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17. Jahrgang – 2012/2 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins

Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins · Geschäftsstelle Basel Blochmonterstrasse 22, 4054 Basel ... in Willisau, die Äussere Burg von Wolhusen, der Turm zu Richensee, die

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17. Jahrgang – 2012/2

Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins

17. Jahrgang, 2012/2, Juli 2012

Inhalt / Sommaire

65 Peter Karrer, Burgenarchäologie im Kanton

Luzern – ein Lauf durch die Forschungs­

geschichte

88 Jürg Manser, Der Zytturm an der Museggmauer

und die älteste Stadtuhr von Luzern

96 Christoph Rösch, Das Haus «Weid» in Meggen­

Rüeggiswil

103 Fabian Küng, «… ein leibhaftiges Märchen aus

alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

118 Kurzberichte

119 Veranstaltungen

122 Publikationen

124 Vereinsmitteilungen

Die Schweizerische Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika ­

tion im Schweizer Buch, der schweizerischen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten finden Sie in Helveticat, dem Kata ­

log der Schweizerischen Nationalbibliothek, unter: www.nb.admin.ch/

helveticat.

Umschlagbild/Couverture:

Richensee, Hitzkirch LU; Turmruine vor 1920

(Kantonsarchäologie Luzern).

Herausgeber/EditriceSchweizerischer BurgenvereinGeschäftsstelle BaselBlochmonterstrasse 22, 4054 Basel

L’Association Suisse Châteaux forts

© 2012 Schweizerischer Burgenverein

Redaktion / RédactionUrs Clavadetscher, lic. phil.Archäologischer DienstGraubündenLoëstrasse 25, 7001 Chur

Prof. Dr. Gaëtan CassinaCasa postale 1171963 Vétroz

Dr. Elisabeth Crettaz Le Forum, 3961 Zinal VS

Flurina Pescatore, lic. phil.DenkmalpflegeKanton SchaffhausenBeckenstube 11, 8200 Schaffhausen

Redaktion und GeschäftsstelleSchweizerischer BurgenvereinGeschäftsstelle BaselThomas BitterliBlochmonterstrasse 22, 4054 BaselTelefon +41 (0)61 361 24 44Fax +41 (0)61 363 94 05E­Mail: [email protected]: www.burgenverein.chPostkonto 40­23087­6

Redaktionstermin / Délai de rédaction15. 2. / 15. 5. / 15. 8. / 1. 11.

Erscheinungsdatum / Parution31. 3. / 30. 6. / 30. 9. / 29. 12.

Richtlinien zum Einreichenvon Textbeiträgen sind einsehbar unterwww.burgenverein.ch/Richtlinien

Auflage/Tirage 1500Erscheint vierteljährlich / trimestrielISSN 1420­6994 Mittelalter (Basel)

Druck/ImpressionSchwabe AG, BaselVerlag und Druckerei

Gedruckt mit Unterstützung

der Kantonsarchäologie Luzern

Mittelalter 17, 2012 / 2 65

Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

von Peter Karrer

gehören unter anderem Kastelen bei Alberswil, Nünegg

bei Lieli, die Burgruine Schenkon, die Stadtburg «Bergli»

in Willisau, die Äussere Burg von Wolhusen, der Turm zu

Richensee, die Neu­Habsburg in Meggen und die Ruine

Oberreinach auf dem Gemeindegebiet von Römerswil.

Die oberflächlich betrachtet gut erhaltenen Anlagen wie

etwa das Schloss Heidegg, die Johanniterkommende Ho­

henrain und das Schloss Wyher in Ettiswil haben durch

massive, neuzeitliche Umbaumassnahmen ihren mittelal­

terlichen Charakter stark eingebüsst oder spiegeln in his­

torisierender Weise mittelalterliches Bauhandwerk vor.

Die Regionen rund um das Städtchen Willisau und um

Wolhusen zeigen eine auffällige Dichte von Wehranlagen

auf engstem Raum. Die Burgenlandschaft in diesen

beiden Gebieten widerspiegelt beispielhaft die klein­

räumigen und zerstückelten Herrschaftsstrukturen, wie

sie in der hochmittelalterlichen Innerschweiz oft anzu­

treffen waren. An den Flanken des verkehrstechnisch

günstig gelegenen Wiggertales zwischen Altishofen und

Zofingen sowie im Seetal, am Westhang des Linden­

berges, ist ebenfalls eine relativ hohe Burgendichte zu

verzeichnen.

Im weiteren Umfeld der Stadt Luzern hält sich die Anzahl

der Burgen und Schlösser in Grenzen. Wirtschaftliche

Faktoren, Verkehrslage und die topografischen Ge­

gebenheiten liessen eigentlich vermuten, dass hier im

Mittelalter fruchtbarer Boden für Herrschaftsbildung

und Burgenbau vorhanden war. Möglicherweise liegt

der Grund für die eher schwach ausgeprägte Burgenland­

schaft darin, dass sich die Machtansprüche des Klosters

Murbach und ihrer Kastvögte, der Habsburger, in

diesem Gebiet bereits in der Hochphase des Burgenbaus

Bereits Ende des 16. Jh. befasst sich Rennward Cysat

mit den Burgen und Adelssitzen auf dem Territorium

des Standes Luzern. 1597 erhält der Stadtschreiber vom

Rat den Auftrag, eine Karte der Landschaft Luzern zu

er stellen. Die zeichnerische Umsetzung überträgt Cysat

dem Maler Hans­Heinrich Wägmann. Die 1613 fertig

gestellte «Luzernerkarte» zeigt nicht nur Weiler, Dör­

fer, Städtchen oder bedeutende Klöster und wichtige

Brücken, sondern auch die Burgen und Schlösser auf

dem damaligen Hoheitsgebiet, meist in sehr schemati­

scher Darstellungsweise (Abb. 1).1

Besonders interessant ist, dass auch jene Burgen in der

Karte verzeichnet sind, die bereits zu jener Zeit nur noch

als Ruinen in der Landschaft thronten oder bloss noch

aus chronikalischen oder mündlichen Überlieferungen

bekannt waren. Warum Wägmann und Cysat so grossen

Wert auf die Darstellung selbst von abgegangenen Bur­

gen und Schlössern im Stande Luzern legte, ist nicht ganz

klar. Der Grund liegt vermutlich darin, dass Kartenwerke

dieser Zeit nicht wie heute in erster Linie der räumlichen

Orientierung dienten, ihre Eigenschaft als Besitzverzeich­

nisse war genau so wichtig oder sogar noch bedeuten­

der. Bei den Burgstellen auf Luzerner Hoheitsgebiet ging

es dem Rat nicht um die alten vor sich hin zerfallenden

Gemäuer, sondern vielmehr um den damit verbundenen

Grundbesitz oder die Rechte, die der Stadtstaat nach

seiner Expansionspolitik in die Landschaft ab der Mitte

des 14. Jh. an diesen Objekten besass, beanspruchte oder

zumindest zu erlangen hoffte.

Die Burgenlandschaft im Kanton Luzern

Nach aktuellem Forschungstand sind auf dem Gebiet des

Kantons Luzern 97 Burgen und Schlösser bekannt. Dazu

kommen noch 35 vermutete Burgstellen.2 Von weit mehr

als der Hälfte der mittelalterlichen Wehranlagen sind

nur noch spärliche Mauerreste übrig geblieben oder sie

sind bloss noch anhand auffälliger Spuren im Gelände

zu identifizieren. Zu den besser erhaltenen Objekten

1 Heinz Horat/Thomas Klöti, Die Luzernerkarte von Hans­Heinrich Wägmann und Rennward Cysat 1597–1613. Der Geschichtsfreund, Mitteilungen des Historischen Vereins der Fünf Orte 139, 1986, 55ff.

2 Vgl. Burgenkarte der Schweiz – West sowie Burgenkarte der Schweiz – Ost, hrsg. vom Bundesamt für Landestopografie swiss­ topo (Wabern 2007).

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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weitgehend etabliert hatten, was den Bau von neuen

Herrschaftssitzen erschwerte oder ganz verhinderte.

Das Entlebuch zwischen Doppleschwand und Escholz­

matt ist eine beinahe burgenfreie Zone. Erst gegen das

Berner Kantonsgebiet hin nimmt die Dichte der Wehran­

lagen wieder zu. Dieser Sachverhalt bildet aber nur den

momentanen Forschungsstand ab. Im luzernischen Ent­

lebuch werden rund sieben weitere Burgstellen vermu­

tet, die ihrer Entdeckung harren. Als eine weitere interes­

sante Region in der Burgenlandschaft des Kantons ist

das Tal der Luthern südlich von Ufhusen anzuführen.

In diesem abgelegenen Gebiet sind auf einer Strecke von

etwas mehr als 4 Kilometern beidseits des Tals fünf Burg­

stellen bekannt. Die Ursache für die relativ hohe Burgen­

dichte ist spekulativ. Vermutlich förderte hier im Hoch­

mittelalter ein gewisses Machtvakuum die Bildung von

kleinen Rodungsherrschaften mit dazugehörigen Burgen,

bis die Städte Bern und Luzern ihren Einfluss in dieser

Region am Ende des 14. Jh. langsam ausweiteten.

Die Anfänge der Burgenarchäologie

im Kanton Luzern

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. treten im Kanton

Luzern die Burgen und Schlösser ins Blickfeld der damals

noch jungen Forschungsdisziplin Archäologie. Im Ge­

gensatz zur heutigen eher sachlichen und differenzierte­

ren Betrachtungsweise war der Forschungsansatz damals

noch stark von Vorstellungen geprägt, welche die Burg

auf ein Symbol vermeintlicher Unterdrückung, Kristalli­

sationspunkt des Konfliktes der Eidgenossenschaft mit

dem Adel oder schlicht und einfach auf ein Sinnbild

verklärter Ritterromantik reduzierte.

Es waren vor allem die historischen Gesellschaften und

die Heimatvereinigungen sowie interessierte Lokal­

historiker, die sich in dieser frühen Phase den mittel­

alterlichen Repräsentations­ und Wehrbauten annah­

men. Warum die Burgenforschung und allgemein die

Archäologie in dieser Zeit plötzlich auf grosses Interesse

stösst, lässt sich nur bedingt ergründen. Einer der Um­

stände mag wohl darin liegen, dass der junge Bundes­

staat noch auf der Suche nach einer gemeinsamen

Identität war, die man im kulturellen Erbe des Landes

zu finden hoffte. Bis zu einem gewissen Grad wurde so

Geschichtsforschung und Archäologie zur Legitimierung

des Staates Schweiz instrumentalisiert.3

1: Ausschnitt aus der 1613 fertiggestellten «Luzerner­karte» von Hans­Heinrich Wägmann und Rennward Cysat mit den Burgen und Schlössern in der Region Willisau.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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Altbüron

In der Anfangszeit bedeutete die zielgerichtete Unter­

suchung einer Burgstelle nicht selten die schätzgräber­

artige Beraubung des Objektes. Es ist eine Epoche,

die aus der heutigen Forschungsperspektive von wenig

sensiblem Umgang mit diesen Monumenten geprägt ist.

1881 wird durch den Halsgraben der 1309 zerstörten

Burg Altbüron eine Strasse gelegt. Die damals zu Tage

getretenen Funde – insbesondere Baukeramik aus der

Produktion des Klosters St. Urban – veranlassen den

Besitzer des Grundstückes, 1884/85 den gesamten Burg­

hügel umzugraben. Primäre Absicht war es, Funde zu

bergen und diese zu veräussern. Die Eisenartefakte und

ein Teil der geborgenen Ofen­ und Baukeramik wurden

über die Burgergemeinde Bern an das Bernische Histo­

rische Museum verkauft.4 Die Dokumentation des Be­

fundes beschränkte sich auf die Anfertigung eines Situ­

ationsplanes der Anlage durch Dr. E. Blösch und Dr.

E. von Fellenberg.5 Die Planaufnahmen belegen, dass

zum damaligen Zeitpunkt noch erhebliche Mauerreste

angetroffen wurden. Davon ist heute kaum mehr etwas

vorhanden, auf dem Burghügel thront mittlerweile ein

Wohnhaus. Kleinere Sondierungen der Kantonsarchäo­

logie Luzern 1986 und 1993/94 im Zuge von Bauarbei­

ten belegten vor allem die brachialen Grabungsmetho­

den im letzten Jahrhundert.

Büron

Aus heutiger Sicht als fast schon schockierend kann das

Schicksal der Burg Büron bezeichnet werden. Anfang

des 20. Jh. waren noch weit aufragende, ausgedehnte

Mauerzüge der Anlage vorhanden. 1908 beschloss die

Gemeinde Büron, das alte Gemäuer bis auf die Funda­

mente abzubrechen, um an seiner Stelle ein neues Schul­

haus zu bauen. Eine fachgerechte Dokumentation des

damaligen Zustandes, geschweige denn eine Unter­

suchung der Anlage, wurde nicht in Betracht gezo­

gen. Die wenigen Zeugnisse des Baubestandes vor der

Niederlegung der Mauern sind einige Fotos und ein

schematischer Situationsplan der Burg (Abb. 2).

3 Ein bemerkenswerter Beitrag zu diesem Thema ist Guy Marchal, Die «alten Eidgenossen» im Wandel der Zeit. Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 2 (Olten 1990) 352–400.

4 Christoph Rösch, Altbüron. Die Metallfunde der 1309 Zerstörten Burg. Archäologische Schriften Luzern 14 (Luzern 2012) 11ff.

5 Hans Rudolf Thüer, Die Burgen und Schlösser im Amt Willisau und Umgebung: Entstehung – Anlage – Geschichte, Separatdruck Heimatkunde des Wiggertals Heft 40 (1982) 219.

2: Ruine Büron 1907. Zustand der Burganlage wenige Monate vor dem endgültigen Abbruch.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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Oberrinach

Die Ausgrabung auf der Burg Oberrinach bei Herlis­

berg 1888 ist wohl das früheste Beispiel von ernsthaf­

ter Burgenforschung im Kanton Luzern. Nicht zuletzt ist

dies dem grossen Interesse der Familie Reinach­Hirzen­

bach an einem der Stammsitze ihrer Vorfahren zu ver­

danken (Abb. 3). Vor allem Baron Maurice de Reinach

(1911–1994) war darauf bedacht, die Baugeschichte

der Burganlage zu ergründen und die nötigen Mass­

nahmen zum Schutz des Bauwerks zu ergreifen. Eine

grössere Grabungskampagne wurde in den Jahren

1940–42 mit französischen Internierten durchgeführt,

welche bis anhin noch unbekannte Mauerzüge frei­

legten und das Mauerwerk des Bergfriedes sanierten

(Abb. 4).6 Danach schlummert die Forschungstätigkeit

auf der Burgstelle für mehr als 20 Jahre. Da die begon­

nenen Sanierungsarbeiten 1942 nicht vollständig abge­

schlossen wurden, ist das Mauerwerk in den 60er Jahren

bereits wieder in einem sehr schlechten Zustand. Des­

halb sind die vom Zerfall bedrohten Teile der Anlage

1965 erneut Gegenstand von Sicherungsmassnahmen.

Weitere Konservierungsarbeiten mit kleineren archäo­

logischen Untersuchungen folgen 1986 und 1991.7

Die Burgenarchäologie im Kanton Luzern beschränkte

sich bis Ende der 1940er Jahre in erster Linie auf Wehr­

bauten, die sich dem damaligen Betrachter noch mit

imposanten Mauerresten zeigten und wohl als in Stein

manifestierte Identifikationspunkte des damaligen Ge­

schichtsverständnisses wahrgenommen wurden. Die

wenigen Ausnahmen bilden die Untersuchungen und

Sondierungen auf den Burgstellen Stadtägertli ob

Gettnau, jene im Bereich der kleinen Insel Altstaad

vor Meggen und dem sogenannten Hinterchnubel bei

Escholzmatt.

Altstaad

Heute sind auf dem Inselchen Altstaad von der mittel­

alterlichen Burg nur noch ein Turmstumpf und Reste

einer Mauer an der westlichen Felsklippe sichtbar

(Abb. 5). Bereits 1890 war bekannt, dass zwischen der

Insel und dem Festland Pfahlreihen im Seeboden stecken.

1920 versuchte der damalige Direktor des Gletscher­

3: Burg Oberrinach bei Römerswil, Blick von Osten. Zustand der Anlage 1991 nach den letzten grösseren Sanierungsmass­nahmen.

4: Burgruine Oberrinach. Internierte der französischen Armee, welche bei den Ausgrabungen und Konservierungs­arbeiten in den Jahren 1940/41 eingesetzt wurden.

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Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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gartens, Wilhelm Amrein, mit Baggersondierungen dem

Geheimnis der Pfähle auf den Grund zu gehen. Das Ziel

lag nicht in erster Linie darin, Aufschlüsse über die mit­

telalterliche Wehranlage zu erlangen. Der Urgeschichtler

Amrein hoffte, dass es sich bei den Hölzern um Überreste

einer Pfahlbausiedlung handelt. Die Abklärungen blie­

ben mehr oder weniger ergebnislos und Funktion und

Alter der Pfahlreihe weiterhin rätselhaft. Eine Datierung

ins Mittelalter schien Amrein indessen wahrscheinlicher.

Auch bezüglich der Burg konnten bei dieser Aktion keine

neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Ein Ofenkachel­

fragment aus dem 14. Jh., welches aus dem Vierwald­

stättersee geborgen wurde, blieb der einzige Fund aus der

Nutzungsphase der Anlage.8

1999 waren die ufernahen Mauerreste der Altstaad in

einem solch schlechten Zustand, dass sie teilweise in

den See zu stürzen drohten. Nach eingehenden Ab­

klärungen beschloss die Kantonsarchäologie, die gefähr­

deten Mauerabschnitte nicht zu sanieren. Eine Sanierung

wäre technisch äusserst aufwändig gewesen und hätte zu

einem ästhetisch unbefriedigenden und fachlich fragwür­

digen Ergebnis geführt. Die Massnahmen beschränkten

sich auf die fotografische Dokumentation des sicht baren

Mauerwerks und die topografische Aufnahme von

Insel und Gemäuer durch Jakob Obrecht. Im Zuge

dieser Arbeiten beschloss man, Holzproben der 1920

sondierten Pfahlreihen zu bergen. Die dendrochronolo­

gische Datierung bestätigte Amreins Vermutung: Die

Hölzer waren im 2. Viertel des 13. Jh. geschlagen wor­

den. Die Pfahlreihen hatten vermutlich mehrere Funk­

tionen zu erfüllen. Einerseits dürften sie als Annähe­

rungshindernis an die Burg gedient haben, andererseits

bildeten sie einen geschützten Hafenbereich zwischen der

Insel Altstaad und dem Meggenhorn.9

Stadtägertli

Der Burgplatz Stadtägertli hoch über Gettnau wurde um

1900 wiederentdeckt, als sich die Altertumsforschung

für urgeschichtliche Erdwerke und frühmittelalterliche

Fluchtburgen zu interessieren begann. Die Anlage war

schon damals nur noch anhand von Abschnittgräben

und Erdwällen im Gelände erkennbar (Abb. 6). 1913

lässt sich im Jahresbericht der Schweizerischen Gesell­

schaft für Urgeschichte nachlesen, dass im Vorjahr auf

dem Stadtägertli eine mittelalterliche Pfeilspitze und ein

Schwert gefunden worden seien.10 Angespornt durch

diese Funde legte der Schötzer Schlossermeister und

Lokalhistoriker Anton Graf 1930 einige Sondierschnitte

durch die Abschnittgräben. Die Suche verlief weitgehend

ergebnislos. Ausser Holzkohleansammlungen kamen

nicht wie erhofft neue Funde zum Vorschein.11 Nach

dieser «ergebnislosen» Untersuchung geht das Interesse

an der Burgstelle schnell verloren. Erst in den letzten

Jahren wurde die Öffentlichkeit und die Kantonsarchäo­

logie wieder auf das Stadtägertli aufmerksam. Ober­

flächenfunde, die bei systematischen Begehungen ein­

gesammelt werden konnten, belegen eine Nutzung der

Anlage mindestens im 12. und frühen 13. Jh.

6 Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 1964, Heft 4, 78f.7 JbHGL 4, 1986, 95f; Jahresbericht der Archäologie 1991, Sonder­

druck aus JbHGL 10, 1992, 77f.8 Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur­ und Früh­

geschichte 64 (1981) 268.9 JbHGL 19, 2001, 143ff.10 Jahresbericht der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte

1913, 149.11 Jahresbericht der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte

1945, 37.

5: Ruine und Insel Altstaad am Meggenhorn 1999. Vom Absturz bedrohtes Mauerwerk auf der Westklippe der Insel.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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Hinterchnubel

1938 wird mit finanzieller Unterstützung des Histori­

schen Vereins der Fünf Orte auf dem markanten Hügel

Hinterchnubel an der Bahnlinie zwischen Escholzmatt

und Wiggen sondiert. Ausser der auffälligen Topo grafie

weist schon damals nichts mehr auf eine abgegangene

Burg hin. Schon etliche Male hatte man hier allerdings

bei Erdarbeiten kleinere Funde zu Tage gefördert. Vor

etwelchen Jahren seien auf dem hinteren Knubel minder

erhebliche Altertümer hervorgegraben worden, berichtet

Pfarrer Schnyder von Wartensee 1781. Rund 100 Jahre

später findet man laut der Witwe des Dorflehrers auf

dem Hügel unter anderem eine alte Münze.12 Die Ergeb­

nisse der Grabung waren mager. Mit «Versuchsgräben»

schnitten die Forscher den Burggraben auf der Westseite

der Anlage an, der mit humosem, fundleerem Material

verfüllt war. An höher gelegenen Stellen des Hügels zeig­

ten sich in den Sondagen gelegentlich Anhäufungen von

länglichrunden grösseren Kieseln, die als Fundament­

reste interpretiert wurden. Die wenigen angetroffenen

Funde, wie etwa eine Säbelklinge und eine Bajonett­

scheide, stammten ausschliesslich aus neuerer Zeit oder

waren nicht datierbar.13

Wie bereits erwähnt beschränkten sich grössere archäo­

logische Untersuchungen und bauanalytische Abklärun­

gen an Burgen bis in die Mitte des 20. Jh. auf die weni­

gen, noch besser erhaltenen Anlagen im Kanton. Es sind

auch diese Objekte, die bis in die Gegenwart immer

wieder Gegenstand archäologischer Abklärungen und

denkmalpflegerischer Massnahmen sind.

Schenkon

Nach der Burg Oberrinach war die Schenkon eine der

ersten Ruinen im Kanton, die genauer untersucht werden

sollten. An der einst stattlichen Anlage hatte der Zahn

der Zeit deutliche Spuren hinterlassen. Nachdem die

Burg schon einige Jahrhunderte langsam vor sich dahin

zerfiel, bewilligte 1736 der Rat von Luzern, die Ruine

als Steinbruch für den Wiederaufbau der teilweise ab­

gebrannten Stadt Sursee zu nutzen. In den folgenden

rund 150 Jahren geht der Raubbau an der Burgruine

weiter, bis 1899 die damaligen Besitzer des Grund­

stückes, die Gebrüder Rogger aus Schenkon, bei Grab­

arbeiten glasierte Ofenkacheln und verschiedene Eisen­

geräte entdecken. Durch diese Funde auf den Plan

gerufen, wollte die «Schweizerische Gesellschaft für die

Erhaltung historischer Kunstdenkmäler» systematische

Grabungen durchführen. Das Vorhaben scheiterte je­

doch an der Finanzierung. Wenigstens fertigte damals

der Nidwaldner Staatsarchivar Dr. Robert Durrer Pläne

der Ruine an und dokumentierte den noch vorhandenen

Baubestand fotografisch. Danach wurde die Ruine

wieder als Steinbruch ausgebeutet.14

Äussere Burg Wolhusen

1929 befasst sich Pfarrer Niklaus Zimmermann in sei­

nem Heimatbuch mit der im Sempacherkrieg zerstörten

Äusseren Burg Wolhusen.15 Angeregt durch diesen Bei­

6: Burgstelle Stadtägertli. Auszug aus dem «Feldbuch» von Hans Suter 1965. Grobmassstäbliche Skizze der mit Abschnittgräben und Wällen bewehrten Anlage.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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trag wurde in den Jahren 1930–35 in mehreren Etappen

Grabungen auf der Burgstelle durchgeführt. Mit heuti­

gen Vorstellungen von Archäologie hatte diese Aktion

wenig gemeinsam. Die Arbeiten begnügten sich in erster

Linie mit dem Entfernen von Pflanzenbewuchs und

Zerfallsschutt, um die Mauerreste wieder besser sicht­

bar zu machen. In der letzten Grabungsetappe legte man

gezielt Sondierschnitte über das gesamte Burgareal. Die

Hoffnung der Ausgräber, im Boden verborgene Fun­

damente zu entdecken, bestätigte sich nicht. Zum Ab­

schluss der Grabungskampagne wurden die offen liegen­

den Mauern notdürftig saniert (Abb. 7).

Nünegg

Auf der Ruine Nünegg in Lieli sind um 1871 ebenfalls

Schatzsucher unterwegs, diesmal im wörtlichen Sinne.

Die Jagd nach wertvollen Funden bleibt jedoch ohne Er­

folg. Noch bedenklicher ist der Umgang mit der Burg­

anlage im Zuge eines Strassenbaus 1873. Die Gemeinde

Lieli plant für dieses Projekt, Steine aus dem Mauer­

werk der Nünegg zu brechen. Glücklicherweise erkennt

schon damals der Kanton Luzern als Eigentümer der

Anlage den historischen Wert der Burg; er stoppt das

Vorhaben.16 Erst in den 1930er Jahren sollte die Nün­

egg Gegenstand von archäologischen Grabungen und

Sanierungsmassnahmen werden, die Bausubstanz war

um 1930 derart schlecht, dass Handlungsbedarf

herrschte. Angesichts des desolaten Zustandes beschloss

1929 der Regierungsrat auf Drängen des heutigen His­

torischen Vereins der Zentralschweiz die Sanierung des

geschichtsträchtigen Bauwerks (Abb. 8).17 Ursprünglich

wurde der damalige Präsident des Schweizerischen

Burgenvereins und Architekt Eugen Probst mit der Lei­

tung des Projekts beauftragt. Nachdem Robert Durrer

als beigezogener Experte der Eidgenössischen Kommis­

sion für historische Kunstdenkmäler diesbezüglich Be­

denken geäussert hatte, zog sich Probst zurück. Durrer

kritisierte, Probst habe die Neigung, Burgen nach einem

romantisierenden Bild wiederherzustellen und dabei

originale Substanz zu opfern.18 1930/31 liess man das

12 Peter Xaver Weber, Die Burgen des Entlebuch. Manuskript zum Vortrag der Jahresversammlung des Historischen Vereins der Fünf Orte (1938) 17.

13 Weber 1938 (wie Anm. 12) 17f.14 Jakob Obrecht, Schenkon LU, Sondierungen und Sanierungs­

massnahmen 1992. Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 1993, Heft 6, 43.

15 Niklaus Zimmermann, Heimatkunde von Wolhusen (Willisau 1929).

16 Waltraud Hörsch, Burg Lieli, Dokumentation der Quellenlage zur Bau­ und Konservierungsgeschichte. Manuskript (Luzern 2010) 22.

17 Hörsch (wie Anm. 16) 25f.18 Hörsch (wie Anm. 16) 27.

7: Äussere Burg Wolhusen. Fotodokumentation anlässlich der Grabungskampagne 1933. Südwestlicher Bereich des Burgareals mit den kurz zuvor freigelegten Mauerzügen.

8: Burgruine Nünegg Lieli. Südansicht der Ruine kurz vor Beginn der Sanierungsarbeiten 1930/31.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

72 Mittelalter 17, 2012 / 2

Mauerwerk der Nünegg schliesslich sanieren. Die Vor­

gehensweise war nicht unbedingt zimperlich. Für die

baulichen Massnahmen wurde der nordöstliche Innen­

bereich der Anlage bis auf den anstehenden Fels aus­

geräumt und somit jeglicher archäologischer Befund

getilgt. Die nach der Sanierung geplante, flächige Gra­

bung im Burginnern fiel 1932 stillschweigend den man­

gelnden finanziellen Mitteln zum Opfer. 1939 versuchte

Reinhold Bosch, der nachmalige aargauische Kantonsar­

chäologe und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft

für Ur­ und Frühgeschichte, neuen Schwung in die For­

schungsarbeiten zu bringen. Eine Nachrestaurierung des

Mauerwerks verbunden mit einer Grabung blieb aber in

der Planungsphase stecken.19 Im Jahr darauf interessierte

sich ein Verein zur Unterstützung von Schwerhörigen in

Winterthur für das Objekt. Die Nünegg sollte in Stand

gestellt und zum Ferienheim für Hörbehinderte ausge­

baut werden. Die Trägerschaft schien allerdings nicht

sehr professionell, und der Kanton Luzern zeigte keiner­

lei Interesse an diesem Projekt.20

Richensee und Alt­Eschenbach

Der Zeitraum zwischen 1930 und 1950 ist im Kanton

Luzern generell eine Phase von intensiver Forschungs­

tätigkeit an Burgen. Dazu gehören am Rande auch die

stadtarchäologischen Ausgrabungen in Richensee 1938

und Alt­Eschenbach (Gemeinde Inwil) 1944/45 unter der

Leitung von Dr. Reinhold Bosch.21 Der wehrhafte Wohn­

turm in Richensee und ein in der Bauweise vergleich­

barer Turmbau am Westende von Alt­Eschenbach waren

jedoch nicht die zentralen Forschungsobjekte dieser

Grabungskampagnen. Deshalb soll an dieser Stelle nicht

genauer darauf eingegangen werden.22

Obernau

Ebenso widmete sich Dr. Gottfried Boesch in den 1940er

Jahren speziellen Themen der mittelalterlichen Sied­

lungsforschung. In erster Linie befasste er sich mit der

Stadt Sempach, aber auch die Burg Obernau ob Kri­

ens war eines von Boeschs Forschungsobjekten. Über

die Anlage ist zu diesem Zeitpunkt fast nichts bekannt,

Spuren im Gelände sind kaum mehr zu erkennen. 1945

führt Boesch mit Kantonsschülern auf der Burgstelle eine

zehntägige Grabung durch.23 Mittels Sondierschnitten

wird gezielt nach Mauerzügen gesucht. Im östlichen Be­

reich des unteren Burgplateaus stossen die Ausgräber auf

einen Sodbrunnen. Diese Entdeckung begeisterte den da­

maligen Besitzer der Obernau, Alois Kaiser, dermassen,

dass er beschloss, den ganzen Brunnenschacht aus­

zunehmen. Die Arbeiten wurden nach Abschluss der

Grabungen in Angriff genommen, der Sod reichte bis in

eine Tiefe von 41 m. Obwohl während der Grabungs­

kampagne diverse Mauerreste freigelegt werden konn­

ten, waren die Erkenntnisse der Untersuchung im Ge­

samten dürftig, das Fundmaterial bescheiden und wenig

aussagekräftig. Nach getaner Arbeit deckte man die

freigelegten Mauerzüge wieder ein.24

Zuweilen nahm die Forschungstätigkeit auch etwas

skurrilere Züge an. Bereits auf der Obernau wurden

Rutengänger eingesetzt, um im Boden verborgene

Mauern zu finden. Die vorausgesagten Befunde konn­

ten durch Kontrollsondierungen nicht bestätigt werden.

1948 waren auf dem Burghügel der Kastelen bei Albers­

wil ebenfalls Rutengänger unterwegs. Auch hier wider­

legten Kontrollgrabungen den erpendelten Befund.25

Grünenberg

Quasi den Abschluss dieser frühen Phase der Burgen­

forschung im Kanton Luzern bildet die Grabung auf

der Ruine Grünenberg bei Hitzkirch. Im Winter 1949/50

untersuchte Reinhold Bosch mit Teilarbeitslosen der

«Viscose Suisse» aus Emmenbrücke die kleine Burg­

anlage am Westrand von Hitzkirch, nahe des mittel­

alterlichen Städtchens Richensee. Die Grabungskam­

pagne auf der kleinen Anlage, die hauptsächlich aus

einem wehrhaften Wohnturm besteht, dauerte zwei

Monate. Im Zug der Untersuchungen wurde der Pflan­

zenbewuchs sowie der Abbruchschutt entfernt und die

Anlage sowohl fotografisch als auch zeichnerisch do­

kumentiert.26 Nach Abschluss der Arbeiten versäumte

der Kanton Luzern als Eigentümer der Ruine geeig­

nete Massnahmen zur nachhaltigen Konservierung des

vollständig freigelegten Turmstumpfes einzuleiten. Erst

nach dem Einsturz des nordwestlichen Teils des Tur­

mes 1957 nahm sich der Regierungsrat der Problematik

an.27

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

73

Die Institutionalisierung der Archäologie

im Kanton Luzern

Der Kanton Luzern erlässt bereits 1946 eine «Verord­

nung über den Schutz und die Erhaltung von Alter­

tümern und Kunstdenkmälern des Kantons Luzern».

Da er jedoch noch nicht über einen eigenen archäologi­

schen Dienst verfügt, obliegt der Vollzug der Verordnung

in den Händen der Prähistorischen Kommission der

Naturforschenden Gesellschaft Luzern. 1954 wird

Dr. Josef Speck vom Regierungsrat zum ersten neben­

amtlichen Kantonsarchäologen gewählt. Speck ist mass­

geblich daran beteiligt, dass die bestehende Gesetzgebung

überarbeitet wird. Mit dem «Gesetz über den Schutz der

Kulturdenkmäler» von 1960 erhält Luzern den recht­

lichen Rahmen, der einen nachhaltigen Schutz und die

gezielte Erforschung der archäologischen Fundstellen

und Baualtertümer überhaupt erst möglich machte.28

Mit der Institutionalisierung hält allmählich auch eine

Professionalisierung der Archäologie und im Speziellen

der Burgenforschung Einzug. Früher untersuchten viel­

fach ambitionierte Amateure mit enormem Enthusias­

mus aber mit wenig methodischem Fachwissen archäo­

logische Fundstellen. Mittlerweile war eine Generation

von Archäologen herangewachsen, die ihr Handwerk

von der Pike auf gelernt hatten.

Wer hofft, die Ernennung eines Kantonsarchäologen

und die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen hätten

zu einem neuen Schub in der Burgenarchäologie geführt,

täuscht sich. Einerseits konnte Josef Speck mit einem

Teilpensum und ohne feste Mitarbeiter seine Aufgabe

kaum bewältigen. Andererseits erhält die junge Kan­

tonsarchäologie mit der überarbeiteten Gesetzgebung

von 1960 einen genau umschriebenen Auftrag. In erster

Linie wird dort untersucht und dokumentiert, wo ar­

chäologischer Befund und historische Substanz der

Bautätigkeit zum Opfer fällt. Die Luzerner Burgstellen

liegen meist ausserhalb der Siedlungs­ und Bauzonen

und sind somit von baulichen Eingriffen selten betrof­

fen. Dies hat zur Folge, dass Grabungen und bau­

analytische Untersuchungen an Burgen und Schlössern

in der Regel nur im Rahmen von Sanierungsmassnah­

men durchgeführt werden. Die archäologischen Boden­

eingriffe beschränken sich grundsätzlich auf jene Be­

reiche, welche durch solche Vorhaben gefährdet sind.

Reine Forschungsgrabungen sind nicht die primäre Auf­

gabe der Kantonsarchäologie. Es ist jedoch erstaun­

lich, dass in der Ära Speck gerade die zwei grössten For­

schungsprojekte auf Luzerner Burgstellen diesbezüglich

aus dem Rahmen fallen, es sind die Grabungen auf der

Hasenburg bei Willisau 1958/59 und die Untersuchung

der Salbüel 1982 in der Nähe von Hergiswil (Willisau).

Die Initiative für die Untersuchungen kam in beiden

Fällen von der Wiggertaler Heimatvereinigung. Der

Verein erwies sich in dieser Zeit immer wieder als Motor

für die Erforschung der Bodenaltertümer in der Lu­

zerner Landschaft. Die Kantonsarchäologie – ein Ein­

mannbetrieb – begrüsste die Pläne der Heimatvereini­

gung, konnte aber aufgrund der fehlenden personellen

Ressourcen nicht selber tätig werden. Die Leitung und

Durchführung dieser Projekte wurde deshalb externen

Fachleuten überlassen.

Hasenburg

Im Falle der um 1250 erbauten und in den Wirren des

Sempacherkrieges zerstörten Hasenburg war es ein Team

des Schweizerischen Landesmuseums unter der Leitung

von Hugo Schneider, welches die Grabung durchführte.

In einer ersten Etappe liess Schneider Suchschnitte über

das ganze Burgareal legen. Auf der Basis der Sondierun­

19 Hörsch (wie Anm. 16) 52.20 Hörsch (wie Anm. 16) 55.21 In der Schlussphase der Grabungsetappe von 1945 übernahm

Dr. Walter Drack die Leitung in Alt­Eschenbach.22 Detaillierte Informationen u.a. in Judith Rickenbach, Alt­

Eschenbach, Eine spätmittelalterliche Stadtwüstung. Archäologische Schriften Luzern 3 (Luzern 1995); Reinhold Bosch, Richensee. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte, Heft 1 (Zürich 1943).

23 Vermutlich wollte sich G. Boesch mit diesem Projekt für die geplante Stelle des Kantonsarchäologen empfehlen. Vergl. dazu Anmerkung 2 in Jakob Bill, Die Burgstelle Obernau bei Kriens LU. Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 1990 Heft 4, 79.

24 Bill 1990 (wie Anm. 23) 75f.25 K. Meyer, Bericht über die Sondierungen auf der Kastelen bei

Alberswil (Schötz 1948), Archiv der Kantonsarchäologie Luzern.26 Reinhold Bosch, Ausgrabung der Ruine Grünenberg bei Hitzkirch

1949/50. Heimatkunde aus dem Seetal, Separatdruck (Seengen 1951) 3–7.

27 Aus dem Regierungsrat. Beitrag im Luzerner Tagblatt, 5. Februar 1958.

28 Jürg Manser et al., Zum Gedenken an Dr. Josef Speck­Scherrer 1918–2006. JbHGL 25, 2007, 151ff.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

74 Mittelalter 17, 2012 / 2

gen entschied man, diverse Bereiche der Hauptburg

flächig auszugraben. Im Folgejahr nahmen die Archäo­

logen das untere Burgplateau in Angriff. Die Funde und

Befunde waren eindrücklich (Abb. 9).29 Leider verliess

die Equipe nach getaner Arbeit die Burgstelle etwas über­

eilt. Der ergrabene Befund wurde nur notdürftig wieder

eingedeckt, ein sauberes Konservierungskonzept für das

freigelegte Mauerwerk bestand nicht, die Hasenburg ist

heute in einem äusserst schlechten Zustand (Abb. 10).

Salbüel

Für die Erforschung der Burgstelle Salbüel konnte Prof.

Werner Meyer gewonnen werden. Mit Studenten des

Historischen Seminars der Uni Basel untersuchte er im

Sommer 1982 während sechs Wochen das weit hinten

im Tal der Enziwigger gelegene Erdwerk. Die Grabung

auf Salbüel war eines der ersten Forschungsprojekte in

der Schweiz, welches sich burgenkundlich mit den frü­

hen Anlagen aus Holz und Erde befasste.30

Scheinbar hatte der Ur­ und Frühgeschichtler Speck keine

allzu grosse Affinität zu den mittelalterlichen Wehr­ und

Repräsentationsbauten. Bis in die Mitte der 1970er Jahre

blieb die Grabung auf der Hasenburg die einzige um­

fassende archäologische Untersuchung einer Burg­

stelle. Generell war es eine Phase, die nicht unbedingt

von sensiblem Umgang mit den Burgen und Schlös­

sern des Kantons geprägt war. Im Fall der sogenannten

«Marienburg» ob Wikon vernachlässigten Archäologie

und Denkmalpflege schon fast in sträflicher Weise ihre

Pflicht, historische Baudenkmäler zu schützen. Seit 1890

befindet sich die Marienburg in privatem Besitz. Der

Ausbau zum Töchterinstitut und Schwesternhaus der

Benediktinerinnen hat im 20. Jh. das Erscheinungsbild

der Burg massiv verändert. Vor allem bei grossen Um­

bauten 1956 wurden beträchtliche Teile der mittel­

alterlichen und frühneuzeitlichen Bausubstanz zerstört

(Abb. 11).31

Eine etwas umfassendere Auseinandersetzung mit dem

Thema Burgen und Schlösser im Kanton Luzern ge­

9: Hasenburg Willisau. Auszug aus dem «Feldbuch» von Hans Suter. Skizze der Anlage mit den 1958/59 unter der Leitung von Hugo Schneider freigelegten und 1965 noch sichtbaren Mauerresten.

10: Hasenburg Willisau heute. Östlicher Bereich des unteren Burgplateaus mit Blick gegen die Kernburg. Die Natur hat die Anlage zurückerobert. Erosion und Verwitterung haben der Ruine stark zugesetzt. Die 1958/59 freigelegten Mauerzüge sind kaum mehr zu erkennen.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

75

schieht im Rahmen der gesamtschweizerischen Inventa­

risierung historischer Bauten für den Kulturgüterschutz.

In den Jahren zwischen 1963 und 1968 prospektierten

Hans Suter und Alois Flury vom Bundesamt für Lan­

destopografie alle bekannten Burgstellen auf Luzerner

Boden und fertigten massstäbliche Skizzen der Anlagen

an. Es ist die erste systematische Erfassung dieser histo­

rischen Baudenkmäler im Kanton nach wissenschaft­

lichen Kriterien. Die erhobenen Daten bildeten u.a. die

Grundlage für die ab 1974 aufgelegte Burgenkarte des

Schweizerischen Burgenvereins.

Nünegg

Im Zeitraum bis in die Mitte der 1970er Jahre ist es

immer wieder Nünegg bei Lieli, welche die Kantons­

archäologie und Denkmalpflege beschäftigt. 1975 war

die eindrückliche Ruine in so einem schlechten Zu­

stand, dass sich eine erneute Konservierung des Mauer­

werks aufdrängte. Schon 1950 war auf der Südseite der

Anlage ein Teil der Grabenstützmauer eingestürzt, und

das kaum 20 Jahre zuvor sanierte Mauerwerk der Burg

zeigte sich bereits wieder in einem äusserst bedenklichen

Zustand. Der Kanton als Eigentümer der Nünegg beliess

es damals aus Kostengründen bei kleineren Schutzmass­

nahmen. 1975 konnte eine Sanierung der Ruine nicht

mehr aufgeschoben werden. Der Kanton war sich der

Notwendigkeit einer umfassenden Konservierung der

Bausubstanz zwar bewusst, man beschränkte sich aber

auf die Restaurierung der aufgehenden Burgturmwände

und die Anfertigung eines Plansatzes. Bodenunter­

suchungen waren im Rahmen des Projekts nicht geplant.

Prompt regte sich Kritik an der Vorgehensweise. Die

lokale Presse bezeichnete die Massnahmen als «Pfläster­

chen».32 Die Nünegg wird sich in der Folgezeit immer

wieder als Sorgenkind des Denkmalschutzes erweisen.

Burgstelle Fahr und Alt­Eschenbach

Ab 1975 verleiht der Nationalstrassenbau der Archäolo­

gie im Kanton Luzern für einige Jahre einen zusätzlichen

Schub. Mit Bundesmitteln konnte die einige hundert

Meter nordöstlich des abgegangenen, mittelalterlichen

Städtchens Alt­Eschenbach gelegene Burgstelle Fahr un­

tersucht werden. Auf die Existenz der Anlage deuteten

lediglich noch zwei Abschnittgräben im Gelände hin.

Die Grabungen 1977 leitete Werner Stöckli. Mauerzüge

konnten keine nachgewiesen werden, und die Siedlungs­

spuren, welche eine Nutzung des Burghügels zwischen

der Mitte des 11. und dem frühen 13. Jh. nahelegen,

waren äusserst schwach. Auf Grund des Befundes wurde

die Fahr als kleiner Adelssitz in Form einer Holz­Erd­

Burg interpretiert.33

29 Hugo Schneider, Die Hasenburg, Ein weiterer Beitrag zur schweizerischen Burgenkunde im Hochmittelalter. Sonderdruck aus der Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 20, 1960, 10–27.

30 Werner Meyer, Salbüel LU, Bericht über die Forschungen von 1982. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 17 (Basel 1991) 81ff.

31 Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern V (Basel 1959) 219f.

32 Hörsch (wie Anmerkung 16) 60.33 Rickenbach 1995 (wie Anm. 22) 171ff.

11: Bauarbeiten auf der «Marienburg» bei Wikon 1956. Der in seiner Kernsubstanz mittelalterliche Wohntrakt auf der Westseite des Bergfrieds schien nicht schützenswert und wurde fast vollständig abgebrochen!

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

76 Mittelalter 17, 2012 / 2

Nach einer ersten Grabungskampagne am Ende des

zweiten Weltkrieges war Alt­Eschenbach im Zuge des

Nationalstrassenbaus 1980/81 nochmals Gegenstand der

Forschung. Obwohl die geplante Transitroute die Fund­

stelle nicht direkt tangierte, machte die Erstellung einer

Erschliessungstrasse für den Autobahnbau, das Anlegen

von Leitungsgräben und die Korrektur des nahe gelege­

nen Rotbaches archäologische Abklärungen notwendig.

Rekonstruktionen an Teilen der sichtbaren Mauerreste

des Städtchens, im Zuge der abschliessenden Konservie­

rungsmassnahmen, sind heute aus fachlicher Sicht eher

umstritten. Um den Befund für den Besucher der histori­

schen Stätte besser lesbar zu gestalten, wurde unter ande­

rem das isoliert stehende Turmfundament am Westende

des Städtchens auf einer Höhe von rund einem Meter

rekonstruiert. Die ergänzten Mauerteile bestehen aus

einer bruchsteinverblendeten Betonkonstruktion.34

Schloss Wyher

Ein weiteres Beispiel von gut gemeinter Absicht und fach­

lich fragwürdiger Umsetzung betrifft das Schloss Wyher

in Ettiswil. Im Januar 1963 stellt der Kanton das Schloss

unter Denkmalschutz (Abb. 12). Nur wenige Monate

später schlägt ein Blitz im Hauptgebäude ein, welches

fast vollständig ausbrennt. Der Kanton, seit 1965 Besit­

zer der Immobilie, kümmert sich nur zögerlich um die

Beseitigung der Brandschäden und die dringend not­

wendige Sanierung der malerischen Anlage.35 Erst 1976

kann dank den Bemühungen der Stiftung Schloss Wyher

die Renovierung in Angriff genommen werden. Die

finanziellen Mittel werden unter anderem durch Gönner­

beiträge und eine «Goldsuche» sichergestellt: Anlässlich

einer Sammelaktion durften Schlossbesucher gegen einen

Spendenbeitrag im Bereich des Burggrabens verstecktes

Gold suchen. Dieses Vorhaben rief den damaligen Prä­

sidenten der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für

Archäologie des Mittelalters, Dr. Jürg Ewald, auf den

Plan. In einem Brief an Josef Speck schreibt er: «Ich kann

mir schwerlich vorstellen, dass es denkbar sein soll, dass

ein historisches Gebäude […] an seiner empfindlichsten

Stelle, dem Weiher oder wahrscheinlich Wassergraben,

durch ein wildes Aufgebot von ‹Schatzsuchern› archäo­

logisch zerstört werden soll».36 Systematische archäolo­

gische Abklärungen wurden während den folgenden

Renovationsetappen trotz Bodeneingriffen nicht in Be­

tracht gezogen. Kleinere Sondierungen im Bereich des

Burggrabens blieben die Ausnahme.

Beromünster

Im Rahmen dieses Beitrages sind kurz auch die Gra­

bungsergebnisse der Untersuchungen im Stiftsbereich

von Beromünster zu erwähnen. Die Stiftskirche St. Mi­

chael ist im Kern eine frühromanische Basilika, deren

Bau den Grafen von Lenzburg im 11. Jh. zugeschrie­

ben wird. Die Kirche mit dazugehörigem Stiftsbereich ist

eines der wenigen Beispiele befestigter Sakralbauten im

Kanton Luzern. Heute fügen sich die Befestigungsan­

lagen unauffällig ins Ortsbild und sind für den ungeübten

Betrachter kaum mehr zu erkennen oder liegen verbor­

gen im Boden. Während der gross angelegten Grabungen

anlässlich der Totalrenovation der Stiftskirche zwischen

1975 und 1984 konnten längere Abschnitte der einst mit

Türmen bewehrten Umfassungsmauer freigelegt wer­

den.37 Mit der Forschungstätigkeit in den letzten 20 Jah­

ren fügt sich die Geschichte der Stiftsbefestigung langsam

zu einem differenzierten Gesamtbild zusammen.38

Burgstelle Buchs

Eher als glücklicher Zufall im Bereich Burgenarchäologie

erwies sich die Grabung 1983 bei der Kapelle St. And­

reas in Buchs. Zwar vermutete man schon lange, dass die

Anfang des 15. Jh. erbaute Kapelle an Stelle einer ab­

gegangenen Burg steht, den Beweis erbrachte die Unter­

suchung anlässlich der Kapellenrenovation. Rund um

den Sakralbau traten Fundamente einer Ringmauer und

anderer Bauten zu Tage. Im aufgehenden Mauerwerk

von Chor und Schiff zeigten sich noch Reste eines Berg­

frieds und eines palasartigen Gebäudes. Als besondere

Überraschung galt die Entdeckung von mehreren Stein­

kistengräbern, die teilweise von den mittelalterlichen

Mauerzügen überfahren werden. Die zeitliche Einord­

nung der Bestattungen ist noch unklar, sie dürften ins

Frühmittelalter zu datieren sein.39

Sempach und Hohenrain

Den Abschluss von Specks Karriere als Kantonsarchäo­

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

77

loge bildeten unter anderem Projekte im Bereich Burgen­

archäologie in Hohenrain und Sempach. Wenig beach­

tet blieb bis heute der mittelalterliche Wohnturm, der bei

Bauarbeiten im nordwestlichen Bereich der Stadtmauer

(Restaurant Ochsen) von Sempach 1983 zum Vorschein

kam. Der Bau reicht in die vorstädtische Zeit zurück,

bevor in der Mitte des 13. Jh. die Stadtmauer errich­

tet wird.40 Es stellt sich in diesem Fall jedoch die Frage,

ob der Wohnturm im engeren Sinn typologisch noch den

Burgenbauten zuzuordnen ist, oder ob es sich dabei um

einen reinen Repräsentationsbau handelt. Die Grenzen

sind bekanntlich fliessend.

Die um 1182 gegründete ehemalige Johanniterkom­

mende Hohenrain ist ein Forschungsobjekt, das bis in

die Gegenwart immer wieder Anlass für Grabungen und

bauanalytische Untersuchungen gibt. Der wohl spekta­

kulärste Fund war die Entdeckung von Wandmalereien

aus der Zeit um 1300 während Renovationsarbeiten

2006 im Komturhaus der Kommende.41 Die Forschungs­

arbeiten setzen 1970 mit den Ausgrabungen Rudolf

Sennhausers in der Kirche St. Johannes Baptist ein. In

und um den Sakralbau, inmitten des Kommenden­

areals, traten unzählige Gräber aus dem Hochmittelalter

zu Tage. 1984 stand die Sanierung des markanten Turms

«Roten» auf dem Programm (Abb. 13). Im Rahmen

dieses Projektes wurden weitere hochmittelalterliche Be­

stattungen freigelegt, die sich bis unter die Fundamente

des Turms hinzogen. Insgesamt kamen bei dieser Gra­

bung 365 Skelette zum Vorschein. Die parallel lau­

fenden, bauanalytischen Untersuchungen am «Roten»

ergaben, dass der Turm vermutlich im 12. Jh. als reprä­

sentativer, zweigeschossiger Wohnbau mit einer gegen

Osten weit aufragenden Fassade und Pultdach entstand.

Um 1490 stockt man den Turm auf und versieht ihn mit

34 Rickenbach 1995 (wie Anm. 22) 27f.35 Thüer 1982 (wie Anmerkung 5) 172f.36 Schreiben von J. Ewald an J. Speck vom 22. April 1976. Archiv der

Kantonsarchäologie Luzern.37 Detaillierte Informationen zu diesem Thema in Peter Eggenberger,

Das Stift Beromünster – Ergebnisse der Bauforschung 1975–1983. Luzerner Historische Veröffentlichungen 21 (1986).

38 Siehe dazu u.a. Archäologie im Kanton Luzern. JbHGL 23, 2005, 189–192.

39 Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht 1983. Sonderdruck aus JbHGL 2, 1984, 87.

40 Denkmalpflege und Archäologie (wie Anm. 39) 92.41 Roland Böhmer, «Und sein Haupt wurde auf einer Schüssel

gebracht …». In: Ehemalige Johanniterkommende Hohenrain. Sonderdruck der Historischen Gesellschaft Luzern (Luzern 2010) 41–49.

12: Das Schloss Wyher in Ettiswil zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung 1963.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

78 Mittelalter 17, 2012 / 2

einem auskragenden hölzernen Obergaden.42 1989 und

im Zeitraum zwischen 2000 und 2011 halfen weitere

archäologische Abklärungen, so etwa im Bereich der

nordwestlichen Ecke der Umfassungsmauer der Kom­

mende, des Komturhauses und des Pfarrhauses, die Bau­

geschichte der Johanniterkommende zu erhellen.

Der Ausbau der Kantonsarchäologie

Mit der Ernennung Jakob Bills zum Kantonsarchäo­

logen halten 1985 signifikante strukturelle Änderungen

Einzug. Bis anhin setzte sich die Kantonsarchäologie

einzig aus Josef Speck und seit 1981 aus einem Gra­

bungstechniker zusammen, feste Arbeitsräumlichkeiten

fehlten gänzlich. Zudem bestand das Amt des Kan­

tonsarchäologen aus einer nebenamtlichen Teilzeitstelle.

Jakob Bill schaffte es, innerhalb kürzester Zeit den Per­

sonalbestand auszubauen und ein festes Grabungsteam

aufzustellen. Erst so konnte der gesetzliche Auftrag der

Archäologie nachhaltig wahrgenommen werden.

In den letzten 20 Jahren beschäftigte die Kantons­

archäologie hauptsächlich Burgstellen, welche bis in die

Mitte des 20. Jh. bereits Gegenstand von Ausgrabungen

waren. Die damals freigelegten Mauern wurden oft

unsachgemäss konserviert oder eine Sanierung der er­

haltenen Bausubstanz unterblieb gänzlich. Der Verwit­

terung und Erosion preisgegeben, wiesen diese Objekte

zum Teil bedenkliche Zerfallsschäden auf.

Äussere Burg Wolhusen

Zwischenzeitlich war die 1930–36 untersuchte Äussere

Burg Wolhusen in einem desolaten Zustand. 1985 ini­

tiierte die im selben Jahr gegründete «Stiftung Burg

Wolhusen» die Restaurierung der Anlage. In einer ersten

Etappe stand die Konsolidierung der noch sichtbaren

Mauerreste an. Die Arbeiten wurden unter der Leitung

von Jakob Obrecht durchgeführt.43 In den Jahren 1993

und 1998 folgten weitere Instandstellungsmassnahmen,

verbunden mit archäologischen Abklärungen im Bereich

der zu sanierenden Mauerzüge. Zudem sollten in der

letzten Etappe Sondierungen im Bereich der Motte nord­

östlich des Burgareals durchgeführt werden. Die Unter­

suchungen zeigten, dass die Motte mit Holz­Erdburg

bereits im 11. oder 12. Jh. als möglicher Vorgänger der

Äusseren Burg entstand. Bis anhin stand die These im

Raum, die Entlebucher hätten im Guglerkrieg 1375 den

Hügel als zusätzliche Befestigungsmassnahme der

Äusseren Burg aufgeworfen.44

Obernau

Der 1945 vollständig vom Schutt befreite Sodbrun­

nen auf der Obernau bei Kriens bedeutete mittlerweile

ein beträchtliches Gefahrenpotenzial für die Besucher

der Burgstelle. Die Umzäunung der Sodmündung ge­

nügte modernen Sicherheitsanforderungen nicht mehr,

der Brunnenschacht drohte einzustürzen. Im Vorfeld der

Sicherungsarbeiten 1989 hatte die Kantonsarchäologie

die Gelegenheit, auf dem unteren Burgplateau rund um

den Sodbrunnen zu sondieren. Mittels einzelner Schnitte

sollten bessere Erkenntnisse zur Anlage erhalten und

die Beobachtungen Boeschs von 1945 erhärtet werden.

Obwohl sich die Freilegungsarbeiten auf relativ kleine

Flächen beschränkten, waren die Ergebnisse äusserst

13: Ehemalige Johanniterkommende Hohenrain. Der sog. Turm «Roten» nach der umfassenden Renovation 1984.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

79

aufschlussreich. Der Befund zeigte sich um einiges

dichter als ihn Boesch bei seiner Grabung angetroffen

hatte. Rund um das untere Burgplateau konnten etliche

Mauerfundamente angeschnitten werden, die vermuten

lassen, dass im Boden auf der Obernau eine stattliche

Burganlage schlummert (Abb. 14).45

Schenkon

Nachdem die Ruine Schenkon mit den Grabungen der

Gebrüder Rogger 1899 einige Aufmerksamkeit erlangte,

wurde die Burg wieder ihrem Schicksal überlassen. Um

den vollständigen Zerfall einer der eindrücklichsten

Burganlagen im Kanton Luzern zu verhindern, kaufte die

Gemeinde Schenkon 1986 das Grundstück und gründete

zur Erhaltung der Ruine den «Burgverein Schenkon».

Mit der Ausführung der längst fälligen Konservierungs­

massnahmen und den damit verbundenen archäolo­

gischen Abklärungen betraute die Kantonsarchäologie

1992 Jakob Obrecht (Abb. 15).46

Nünegg

Als permanentes Sorgenkind der Kantonsarchäologie

und Denkmalpflege erweist sich die Ruine Nünegg ob

Lieli. Nachdem 1984 und 2004 wiederum diverse

Sanierungsmassnahmen am Bau durchgeführt wurden,

sah sich die Immobilienverwaltung des Kantons Luzern

gezwungen, die Ruine 2008 partiell abzusperren.47 Risse

im Mauerwerk des Burgturms und herabfallende Steine

führten zu einer massiven Gefährdung der Besucher. Die

Situation verschärfte sich in den folgenden Jahren so

sehr, dass die Anlage 2011 vollständig abgesperrt

werden musste, die Ruine ist massiv vom Einsturz be­

droht. Momentan sind umfassende Konservierungs­

arbeiten im Gange (Abb. 16). Im Vorfeld der Sanierung

wurde im Bereich der von den Massnahmen betroffenen

Stellen das Erdreich sondiert. Trotz der brachialen Bo­

deneingriffe bei der Renovation 1930/31 zeigte sich, dass

14: Ruine Obernau bei Kriens. Grabungsbefund 1989: Das sauber gefügte Quadermauerwerk der talseitigen Ringmauer lässt vermuten, dass im Boden der Obernau eine weit statt­lichere Anlage schlummert als bis anhin angenommen wurde.

15: Die Ruine Schenkon während den Sanierungsarbeiten 1992.

42 Roger Strub/Lisa Herrera, Die Entdeckung der Wandmalerei und deren konservierende Restaurierung. Johanniterkommende 2010 (wie Anm. 41) 23f.

43 Archäologie im Kanton Luzern 1985. JbHGL 4, 1986, 101f.44 Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht

der Kantonsarchäologie 1998. Sonderdruck aus JbHGL 17, 1999, 155.

45 Bill 1990 (wie Anm. 23) 74–77.46 Obrecht 1993 (wie Anm. 14) 42ff.47 Hörsch (wie Anm. 16) 62ff.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

80 Mittelalter 17, 2012 / 2

im Burginnern zum Teil noch beträchtlicher mittelalter­

licher Befund anzutreffen ist.48

Glücklicherweise reduzierte sich die Arbeit der Kan­

tonsarchäologie nicht nur auf die «Altlasten». Die zu­

nehmende Bautätigkeit und teilweise auch die Initiative

von Burgenvereinen und Stiftungen führten in den letz­

ten 30 Jahren dazu, dass auch noch unerforschte Burg­

stellen untersucht werden konnten.

Zu den kleineren Projekten gehörten die Sondierungen

auf dem Kottwiler Gütsch 1986 und der Dietenei im

Gemeindegebiet von Ruswil 1991. Buchstäblich in letz­

ter Minute konnten die Holz­Erd­Anlagen unbekann­

ter Zeitstellung vor der teilweisen Zerstörung gerettet

werden. In beiden Fällen waren geplante Forststrassen

der Auslöser der Untersuchungen. Auf der Dietenei hat­

ten die Baggerarbeiten bereits begonnen! Besondere Be­

deutung haben die Objekte, da sie neben der Salbüel zu

den wenigen teilweise untersuchten Holz­Erd­Burgen im

Kanton gehören.49

Innere Burg Wolhusen

Die älteste, detaillierte Abbildung der Inneren Burg

Wolhusen stammt aus dem frühen 17. Jh. Das beim

Brand von 1993 zerstörte Tafelbild Nr. 36 auf der

Kapellbrücke in Luzern zeigt in eindrücklicher Weise

die imposante Burganlage. Die Darstellung hatte wohl

wenig mit der Realität gemeinsam. Schon in der Ent­

stehungszeit des Bilderzyklus war die Burg eine Ruine.

Die Darstellung entspricht in ihrer historisierenden

Weise der Renaissancemalerei der damaligen Zeit. 1837

erstellte Philipp Anton Segesser eine Planskizze der damals

noch spärlich erhaltenen Mauerreste.50 Heute sind von

der Inneren Burg über Boden keine Mauern mehr sicht­

bar, wenn auch stellenweise Fundamente, bedingt durch

Hangerosion und Weidewirtschaft, am steilen Burghügel

durch das Erdreich stossen. 1988 und 1992 konnten bei

Notgrabungen kleinere Flächen auf dem nördlich vor­

gelagerten, unteren Burgplateau untersucht werden. Die

Ergebnisse waren vielversprechend. In den beiden

Etappen wurden Reste eines abgebrannten Ökonomie­

gebäudes freigelegt, welches anhand der Fundgegen­

stände wie Steigbügel, Reitersporn und Trensenbestand­

teile als Pferdestallung zu taxieren ist (Abb. 17).

Neu­Habsburg und Schloss Heidegg

Die am Vierwaldstättersee bei Meggen gelegene Neu­

Habsburg ist eine der malerischsten Anlagen im Kan­

ton Luzern. 1244 als habsburgischer Verwaltungssitz er­

baut, wurde die Burg 1352 in einer Auseinandersetzung

mit der Eidgenossenschaft zerstört. Da 1989 die Renova­

16: Die Burgruine Nünegg bei Lieli während der momentan laufenden Sicherung des vom Einsturz bedrohten Bauwerks.

17: Innere Burg Wolhusen. Grabung auf dem unteren Burg­plateau 1988. Deutlich sichtbar sind die Fundamentreste des Ökonomiegebäudes.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

81

tion der durch einen Brand beschädigten, neugotischen

Schlossvilla am südlichen Rand des Burgareals auch die

mittelalterliche Anlage tangierte, musste die Kantonsar­

chäologie aktiv werden. Während mehrerer Etappen

wurde die Neu­Habsburg archäologisch Untersucht und

die erhaltenen Mauerzüge konserviert (Abb. 18).51

Eine intensive Forschungstätigkeit löste die etappenweise

Gesamtrenovation des Schlosses Heidegg in Gelfingen

in den Jahren wischen 1989 und 1998 aus. Vor allem

durch massive Umbauten im 17. Jh. erhielt die mittel­

alterliche Burg den heutigen Schlosscharakter. Die bau­

begleitenden Untersuchungen am Hauptgebäude haben

einen detaillierten Einblick in die bewegte Entwicklungs­

geschichte des Schlosses ermöglicht.52 Die schonende

Durchführung des Projektes bedingte nur marginale

Bodeneingriffe. Ausgedehnte Grabungen – die wohl

noch einiges an den Tag gebracht hätten – waren nicht

notwendig.

Burgruine Kastelen

In einem Brief an das Erziehungsdepartement Luzern

schrieb Josef Speck 1973: «Die Burgruine Kastelen

ist meines Erachtens die erhaltenswürdigste im ganzen

Kt. Luzern. […] Ein Eintrag ins Denkmalverzeichnis

drängt sich gebieterisch auf.»53 Schon lange waren

Bestrebungen im Gange, den weithin sichtbaren, in

Quadermauerwerk ausgeführten Burgturm hoch über

Alberswil unter Schutz zu stellen. Der damalige Besitzer

sträubte sich gegen dieses Vorhaben. Die Unterschutz­

stellung ist jedoch nur der erste Schritt zur Erhaltung

bedeutender Kulturgüter. Die 1996 gegründete Stiftung

«Verein Burg Kastelen» setzte sich zur Aufgabe, die um

1252 erbaute und im Bauernkrieg 1653 teilweise zer­

störte Burg zu erhalten und der Öffentlichkeit wieder

zugänglich zu machen. Die Kastelen ist eines der her­

ausragenden Beispiele, wie sich private Institutionen im

Kanton Luzern mit Hingabe um Baudenkmäler küm­

mern. Zwischen 1998 und 2002 stand die Sanierung

des Burgturmes auf dem Programm. Nach umfang­

reicher Dokumentation des Baubestandes durch Jakob

Obrecht wurde der äussere und innere Mauermantel

gesäubert, Risse fachgerecht geschlossen und das Fun­

dament der Nordwestecke neu unterfangen. Die Si­

cherungsmassnahmen im Fundamentbereich und das

Verlegen von Entwässerungsleitungen bedingten eine

archäologische Untersuchung des Turminneren. Die

kleine Fläche barg erstaunliche Befunde. Eine ange­

schnittene Palisadenreihe zeigt, dass der Burghügel schon

vor dem Bau des Turmes mit einer Holz­Erd­Burg be­

wehrt war. Prähistorische Keramikscherben sowie eine

Silexpfeilspitze im Fundmaterial legen Siedlungstätig­

keit bereits in der Bronzezeit bzw. der Jungsteinzeit nahe

(Abb. 19).54

18: Neu­Habsburg Meggen. Nordansicht der Ruine zu Beginn der Grabungen und Konservierungsarbeiten 1990.

48 Archäologie im Kanton Luzern 2008–2009. JbHGL 28, 2010, 237.49 Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht

1986. Sonderdruck aus JbHGL 5, 1987, 68f; Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht 1991. Sonderdruck aus JbHGL 10, 1992, 93f.

50 Jakob Bill, Die «Innere Burg» über Wolhusen­Markt. Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 1994, Heft 1, 63.

51 Denkmalpflege und Archäologie im Kanton Luzern, Jahresbericht der Kantonsarchäologie 1991. Sonderdruck aus JbHGL 10, 1992, 127.

52 Dieter Ruckstuhl, Schloss Heidegg (Bern 2001) 10ff.53 Mitteilung von J. Speck an das Erziehungsdepartement vom

12. Februar 1973. Archiv der Kantonsarchäologie Luzern.54 Archäologie im Kanton Luzern 2002. JbHGL 21, 2003, 185–191.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

82 Mittelalter 17, 2012 / 2

2001 tritt Jürg Manser die Nachfolge von Jakob Bill an.

Keine leichte Aufgabe, die der neue Kantonsarchäologe

übernahm. Die massiven Sparmassnahmen im Kanton

Luzern erschwerte die Arbeit der Archäologie und

Denkmalpflege in den letzten 10 Jahren erheblich. Die

Tatsache, dass die stark ansteigende Bautätigkeit die

Anzahl der Grabungen beträchtlich zunehmen liess,

verschärfte die Situation zusätzlich.

Trotz der finanziell angespannten Lage hatte die Kan­

tonsarchäologie 2003 die Gelegenheit, eines der interes­

santesten Projekte im Bereich Burgenarchäologie durch­

zuführen.

Stadtburg Willisau

In diesem Jahr sollte das sogenannte «Haus Bergli» in

Willisau zum regionalen Zivilstandsamt umgebaut

werden. Das denkmalgeschützte Gebäude thront auf

einem Hügel in der Südostecke der Stadtbefestigung.

Aufgrund der «Luzernerkarte» von Hans Heinrich

Wägmann und Rennward Cysat vermutete man an

diesem Ort schon lange einen mittelalterlichen Wehr­

und Repräsentationsbau. Über das Objekt selber schreibt

Cysat um 1600: «Willisau hat ein groelich stark schloss

gehept ob der stadt uff dem berg, der glychwohl ouch

in die ringmuren ingfassen; diss schloss ist dieser zyt

ganz öd und in dem österrychschen krieg verbrennt und

zerstört worden».55 Schon zu Zeiten des Luzerner Stadt­

schreibers war demzufolge die Stadtburg nur noch als

Ruine wahrnehmbar.

Was anfänglich als kleinere Grabung im Innern eines

Wohnhauses aus dem vorletzten Jahrhundert begann,

entwickelte sich zu einer der grössten burgenarchäo­

logischen Untersuchungen im Kanton Luzern. Schliess­

lich konnte der städtische Verwaltungssitz der Herren

von Hasenburg dank finanzieller Unterstützung der Ge­

meinde flächig ergraben werden. Die Anlage, einst mit

einem dominierenden, palasartigen Bau versehen, ent­

stand um 1300, wohl kurz nach der Vollendung der

Stadtmauer. Die Nutzung als Verwaltungssitz war von

kurzer Dauer. Mit dem allmählichen Niedergang der

Hasenburger in der zweiten Hälfte des 14. Jh. verlor die

Stadtburg schnell an Bedeutung. Vermutlich wurde sie

sowohl im Guglerkrieg 1375 als auch im Sempacher­

krieg 1386 in Mitleidenschaft gezogen. Spätestens ab

der Mitte des 15. Jh. wird die Anlage endgültig dem

Zerfall überlassen und das Burgareal landwirtschaftlich

genutzt.56

Die im Innern des Hauses Bergli erhalten gebliebenen

Mauern des südlichen Burgtraktes sind heute für den

Besucher noch sichtbar. Die ausserhalb des Gebäudes

liegenden Mauerzüge wurden aus konservatorischen

Gründen wieder zugedeckt und deren Lage mit moder­

nen Baumaterialien nachgezeichnet (Abb. 20).

Mit dem Amtsantritt von Jürg Manser hat neben vie­

lem anderem die Prospektionstätigkeit stark an Bedeu­

tung gewonnen. Die Luzerner Burgstellen werden sys­

tematisch begangen, um ein genaues Bild über ihren

Erhaltungszustand zu erlangen. Nur so ist gewährleistet,

dass nötige Konservierungs­ und Schutzmassnahmen an

19: Ruine Kastelen bei Alberswil. Der imposante Burgturm in frisch saniertem Zustand 2002.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

83

den eindrücklichen Baudenkmälern unverzüglich in die

Wege geleitet werden können. Angesichts der beschrie­

benen Rahmenbedingungen ist dies kein einfaches Un­

terfangen, die Kantonsarchäologie und kantonale Denk­

malpflege versuchen im Rahmen der Möglichkeiten ihr

Bestes.

Fazit

Die vorangegangenen Betrachtungen zu den wichtigsten

archäologischen und bauanalytischen Untersuchungen

an den Burgen und Schlössern im Kanton Luzern wäh­

rend der letzten rund 150 Jahre zeigen, wie üppig die

Quellen eigentlich wären und wie wenig wir trotz der

langen Forschungsgeschichte aus archäologischer Sicht

über die Burgen und Schlösser im Kanton Luzern wissen.

Nur knapp ein Viertel der mittelalterlichen Wehranlagen

im Kanton waren bis heute Gegenstand der archäolo­

gischen Forschung. Bei vielen beschränkten sich die

Untersuchungen auf Teilbereiche der Anlagen.

In der Frühphase der Burgenforschung waren es vor

allem historische Gesellschaften, Heimatvereine und

Private, die sich mit viel Hingabe, oft aber mit eben­

so wenig methodischem Fachwissen den Wehrbauten

annahmen. Mit der Ernennung des ersten Kantons­

archäologen 1954 und der Schaffung der gesetzlichen

Rahmenbedingungen 1960 wird die Archäologie ins­

titutionalisiert, professionalisiert und endgültig der

staatlichen Hoheit unterstellt. Eine Belebung der Bur­

genforschung brachten diese Neuerungen jedoch nicht.

Mangelnde personelle Ressourcen hatten zur Folge, dass

man selbst bei zerstörerischen Baueingriffen an den his­

torischen Denkmälern nur zögerlich aktiv wurde und

die archäologischen sowie bauanalytischen Abklärungen

an den betreffenden Objekten auf ein Mindestmass be­

schränkt blieben. Grössere Projekte wie die Hasenburg

oder die Salbüel kamen weiterhin nur auf Initiative Aus­

senstehender zu Stande. Die Erhaltung der vom Zerfall

bedrohten Burgen und Schlösser ging oft nicht über den

Rahmen kurzfristiger Schadensbegrenzung hinaus.

Erst mit dem Ausbau der Kantonsarchäologie ab 1985

verbessert sich die Situation. Mit wachsendem Personal­

bestand wurde es möglich, sich konsequent und syste­

matisch den bedrohten Zeugen des Mittelalters anzu­

nehmen. Dennoch beschränkten sich die Aktivitäten

in der Regel auf Notgrabungen. Forschungsgrabungen

sind infolge des gesetzlichen Auftrages der Kantonsar­

chäologie und der finanziellen Mittel kaum möglich. Der

Schutz der besser erhaltenen Burganlagen kann oft nur

20: Willisau «Bergli». Luftaufnahme der Stadtburg am Ende der Grabungen von 2003. Verborgen unter dem Gebäude in der rechten Bildhälfte liegt der Haupt­trakt der Anlage.

55 Archäologie im Kanton Luzern. JbHGL 22, 2004, 240.56 Archäologie im Kanton Luzern (wie Anm. 55) 241–246.

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

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21: Kantonskarte LU mit den in den Beiträgen erwähnten Fundstellen.

1 Alberswil, Kastelen2 Altbüron, Burg Altbüron3 Beromünster, Stiftsbezirk4 Büron, Burg Büron5 Dagmersellen – Buchs, Kapelle St. Andreas6 Ermensee7 Escholzmatt, Hinterchnubel8 Ettiswil, Schloss Wyher9 Ettiswil – Kottwil, Gütschwald10 Gelfingen, Schloss Heidegg11 Gettnau, Stadtägertli12 Hergiswil, Salbüel13 Hitzkirch, Grünenberg14 Hitzkirch, Richensee15 Hohenrain, Johanniterkommende16 Hohenrain – Lieli, Nünegg17 Inwil, Alt Eschenbach

18 Inwil, Fahr19 Kriens, Obernau20 Luzern, Zytturm21 Meggen, Altstaad22 Meggen, Neu­Habsburg23 Meggen, Rüeggiswil24 Oberkirch, Kirche25 Römerswil – Herlisberg, Oberrinach26 Ruswil, Dietenei27 Schenkon, Burg Schenkon28 Sempach, Hexenturm / Restaurant Ochsen29 Sursee, Obertor / Murihof / Mülihof / St.Urbanhof30 Werthenstein, Innere Burg31 Wikon, Marienburg32 Willisau, Bergli / Stadt33 Willisau, Hasenburg34 Wolhusen, Äussere Burg

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

85

dank Geldern von speziell zu diesem Zweck gegründeten

Stiftungen und Burgenvereinen gewährleistet werden.

In den letzten Jahren hat sich die Lage wieder verschärft.

Substanzielle Budgetkürzungen bei der Archäologie und

Denkmalpflege im Kanton Luzern und langsam ver­

siegende Bundesbeiträge haben den Vollzug des gesetz­

lichen Auftrages dieser Dienststellen schon fast ver­

unmöglicht, und dies betrifft nicht nur die Burgen und

Schlösser. Ein Silberstreifen am Horizont ist momentan

nicht zu erkennen, im Gegenteil.

RésuméSelon l’état actuel des recherches, on recense dans le canton de Lucerne 97 châteaux forts et châteaux de plaisance, aux­quels s’ajoutent 35 sites castraux présumés. Jusqu’ici, à peine un quart de ces édifices médiévaux de défense ou à carac­tère représentatif ont fait l’objet de fouilles archéologiques et d’études d’archéologie des élévations.

Depuis la fin du 19e siècle, les anciens sièges seigneuriaux sont venus progressivement éveiller l’intérêt de la science. Dans la première phase de l’archéologie castrale, ce furent surtout des sociétés d’histoire, des sociétés d’histoire locale et des particu­liers qui, avec un grand dévouement, mais souvent aussi avec un profond manque de connaissances spécifiques méthodiques, ont étudiés les édifices défensifs. C’est à cette époque qu’ont été réalisés notamment les fouilles sur les plus grands sites castraux du canton, tels que la ruine d’Oberrinach près de Herlisberg en 1888 et 1940, le Nünegg près de Lieli en 1930/31 ou le château «Äussere Burg» à Wolhusen 1930–35.

Avec la nomination du premier archéologue cantonal en 1954 et le remaniement des conditions­cadres légales en 1960, l’archéologie s’institutionnalisa et se professionnalisa, pour se retrouver définitivement soumise à la souveraineté étatique. Pourtant, un manque de ressources personnelles a eu pour conséquence que, même lors de transformations à caractère destructif de monuments historiques, le service d’archéologie ne s’est pas montré très enclin à s’activer et les clarifications archéologiques ou les analyses de la substance des objets concernés se sont retreintes au strict minimum. Des recherches de plus grande envergure, comme celles entreprises au château de Hasenburg près de Willisau en 1958/59 ou celles du Salbüel (Hergiswil près de Willisau) en 1982 n’ont vu le jour que sur l’initiative de personnes extérieures.

Ce n’est qu’à partir de l’agrandissement du service d’archéo­logie cantonale, dès 1985, que la situation s’est améliorée. Un effectif de personnel plus étoffé a permis d’étudier de façon cohérente et systématique les témoins menacés du Moyen Age. Cependant, les activités se sont limitées, pour l’essentiel, aux

fouilles d’urgence. Sur la base du mandat légal de l’archéologie cantonale et avec les moyens financiers disponibles, les fouilles scientifiques sont pratiquement impossibles. La protection des sites castraux mieux conservés n’est souvent garantie que grâce à des fondations et à l’Association des châteaux forts. Au tra­vers du château de Nünegg, de l’«Äussere Burg Wolhusen» et de la ruine d’Oberrinach, des dispositifs déjà en grande par­tie examinés ont fait l’objet de fouilles et d’études d’archéolo­gie des élévations, dans le cadre de mesures de conservation. Dans la liste des objets nouvellement étudiés s’alignent notam­ment l’«Innere Burg Wolhusen» 1988/92, le château d’Heidegg 1989–98 au­dessus de Gelfingen et le château de Neuhabsburg à Meggen 1989/90.

Au cours de ces dernières années, la situation s’est encore mo­difiée. Des restrictions budgétaires substantielles au niveau de l’archéologie et de la protection des monuments dans le can­ton de Lucerne et des subsides étatiques toujours plus modestes rendent la réalisation du mandat légal de ces offices presque impossible et cela ne concerne pas que les châteaux forts et de plaisance. Malgré une situation financière tendue, l’archéo­logie cantonale a été en mesure de réaliser quelques projets importants dans le domaine de la recherche castrale, avec l’as­sainissement et l’examen du château de Kastelen près d’Albers­wil 1998–2002 ou la fouille du château de Willisau en 2003. Actuellement, la restauration complète de la ruine de Nünegg est au programme, puisque malgré des mesures d’assainisse­ment répétitives, elle menace désormais de s’effondrer.

Sandrine Wasem (Thun)

RiassuntoSulla base dello stato attuale delle ricrche, nel Canton Lucerna sono noti 97 castelli ai quali si aggiungono 35 opere castellane presunte. Appena un quarto di queste costruzioni medievali di difesa e di rappresentazione sono stati fino ad oggi oggetto di scavi archeologici e di indagini concernenti la storia dello sviluppo architettonico.

Un graduale interessamento per queste antiche residenze nobi­liari, dal punto di vista scientifico, cominciò a delinearsi solo verso la fine del XIX secolo. Agli inizi dell’archeologia dei castelli furono soprattutto associazioni storiche, associazioni di vario genere e privati a dedicarsi con molta dedizione alle opere di difesa, spesso anche con cognizioni metodologiche minime. A questa epoca risalgono tra l’altro anche gli scavi eseguiti nei castelli di maggior estensione presenti sul terri­torio del cantone, come per esempio il castello diroccato di Oberrinach presso Herlisberg nel 1888 e nel 1940, il castello di Nünegg presso Lieli nel 1930/31 oppure il castello Äussere Burg Wolhusen nel 1930–35.

Con la nomina nel 1954 del primo archeologo cantonale e con la revisione nel 1960 delle condizioni generali riguardo alle leggi, l’archeologia, oltre a diventare un’istituzione, diviene anche più professionale e posta definitivamente sotto la

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

86 Mittelalter 17, 2012 / 2

sovranità dello stato. Come conseguenza della carenza di per­sonale, scavi archeologici ed indagini concernenti la storia dello sviluppo architettonico, furono assai limitati anche qualora un monumento veniva alterato da interventi distruttivi. Indagini più approfondite, come quelle eseguite nel castello di Hasenburg presso Willisau nel 1958/1959 oppure nel castello di Salbüel (Hergiswil presso Willisau) nel 1982 sono sempre state solo possibili grazie all’iniziativa di persone estranee al Servizio cantonale di archeologia di Lucerna.

Tale situazione per il Servizio cantonale di archeologia del Canton Lucerna cominciò a migliorare solo a partire dal 1985. Con un incremento del personale fu infine possibile dedicarsi conseguentemente e sistematicamente allo studio delle testi­monianze medievali minacciate. Nonostante ciò gli interventi sono limitati in genere a scavi di salvataggio. Pertanto, la pos­sibilità di poter eseguire scavi archeologichi su scala più vasta è, sulla base del mandato legale del Servizio cantonale di archeologia ed i mezzi finanziari a disposizione, minima. La salvaguardia dei castelli meglio conservati è spesso solo garantita grazie agli aiuti finanziari da parte di fondazioni e di associazioni dei castelli. In particolare alcuni castelli (Nünegg, Äussere Burg Wolhusen e Oberrinach), nei quali in passato sono già state effettuate vaste campagne di scavi archeologici, diventano, nell’ambito di interventi di consolidamento, nuova­mente oggetto di scavi e di ricerche riguardanti la storia dello sviluppo architettonico. La lista dei castelli che sono stati sot­toposti di recente ad indagini comprende tra l’altro anche il castello Innere Burg Wohlhusen (1988/92), il castello di Heidegg sopra Gelfingen (1989–98) e il castello di Neu­Habsburg a Meggen (1989/90).

Negli ultimi anni la situazione è diventata di nuovo più preca­ria. Sostanziali tagli finanziari presso il Servizio cantonale di archeologia del Canton Lucerna ed una costante riduzione dei sussidi finanziari da parte della Confederazione hanno prati­camente reso nulla l’attuabilità del mandato legale dell’ente in questione. Purtroppo tale situazione non è limitata ai soli castelli. Nonostante la situazione finanziaria precaria il Ser­vizio cantonale di archeologia ha potuto, nell’ambito della castellologia, realizzare alcuni progetti di una certa impor­tanza come ad esempio le indagini ed gli interventi di consoli­damento sul castello di Kastelen presso Alberswil (1998–2002) o lo scavo archeologico nel castello «Bergli» a Willisau nel 2003. Attualmente in programma vi sono gli interventi di con­solidamento dei ruderi del castello di Nünegg, che nonostante i ripetuti lavori di ristrutturazione, si trova nuovamente in uno stato di degrado.

Christian Saladin (Basel/Origlio)

ResumaziunTenor la perscrutaziun actuala enconusch’ins oz 97 turs e cha­stels en il chantun da Lucerna. Plinavant vegnan supponidas anc 35 ruinas da chastels. Mo stgars in quart da questas con­strucziuns da fortezza e da represchentaziun dal temp medie­

val èn fin oz vegnidas exchavadas d’archeologs ed examinadas a maun d’ina analisa da construcziun.

Ils anteriurs sezs d’aristocrazia èn daventads pli e pli centrals per las perscrutaziuns la fin dal 19avel tschientaner. Durant la fasa tempriva da l’archeologia da chastels sa deditgavan a las construcziuns da fortezza surtut societads istoricas, uniuns patrioticas e privats a cun blera premura, ma savens cun paucas enconuschientschas professiunalas metodicas. Durant questa epoca èn vegnidas fatgas tranter auter las exchavaziuns da gronds implants da chastels dal chantun da Lucerna, sco da la ruina dad Oberrinach sper Herlisberg il 1888 ed il 1940, da la ruina da Nünegg sper Lieli il 1930/1931 u dal chastè exteriur da Wolhusen il 1930–35.

Cun nominar l’emprim archeolog chantunal l’onn 1954 e cun surlavurar las cundiziuns da basa legalas l’onn 1960 è l’archeologia vegnida instituziunalisada, professiunalisada e suttamessa definitivamain a la suveranitad statala. Stgarsas resursas persunalas han però gì per consequenza ch’ins è vegnì activ pir tard en cas da mesiras da construcziun devastantas vi dals monuments istorics e ch’ils scleriments archeologics e las analisas da construcziun dals objects pertutgads èn strusch vegnids fatgs. Pli grondas retschertgas sco quella da la ruina da Hasenburg sper Willisau il 1958/59 u dal chastè da Salbüel a Hergiswil sper Willisau il 1982 han pudì vegnir realisadas mo grazia a l’iniziativa da persunas d’ordaifer.

Pir cun l’extensiun da l’archeologia chantunala a partir da l’onn 1985 è la situaziun sa meglierada. Pervia dal dumber dal persunal creschent èsi stà pussaivel da s’occupar consequenta­main e sistematicamain da las perditgas periclitadas dal temp medieval. Las activitads èn per regla tuttina sa limitadas ad exchavaziuns da necessitads. Exchavaziuns da perscrutaziun èn strusch pussaivlas pervia da l’incumbensa legala da l’archeolo­gia chantunala e pervia dals meds finanzials. Ils chastels ch’èn mantegnids bain pon, savens mo vegnir protegids grazia a da­ners da fundaziuns e d’uniuns da chastels. La ruina da Nünegg, il chastè exteriur da Wolhusen e la ruina dad Oberrinach, tut construcziuns per gronda part gia perscrutadas, èn en conse­quenza da mesiras da conservar anc ina giada daventadas ils objects d’exchavaziuns, d’examinaziuns e d’analisas da con­strucziun. En pli èn però vegnids perscrutads da nov tran­ter auter il chastè interiur da Wolhusen il 1988/92, il chastè da Heidegg sur Gelfingen il 1989–98 ed il chastè da Neu­Habsburg a Meggen il 1989/90.

Ils davos onns è la situaziun puspè daventada pli critica. Scur­sanidas da budget substanzialas da l’archeologia e da la tgira da monuments dal chantun da Lucerna sco era las contribu­ziuns federalas che van plaunsieu a la fin han bunamain rendì impussaivel da realisar l’incumbensa legala da quests uffizis, e quest problem na pertutga betg mo las turs ed ils chastels. Malgrà questa situaziun finanziala precara èsi reussì a l’arche­ologia chantunala da realisar in pèr projects pli gronds en la domena da l’archeologia da chastels: la sanaziun e l’examina­ziun dals chastels sper Alberswil il 1998–2002 u l’exchavaziun

Mittelalter 17, 2012 / 2

Peter Karrer – Burgenarchäologie im Kanton Luzern – ein Lauf durch die Forschungsgeschichte

87

dal chastè da citad «Bergli» a Willisau l’onn 2003. In project actual da l’archeologia dal chantun da Lucerna è la restaura­ziun generala da la ruina da Nünegg ch’è en privel dad ir en muschna, malgrà mesiras da sanaziuns periodicas.

Lia rumantscha (Curia/Chur)

Abkürzungen:JbHGL = Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern

Abbildungsnachweis:1–7, 9, 10, 14–20: Kantonsarchäologie Luzern8, 11–13: Kantonale Denkmalpflege Luzern

Adresse des Autors:Peter Karrer, lic. phil.Wissenschaftlicher MitarbeiterLibellenrain 156002 Luzern+41 41 228 78 [email protected]

88 Mittelalter 17, 2012 / 2

Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

von Jürg Manser

Luzerns erste Stadtuhr mit automatischem

Stundenschlag

Luzern fügt sich mit der für den 25. November 1385

belegten Übergabe der ersten, von Meister Heinrich

Halder von Basel geschaffenen Stadtuhr unauffällig in

diese Reihe ein. Die Uhr wurde im Graggentor unter­

gebracht (Abb. 1).7 Dieser Torturm war Teil des inneren

Befestigungsrings und stand auf der Nordseite der Stadt,

am heutigen Löwengraben. Durch das Tor dieses 1864

abgebrochenen Turms führte der bis heute bestehende,

steile Weg hinauf zur Musegg. Zu Meister Halders Uhr

hat sich ein einmaliges Dokument erhalten: Der Luzerner

Rat liess eine ausführliche Gebrauchsanweisung ins Erste

Bürgerbuch eintragen, bei der es sich um den ältesten

erhaltenen Text überhaupt handeln soll, der diese Art

Mechanismus beschreibt.8 Der Anleitung ist zu entneh­

men, dass es sich um ein damals gebräuchliches Uhrwerk

mit einer sog. Waagbalkenhemmung und mit Schlag­

werk gehandelt haben muss, welches die Stunden über

einen Glockenschlag verkündet hat.9

Auch wenn die Verbreitung der stundenschlagenden

öffentlichen Uhr heute als gut erforscht gelten darf, so

gilt dies nicht für den Nachweis der optischen Zeit­

anzeige mit Zifferblatt und Zeigern. Offensichtlich ist

einerseits die Nachrüstung bestehender Schlaguhren

mit Zifferblättern nur selten aktenkundig geworden: In

Oudenburg (Flandern) erhielt eine 1383 installierte Uhr

um 1402 ein Zifferblatt, in Siena wurde 1424 eine 1360

hergestellte Uhr mit einem Zifferblatt ergänzt, ähnlich

wie in Lüneburg, wo eine 1379 datierte Uhr um 1445

nachgerüstet wurde.10 Das Zifferblatt der Horloge du

Palais in Paris scheint erst um oder kurz vor 1419 ins­

talliert worden zu sein. In diesem Jahr beschwerte sich

der Uhrenwärter über die dadurch verursachte zusätz­

liche Arbeit.11

Die meist fehlende explizite Erwähnung von Zifferblät­

tern könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass diese

im 15. Jh. als fester Bestandteil von öffentlichen Turm­

uhren selbstverständlich geworden sind. Die Über­

Öffentliche Uhren sind heute eine Selbstverständlich­

keit und allgegenwärtig. Der oftmals geradezu aufdring­

lichen öffentlichen Zeitangabe, sei es optisch oder akus­

tisch, kann sich niemand entziehen. Ganz im Gegensatz

zum frühen 14. Jh., in dem die öffentliche, die Stunden

schlagende Uhr noch eine technische Sensation und

entsprechend selten war.1

Stundenschlagende Uhren – ein Novum im 14. Jh.

1336 ist in einer Mailänder Stadtchronik die Errichtung

einer Uhr auf dem Turm von San Gottardo überliefert,

deren Glocke jede Stunde mit der entsprechenden An­

zahl Schläge ankündigte: «… in der Turmspitze sind viele

Glocken, und dort ist eine bewundernswerte Uhr, …, die

eine Glocke … schlägt nach der Zahl der vierundzwanzig

Stunden des Tages und der Nacht, so, dass sie in der ers­

ten Stunde einen Ton gibt, in der zweiten zwei Schläge,

in der dritten drei und in der vierten vier, und so unter­

scheidet sie die einzelnen Stunden. Das ist für alle Stände

äusserst nötig.»2

Uhren in städtischen Türmen oder städtische Stunden­

signale gab es zwar schon früher, neu – und in Mailand

aus diesem Grund besonders erwähnenswert – ist der

automatische Stundenschlag.3 Das Schlagwerk ist die

grosse technische Neuerung dieser Zeit und nicht die

Uhr an und für sich. Diese prestigeträchtigen, die Stun­

den schlagenden öffentlichen Uhren werden in der ersten

Hälfte des 14. Jh. vor allem in Oberitalien aktenkundig.4

Sie verbreiten sich aber schnell über ganz Europa, über die

Residenzen in die Grossstädte und in alle Städte, die

sich eine Uhr leisten konnten. Eigentliche Boomjahre

sind die Jahre 1371 bis 1380, in denen für 80 Städte die

Einführung der öffentlichen Uhr nachweisbar ist.5 Bis

um 1410 verfügen alle grösseren europäischen Städte

über eine öffentliche Uhr.6

Mittelalter 17, 2012 / 2

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

89

tragung der Zeitanzeige auf die Fassade war keine wirk­

lich komplexe mechanische Aufgabe, die eine hohe

Kunstfertigkeit verlangt hätte, und war daher mög­

licherweise auch kaum der Erwähnung wert. Die spär­

liche Quellenlage ist sicher mit verantwortlich dafür,

dass in der Literatur das Thema der optischen Zeit­

anzeige zumeist ausweichend behandelt wird.12

Bei der 1385 datierten Uhr im Luzerner Graggentor

handelte es sich mit Sicherheit um eine Schlaguhr ohne

optische Zeitanzeige. Dies nicht nur aufgrund ihres Ent­

stehungsdatums, welches für ein an der Turmfassade

angebrachtes Zifferblatt im europäischen Vergleich früh

wäre, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass ein Zif­

ferblatt an diesem etwas abseits gelegenen und vom rest­

lichen Stadtgebiet aus schlecht bis gar nicht sichtbaren

Turm keinen Sinn gemacht hätte. Wie unten zu zeigen

sein wird, ist diese Uhr wie die erwähnten Modelle von

Siena, Lüneburg und Oudenburg wohl erst zu Beginn des

15. Jh. anlässlich ihrer Versetzung auf die Musegg mit

Zifferblatt und Stundenzeiger ergänzt worden.

1: Der Graggenturm der inneren Stadtbefestigung (Nr. 58) und der Zytturm auf Musegg (Nr. 69) im Stadtprospekt von Martin Martini, Kupferstich 1597.

1 Es kann im Rahmen dieses Beitrags nicht auf die lange und vielgestaltige Geschichte der Zeitmessung, insbesondere auf jene des Mittelalters, eingegangen werden. Eine umfassende Darstellung zum Thema bietet Gerhard Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitordnungen (Köln 2007).

2 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 145f.3 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 147.4 Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, 1182: Uhr, ­macher (G. Dohrn­van

Rossum).5 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 210.6 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 212.7 Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern II: Die

Stadt Luzern, I. Teil (Basel 1953) 38; Jürg Manser, Luzern. Löwen­ graben 1 / Weggisgasse 26. Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 13, 1995, 100–104.

8 Jörg Spöring, Die Uhr im Zytturm uff Mesegk zuo Lucern 1385–1535 (Luzern 1975) 16–19; Jörg Spöring, Schmiedeeiserne Turmuhren im alten Luzern. Innerschweizer Schatztruhe 9 (Luzern 2009) 41.

9 Spöring 2009 (wie Anm. 8) 42f.10 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 193.11 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 193.12 Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, 1182: Uhr, ­macher (G. Dohrn­van

Rossum): «Die stundenschlagenden und später auch mit Zeigern und Zifferblättern versehenen öffentlichen Turmuhren …»; Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 193: «… wird es in den grösseren Städten üblich, die öffentlichen Uhren mit Zifferblättern zu versehen.»

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

90 Mittelalter 17, 2012 / 2

Ein Turm auf Musegg für die Stadtuhr

Im Rahmen der seit 2006 in Jahresetappen durchgeführ­

ten Restaurierung der Museggmauer war 2011 die Reihe

am Zytturm (Abb. 2).13 Die baubegleitend vorgenom­

mene Bauuntersuchung führte zur überraschenden Er­

kenntnis, dass der Zytturm von Anbeginn zur Aufnahme

einer Uhr konzipiert war.14 Gemäss Ergebnis der den­

drochronologischen Datierung erbaute man ihn im Jahr

1403 als Turm mit doppelter Funktion: Er war zugleich

Wehr­ wie auch Zeitturm. Da er ein Zifferblatt erhalten

sollte, wurde der Turm nicht wie die Mehrheit der

Museggtürme als gegen die Stadt zu offener Schalen­,

sondern als allseits geschlossener Turm entworfen

(Abb. 3, 5).15 Ein kleines Fenster auf der Stadtseite war

zur Aufnahme der Zeigerachse bestimmt, sodass sich die

Lage des Zifferblatts auf der Südfassade rekonstruieren

lässt (Abb. 4). Die Stunde wurde somit von Anbeginn

nicht nur akustisch, sondern auch optisch angezeigt.

Dies war sicher auch der tiefere Grund für den Umzug

der Stadtuhr aus dem Graggentor auf die Musegg: der

Klang der Glocke konnte sich besser über die Stadt aus­

breiten, und die Zeit konnte von vielen Orten der Stadt

und vom See her abgelesen werden.

1403 bildete – wie bei seinen Nachbarn – ein Wehr­

gang den oberen Abschluss des Zytturms, mit einem be­

deutenden Unterschied: In der Mittelachse der Südseite

erhob sich ein Glockentürmchen, an welches die Brüs­

tungsmauern anstiessen. Zwischen zwei, im heutigen

Dachstuhl noch sichtbaren, gemauerten Pfeilern hing die

Glocke.16 Die Dachform des Glockentürmchens konnte

bauarchäologisch nicht festgestellt werden. Es sind ver­

schiedene Varianten denkbar: Das in der Rekonstruk­

tionszeichnung vorgeschlagene Pultdach entspricht for­

mal der Abdeckung der Zinnen des Wehrgangs und fügt

sich optisch unauffällig in das Gesamterscheinungsbild

ein. Denkbar wäre aber auch ein traufständiges Sattel­

dach. Für diese Dachform lassen sich in historischen

Bildquellen, z.B. bei Diebold Schilling, etliche Belege an­

führen. Dem selbstbewussten Auftritt der Museggmauer

gut entsprochen hätte auch ein gemauerter Giebel mit

einem Rundbogen über der Glocke, wie er bei Kirchen

mit in die Westfassade integriertem Glockenturm recht

häufig und in unterschiedlich aufwändiger Gestalt an­

zutreffen ist.

Der Luzerner Stadtschreiber Rennward Cysat (1545–

1614) rühmte den weitherum zu hörenden Klang der

1380 gegossenen Leodegarsglocke, welche zuerst in der

St. Peterskapelle gehangen haben soll: «so zuovor jn

S. Peters kilchthurn gehanget; deren schlag man vast

wytt hören mag».17 Als älteste Stadtuhr geniesst die Uhr

im Zytturm bis heute ein besonderes Privileg: Sie schlägt

die volle Stunde eine Minute vor allen anderen öffent­

lichen Uhren der Stadt.18

Auch beim Zytturm muss, wie in allen anderen Türmen

der Museggmauer mit dieser Dachform, das unterhalb

des Wehrgangs im Turmschaft liegende Pultdach zu auf­

wändig im Unterhalt gewesen sein. Man entschloss sich

daher, einen neuen, auf dem Wehrgang und den Brüs­

2: Der Zytturm nach der Restaurierung und der Eröffnung der darin untergebrachten Schau von Grossuhrwerken aus dem Kanton Luzern, Frühjahr 2012.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

91

tungsmauern aufliegenden Dachstuhl, ein Pyramiden­

dach mit Krüppelwalm gegen Süden, aufzurichten (vgl.

Abb. 3, 5).19 Die Arbeiten führte man gemäss Ergebnis

der dendrochronologischen Datierung 1508 aus. Das

3: Rekonstruktion des Zytturms im Zustand der Bauzeit um 1403 (links, mit verschiedenen Dachvarianten für das Glocken­türmchen) und 1535 (rechts, nach dem Umbau von 1508 und der Einrichtung einer neuen Uhr und eines neuen Zifferblatts 1535). Blick von Süden.

13 Vgl. dazu die Beiträge zur Bau­ und Restaurierungsgeschichte der Museggmauer von Georg Carlen und Jürg Manser in: Stiftung und Verein für die Erhaltung der Museggmauer (Hrsg.), Die Musegg­ mauer – Neun Türme über der Stadt Luzern (Luzern, erscheint Oktober 2012).

14 Bericht (Interessengemeinschaft Archäologie IGA, Zürich, Hermann Obrist) im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege und Archäologie Luzern.

15 Wobei interessanterweise die Südfassade – analog zu den erst nachträglich geschlossenen Schalentürmen – deutlich schwächer aus­ gebildet wurde als die anderen, über die Stadtmauer vorspringenden Fassaden.

16 Zur Glocke vgl. Anm. 33.17 Rennward Cysat, Collectanea Chronica und denkwürdige Sachen

pro Chronica Lucernensi et Helvetiae, Erste Abteilung: Stadt und

Kanton Luzern, Erster Band, erster Teil: Collectanea Chronica und denkwürdige Sachen zur Geschichte der Stadt Luzern, bearbeitet von Josef Schmid (Luzern 1969) 243f. [E.Fol.337R].

18 Spöring 2009 (wie Anm. 8) 33f.19 Diebold Schilling zeigt zwei Versionen der Dachgestaltung: nebst der

heute noch existierenden, nachweislich 1508 entstandenen Dach­ form zeigt er mehrfach einen Spitzhelm, vor dem das mit separatem Dach versehene Glockentürmchen steht; vgl. Alfred A. Schmid (Hrsg.), Die Schweizer Bilderchronik des Luzerners Diebold Schilling, Kommentarband zum Faksimile (Luzern 1981) 142: fol. 90v (182), 252: fol. 164v (332). Eine derartige Dachform ist archäologisch nicht belegt. Es handelt sich hier um eine der zahlreichen Ungenauigkeiten, die sich Schilling erlaubte, da eine naturgetreue Wiedergabe nicht das Ziel seiner Bilderchronik war.

Glockentürmchen wurde dabei in die neue Südgiebel­

mauer integriert. Der Umfang des Bauvorhabens könnte

dafür sprechen, dass man mit dem neuen Dach und dem

damit zusätzlich gewonnenen Raum unter dem Zinnen­

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

92 Mittelalter 17, 2012 / 2

kranz zugleich auch eine Optimierung der Zeitanzeige

angestrebt haben könnte. Eine sekundär ausgebrochene

Öffnung für die Zeigerachse liegt rund zwei Meter über

jener aus der Bauzeit des Turms (vgl. Abb. 4). Archäolo­

gisch lässt sich die Anhebung von Uhrwerk und Ziffer­

blatt bereits in der Bauphase von 1508 jedoch nicht be­

legen.20 Erst mit der 1535 erworbenen neuen Stadtuhr ist

die erhöhte Lage von Uhrwerk und Zifferblatt archäolo­

gisch belegt: Das Holz für den Uhrstuhl ist im Herbst/

Winter 1534/35 geschlagen worden.

Farbe betont die Sonderstellung

Über die farbliche Gestaltung der Fassade des frühen

15. Jh. sind wir nicht informiert. Es darf jedoch mindes­

tens ein Zifferblatt mit aufgemalten lateinischen Zah­

len rekonstruiert werden, da Zeiger und Zifferblatt eine

Einheit bilden und das eine kaum ohne das andere

Element auftritt.21 Als man 2011 die Bemalung auf der

Südfassade restaurierte, verzichtete man bewusst auf

grössere Eingriffe, sodass es nicht möglich war, unter

dem bestehenden Zementverputz von 1939 nach Spu­

ren älterer Farbfassungen zu suchen. Auch die Quellen

schweigen zu dieser Frage. Es muss somit offen bleiben,

ob der Turm schon um 1403 grossflächig bemalt war.

Erst mit den Darstellungen in der Diebold­Schilling­

Chronik von 1511–13 wird die Bemalung greifbar: Zwei

beidseits der Glocke angeordnete, rot gekleidete Män­

ner holen zum Schlag auf dieselbe aus (Abb. 6).22 Unter­

halb des vorkragenden Wehrgangs ist das Zifferblatt auf

quadratischem rotem Grund angebracht. In den folgen­

den Jahrhunderten musste die Malerei wiederholt er­

neuert werden. So erhielt Joseph Moser 1596 den

Auftrag, «den Zyt thurnn uff der Musegk zemalen umb

60. kronen». Noch im gleichen Jahr erhielt er 120 Gul­

den ausbezahlt.23 Der Stadtprospekt von Martin Martini

aus dem Jahr 1597 zeigt Mosers Werk (vgl. Abb. 1):

Beidseits der Glocken die beiden Glockenschläger mit

Hämmern, wie sie bereits Schilling zeigt. Oberhalb des

Zifferblatts zwei Wappenschilde, unterhalb das Jahr

1596. Im unteren Teil des Turmschaftes halten zwei

Riesen das Standeswappen mit dem Reichsschild. Be­

schlüsse zur Renovationen der Malerei24 sind für fol­

gende Jahre überliefert: 168225, 174526, 186627, 188928.

Aufgrund der Rechnungsstellung ist nachweisbar, dass

zumindest die Beschlüsse von 1745 und 1889 ausge­

4: Schnitt durch den Zytturm, Blick gegen Westen. Eindrück­lich sind die unterschiedlichen Mauer stärken auf der Nord­seite (Feindseite) und der Südseite (Stadtseite). In der Süd fassade sind die zwei übereinander liegenden Öffnungen für die Zeiger achse gut zu erkennen (Pfeile), die untere aus der Bauzeit um 1403, die obere sekundär ausgebrochen spätestens um 1535.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

93

führt worden sind.29 1939 wurde schliesslich die ganze

Süd fassade neu verputzt und bemalt: Alfred Schmidi­

ger (1892–1977) setzte einen Entwurf des Kunstmalers

Karl Schobinger (1879–1977) um, welcher zwei Wild­

mannli als Schildhalter des Stadtwappens mit einer

grossen Eiche im Hintergrund zeigt.30 Diese Fassung

wurde 2011 sanft restauriert (vgl. Abb. 2).

5: Blick in das Innere des Zytturms zur Bauzeit um 1403 (links) und nach dem Einbau des Uhrstuhls für das neue Uhrwerk um 1535 (rechts).

20 Die Uhr selbst müsste 1508 nicht zwingend angehoben worden sein, da es technisch durchaus möglich war, die Zeigerachse über eine zweimalige Umlenkung zu bedienen.

21 Wie bei Turmuhren üblich, dürfte dabei die Vier nicht als «IV», sondern mit vier Einerstrichen «IIII» angegeben gewesen sein. So zeigt auch Diebold Schilling das Zifferblatt.

22 Diese Figuren sind wohl eine Reminiszenz an die mit dem Uhrwerk gekoppelten, beweglichen Figurenspiele, die für das 14. und 15. Jh. gut belegt sind; vgl. Dohrn-van Rossum (wie Anm. 1) 143 ff.

23 Staatsarchiv Luzern (StALU) Ratsprotokolle RP 45, fol. 123v, StALU cod 6875.

24 Die Schriftquellen zur Bau­ und Restaurierungsgeschichte wurden 2006 im Auftrag der Stiftung für die Erhaltung der Museggmauer von Heidi Blaser, Historic Research GmbH, zusammengestellt; Archiv der Kantonalen Denkmalpflege und Archäologie Luzern.

Das Schicksal von Uhr und Glocke

Heinrich Halders Uhr von 1385 hat sich leider nicht er­

halten. Sie wurde 1535 durch ein Werk von Hans Luther

aus Zürich ersetzt.31 Wenn dies nicht schon anlässlich

des Umbaus von 1508 geschehen war, so positionierte

man spätestens jetzt das Uhrwerk im durch die An­

hebung des Daches gewonnenen Raum neu und rückte

25 StALU Ratsprotokolle RP 79, fol. 186r.26 StALU Staatsprotokolle RS II, fol. 555.27 Stadtarchiv Luzern (SA) B3.31/A 36: Stadtratsprotokoll (StR) v.

8.3.1866, Nr. 31, 184, StR v. 7.6.1866, Nr. 17, 461.28 SA B3.31/A 36: StR v. 17.10.1889, Nr. 23.29 Auftrag erteilt 1745, Abrechnung 1747: StALU cod 10005 fol. 20r.;

Auftrag 1889, abgeschlossen 1890: SA B3.31/A 36: StR v. 17.7.1890, Nr. 31.

30 Archiv der Kantonalen Denkmalpflege Luzern Sch 55.2.2.31 Der Luzerner Stadtschreiber Renward Cysat (wie Anm. 17, 244

[C.Fol.335v]) überliefert das Datum 1536. Der Uhrstuhl war jedoch gemäss dendrochronologischer Analyse 1535 zur Aufnahme der ins gleiche Jahr datierten Uhr bereit. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Uhr 1535 installiert worden ist und sich Cysat aus welchen Gründen auch immer um ein Jahr geirrt hat.

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

94 Mittelalter 17, 2012 / 2

mit dem Zifferblatt an der Südfassade nach oben bis

unter die Konsolen des Wehrgangs. Für die Zeigerachse

wurde eine neue Öffnung ausgebrochen, die rund zwei

Meter über jener aus der Bauzeit des Turms liegt (vgl.

Abb. 4). Der dendrochronologisch ins Jahr 1535 datierte

Uhrstuhl nahm die neue Stadtuhr auf.32 Die Anhebung

der Uhr gestattete es, die Zeigerachse ohne Umlenkung

in die Mitte des Zifferblattes auf der Fassade zu führen.

6: Passanten erblicken von der Reussbrücke aus einen Drachen, der den Fluss hinunterschwimmt. Im Hintergrund die Luzerner Grossstadt und die Museggmauer, Diebold Schilling – Chronik 1511–1513, Folio 191r (385).

Auch die Glocke genügte gegen Ende des 18. Jh. den An­

forderungen insbesondere der Schifffahrt nicht mehr,

sodass 1788 eine neue, grössere bei Heinrich Sutter­

meister d.Ä. in Zofingen bestellt wurde. Die Leodegars­

glocke schmolz man zum Glück nicht ein, sondern ver­

legte sie in die Hofkirche, wo sie sich heute noch be­

findet.33

Mittelalter 17, 2012 / 2

Jürg Manser – Der Zytturm an der Museggmauer und die älteste Stadtuhr von Luzern

95

Vielseitiger Nutzen

Die Stadtuhr verkörperte in der spätmittelalterlichen

Stadt Fortschrittlichkeit, Wohlstand und Prestige. Spä­

testens seit Beginn des 15. Jh. musste jede Stadt, die

etwas auf sich hielt, eine derartige Uhr besitzen, je aus­

geprägter das städtische Selbstbewusstsein, desto kostba­

rer und komplexer die Ausführung.34 Luzern mochte hier

nicht hintanstehen, erwarb 1385 die erste Uhr, welche

1403 im Zytturm der Museggmauer, dem Symbol städti­

schen Selbstbewusstseins schlechthin, einen prominenten

Platz erhielt. Ihre Sonderstellung bewahrte sich die Uhr

bis heute: als einzige Uhr in der Stadt Luzern schlägt sie

die volle Stunde eine Minute vor der Zeit!

RésuméLes horloges publiques sont désormais monnaie courante et on en trouve un peu partout. L’indication publique de l’heure – presque même envahissante – ne peut passer inaperçue, que ce soit sur le plan acoustique ou visuel. Nous sommes bien loin du début du 14e siècle, où l’horloge qui sonnait les heures repré­sentait une sensation technologique, encore très rare.

A la fin du Moyen Age, l’horloge publique symbolisait l’avan­cée, la richesse et le prestige d’une ville. Au plus tard depuis le début du 15e siècle, chaque cité qui se respectait, se devait de posséder une telle horloge – plus la conscience citadine était grande, plus sa réalisation était coûteuse et complexe.

Lucerne ne voulant pas être laissée pour compte, elle acheta en 1385 sa première horloge, qui se vit décerner, en 1403, une place éminente dans la tour de l’Horloge du mur de la Musegg, symbole de la conscience citadine par excellence. L’horloge a conservé jusqu’à aujourd’hui une importance particulière – elle est la seule de la ville de Lucerne à retentir une minute avant l’heure!

Sandrine Wasem (Thun)

RiassuntoLa presenza di orologi pubblici, essendo oggigiorno onnipre­senti, è cosa oramai scontata. E impossibile restare indifferenti davanti ad un orologio civico quando, spesso anche in modo insistente, sia dal punto di vista acustico che ottico, suona l’ora. All’inizio del XIV secolo invece, l’orologio civico che suonava le ore, essendo ancora poco diffuso, era visto come una meraviglia della tecnica.

In una città tardomedievale l’orologio civico era sinonimo di progresso, di benessere e di prestigio. Al più tardi a partire dagli inizi del XV secolo ogni città che si reputava importante doveva possedere tale tipo di orologio. Pertanto, più una città

si considerava importante, più pregiato e complesso dal punto di vista tecnico doveva essere l’orologio in questione.

Lucerna, che rispetto ad altre città non voleva essere da meno, acquistò il suo primo orologio nel 1385. Nel 1403 venne in­stallato nel Zytturm della Museggmauer, simbolo della città per eccelenza, andando così ad occupare una posizione di tutto pregio. Ancora oggi l’orologio occupa questa posizione privi­legiata: è l’unico orologio della città di Lucerna che suona con un minuto di anticipo l’ora piena!

Christian Saladin (Basel/Origlio)

ResumaziunUras publicas èn ozendi ina chaussa evidenta ed omnipre­schentas. Nagin n’è abel da guntgir l’indicaziun dal temp publica ch’è savens schizunt mulestusa opticamain ed acustica­main. Quai è dal tuttafatg in cuntrast a la situaziun dal 14avel tschientaner tempriv: l’ura publica che dat las uras era durant quel temp anc ina sensaziun tecnica ed uschia er ina raritad.

L’ura da la citad represchentava progress, bainstanza e pre­stige en la citad tardmedievala. Il pli tard dapi l’entschatta dal 15avel tschientaner stueva mintga citad che vuleva avair in bun num posseder ina tala ura. Pli superbia che era la citad, pli custaivla e cumplexa era la construcziun da l’ura.

Lucerna vuleva era far ina bun’impressiun ed ha perquai acqui­stà il 1385 l’emprima ura che ha survegnì il 1403 in lieu pro­minent en il Zytturm dal mir da Musegg. Quest mir vala sco il simbol per excellenza da la superbia. Sia posiziun particulara ha l’ura mantegnì fin oz: sco unica ura da la citad da Lucerna dat ella l’ura entira ina minuta avant il temp!

Lia Rumantscha (Cuira/Chur)

Abbildungsnachweis:1: Repro nach Nachdruck im Eigentum der Kantonsarchäologie

Luzern2: William Clements, Sarnen3, 4: Joe Rohrer, Luzern5: Linsinger ZT GmbH, A­St. Johann/Pg., überarbeitet durch

Kantonsarchäologie Luzern6: Repro nach Faksimilie, Kantonsarchäologie Luzern

Adresse des Autors:Jürg ManserKantonsarchäologeLibellenrain 156002 Luzern

32 Datierung Raymond Contic, Dendron, Basel. Bericht im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege und Archäologie Luzern.

33 Reinle 1953 (wie Anm. 7) 196: Durchmesser der im Nordturm der Hofkirche Luzern hängenden Glocke: 126 cm, Inschrift in gotischen Minuskeln: «anno · dni · m · ccc · lxxx · pmo · xxviii · die · mensis · maii · hec · fvsa · fvit · campana · o · sce · leodegari · ora · pro · nobis»

34 Dohrn-van Rossum 2007 (wie Anm. 1) 193.

96 Mittelalter 17, 2012 / 2

Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

von Christoph Rösch

Der südliche Hausteil war unterkellert und stand auf

einem gemauerten Sockel, während der nördliche Teil

des Hauses ebenerdig betreten werden konnte. Der Kel­

ler besass, entsprechend dem darüberliegenden Raum,

eine Tiefe von 3,5 m. Der ca. 1,25 m hohe Sockel be­

stand aus unregelmässig gefügten Bruch­ und Bollen­

steinen, die vorwiegend in Lehm, aber auch in wenig

Mörtel verlegt waren. Die südwestliche Ecke der

Sockelmauer konnte als Baufuge gefasst werden, wäh­

rend die östliche Ausdehnung unbekannt blieb. Hier

setzte ein Neubau aus dem 19. Jh. an. Über einem

schmalen Balkenrost lagen die fassadenbündigen Boden­

bohlen des Erdgeschosses (Abb. 2). Die Bohlen griffen

mit einer einfachen Fälzung übereinander. Auf den

Bodenbohlen setzten die Blockwände an, deren erste

Balkenlage an den Ecken mit zweiteiligen Schwellen­

schlössern gesichert waren. Die erhaltene Kammer

hatte eine Ausdehnung von 4,25 m in der Breite und gut

3,5 m in der Tiefe bei einer Raumhöhe von zwei

Metern. Ein gefaster, quer zum First ausgerichte­

ter, an den Wänden verkämmter Unterzug über­

spannte den Raum genau in der Mitte. An der

Westwand befand sich im Abstand von 50 cm von

der Südfassade der Pfosten einer teilweise gestörten,

60 cm hohen Fensteröffnung. Die Brüstung des Fensters

lag vermutlich einen Meter über dem Fussboden. Wäh­

rend die Südfassade keine Reste originaler Fensteröff­

nungen aufwies, war in der Ostwand eine ebenfalls

nur zur Hälfte erhaltene Türöffnung vorhanden. Ein

30 cm breiter Mantelständer fasste an der noch erhalte­

nen Südseite einen 1,4 m hohen Durchgang ein, der sich

1,1 m von der Südfassade entfernt befand. Diese Türe be­

legt einen östlich anschliessenden Raum, der wohl beim

Umbau im 19. Jh. abgebrochenen wurde. Diese Eintei­

lung entspricht dem klassischen Schema dieses Haustyps.

Bemerkenswerterweise war die Binnenwand, wie auch

die darüberliegende im ersten Obergeschoss, nicht mit

Einzelvorstössen, sondern durch geschlossene Reihen­

vorstösse mit der Fassade verbunden. Die Nordwand

Einleitung

Die Kirchengemeinde Meggen liess 1989 das zum Ab­

bruch vorgesehene Haus «Weid» im Weiler Rüeggiswil

westlich vom Megger Dorfzentrum durch das Büro Bal­

tensweiler + Leuenberger Ebikon/Zürich bauhistorisch

untersuchen. Das etwas erhöht an der Strasse nach

Luzern liegende Haus war bekannt als Geburtsort der

Mutter Maria Theresia Scherer (1825–1888), der Mit­

begründerin des Klosters Ingenbohl. Allein dieser Um­

stand führte zur Untersuchung am ansonsten unauf­

fälligen Bauernhaus.1

Die im Mai 1989 durchgeführte bauhistorische Un­

tersuchung führte zur Erkenntnis, dass es sich beim

Kernbau des Hauses um einen Blockbau mit fassaden­

bündigen Fussboden­Deckenbohlen handelte. Dieser

Bautypus wurde kurz zuvor von Benno Furrer am Bei­

spiel verschiedener Schwyzer und Urner Häusern erst­

mals genauer umschrieben.2 In einer späteren Verbrei­

tungskarte ist das Haus Weid aufgeführt.3 Die zu dieser

Wohnbaugruppe zählenden Objekte im Gebiet des

Kantons Schwyz wurden unlängst monografisch aus­

gewertet und publiziert.4 Derweil wurden weitere zu

dieser Gruppe zählende Gebäude entdeckt.5

Die gut zwei Wochen dauernde Bauuntersuchung musste

sich auf die wesentlichen Fragen der Baugeschichte be­

schränken. Die im Vorfeld durchgeführte dendrochro­

nologische Datierung verschiedener Bauhölzer stellte

sich ausserdem als sehr schwierig heraus. Nur knapp die

Hälfte der Proben ergab ein Datum. Die Bauhölzer be­

fanden sich in einem sehr schlechten Zustand. Die

Datierungsresultate liessen auf eine spätmittelalterliche

und eine frühneuzeitliche Bauphase schliessen. Im

Folgenden sollen die 1989 dokumentierten Befunde

beschrieben werden.

Beschreibung des Hauses: Kernbau um 1310 (d)

Das Gebäude wurde an leichter Hanglage errichtet und

blickte mit der Hauptfassade Richtung Süden (Abb. 1).

Mittelalter 17, 2012 / 2

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

97

der Kammer wurde bei späteren Umbauten vollständig

ersetzt.

Die darüberliegende Kammer übernahm den Grundriss

derjenigen des Erdgeschosses, hatte aber eine Raumhöhe

von mutmasslich 1,75 m. Die 1989 angetroffene Decke

gehörte vermutlich nicht mehr zum Originalbestand,

könnte aber den Falz oder die Nut der Vorgängerdecke

übernommen haben. Das einzige Fenster dieses Raumes

befand sich genau in der Mitte der Südfassade. Die von

zwei Pfosten eingefasste Fensteröffnung hatte eine Breite

von 75 cm und eine identische Höhe (Sims gestört). Die

Brüstung lag vermutlich 90 cm über dem Boden. Der

Zugang zum Raum in der Nordwand wurde – weil

später erneuert – nicht genauer dokumentiert. Der Boden

des Obergeschosses war nicht mit fassadenbündigen

Bohlen gefügt. Die rechteckige Öffnung an der Süd­

fassade am Stoss zweier Kanthölzer deutet auf in einen

1: Die Südfassade des Hauses «Weid». In der Mitte der Kernbau, links der frühneuzeitliche Anbau, rechts der im 19. Jh. er­richtete Hausteil.

2: Südöstliche Ecke des erhaltenen Teils des Kernbaus. Sichtbar sind die fassadenbündigen Bodenbohlen und das Schwellenschloss. Rechts fügt sich der Anbau des 19. Jh. an. Blick nach Norden.

1 Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 8, 1990, 128–129.2 Benno Furrer, Beiträge zur Hausgeschichte des 13. und 14. Jh. in

der Innerschweiz. Der Geschichtsfreund 141 (Stans 1988) 175–200.3 Benno Furrer, Die Bauernhäuser der Kantone Schwyz und Zug.

Die Bauernhäuser der Schweiz 21 (Basel 1994) 131–132.4 Georges Descœudres, Herrenhäuser aus Holz. Eine mittelalterliche

Wohnbaugruppe in der Innerschweiz, Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 34 (Basel 2007).

5 http://www.schwyzkultur.ch/nachrichten/haus­bueoelti­ist­ 713­jahre­alt­3716.html [08.02.2012]

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

98 Mittelalter 17, 2012 / 2

Falz gelegte Bodenbohlen hin, die mittels eines Treib­

oder Keilladens versteift werden konnten. Die Boden­

Deckenbohlen des frühneuzeitlichen Erweiterungsbaus

(s. u.) waren hingegen im Balken eingenutet und eben­

falls mit einem Treibladen versehen.

Das weitere Raumgefüge des originalen Baus war durch

spätere Umbauten zerstört worden. Jedoch verwendete

man bei einem tiefgreifenden, frühneuzeitlichen Umbau

verschiedene Teile wieder. So ist vermutlich eine ganze

Wand für eine neue Kammer im hinteren Teil des

Hauses wiederverbaut worden, was Dendrodaten nahe­

legen. Ausserdem fanden verschiedene Pfosten von Türen

und andere Hölzer eine Zweitverwendung.

Schema des Kernbaus

Lediglich zwei übereinanderliegende Kammern lassen

sich dem Kernbau zuweisen. Über eine Türöffnung in

der Ostwand der Erdgeschosskammer ist zumindest ein

weiterer Raum erschliessbar. Diese Raumaufteilung ent­

spricht dem eingangs genannten Gebäudetypus mit einer

grösseren und einer kleineren Kammer an der Haupt­

fassade im Erdgeschoss und einer identischen Struktur

im Obergeschoss.6 Leider lässt sich die originale Breite

nicht mit Sicherheit rekonstruieren. Ein Firststud, der

mit dem frühneuzeitlichen Umbau des Hauses hinzu­

kam – die Dendrodatierung blieb allerdings erfolg­

los – zeigt vielleicht die ursprüngliche Firstlage an.

Damit hätte das Haus eine hypothetische Breite (ohne

Lauben) von rund 8 m.

Der mittlere und hintere Hausteil wurde durch spätere

Umbauten vollständig zerstört (Abb. 3). Wie erwähnt,

wurden dabei zahlreiche Hölzer wiederverwendet. Auf­

grund vergleichbarer Bauten ist mit einem breiten Mit­

telgang und eventuell einer kleineren Kammer in der

nordöstlichen und nordwestlichen Ecke des Hauses zu

rechnen. Darauf konnte sich je eine weitere Kammer

von leicht grösserem Grundriss erheben. Der Mittelgang

und der Zwischenraum der beiden kleinen Eckkammern

blieben bis unters Dach offen und dienten als Rauch­

küche und zur Erschliessung des Obergeschosses.7

Abgesehen von Fasen an originalen oder später wieder­

verwendeten Unterzügen und Türpfosten konnten keine

speziellen Dekore oder Ornamente an den Bauteilen des

Kernbaus festgestellt werden.8

Am Reihenvorstoss des erhaltenen Kernbaus fand sich

ein offenliegendes Dübelloch (vgl. Abb. 2), was auf eine

frühere Versetzung des Gebäudes hinweist.9 Eine Ver­

3: Die erhaltenen Kammern des Kernbaus (braun) und die Anbauten von 1509 (grün). Im hinteren Hausteil eine wiederverwendete Blockwand des Kernbaus (oliv).

Mittelalter 17, 2012 / 2

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

99

setzung des Kernbaus im Zusammenhang mit den früh­

neuzeitlichen Baumassnahmen ist aber aufgrund der

Stossfuge in der Sockelmauer auszuschliessen.

Erweiterung und Umbau 1509 (d)

In der frühen Neuzeit wurde das Haus Weid tiefgreifend

umgebaut. Dieser Umbau erfolgte in einer eigentüm­

lichen Verschmelzung von Blockbau­ und Ständerboh­

lenbauweise.

Westlich an den Hauptbau, in der Flucht der Südfassade

wurden auf einem gemauerten Sockel zwei überein­

anderliegende Kammern von 3,5 x 3,5 m angefügt.

Dabei wurde das Gewätt der Blockwand des Kernbaus in

einen Falz oder in eine Nut eines Ständers eingefasst. Die

angefügten Kammern, welche die Tiefe des erhaltenen

Teils des Kernbaus übernahmen, waren in Blockbau­

technik errichtet. An der Südwand im ersten Ober­

geschoss hatte sich eine quadratische Fensteröffnung

von 70 x 70 cm mit einem Ladenfalz erhalten. Der

Dokumentation nach zu schliessen lief der Decken­

balken des Erdgeschosses an der Westfassade nach

Norden bis zu einem Pfosten weiter und bildete eine

3,5 m tiefe und ebenso breite Laube (?) im Obergeschoss,

von der aus die neue Kammer erschlossen war, und einen

davon überdeckten Vorplatz im Erdgeschoss.

Der mittlere und hintere Hausteil übernahm die West­

flucht des Kernbaus. Der 3,5 m breite Mittelgang blieb –

wie wohl beim Kernbau – bis unters Dach offen. Daran

schloss sich nordwärts eine im Erdgeschoss gemauerte

Kammer von 4 x 4 m an. Auf dem Mauersockel erhob

sich eine diese Masse übernehmende, hölzerne Kammer,

deren Ostwand vermutlich als Blockwand übernommen,

der Rest aber als Ständerbohlenbau errichtet wurde

(vgl. Abb. 3, 4).

6 Vgl. Furrer 1988 (wie Anm. 2) 189–198; Descœudres 2007 (wie Anm. 3) 41.

7 Descœudres 2007 (wie Anm. 3) 41–45.8 An einem in der Dokumentation nicht lokalisierten Türpfosten

befand sich ein nicht näher dokumentiertes, mit Hanf gefülltes und verzapftes Loch. Ausserdem fanden sich im Obergeschoss des Kernbaus Spuren einer nicht näher dokumentierten Bemalung. Untersuchungsbericht Baltensweiler + Leuenberger, Mai 1989.

9 Descœudres 2007 (wie Anm. 3) 65–66.

4: Rückansicht des Hauses. Gemauerter Sockel mit darüber­liegender Kammer in Ständerbohlenbauweise. Blick nach Südosten.

5: 1. Obergeschoss, hinterer Hausteil. Kammer in Ständer­bohlenbauweise und Hochstud mit Firstpfette. Blick nach Norden.

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

100 Mittelalter 17, 2012 / 2

An der Südwand der gemauerten Kammer befanden sich

zwei Ständer. Der an der Südostecke befindliche Stän­

der trug die Firstpfette (Abb. 5). Hier ist folglich sogar

von einer Hochstudkonstruktion zu sprechen! An der

Südfassade stützte sich die Firstpfette auf einen knapp

einen Meter hohen Firststud, der mit einem Fussholz

gesichert war. Der Firststud stand auf einem dem Kern­

bau aufgesetzten Rähm, das auf dem Ständer in der Süd­

fassade am Übergang von Kernbau und westlicher Er­

weiterung lagerte (vgl. Abb. 1, 3). Das Haus wurde von

einem schwach geneigten Tätschdach bedeckt (Abb. 6).

Die Breite dieses Baus bleibt ebenfalls unbekannt, res­

pektive hypothetisch. Es ist anzunehmen, dass die öst­

lichen Teile des Kernbaus und damit die Lage der First­

pfette übernommen wurden. Somit hätte lediglich die

westliche Dachhälfte über die neuen Kammern verlän­

gert werden müssen. Trifft dies zu, so kommen wir auf

eine Breite von ungefähr 11,5 m. Der Bereich des Mittel­

ganges und der hintere Hausteil waren um 3,5 m einge­

zogen. Der dreiraumtiefe Grundriss hatte eine Tiefe von

ca. 11 m. Auf der ganzen noch erhaltenen Länge an der

Südfassade fanden sich die Versatzlöcher eines Kleb­

daches über den Fenstern des ersten Obergeschosses.

In der ersten Hälfte des 19. Jh. wurde das Gebäude ein

weiteres Mal grundlegend umgebaut. Dabei wurde der

ganze Ostteil neu errichtet und mit dem alten Baube­

stand unter einem einheitlichen, neuen Satteldach mit

einer stärkeren Neigung vereinigt. Vermutlich wurden

dabei auch einige morsche Teile des frühneuzeitlichen

Anbaus mit altem Holz repariert.

Datierung

Der Kernbau konnte mittels vier datierbaren in situ be­

findlichen Proben mit den Endjahren 1280, 1292, 1298

und 1308 in die Zeit um 1310 datiert werden. Es han­

delte sich um drei Fichtenproben (picea abies) und eine

Tannenprobe (abies alba). Weitere sieben Nadelhölzer

(drei Fichten, vier Tannen), die nicht in situ lagen, er­

gaben Endjahre zwischen 1256 und 1292. Drei Eichen­

proben (quercus) eines Türpfostens, einer Schwelle und

eines Stützpfostens, die nicht in situ lagen, lieferten End­

jahre von 1237 und 1240 (ohne Splint), beziehungs­

weise 1249 mit 12 Splintjahren. Es ist zu vermuten, dass

beim Bau oder späteren Umbau des Hauses auch Bau­

holz aus der Zeit um 1250/70 wiederverwendet wurde.10

Der tiefgreifende frühneuzeitliche Umbau kann anhand

von sieben Proben einer Bohlenwand im Erdgeschoss

und einer Blockwand im Obergeschoss (fünf Fichte, zwei

Tanne) aufs Jahr 1509 datiert werden. Für zwei Proben

6: Rekonstruktion des Bauzustandes nach dem Umbau von 1509.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

101

konnte das Schlagdatum Herbst/Winter 1508/09 fest­

gelegt werden. Die restlichen fünf besassen Endjahre

zwischen 1491 und 1500. Der Umbau des 19. Jh. wurde

nicht dendrodatiert.

Würdigung

Das Haus Weid in Meggen­Rüeggiswil stellte einen

aus sergewöhnlichen und merkwürdigen Zeugen in der

Luzerner Hausforschung dar, dessen Bauuntersuchung

eigentlich mehr Fragen aufwirft, als Antworten zu geben

vermag. Nach über 20 Jahren wäre die Überprüfung der

Dendrodaten wünschenswert.

Das um 1310 (d) errichtete Gebäude lässt sich in den

Typus der Blockbauten mit fassadenbündigen Boden­

Deckenbohlen eingliedern. Soweit sich das am über­

lieferten Bestand ablesen liess, besass er aber keine Ein­

zelvorstösse und im ersten Obergeschoss Bodenbohlen,

welche in einen Falz gelegt wurden. Das kann mög­

licherweise als Weiterentwicklung hin zu eingenute­

ten Boden­Deckenbohlen interpretiert werden, wie sie

am 1509 (d) datierten Erweiterungsbau zu beobach­

ten waren. Dieser Um­ und Erweiterungsbau erscheint

als – bisweilen recht inkonsequente – Verschmelzung

von Blockbau­ und Ständerbohlenbaubauweise. Ob die

Gründe für diese merkwürdige Vermischung in einem

sonst zu dieser Zeit von Blockbau geprägten Umfeld in

der nahe gelegen Stadt Luzern zu suchen sind, wo im

Holzbau die Ständerbohlenbauweise vorherrschend ge­

wesen sein dürfte und wo vielleicht auch ein Handel

mit Altholz bestand? Solche Hypothesen wären zu

diskutieren. Jedenfalls wurde 1509 auch Altholz des

13. Jh. verbaut, das kaum vom Blockbau des frühen

14. Jh. stammen dürfte!

Das Haus Weid wurde Ende Mai/Juni 1989 abgebro­

chen. Die dazugehörende, 75 m nordwestlich des Hau­

ses gelegene, 1502 (d) errichtete und 1799 (d) umgebaute

Scheune «Weid» (Abb. 7) wurde 1993/94 abgebrochen

und im Freilichtmuseum Ballenberg wieder aufgestellt,

wo sie heute zu besichtigen ist.

RésuméEn 1989 a été découvert à Rüeggiswil près de Meggen LU, un bâtiment avec un madrier de plancher et de plafond intégré à la façade. Cette maison peut être attribuée à un groupe de bâtisses d’habitation de la fin du Moyen Age, sises dans la ré­gion du Lac des Quatre­Cantons (notamment à Schwyz/Uri). Elle présente toutefois certains détails architecturaux, qui ne correspondent pas à ce groupe de bâtisses d’habitation. Le bâti­ment a pu être dendrochronologiquement daté à environ 1310. En 1509 (d), le bâtiment a été agrandi, pour se transformer en mélange singulier de maison en bois carrée et de construction en madrier. Probablement que pendant cette phase de construc­tion, du vieux bois de la maison en bois carrée et du bois re­cyclé du 13e siècle ont été utilisés (montants et traverses en chêne). Au 19e siècle, la maison a une nouvelle fois été trans­formée en profondeur. Malheureusement, il ne restait que deux semaines pour documenter ce témoin captivant de la construc­tion, avant qu’il ne soit démoli. La grange de 1502 (d), qui y était rattachée, est désormais exposée au Musée de Ballenberg.

Sandrine Wasem (Thun)

RiassuntoNel 1989 a Rüeggiswil presso Meggen LU fu scoperta una costruzione in tronchi d’albero con tavoloni da pavimento e da solaio posti a filo (le estremità) con la facciata. La casa può essere inserita in un gruppo di abitazioni alto e tardomedievali situate nella regione del Lago dei Quattro Cantoni (in parti­ colare Svitto e Uri). Tuttavia vi erano anche vari elementi architettonici che si differenziavano da quelli del gruppo di

10 Dendrobericht Dendrolabor Heinz und Kristina Egger, 31.01.1989 und 26.07.1989.

7: Die 1502 erbaute und 1799 umgebaute Scheune «Weid». Blick nach Südosten.

Christoph Rösch – Das Haus «Weid» in Meggen-Rüeggiswil

102 Mittelalter 17, 2012 / 2

abitazioni suddetto. In base alla datazione dendrocronolo­gica risulta che la costruzione in tronchi sia sorta negli anni in­torno al 1310. Nel 1509 (d) la casa fu ampliata, in particolare mescolando gli elementi tipici delle costruzioni in tronchi d’albero con quelli delle costruzioni a traliccio (tavoloni). Pro­bilmente in questa fase fu riutilizzato il legname della costru­zione in tronchi inserendovi però anche materiale ligneo del XIII secolo (pali in quercia e soglie). Nel XIX secolo un’ulte­riore ristrutturazione modificò profondamente l’edificio. Pur­troppo a causa della prevista demolizione dell’edificio gli specialisti ebbero a disposizione appena due settimane per raccogliere i dati per la documentazione scientifica sulla parti­colare architettura di questa costruzione. Dalla demolizione è stato risparmiato solo il fienile datato 1502 (d) che attualmente é visitabile presso il museo del Ballenberg.

Christian Saladin (Basel/Origlio)

ResumaziunL’onn 1989 è vegnida scuverta a Rüeggiswil sper Meggen en il chantun da Lucerna ina construcziun da travs cun aissas dal palantschieu e dal palantschieu sura a medem nivel cun la fatschada. La chasa tutga tar ina gruppa da construcziun da chasas dal temp autmedieval e tardmedieval da la regiun dal Lai dals Quatter Chantuns (surtut a Sviz/Uri). Tscherts deta­gls da construcziun na sa cunfan però betg cun questa gruppa da construcziun da chasas. Ins ha pudì datar dendrocronolo­gicamain questa construcziun da travs enturn ils onns 1310.

Il 1509 (d) è la chasa vegnida engrondida ed è daventada ina maschaida particulara tranter ina construcziun da travs ed ina construcziun da pitgas ed aissas. Durant questa fasa da con­strucziun han ins probablamain duvrà laina duvrada da la construcziun da travs e laina duvrabla dal 13avel tschienta­ner (pitgas da ruvers e savas). Il 19avel tschientaner è vegnida fatga in’ulteriura restauraziun pli gronda vi da la chasa. Displa­schaivlamain èn stadas a disposiziun mo duas emnas per docu­mentar questa perditga da construcziun fitg interessanta avant ch’ella è vegnida destruida. Il clavà dal 1502 (d) che apparte­gna al medem stabiliment pon ins vesair oz en il Museum sviz­zer al liber Ballenberg.

Lia Rumantscha (Cuira/Chur)

Abbildungsnachweis:Abb. 1, 2, 4, 7: Büro Baltensweiler + Leuenberger, im Auftrag der Kantonsarchäologie Luzern.Abb. 3: Büro Baltensweiler + Leuenberger, überarbeitet von der Kantonsarchäologie Luzern, Fabian Küng.Abb. 6: Büro Baltensweiler + Leuenberger.

Adresse des Autoren:Christoph RöschKantonsarchäologie LuzernLibellenrain 156002 [email protected] 228 69 31

Mittelalter 17, 2012 / 2 103

«… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

von Fabian Küng

sind.7 Im Gegensatz zur inneren Mauerschale, welche aus

kleinteiligerem Lesesteinmaterial besteht, ist die äussere

Mauerschale aus unbehauenen Findlingsblöcken gefügt,

welche den Begriff «Megalith» durchaus verdienen: Ins­

besondere der Eckverband wird durch grosse Blöcke be­

tont, welche eine Länge von bis zu 2 m erreichen. Dass

der gleichzeitig rohe wie lebhafte Charakter des Mauer­

werks nicht einem Mangel an handwerklichem Geschick

entspringt, sondern im Gegenteil eine durchdachte In­

szenierung von Althergebrachtem ist, zeigt sich in den

Details des Turms, welche eine äusserst sorgfältige Aus­

führung aufweisen. Genannt sei hier neben dem prä­

zisen senkrechten Kantenschlag an den Ecken v.a. die

Qualität des Hocheingangs an der Westseite, der sich in

10 m Höhe befindet und der von einer durch vier

Richensee und sein Turm

Im Luzerner Seetal findet sich eine der wohl beein­

druckendsten Turmruinen der Schweiz: Mitten im Dorf

Richensee (Hitzkirch LU) steht zwischen Bauernhöfen

und Wirtshäusern unvermittelt der mächtige Steinsockel

des Megalithturms mit seinem archaisch anmutenden

Mauerwerk aus unbehauenen Findlingsblöcken (Abb. 1).

Die urtümliche Erscheinung des Baus hat seine be­

absichtigte Wirkung nicht verfehlt: Lange Zeit galt die

im Volksmund «Römerturm» genannte Ruine als «eines

der ältesten und kraftvollsten Bauwerke des Kantons

Luzern, ein leibhaftiges ‹Märchen aus alten Zeiten›».1

Selbst die Forschung hielt den Turm von Richensee bis

vor wenigen Jahrzehnten aus stilistischen Gründen für

ein Bauwerk der Grafen von Lenzburg aus dem 12. oder

gar vom Beginn des 11. Jh.2 Dies hatte unter anderem

auch zur Folge, dass Richensee im 20. Jh. als kybur­

gische Stadtgründung in die Geschichtsschreibung ein­

ging – doch dazu später.

Erst um 1980 wurde erkannt, dass sich das Bau­

datum der Turmburg dank der Schriftquellen auf

wenige Jahre genau eingrenzen lässt3: 1237 erhielten

die Grafen von Kyburg in einem Vergleich mit dem Stift

Beromünster ein am nördlichen Ende des Baldeggersees

beim Dorf Ermensee gelegenes Gelände, um hier eine

«Befestigung» (munitio) zu errichten.4 1242, fünf Jahre

später, ist der Turm vollendet, er dient als Sitz des kybur­

gischen Vogts Arnold von Richensee.5 Damit fügt sich

das Bauwerk sowohl stilistisch wie zeitlich in das Pro­

gramm des kyburgischen Burgenbaus ein, welches im

Zeitraum der 1230er und 1240er­Jahre zahlreiche Me­

galithbauten hervorgebracht hat.6

Beschreibung der Turmruine

Der Baukörper des Turms von Richensee bildet im

Grundriss ein Quadrat von 11,40 m Seitenlänge, die er­

haltene Höhe beträgt im Schnitt knapp 16 m. Sondierun­

gen haben 1938 und 1942 gezeigt, dass seine Grundmau­

ern teilweise direkt auf den anstehenden Felsen gesetzt

1 Peter X. Weber, Zur Heimatkunde von Hitzkirch und Umgebung. Separatdruck aus Vaterland, 6.–8. Juni 1918 (Luzern 1918) 14.

2 Mit der Datierung an den Beginn des 11. Jh. ist der Turm etwa auch noch im Band VI der Kunstdenkmäler des Kantons Luzern verzeichnet. Adolf Reinle, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern VI (Basel 1963) 129.

3 Werner Meyer, Der Burgenbau im kyburgischen Machtbereich. In: Die Grafen von Kyburg. Kyburger­Tagung 1980 in Winterthur. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 8 (Olten / Freiburg i.Br. 1981) 72–73.

4 Theodor von Liebenau, Urkundenbuch des Stiftes Bero­Münster (UrkB) 1 (Stans 1906) 114–115, Nr. 41 (1237); Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (QW), hrsg. von der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft (Aarau ab 1933) 1.1, 181–182, Nr. 386.

5 «Arnoldus, advocatus de Richense» erscheint erstmals als Zeuge bei einer Rechtshandlung 1242. Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich (UrkZH), hrsg. von einer Commission der Antiquarischen Gesellschaft Zürich (Zürich ab 1888) 2, 77–78, Nr. 572 (1242).

6 Daniel Reicke, von starken und grossen flüejen. Eine Untersuchung zu Megalith­ und Buckelquader­Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und Rhein. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 22 (Basel 1995) 42–43 sowie 52f., 63f.; Meyer 1981 (wie Anm. 3) 72–75.

7 Reinhold Bosch, Richensee. In: Hektor Ammann et al., Die Möglichkeiten des Spatens in der mittelalterlichen Städteforschung der Schweiz. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 23, 1943, 52–68, hier: 66. Bosch veröffentlichte diesen Artikel in leicht ge­ änderter Form – mit zusätzlichen Abbildungen und einer aktuali­ sierten Ausführung zur Urkunde von 1237 – nochmals 1966, worauf im Folgenden jeweils Bezug genommen wird; Reinhold Bosch, Richensee. Heimatkunde aus dem Seetal 39, 1966, 7–22.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

104 Mittelalter 17, 2012 / 2

mächtige Balken getragenen Laube her zugänglich war

(Abb. 2).8 Der Eingang selbst besitzt ein mit einem Rund­

stab profiliertes Gewände mit angedeutetem Spitzbogen,

der Durchgang in den Turm ist in Form eines schmalen

Korridors mit sorgfältig gearbeitetem Tonnengewölbe

aus Sandsteinquadern angelegt (Abb. 3). Bei der Tür

findet sich ein Sperrbalkenkanal mit Balkenrast. Zur

optimalen Platzausnützung im lediglich 87 cm breiten

Korridor wurde zudem in der Wand eine Aussparung

angebracht, welche das Schloss der geöffneten Eingangs­

tür aufnehmen konnte.

Wegen der ausserordentlich massiven Mauerstärke von

etwa 3,40 bis 3,70 m bleibt im Inneren des Turms ein

lichter Raum von lediglich knapp 3,90 auf 4,40 m im

Erdgeschoss bzw. von 4,40 auf 5 m in der Höhe des

Hocheingangs. Überhaupt sind die räumlichen Voraus­

setzungen im Turmsockel sehr bescheiden: Der Raum

auf Höhe des Hocheingangs, dessen Bodenbalken auf

einem Fundamentabsatz aufgelegt waren, besass gegen

Osten einen schmalen, rundbogigen Lichtschlitz und

eine Raumhöhe von über sechs Metern. Der mehr als

9 m hohe Hohlraum unterhalb dieses Geschosses scheint

nicht weiter unterteilt gewesen zu sein, er weist zwei

einfache Lichtschlitze in einer Höhe von knapp 7 m auf.

Wenn man bedenkt, dass im Inneren des Turms die Er­

1: Im Zentrum von Richensee: Die «Alte Schmitte», der Gasthof zum Löwen und die Ruine des «Römerturms« (v.l.). Die Situation präsentiert sich noch heute wie auf dieser historischen Aufnahme aus der Zeit um 1960.

2: Der sorgfältig aus Sandstein gearbeitete Hocheingang des Turms weist starke Brandrötungen auf. Die Erosion hat ihm in den letzten Jahrzehnten stark zugesetzt.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

105

schliessung der Geschosse untergebracht gewesen sein

muss, so zeigen diese Raumverhältnisse, dass der Turm­

sockel von Richensee nur den Unterbau eines weit ge­

räumigeren Obergadens darstellt, in welchem sämtliche

Wohn­ und Nutzräume der Burg von Richensee unter­

gebracht gewesen sein müssen. Einen guten Eindruck,

wie bestimmend ein hölzerner Aufbau für die Gesamt­

erscheinung eines Burgturms sein kann, vermittelt die

Burg Mammertshofen bei Roggwil TG, dessen Mega­

lithturm – errichtet in den 1230er­Jahren – noch heute

einen (allerdings jüngeren, spätgotischen) Obergaden

trägt (Abb. 4).9

Spuren des hölzernen Aufbaus sind in Richensee nicht

erhalten, Brandrötungen am Mauerwerk zeugen von

einem verheerenden Brand. Ebenso fehlen bisher wei­

tere Informationen, wie sich die Burg im 13./14. Jh. prä­

sentiert haben könnte: Hinweise auf eine Ringmauer

oder Nebengebäude im engeren Umfeld des Turms lie­

gen nicht vor.

Bemerkenswert ist, dass der Turm von Richensee fast

massgleich und vom baulichen Charakter her sehr

ähnlich ist wie der Turm des kyburgischen «Schlössli»

in Aarau AG. Gemäss Dendrodaten wurde der Turm in

Aarau 1237 errichtet.10 Sein Bau geht der Gründung von

8 Der heutige ebenerdige «Zugang» ist neuzeitlich. Er diente bis in die 1920er­Jahre als Rauchfang einer an den Turm angebauten Werkstatt, welche bei Sanierungsarbeiten um 1920 entfernt worden ist; vgl. Bosch 1966 (wie Anm. 7) 21.

9 Reicke 1995 (wie Anm. 6) 61f.10 Reicke 1995 (wie Anm. 6) 77 und 154.

3: Dokumentation des Hocheingangs während der Untersuchungen Reinhold Boschs 1938. Innen­ und Aussenansicht des Hocheingangs sowie nördliche Korridorwand, in welcher nahe der Tür die Aussparungen für den Sperrbalken sowie die Aufnahme des Türschlosses zu erkennen sind; Ms. 1:50.

4: Die nahe mit dem Turm von Richensee verwandte Burg von Mammertshofen TG trägt noch heute einen mächtigen, spätgotischen Obergaden.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

106 Mittelalter 17, 2012 / 2

Richensee somit unmittelbar voraus, und es ist durch­

aus wahrscheinlich, dass die beiden Türme nicht nur

den Bauherrn gemeinsam haben, sondern auch den Bau­

meister bzw. die Bauhütte.

Die Burg und die Siedlung:

Kurzer geschichtlicher Abriss

Das mittelalterliche Richensee ist jedoch mehr als nur die

Burg: Um den kyburgischen Turm entstand schon bald

eine gleichnamige Siedlung, welche spätestens im 14. Jh. in

bestimmten Bereichen eine Zentralfunktion im Seetal über­

nehmen konnte. Wie sich der Ort im 13. Jh. entwickelte,

lässt sich ansatzweise aus den Schriftquellen ablesen:

Der Burgturm als Sitz des Vogtes wurde in

den Jahren um 1240 auf bisher unbebautem Gelände

am nördlichen Ende des Baldeggersees erstellt. Die Topo­

grafie legt nahe, dass das vom Stift Beromünster ab­

getretene Baugelände beim Seeausfluss auf einer frucht­

baren Landzunge lag, welche sich gegen den See er­

streckte und von feuchtem Riedland umgeben war. In

der Urkunde von 1237 heisst es, die Kyburger erhielten

zum Bau der geplanten Burg eine bestimmte Stelle bei

Ermensee «cum palude et pratis», was «mit Sumpfland

und Wiesen» übersetzt werden kann.11 Ein Teil des

unmittelbaren Umlandes dürfte somit zu Beginn weder

erschlossen noch genutzt gewesen sein.

Für die Wahl des Standorts waren verschiedene Fakto­

ren ausschlaggebend. Das Stift Beromünster, das in der

Vergangenheit bereits zahlreiche Streitigkeiten mit sei­

nem Schutzherrn auszutragen hatte, wird für den 1237

geschlossenen Vergleich ein Areal abgetreten haben, bei

welchem sich eine Burggründung möglichst konfliktfrei

in das bestehende Rechtsgefüge der Landschaft und die

eigenen Güter einfügen liess. Die Grafen sahen dagegen

für ihre Burg ein Gelände, das durch seine von Gewäs­

sern beherrschte Lage bereits einen gewissen natürlichen

Schutz besass. Gleichzeitig kam der Turm an einen alten

Verkehrsweg zu stehen, der das untere Aaretal mit Lu­

zern und damit den Alpenübergängen verband. Mit der

Burg konnte ein Zollrecht verbunden werden, ebenso

wurden Nutzungsrechte am See und dem Seeausfluss,

dem Aabach, an die Anlage geknüpft.12

Mit der Burg Richensee und der Installation des Vogtes

konnten die Grafen von Kyburg eine Lücke im Netz ihrer

Besitzungen schliessen, ihren Einfluss in der Gegend

festigen und die Verwaltung der Güter und Rechte ver­

einfachen. Die Nennung des amtierenden Vogts Arnold,

«advocatus de Richense», im Jahr 1242 belegt, dass die

kyburgische Anlage inzwischen erstellt war.13 Erstmals

erscheint damit auch der Name «Richensee», welcher die

neu gegründete Burg bezeichnet und bald auch die um

den Turm entstehende Siedlung meinen wird.

Die Entwicklung der kyburgischen Einflussnahme im

Seetal ist v.a. durch die Streitfälle mit dem Stift Bero­

münster dokumentiert, welches sich über Jahre hinweg

gegen Schmälerungen seines Besitzes durch Vogt Arnold

von Richensee zu wehren hatte.14 Zwangsläufig musste

auch die nicht vereinbarte Entstehung einer Siedlung um

Richensee zu Spannungen mit dem Stift führen, zumal

die Grafen von Kyburg bzw. deren Vogt den Ausbau der

Infrastruktur offensichtlich gezielt vorantrieben. Wir

erfahren davon in Verzeichnissen von 1255, welche

die Schädigungen des Stiftes durch Hartmann d.J. von

Kyburg sowie Vogt Arnold von Richensee auflisten.

Unter vielen anderen Streitpunkten vornehmlich im

Seetal erscheint darin zweimal auch Richensee: Es geht

um den Bau einer Mühle auf Stiftsboden sowie die Er­

richtung eines Gehöftes oder eben eines Dorfes (villa)

«auf einem Acker bei Richensee».15 Ebenso entsteht

noch in kyburgischer Zeit eine Bäckerei, was auf eine

intensive Förderung und Ausnutzung der wirtschaft­

lichen Ressourcen hinweist.16

1264 geht Richensee als Teil des Kyburger Erbes an die

Habsburger über. Unter ihnen wird der Vogteisitz von

Richensee zum Verwaltungsort eines Amtes, welches die

habsburgischen Besitzungen in den Pfarreien von Hitz­

kirch, Hochdorf und Hohenrain umfasst.17 Der Zu­

stand der Siedlung zu Beginn des 14. Jh. ist im 1303 bis

1307 entstandenen Habsburgischen Urbar festgehalten:

Der noch zwei Generationen zuvor inexistente Ort

umfasst nun neben der Burg (castrum)18 auch 23 Hof­

stätten und elf Gärten, welche allesamt der Herrschaft

gehören.19 Vor allem werden nun aber auch vier Jahr­

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

107

märkte genannt, das Recht für Weinausschank zeugt

von der einen oder anderen Taverne oder Pinte. Der zu

Richensee gehörende Zoll werde mittlerweile in Luzern

erhoben, heisst es.

Ein herber Einschnitt ist gemäss spätmittelalterlichen

Chroniken das Jahr 1386: Nachdem sich die Richen­

seer – oder zahlreiche Bewohner des Amtes Richensee –

im Rahmen der Luzerner Expansionspolitik als Bürger

der Stadt Luzern haben aufnehmen lassen, soll es im

Februar 1386 zur Zerstörung des Ortes durch habsbur­

gische Krieger gekommen sein. Dabei habe es auch zahl­

reiche Tote gegeben.20 Mit der Brandschatzung von 1386

werden die Brandspuren an der Turmruine in Verbin­

dung gebracht.

Das Jahr 1386 bedeutete jedoch nicht das Ende Richen­

sees: Der Ort blieb habsburgisch, das Amt Richensee

und der Markt bestanden ungebrochen weiter – auch

nach der Eroberung des Aargaus durch die Eidgenos­

sen 1415.21 Auch wenn das Amt im 16. Jh. durch das

Amt Hitzkirch abgelöst wurde, vermochte sich Richen­

see als Marktort bis in die Neuzeit zu halten. Die Be­

deutung der Jahrmärkte hat im Verlauf der Jahrhunderte

abgenommen, dennoch waren es die Märkte, die den Ort

stets wesentlich prägten. Die noch im 18. Jh. bestehen­

den fünf Gasthäuser in Richensee zeugen von der zent­

ralen wirtschaftlichen und auch sozialen Bedeutung des

kleinen Ortes.22 Vor der Eingliederung Richensees in die

Gemeinde Hitzkirch LU 1889 bestand das Dorfzentrum

aus 17 Wohnhäusern23, drei Gasthöfen und einer klei­

nen, am Dorfrand stehenden neuzeitlichen Kapelle.24 Die

insgesamt 28 Haushaltungen der Kleingemeinde beher­

bergten 135 Personen.25 Damit dürfte die Wohnbevöl­

kerung am Ende des 19. Jh. zahlenmässig in etwa dem

im Habsburgischen Urbar fassbaren Stand entsprochen

haben. Der letzte Markt in Richensee fand 1958 statt.26

Ein Zeuge des habsburgischen Amtsortes:

Die Alte Schmitte

Ein unscheinbarerer Zeuge des mittelalterlichen Richen­

see steht nur wenige Schritte nordwestlich der Turm­

ruine: die so genannte Alte Schmitte (vgl. Abb. 1).27

Der Ständer­Bohlen­Bau erhebt sich über einem 3,70 m

hohen Steinsockel, dessen mittelalterlicher Mauer­

charakter schon früh erkannt worden ist. Die Brand­

rötung am Mauerwerk weist auf ein Brandereignis

hin, bei welchem der ursprüngliche hölzerne Oberbau

zerstört worden ist. Ob dieses Feuer mit den Vorkomm­

nissen von 1386 in Verbindung steht, muss offen bleiben.

Eine Bauuntersuchung hat ergeben, dass das heutige

Holzgebäude um 1405 (d) als Massanfertigung auf den

älteren, leicht trapezoiden Steinsockel gesetzt worden ist

(Abb. 5).28 Der zweigeschossige Bau ragt lediglich gegen

11 Zur Lage von Ermensee vgl. Abb. 10.12 Das Bestehen eines Zolls und Rechte am See, welche sich auf die

Fischerei beschränken dürften, gehen aus dem Habsburgischen Urbar von 1303­1307 hervor; Das Habsburgische Urbar, hrsg. von Rudolph Maag (Basel 1894–1904) 1, 221–222.

13 UrkZH (wie Anm. 5).14 Eine Zusammenfassung zum Konflikt zwischen dem Stift Bero­

münster und den Grafen von Kyburg zwischen 1217 und 1255 liefert Helene Büchler-Mattmann/Heinz Lienhard, St. Michael in Beromünster LU. In: Helvetia Sacra, Abt. II: Die weltlichen Kollegiatstifte der deutsch­ und französischsprachigen Schweiz 2 (Bern 1977) 162–214.

15 UrkB (wie Anm. 4) 1, 142–144, Nr. 84; 147–149, Nr. 86, UrkZH (wie Anm. 5) 3, 27–28, Nr. 943.

16 Habsburgisches Urbar (wie Anm. 12) 2.1, 340; der Bäcker Walther (pistor in Richense) war gemäss dem Urbar spätestens in den 1250er­Jahren in Richensee tätig.

17 Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (Basel ab 2002) http://www.hls­dhs­dss.ch, Schlagwort Richensee, abgerufen am 09.04.2012.

18 Habsburgisches Urbar (wie Anm. 12) 2.1, 211 u. 214.19 Habsburgisches Urbar (wie Anm. 12) 1, 221–222.20 Die sog. Klingenberger Chronik des Eberhard Wuest, Stadtschreiber

von Rapperswil, bearb. von Bernhard Stettler (St. Gallen 2007) 135. Die Quellenlage für die Ereignisse von 1386 ist für Richensee dünn, sie beschränkt sich auf Überlieferungen des 15. Jh.; vgl. Anm. 40 und Anm. 41.

21 Differenziertere Zusammenfassung der Entwicklung nach 1386 in HLS (wie Anm. 17).

22 Bruno Häfliger, Richensee. Auf den Spuren eines vergangenen Städtchens (Hitzkirch 1997) 62.

23 Joseph Winkler, Richensee. Eine Erinnerung (Luzern 1890) 524 Die nördlich von Richensee jenseits des Aabachs stehende Kapelle

stammt stilistisch aus dem 17. Jh., vgl. Reinle 1963 (wie Anm. 2) 133. Eine Sondiergrabung 1987 hat keine Hinweise geliefert, dass ein Vorgängerbau bestanden hätte. Dokumentation im Archiv der Kantonsarchäologie Luzern.

25 Winkler 1890 (wie Anm. 23) 5.26 Häfliger 1997 (wie Anm. 22) 61 u. 105.27 Hans Christian Steiner, Hitzkirch – Richensee, «Alte Schmitte».

Bauhistorischer Voruntersuch. Jahrbuch der Historischen Gesell­ schaft Luzern 15, 1997, 91–95.

28 Dokumentation durch Jonas Baltensweiler und Niklaus Leuenberger 1996, Zürich/Ebikon, inkl. Bericht der Dendrodatierung durch Heinz Egger, Boll, im Archiv der Denkmalpflege Luzern.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

108 Mittelalter 17, 2012 / 2

Süden über den Sockel vor, gegen Westen und Osten

waren Treppenaufgänge angefügt. Der breite zwei­

geschossige Mittelkorridor beherbergte eine offene

Rauchküche, während gegen Süden und gegen Norden

je zwei Kammern abgetrennt waren. Die beiden südwest­

lichen Kammern sind dabei mit fast 30 Quadratmetern

die jeweils grosszügigsten.

Bisher nicht schlüssig zu erklären ist der Umstand, dass

der flach geneigte Dachstuhl aus der Zeit um 1435 (d)

stammt, also rund 30 Jahre jünger ist als der übrige

Bau. Offensichtlich musste diese Konstruktion bereits

nach wenigen Jahrzehnten ersetzt werden.

Mit dem Datum des Wiederaufbaus von 1405 stammt

die Alte Schmitte aus der Zeit Richensees als Verwal­

tungsort des habsburgischen Amtes. Es liegt nahe, das

geräumige Holzhaus mit seinem markanten Stein sockel

als herrschaftlichen Bau zu betrachten, der mit der habs­

burgischen Vogtei in Verbindung stand.29 Während der

unmittelbar benachbarte Burgturm – seit 1386 wohl

Ruine – weiterhin den rechtlichen Anker der Herrschafts­

rechte darstellte, könnte die Alte Schmitte der Vogtei zu

Wohn­ und Verwaltungszwecken gedient haben. Hierfür

spricht auch die Überlieferung, dass das Haus im Dorf

früher als «Kornhaus» bezeichnet worden sei.30

Welche Funktion das Gebäude tatsächlich besass, ob der

ursprüngliche Bau mit dem Steinsockel bereits vor 1386

errichtet wurde oder ob er erst nach der Zerstörung der

Burg als Ersatz für den verschwundenen Obergaden des

Turms entstand, bleibt offen. Unabhängig davon bil­

den der Turm und die Alte Schmitte ein ausserordentlich

wertvolles mittelalterliches Bauensemble. Zur Zeit steht

die Alte Schmitte leer, sie harrt einer sinnvollen Weiter­

nutzung.31

Quellenlage zur «Stadt Richensee»:

Stadtgründung im 20. Jh.

Bis ins 20. Jh. wurde Richensee in historischen Wer­

ken aufgrund chronikaler Nennungen meist nebenher

auch als «Städtchen» bezeichnet.32 Die Beiläufigkeit

entspringt dem Umstand, dass sich in der Struktur Ri­

chensees keine Spuren urbaner Bebauung finden und

mittelalterliche Erwähnungen eines «Städtchens» rar

sind – doch dazu weiter unten.

Zementiert wurde das Bild einer Stadt Richensee erst in

den Jahren um 1930. Ausschlaggebend für die definitive

Etablierung der Stadt war die Neuinterpretation einer

alten Quelle – nämlich jener bereits erwähnten Urkunde

von 1237, in der von der Errichtung einer Befestigung

(munitio) die Rede ist – durch Hektor Ammann (1894–

1967), Historiker und von 1929 bis 1946 Staatsarchivar

des Kantons Aargau. Da sich die Forschung damals einig

war, dass der Megalithturm deutlich vor 1200 unter den

Lenzburgern entstanden sein müsse, war die Erwäh­

5: Die sogenannte «Alte Schmitte» nach ihrem Wiederaufbau um 1405. Die spätmittelalterliche Struktur des Holzgebäudes ist auch heute noch weitgehend erhalten (vgl. Abb. 1). Der Bau dürfte im Zusammen­hang mit der habsburgischen Amtsverwaltung entstanden sein.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

109

nung einer geplanten kyburgischen munitio zwangs­

läufig auf ein anderes Bauwerk zu beziehen.33 Ursprüng­

licher Kandidat hierfür war die Burg Grünenberg, deren

Reste nur gerade 250 m nordöstlich von Richensee

liegen und zu welcher ansonsten bis ins späte 14. Jh.

jegliche Schriftquellen fehlen.34 Ammanns These lässt

sich mit den Worten Adolf Reinles zusammenfassen:

«Für die Errichtung der Stadt Richensee besitzen wir

eine unmissverständliche Urkunde aus dem Jahre 1237,

die ... erst von Hektor Ammann in ihrer eigentlichen Be­

deutung erkannt wurde. ... Mit dieser Befestigung [muni-

tio] kann weder Turm noch Burg gemeint sein, die direkt

als turris oder castrum bezeichnet würden, sondern eine

Befestigungsanlage, eine Stadtmauer.»35 Eben diese

Stadtmauer schien nun bei archäologischen Sondier­

grabungen 1938 tatsächlich zum Vorschein zu kommen,

womit die Siedlung für die Forschung endgültig aus der

Liga der einfachen Marktorte in jene der Kleinstädte

aufstieg. Seither erscheint Richensee in Nachschlage­

werken, Artikeln und Verbreitungskarten oft als kybur­

gische Stadtgründung, welche knapp 150 Jahre über­

lebte, um als Opfer des Konflikts zwischen Luzern und

der Herrschaft Österreich 1386 unterzugehen.

Mittlerweile wissen wir, dass der Megalithturm von

Richensee zwischen 1237 und 1242 entstanden sein muss

und auch baulich einen Vertreter des Burgenbaus jener

Jahrzehnte repräsentiert.36 Werner Meyer hat als erster

darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt, als die Urkunde

von 1237 verfasst wurde, noch kein rechtlich relevantes

Bauwerk bestanden haben kann, die Errichtung des Tur­

mes also im Zusammenhang mit dem Bau der munitio zu

sehen sei: Hätte hier um 1237 bereits ein Turm bestan­

den, so wäre dieser zwingend erwähnt worden.37 Daniel

Reicke schliesslich hat aufgezeigt, dass die Bezeichnung

munitio im mittleren Drittel des 13. Jh. sehr wohl einen

Turm, gar einen Wohnturm bezeichnen kann.38

Wenn sich aber die Quelle von 1237 nicht auf die Grün­

dung einer Stadt, sondern auf den Bau einer Burg als Sitz

des kyburgischen Vogts bezieht, welche Fakten bleiben

dann – abgesehen vom später noch zu diskutierenden

archäologischen Befund einer Stadtmauer –, um von

einer Stadt Richensee zu sprechen?

Aus den historischen Quellen wie auch aus den archäolo­

gischen Aufschlüssen lassen sich für Richensee keine An­

sätze einer urbanen Organisation, Rechtsstruktur oder

Lebensweise herleiten. Es gibt zwar die genannten Jahr­

märkte und mit der fortbestehenden Vogtei nach 1264

auch den lokalen, an die Burg geknüpften habsburgi­

schen Verwaltungssitz. Tatsächlich scheinen jedoch alle

anderen Elemente, welche eine Stadt ausmachen könn­

ten, zu fehlen: Nie ist von Sonderrechten oder gar einem

Stadtrecht die Rede, es treten weder Bürger, Schultheiss

29 Vgl. Steiner 1997 (wie Anm. 27) 94.30 Bosch 1966 (wie Anm. 7), 20. Als Lager­ oder Speicherraum kommt

am ehesten das Erdgeschoss im hohe Steinsockel in Frage. Die ebenfalls überlieferte Benennung als «Rathaus» dürfte sich auf eine neuzeitliche Funktion des Hauses beziehen; vgl. Steiner 1997 (wie Anm. 27) 94.

31 Häfliger 1997 (wie Anm. 22) 43. Eine für 1997–1999 vorgesehene Restaurierung des Hauses blieb aus.

32 So im 19. Jh. am pointiertesten etwa Philipp Anton von Segesser, Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern 2: Die innere Rechtsgeschichte bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts (Luzern 1854) 68: «Wie Meyenberg, so ist auch Richensee, das Städtchen, nach der Verwüstung im Sempacherkriege fast spurlos verschwunden. Nur das Marktrecht, das von den Zeiten des Urbars her dem Dorf geblieben und ein Zoll, der sich bis in neuere Zeiten forterhalten hat, geben noch Spuren von einem ehemals, wenn auch nur in schwachen Umrissen bestandenen städtischen Gemeinwesen. Dagegen sind die Ruinen einer gewaltigen Burg auf den heutigen Tag da stehen geblieben.»; Weber 1918 (wie Anm. 1) 14f.: «Die politischen und wirtschaftlichen Zeitverhältnisse, namentlich des 13. und 14. Jahrhunderts, brachten dem ursprünglichen Fischerorte mit dem festen Turm den Sitz eines Vogtes, das Marktrecht, sowie die Entwicklung zur Zollstätte und zum Städtchen. … Damals [1386] wurde das kleine Städtchen berannt, eingenommen und eingeäschert.»

33 Zur Datierung vor der Arbeit von Meyer 1981 (wie Anm. 3) vgl. z.B. Reinle 1963 (wie Anm. 2). Erstmals als ein kyburgisches Bauwerk des frühen 13. Jh. («um 1200») erscheint der Turm in Werner Meyer/Eduard Widmer, Das grosse Burgenbuch der Schweiz (Zürich 1977) 258.

34 Zur auch «oberer Turm zu Richensee» genannten Burg vgl. HLS (wie Anm. 17). Eine Grabung 1949/50 durch Reinhold Bosch vermochte kein Licht in die Frühzeit der Burg Grünenberg zu geben. Reinhold Bosch/Jean-Jacques Siegrist, Ausgrabung der Ruine Grünenberg bei Hitzkirch 1949/50. Heimatkunde aus dem Seetal 25, 1951.

35 Reinle 1963 (wie Anm. 2) 129, mit Hinweis auf Bosch 1943 (wie Anm. 7) 9. Diese von Bosch und anderen, z.B. Meyer 1981 (wie Anm. 3, 72) zitierte These Ammanns scheint nie publiziert worden zu sein: Reinhold Bosch bezieht sich noch 1966 auf ein erst als Manuskript vorliegendes Werk Ammanns zur Geschichte des schweizerischen Städtewesens im Mittelalter (Bosch 1966, [wie Anm. 7]). Die Arbeit ist in dieser Form nicht erschienen.

36 Vgl. Anm. 6.37 Meyer 1981 (wie Anm. 3) 72–73.38 Reicke 1995 (wie Anm. 6) 18.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

110 Mittelalter 17, 2012 / 2

noch Rat auf, ebenso fehlt ein Siegel. Bevölkerungs­

mässig institutionell und gewerblich konnte es den in der

Nähe ge legenen alten Pfarrdörfern Hitzkirch oder Hoch­

dorf nicht das Wasser reichen.

Neben der vermeintlich archäologisch nachgewiesenen

Stadtmauer wären somit allenfalls noch die mittelalter­

lichen Nennungen der «Stadt Richensee» ins Feld zu

führen. Noch das Habsburger Urbar verzeichnet in Ri­

chensee allerdings zu Beginn des 14. Jh. explizit eine

Burg (castrum) und zugehörige Hofstätten.39 Die Zahl

von 23 Hofstätten, welche der Herrschaft eigen sind,

ist im Vergleich zu anderen Ortschaften zwar auffallend

hoch – mit aller Wahrscheinlichkeit handelt es sich um

alle Höfe in Richensee, was darauf zurückzuführen ist,

dass der Ort keine Altsiedlung ist wie die umliegenden

Dörfer, sondern eine Neugründung des 13. Jahrhunderts.

Es fällt jedoch ebenso auf, dass die Richenseer Haushalte

nicht unter einer übergeordneten Siedlungs­ oder Ver­

waltungseinheit wie «Stadt», burgus oder «Vorburg»

ausgewiesen sind, wie dies im habsburgischen Urbar für

andere Orte der Fall ist.

Ein «Städtchen Richensee» findet sich erst in chroni­

kalen Aufzeichnungen des 15. Jh., in welchen die Er­

eignisse des Sempacherkriegs im Jahr 1386 beschrie­

ben werden. Während in der Zürcher Chronik um 1415

eine erst beiläufige Erwähnung erfolgt,40 schildert die so

genannte Klingenberger Chronik aus den 1440er­Jah­

ren erstmals detailliert die angebliche Verbrennung des

«stättlin Richense» durch Habsburg­Österreich.41 Ge­

meinsam ist diesen Nennungen, dass sie zu einer Zeit er­

folgen, als das «stättlin» bereits seit einer oder gar zwei

Generationen zerstört war. Diese Erwähnungen können

somit nicht als Beleg für eine städtische Siedlung gelten.

Wesentlich gewichtiger ist das Erscheinen Richensees in

der «habsburgischen Städteliste», welche 1367 in Baden

AG anlässlich eines Gelöbnisses der Städte, Märkte und

Dörfer der österreichischen Vorlanden verfasst worden

ist.42 Diese Nennung ist die einzige, welche Richensee

vor seiner Zerstörung 1386 in die Nähe städtischer Sied­

lungen rückt. Neben Städten wie Baden, Brugg, Sursee,

Zofingen oder Zug finden sich in dieser Liste jedoch

auch einige Orte, für welche das Prädikat «Stadt» aus

aktueller Perspektive ungewohnt ist, so zum Beispiel

Kyburg ZH oder Wolhusen LU. Ein Vergleich dieser

Siedlungen zeigt, dass die Liste von 1367 auch städti­

sche Minderformen verzeichnet, deren Entstehung, bau­

liche Struktur und rechtliche Stellung im Spätmittelalter

sehr vielfältig sein konnte.43 So besass das aus dem sub-

urbium, der Vorburg der kyburgischen Residenz erwach­

sene Kyburg eine Befestigung und rechtliche Freiheiten,

das Marktrecht wird es erst 1370 erhalten.44 Wolhusen

scheint das Gegenteil darzustellen: Es handelt sich um

den alten Marktort am Fuss des Burghügels der Inne­

ren Burg Wolhusen, der ohne Sonderrechte und höchs­

tens mit Ansätzen einer – nie vollendeten, 1367 mögli­

cherweise noch nicht einmal begonnenen – Umwehrung

bestand.45 Damit ist offensichtlich, dass die Erwähnung

Richensees in der «Städteliste» von 1367 nicht aufgrund

seiner städtischen Struktur erfolgte, sondern seiner

Sonderfunktion als Markt­ und Verwaltungsort Rech­

nung trug.

Aus historischer Sicht muss das Fazit lauten: Richen­

see war im Mittelalter ein Marktort mit nach wie vor

dörflicher Struktur. Fast alle Elemente, welche eine mit­

telalterliche Stadt – oder auch eine spätmittelalterliche

städtische Minderform – ausmachen, fehlen im Fall

Richensees, und wir dürfen davon ausgehen, dass der

Ort auch vor der chronikalisch überlieferten Zerstörung

1386 von der Bevölkerung nicht als städtische Siedlung

wahrgenommen worden ist: Zeitgenössische Erwähnun­

gen einer Stadt Richensee gibt es nicht, und, wie bereits

mehrfach angedeutet: Auch eine Stadtmauer existiert

nicht.

Archäologie in Richensee

Eine Stadtmauer? Die Untersuchungen 1938/1942

Den Krisenjahren vor dem zweiten Weltkrieg und ihren

staatlich organisierten Arbeitsbeschaffungsmassnahmen

sind auch im Kanton Luzern zahlreiche archäologische

Aktivitäten zu verdanken. So entstand 1938 bei Gel fingen

ein Arbeitslager des Technischen Arbeitsdienstes Lu­

zern, von welchem aus Grabungen in der Seeufersiedlung

Hitzkirch­Seematte, wenige 100 m südlich von Richen­

see, vorgenommen wurden. Die Untersuchungen standen

unter der Leitung von Emil Vogt, damals Konservator

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

111

am Landesmuseum Zürich, und Reinhold Bosch (1887–

1973), Bezirkslehrer aus Seengen AG und von 1947

bis 1960 hauptamtlicher Aargauer Kantonsarchäologe.

Bosch spielte ab den 1920er­Jahren eine wichtige Rolle in

der Luzerner Archäologie: Ihm verdankt der Kanton die

Ausführung zahlreicher Grabungsprojekte und Feld­

forschungen v.a. in der Zeit vor der Installation eines

eigenen Kantonsarchäologen 1954.46 Daneben darf

Bosch als Vater der nach wie vor sehr aktiven, kantons­

übergreifenden Historischen Vereinigung Seetal gelten.

Sicherlich auf Initiative Boschs hin geriet 1938 auch

Richensee in den Fokus der Archäologie. Der aus dem

Seetal stammende Bosch kannte den Ort bestens: Be­

reits im Januar 1930 hatte er zusammen mit seinem For­

schungs­ und Berufskollegen Hans Härri bei dichtem

Nebel Bohrungen in den Feldern um Richensee vor­

genommen, um Klarheit über die Ausdehnung des Bal­

deggersees v.a. zur Pfahlbauzeit zu gewinnen. Die Ent­

wicklung des Seeuferlinien in historischer und prähis­

torischer Zeit war unklar, zumal sich ihr Verlauf bei

39 Habsburgisches Urbar (wie Anm. 12) 1, 221–222; 2.1, 211 u. 214. 40 «Und in den selben ziten namen die von Luzern in dis nachgeschribnen

vestinen: Richensee [und] ain statt. ...»; Liebenau 1886 (wie Anm. 4) 147; Chronik der Stadt Zürich. Mit Fortsetzungen, hrsg. von Johannes Dierauer. Quellen zur Schweizer Geschichte 18 (Basel 1900) 104.

41 Sog. Klingenberger Chronik (wie Anm. 20) 135: «Als in den selben tagen brachend die von Mayenberg und die von Richense ouch ab irem herren und wurden och burgar ze Lucern, wider den hertzogen, also dass die von Lucern dem hertzogen vast sind land abbrachend und sich yederman vast zuo denen von Lucern hielt. ... Item darnach bald in den selben tagen überfielent die herren Richense und branten das stättlin und nament, was da was, und erstachen ouch da ettwa mangen. Es verbran ouch vil lüt in dem stättlin. Ettlich fluchen und ertrunken in dem se.»

42 Urkunden zur Schweizer Geschichte aus österreichischen Archiven, hrsg. von Rudolf Thommen (Basel 1899) 1, 514–516, Nr. 747.

6: Richensee aus der Luft: Die Sondierungen Reinhold Boschs folgen der teilweise auch auf dieser Aufnahme erkennbaren Geländekante um Richensee. Luftbild des Militärflugdienstes, 13. September 1938.

43 Zur spätmittelalterlichen städtischen Minderform vgl. Lexikon des Mittelalters (Stuttgart/Weimar 1999) 6, 633–634, Schlagwort «Minderformen»; HLS (wie Anm. 17) 4, 549–550, oder http://hls­dhs­dss.ch, Schlagwort «Flecken».

44 HLS (wie Anm. 17), Schlagwort Kyburg (Gemeinde): « ... ein durch zwei Gräben geschützter Burgus [1261/64 erw.], der wahrscheinlich noch von den kyburgischen, sicher von den habsburg. Grafen eine städtische Organisationsform erhielt [1337 Steuerbefreiung, Be­ schränkung der Wehrpflicht, eigenes Niedergericht; 1370 Markt­ recht].»

45 Heinz Horat, Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern 1 (neue Ausgabe) 360; Guy P. Marchal, Sempach 1986. Von den Anfängen des Territorialstaates Luzern (Basel 1986) 162–163 (mit Quellen­ verweis).

46 Joseph Bühlmann, Von Riesen, rätselhaften Gräbern und Münzschätzen. Eine Übersicht über die Anfänge und die Entwicklung der archäologischen Forschung in den Kantonen Luzern und Zug. helvetia archaeologica 55/56, 1983, Teil 1, 133–135.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

112 Mittelalter 17, 2012 / 2

mehreren Seeabsenkungen im 19. Jh. verändert hatte.

Die bei den Bohrungen festgestellten Seekreideschich­

ten zeigten nun, dass der See einst deutlich weiter gegen

Norden und damit bis an das heutige Dorf Richensee

gereicht hatte.47

Spätestens bei dieser Aktion muss Bosch eine Gelän­

dekante aufgefallen sein, welche das Dorf Richensee

umgab und welche als leichte Böschung teils heute noch

im Gelände zu erkennen ist (Abb. 6). Die Interpreta­

tion des Geländemerkmals als Hinweis auf den Verlauf

der Stadtmauer von Richensee, welche soeben von

Hektor Ammann auch historisch postuliert worden war,

lag nahe.

Reinhold Bosch entwickelte nun 1938 ein Sondierungs­

konzept: Neben der Frage, ob sich ein alter Bering von

Richensee fassen liesse, sollte auch die Datierung des

«Römerturms» geklärt werden, ebenso sollten allfällige

in den bestehenden Gehöften erhaltene Reste der 1386

niedergebrannten Häuser aufgespürt werden.

Von Mitte August bis in die erste Septemberhälfte 1938

hoben sechs «Notstandsarbeiter» unter Leitung Boschs

27 Sondierschnitte rund um das Dorf aus (vgl. Abb. 6).

Zusätzlich wurden im Inneren und an der Ostecke des

Megalithturms Sondiergräben geöffnet und das Auf­

gehende des Turms dokumentiert, wobei eine Feuer­

wehrleiter wertvolle Dienste leistete (vgl. Abb. 3). Bosch

liess überdies einen Kellerkataster anfertigen und

glaubte, anhand der zumindest in Teilen noch als mit­

telalterlich taxierten Grundmauern der bestehenden

Häuser der Siedlungsstruktur des Städtchens auf die

Spur zu kommen. Gleichzeitig entstand eine erste Doku­

mentation der «Alten Schmitte».48

Und tatsächlich, das Dorf Richensee war umgeben von

den Fundamentresten einer in unregelmässigem Oval

verlaufenden Stadtmauer – die vermutete munitio von

1237 schien entdeckt (Abb. 7). Der Zustand ihrer Über­

reste war allerdings blamabel: Es wurde an keiner Stelle

aufgehendes Mauerwerk festgestellt, überhaupt fehlten

Hinweise auf die Verwendung von Mörtel (Abb. 8).49

Bei den angetroffenen Resten konnte es sich somit ledig­

lich um die unterste Fundamentlage der Stadtmauer

handeln, eine Erhaltung, die auf ein gezieltes Schleifen

der Stadtanlage um 1386 zurückgeführt wurde.50 Im­

merhin glaubte Bosch, seewärts am äussersten Punkt der

Stadtmauer die Spuren einer «turmartigen Anlage» fest­

stellen zu können: Hier kamen die Mauerreste «mit einer

Mauerfundamentbreite von etwa 4 m» geradezu flächig

zum Vorschein.51 Das geborgene Fundmaterial gehörte

mit wenigen Ausnahmen der Neuzeit an, die wenigen

älteren Fundstücke überraschten im Umfeld der seit dem

13. Jh. belegten Siedlung nicht.

Ganz geheuer war Bosch der angetroffene Befund nicht:

«Geradezu frappant ist die verschiedene Breite der Fun­

damente in den Schnitten I–VI, schwankt sie doch zwi­

schen 2,30 und 6 m!», stellt er etwa fest, um gleichzeitig

einen «etwas rätselhaften» Verlauf entlang der Seeseite

zu konstatieren.52 Ebenso muss ihm aufgefallen sein,

dass die unter wenigen Dezimetern Humus liegenden

«Fundamente» kaum in den Boden griffen und teilweise

gar bereits über Seekreideschichten zu liegen kamen, was

für eine aufragende Stadtmauer statisch ausserordentlich

problematisch gewesen wäre.53

Gerne hätte Bosch seine ersten Ergebnisse durch eine

weitere Grabungskampagne ergänzt, bei welcher neben

der Befestigung auch die Siedlungsfläche Richensees

7: Plan der Sondierungen von 1938 mit dem Verlauf der vermeintlichen Stadtmauer. Seewärts gegen Südwesten ist ein Turm verzeichnet. Im Dorfzentrum sind der «Römerturm» sowie die als mittelalterlich eingestuften Keller markiert.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

113

hätte untersucht werden sollen. Der Ausbruch des zwei­

ten Weltkriegs vereitelte die Gelegenheit, den Befund

erneut zu studieren und vielleicht auch neu zu interpre­

tieren. 1942 wurden nochmals punktuelle Sondierungen

im Umfeld des Turms vorgenommen. Sie lieferten Auf­

schlüsse zum geologischen Untergrund, Hinweise auf

mittelalterliche Strukturen konnten dabei nicht gewon­

nen werden.

Auf der Grundlage dieser Ergebnisse verfasste Reinhold

Bosch seinen Grabungsbericht, der die Geschichts­

forschung – die vorhandenen Schriftquellen und die

neusten historischen Ansätze Hektor Ammanns – vor­

bildhaft mit der Archäologie verknüpfte.54 Damit war

das Bild der um den vermeintlich lenzburgischen «Rö­

merturm» herum gegründeten kyburgischen Kleinstadt

geprägt.

Grabungen ab 1979: Neuinterpretation

des Befundes

Die Archäologie befasste sich erst ab den 1970er­Jahren

wieder mit Richensee. Im Zusammenhang mit verschie­

denen Bauprojekten und der weitflächigen Erweiterung

einer Gärtnerei fanden zwischen 1979 und 1994 mehrere

Grabungen und Sondierkampagnen statt, bei welchen

sowohl der von Bosch dokumentierte Stadtmauerver­

lauf wie auch die postulierte städtische Siedlungsfläche

untersucht werden konnten. Die Erkenntnisse waren zu­

nächst ernüchternd. «Rätsel um Richensee» titelte 1981

die Zeitung «Vaterland», irritiert über die ausbleiben­

den Befunde mitten im vermeintlichen Städtchen.55 Die

1938 freigelegten Fundamentreste einer Stadtmauer er­

wiesen sich bei den neueren Grabungen als unvermör­

telte, neuzeitliche Lesestein­Schüttung. Ein erster Blick

in die Fundkisten der Grabungskampagnen seit den

1930er­Jahren zeigt, dass das meiste Fundmaterial aus

dem Schüttungsbereich dem 18./19. Jh. zugewiesen

werden kann. Die Struktur liegt rund um das Dorf Ri­

chensee an einer natürlichen Böschungskante, welche

schon von Reinhold Bosch als glaziales Geländemerk­

mal erkannt worden ist. Es handelt sich um die Flanke

einer sanften Erhebung, die am Rand des vom Gletscher

geschaffenen Talbodens stehen geblieben war und auf

dessen Rücken im 13. Jh. Richensee gegründet wurde.

In früheren Jahrhunderten ragte somit eine kleine Land­

zunge trockenen Geländes in das von Wasserflächen

und Moor beherrschte nördliche Seeende bei Hitzkirch

und Ermensee. Entlang dieser Geländekante erscheinen

teils schon in 40 cm Tiefe die ersten Schichten aus See­

kreide.56

In der Topografie liegt auch der Schlüssel zur Interpre­

tation des Befundes: Der Seespiegel des Baldeggersees

ist bei Gewässerkorrektionen zur Landgewinnung 1806

und 1870 um insgesamt rund 1,5 m abgesenkt worden,

wodurch sich die Uferlinie und die Verlandungszonen

47 Reinhold Bosch, Jahresbericht der Historischen Vereinigung Seetal für 1930. Heimatkunde aus dem Seetal 5, 1931, 5.

48 Bosch 1966 (wie Anm. 7) 18–21. Die Dokumentation Boschs liegt im Archiv der Kantonsarchäologie Luzern.

49 Eine «unterste, in Mörtel gefügte Steinlage der Aussenfront» konnte lediglich an einer Stelle beim Aabach festgestellt werden. Ein Zusammenhang mit mittelalterlicher Bauaktivität ist jedoch nicht gesichert; Bosch 1966 (wie Anm. 7) 18–19.

50 Bosch 1966 (wie Anm. 7) 15.51 Bosch 1966 (wie Anm. 7) 19.52 Bosch 1966 (wie Anm. 7) 19.53 Vgl. Bosch 1966 (wie Anm. 7) Abbildung bei S. 17; Bosch selbst

beschreibt S. 22 den Fall eines Scheunen­Neubaus in Richensee, bei welchem wegen der Seekreide umfangreiche Pfählungen vorge­nommen werden mussten. «Der Boden, bei dem man dies nicht für notwendig hielt, sackte nachträglich etwa 20 cm ein!»

54 Bosch 1943 (wie Anm. 7); in leicht geänderter Form Bosch 1966 (wie Anm. 7).

55 Vaterland Nr. 364, 30. Dezember 1981.56 Neben den Sondierungen der Kantonsarchäologie stammen zahl­

reiche Daten von den Untersuchungen der 1930er­ und 40er­Jahre; Bosch 1931 (wie Anm. 47) 5; Bosch 1966 (wie Anm. 7) 17–18.

8: Das «Stadtmauer­Fundament» von Richensee präsentiert sich im Befund als unvermörtelte Lesesteinschüttung. Grabungsaufnahme von Schnitt 18, September 1938.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

114 Mittelalter 17, 2012 / 2

stark verändert haben.57 Hebt man nun den Seepegel auf

ca. 464,50 m ü.M., jenen Stand, der vor der Seeab­

senkung herrschte, so kommt die Uferlinie genau an die

natürliche Böschungskante um Richensee zu liegen. Als

Illustration dieses Zustandes können die Auswirkungen

jüngster Hochwasser herangezogen werden: Am 23. Au­

gust 2005 stieg der Baldeggersee exakt einen Meter über

den Normalpegel auf eine Höhe von 464,06 m ü.M.58

Dadurch überschwemmte er das Moos südlich von

Richensee und erreichte eben jene Böschungskante

knapp 40 m südlich der Turmruine (Abb. 10).

Bei der vermeintlichen Stadtmauer von Richensee dürfte

es sich somit um eine Uferbefestigung handeln, mit

welcher die Uferböschung um das Dorf entlang des

Sees und des Alten Aabachs stabilisiert worden ist und

welche den Verlust von Nutzland verhindern sollte. Sie

stammt aus jener Zeit, in welcher der Baldeggersee sei­

nen Höchststand erreicht hatte und permanent bis an das

auf einer eigentlichen Halbinsel im See liegende Dorf

Richensee gereicht haben muss. Vielleicht ist diese um­

fassende Massnahme gar im unmittelbaren Vorfeld der

See­ und Aabach­Korrektion von 1806 zu sehen.59

Eine Stadtmauer hat es in Richensee somit nicht ge­

geben.60 Aus den zahlreichen Schnitten im Bereich der

Böschungskante liegen auch keine archäologische Hin­

weise auf andersartige Wehranlagen vor, weder als Reste

eines Walls noch als Spuren einer hölzernen Umweh­

rung. Dies schliesst nicht aus, dass die mittelalterliche

Siedlung in engerem Radius von einem massiven Zaun

umgeben war, Befunde gibt es jedoch auch hierzu bis­

her keine. Durchaus denkbar wäre es, dass der Ver­

lauf des Alten Aabachs, welcher vor der Korrektur

1806 den See südöstlich von Richensee verliess und in

einem Bogen um das Dorf herumführte, künstlich ist.

Die Verlegung eines fliessenden Gewässers zum Schutz

einer Burg oder Siedlung wäre kein Einzelfall. Theo­

retisch könnte eine solche Verlegung sogar im Zusam­

menhang mit dem 1255 erwähnten Bau einer Mühle vor­

genommen worden sein – doch das ist rein spekulativ.61

Die Flächengrabungen ab 1979 haben immerhin ge­

zeigt, dass der grösste Teil der 1938 postulierten Stadt­

fläche kein Siedlungsgelände war, sondern von je her

mit Äckern und Obstgärten bewirtschaftet worden ist.

Die mittelalterliche Marktsiedlung Richensee muss sich

ebenso wie das neuzeitliche Dorf auf die Umgebung des

Turms beschränkt haben. Gerade aus diesem intensiv ge­

nutzten Bereich liegen bis heute leider nur punktuelle

und wenig aussagekräftige Aufschlüsse vor.

9: Das Bild des 1386 zerstörten vermeintlichen «Städtchens Richensee» in einer Visualisierung während der Untersuchung 1938. Die Interpretation der Grabungs­befunde verhalfen Richensee ab den 1930er­Jahren endgültig zum Prädikat «Stadt».

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

115

Zusammenfassung

Zwischen 1237 und 1242 errichteten die Grafen von

Kyburg auf bisher unbebautem Gelände am nördlichen

Ufer des Baldeggersees eine Burg, die als Sitz ihres Vogts

diente und von welchem aus die kyburgischen Güter und

Rechte im Seetal verwaltet wurden. Die noch heute er­

57 HLS (wie Anm. 17) 1, 676. Die Angaben in der Literatur zum Ablauf und zum jeweiligen Umfang der Seeabsenkung sind teils wider­ sprüchlich. Von einer ersten Korrektion stammt gemäss Karten­material der heutige Verlauf des Seeausflusses, des Aabachs. Bei einer zweiten Massnahme um 1870 soll der See nochmals um 0,75 bis 1,15 m abgesenkt worden sein (Bosch 1966 [wie Anm. 7] 18, nennt 1869/70; der Geschichtsfreund 29, 1874, 254, spricht von 1871). Allerdings zeigt ein Vergleich von historischem und aktuellem Kartenmaterial, dass der Seespiegel bereits vor 1861 im Wesentlichen auf den heutigen Stand gesenkt gewesen sein muss, die Uferlinien haben sich seither nicht verändert (vgl. Dufourkarte 1861; Topo­graphische Karte des Kantons Luzern 1864­67; Topographischer Atlas / Siegfriedkarte 1887).

58 Daten des Bundesamtes für Umwelt BAFU, abgerufen am 24. Feb­

10: Der Baldeggersee beim Hochwasser im August 2005, Blick gegen Norden. Der um einen Meter ge stiegene Seespiegel erreicht Richensee mit seinem am rechten Dorfrand zu erkennenden Turm (PFeil). Im Hintergrund der Hallwilersee, links der Bildmitte das Dorf Ermensee.

ruar 2012: http://www.hydrodaten.admin.ch/lhg/jahrestabellen/ 2137P_05.pdf

59 Für eine Datierung der Massnahme müsste die Auswertung des Fundmaterials erfolgen. Dies ist im Rahmen dieses Artikels nicht geschehen.

60 Dieses Ergebnis der archäologischen Untersuchungen wurde bisher bereits in mehreren Publikationen erwähnt, vgl. z.B. Bühlmann 1983 (wie Anm. 46) 134; Jürg Manser, Hitzkirch – Richensee. Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 13, 1995, 97; Judith Rickenbach, Alt­Eschenbach, Eine spätmittelalterliche Stadt­ wüstung. Archäologische Schriften Luzern 3 (Luzern 1995) 33 mit Anm. 15; Häfliger 1997 (wie Anm. 22) 24f.

61 Zur Erwähnung der neu errichteten Mühle bei Richensee vgl. oben, geschichtlicher Abriss.

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

116 Mittelalter 17, 2012 / 2

haltene monumentale Ruine des Turms stellt einen der

beeindruckendsten Vertreter der mittel alterlichen Mega­

lithbauweise dar.

Das um den Turm entstehende Dorf Richensee nimmt

als eine von Altsiedelland umgebene Neugründung eine

Sonderstellung in der Siedlungslandschaft des Seetals

ein. Es entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 13. Jh.

zum Marktort, die Burg wird zum Verwaltungszentrum

eines habsburgischen Amtes. Im Herzen des Dorfes zeugt

noch heute neben der Turmruine die sogenannte «Alte

Schmitte» von 1405 – wohl ein habsburgisches Verwal­

tungsgebäude – von dieser Bedeutung des Ortes.

Der Marktort Richensee hat jedoch weder rechtlich

noch baulich je den Status einer städtischen Siedlung er­

reicht. Die Reste der bei Grabungen 1938 vermeintlich

entdeckten Stadtmauer entpuppen sich bei näherer Be­

trachtung als die neuzeitliche Uferverbauung der durch

den See und den Aabach umflossenen Halbinsel. Das in

chronikalen Aufzeichnungen des 15. Jh. erscheinende

«Städtchen» Richensee hat somit weder als kyburgische

noch als habsburgische Gründung existiert. Der Begriff

«Stadt» sollte im Zusammenhang mit Richensee künftig

nicht mehr verwendet werden.

RésuméEntre 1237 et 1242, les comtes de Kyburg ont construit un château sur un terrain encore en friche, situé sur la rive nord du lac de Baldegg. Celui­ci leur servait de siège baillival, de­puis lequel ils pouvaient gérer les biens et les droits des Kyburg dans toute la vallée du Seetal. La ruine monumentale encore conservée de la tour est un témoin significatif de la façon de construire les mégalithes au Moyen Age.

Sa qualité de zone de peuplement ancien, entourée de lieux nouvellement fondés, a conféré au village de Richensee, ag­glutiné autour de la tour, une place particulière parmi les lo­tissements de la vallée du Seetal. Au cours de la seconde moitié du 13e siècle, il accéda au rang de place de marché, tandis que le château se transforma en centre administratif d’un district habsbourgeois. Aujourd’hui encore, au cœur du village, à côté de la ruine de la tour, le bâtiment appelé «Alte Schmitte» – sans doute un bâtiment administratif habsbour­geois – témoigne de l’importance du lieu.

Le marché de Richensee n’a toutefois jamais, ni sur le plan légal ni d’un point de vue architectural, atteint le statut de lotissement citadin. Après un examen approfondi, les vestiges d’un apparent mur de ville découverts lors de fouilles en 1938

se sont avérés être des ouvrages de consolidation des rives, remontant aux temps modernes, voués à protéger la presqu’île naturelle, formée par le lac et l’Aabach. La «petite ville» de Richensee, apparue dans des notes à caractère de chronique du 15e siècle, n’a par conséquent existé ni sur la base d’une fonda­tion kybourgoise ni sur celle d’une fondation habsbourgeoise. Le terme de «ville» ne devrait donc plus être utilisé en relation avec Richensee.

Sandrine Wasem (Thun)

RiassuntoTra il 1237 ed il 1242 i conti di Kyburg eressero sulla riva settentrionale del lago di Baldegg, su un terreno non edificato, un castello, il quale funse da sede amministrativa ad un loro balivo. Da tale sede venivano amministrati i beni ed i diritti che i conti di Kyburg possedevano nel Seetal. I monumentali ruderi della torre conservatisi fino ai nostri giorni sono uno degli esempi più imponenti di costruzione medievale in stile megalitico.

Il villaggio di Richensee, sorto intorno alla torre, ricopriva come nuova fondazione, una posizione particolare all’interno del territorio del Seetal, colonizzato già in un periodo più antico. Nella seconda metà del XIII secolo divenne un luogo per lo scambio delle merci (mercato) e contemporaneamente il castello assunse la funzione di sede amministrativa asburgica. Nel centro del paese, accanto ai ruderi della torre, si conserva la cosiddetta «Alte Schmitte», edificio che probabilmente fun­geva da sede amministriva asburgica e che evidenzia l’impor­tanza del luogo nel passato.

Richensee, come luogo di un mercato, non ha tuttavia mai rag­giunto, né dal punto di vista giuridico né per quanto concerne lo sviluppo archittonico le condizioni necessarie per assumere il ruolo di città. Un’analisi più attenta dei resti della presunta cinta muraria urbana, emersi durante gli scavi del 1936, ha dimostrato che non si trattava di un’opera di difesi bensì di un argine risalente ad un epoca più recente che aveva lo scopo di proteggere la penisola dalle piene del lago e del torrente Aabach. Richensee, fondata dai conti di Kyburg e dagli Asburgo, non ha mai ricoperto il ruolo di città, anche se nelle fonti scritte del XV secolo viene menzionata come «cittadina». Per tale ragione il termine «città», per quanto concerne Richen­see, in futuro non dovrebbe più venir utilizzato.

Christian Saladin (Basel/Origlio)

ResumaziunDals onns 1237 fin 1242 han ils conts da Kyburg construì in chastè sin territori anc betg surbajegià a la riva al nord dal Lai da Baldegg. Quest chastè serviva sco sez da lur chastellan ed era il lieu da l’administraziun per ils bains e dretgs kyburgais dal Seetal. La ruina da la tur monumentala che exista anc oz represchenta ina da las modas da construir cun megalit las pli impressiunantas dal temp medieval.

Mittelalter 17, 2012 / 2

Fabian Küng – «… ein leibhaftiges Märchen aus alten Zeiten.» – Das mittelalterliche Richensee

117

La vischnanca da Richensee ch’è sa furmada enturn la tur sco nov abitadi en in conturn d’abitar vegl ha ina posiziun parti­culara en la cuntrada d’abitadi dal Seetal. En la segunda me­sadad dal 13avel tschientaner è ella sa sviluppada ad in lieu da martgà, il medem mument è il chastè daventà il center admi­nistrativ d’in uffizi habsburgais. La «Alte Schmitte», in edifizi dasper la ruina da la tur che serviva en il cor da la vischnanca sco center administrativ dals Habsburgais dat anc oz perditga da l’impurtanza da quest lieu.

Il lieu da martgà Richensee n’ha però mai cuntanschì ni giu­ridicamain ni architectonicamain il status d’ina citad. Ils mirs ch’èn vegnids scuverts en il rom d’exchavaziuns l’onn 1938 n’eran betg restanzas dal mir da la citad sco quai ch’ins aveva pensà, mabain il rempar construì il temp modern da la riva da la peninsla ch’è protegida a maniera natirala grazia al lai ed al flum Aabach. La «citadetta» Richensee ch’è documentada en cronicas dal 15avel tschientaner n’ha damai mai existì sco fun­daziun kyburgaisa u habsburgaisa. La noziun «citad» na duess perquai en l’avegnir betg pli vegnir utilisada en connex cun Richensee.

Lia Rumantscha (Cuira/Chur)

Abbildungsnachweis:1: Kantonale Denkmalpflege Luzern2: Christian Auf der Maur, Luzern3, 6 –9: Kantonsarchäologie Luzern4: Daniel Reicke (wie Anm. 6)5: Untersuchungsbericht Baltensweiler + Leuenberger 1996, Kantonale

Denkmalpflege Luzern.10: Bildarchiv der Schweizer Luftwaffe. © Schweizer Luftwaffe.

Adresse des Autoren:Fabian Küng, lic. phil.Wissenschaftl. MitarbeiterKantonsarchäologie LuzernLibellenrain 156002 Luzern

Kurzberichte

118 Mittelalter 17, 2012 / 2

Kurzberichte

Chur GR

Ausgrabungen am geschichtsträchtigen Hofhügel in ChurIm Mai 2012 beginnen die Bauarbei­ten für die beiden neuen Untergeschosse des Bischöflichen Schlosses an der Hof­strasse. Vor dem Aushub der bis zu acht Meter tiefen Baugrube an der Ostseite des Hofes erfolgt der Abbruch des zwei­geschossigen, im 19. Jh. errichteten Ge­bäudes sowie der Garagen und Gar­tenmauern. Der Archäologische Dienst Graubünden wird die Arbeiten von Anfang an überwachen und die im Boden erhaltenen Baureste und archäo­logischen Schichten dokumentieren. Nach dem Aushub werden die bis ans Ende der letzten Eiszeit zurückreichen­den Ablagerungen und Kulturzeugnisse endgültig verschwunden sein. Aufgrund früherer Untersuchungen innerhalb des Hofes und im nördlich vorgelagerten Gelände können im Bauareal Zeugnisse der Siedlungstätigkeit von der Stein­ bis in die Neuzeit erhalten sein. Histo­rische Darstellungen, welche die Topo­grafie und die Bauten an der östlichen Aussenseite des bischöflichen Hofes zei­gen, gehen bis ins 17. Jh. zurück.Erste Erkenntnisse zu den zu erwar­tenden Schichten und Befunden konn­ten in Baugruben und Leitungsgräben in der Hof­ und Arosastrasse gewon­nen werden. Unter Anschüttungen und Strassenniveaus der Neuzeit sind Mau­ern dokumentiert, die sich ins Bauareal fortsetzen.(Mitteilungen Archäologischer Dienst Graubünden)

Fall Jenatsch: Archäologischer Dienst Graubünden öffnet mutmassliches Grab In der Churer Kathedrale wurde Mitte März 2012 das angebliche Grab des Jörg Jenatsch (1596–1639) geöffnet, eines Anführers der Bündner Truppen im Dreissigjährigen Krieg. Gemäss Über­lieferung wurde Jenatsch im Januar 1639 – während der Fasnacht – mit einem Beil erschlagen und in der Kathedrale bei­gesetzt. Nun lässt der Archäologische

Dienst Graubünden den Inhalt des Gra­bes auswerten. Bereits 1959 hatte der Zürcher Anthropologe Erik Hug den Leichnam exhumiert.Die Identifikation erfolgte aufgrund der Kleider und einer Schädelfraktur. Es blieb aber unsicher, ob tatsächlich der richtige Leichnam gefunden wurde. Nun sollen neue anthropologische und pathologische Erkenntnisse gewonnen werden, hinsichtlich Körperbau, Ge­schlecht oder Verletzungen. Eine Quelle zur Identifikation stellt nach wie vor die Garderobe dar. Anhand von Blutresten auf Kleidungsstücken sollte ursprünglich ein DNA­Profil erstellt und mit anderen Profilen von noch lebenden Nachfahren der Familie Jenatsch verglichen werden. Da sich auf den Kleidern zu wenige Blut­reste fanden, hat man das Grab mit dem Segen von Bischof Vitus Huonder für weitere DNA­Proben geöffnet. Gleich­ zeitig wurde der Kopf des Toten ins Kantonsspital Graubünden gebracht, wo ein Schädelscan erfolgt. Dieser kann später als 3­D­Vorlage dienen zur Re­konstruktion des mutmasslichen Aus­sehens des Toten zu Lebzeiten. Aus Rücksicht auf die Kirchgänger dauerte die Forschungsarbeit an der Grabstelle nur einen Tag. Zugang er­hielten allein die Forscher mit speziel­ler Schutzkleidung, um weitere Konta­minationen der Gebeine zu verhindern. Am Donnerstag, 15. März 2012, wurde über die durchgeführten Arbeiten in einer Medienorientierung informiert, Ergebnisse aus den Untersuchungen sind im Verlauf der nächsten Wochen zu erwarten.(Mitteilungen Archäologischer Dienst Graubünden)

Jegensdorf BE

Archäologie im ZentrumDie archäologischen Ausgrabungen in JegenstorfDas Dorfmuseum Jegenstorf und der Archäologische Dienst des Kantons Bern stellen in einer Sonderausstellung Ergeb­nisse und Fundobjekte aus den archäo­

logischen Untersuchungen der letzten 15 Jahre im Zentrum von Jegenstorf vor. Die Ausstellung in der Schloss­Schüür von Jegenstorf dauert vom 8. Mai 2011 bis zum 13. Oktober 2013 und ist jeweils Mai bis Oktober am Sonntag von 14.00 bis 17.00 Uhr ge­öffnet.Die Reihe der Fundobjekte beginnt mit einer jungsteinzeitlichen Pfeilspitze und reicht bis zum Inhalt einer Abfallgrube aus dem 19. Jh. Kernstücke der Aus­stellung sind ein bronzezeitliches Grab (13. Jh. v. Chr.), die Funde aus dem römischen Gutshof (1.–4. Jh.) und eine Nachgeburtsbestattung aus dem 18. Jh. Ein spezieller Teil ist dem mittel­alterlichen Ofen zur Herstellung einer Glockenform (12. Jh.) gewidmet, der mit der Unterstützung der Gemeinde ge­borgen und konserviert werden konnte.Ein Begleitheft und ein eigens entworfe­nes Spiel zur Ausstellung sowie speziell gestaltete Arbeitsblätter sollen die Aus­stellung und die archäologische Arbeit neben einem breiten Publikum vor allem auch Kindern und Jugendlichen zugäng­lich machen.Die Arbeitsblätter können in der Rubrik Daten & Downloads heruntergeladen werden. Bezug des Begleithefts im Dorf­museum oder beim Archäologischen Dienst des Kantons Bern, [email protected] (Unkostenbeitrag CHF 5.– plus Ver­packung und Versandkosten).(Mitteilung Archäologischer Dienst Bern)

Kirchdorf BE, Winkelmatt

Spuren eines mittelalterlichen DorfsAuf der Winkelmatt in Kirchdorf soll in den kommenden Jahren eine Wohn­siedlung entstehen. Da seit längerem bekannt ist, dass in diesem Areal archäologische Reste einer mittelalter­lichen Siedlung vorhanden sind, fand im Dezember 2011 auf rund 5000 m² Fläche eine Rettungsgrabung des Ar­chäologischen Dienstes des Kantons Bern statt. Die zuletzt als Obstgarten genutzte Winkelmatt gehörte im Mit­

Mittelalter 17, 2012 / 2 119

Kurzberichte / Veranstaltungen

telalter zum Ortskern von Kirchdorf. Zahlreiche Pfostengruben bezeugen die Standorte von Häusern. Da man in dieser Zeit mit wenigen Ausnahmen (Kirchen und Burgen) fast nur Holz­ bauweise kennt, sind die Spuren im Boden allerdings nicht leicht zu inter­pretieren. Im fast reinen, festen Sand des Untergrunds haben sich die Nega­tive der Pfosten und die Grubenwände aber ausgezeichnet erhalten. So lassen sich Konstruktionsdetails besonders gut erkennen. In einer Grube sind zum Bei­spiel deutlich die Spuren eines hölzer­nen Einbaus zu erkennen: Handelt es sich um eine Vorrats­ oder eine Sicker­grube? Bei der Anlage der Strasse nach Gerzensee im ausgehenden 19. Jh. und des neuen Friedhofs von Kirchdorf zu Beginn des 20. Jh. wurden fünf Bestat­tungen der jüngeren Eisenzeit (Latène­zeit, 5.–1. Jh. v. Chr.) entdeckt. Die reich ausgestatteten Gräber belegen die Be­deutung der Region an der Handelsroute über die Alpen. Die Fundstelle befindet sich in unmittelbarer Nähe der derzei­tigen Grabungsfläche. Bisher konnten jedoch noch keine weiteren eisenzeit­lichen Bestattungen lokalisiert werden. Die Ausgrabungen werden aber noch bis in den Sommer 2012 hinein andauern.(Medienmitteilung Kanton Bern, 15.12.2011)

Rothenbrunnen GR

Burgruine HochjuvaltDie Burg Hochjuvalt befindet sich am Eingang zum Domleschg in der Talenge zwischen Rhäzüns und Rothenbrunnen. Der heute noch markant aufstehende Mauerzahn war einst ein 5­geschossiger Wohnturm hoch über der Talenge und im Hochmittelalter Teil einer grösseren Burganlage der Herren von Juvalt. Zur Burg gehörte auch eine Talsperre am Fusse der vorragenden Felsrippe. Diese bestand aus einem weitläufigen Mauer­geviert mit zwei Toren, durch die die alte Strasse auf der rechten Talseite führte.1940 bekamen die mittelalterlichen Mauern der Talsperre noch einmal eine Wehrfunktion. In den Burgfels wurde während des 2. Weltkriegs eine militä­rische Festung gebaut, die hochmittel­alterliche Talsperre erhielt ein weiter gefasstes Panzerhindernis aus Beton­blöcken. Dank der Initiative von Felix Nöthiger konnte die Talsperre in den Jahren 2010/11 freigelegt und die Rui­nenmauern gesichert werden.Seit Anfang April 2012 werden die Frei­legungsarbeiten auf dem Felssporn fort­gesetzt. Dabei zeigt sich, dass die Burg­anlage nebst dem hoch aufstehenden Turmzahn aus weiteren Bauten bestand. Der Turm wies einst an der Süd­ und

Westseite Anbauten auf. Etwas tiefer konnte in extremer Hanglage ein Palasbau mit den Aussenmassen von ca. 8 x 20 m freigelegt werden. An der Rückseite des Palas bestand eine in den Fels eingetiefte Filterzisterne mit einem Durchmesser von ca. 8 m. In dieser wurde das Dachwasser des Palas aufgefangen und filtriert. Zudem war der Felssporn durch weitläufige Um­fassungsmauern gesichert. Die Siche­rungsarbeiten auf dem Felssporn werden vom Archäologischen Dienst beglei­tet und dokumentiert. Schliesslich soll der Turmzahn durch einen gemauerten Stützkeil für kommende Generationen gesichert werden.(Mitteilungen Archäologischer Dienst Graubünden)

Veranstaltungen

19. Europäische Tage des Denkmals 19èmes Journées européennes du patrimoine

Stein und Beton – 8./9. 9.2012Der Schweizerische Burgenverein ist KooperationspartnerDas diesjährige Thema «Stein und Be­ton» der Europäischen Tage des Denk­mals bot sich an für eine Partnerschaft mit dem Schweizerischen Burgenver­ein. In trutzigen Mauern mit Bossenqua­dern oder Findlingen erhielt der Stein im Burgenbau geradezu eine symbo­ lische Funktion. Heute ist nicht nur der Baustoff Stein mit den Burgen verbun­

den, sondern auch der Beton. Seine in der Burgenrestaurierung teils geglückte, teils problematische Verwendung ist in einem kürzlich im NIKE­Bulletin er­schienenen Artikel des Ruinenarchitek­ten und ehemaligen Vorstandsmitglieds Lukas Högl anschaulich dargestellt. Ein weiterer, ebenfalls im NIKE­Bulletin er­schienener Beitrag unseres Vorstands­mitglieds Gaëtan Cassina befasst sich unter dem Titel «Les châteaux et les ru­ines, c’est pas ‹béton›?» mit der Ver­wendung von Beton am mittelalterlichen Baudenkmal im Verlauf des 20. Jahrhun­derts (vgl. NIKE­Bulletin 3/2012 bzw. 1–2/2012, http://www.nike­kultur.ch/de/bulletin.html).

Das Thema von Stein und Beton im Zu­sammenhang mit dem Burgenbau wird aber nicht nur in Artikeln, sondern vor allem mit zahlreichen Veranstaltungen aufgegriffen. Unter kundiger Führung können Burgen und Ruinen besucht werden. Auch Mitglieder von Vorstand und Geschäftsstelle des Schweizerischen Burgenvereins sind daran beteiligt. Eine räumliche Verbindung gingen Stein und Beton in den Befestigungswerken von Besserstein bei Villingen AG und War­tenberg bei Muttenz BL miteinander ein. An beiden Orten, die eine hervorragende strategische Stellung einnehmen, finden sich Burgruinen und Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Am Warten­

120 Mittelalter 17, 2012 / 2

Veranstaltungen

berg sind es nicht weniger als drei mittel­alterliche Anlagen und darüber hinaus eine bronzezeitliche Höhensiedlung. De­taillierte Hinweise zu diesen Führungen und zu dem gesamten, reichhaltigen Pro­gramm werden ab Ende Juli auf www.hereinspaziert.ch zu finden sein. Zudem kann bei der Geschäftsstelle der NIKE die Programmbroschüre kostenlos bestellt werden (info@nike­kultur.ch, Tel. 031 336 71 11).

Die Denkmaltage wären nicht durch­führbar ohne die namhaften Beiträge der Sektion Heimatschutz und Denk­malpflege des Bundesamtes für Kultur BAK und der Schweizerischen Akademie der Geistes­ und Sozialwissenschaften SAGW. Weitere Partner sind BETON­SUISSE, der Bund Schweizer Architekten BSA, der Bund Schweizer Landschaftsar­chitekten und Landschaftsarchitektinnen BSLA, der Schweizerische Burgenver­ein, die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, pro infirmis, Pro­Naturstein, der Schweizer Alpen­Club SAC, der Schweizerische Ingenieur­ und Architektenverein SIA, die Schweize­rische UNESCO­Kommission und der Schweizerische Verband für Konservie­rung und Restaurierung SKR.Ab Ende Juli finden Sie das detaillierte Programm unter www.hereinspaziert.ch. Die Programm­Broschüre kann unter info@nike­kultur.ch kostenlos bestellt werden.

Pierre et béton – 8./9. 9.2012 Les 19es Journées européennes du patri­moine auront lieu les 8 et 9 septembre 2012 et sont consacrées aux biens cultu­rels en pierre et en béton. La pierre et le béton – matériaux omni­présents et durables – sont des porteurs de véritables valeurs culturelles. Depuis tout temps, différentes professions s’en inspirent et s’en servent afin de créer des monuments culturels uniques. Les châteaux forts en pierre signalent la volonté de défense, tandis que le béton est souvent utilisé pour conserver ces mêmes forts, aujourd’hui en ruine.La pérennité est la caractéristique com­mune aux deux matériaux: ils sont témoins de notre patrimoine culturel du passé et du présent.Le programme varié propose d’intéres­santes visites du donjon de Châtel­St­Denis (FR), de la ruine du château fort de Kastelen à Alberswil (LU), ou de la falaise et du château qui s’y trouve juché à Frauenfeld (TG). Les visiteurs pourront découvrir d’intéressants mo­numents en pierre et en béton lors de promenades architecturales à Bondo et Soglio (TI), ainsi qu’à Delémont (JU), à Fiesch (VS) ou à Genève. La ruine du château fort de Schalun en Principauté de Liechtenstein sera présentée au public déjà le 1er septembre. Dans plu­sieurs cantons – Neuchâtel, Saint­Gall, Soleure, le Tessin ou le Valais – des pro­menades dans les carrières permettent de retracer l’origine et les moyens d’extrac­tion de ce matériau.

C’est notamment grâce au soutien de la Section patrimoine culturel et mo­numents historiques de l’Office fédé­ral de la culture (OFC) et de l’Académie suisse des sciences humaines et sociales (ASSH) qu’un projet national d’une telle envergure peut être réalisé. L’Associa­tion Suisse Châteaux forts, l’Association suisse de conservation et restauration (SCR), BETONSUISSE, le Club Alpin Suisse (CAS), la Fédération des Archi­tectes Suisses (FAS), la Fédération Suisse des Architectes Paysagistes (FSAP), pro infirmis, ProNaturstein, la Société d’histoire de l’art en Suisse (SHAS), la Société suisse des ingénieurs et des archi­tectes (SIA) et la Commission suisse pour l’UNESCO sont également partenaires.Vous trouverez le programme détaillé des manifestations sur notre site www.venezvisiter.ch dès fin juillet. La bro­chure nationale avec le programme de la Suisse entière peut être commandée gra­tuitement auprès de info@nike­kultur.ch.

Mittelalter 17, 2012 / 2 121

Veranstaltungen

Befestigungen in der Eifel von der Antike bis ins 20. Jahrhundert8. wissenschaftliche Tagung des «Freun­deskreises Bleidenberg e. V.» in Oberfell an der Mosel. Tagungsleitung: Aquilante De Filippo M.A., Wilfried E. Keil M.A., Markus Poggel

Samstag, 3.11.201210.00 Uhr Grussworte10.30 Uhr Ulrich Nonn, Bonn: Die Eifel in der politischen Raumgliederung des früheren Mittelalters11.05 Uhr Angelika Hunold, Mayen: Spätrömische Höhenbefestigungen in der Eifel11.40 Uhr Kaffeepause

11.55 Uhr Elena Köstner, Regensburg: Fortifikationen als konservierendes Ins­trument administrativer Strukturen – am Beispiel Mayens und der Befestigung auf dem Katzenberg (Germania superior)12.30 Uhr Erik Beck, Dortmund: «No­vum castrum, quod mons mercurii dici­tur» – Die Neuerburg bei Wittlich und die ihr benachbarten Burgen während des hohen Mittelalters13.05 Uhr Mittagspause

14.30 Uhr Bernhard Kreutz, Walfer­dange (L): Vianden. Funktionen einer Burg im Wandel der Geschichte15.05 Uhr Achim H. Schmidt, Koblenz: Virneburg – Archäologie und Bauge­schichte15.40 Uhr Kaffeepause

15.55 Uhr Günther Stanzl, Mainz: Bau­forschung an der Burgruine Neublan­kenheim16.30 Uhr Michael Losse, Marburg: Burg oder Burgengruppe? – Die landes­herrliche Burg Are bei Altenahr und ihre Burgmannensitze17.05 Uhr Kaffeepause

17.20 Uhr Udo Liessem, Koblenz: Die Genovevaburg in Mayen18.00 Uhr Abendessen19.30 Uhr Mitgliederversammlung des «Freundeskreises Bleidenberg e. V.» in Oberfell an der Mosel im Tagungshotel «Zur Krone», anschliessend Abend­programm mit Möglichkeit zur gemein­samen Weinprobe

Sonntag, 04.11.20129.00 Uhr Achim H. Schmidt, Koblenz / Olaf Wagener, Heidelberg: Burgstellen an der Elz – Burg Eltz und Umgebung9.35 Uhr Wilfried E. Keil, Heidelberg: Doppeltürme an Burgen in der Eifel

10.10 Uhr Kaffeepause

10.25 Uhr Aquilante De Filippo, Hei­delberg: Gewölbte Räume in Burgen der Eifel11.00 Uhr Stefan Frankewitz, Geldern: Burgenstädte und Stadtburgen in der Eifel11.35 Uhr Kaffeepause

11.50 Uhr Klaus Freckmann, Berlin: Spätmittelalterliche und frühneuzeit­ liche Feste Häuser in der Eifel12.25 Uhr Markus Poggel, Siegen: Ei­felburgen in historischen Berichten und Führern13.00 Uhr Mittagspause

14.30 Uhr Olaf Wagener, Heidelberg: Holz als Baustoff von Befestigungen ab dem späten Mittelalter – Stein ist nicht alles

15.05 Uhr Oliver Meys, Pulheim­Brau­weiler: Die ehemalige NS­Ordensburg Vogelsang. Anmerkungen zu Bautypolo­gie und Nutzungsgeschichte15.40 Uhr Wolfgang Wegener, Bonn: Von der Westbefestigung zum «West­wall». 10 Aspekte zum Umgang mit dem «Denkmalwert des Unerfreulichen»16.15 Uhr Schlussdiskussion

Die Tagungskosten betragen 50.– Euro (Studenten 40.– Euro); Tageskarten für Samstag sind für 30.– Euro (25.– Euro) und Sonntag sind für 20.– Euro (15.– Euro) zu erwerben.Um Anmeldung wird gebeten durch Überweisung des Tagungsbeitrages auf das Konto der Ortsgemeinde Oberfell bei der Sparkasse Koblenz:Konto­Nr. 16 000 200, BLZ 570 501 20, IBAN: DE29 5705 0120 0016 0002 00,SWIFT­BIC: MALADE51KOB.Bitte als Verwendungszweck unbedingt angeben: «Burgensymposion 2012, Vor­name / Nachname / Wohnort»!Unterkünfte stehen zur Verfügung im Tagungshotel «Zur Krone», E­Mail: info@krone­oberfell.de, Telefonnummer 02605/665; weitere Unterkünfte können bei der Ortsgemeinde Oberfell erfragt werden, E­Mail: gemeinde.oberfell@ t­online.de, Telefonnummer 02605/4484 (Öffnungszeiten wochentags von 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr).Bei weiteren Fragen können Sie sich gerne an die Ortsgemeinde Oberfell (s.o.) oder an Wilfried E. Keil, E­Mail: [email protected]­heidelberg.de, Telefon­nummer 06221/542347 wenden.

Burgdorf, Schloss Burgdorf

Keramische Schätze des Rittersaal­vereins BurgdorfSchlossmuseum Burgdorf16. Juni 2012 – 31. März 2013April–Oktober Mo–Sa 14–17 Uhr, So 11–17 Uhr;November–März So 11–17 Uhr.www.kulturschloss.ch

Das Schlossmuseum präsentiert in der neuen Sonderausstellung die bedeu­tendsten Stücke seiner Keramiksamm­lung. Gezeigt werden die Spitzenstücke aus der Produktion von Langnau (ca. 1674–1850) sowie von Blankenburg. Im Kontrast dazu stehen die blau­weiss be­malten Produkte anderer Hafnereien im Kanton Bern, von denen der Rittersaal­verein ebenfalls eine ausserordentliche Auswahl einzigartiger Stücke (18. Jh.) besitzt. Daneben gibt es Spitzenprodukte und ungewöhnliche Einzelstücke aus im­portiertem Steinzeug des Westerwaldes (17.–19. Jh.) zu sehen.

Olten, Historisches Museum

Miniaturen10. Mai–19. August 2012Di–Sa 14–17 Uhr, So 10–17 UhrHistorisches Museum OltenKonradstr. 7, 4600 OltenTel. 062 212 89 89www.historischesmuseum­olten.ch

Eine Ausstellung mit zahlreichen Gegen­ständen aus der Welt der kleinen Dinge, vorwiegend aus der Sammlung des Historischen Museums Olten: Haus­, Landschafts­ und Maschinenmodelle, Technikmodelle, Spielzeug und Kunst­objekte. In diesem Rahmen speziell zu erwäh­nen sind die Burgenmodelle. Neben ei­nem Modell aus der 2. Hälfte des 19. Jh. von Dorneck, das damals schon die Auf­merksamkeit von Johann Rudolf Rahn auf sich zog (Skizze), sind Modelle aus der Jahrhundertwende und aus der 2. Hälfte des 20. Jh. zu sehen, nament­lich jene von Hans Waldmeier, dessen Sammlung seit 1990 zum Bestand des Historischen Museums Olten gehört.

122 Mittelalter 17, 2012 / 2

Publikationen

Publikationen

Ulrike Ludwig, Barbara Krug- Richter, Gerd Schwerhoff (Hrsg.)Das Duell – Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne

In der Reihe Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 23UVK Verlagsgesellschaft mbH Konstanz 2012372 Seiten, gebunden, 50 Bilder (S/W)ISBN 978-3-86764-319-154,00 S (D) / 55,60 S (AT) / 71.90 SFr

Von Zweikämpfen in Frankreich und Burgund im Mittelalter über die Ent­wicklung der Fechtkunst bis hin zu heu­tigen Ritualen der Mutterbeleidigung unter Kindern und Jugendlichen – der Band «Das Duell – Ehrenkämpfe vom Mittelalter bis zur Moderne» präsen­tiert aktuelle Forschungsergebnisse zur Geschichte des Duells aus verschiede­nen Disziplinen, Epochen und Ländern. Auf diese Weise gelingt es, das Besondere des Duells als kulturelle Praktik im Kon­text sich wandelnder Wertesysteme vor­zustellen.Deutlich werden die räumliche Unein­heitlichkeit des Phänomens und seine zeitliche Dynamik, die es im Ergebnis als weit weniger traditional erweist als bislang angenommen. Sichtbar wird darüber hinaus die Bedeutung unter­schiedlicher (Elite­)Kulturen für die He­ rausbildung unterschiedlicher Duell­praktiken ebenso wie die spezifisch stän­dische Rationalität des Duells, die sich insbesondere innerhalb korpora tiver Schutzräume wie beispielsweise im Mi­litär, seit dem späten 18. Jahrhundert dann auch verstärkt im akademischen Milieu, ausbilden konnte.

Christoph RöschAltbüron. Die Metallfunde der 1309 zerstörten Burg

Archäologische Schriften Luzern 14, hrsg. von der Kantonsarchäologie Luzern, Kantonaler Lehrmittelverlag Luzern, Luzern 2012 – Format A4,

92 Seiten, broschiert, 16 Abb. S/W oder farbig, 25 Fundtafeln mit Katalog-texten.ISBN 978-3-271-10046-4

Die Vorlage aller greifbaren Fund stücke der Burg Altbüron mit Ausnahme der Baukeramik vermittelt uns ein anschau­liches, wenn auch längst nicht vollständi­ges Bild des Fundspektrums einer Adels­burg des hohen und späten Mittelalters. Die Gründung der Burg erfolgte, wie sich aus der Datierung der Fundstücke schliessen lässt, im 11. oder 12. Jh. Ver­schiedene Fundstücke machen nach der Mitte des 13. Jh. einen Ausbau der Burg wahrscheinlich; sie wird Herrschafts­zentrum der Freiherren von Balm. Da Rudolf von Balm am Königsmord von 1308 beteiligt war, wurde seine Burg 1309 zerstört; dies lässt sich vor allem an der hohen Anzahl von Geschoss­spitzen fassen. Neben dem kleinen Ein­blick in das alltägliche Burgleben liefert das Fundmaterial mit der Datierung vor 1309 wichtige Hinweise für die mittel­alterliche Realienkunde der Zeit um 1300.

Stefan Lehmannascona – Collina San Michele. 5000 anni di storia – 5000 Jahre Geschichte

Verlag Armando Dadò editore, Locarno 2011 – 119 Seiten, 17 x 24 cm, broschiert, zahlreiche Abb. in S/W oder Farbe, Text durchgehend zweisprachig italienisch/deutsch.ISBN 978-88-8281-320-0

Der Hügel von San Michele, durch seine Burg berühmt und mit Villen veredelt, birgt in seinem Untergrund eine jahr­tausendalte Vergangenheit, die vor 5000 Jahren begann. Dieser ausserordentliche Fundplatz, in dieser Broschüre reich­ haltig bebildet und flüssig geschrieben, bietet die Gelegenheit, das Leben ver­schiedener Generationen von «Ascone si» zu verfolgen.

Aus dem Inhalt:Vorwort – Ein bisschen Geographie – Zur Burg – die archäologische Aus­grabung – Neolithikum – Bronzezeit – Eisenzeit – Römerzeit – Frühmittelalter – Spätmittelalter – Neuzeit – Der Hügel heute – Zusammenfassung – Zeittafel – Bibliographie.

Peter HauptLandschaftsarchäologie – eine Einführung

Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2012 – 224 S. mit 66 Abb, 17 x 25 cm, gebunden.ISBN 978-3-8062-2619-5 (Theiss)ISBN 978-3-534-24863-6 (WBG)

Der Mensch und seine Umgebung ste­hen in steter Wechselwirkung. Wie ent­wickelt sich eine Kulturlandschaft und wie wirkt sie auf die Menschen zu­rück? Auf dieser zentralen Frage liegt das Hauptaugenmerk dieser Einführung in die Landschaftsarchäologie. Diese ist eine relativ junge archäologische For­schungsrichtung, die stark von interdis­ziplinären Methoden geprägt ist. Dabei spielen besonders die Geowissenschaf­ten eine entscheidende Rolle. Es geht nicht nur um die Rekonstruktion frühe­rer Landschaften, sondern auch um die Entstehung der Kulturlandschaften, also darum, wie und mit welchen Auswir­kungen, etwa auf Vegetation, Oberflä­chengestalt und Böden, der Mensch das Land für sich nutzte.Peter Haupt gibt in diesem Buch einen umfassenden Überblick über die theo­retischen Grundlagen, die Quellen und Methoden der Landschaftsarchäolo­gie. Konkrete Fallbeispiele machen seine Ausführungen nachvollziehbar und an­schaulich.

Mittelalter 17, 2012 / 2 123

Publikationen

Doris FischerMittelalter selbst erleben

Kleidung, Spiel und Speisen – selbst gemacht und ausprobiert.Verlag Konrad Theiss, Stuttgart 2011, 2. aktualisierte Auflage – 96 Seiten, gebunden, 18 x 23 cm, zahlreiche Abb. in S/W und Farbe, mit Schnittmustern und Bauanleitungen.ISBN 978-3-8062-2522-8

Von Kleidungsstücken, Schuhen, Hüten und Taschen bis hin zu Werk­ oder Spiel­zeug – mit diesem Buch lässt sich eine ei­gene Mittelalter­Ausrüstung herstellen; so ganz nebenbei erfährt man dabei vie­les über das damalige Leben. Anhand von archäologischen Funden zeigt Doris Fischer, wie im Mittelalter Utensilien angefertigt und genutzt wurden, und sie erklärt Schritt für Schritt, wie heute jedermann diese Originale nachbauen kann. Rezepte, Spielanleitungen, Tipps und Tricks machen den Band zu einer wahren Fundgrube für alle, die dem Mit­telalter einmal auf einem etwas anderen Weg nachspüren wollen.

Gerhard WagnerDas geht auf keine Kuhhaut

Redewendungen aus dem Mittelalter.Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2011 – 160 Seiten, gebunden, 16 x 20 cm, mit zahlreichen Abb. in S/W.ISBN 978-3-8062-2471-9 (Theiss Verlag)ISBN 978-3-53425484-2 (WBG)

Redewendungen sind wie Brücken in die Vergangenheit. Leider gehen diese immer

mehr verloren, weil die Welt, auf die sich viele Redensarten beziehen, heute in Ver­gessenheit geraten ist. Daher wissen wir sehr wohl, was gemeint ist, wenn wir uns gerädert fühlen oder etwas auf die lange Bank schieben – aber wir verstehen nicht mehr, woher diese Formulierungen ur­sprünglich stammen. Die Herkunft der gebräuchlichen Redewendungen kann sehr unterschiedlich sein. Manche sind gar nicht so alt, viele aber gehen zurück in das Mittelalter. Luftschlösser bauen oder etwas im Schilde führen – es liegt auf der Hand, dass diese Redensarten in einer Zeit der Burgen und Ritter ent­standen. Aber woher kommt der Ausruf: «Das geht auf keine Kuhhaut»?

Gerhard Wagner, Geschäftsführer der Deutschen Burgenvereinigung und «Burgvogt» auf der Marksburg, erklärt auf amüsante Weise die Herkunft be­kannter Redewendungen, die auf das Mittelalter oder die frühe Neuzeit zu­rückgehen oder auf historische Tat­sachen, Personen oder Ereignisse anspie­len und auch heute noch populär sind.

Der nördliche BodenseeraumAusflugsziele zwischen Rhein und Donau

Ausflüge zu Archäologie, Geschichte und Kultur in Deutschland 55. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2012 – 335 Seiten, zahlreiche Abb. in Farbe, broschiert, 14 x 21 cm.ISBN 978-3-8062-2643-0

Der Rentierjäger der Altsteinzeit, mittel­steinzeitliche Jagdlager, stein­ und bron­zezeitliche Pfahlbausiedlungen, Burgen

und Grabhügelfelder der Hallstattzeit und nicht zuletzt die Seeschlacht der keltischen Vindeliker gegen die Rö­mer im Jahre 15 v. Chr. kennzeichnen aus archäologischer Sicht die frühe Ge­schichte des nördlichen Bodenseeraums. Belege zur frühen Christianisierung fin­ den sich in alamannischen Gräbern der Merowingerzeit und in zahlreichen Kir­chen und Klöstern, die das «Schwäbi­sche Meer» umrahmen und für Ober­schwaben und den Linzgau typisch sind. Vom Hochmittelalter, der Renaissance und dem Barock künden nicht zuletzt die ehemals freien Reichsstädte und die Schlossanlagen der Herren von Würt­temberg, Baden und Hohenzollern. In ihrer landschaftlichen Schönheit bietet die heute touristisch geprägte Region zwischen Alpen und Jura eine Fülle von geschichtlichen Highlights und Museen.Band 55 dieser Reihe führt mit über 70 Zielen nicht nur zielsicher zu den sehenswertesten historisch bedeutsamen Orten im nördlichen Bodenseeraum, sondern gibt zugleich einen einzigarti­gen Überblick über die geologischen Be­sonderheiten und über die verschiedenen Epochen in der Region.

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Vereinsmitteilungen

Vereinsmitteilungen

Schweizerischer BurgenvereinJahresbericht 2011

TagungenNach Besichtigungen der Burgruinen Vorbourg und Soyhières und der Altstadt von Delémont fand am Samstag, 27. Au­gust, die Jahresversammlung 2011 im Hôtel de Ville in Delémont statt. Die anschliessende Sonntagsexkursion führte zum mittelalterlichen Hochofen von La Joux JU und nach St­Ursanne.

VorträgeDie Reihe 2010/2011 der öffentlichen Vorträge in Zürich setzte im Januar 2011 Peter Erhard (St. Gallen) mit einem Bericht über Bernegar, einen Schreiber zur Zeit Karls des Grossen, fort. Die Serie 2011/12 begann im Oktober 2011 mit einem Referat von Elisabeth Crettaz (Zinal VS) über Schloss Ripaille und das Schweizerische Landesmuseum. Im Dezember stellte Fabian Küng (Luzern) die archäologischen Forschungen um den Luzerner Mühlenplatz vor.

ExkursionenDas schaffhausische Landstädchen Neunkirch war im Mai Ziel einer rege besuchten Exkursion unter der Leitung des neuen Vorstandsmitglieds Flurina Pescatore, die als kantonale Denkmal­pflegerin über ihren Wirkungsbereich berichtete. Weitere Exkursionen führten ins Historische Museum Olten (Ausstel­lung: «Die Ritter vom Jura – Die Gra­fen von Frohburg»), zur Müseggmauer in Luzern, die derzeit in mehrjährigen Kampagnen saniert wird, und zum Spaniolaturm in Pontresina. Mittels eines Fragebogens wurden die Teil nehmenden zur Qualität der Tages exkursionen und ihren Wünschen befragt. Die für Herbst 2011 geplante Exkursion nach Thürin­gen musste wegen mangelndem Inter­esse leider abgesagt werden. Der Verein wird das Konzept der Exkursionen über­prüfen und besonders die Frage klären, ob mehrtägige Veranstaltungen dem Be­dürfnis der Mitglieder entsprechen.

ProjekteNach der erfolgreichen Durchführung eines Mittelalterarchäologie­Kolloqui­ums im Herbst 2010, dessen Tagungs­akten per Ende 2011 auf www.burgen­verein.ch aufgeschaltet werden, wurden die Arbeiten am Projekt zur Herausgabe eines Handbuchs der Mittelalterarchäo­logie in der Schweiz, an dem auch der SBV beteiligt ist, wieder aufgenommen. Die Publikation ist für 2014 in der Reihe SPM (Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter) von archäo­logie schweiz geplant.

Seit Oktober 2011 sind die «Nachrich­ten des Schweizerischen Burgenvereins» und die Nachfolgezeitschrift «Mittel­alter – Moyen age – medio evo – temp medieval» auch online. Der Schweizeri­sche Burgenverein stellt die Bände seiner Zeitschriften der Öffentlichkeit im Rah­men des Projekts Retro.Seal.ch zur Ver­fügung. Mit Ausnahme der Beiträge in den neusten Bänden können alle Artikel seit 1927 im Internet konsultiert werden. Dabei stehen vielfältige Recherchemög­lichekten zur Verfügung: Neben der ein­fachen Volltextsuche sind auch gezielte Abfragen, z.B. nach Autor, möglich. Zu­dem können die Artikel im PDF­Format heruntergeladen werden. Retro.Seals.CH ist das Schweizer Portal für retro­digitalisierte Zeitschriften. Im Rahmen dieses Projekts werden wissenschaft­ liche Zeitschriften retrodigitalisiert und über das Internet zugänglich gemacht. Es handelt sich dabei um eine Initiative innerhalb des Innovations­ und Koope­rationsprojekts E­lib.ch «Elektronische Bibliothek Schweiz». Die Ausgaben der Zeitschrift «Mittelalter» werden jeweils im folgenden Jahr nach Drucklegung online geschaltet.

PublikationenIm Berichtsjahr umfasst die Zeitschrift «Mittelalter – Moyen Age – Medioevo – Temp medieval» die üblichen vier Hefte mit insgesamt 180 Seiten.Heft 1 beinhaltet einen Beitrag zu den Bauforschungen auf Burgruine Mannen­berg im Simmental. Der zweite Beitrag

befasst sich mit der Baugeschichte und den erhaltenen Teilen von Castello dei Griglioni in Ascona TI.Heft 2 ist dem Versammlungsort der Jahresversammlung gewidmet und ent­hält einen Beitrag zum mittelalterlichen Rennofen von La Joux JU und zur Frage des Eisengewerbes in den Freibergen.Heft 3 ist ein bunter Strauss von Bei­trägen zu verschiedensten Themen. Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der Königspfalz auf dem Lindenhof in Zürich. Im zweiten Beitrag steht ein technikgeschichtlicher Aspekt im Fo­kus: das Labor von August Kekulé (Benzolformel) im Schloss Reichenau GR. Im dritten Beitrag wird ein Bauern­ haus aus dem 16. Jh. vorgestellt, das Ansätze zu einem herrschaftlichen Bau enthält.In Heft 4 schliesslich wird in einem um­fangreichen Beitrag die Baugeschichte von zwei Häusern in der Stadt Win­terthur vorgestellt, mit Farbplänen und Befundkatalog. Der zweite Beitrag ist Überlegungen zur Raumfunktion und Ausstattungsmustern auf Burgen ge­widmet.

In der Monografienreihe «Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Ar­chäologie des Mittelalters» ist im Au­gust der verspätete Band 37 für das Jahr 2010, Der Spaniolaturm zu Pontresina, im Dezember planmässig Band 38 zu den archäologischen und historischen Forschungen zum Kloster Mariazell bei Winterthur erschienen.

Internationale BeziehungenDer SBV pflegt im Rahmen von Tagun­gen, von Schriftentausch u.a. den Kon­takt mit verschiedenen ausländischen Vereinigungen und Institutionen. Zudem haben verschiedene Vorstandsmitglieder Einsitz in Vorständen fachverwandter Organisationen im In­ und Ausland.

ÖffentlichkeitsarbeitZur Intensivierung der Werbung ist ein neuer Vereinsprospekt in Deutsch und Französisch erschienen. Zur Gewinnung neuer Mitglieder sollen die verschiedens­

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Vereinsmitteilungen

Schweizerischer Burgenverein

Jahresrechnung 2011

Ausgaben Fr. Einnahmen Fr.

Tagungen, Vortragsreihe 1'820.75 Mitgliederbeiträge 106'163.36Zeitschrift "Mittelalter" 70'394.75Beerenberg (38) 103'237.85 Subventionen:Spaniolaturm (37) 9'450.55 - SAGW für Jahresgaben 24'000.00Sonderbeitr. Spaniolaturm (37) -4'650.85 - SAGW für Mittelalter 24'000.00 48'000.00Auflösung Rückstellungen -14'500.00Mobiliar, div. 90.00 Zahlungen für "Mittelalter" 13'705.15GV, Veranstaltungen 10'080.50 Freiwillige Beiträge/Spenden 210.00Filme, Fotos, Bibliothek 48.95 A.o. Ertrag 0.00Beiträge an Vereine 1'150.00 Sonderbeiträge Jahresgabe 40'000.00Miete Archivräume 8'992.35 Verkauf Jahresgaben + Burgenkarten 4'194.77Versicherungen 357.30 Abgaben an Swisstopo (Burgenkarte) -1'999.60Allg. Unkosten: Bücherverkauf 4'503.47- Vorstand 5'991.70 Burgenfahrten, GV, Veranstaltungen 4'722.00- Saläre, Buchhaltung Eigenleistungen (inkl. Burgenkarten) 21'600.00 Sekretariat 33'107.10 Zinsen + Kursdifferenzen -2'245.72- Bürospesen, Drucksachen, Verkauf Burgenkalender 120.00 Porti, Telefon 7'456.87 Total Einnahmen 238'973.43- Werbung, Prospekte, Internet 5'840.60 52'396.27 Mehreinnahmen 2011 105.01Total Ausgaben 238'868.42 238'868.42

Bilanz vom 31. Dezember 2011

Aktiven EUR Fr. Passiven Fr.

Kassa ZH 342.55 Kreditoren 67'515.35Kassa BS 0.00 Rückstellung für Erhaltungsarbeiten 25'000.00Postcheck ZH 92'847.78 Rückstellung Jubiläumsspende 25'000.00Postcheck BS 23'258.51 Rückstellung für internationalePostcheck Euro 1'034.96 1'260.58 Zusammenarbeit 10'000.00Sparkonto UBS 4'448.98 Vorauszlg. Ofenkacheln 2012 18'098.40KK Th.B. (EUR Deutschl.) 5'147.80 6'248.92 Rückst. Jugendanlass 25'000.00Guthaben SAGW Mittelalter 2011 24'000.00 Rückst. Div. 0.00Guthaben SAGW Beerenberg 2011 24'000.00 Rückst. Werbung/Website 20'000.00Guthaben Beerenberg div. 40'000.00 Trans. Passiven 9'789.31

Debitoren 2'316.50Trans. Aktiven 1'078.60Verrechnungssteuer-Guthaben 131.34Vorräte Schriften 1.00 Eigene Mittel 1.1.2011 19'428.69Mobiliar und Einrichtungen 1.00 Mehreinnahmen 2011 105.01Burgruine Zwing Uri 1.00 Eigene Mittel 31.12.2011 19'533.70 19'533.70

219'936.76 219'936.76

126 Mittelalter 17, 2012 / 2

Vereinsmitteilungen

ten Kanäle genutzt werden, sodass der Mitgliederschwund der letzten 3 Jahre von rund 30 Personen pro Jahr aufge­halten werden kann. Einen wichtigen Platz für das Einwerben neuer Mitglie­der bildet die Homepage, über die die meisten Neuanmeldungen eingereicht werden. Als Erweiterung war bereits 2009 eine Website aufgeschaltet wor­den, die sich speziell an ein jüngeres Pu­blikum richtet. Im Berichtsjahr wurde diese Seite über 10 000­mal geöffnet. Zudem prüft der SBV ein Angebot für Lehrkräfte (Unterrichtsunterlagen zum Thema Burgen und Mittelalter). Wie in den vergangenen Jahren präsentierte sich der SBV zudem an öffentlichen An­lässen wie dem Burgfest in Burgdorf, Mannenberg (Simmental BE) und an der Veranstaltung Zeitstrasse in Basel (2 Tage).

VorstandDr. Martin Pestalozzi (Aarau) trat aus dem Vorstand zurück, dessen Mitglied er seit 2005 gewesen war.

Renata Windler, PräsidentinSchweizerischer Burgenverein

Einladung zur Generalversammlungvom 25./26. August 2012 in Sursee

Samstag, 25.8.2012WillisauDie im 13. Jh. gegründete Stadt erhielt nach dem letzten Brand im Jahr 1704 ihre heutige Gestalt. Von den mittel­alterlichen Wehrbauten sind Teile der Ringmauer und am westlichen Ende der Hauptgasse das Obertor von 1551 er­halten; das aktuelle Untertor ist rekon­struiert worden. Ziel unserer Exkursion ist aber das ehem. Landvogteischloss, das 1690–95 anstelle der wohl nach 1386 zerfallenden Hasenburg, dem Sitz der vermutlichen Stadtgründer, erbaut wurde; der Turm gehört zur Ringmauer um 1400. Unter dem Platz vor dem aktuellen Gemeindehaus von Willisau­Stadt sind die Reste der Burg erkennbar.

Burg KastelenAuf bewaldetem Hügel über dem Dorf Alberswil erhebt sich der 19 m hohe Burgturm; die Vorburg gegen Osten ist durch einen breiten Graben abgegrenzt. Eine nachgewiesene Holz­Erde­Burg war im 12. Jh. in Besitz der Grafen v. Lenz­burg. Um 1252(d) erbauten die Grafen v. Kyburg den Wohnturm, der erst 1653 aufgelassen wurde.

SurseeDie 1256 erstmals erwähnte Stadt ist wohl eine kyburgische Gründung auf vorbestehender Siedlung; seit 1415 luzernisch. Nach dem letzten der zahl­reichen Grossbrände 1734 Wiederauf­bau; die Altstadt bildet ungefähr ein Rechteck, doch sind die Strassenzüge mit Ausnahme der breiten, am Rathaus sich gabelnden Hauptgasse unregelmässig – wohl bedingt durch das Vorhandensein einer älteren Vorgängersiedlung. Von der Befestigung sind nur das Untertor und der Hexenturm erhalten.

St.Urban­Hof (Theaterstr. 9)Ehem. Verwaltungsbau des Klosters St.Urban. Viergeschossiger turmartiger Hauptbau, ƒ1596–98 erbaut mit Mate­rial aus dem Vorgängerbau (um 1256). Im 3. OG der ehem. Festsaal, in der ersten Hälfte des 17. Jh. mit Wappen der Äbte von St.Urban ausgemalt.

AnreiseAnkunft der Züge:von Bern 9.40von Zürich 9.31 / 9.47von Basel 9.31von Luzern 9.40 / 9.47

Programm9.45 UhrTreffpunkt Bahnhof Sursee anschliessend Fahrt nach Willisau Bergli und Schlossschür; Weiterfahrt nach Alberswil, Burgruine Kastelen (mit in­dividuellem Picknick unter gedecktem Platz) und Sursee; Rundgang in Sursee

16.30 UhrPause in Sursee

17.00 UhrJahresversammlung im St. Urbanhof in Sursee mit anschliessender Präsentation des Sonderbandes «Ofenkeramik und Kachelofen» durch die Autoren.

19.30 UhrNachtessen im Wilden Mann, Sursee

Sonntag, 26.8.2012HohenrainAuf einer Hügelkuppe über dem Dorf. Ehem. Ordensburg der um 1190 ge­gründeten Johanniterkomturei, mit Ring­mauer und Rundturm, dreigeschossigem Torhaus, Pfarrhaus, Kirche (erb. 1693) und Wohnturm «Roten»; dieser ist um 1250 entstanden und trägt einen Holz­aufbau von 1530/70.

Lieli (Nünegg)Burgruine mit Burggraben, Wohnturm (M. 13. Jh.) und einer Ringmauer mit polygonalem Verlauf (Neuneck); war Sitz von kyburgischen Ministerialen, 1386 von Luzern zerstört. Beispiel einer Burg­ruine, mit der sich die Denkmalpflege seit Beginn des 20. Jh. immer wieder beschäf­tigen muss.

RichenseeDer als Römerturm oder Kyburgturm be­zeichnete Wohnturm ist wohl um 1240 entstanden, als schönes Beispiel für ein Bauwerk mit Megalithmauerwerk. Wie der im vorliegenden Heft publizierte Beitrag nachweist, sollte man künftig den Begriff «Städtchen» für die den Turm umgebende Siedlung nicht mehr verwenden.

AnreiseAnkunft der Züge:von Bern 9.40von Zürich 9.31 / 9.47von Basel 9.31von Luzern 9.40 / 9.47

Programm9.45 UhrTreffpunkt Bahnhof SurseeFahrt zur Kommende Hohenrain, Mit­tagessen im Rest. Kreuz in Hohenrain, Besichtigungen Burg Lieli und Richensee, Rückfahrt nach Sursee.

Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters (SBKAM)

PUBLIKATIONEN DES SCHWEIZERISCHEN BURGENVEREINS

Band 1, 1974Werner Meyer, Alt­Wartburg im Kanton Aargau.

Band 2, 1975 (vergriffen)Jürg Ewald (u. a.), Die Burgruine Scheidegg bei Gelterkinden.

Band 3, 1976 (vergriffen)Werner Meyer (u. a.), Das Castel Grande in Bellinzona.

Band 4, 1977 (vergriffen)Maria­Letizia Boscardin, Werner Meyer, Burgenforschung in Graubünden, Die Grottenburg Fracstein und ihre Ritz­zeichnungen. Die Ausgrabungen der Burg Schiedberg.

Band 5, 1978 (vergriffen)Burgen aus Holz und Stein, Burgenkund­liches Kolloquium Basel 1977 − 50 Jahre Schweizerischer Burgenverein. Beiträge von Walter Janssen, Werner Meyer, Olaf Olsen, Jacques Renaud, Hugo Schneider, Karl W. Struwe.

Band 6, 1979 (vergriffen)Hugo Schneider, Die Burgruine Alt­ Regensberg im Kanton Zürich.

Band 7, 1980 (vergriffen)Jürg Tauber, Herd und Ofen im Mittel­alter. Untersuchungen zur Kultur­geschichte am archäologischen Material vornehmlich der Nordwestschweiz (9.−14. Jahrhundert).

Band 8, 1981 (vergriffen)Die Grafen von Kyburg. Kyburger Tagung 1980 in Winterthur.

Band 9/10, 1982Jürg Schneider (u. a.), Der Münsterhof in Zürich. Bericht über die vom städtischen Büro für Archäologie durch­geführten Stadtkernforschungen 1977/78.

Band 11, 1984Werner Meyer (u. a.), Die bösen Türnli. Archäologische Beiträge zur Burgen­forschung in der Urschweiz.

Band 12, 1986 (vergriffen)Lukas Högl (u. a.), Burgen im Fels. Eine Untersuchung der mittelalterlichen Höhlen­, Grotten­ und Balmburgen in der Schweiz.

Band 13, 1987Dorothee Rippmann (u. a.), Basel Bar­füsserkirche. Grabungen 1975−1977.

Band 14/15, 1988Peter Degen (u. a.), Die Grottenburg Riedfluh Eptingen BL.

Band 16, 1989 (vergriffen)Werner Meyer (u. a.), Die Frohburg. Ausgrabungen 1973−1977.

Band 17, 1991Pfostenbau und Grubenhaus − Zwei frühe Burgplätze in der Schweiz. Hugo Schneider, Stammheimerberg ZH. Bericht über die Forschungen 1974−1977. Werner Meyer, Salbüel LU. Bericht über die Forschungen von 1982.

Band 18/19, 1992Jürg Manser (u. a.), Richtstätte und Wasen­ platz in Emmenbrücke (16.−19. Jahr­ hundert). Archäologische und historische Untersuchungen zur Geschichte von Straf­rechtspflege und Tierhaltung in Luzern.

Band 20/21, 1993/94Georges Descoeudres (u. a.), Sterben in Schwyz. Berharrung und Wandel im Totenbrauchtum einer ländlichen Siedlung vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit. Geschichte − Archäologie − Anthropologie.

Band 22, 1995Daniel Reicke, «von starken und grossen flüejen». Eine Untersuchung zu Megalith­ und Buckelquader­Mauerwerk an Burgtür­men im Gebiet zwischen Alpen und Rhein.

Band 23/24, 1996/97Werner Meyer (u. a.), Heidenhüttli. 25 Jahre archäologische Wüstungsfor­schung im schweizerischen Alpenraum.

Band 25, 1998Christian Bader, Burgruine Wulp bei Küsnacht ZH.

Band 26, 1999Bernd Zimmermann, Mittelalterliche Geschossspitzen. Typologie − Chrono­ logie − Metallurgie.

Band 27, 2000Thomas Bitterli, Daniel Grütter, Burg Alt­Wädenswil. Vom Freiherrenturm zur Ordensburg.

Band 28, 2001Burg Zug. Archäologie – Baugeschichte – Restaurierung.

Band 29, 2002Wider das «finstere Mittelalter» – Fest­schrift Werner Meyer zum 65. Geburtstag.

Band 30, 2003Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäo­logische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau.

Band 31, 2004 Gesicherte Ruine oder ruinierte Burg?Erhalten – Instandstellen – Nutzen.

Band 32, 2005Jakob Obrecht, Christoph Reding, Achilles Weishaupt, Burgen in Appenzell. Ein historischer Überblick und Berichte zu den archäologischen Ausgrabungen auf Schönenbühl und Clanx.

Band 33, 2006Reto Dubler, Christine Keller, Markus Stromer, Renata Windler, Vom Dübelstein zur Waldmannsburg. Adelssitz, Gedächtnis ort und Forschungsprojekt.

Band 34, 2007Georges Descoeudres, Herrenhäuser aus Holz. Eine mittel alterliche Wohnbau­gruppe in der Innerschweiz.

Band 35, 2008 Thomas Reitmaier, Vorindustrielle Lastsegelschiffe in der Schweiz.

Band 36, 2009Armand Baeriswyl / Georges Descœudres /Martina Stercken / Dölf Wild (Hrsg.), Die mittlelalterliche Stadt erforschen – Archäologie und Geschichte im Dialog.

Band 37, 2010 Lukas Högl, Der Spaniolaturm zu Pontresina.

Band 38, 2011 Felicia Schmaedecke, Kloster Mariazell auf dem Beerenberg bei Winterthur. Neuauswertung der Ausgrabungen 1970–1972 im ehemaligen Augustiner­Chorherrenstift.

Band 39, 2012 (Sonderband) Ofenkeramik und Kachelofen – Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum (CH, D, A, FL) mit einem Glossar in siebzehn Sprachen.Von Eva Roth Heege mit Beiträgen von Monika Dittmar, Julia Hallenkamp­Lumpe, Andreas Heege, Matthias Henkel, Klaus Hufnagel, Uwe Lamke, Katja Lesny, Margret Ribbert, Harald Rosmanitz und Günther Unteidig.

ISSN 1420-6994

Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, die Zeitschrift des Schweize-rischen Burgenvereins, veröffentlicht Ergebnisse aktueller Forschungen zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters in der Schweiz. Schwer-punkte bilden die Burgen-forschung, Siedlungsarchäo-logie sowie Untersuchungen zur mittelalterlichen Sach-kultur.

Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval. La revue de l’Association Suisse Châteaux forts publie les résultats d’études menées en Suisse dans le domaine de l’archéologie et de l’histoire médiévales. Les travaux de castellologie et d’archéologie des habitats, ainsi que les études relatives à la culture matérielle, constituent ses principaux domaines d’intérêt.

Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, la rivista dell’Associazione Svizzera dei Castelli, pub-blica i risultati delle ricerche attuali in Svizzera nel campo della storia della cultura e dell’archeologia del medio-evo. I punti focali sono la ricerca concernente i castelli, le indagini archeologiche degli insediamenti come anche lo studio della cultura medioevale.

Mittelalter · Moyen Age · Medioevo · Temp medieval, la revista da l’Associaziun Svizra da Chastels, publi-tgescha ils resultats da perscrutaziuns actualas davart l’istorgia culturala e l’archeologia dal temp medieval en Svizra. Ils accents da la revista èn la perscrutaziun da chastels, l’archeologia d’abitadis e las retschertgas davart la cultura materiala dal temp medieval.

SchweizerischerAssociation Suisse

Associazione SvizzeraAssociaziun Svizra

BurgenvereinChâteaux fortsdei Castellida Chastels

Mittelalter 17, 2012 / 2 127

Vereinsmitteilungen

17.00 UhrRückkehr nach Sursee

Abfahrt der Züge:Bern 17.18 / 17.26Zürich (17.11) / 17.26Basel 17.26 / 17.48Luzern (17.11) / 17.18 / 17.32

ÜbernachtungDie Reservation und Abrechnung für eine allfällige Übernachtung vom 28. auf den 29. 8. 2011 erfolgt direkt durch die Teil­nehmenden. Bitte um rechtzeitige Zim­merreservation über ein Ihnen bekann­tes Hotel oder über Tourismusinfo Sursee (für Gäste vor Ort)Stadtverwaltung SurseeCentralstrasse 96210 SurseeTelefon 041 920 44 44Fax 041 920 45 28info@sempachersee­tourismus.ch www.sempachersee­tourismus.chwww.sursee.ch/de/tourismus/hotels/

TagungskostenSamstag, 25.8. 2012, Fr. 70.– (ohne Nachtessen); mit Nachtessen Fr. 110.– Sonntag 26.8.2012, Fr. 100.– (mit Mittagessen)

AnmeldeschlussMittwoch, 15. August 2012

Anmeldung und weitere InformationenGeschäftsstelle des Schweizerischen BurgenvereinsBlochmonterstr. 22 – CH­4054 Basel061 361 24 44 / Fax: 061 363 94 05e­mail: [email protected]

Traktanden der statutarischen Jahres­versammlung vom 25. August 2012 um 17 Uhr im Abtsaal St. Urbanhof in Sursee, Theaterstr. 9

1. Begrüssung der Teilnehmenden2. Protokoll der JV vom 27.8.2011*3. Jahresbericht 2011 der Präsidentin4. Jahresrechnung und Bilanz 20115. Festlegen des Jahresbeitrages 20136. Budget 20137. Wahlen, Ergänzung des Vorstands,

Vorschlag des Vorstands: Christian de Reynier (Neuchâtel)

8. Mitteilungen9. Verschiedenes

* Eine Kopie des Protokolls kann bei der Geschäftsstelle angefordert werden.