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Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 153. Band (Der neuen Folge 114. Band) herausgegeben von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg 2005 Verlag NV. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Zeitschrift - mgh-bibliothek.de · die Palme des Martyriums einbrachte, denn einige dieser Knechte, wegen der ihnen zugemuteten Arbeit aufsässig geworden, haben den heiligen Mann

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Zeitschrift für die

Geschichte des Oberrheins

153. Band (Der neuen Folge 114. Band)

herausgegeben

von der

Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg

2005

Verlag NV. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Königskrone und Fürstenhut. Das gotische Kreuz aus St. Trudpert und die Habsburger

im 13. Jahrhundert

Von

Thomas Zotz

Nach rund zweihundertjähriger Abwesenheit vom Oberrhein ist im Herbst 2003 das aus dem Kloster St. Trudpert' stammende und heute in der Ermitage in St. Petersburg befindliche gotische Vortragekreuz in der Ausstellung des Frei- burger Augustinermuseums �Das Kreuz aus St. Trudpert in der Staatlichen Er- mitage St. Petersburg und das Niello-Kreuz in St. Trudpert" für einige Wochen in seiner ursprünglichen �Heimat" zu bewundern gewesen - zusammen mit dem älteren romanischen, in Niello-Technik gearbeiteten Vortragekreuz, das gleich- falls zum Kirchenschatz des Klosters gehört und an Ort und Stelle die Stürme der Säkularisation überdauert hat, bevor es vor nicht langer Zeit in eine Sicher- heitsverwahrung gegeben wurde2.

Die ebenso geschickte wie eindrucksvolle Gegenüberstellung der beiden Kreuze in der Ausstellung regte dazu an, ihrem historischen Ort in der hoch- und spätmittelalterlichen Entwicklung St. Trudperts genauer nachzugehen und

1 Überblick zur Geschichte des Klosters Wolfgang Müller, St. Trudpert, in: Franz Quarthai (Bearb. ), Germania Benedictina Bd. 5: Baden-Württemberg, Augsburg 1975, S. 606-614.

2 Vgl. den in Zusammenhang mit der vom 18. Oktober bis 9. November 2003 gezeigten Ausstel- lung in Freiburg erschienenen Band Klaus Mangold (Hg. ), Das Kreuz aus St. Trudpert im Münstertal/Schwarzwald in der Staatlichen Ermitage St. Petersburg, München 2003. Grundle- gend für die kunsthistorische Beschäftigung mit dem gotischen Kreuz Joseph Sauer, Unbe- kannte Kunstwerke aus dem Kloster St. Trudpert, in: Zeitschrift des Freiburger Geschichtsver- eins 46 (1935) S. 55-82 (Teilabdruck mit Erläuterungen von Johann Michael Fritz im davor ge- nannten Sammelband, S. 84 f'. ). Zum Schicksal des gotischen Kreuzes, das im Zuge der Säku- larisation zunächst in das Kloster Mariastein in der Schweiz geflüchtet worden ist, von dort nach dessen Aufhebung an den russischen Kunstsammler Alexander Petrowitsch Basilewsky und durch ihn an den Zarenhof gelangte, jetzt Lukas Scheitker OSB, Das gotische Kreuz aus dem Benediktinerkloster St. Trudpert und das Benediktinerkloster Mariastein, in: Freiburger Diöze- san-Archiv 124 (2004) S. 61-72. Vgl. noch Willibald Stroh incyer, Die Aufhebung des Klo- sters St. Trudpert im Jahre 1806, in: Freiburger Diözesan-Archiv 64 (1936) S. 209-277.

16 Thomas Zotz

sie in die Beziehungen des Klosters zur Welt3, zu den dieses prägenden Herr- schaftsträgern einzuordnen4, zunächst zu den Herren von Staufen, welche Mini- sterialen der Zähringer waren und die Vogtei des Klosters im Hochmittelalter innehatten5, dann zu den Habsburgern, die im Laufe des 13. Jahrhunderts in eine nähere Verbindung zu St. Trudpert traten und als Obervögte fungierten6. Wäh- rend sich das ältere romanische Kreuz als eine Stiftung der Herren von Staufen zu erkennen gibt7, bleibt rätselhaft, wer die Anfertigung des gotischen Kreuzes veranlaßt und getragen hat. War hier, wie schon vermutet worden ist8, ange- sichts der erwähnten, seit den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts bezeugten Schutzfunktion der Habsburger König Rudolf I. involviert?

Werfen wir zunächst einen Blick auf die frühe Geschichte des Ortes, für den die beiden Kreuze angefertigt worden sind, des Klosters St. Trudpert: Im oberen Münstertal, das ebenso wie sein elsässisches Pendant seinen Namen von dem dortigen monasteriun: führt, hat der Legende nach der Wandermönch Trudpert vor der Mitte des 7. Jahrhunderts - etwa gleichzeitig mit Fridolin am Hochrhein - den ihm von Gott zugewiesenen Ort frommer Einsiedelei gefun- den. Wie die im frühen 9. Jahrhundert entstandene Lebensbeschreibung mit-

3 Dazu übersichtlich Willibald Strohureyer, Die Stifter und Vögte des Klosters St. Trud- pert. Die mittelalterlichen Urkundenfälschungen, in: Freiburger Diözesan-Archiv 54 (1926) S. 106-152.

4 Vgl. Theodor Mayer (Hg. ), Beiträge zur Geschichte von St. Trudpert (Veröffentlichungen des Oberrheinischen Instituts für geschichtliche Landeskunde 3), Freiburg i. Br. 1937.

5 Wolfgang Stülpnagel, Die Herren von Staufen im Breisgau, in: Schau-ins-Land 76 (1958) S. 33-58; ders., Die Herren von Staufen, in: Staufen und der Obere Breisgau. Chronik einer Landschaft, Karlsruhe 1967, S. 13-20; neuerdings Boris Bigott, Die Herren von Staufen - ihre Burg und ihre Stadt, in: Burgen, Märkte, kleine Städte. Mittelalterliche Herrschaftsbildung am südlichen Oberrhein (Das Markgräflerland 212003), Schopfheim 2003, S. 92-111.

6 Vgl. Hansmartin Schwa rznraier, Die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Klosters St. Trudpert in der Reichsgeschichte, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 17-26, und bereits Dieter Mertens, Die Habsburger als Nachfahren und als Vorfahren der Zähringer, in: Karl Schmid (Hg. ), Die Zähringer. Eine Tradition und ihre Erforschung, Sigmaringen 1986, S. 151-174, mit dem Schwerpunkt auf der Zeit Maximilians I.

7 Vgl. dazu Die Zeit der Staufer. Geschichte - Kunst - Kultur Bd. 1, Stuttgart 1977, Nr. 593, S. 466 ff.; Hans Sc/i adek / Karl Sc/gin Id (Hg. ), Die Zähringer. Anstoß und Wirkung, Sigma- ringen 1986, Nr. 37, S. 61 ff.

8 Johann Michael Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik in Mitteleuropa, München 1982, Nr. 54-57, S. 190f.; ders., Das Kreuz aus St. Trudpert: Seine liturgische Funktion und seine Stellung als ein Hauptwerk gotischer Goldschmiedekunst, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 102-125, hier S. 119 ff.

9 Alfons Ze tiler, Fragen zur älteren Geschichte von Kloster Säckingen, in: Walter Be rs chin / Dieter Geu en ich / Heiko Steuer (Hg. ), Mission und Christianisierung am Hoch- und Ober- rhein (6. - B. Jahrhundert) (Archäologie und Geschichte 10), Stuttgart 2000,35-51; de rs., Mis- sion und Klostergründungen im südwestdeutschen Raum, in: Hans Ulrich Nuber / Heiko Steuer / Thomas Zo tz (Hg. ), Der Südwesten im B. Jahrhundert aus historischer und archäo- logischer Sicht (Archäologie und Geschichte 13), Ostfildern 2004, S. 233-252.

Königskrone und Fürstenhut 17

teilt10, hat Trudpert allerdings nicht nur im andächtigen Gebet seine Tage ver- bracht, sondern auch mit Hilfe von Knechten, die ihm sein Gönner, der Adlige Otpert, zugewiesen hatte, das Land in der Nähe kultivieren lassen, eine Tätig- keit, die ihm zum Verhängnis wurde - oder christlich gedacht und gesprochen: die Palme des Martyriums einbrachte, denn einige dieser Knechte, wegen der ihnen zugemuteten Arbeit aufsässig geworden, haben den heiligen Mann er- schlagen".

Nach Darstellung der Vita ließ Otbert an Trudperts Grab eine Kapelle zur Verehrung des Heiligen erbauen, und offensichtlich entwickelte sich der Ort zu einer vielbesuchten Wallfahrtsstätte. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts, in der Zeit, als das Leben und Sterben Trudperts aufgezeichnet wurde, ist hier auf Initiative Ramberts, eines Nachfahren des erwähnten Otbert, eine klösterliche Niederlas- sung entstanden' sie wurde hundert Jahre danach laut einer Urkunde, die aller- dings nur in einer anderen, auf das Jahr 1186 gefälschten Urkunde des 13. Jahr- hunderts überliefert ist, von einem Grafen Liutfrid restauriert und mit zusätz- lichem Besitz in der Ortenau und im Elsaß ausgestattet13.

Nach der Mitte des 10. Jahrhunderts hat sich dann der Straßburger Bischof Erchanbald als Förderer und Neugründer des Klosters hervorgetan und seine persönliche Verbundenheit mit dessen Patron durch metrische Subskriptionen zur bestehenden Passio zum Ausdruck gebracht14; wohl aus dieser Zuwendung des Straßburger Bischofs resultierten bestimmte Rechte des Bistums Straßburg an St. Trudpert (ius fiuidi), wie der schriftlichen Überlieferung des 13. Jahrhun- derts zu entnehmen ist-. Die neue Blüte des Klosters kommt darin zum Aus- druck, daß der zuständige Diözesanbischof Konrad von Konstanz im Jahre 962 die Gebeine des Heiligen erheben ließ16, und 968/69 zeugt eine Urkunde vom Gütertausch des Klosters mit der Abtei St. Gallen in Zizingen bei Müllheim und

10 Passio Thrudperti martyris Brisgoviensis, hg. von Bruno Krusch, in: MGH Scriptores rer. Merov. Bd. 4, Hannover-Leipzig 1902, S. 352-363. Vgl. Willibald St ro h in eyer, Der heilige Trudpert und die ersten Anfänge des Klosters St. Trudpert, in: Freiburger Diözesan-Archiv 53 (1926) S. 67-98.

11 Passio (wie Anm. 10) cap. 5, S. 360. 12 Ebd. cap. 10, S. 362. Vgl. St ro hmeyer (wie Anm. 10) S. 87 ff., und Marcel Beck, St. Trud-

pert bis zum 10. Jahrhundert, in: Beiträge (wie Anm. 4) S. 61-84, hier S. 69 ff. 13 Albert Bruckner (Bearb. ), Regesta Alsatiae aevi merovingici et karolini 496-918, Stras-

bourg-Zürich 1949, Nr. 662. Zu der Urkunde ausführlich Beck (wie Anm. 12) S. 73 ff. Abb. bei Schwarzmaier (wie Anm. 6) S. 23.

14 Vgl. hierzu Beck (wie Anm. 12) S. 82 f., Norbert Ficke rm ann, Über die metrischen Sub- skriptionen der Passio Trudperti, in: Beiträge (wie Anm. 4) S. 31-60, und Walter Be rs chin, Erkanbald von Straßburg (965-991), in: ZGO 134 (1986) S. 1-20.

15 Be ck (wie Anm. 12) S. 83. 16 Dazu jetzt Helmut Mt a tc re r, Das Bistum Konstanz 2: Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des

6. Jahrhunderts bis 1206 (Germania Sacra NF. 42,1), Berlin 2003, S. 138.

18 Iiuýn;., " /.; i

Abb. 1: Übersichtskarte zwn Bergbau im südlichen Schwarzwald im frühen Mittelalter (1: die Blei-Silber-Erzgänge. 2: die in der Urkunde von 1028 erwähnten Bergbauorte. 3: weitere mit dem Bergbau verbundene Siedlungen); aus: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2), S. 28.

Königskrone und Fürstenhut

Erschließung des Schauinslandreviers

im 12. und 13. Jh. ® Erzgänge

" Pfarreigrenzen umstrittener Bezirk Brizzenberg- Wildenow

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Abb. 2: Mittelalterlicher Bergbau im Münstertal und am Schauinsland; aus: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2). S. 29.

in Berghausen am Schönberg". Damit betritt man etwas festeren Boden der Klostergeschichte, doch erst mehrere päpstliche Besitzbestätigungen des 12. Jahrhunderts" bieten einen dichteren Eindruck von der wirtschaftlichen Exi- stenzbasis von St. Trudpert, die nicht nur in weit gestreutem Grundbesitz19, son- dern wohl auch aus Anteilen an den Gewinnen aus dem im Münstertal sozusa- gen rund um das Kloster betriebenen Silberbergbau bestanden hat20. Von ihm spricht bereits die Urkunde Kaiser Konrads II. von 1028, mit der dieser dem Bi- schof von Basel Hoheitsrechte über die Breisgauer Silberminen, u. a. in Krop- bach und Steinbrunnen im Münstertal, übertrug=', und ab dem 12. Jahrhundert läßt sich ein genaueres Bild anhand der neu geöffneten Reviere Schindler. Glan- zenberg und Brizzenberg/Stohren am Schauinsland gewinnen22.

Der hier angesprochene Silberreichtum im Bereich des Münstertals lenkt den Blick auf die beiden aus Silber gefertigten Reliquienkreuze des Klosters: auf das Vortragekreuz des späten 12. Jahrhunderts und auf das vergoldete und zum Teil aus purem Gold gearbeitete Vortragekreuz des späten 13. Jahrhunderts. Das ältere Kreuz kann als Stiftung der Herren von Staufen gelten, die, wie 1218 ur- kundlich belegt'-', die Vogtei über das Kloster ausgeübt haben und dies vermut- lich auch schon im 12. Jahrhundert. Vielleicht ursprünglich Lehnsleute des Bas-

17 Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen Bd. 3. hg. von Hermann Wa rt man n. St. Gallen 1882, Nr. 811, S. 27.

18 Vgl. Heinrich Büttner. St. Trudpert im Hochmittelalter, in: Beiträge (wie Anm. 10) S. 122-151.

19 Johanna Bastian, Der Güterbesitz des Klosters St. Trudpert. in: Beiträge (wie Anm. 4) S. 169-201.

20 Zum Bergbau im Münstertal Gerrit Tubbesing. Vögte, Froner. Silberberge. Herrschaft und Recht des mittelalterlichen Bergbaus im Südschwarzwald (Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen NF. 24), Berlin 1996, S. 44 ff.. Thomas Zo t z. Das Kloster St. Trudpert und der Silberbergbau im Münstertal, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 27- 33, und Bernd B re vvogel, Silberbergbau und Silbermünzprägung am südlichen Oberrhein im Mittelalter (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 49). Leinfelden-Echterdingen 2003, S. 30ff.. 80 ff.

21 Dazu Alfons Zertler. Die historischen Quellen zum mittelalterlichen Bergbaugeschehen, in: Erze, Schlacken und Metalle. Früher Bergbau im Südschwarzwald (Freiburger Universitäts- blätter 109), Freiburg 1990, S. 59-78; Thomas Zot, -, Schriftquellen zum Bergbau im Mittel- alter, in: Heiko Steuer / Ulrich Zimmermann (Hg. ). Montanarchäologie in Europa (Archäologie und Geschichte 4), Sigmaringen 1993. S. 183-199. hier S. 194 ff.; Peter Hilsch, Bemerkungen zu Bergbau und Bergregal im 12. Jahrhundert. in: Sönke Loren, - / Ulrich Schmidt (Hg. ), Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte. Festschrift für Gerhard Baaken (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. 95). Sigmarin- gen 1995, S. 37-50; Breyvogel (wie Anm. 20) S. 13ff.

22 Vgl. Albrecht Schlageter, Zur Geschichte des Bergbaus im Umkreis des Belchen. in: Der Belchen. Geschichtlich-naturkundliche Monographie des schönsten Schwarzwaldberges (Die Natur- und Landschaftsschutzgebiete Baden-Württembergs 13), Karlsruhe 1989, S. 127-309.

23 Urkundenbuch des Benedictinerklosters St. Trudpert. bg. von Friedrich von We ech. in: ZGO 30 (1878) S. 76-128,323-399. hier Nr. 18, S. 100 f.

Königskrone und Fürstenhut 21

ler Bischofs24, der die vom Königtum übertragene Berghoheit im Breisgau be- saß, haben die Staufener wohl schon im 12. Jahrhundert, nachweislich im 13. Jahrhundert das Bergrecht im Münstertal ausgeübt und daraus beträchtliche Einkünfte gezogen''-s. Als die Staufener ins Licht der urkundlichen Überliefe-

rung treten, erscheinen sie als hochrangige Dienstleute der Herzöge von Zährin- gen, für die sie das Marschallamt, eines der Hofämter, ausüben. So ist Marschall Gottfried von Staufen in den Jahren 1161 und 1175226 bezeugt, und mit ihm iden- tifiziert die Forschung die männliche Person namens Gottfried, die auf der Rückseite des Niellokreuzes zu Füßen des als Weltenrichter thronenden Chri- stus dargestellt ist.

Auf den Kreuzarmen sind die Leidenswerkzeuge, oben die Dornenkrone, links das Kreuz, rechts ein Gefäß mit den Nägeln und die Lanze, an den Kreu- zenden Engel mit der Posaune des Jüngsten Gerichts zu sehen, auf dem unteren Kreuzarm ist die Auferstehung der Toten aus ihren Sarkophagen dargestellt. Dies gibt einen Fingerzeig zum Verständnis der um das Gottfried-Bild laufen- den, nur bruchstückhaft erhaltenen Inschrift:... rum me (le)tificet Godefridum. Die in den Publikationen über das Kreuz übliche Wiedergabe27 �Er möge mich, Gottfried, mit Freude erfüllen" läßt das unvollständig erhaltene Wort am An- fang unberücksichtigt, das als ein Genitiv Plural zu verstehen ist; angesichts der bildlichen Darstellung liegt es nahe, den fehlenden Text mit resurrectio mortuo- rum zu ergänzen: �Die Auferstehung der Toten möge mich, Gottfried, mit Freude erfüllen"

Auf der Vorderseite des Niello-Kreuzes nimmt der gekreuzigte Christus die

zentrale Stellung ein, von Maria und Johannes Evangelista umgeben, während die übrigen Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas an den drei Kreuzenden

oben, rechts und links mit Spruchbändern dargestellt sind. Über dem zur Seite

geneigten Haupt Christi ist unter einem Bergkristall eine Partikel vom Kreuz Christi als kostbare Reliquie verwahrt. Unter dem Gekreuzigten kniet eine weibliche Person mit Namen Anna, wohl die Stifterin des Kreuzes, die als Gemahlin Gottfrieds gelten darf. Zu seinem Gedenken und Seelenheil hat sie offenbar das Kreuz anfertigen lassen und dem von ihrer Familie bevogteten Kloster geschenkt. Die umlaufende Inschrift auf dieser Seite ist vollständig erhalten: in cruce. Christe, gemens Annam me respice clemens. �Am

Kreuze, o Christus, seufzend blicke auf mich, Anna, mild herab. " Da Gottfried 1177 letzt-

24 Vgl. Bigott (wie Anm. 5) S. 94.

25 Brevvogel (wie Anm. 20) S. 32,80.

26 Ulrich Pa rlo w" , Die Zähringer. Kommentierte Quellendokumentation zu einem südwestdeut-

schen Herzogsgeschlecht des hohen Mittelalters (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A 50), Stuttgart 1999, Nr. 430,469; Bigott (wie Anm. 5) S. 95.

27 Vgl. Nachweise in Anm. 7.

22

um 1175-80; aus: Die Zeit der Staufer (nie Anm. 7t. Bd. 2. Abb. 405.

Königskrone und Fürstenhut ,;

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fer (wie Anm. 7). Bd. 2. Abb. 406.

24 Thomas Zotz

mals in Urkunden der Zähringer als Zeuge auftritt18, dürfte er bald danach ge- storben sein, womit ein Anhaltspunkt für die Datierung des Kreuzes in das späte 12. Jahrhundert gegeben ist.

Während das Niello-Kreuz die Herren von Staufen mit ihrer Stiftung eines kostbaren Reliquienkreuzes in bestem Licht als Gönner von St. Trudpert zeigt. entwirft die Überlieferung des Klosters aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun- derts ein ganz anderes Bild von seinen Vögten: In den Miracula sancti Trud- perti, die an die Überarbeitung der Heiligenvita von 1279 angefügt sind=9, ist beispielsweise zu lesen, daß der Klostervogt Otto von Staufen sich wie einst König Herodes verhalten und Ansprüche auf Güter des Klosters mit Waffenge- walt gegen die Mönche durchgesetzt habe, also alles andere als deren Schutz- herr gewesen ist. Die Strafe folgte denn auch auf dem Fuß: Sein Pferd rutschte auf einem gefrorenen Fluß aus, und der Reiter wurde tödlich verletzt. Auch sein gleichnamiger Sohn kam als Schädiger des Klosters durch einen Bauunfall auf der Burg Staufen ums Leben30.

Beziehungsreich für den hier interessierenden Zusammenhang ist eine Wun- dergeschichte, die den Vogt Werner von Staufen betraf': Dieser wollte ein Kreuz aus der Klosterkirche mit der Partikel des Wahren Kreuzes - hiermit ist das ältere romanische Kreuz gemeint - verpfänden und ließ sich dieses nach Krozingen bringen. Doch als er sein Pferd mit dem Kreuz vor den Augen zahl- reicher Zuschauer bestieg, blieb das Pferd wie angewurzelt stehen, wie viel er ihm auch die Sporen gab. Erschrocken sprach er seinen kostbaren Begleiter an: Revertere, Crux sancta, revertere, ut intueantur te Fratres tui: nequaquam le ulterius asportare tentabo. �Kehre zurück, heiliges Kreuz, auf daß dich deine Brüder betrachten; keineswegs werde ich dich je wieder zu entfernen ver- suchen"

Man könnte diese Geschichte geradezu so lesen, daß die Familie der Staufe- ner im 13. Jahrhundert aus der Sicht des Klosters die gute Stiftungstat der Vor- fahren durch solches Verhalten negativ aufgewogen, ihr himmlisches Kapital gewissermaßen verspielt hat. Wenn also von diesen Herren kein Schutz, son- dern rohe Gewalt und gar Entfremdung heiligster Güter erwartet werden konnte, so war es an der Zeit, sich einen neuen, besseren Schutzherrn zu suchen. Das Kloster fand ihn im Hause Habsburg, und wie es dazu kam, sei zunächst kurz angesprochen, bevor die Aufmerksamkeit dem anderen, dem spätgotischen Vortragekreuz aus St. Trudpert zu gelten hat.

28 Pa r1 ow (wie Anm. 26), Nr. 476.

29 Vita s. Trudperti martyris (Acta saeculo XIII sub Wennhern Abbate collecta per monachum mo- nasterii Trudpertini), Liber 11: De miraculis auctoris agitate factis, cap. 3, in: Acta Sanctorum Bd. 12 (April 111), Paris-Rom 1866. S. 440 B. Zur Datierung vgl. S. 429 DIE.

30 Ebd. cap. 4, S. 440 E. Zur Stelle auch Bigott (wie Anm. 5) S. 97 f.

31 Ebd. cap. 13, S. 442 D/E. Dazu auch Schwarzmaier (wie Anm. 6) S. 17 Anm. I.

Königskrone und Fürstenhut 25

Wenn man sich den schriftlichen Zeugnissen zur Annäherung Habsburgs an das Kloster bzw. umgekehrt zuwendet, ist man zum einen mit jenem umfäng- lichen Urkundenfundus im Karlsruher Generallandesarchiv konfrontiert, den Friedrich von Weech 1878 publiziert hat und über den außer ihm noch Aloys Schulte, Harold Steinacker, Willibald Strohmeyer und zuletzt Friedrich Hefele mit viel Scharfsinn gearbeitet haben, da diese Urkunden früh unter Fälschungs- verdacht geraten sind32; zum anderen handelt es sich um die bereits erwähnte Überarbeitung der Vita des Klosterheiligen von 1279 mit den Wundergeschich- ten aus der Zeit bzw. jüngsten Vergangenheit des Verfassers.

Die Habsburger im 13. Jahrhundert (Auswahl)

Albrecht III. t 1199

Rudolf II. der Alte t 1232

Albrecht IV. der Weise Rudolf III. t 1239 von Habsburg-Laufenburg

t 1249

Kg. Rudolf I. Gottfried Eberhard t 1291 t 1271 t 1284

Kg. Hartmann Rudolf, Rudolf Albrecht I. t 1281 Hzg. von t 1314

t 1308 Österreich t 1290

Abb. 5: Stammtafel der Habsburger im 13. Jahrhundert (Auswahl); aus: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2), S. 31.

32 Aloys Schulte, Geschichte der Habsburger in den ersten drei Jahrhunderten, Innsbruck 1887, S. 98 ff.; Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und Herzöge von Öster-

reich aus dem Hause Habsburg Bd. 1, bearb. von Harold Steinacker, Innsbruck 1905; Stroh meyer (wie Anm. 3) S. 129 ff.; Friedrich Hefe le

, Paläographische und sphragistische Untersuchungen über St. Trudperter Urkunden, in: Beiträge (wie Anm. 4) S. 122-151.

26 Thomas Zotz

Nachdem die kritische Geschichtswissenschaft für die urkundliche Überliefe-

rung aus St. Trudpert die Spreu klösterlicher Fälschungsaktivität, die als Mittel gegen die Herren von Staufen und andererseits zur Annäherung an die Habsbur- ger dienen sollte", vom Weizen echter Schriftlichkeit getrennt hat, läßt sich auf festerem Boden der Frage nach dem Verhältnis von St. Trudpert und den Habs- burgern 34 nachgehen: Das erste sichere Zeugnis ist die nun als echt geltende Ur- kunde Graf Rudolfs III. von Habsburg-Laufenburg für das Kloster von 1243, die in Krozingen, einem zentralen Güterort des Klosters und Ort des oben erwähnten Kreuzwunders, ausgestellt ist35. Rudolf bestätigt hierin, daß sein gleichnamiger Vater, der elsässische Landgraf Rudolf 11.. mit Zustimmung seines (des Ausstel- lers) Bruders Albrechts IV. alle ihm gehörenden Eigenleute im Münstertal mit- samt der väl genannten Abgabe dem Kloster geschenkt habe. Dieser Akt, vor 1239, dem Todesjahr Albrechts IV., vollzogen, sollte dem Seelenheil Rudolfs 11. wie dem Heil seiner progenitores und successores dienen. Wichtig erscheint hieran, daß die Begründer beider habsburgischen Linien, der Hauptlinie, die mit Albrechts IV. Sohn Rudolf die Königswürde erlangte, und der Linie Habsburg- Laufenburg in diese Schenkung an St. Trudpert involviert waren.

Wenn Graf Rudolf III. von Habsburg zu Beginn der Urkunde davon spricht, daß das dem Apostelfürsten Petrus und dem heiligen Trudpert geweihte Kloster a progenitoribus nostris errichtet worden sei3 ,. so läßt sich damit erstmals auf sicherem Terrain die Ansicht von der Gründung des Klosters durch das Haus Habsburg fassen, wie sie dann in der in den siebziger Jahren des 13. Jahrhunderts auf 1186 gefälschten Urkunde Landgraf Albrechts 111. entfaltet wird, in welche das angebliche Privileg des Grafen Liutfrid für St. Trudpert von 902 inseriert ist. Liutfrid wird hier ebenso wie dessen Ahnen Otpert und Rambert als Klostergrün- der und Vorfahr Albrechts 111. namhaft gemacht (privilegium felicissime recorda- tionis prede(-essorum er progenitorum nostrorum Lvtfridi comiris, Orperti er Ramperti fundatorum monasterii sancti TRVDPERTI marriris)". Wenig später. in der Version der Trudpertvita von 1279, ist die Rede von diesem Otbert. dem Vorfahren des Grafen Liutfrid von 902. der dem Heiligen den Grund und Boden für seine Einsiedelei überlassen hat, de cuius stirpe magnifica genemsa propago

33 Vgl. St ro hmeyer (wie Anm. 3) S. 129 ff.

34 Zu ihrer frühen Geschichte vgl. Schulte (wie Anm. 32); Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums. Innsbruck 1903; Karl-Friedrich Krieger. Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf 1. bis Friedrich 111., Stuttgart 1994; de rs ..

Rudolf von Habsburg. Darmstadt 2003; Die Habsburger zwischen Rhein und Donau. Aarau 1996. S. 46 ff.. Philippe Nuss. Les Habsbourg en Alsace des origi- nes ä 1273, Altkirch 2002; ferner die biographische Übersicht bei Brigitte Hamann (Hg. ). Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon. Wien 1988.

35 Regesta Habsburgica (wie Anm. 32). Nr. 204.

36 Maryuard He rg ott. Genealogia diplomatica augustae geniis Habsburgicae Rd. 2. St. Blasien 1737, S. 273.

37 Urkundenbuch St. Trudpert (wie Anm. 23), Nr. 8, S. 86.

Königskrone und Fürstenhut 27

comitum de Habsburg trarit originem'x. Während in der ersten Fassung der Vita aus dem 9. Jahrhundert Otbert lediglich als erblicher Besitzer des Tales, in dem Trudpert sich ansiedeln kann, verortet und als jemand ex nobilibus personis gekennzeichnet wird, erscheint er im Text von 1279 als dominus Alsatiae, womit das Ursprungsland der Habsburger aufgerufen wird's. Über die Tragweite und Nachwirkung dieser genealogischen Fiktion"' zu Zeiten Maximilians I. und seines Historiographen Jakob Mennel, der Ende des 15. Jahrhunderts an der Artistenfakultät der Universität in Freiburg im Breisgau Philosophie lehrte und später dort Bürger und Stadtschreiber wurde', ist hier nicht weiter zu handeln; es genügt. auf die einschlägigen Studien von Dieter Mertens zu verweisen42.

Für die Frage der Beziehungen zwischen den Habsburgern und St. Trudpert im späten 13. Jahrhundert kommt einer weiteren, inzwischen als echt gesicherten Urkunde vom 28. Januar 1277. also in unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zur Überarbeitung der Trudpertvita, zentrale Bedeutung zu43. Nach ihr haben das Kloster und sein Vogt Diethelm von Staufen wegen des Eigentums am Britz-

nachtal. womit das ganze Gebiet vom Stohren bis Etzenbach am Ausgang des Münstertals gemeint ist. und der Vogtei darüber einen Vergleich abgeschlossen. In Anwesenheit König Rudolfs sei darüber entschieden worden, daß die proprie- las dem Kloster. die adt'ocatia den Staufenern zustehe. Rudolf war zwar zu die-

sem Zeitpunkt nicht am Oberrhein, wohl aber im Jahr 1276 von April bis Au-

gust". und damals kann der Vergleich stattgefunden haben, der dann etwas spä- ter beurkundet und von den Äbten von Tennenbach, St. Peter und St. Märgen so- wie von Schultheiß und Bürgern der Stadt Freiburg besiegelt wurde45.

38 Vita s. Trudperti (wie Anm. 29). Liber 1: De vita et passione sancti Trudperti, cap. 9, S. 432 B. 39 Vgl. Nuss (wie Anm. 34), passim. 40 Dazu allgemein Gerd Althoff. Genealogische und andere Fiktionen in mittelalterlicher Hi-

storiographie, in: Fälschungen im Mittelalter Bd. 1 (Schriften der MGH 33,1), Hannover 1988, S. 417-441.

41 Karl Heinz Burmeister. Jakob Mennel, in: Neue Deutsche Biographie Bd. 17, Berlin 1994, S. 83 ff.

42 Mertens (wie Anm. 6) S. 155 ff.: de rs .. Geschichte und Dynastie - zu Methode und Ziel der

Fürstlichen Chronik' Jakob Mennels, in: Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit. hg. von KurtA nd e rm ann (Oberrheinische Studien 7), Sigmarin- gen 1988, S. 121-153.

43 Urkundenbuch St. Trudpert (wie Anm. 23). Nr. 45 (Regest): Regesta Imperii VI, 1, Nr. 677. Druck: ZGO 21 (1867) S. 375f. Zur Echtheit Hefele (wie Anm. 32) S. 116ff.; zum Inhalt Büttner (wie Anm. 18) S. 147 f.

44 Redlich (wie Anm. 34)S. 268f.: Büttner (wie Anm. 18)S. 148. 45 Vgl. Regesta Imperii VI. 1. Nr. 551 Nachbemerkung zum Aufenthalt Rudolfs in Hagenau am

19. April 1276. in welchen Zusammenhang auch der Spruch des Königs in Sachen St. Trudpert gestellt wird. Wenige Monate nach der Beurkundung des Vergleichs, am 17. Mai 1277, söhnte sich Diethelm von Staufen dann, vor dem Aufbruch zum Kriegszug im Dienste des Königs - gemeint ist der Kriegszug gegen Ottokar von Böhmen -, mit dem Kloster aus, erkannte dessen proprietas ausdrücklich an und leistete finanzielle Entschädigung. Vgl. St ro hmeyer (wie Anm. 3) S. 13 1; Büttner (wie Anm. 18) S. 148.

28 Thous Zotz

Von besonderem Interesse ist nun die Aussage der Urkunde, daß die Vogtei der Staufener von den Söhnen des Königs (a filiis domini regis) und von dem nobilis vir, dem edlen Herrn Graf Eberhard von Habsburg zu Lehen gehen soll. Denn hier begegnet erneut wie in der Urkunde Graf Rudolfs 111. von Habsburg von 1243 die ganze Familie der Habsburger. Beide Linien, nicht nur die König Rudolfs, vergeben die Vogtei an die Staufener, erscheinen also als Obervögte, als oberste Schutzherren des Klosters. St. Trudpert sollte hiernach ein habsbur- gisches Hauskloster46 im umfassenden Sinne sein, wie man das etwa auch an Kloster Lorch bei Göppingen und den für dieses zuständigen Staufern beobach- ten kann, die sich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gleichfalls in zwei Linien aufgespalten haben"; eine solche gemeinschaftliche Vogtei hat das ganze Haus zu jener Zeit gleichfalls über die Abtei Murbach im Elsaß ausge- übt'". Im Falle von St. Trudpert sollten alle Söhne König Rudolfs, damals Al- brecht, Hartmann und Rudolf, zuständig sein, während zur selben Zeit Eberhard der einzige mündige weltliche Vertreter der anderen Seite war. Der breite Haus- bezug im Falle von St. Trudpert wurde bisher von der Forschung nicht genü- gend beachtet und gewürdigt. Er hatte allerdings auch keine Zukunft; denn, wenn in der Folgezeit Habsburg mit St. Trudpert zu tun hatte, war es allein die Hauptlinie, geriet doch die laufenburgische Nebenlinie bereits zu Zeiten König Rudolfs, vor allem aber in der Phase der Auseinandersetzung zwischen Herzog Albrecht und König Adolf von Nassau, gegenüber der Hauptlinie immer mehr ins Hintertreffen 49.

Nachdem der geschichtliche Hintergrund der Beziehung zwischen dem Klo- ster und den Habsburgern etwas aufgehellt worden ist, soll nun der Blick auf das gotische Vortragekreuz gerichtet werden, das nach Auffassung der Kunsthisto- riker zeitlich in das achte oder neunte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts einzuord- nen ist50. Die Vorderseite dieses überaus reichen Goldschmiedewerkes, geziert

46 Hierzu neuerdings am Beispiel von St. Peter Thomas Zo tz , St. Peter unter den Ziehringern und unter den Grafen von Freiburg. Hausklosterfunktion und Vogteifrage. in: Hans-Otto Muhl- eisen/ Hugo 0tt/ Thomas Zo tz (Hg. ), Das Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald. Studien zu seiner Geschichte von der Gründung im 11. Jahrhundert bis zur frühen Neuzeit (Veröffent- lichung des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. 68). Waldkirch 2001, S. 51-78.

47 Dazu vgl. jetzt Hans-Martin Maurer. Zu den Anfängen Lorchs als staufesches Hauskloster, in: Felix Heinzer / Robert Kretzschmar / Peter Rückert (Hg. ), 900 Jahre Kloster Lorch. Eine staufesche Gründung vom Aufbruch zur Reform. Stuttgart 2004. S. 1-28.

48 Vgl. Schulte (wie Anm. 32) S. 140; Hubertus Seibert. Murbach, in: Lexikon des Mittel- alters Bd. 6, München-Zürich 1993. Sp. 939f.

49 Vgl. zu der Linie Habsburg-Laufenburg Schulte (wie Anm. 32) S. 140ff.; Genealogisches Handbuch zur Schweizer Geschichte Bd. I. Zürich 1908. S. 15.404 f.; Karl Schi b

, Geschichte der Stadt Laufenburg, Aarau 1951. S. 31 ff.; Bruno Meyer. Habsburg-Laufenburg und Habs- burg-Österreich, in: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 28 (1948) S. 310-343; Fridolin fehle, Geschichte der Stadt Laufenburg Bd. 1, Laufenburg/Baden-Laufenburg/Schweiz 1979. S. 26 ff.

50 Fritz, Goldschmiedekunst (wie Attm. 8): de rs .. Kreuz (wie Anm. 8).

Königskrone und Fürstenhut 29

mit einer Vielzahl antiker Gemmen51, zeigt Christus am Kreuzesstamm in wirk- lichkeitsnaher Darstellung hängend, wobei der Corpus ganz aus Gold gearbeitet ist52. Ihm zur Seite stehen entsprechend der ikonographischen Tradition Maria und der Lieblingsjünger und als Evangelist geltende Johannes; dieser ist wie Maria mit verhülltem Kopf dargestellt, was nur selten vorkommt, etwa in Kreu- zigungsdarstellungen in der Ile-de-France53. Über dem Haupt Christi befindet sich der Tabernakel, der ein Kristallkreuz mit der Kreuzreliquie enthält. Es bleibt also festzuhalten, daß auch dieses Kreuz eine Partikel von der Vera Crux enthielt. Sie soll nach neuzeitlicher Überlieferung aus St. Trudpert von einem früheren Schüler des Klosters namens Konrad 1278 oder 1286 aus Palästina mitgebracht und dem Abt Werner geschenkt worden seins'. Den Mittelpunkt der Rückseite bildet das Lamm Gottes; an den vier Kreuzenden sind die Symbole der Evangelisten zu erkennen: oben der Adler des Johannes, rechts der Löwe des Markus, unten der Engel des Matthäus und links der (geflügelte) Stier des Lukas. Am Längs- und Querschaft des Kreuzes sind in Vierpässen Szenen aus der Kindheit und Jugend Christi dargestellt.

Vergleicht man nun die beiden Vortragekreuze aus St. Trudpert, so fällt, ab- gesehen von der ungleich kostbareren Ausgestaltung des gotischen Kreuzes, als gravierender Unterschied auf, daß sich das Niello-Kreuz durch die namentlich gekennzeichneten Figuren an beiden Kreuzenden als Stiftung der Herren von Staufen zu erkennen gibt. wohingegen bei dem Kreuz des späteren 13. Jahrhun- derts eine solche Angabe fehlt. Dabei könnte durchaus am originalen Dorn, mit dem das Kreuz in seinem Fuß stand bzw. an der Stange befestigt war, wenn es - wie das ältere - am Fest Kreuzerhöhung (14. September) in der Prozession ge- tragen wurde, ein versteckter Hinweis auf den oder die Stifter eingeritzt gewe- sen sein, wie das von anderen Kreuzen jener Epoche bezeugt ist55. Allerdings ist der originale Dorn verloren und durch einen neuen ersetzt, so daß dies Spekula- tion bleiben muß.

Die kunstgeschichtliche und historische Forschung - hier sind die Namen von Johann Michael Fritz und Hansmartin Schwarzmaier zu nennen56 - hat an- gesichts der stilistischen Einordnung des wohl am Oberrhein und vermutlich in Straßburg unter Einfluß des in Frankreich ausgebildeten Stils geschaffenen

51 Oleg Ne ve ro v, Antike Gemmen im Steinschmuck des Kreuzes aus St. Trudpert, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 73-79.

52 Fritz. Kreuz (wie Anm. 8) S. 102. 53 Dietmar Lüdke, Das Kreuz aus St. Trudpert und die Rezeption nordfranzösischer Hochgotik

in der Straßburger Goldschmiedekunst des 13. Jahrhunderts, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 126-153, hier S. 135.

54 Sauer (wie Anm. 2) S. 79.

55 Freundlicher Hinweis von Dietrich Kötzsche, Berlin.

56 Vgl. beider Beiträge in dem Sammelband zur Ausstellung: Fritz, Kreuz (wie Anm. 8) S. 120 fl.; Sch wa rz maier (wie Anm. 6) S. 25.

30 Thomas 7. ntr

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Königskrone und Fürstenhut 31

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Königskrone und Fürstenhut ii

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Kreuzes" in die Zeit nach 1275 und angesichts der 1277 bezeugten Schutzvog- tei Habsburgs die Möglichkeit erwogen, daß Rudolf von Habsburg an dieser Stiftung beteiligt war, allerdings auch zur Vorsicht geraten wegen des in Anek- doten vielfach belegten kaufmännisch-nüchternen Sinnes des Habsburgers,

.. dessen ständiger Geldbedarf nicht dafür spricht, daß er selbst der Auftraggeber

und Stifter des kostbaren Vortragekreuzes gewesen ist-". " Dieser Hinweis ist gewiß beherzigenswert; gleichwohl sei im folgenden der

Frage nachgegangen, ob es vielleicht doch Indizien für einen Bezug des goti- schen Kreuzes auf Habsburg als das neue Schutzhaupt des Klosters gibt59. Wenn man sich den Personenbestand des Kreuzes genauer ansieht, so fällt auf, daß zwei Figuren mit einer herrschaftlichen Insignie versehen sind: Christus trägt,

57 Vgl. Lüdke (wie Anm. 53).

58 Sch%-arzmaier (wie vorige Anm. ).

59 Hier setze ich Überlegungen fort, die ich ansatzweise bereits in meinem Beitrag im Ausstel- lungsband geäußert habe. Zotz (wie Anm. 20) S. 31 f. Für manche Anregung im Gespräch bin ich Hansmartin Schwarzmaier, Karlsruhe, dankbar.

34 Itlonie, LoHL

Abb. 10: Villinger Scheibenkreuz, Freiburg im Breisgau. for 1-, 6. x, uu. %. Uic L'u (ier Staufer (wie Anm. 7), Abb. 414.

Königskrone und Fürstenhut 35

seiner Zentralität entsprechend gut sichtbar, eine Königskrone und - eher an versteckter Stelle, nämlich auf der Rückseite des Kreuzes und sehr klein - der durch den Namenszug auf der Schriftrolle ausgewiesene hl. Trudpert einen Für- stenhut. der gegenüber dem nicht größer dargestellten hl. Petrus, dem höherran- gigen Klosterpatron auf der rechten Seite, seinen Platz gefunden hat. Auf diesen Fürstenhut als Kopfbedeckung Trudperts hat Joseph Sauer zuerst aufmerksam gemachM.

Was ist an beidem auffällig? Die jüngere kunsthistorische Forschung hat dar- auf verwiesen, daß im Laufe des 13. Jahrhunderts das Motiv der Krone des über den Tod triumphierenden Christus durch die Dornenkrone als Zeichen des lei- denden Christus ersetzt worden sei - etwa an dem dem Villinger Scheibenkreuz um 1280 hinzugefügten Kruzifix zu erkennen61 -, und hat die Darstellungsform des Trudperter Kreuzes als bewußte Altertümlichkeit gedeutet62. Hier wird man weiter nach dem Motiv für eine solche unzeitgemäße Darstellung, nach mög- lichen Vorstellungen und Wünschen des Auftraggebers zu fragen haben; das Niello-Kreuz kann jedenfalls nicht als Vorbild gedient haben, da Christus dort barhäuptig gezeigt wird.

Bevor darauf näher einzugehen ist, verdient die Königskrone von Christus genauere Aufmerksamkeit. Sie ist als flache Reifenkrone dargestellt, auf deren oberem Rand Lilienzier und etwas niedrigere dreieckige Spitzen miteinander abwechseln63. Ein solcher Kronentypus begegnet bei französischen Königs- kronen des 13. Jahrhunderts, wie Darstellungen Ludwigs des Heiligen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts erkennen lassen'', aber auch auf Königssiegeln im Reich dieser Zeit'`. Auch Rudolf I. ist mit einer solchen Krone auf den Siegeln dargestellt''. und dies gilt nicht zuletzt für die Speyrer Grabplatte, weniger in ihrer heutigen. durch die Restaurierung des 19. Jahrhunderts veränderten Form, wohl aber mit Blick auf die von ihr im Auftrag Maximilians I. hergestellte Ge- mäldekopie. die sich im Schloß Ambras in Tirol befand und heute zum Bestand

60 Sauer(wieAnm. 2)S. 67.

61 Fritz. Kreuz (wie Anm. 8) S. 112. Vgl. Zeit der Staufer (wie Anm. 7), Nr. 598, S. 473ff.; Fritz, Goldschmiedekunst (wie Anm. 8). Nr. 52, S. 106 ff.

62 Fritz. Kreuz (wie Anm. 8) S. 112.

63 Zu den mittelalterlichen Kronentypen Percy Ernst Sch ra mm, Die Kronen des früheren Mit- telalters. in: De rs ..

Herrschaftszeichen und Staatssymbolik Bd. 2 (Schriften der MGH 13,2), Stuttgart 1955. S. 377-417; ders.. Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil. -Hist. Klasse, Dritte Folge, Nr. 36), Göttingen 1955.

64 Vgl. Jacques Le Goff. Saint Louis, Paris 1996, Abb. 5-8.

65 Otto Posse, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 751-1913, Bd. 1: 751-1347, Dresden 1909.

66 Ebd., Tafel 40 f.

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Abb. 11: Siegel Konii Rudolfs rnn Huhn- Abh I' ho'uý, Rudoli ,,, r; Huhýhu, i.. burg; Vorlage und Aufnahme: General- Genwilde on Huns knoderer nach der

landesarchiv Karlsruhe D 83. Grabplatte in Speyer, um 1508. Wien,

Kunsthistorisches Museum; aus: Redlich (wie Anm. 34). Frontispiz.

des Kunsthistorischen Museums in Wien gehört°7. Hier war, wie Percy Ernst Schramm beobachtet hat61, der Künstler zwar bemüht, die Platten der Reichs- krone wiederzugeben, so daß die Krone verhältnismäßig hoch ist, aber die Lilienornamentik verweist auf den Typ der königlichen Reifenkrone.

Auch wenn die Krone König Rudolfs auf seinen Siegeln und auf der Speyrer Grabplatte eine gewisse Ähnlichkeit mit der Krone Christi am St. Trudperter Kreuz erkennen läßt, wird man bei der Deutung dieses Befunds Vorsicht walten lassen müssen und nicht vorschnell eine Verbindung im Sinne einer konkreten Anspielung auf eine bestimmte Krone und einen bestimmten Kronenträger ver-

67 Abbildung bei Redlich (wie Anm. 34). Frontispiz. und bei Krieger (wie Anm. 34) S. 230. Zum Gemälde und zur Veränderung der Grabplatte im Zuge der Restaurierungsarbeiten des 19. Jahrhunderts vgl. Regesta Imperii VI. I. Nr. 2518b. neuerdings Percy Ernst Schramm / Hermann Fillitz. Denkmale der deutschen Könige und Kaiser Bd. 2: Ein Beitrag zur Herr-

schergeschichte von Rudolf I. bis Maximilian 1.1273-1519 (Veröffentlichungen des Zentralin-

stituts für Kunstgeschichte in München 7), München 1978, S. 50: Krieger (wie Anm. 34) S. 230 ff.

68 Schramm , Kaiser Friedrichs Il. Herrschaftszeichen (wie Anm. 53) S. 136 Anm. 2.

Königskrone und Fürstenhut

Abb. 13. - Ac1iser tricclrirh 1. nut se'ine'n Söhnen König Heinrich VI. und Herzog Friedrich V. (VI. ) von Schwaben, Wid-

mungsbild der Historia Welforum in der Weingarrener Handschrift, zwischen 1186

und 1190/91 (Ausschnitt), Fulda, Hessi-

sche Landesbibliothek. Cod. D. 11, fol. 14': aus: Maurer (wie Anm. 71). Tafel 43.

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A bb. 14: Herzog Friedrich V. ( VI. ) und Herzog Konrad 1/. von Schwaben, Feder- zeichnungen in den Acta ecclesiae S. Petri in Augia, Mitte 13. Jh., St. Gallen, Kantonsbibliothek Vadiana Cod. 321, S. 49,52; aus: Maurer (wie Anm. 71), Tafel 44f

muten wollen. Doch kann als sicher gelten, daß die Darstellung von Christus mit der Königskrone in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts nicht mehr zeit- gemäß war, und hier geht man wohl nicht zu weit mit der Annahme, daß der oder die Auftraggeber die Darstellung Christi als König so gewünscht haben69.

Wenden wir uns nun der anderen herrschaftlichen Insignie am St. Trudperter Vortragekreuz zu, dem Fürstenhut70 des Klosterheiligen: Die Darstellung ent- spricht ziemlich genau anderen, eindeutigen Bildzeugnissen für einen Fürsten- hut. beispielsweise für die Herzöge von Schwaben des späten 12. und des 13. Jahrhunderts71. Er besteht aus einer metallverstärkten Kappe mit einem von vorn nach hinten über den Kopf laufenden Bügel. Wie erklärt sich nun, daß der

69 Ähnlich vermutet Fri tz . Kreuz (wie Anm. 8) S. 112 den möglichen Wunsch des Auftraggebers

mit Blick auf die altertümliche Form des St. Trudperter Kreuzes insgesamt, die nicht dem inzwischen üblich gewordenen Typus des Kreuzes mit lilienförmigen Enden folgt.

70 Vgl. allgemein Gerd Tellenbach. Über Herzogskronen und Herzogshüte im Mittelalter, in: Deutsches Archiv 5 (1941) S. 55-71, wieder in: Ders., Ausgewählte Abhandlungen und Auf- sätze Bd. 4, Stuttgart 1989, S. 1183-1199.

71 Vgl. das Widmungsbild der Historia Welforum im Weingartener Codex (Ende 12. Jh. ), das Herzog Friedrich V. (VI. ) von Schwaben mit einem Fürstenhut zeigt, und die Bilder von dem- selben und von Herzog Konrad 11. von Schwaben in den Acta ecclesiae s. Petri in Augia (Mitte 13. Jh. ). Helmut Maurer. Der Herzog von Schwaben. Grundlagen, Wirkungen und Wesen seiner Herrschaft in ottonischer. salischer und staufescher Zeit, Sigmaringen 1978, Abb. 43-45.

hl. Trudpert auf diesem Kreuz mit einer fürstlichen Insignie abgebildet ist'' Die erste Vita des 9. Jahrhunderts erwähnt Trudperts Abkunft nicht, lediglich seine Herkunft aus Irland'': kein anderes Bild bieten die Subskriptionen Erkanbalds von Straßburg", und so ist noch auf einer Patene aus St. Trudpert, die aus der Mitte des 13. Jahrhunderts stammt, der Heilige in jugendlichem Alter mit dem Palmzweig des Märtyrers und barhäuptig wiedergegeben".

Rund dreißig Jahre später erscheint Trudpert dann auf dem Vortragekreuz mit hochrangigem, fürstlichem Rangabzeichen. Woher rührt dieses neue Darstel- lungsweise? Ein Blick in die klösterliche Überlieferung weist die Spur: In der Vita von 1279 ist zu lesen: Beatus Trudpertus, patre nobili duce progenitus ac stemmate regiae dignitatis illustris'`. Nun ist der Heilige zum Sohn eines edlen Herzogs geworden, erlaucht gar durch königliche Abstammung. Es ist wohl nicht abwegig, diesen Hintergrund klösterlicher Traditionsbildung zum Ver-

ständnis der bildlichen Darstellung des Heiligen auf dem Kreuz heranzu-

ziehen. Aber wie erklärt sich diese Traditionsbildung um den fürstlichen Kloster-

patron, die in St. Trudpert noch lange nachgewirkt hat'' Wenn in derselben Vita

wenige Zeilen später Otpert als Ahn der stirps magniflea generosa der Grafen

von Habsburg angesprochen wird"', dessen Nachkommen Rambert im 9. Jahr- hundert und Graf Liutfrid zu Beginn des 10. Jahrhunderts das Kloster fundiert haben sollen, dann steht es einem solchen Hauskloster wohl gut an. wenn der Patron ein Adelsheiliger ist, noch dazu Herzogssohn und königlicher Herkunft.

Diese Rangannäherung zwischen Patron und damals neuem Schutzherrn wurde später zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt noch zu einer ver- wandtschaftlichen Annäherung gesteigert: In der �Fürstlichen Chronik. genannt Kayser Maximilians Geburtsspiegel" Jakob Mennels von 1512/17 figuriert Trud- pert unter den Heiligen der Sipp-, Mag- und Schwägerschaft Maximilians 1. als Bruder Ruperts von Worms bzw. von Salzburg" - eine verwandtschaftliche Zu- ordnung, die sich wohl erst im späteren Mittelalter als Tradition herausgebildet hat'". Ruperts Beschreibung als �künigs sun von Franckreych" gilt entspre- chend für Trudpert79; das stemma regiae dignitatis von 1279 hat seine Konkre-

72 Passio (wie Anm. 10), cap. 2. S. 357.

73 Vgl. Fickermann (wie Anm. 14).

74 Zeit der Staufer (wie Anm. 7), Nr. 597. S. 471 If.

75 Vita (wie Anm. 29). Liber I. cap. 9. S. 432 A.

76 Ebd., S. 432 B.

77 Joseph Braun, Tracht und Attribute der Heiligen in der deutschen Kunst, Berlin 11992. Sp. 701 f.

78 Zeit/er. Mission (wie Anm. 9) S. 237.

79 Vgl. Simon Laschitzer. Die Heiligen aus der �Sipp-, Mag- und Schwägerschaft" des Kai- sers Maximilian 1.. Teil 2. in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 5 (1887) S. 117-262. hier S. 202 f.; zu den von Maximilian in Auftrag gegebenen Holzschnitten ebd. S. 155.

Königskrone und Fürstenhut 39

tisierung in der habsburgischen Familienmemoria erfahren. Der für den geplan- ten Druck von Mennels Werk angefertigte Holzschnitt von ca. 1517 zeigt den Heiligen allerdings in demütiger Pose mit Rosenkranz - ohne Fürstenhut.

Wenn nun noch einmal der Blick zurück in die achtziger Jahre des 13. Jahrhunderts. also in die mutmaßliche Zeit der Herstellung des Kreuzes, ge- lenkt wird, so stellt sich die Frage. welche Aussagekraft man dem hier vorge- stellten Befund zuerkennen darf, daß zwei hýichstrºngige herrschaftliche Insi- gnien. die (unzeitgemäße) Königs krone Christi und der Fürstenhut des . ý: Klosterpatrons. die Ikonographie

prägen. die eine Insignie deutlich

sichtbar. die andere zugegebenerma- ßen im unscheinbaren Medaillon. Die Kombination von Königswürde

und Fürstenwürde könnte wohl durchaus als Anspielung auf die da-

malige Rangkonstellation im Hause Habsburg. genauer: im Hause Ru- dolfs von Habsburg gelesen werden und von Seiten der Auftraggeber

auch so gemeint gewesen sein: zum einen das Königtum Rudolfs seit 1273, der sich als Nachkomme der fürstlichen Zähringer verstand80. zum ,. _ ̀ ' anderen der Fürstenrang seiner Söhne seit 1282. als sie vom Vater zu gesamter Hand die Herzogtümer Österreich. Steiermark und Kärnten

und andere Gebiete als Reichslehen

empfangen hatten und damit in den

Abb. 15: St. Trudpert als Einsicedlcer Holz. - schnitt in

�Die Heiligen der Sipp-, Mag-

und Schwagerschaft Maximilians 1. ", um 1517: aus: Braun (wie Anm. 77), Sp. 701.

Reichsfürstenstand aufgestiegen waren". Dies galt für die filii domini regis, nicht allerdings für Eberhard von Habsburg-Laufenburg, der wie seine gesamte Linie weiterhin im nichtfürstlichen Rang verblieb. Ist die für St. Trudpert 1277

gefundene linienübergreifende Lösung schon wenige Jahre später durch eine königlich-fürstliche Oberhoheit Rudolfs und seines Hauses ersetzt worden, und spiegelt sich dies in dem St. Trudperter Vortragekreuz mit seinen königlich- fürstlichen Zitaten wider? Wer als sein Auftraggeber fungierte, wird sich wohl

80 Vgl. Merten s (wie Anm. 6) S. 1561.

81 Karl Scher id. Geblüt - Herrschaft - Geschkchterbewußtsein. Grundfragen zum Verständnis des Adels im MiueWter. Aus dem Nachlaß hg. von Dicier Mertens und Thomas Zotz (Vor- tage und Forschungen 44). Sigmaringen 1998, S. 53ff.; Krieger. Rudolf (wie Anm. 34) S. 159ff.

40 Thomas Zotz

nie mit letzter Sicherheit ermitteln lassen. Doch verdichtet sich der Eindruck, daß sowohl König Rudolf und sein Haus als auch das Kloster dahinter standen und materiell ihren Beitrag hinzugesteuert haben, das Kloster zudem die imma- teriell wertvolle, damals neu erhaltene Kreuzesreliquie.

Beide Seiten hatten ein Interesse an ihrer gegenseitigen Annäherung. das Kloster, um für sich hochrangigen Schutz gegen die Staufener als lästige Vögte zu gewinnen, Habsburg, um in einem durch seinen Silberreichtum ausgezeich- neten Revier mit der Schutzvogtei über das hier gelegene Kloster Fuß zu fassen,

sich einen weiteren religiösen Memorialort zu schaffen'2 und die territorialen Positionen des Hauses am Oberrhein zu erweitern": mit dem Erwerb der Vogtei über das Kloster St. Blasien nach der Mitte des 13. Jahrhunderts war Rudolf be- reits in seiner Grafenzeit ein ähnlicher Schritt gelungen". Aus dieser Interessen- gemeinschaft heraus mochten in der Tat St. Trudpert wie die Habsburger ein kostbares Vortragekreuz gemeinsam gestiftet haben. Das Werk, das nach den Worten von Johann Michael Fritz �zu

den Glanzleistungen gotischer Gold- schmiedekunst gehört"". sollte so gesehen auf seine Weise die neue Konstella- tion von Kloster und Herrschaft repräsentieren und sicher nicht zufällig in sei- ner exorbitanten Pracht das Kreuz der Staufener Vögte in den Schatten stellen, dessen diese sich unwürdig erwiesen haben, wie dies die Schriftlichkeit des Klosters gerade der siebziger Jahre des 13. Jahrhunderts zum Ausdruck bringt und für seine neue Zeit unter dem Schutz des irdischen Königs festhält. Die Kö- nigskrone des überirdischen Herrschers wäre das emblematische Pendant, und der Fürstenhut Trudperts würde den Rang jener Familie widerspiegeln, die in der klösterlichen Erinnerungsarbeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts St. Trud- pert einst fundiert hat - legitimierender Ausweis der Zuständigkeit Habsburgs für das Kloster, dem die Herren von Staufen nichts Vergleichbares außer ihrer Kreuzesstiftung entgegenzusetzen hatten, die nun von einer neuen Kreuzesstif- tung im eigentlichen wie übertragenen Sinn überblendet wurde.

82 Vgl. Johannes Gut , Memorialorte der Habsburger im Südwesten des Alten Reiches. Politische

Hintergründe und Aspekte. in: Vorderösterreich - nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Stuttgart 1999. S. 94-113.

83 Franz Quart ha1/ Gerhard Fa ix (Hg. ). Die Habsburger im deutschen Südwesten. Neue For- schungen zur Geschichte Vorderösterreichs. Stuttgart 2000; Andre Bechro1d. Die Bergstadt Münster und die habsburgische Herrschaftsbildung am Oberrhein im 14. und IS. Jahrhundert. in: Burgen (wie Anm. 5) S. 81-91.

84 Dazu neuerdings Johann Wilhelm Braun. Graf Rudolf von Habsburg und die Gründung von Todimoos und Neuenzell, in: ZGO 143 (1995) S. 51-96. und zusammenfassend Krieger (wie Anm. 34) S. 65 f. Das maßgebliche, wenn auch unterschiedlich bewertete Quellenzeugnis jetzt ediert und erläutert im Urkundenbuch des Klosters Sankt Blasien im Schwarzwald. Von den Anfängen bis zum Jahr 1299. bearb. von Johann Wilhelm Braun (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg A 23). Teil I Edition. Nr. 365, S. 463 f.

85 Fritz , Goldschmiedekunst (wie Anm. 2) S. 190.

Königskrone und Fürstenhut 41

1hh in i;: v 1ý: ýntc r% St. Trudpert, darüber der hl. Trudpert als Märty- rer, Stich von Johann Georg Seiller, 1693; aus: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2), S. 14.

42 Thomas Zotz

Bezeichnenderweise schildert denn auch die Vita von 1279 die Phase der Staufener Vogtei als Abweg vom eigentlichen Pfad der Schutzherrschaft, die das Haus Habsburg von Anfang an wahrgenommen und nur zeitweise an extra- nei, an Auswärtige, überlassen habe16. So profiliert sich die progenies Otberti, das Geschlecht Otberts und damit Habsburg, in engster, interner Verbundenheit mit dem Kloster. Trotz dieser Devianz der Staufener Vogtei hat das Kloster beide Kreuze als Reliquienträger aufbewahrt und gewürdigt. Auf einem Stich Sebastians Seillers von 1693, in Joseph Elseners Trudperter Regestenwerk aus der Zeit um 1800 abgebildet, sind über dem Kloster. das sich in seiner alten, vorbarocken Gestalt zeigt, beide Kreuze, von Engeln getragen, zu sehen, dabei das rechte durch die Form des Kußreliquiars als das des 13. Jahrhunderts

erkennbar, und inmitten auf einer Wolke der heilige Trudpert mit Fürstenhut, ". In dieser Darstellung der den Klosterpatron umrahmenden Kreuze kommt indes

nichts mehr von jener Spannung zur Geltung, die ihnen im 13. Jahrhundert wohl eigen gewesen ist: Das gotische Kreuz, spektakulär in seinem verschwenderi- schen Reichtum. als überbietendes Gegenüber des früheren Kreuzes. War dieses

einst eine fromme Stiftung seitens der Klostervögte. erhielt das spätere seinen

�Sitz im Leben" als religiöses Zeichen der neuen, höherrangigen Schutzherren,

des königlich-fürstlichen Hauses Habsburg.

86 Vita (wie Anm. 29). Liber 11. cap. 3. S. 440 B.

87 Abb. bei Arno Herbener / Hansjörg Neuhöfer. Das Kloster St. Trudpert in MUnster- tal/Schwarzwald, in: Das Kreuz aus St. Trudpert (wie Anm. 2) S. 11 -16. hier S. 14.