten des ZDF sogar mal das Wort Kneipenkultur gehrt. Das sind natrlich alles Hilfsmnzen, mit denen man irgend etwas be schreibt, was fr mich berhaupt nichts mit Kultur zu tun hat. Ich sage nochmals: Politik und Berichterstattung ber Politik wrde ich aus dem Bereich Kultur absolut ausgrenzen. Und wenn wir uns insofern einig sind, da wir uns ber den Begriff Kultur an sich nicht ganz einig werden knnen, dann wrde ich mir vielleicht erlauben, berzuleiten auf

aspekte. Eine kritische Bemerkung zu diesem Magazin, das ich auchsehr intensiv sehe, ist: Ich habe, vielleicht auch nur in letzter Zeit, ein

bichen den Eindruck gewonnen, als wenn dieses Magazin einen gewissen politischen Touch bekommt. Das ist vielleicht von Moderator zu Moderator etwas verschieden. Das wrde ich auch kritisieren. Fr mich ist

das weil ich sagte, Politik wrde gar nicht hineingehren nichtstatthaft. Ich anerkenne sehr wohl, da auch ein solches Magazin, das

sich in Zeitstrmungen bewegt, vielleicht diesen Dingen etwas nachgibt,weil es auch seiner Klientel nachlaufen mu. Ich will nicht zuviel reden,

um Ihnen die Gelegenheit zu geben, eine Einrede zu machen. Aber vielleicht darf ich den Satz noch sagen: Fr mich ist interessant, da die Vter des Staatsvertrages des ZDF berhaupt gar nicht von Kultur gesprochen haben seinerzeit. Das ist ganz merkwrdig, da im Staatsvertrag berhaupt nicht die Rede von kulturellen Veranstaltungen oder dergleichen ist. Es ist auch, anders als in anderen Rundfunkgesetzen, garnicht von dieser Drei-Einheit von Informieren, Bilden und Unterhalten die Rede. Ich kann mir das nur so erklren, da es zu jener Zeit fr so selbstverstndlich gehalten wurde, da das ZDF eben ein Instrument

auch der Kultur sein sollte, da es gar nicht hineingeschrieben worden ist.K. Also zu dem Punkt: Gerade vor kurzem war eine Tagung in Berlin in der Akademie der Knste, wo ein Verfassungsrechtler sehr plausibel erlutert hat, da die Kultur, der Kulturbegriff, die Aufforderung, Kultur zu veranstalten, in keinem Rundfunkgesetz ausdrcklich festgeschrieben ist, weil eben der gesamte Rundfunk als ein Stck Kultur verstanden41

wird, also ein Stck Selbstverstndlichkeit. Dies vielleicht nebenbei. Ich

mag diese Abgrenzung eigentlich doch nicht nachvollziehen, weil sie auch, jetzt einmal umgedreht gesagt, nicht nur Themen abgrenzt, sondern auch Menschen ab- oder ausgrenzt. Denn man wei, da die klassischen

Knste, die schnen Knste, so wie sie vor allen Dingen im deutschen Idealismus sozusagen als die Menschheitsretterin und Idee berhaupt verstanden worden sind, im Grunde in ihrer Wahrnehmung, in ihrem Verstndnis beschrnkt waren auf eine relativ kleine Gruppe von Men schen, die die Mue hatte, die auch die Vorkenntnis hatte, die gengend Bildung hatte, um sich damit zu beschftigen, ohne da dies bedeutete, da sie auch entsprechend handelte. Bildung bedeutet ja nicht immer schon, handlungsmchtig zu sein. Man kommt sehr leicht durch eine solche schon thematische Abgrenzung in die Gefahr, einen groen Teil von Menschen einfach auszuschlieen von Veranstaltungen, die traditio nell immer Veranstaltungen von wenigen waren. Insofern meine ich, wenn man berhaupt den Anspruch erhebt in einem Medium, das sich vom Prinzip her an alle Menschen wendet, mu man auch einen sehr weiten Begriff von Kultur haben, dann mu man sich in seiner eigenen Neugier auf Themen hin, und was sie alles noch mitberhren knnten, sehr weit ffnen. Dann darf man nicht bange sein und sagen: Jetzt willich mich mal beschrnken, weil ich das dann auch besser kann, sondern

man mu sehr weit Ausschau halten. Und dann gehrt notwendigerweise fr mich auch Politisches dazu, auch die Stellungnahme, auch die Kon frontation, auch die scharfe, polemische Auseinandersetzung. Ich darf daran erinnern, da die Teilgeschichte von aspekte, in der Schmieding noch eine Rolle spielte, auch eine eminent politische Teilgeschichte von aspekte war. Es gab Einladungen von Leuten, die in den 68er-Revolten eine Rolle spielten. Das hat damals sehr viel Aufruhr gemacht, da manwelche, die von der Mehrheit eher als Ruhestrer und als Verfhrte und

Verfhrende abgelehnt wurden, auf einmal in einem so offiziellen, expo nierten und mit sehr vielen Reputationen bedachten Platz wie dem Fern sehen sah. Aber dies war ja ein Stck unserer Kultur. Dies bestimmte ja ganz neu unsere Denkweisen, unsere Anschauungen. Sicherlich nicht in den Formen, die vielleicht jetzt im Kstchen vorgesehen wren, obwohl das auch sofort auf die Kunst bersprang. Die Kunst politisierte sich, und es war fast ein geschriebenes und ungeschriebenes Gesetz zugleich, da ein Knstler, der sich nicht auch gleichzeitig politisch verstand, im Grunde nicht zeitgem und nicht ernst zu nehmen war. Also, ich meine, das kann man berhaupt nicht verhindern. Das gehrt gerade fr michnotwendigerweise zu einem lebendigen Magazin, das alle Zeitphnomene miteinbeziehen mu, auch wenn man sich aus arbeitspraktischen Grn den durchaus verstndigen kann, da man bestimmten Redaktionen zunchst einmal eine gewisse Palette von Themen berlt.

W.

Das mu aber nun wirklich so sein. Ich meine, ich rede ja auch

nicht einem bertriebenen Fachidiotendenken das Wort. Ich meine aber

schon, da man ich will jetzt die Vokabel Kstchen nicht so gerne verwenden das abgrenzen mu. Ich sage noch einmal: Mir ist klar, was Sie da erzhlt haben, ber Schmieding und so. Ich wei das wohl. Ich verstehe auch, da das so ist. Gleichwohl billige ich es nicht. K. Darf ich da vielleicht noch mal ein Beispiel bringen, wie ich mir das vorstelle, wo auch die Verbindung deutlich wird. Wenn man in Frankfurt42

wohnt, kommt man jeden Tag an einem Hochhausdoppelturm der Deut schen Bank vorbei. Ein fr mich wunderschnes Haus, ganz kristallin. Es ist also ein Genu, daran vorbeizugehen. Wenn man dann wie in

den letzten Tagen von dem groen Flick-Kauf der Deutschen Bank hrt, dann gewinnt auf einmal diese Baugestalt, die man zunchst nurunter rein architektursthetischen Gesichtspunkten diskutieren knnte,

eine neue Qualitt. Dann kann man sich fragen: Wie reprsentiert sicheine Macht in einem Staat, die von vielen inzwischen in ihren tatschli

chen Wirkungsmglichkeiten hher eingeschtzt wird als beispielsweise die gewhlte Regierung? W. Es ist ja nicht verboten, wenn man ber etwas nachdenkt. Aber es ist eben ein politischer oder wirtschaftlicher Aspekt und kein kultureller.Ich bleibe bei meinem Kulturverstndnis und finde in der Tat, da das

Fernsehen der Multiplikator auch der kulturellen Leistung ist. Demstimme ich absolut zu. Das Fernsehen hat, und insofern wrde ich es dann auch noch zu den kulturellen Faktoren unseres Lebens zhlen, zu

allem brigen, was Kultur schon ist, noch etwas hinzugebracht. Erstens das groe Erlebnis fr viele, die das vorher nicht kannten: Eine einzige Oper im ZDF erreicht mehr Leute als alle deutschen Opernhuser im ganzen Jahr zusammen selbst, wenn nur wenige Zuschauer einschal ten. Und der zweite Grund, der auch sehr wichtig ist, ist die Vereinsamung des einzelnen Rezipienten. Der Zuschauer, der vor der Mattscheibe sitzt und eine Oper sieht, hat einerseits das Gefhl, da sehr, sehr viele es gleichzeitig mit ihm sehen das ist mglicherweise ein politischer Aspekt oder ein gesellschaftlicher, wrden Sie vielleicht sagen. Andererseits hat er aber nicht das Erlebnis, das die Theaterbesucher haben. Er ist fr sich ganz allein. Das Fernsehen bringt da schon noch eine neue Dimension hinein. Aber Fernsehen als solches kann ich mir ich sage es noch einmal sogar vllig kulturlos vorstellen. Es gibt gengend gesell-

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schaftskritische Warner in unserem Lande, die sagen, das knnte sogar dahin kommen. Es gibt auch bekannte Beispiele, da das in einigen Lndern so ist, und wir brauchen so furchtbar weit gar nicht zu gehen. Es gibt private Unterhaltungsprogramme im Ausland, die sicherlich berhaupt keinen Anspruch darauf erheben, besonders kulturell zu sein,und die haben auch keine entsprechenden Redaktionen. Kultur ist eben ein wie auch immer abzugrenzendes greres Spektrum. Ich wrde auch nicht glauben, da dies alles nur ist, was wir unter dem klassischen Kulturbegriff im Bereich der Hauptabteilung Kultur des ZDF sehen, es gehren schon die Theaterredaktion, die Oper und verschiedene Dinge dazu. Aber wenn man da nicht aufpat, dann wird es eben an den Grenzen sehr, sehr heikel. Dann mu man auch sagen: Ein schwachbrstiger Krimi, wie wir ja jeden Freitag einen vorgesetzt bekommen, ist Kultur. Ich knnte ebensogut sagen: Im Kino ist jeder Pornofilm auch Kultur. Das wrde ich eben gern ein bichen eingrenzen wollen. Und ich sage jetzt noch ein weiteres Mal, da ich glaube, da die Sendung aspekte das relativ richtig versteht, da sie da kann man im Einzel fall sicher den einen oder anderen Beitrag mal kritisieren , aber da sie eigentlich sehr wohl wei, da sie eine Palette hat, auf der sie den Leuten Angebote macht ber bestimmte kulturelle Leistungen, die in unserem Land passieren. Es ist sozusagen der Appetithappen. Und das scheint mir die Funktion von aspekte sui generis zu sein. Ich finde, da sie diese sehr gut erfllt. Ich bedaure oder besser gesagt nein, ich bewundere sogar, da diese Sendung doch immerhin zwischen zwei und drei Millionen Zuschauer zu einer relativ spten Sendezeit zwischenKrimi und wieder Krimi erreicht. Ich wnschte mir manchmal, da es

einen Mut gbe in den Sendeanstalten, solche Sendungen besser zu plazie ren. Das ist ja wenig genug in einer Woche, damit tatschlich mehr Leute noch an solche Sachen herangefhrt werden knnten. K. Ja, Herr Wrede, die Frage der Plazierung ist natrlich ein Sonder problem. Ich kann mir vorstellen, da, wenn man einen ganz besonders gnstigen Termin in der Hauptsendezeit, also beispielsweise im Anschlu an die Tagesschau nhme, viele Zuschauer, die dann zunchst Unterhal tung erwarten und die wird ja nun fr zwei Stunden in dieser Zeit massiv und immer massiver angeboten , sich abwenden wrden von einer Sendung, die mehr Nachdenklichkeit, Konzentration, also ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert; da sie dann eben wegen der beklagenswerten, also nicht einfach rckgngig zu machenden Gewh nung nicht bereit wren, etwas anderes aufzunehmen. W. Herr Kammann, leider fordert das jetzt meinen vollen Widerspruch heraus, weil die Geschichte des Fernsehens gengend Beispiele kennt, da es anders gewesen ist. Die politischen Magazine waren frher zu einem sehr erheblichen Teil um 20.15 Uhr plaziert. Es gibt auch heute noch das ZDF Magazin um 20.15 Uhr, es gibt die Sendung direkt, die jetzt ein Jahr lang um 19.30 Uhr gewesen ist usw. Bei der Berhrungs angst, die manche Zuschauer vor Politik haben und dann umgekehrt eben auch vor kulturellen Ansprchen htten, mte das ja dann fr beide gelten. Ich vertrete ganz im Gegenteil die These, da nicht nur dasZDF, sondern auch die anderen Anstalten durchaus einmal und sei

es nur fr ein Experimentierjahr den Mut aufbringen sollten, in ihren Programmschemata solchen Sendungen eine sehr viel gnstigere Plazie44

rung zu geben. Ich wei sehr wohl, was Sie meinen. Sie sagen, dann werden die Leute eher noch abspringen und auf dem anderen Kanal

vielleicht - jetzt sagen wir mal den Kojak oder sonst etwas sehen.Aber es kann auch sein, da die Zuschauer, die nun um 20.15 Uhr

aspekte sehen, ganz andere Zuschauer sind als heute. Nmlich Leute, die zu einer anderen Zeit ganz andere Fernsehgewohnheiten haben. Und damit natrlich nicht nur an dieses Magazin herangefhrt werden, son dern eben auch an die Inhalte. Ich wrde mir sehr viel davon versprechen, und ich behaupte, da das frher auch mal so gewesen ist. Da das heute nicht so ist, ist keineswegs zu verstehen im Sinn einer besonderen Schutz zone fr diese Sendung: da man denen nun irgendwo um 22 und sound soviel Uhr eine besonders gnstige Startposition gibt. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Alle Fernsehsender haben ber Jahre hinweg nachweisbar dem etwas nivellierten Publikumsgeschmack Rechnung getragen. Sie haben eigentlich, ARD wie ZDF, ihren Sndenfall insoweit, als sie alle schon das gemacht haben, wovor sie immer gewarnt haben im Blick auf irgendwelche private Konkurrenz.K. Alles, was Sie mir jetzt so darstellen, ist mir sehr sympathisch. Ich bin auch gegen eine Entwicklung und eine sich verstrkende Tendenz,, da das Publikum sozusagen gespalten werden soll in die groe Mehrheit und die kleine Minderheit oder die wenigeren, fr die dann das Spezialit tenkabinett da ist, und die anderen werden sozusagen pausenlos abge speist mit Dingen, die ich nun nicht zu den Hhepunkten der Fernsehkul tur rechnen wrde. Dieses Experiment es sollte nicht einmal einessein wre mir sehr recht. Ich erinnere nur und deshalb war ich

etwas skeptisch und verstehe also manche berlegungen der aspekteMacher, so wie sie mir dargestellt worden sind , da beispielsweise das ARD-Kultur-Magazin TTT einmal einen solchen Platz um 20.15 Uhr hatte, dort aber auf seine Stammseherschaft es waren wohl keinedazukommenden wechselnden Minderheiten mehr reduziert wurde,

auf, glaube ich, drei bis vier Prozent. Wenn aspekte nun in der Statistikso mit acht bis neun Prozent in der Regel drei bis vier Millionen Zu schauer erreicht im gnstigen Fall , ist das natrlich etwas, wasmich nachdenklich stimmt. Ich wei auch nicht und ich nehme an, es ist nicht so leicht aufzuschlsseln , wie sich eine solche Seherschaft

zusammensetzt. Einzelne Erfahrungen legen anscheinend nahe, da die tatschliche Seherschaft, die interessiert ist und immer wieder einschaltet, sich noch mal halbiert und da die anderen doch eher zufllig dabei sind. Vielleicht auch nur, weil sie auf Sport am Freitag warten oder den Spielfilm, der folgt. Man hat sozusagen Zuschauer als Anhngsel, die im Grund mit weniger Aufmerksamkeit, weniger Engagement diese Sen dung verfolgen. Es gbe dann als mgliches Positivum, da durch irgend einen Reiz, durch ein Signal, das aus einem Einzelbeitrag kommt, viel leicht auch aus einer Person, die sie sehen, etwas in ihnen geweckt wird,das sie erneut wacher macht, so da sie dann noch bereit sind, entweder

dieses intensiv zu verfolgen oder vielleicht auch beim nchsten Mal auf einen solchen Effekt zu warten. Das ist vielleicht ein sehr gnstiger, fast ertrumter Zufall. Ich wnsche mir, da es so etwas hufiger gibt, als wir das jetzt vielleicht etwas abwertend eingrenzen wrden.W. Auch das bei den ffentlich-rechtlichen Anstalten heutzutage geb te Schielen nach den groen Zuschauerzahlen halte ich fr sehr verhng-

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nisvoll. Und ich glaube aus sehr intensiver Kenntnis von Zuschauer gewohnheiten, da man sich da manchmal sehr tuscht. Es ist berhaupt nicht gesagt, da diese Minderheiten, von denen wir sprechen und das sind ja immerhin ganz stabile Minderheiten, das ist ja nicht so, als ob das nun ein absolutes Nulluni ist , da das durchaus die gleichen Leutesind, die auch in den anderen Mehrheiten zu finden sind. Und weil das so ist, wie ich zutiefst glaube, dann ist es ja tatschlich so, da ich auch

mal gegen den Strich brsten kann. Ich meine, jetzt einfach in der Zeit bevorzugen, in der frheren Sendezeit, und die anderen ein bichen warten lassen. Ich bin das will ich vielleicht noch anhngen ohnehin enttuscht ber diesen Automatismus, der heute in der Programmabfolge ist, da man im Grunde eigentlich schon im Schlaf fast wei, an dem und dem Tag bekomme ich tolle Unterhaltung usw. Wohingegen die glorreiche Ungewiheit dessen, was mich eigentlich erwartet bei Magazi nen, die ja sehr aktuell produziert werden, mich auch neugierig macht. Es gibt so unendlich viele gute Sendungen, sogar auch Spielserien. Ich erinnere beispielsweise an eine fabelhafte Sendereihe aus dem dritten Programm, Kopf um Kopf, ein Quiz fr Schler und Lehrer, Mathe matiker. Hochinteressant. Auch eine Sendung, die irgendwo in einen spten Termin versteckt wird, vllig unverstndlicherweise, wohingegen Sendungen von Wim Thoelke, Hans Rosenthal, Hans Joachim Kulenkampff, bei denen sozusagen eine Liturgie stattfindet, bei denen ich genau wei, jetzt kommt als nchstes dieses, oder ich wei, wann Hnschen hochspringt oder so was, die kommen nun tatschlich immer zu den gleichen Terminen und auch eigentlich mit den gleichen Ablufen. Ich will damit es noch einen gewissen heiteren Aspekt gibt scherzhaft behaupten: Ich habe einmal dem Robert Lembke gesagt: Wenn man sich aus zwanzig Jahren seiner Sendung Bnder beschafft, knnte man eine neue Sendung aus Schnipseln zusammenschneiden, und kein Mensch wrde merken, da es keine neue Sendung ist. Daran erkennen Sie doch die Sterilitt solcher Sendungen, wohingegen in anderen viel mehr pas siert und eigentlich auch ein besserer Auftrag erfllt wird, nmlich dieLeute auch zu unterhalten mit Kultur.

K.

Ich stimme Ihnen vllig zu. Ich htte berhaupt nichts dagegen, da

man dort flexibel ist; da man eben nicht starr verfhrt, da man nicht

ber die Zeit Mehrheiten und Minderheiten praktisch automatisch her stellt, da man nicht ausgrenzt ber die Programmplanung. Ich meine, das mte fast so etwas wie ein offenes Spiel sein. Man sollte nicht zu diesem fixen Ritual kommen, das dann alles Sehen und jeden Spa vorschreibt und auch das Mivergngen. Also gar keine Frage. Wichtig ist natrlich: Wie kann ich diejenigen, die ich zu einer gnstigen Zeit ansprechen mchte, so sehr fr mein Thema interessieren, da sie sagen:Dies ist mindestens ebenso viel wert wie der Thoelke oder wie Die

Schwarzwaldklinik. Oder : Dies ist jetzt vielleicht fr mich sogar noch

lebendiger, dies betrifft mich mehr. Ich glaube, das ist die allerschwerste Frage, die sich ein solches Kulturmagazin und dessen Macher stellen

W. Das ist vielleicht die Begrndung, warum TTT nicht gengend ressiert hat auf dem gnstigen Sendeplatz. Das ist nun wirklich die

Frage nach der Machart auch eines Kulturmagazins, das ja nicht nur die heiteren Aspekte des Lebens, sondern auch die schwergewichtigeren dar46

stellen mu. Die Frage richtet sich doch an den Fachmann, nmlich an den Knner, der in der Lage ist, eine Sendung zu machen, die Kultur vermittelt und gleichwohl spannend ist, ja die, wie die Schwarzwaldklinik sein sollte.

K. Ich knnte einige Sendungen nennen, die ich fr sehr gelungen halte. Ich knnte auch welche nennen, die ich fr ganz milungen halte. Ich fange mal mit einer sehr milungenen Sendung an, in der im Grunde Politik mitverhandelt wurde. Ein Politiker, der schleswig-holsteinische

Oppositionsfhrer Engholm, stellt einen ihm befreundeten, ihm wohlauch sehr lieben Bildhauer vor, den er schtzt. Anschlieend wird ber das Verhltnis des Ersten Brgermeisters der Stadt Hamburg zur Kunst und zur Kunstpolitik gesprochen. Dann gibt es noch einmal natrlich glaube ich, mit ein bichen Schmunzeln einen Aufhnger, der die Royalty-Serie der ARD aufpickt und einige andere Aspekte ber den englischen Hofpoeten Ted Hughes und einen Bericht ber einen Maler,der im Architekturmuseum ausstellt.

W.

Darf ich vielleicht noch von mir anhngen: Was ich auch fr mira

ten gehalten habe, war die aspekte-Sendung ber den Stdtebau. An und fr sich vom journalistischen Ansatz her gut, weil verglichen wurde mit frheren Sendungen, aber sie hat mich eigentlich nur als Kritiker amApparat gehalten.

K. Ich will es auch begrnden, warum ich sie fr milungen gehalten habe. Die erste Sache war Engholm. Engholm stellt also einen Film her ber einen Bildhauer, gebraucht aber eine Sprache, die im Grunde die

typische Kunstvermittlungssprache des geschraubten Feuilletons ist,ohne da wahrscheinlich einem weiteren Kreis, der sich nicht im Jargon

auskennt, dies etwas sagen kann. Wenn vom Rhythmus des Steins, von der Dichte gesprochen wird, von Anforderung, von etwas barockeren Formen, so bleibt dieses alles eigentlich unbelegt. Es rollt so daher und zeigt, ein Politiker will eben auch ein Bildungsmensch sein. Aber ber den Bildhauer selber hat es sehr wenig vermittelt. Im zweiten Beispiel, Dohnanys Kunstpolitik, wird ber das sehr umstrittene Projekt geredet, das Beuys vorhatte und das dann durch den Einspruch des Senats,wahrscheinlich durch sehr direkte Intervention des Brgermeisters, abge

lehnt worden ist. Dort sagt Dohnany: Ich spreche dem jeden Kunstcha rakter ab, als Begrndung dafr und dann bleibt dies stehen. Das wre ja eine Gelegenheit, um an der Stelle mal zu erklren, was denn berhaupt Kunstcharakter sein kann und warum es dort anscheinend so verschiedene Meinungen gibt wie die von Beuys, der kurz im Interviewgezeigt wird, und wie die des Ersten Brgermeisters. Dies war ein exem plarischer Konflikt ber einen Punkt, der fr die Kunstdiskussion selber wichtig ist, nmlich: Wie lt sich Kunst berhaupt beschreiben? Werbestimmt sie? Sind es die Knstler selber? Ist es der Galerist, der sie

verkauft? Sind es die Kritiker? Dies wre eine ganze aspekte-Sendung wert gewesen. Mich hat gergert, da an dieser Stelle dann einfach abgebrochen wurde bzw. da es so stehenblieb, ohne da Hilfen gegebenwurden nicht im Sinne des Krckstocks, sondern Hilfen im Sinne der Analyse. Hilfe auch im Sinn, da man traditionelle Begriffe noch einmal

herholt, vergleicht, um etwas zu klren. Wenn so etwas nicht da ist, dann sind zwei Beitrge verschenkt, und die Vermittlung, die sein knnte,findet nicht statt. Ich habe die Worte einer Kritikerin im Gedchtnis, die47

sagte, das Problem bei aspekte sei, da die Sendung fr den Kundigen nichts Neues bringt, weil er eben aus der Zeitung, aus dem Feuilleton schon informiert ist, und da sie dem Unkundigen zu Ungenaues bringt. Da er sich dann nicht so gefesselt fhlen kann bzw. nicht so gut ich gebrauche jetzt mal ein Wort aus der Kaufmannssprache bedient fhlt, als da es ihn zufriedenstellen wrde, als da er damit produktiv weiter arbeiten knnte. Darin liegt, glaube ich, eine sehr groe Schwierigkeit. Es gibt Autoren, die beherrschen es. Es gibt sicherlich auch die Tages form. Was ich sehr problematisch sehe daran hngt wohl wahrschein lich auch viel Qualitt , ist die Verpflichtung zur Gruppe. Fernsehen ist ja eine Gruppenarbeit, in der ein Autor nicht wie ein Feuilletonschrei ber mit sich und dem Blatt Papier allein ist, so da das, was vielleichtschon angelegt war in der Idee, im Skript, sich hinterher nicht durchsetzen

kann. Das sind sicherlich uere Bedingungen, die eine stndige optimale Umsetzung verhindern. Aber ich meine, da ist oft noch nicht gengend nachgedacht worden. Da ist oft eben doch noch die Sprache der Einge weihten zu hren. Ich meine jetzt nicht, da man in aspekte im schlimmen Sinn volkstmlich werden sollte. Man sollte also nicht dem Volk

nach dem Mund reden dort, aber man sollte so reden, da es ein aufmerk samer Zuschauer auch verstehen kann. Man sollte nicht berfordern, aber schon gar nicht unterfordern.W. Herr Kammann, ich mchte doch einmal eine Lanze brechen fr

die Macher dieses Magazins. Wir beide sind Journalisten, wir kennen diePraxis. Dies soll nun nicht der Versuch einer Mohrenwsche oder einer

neuen Entschuldigung sein, aber vielleicht einmal eine Erklrung. Ich kann mir vorstellen, da bei einer vergleichsweise kleinen Redaktion, mit einem vergleichsweise niedrigen Etat, den die Leute haben, und einer relativ raschen Aufeinanderfolge von Sendeterminen mitunter manchmal sogar der faktische Zwang entstehen kann, einen Beitrag ausstrahlen zu mssen. Nicht nur, weil er Geld gekostet hat und intensives Arbeiten. Nicht nur deswegen, sondern auch, weil man manchmal vielleicht sagen kann: Das ist ja gerade so auf der Kippe, darber kann man streiten, ob das gelungen oder miraten ist. Da wird sicher auch in den Redaktionen hart gefightet. Das kennt man, wenn man Journalist ist. Und schlielich

und endlich auch, weil vielleicht auch gar nichts anderes rechtzeitig produziert ist. Also, ich versuche eine Lanze zu brechen dafr, da bestimmte Dinge ber die Bhne kommen, obwohl sie es eigentlich nicht sollten. Ich kann mir denken, da es Grnde gibt, da vielleicht auchstrittige Beitrge es mu ja nicht die gesamte Sendung sein ber den Sender gehen. Vielleicht auch, da wir heutzutage, wir Kritiker, brigens auch das Millionenheer der Zuschauer, unter dem ja auch immerweder einmal ein Kritiker ist, vollkommen zu Recht, wie ich finde,

berhaupt etwas ungndiger umgehen mit Hervorbringungen des menschlichen Geistes (und das ist eine Fernsehsendung, in der sehr viel Gehirnschmalz und auch manchmal einfach sonstiger Zeitaufwand steckt, wie das frher vielleicht nicht der Fall gewesen ist). Ich kann mir vorstellen, da man frher gndiger mit dem Medium umgegangen ist,

vielleicht ist die Vokabel gndiger nicht richtig, aber mir fllt keinebessere ein.

K. Da wir kritischer in der Gesamtheit geworden sind, liegt sicherlich daran, da das Medium selber seinen Qualittsmastab enorm gesteigert48

hat. Also, wenn man vergleicht, meine ich, schneidet das Fernsehen heute nicht schlechter ab, eher besser. Die Behauptung, da das Ganze immer schlechter wrde, ist ein Selbstlufer, der durch die Realitt der Einzel programme berhaupt nicht gedeckt ist. Insofern meine ich, gerade in einer Zeit, wo Konkurrenz, private Konkurrenz mit ganz anderen Pro

dukten nmlich tatschlich Show und Tingeltangel im Vordergrund groe Zuschauermengen fr sich erobern will, kann ein ffentlich-recht

liches Fernsehen nur durch einen hchsten Anspruch an Qualitt, durch einen selbstgestellten natrlich auch durch uns, die Kritiker, gefrderten Anspruch bestehen. Da darf man sich nicht auf diese ueren Zwnge hinausreden, denn im Grunde ist dieses Fernsehen gut ausgestat tet. Das sollte eben dann nicht nur eine Alibi-Ausstattung sein; das mu dann auch durch sehr viel Anstrengung und Eigenanstrengung ausge nutzt werden. Ich meine, da dieser Aktualittszwang und auch der Fllezwang weniger bestehen wrde, wenn man sich strker beschrnken knnte. Wenn man also mglicherweise mit der gleichen Anzahl von Mitarbeitern, auch von freien Mitarbeitern, weniger Themen bearbeiten wrde, dann htte man die Chance, diese durchdachter zu prsentieren, um genau die Vermittlungsleistung an ein groes Jedermannpublikum idealiter auch erfllen zu knnen. Also, ich sehe da groe Chancen. Ich sehe groe Chancen in Schwerpunktsendungen, wie es sie ja schon ganz gelungen gegeben hat. Da sie manchmal auch milingen, das ist das

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Risiko einer Sendung, das gehrt fast dazu. Da sehe ich also ganz groeChancen. Sehen Sie mal, Herr Wrede, ein auergewhnliches Programm

beispiel aus dem dritten Programm. Im sdwestdeutschen Raum wurden zwanzig Stunden lang an fnf Wochentagen Programme aus Argentinien gezeigt, Kulturberichterstattung in einem ganz umfassenden Sinn. Dies war sowohl vom Sehinteresse das ist jetzt aber nicht fr mich ma gebend als auch tatschlich von dem, was die Zuschauer und Kritiker darin gesehen und mitgenommen haben, ein groer Erfolg. Das heit,da man durch eine ungewhnliche Form sehr viel erreichen kann. Hier mte nachgedacht werden, ob man nicht zu Konzentrationen kommem sollte, ob dadurch auch die Vermittlungsform in sich nicht variationsrei cher wrde. Also was beispielsweise in der Filmnacht vom Filmfestival Berlin geschehen ist. Da es hinterher fr wenige gewesen ist, zhlt nicht in der Kritik fr mich, weil die Anstrengung selbst so viel Produktivitt hervorgerufen, hervorgebracht hat, da andere Dinge, andere Mngel beiseite geschoben werden. Ich wnsche also mehr Schwerpunkte, denndas Groe und Ganze kann man ohnehin nicht einholen. Das schaffen

nicht einmal die Feuilletons, und die haben ja wesentlich mehr Raum.

W. Das wre ein Kriterium, und vielleicht darf ich noch fragen, weil wir nun zum Schlu kommen: Wie stnden Sie denn zu dem Vorschlag, diese Sendung dadurch attraktiver zu machen, da man Beitrge popul rer, wie immer das dann zu machen sei, machen wrde? Das kann ja eigentlich auch nur formal sein, das kann schwer inhaltlich sein. Popul rer in der Darbietung zu bringen. Halten Sie das fr mglich und wenn, wrden Sie es fr wnschenswert halten? Wrden Sie den aspekteMachern raten, so zu verfahren?

K. Wenn ich jetzt wte, was man unter populrer verstehen sollte. Als der frhere aspekte-Leiter Schmieding starb, schrieb ein bekannter Kritiker, er sei ein groer Popularisator gewesen. Er hat das dann so begrndet, Schmieding habe die Fhigkeit gehabt, Vertrauen auf sich zu ziehen, dem Zuschauer das Gefhl zu geben, da er bei ihm gut aufgeho ben sei. Da er eine Person ist, die sich den Dingen zuwendet, und da

von daher ngste, man knnte sich einem solch schwierigen Thema dem nachgesagt schwierigen Thema nicht nhern, hinfllig wrden. Dies wre sicherlich eine Form; man mu immer wieder berlegen: Wie geht man mit den Personen um? Wie setzt man sich selber ein? Wie versteht man sich? Das sind oft ja auch Glcksflle.W. Es ist, Gott sei Dank, auch nicht unser Geschft, wir knnen dar ber nur nachsinnen, ob wir den Fernsehmachern dazu raten knnen; ob wir ihnen vielleicht den einen oder anderen Fingerzeig geben knnen,

so zu verfahren, oder ob wir schon jetzt ankndigen knnen: Wenn ihr das macht, dann werdet ihr sicherlich eine Horde kritischer Geister sozusagen im Nacken haben.K. Also, das meine ich, wre sicher eine Mglichkeit, sich wieder strker darauf zu besinnen, und Firlefanz, Gags und optische Mtzchen, die ich berhaupt nicht schtze, knnte man sicherlich weglassen. Das ist Ver kaufe, das ist mehr Verpackung als Inhalt.

W. Optische Mtzchen sagen wir mal die neue Titelgraphik von aspekte; wrden Sie die dazu zhlen?50

K.

Ja, die zhle ich auch zum modischen Schnickschnack, das ist, was

uns jetzt berall entgegensegelt aus dem Weltall. RTL plus hat es jetzt vorgemacht, und wir machen es nach. Davon halte ich nichts. ber die Titelsignets knnte man lange sprechen. Sie drcken ja ein Teil Selbstver

stndnis aus. Noch eines zu diesem Popularisieren. Auffllig ist dochbeispielsweise, da unsere Volksmusiksendungen in der Regel furchtbar bieder sind und uns vor lauter Peinlichkeit einen kribbeligen Rckenmachen. Geht man in Irland oder anderen Lndern auf Pltze oder in

Kneipen, dann erlebt man, da dort ganz selbstverstndlich gesungen wird, frhlich gesungen wird, und da wir nicht das Gefhl haben, da ist etwas Falsches dabei, etwas Inszeniertes, sondern da dieses zu den Menschen gehrt. Wenn man solche Formen des Selbstverstndlichen, des Authentischen gewinnen knnte, auch ber Menschen herstellen knnte, dann wre mir dieses sehr lieb. Ich knnte mir denken, da dies ein sehr wichtiges Mittel wre, um die Ansprache, die man anstrebt,tatschlich auch zu erreichen.

W.

Das war ein so schner Satz, da ich nun nichts weiter tun mchte,

als Ihnen beizupflichten.

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Benedikt Gondolf

Animation zur ReaktionTheaterberichterstattung im Fernsehen

Theater, wenn es gut ist, schafft spielend, worum sich ein Kulturmagazin oft vergebens bemht: Deutlichkeit in unsere Sicht auf die Welt zu bringen, Verdrngungen kenntlich zu machen, Erinnerungen zu bewah

ren, Phantasien freizusetzen. ber Theater zu berichten, ist also praktischfr das Kulturmagazin: Die Auseinandersetzung mit der Welt haben andere geleistet, wir halten nur unsere Kameras darauf; Wagnisse sind andere eingegangen, wir bernehmen die Bilder, die dabei herausgekom men sind. Allerdings dampfen wir sie etwas ein, zeigen die Orestie in acht, den Ring in sieben, Faust I und II in sechs Minuten. Dafr hat aber unser einmaliger Instant-Faust hundertmal mehr Zuschauer als alle Faust-Auffhrungen der Republik in einem Jahr zusammen. Aber, obwohl das in der Regel die Meinung von Fernsehverantwort lichen zu sein scheint: die Zahl der Seher mu nicht unbedingt die Qualitt des Angesehenen ausmachen. Wir nehmen also nicht in An spruch, hundertmal besser zu sein als alle Fuste der Republik; denn weite Verbreitung ist kein Zeichen fr knstlerische Qualitt. Heit das, da Kunst nur etwas fr ganz wenige sei? Die scheinbare Selbstverstndlichkeit dieses Umkehrschlusses wollen wir in Frage zu stellen versuchen. Fr die Theaterberichterstattung bedeutet dies zu nchst, sich immer wieder im Spannungsfeld zwischen der Zahl und dem vermuteten Interesse unserer Zuschauer einerseits und der Widerstndigkeit, Fragwrdigkeit und Verstiegenheit von Bhnentexten andererseits um die richtige Vermittlungsform zu bemhen. Das ist Dolmetscherarbeit, Animation, bisweilen auch hoffentlich lustvolle Provokation.

An deutschen Theatern gibt es einige tausend Premieren im Jahr, von denen aspekte vielleicht ber zwanzig berichten kann. Waren das dann wenigstens die Hhepunkte? Woran sollte man das aber bemessen? Wre es nicht borniert, immer nur vom Besten Kenntnis nehmen zu wollen, aber nicht vom blo Halb-Gelungenen, vom auf interessante Weise Gescheiterten, ohne das Spitzenleistungen nicht mglich wren? Die ambitionierte Urauffhrung eines sperrigen Gegenwartsstckes in Tbingen oder Pforzheim scheint uns bisweilen berichtenswerter als eine spektakulr besetzte Wallenstein-Premiere in Berlin, Mnchen oder Hamburg. Wir schauen aus nach Auffhrungen, an denen erkennbarund vermittelbar ist, was die Theaterleute an den Stcken, mit denen sie

sich auseinandersetzten, gereizt hat. Warum besinnt sich Jrgen Gsch im Frhjahr 1985 eines in Deutschland so gut wie nie gespielten Stckes von Corneille, Horatius, was interessiert zwei groe Theater, zwei renommierte Regisseure auf einmal an Alfred de Mussets Lorenzaccio, warum inszeniert Peter Zadek als erste Oper in seinem Leben gerade Figaros Hochzeit? Die wichtigste Frage: Berhrt das, was die Knstleran einem Stck interessiert, einen Nerv der Zeit? Sind diese Stcke dazu

angetan, Fragen zu stellen, die, um unsere Wirklichkeit in den Blick zunehmen, hilfreich, aufschlureich sein knnen?

Bei dem Interesse an der Frage, was das Theater mit der gegenwrti gen politischen und gesellschaftlichen Situation, mit dem sogenannten Zeitgeist zu tun hat und wie es ihn zum Ausdruck bringen oder auf ihn52

Einflu nehmen kann, gebhrt besondere Aufmerksamkeit selbst verstndlich den Arbeiten der Zeit

genossen : Achternbusch, Bauer, Drrenmatt, Fassbinder, Fels,Brasch, Dorst, Pohl, Weiss.Die berraschendsten Er

kenntnisse ber heutige Lebensge wohnheiten haben Regisseure wie Stein, Peymann, Heyme, Lscher, Knig oder Zadek jedoch immer noch in der Auseinandersetzung mit klassischen Texten gewonnen. Aus der Beschftigung mit altenStcken sind auch dem Theater der letzten Jahre die interessantesten

stilistischen Neuorientierungen erwachsen, etwa in Arbeiten vonErnst Wendt oder Roberto Ciuli.

Es fllt allerdings bei einem (scheinbar allbekannten Stck wie etwa Goethes Torquato Tasso auch leichter, die Handschrift, die neue Sicht eines Regisseurs zuidentifizieren, das, was ihn beson ders interessiert hat, als bei einem

ganz neuen Stck, von dem ja noch gar keine verschiedenen Interpretationen versucht worden sind.

Eine der gewi reizvollsten Mglichkeiten unseres Mediums, vonder wir bisher zu selten Gebrauch

gemacht haben, die aber die anre gendsten Ergebnisse erwarten liee, wre, verschiedene, etwa zurselben Zeit entstandene Inszenie

rungen des gleichen Stcks mitein ander zu vergleichen. Die Entdeckung neuer Talenteoder neuer Sichten auf alte Stoffe

kann man sich nicht vornehmen;bei bestimmten Konstellationen

kann man sie erhoffen und mglicherweise enttuscht werden. In

einem solchen Fall, wenn der Zu

griff eines Regisseurs auf ein Stck nicht von sich aus berzeugt,kommt es deshalb darauf an, da wir unser Interesse, unsere Erwar-

Mnchner Theaterfestival '8553

tung an gerade den Theaterabend, den wir fr einen Bericht ausgewhlt haben, genau formulieren, zumal s