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Kleine Mitteilung Zeilwandpotentiale lebender und toter Helodea-Bl~tter Von KARL UMRATH (Aus dem physiolog~schen Institut der Universit~t Graz) Eingeg'angen am 25. September 1928 Aus Gespr~chen mit Herrn Dr. Gicklhorn war es mir bekannt, dai3 sich pflanzliche Zellw~nde nach dem Tod der Zellen mit im elektrischen Feld anodisch wandernden Farbstoffen besser anfarben, als zuvor, solange sie noch im Zusammenhang mit lebendem Protoplasma standen. Es war also nach Kellers elektrostatiseher Theorie derF/irbung (2, 3) zu erwarten, dat3 sich das Potential yon Zeilw~nden nach AbtStung der Protoplasten im Sinne einer Positivierung ver~ndern wfirde. Zu meinen Untersuchungen habe ich Blatter von Helodea densa gew~hlt, weil die Elektroden an diesen nicht mit angeschnittenen und verletzten Zellen und somit nur mit Zellw~nden in Beriihrung kommen und weil diesen Bliittern auch' eine passende Fl~chenausdehnung und Dicke zukommt. Beziiglich der allgemeinen Methodik kann ich auf meine frfihere Arbeit (5) verweisen, beziiglich. Elektrodenherstellung auf die yon Gicklhorn und mir (1). Nur wurde diesmal statt des Quadrantenelektrometers ein Binant verwendet. Der Aufh~ngefaden der Nadel hatte einen Durchmesser yon 20 y; das Hilfspotential betrug 564 (q-282, --282) Volt; bei einem Skalenabstand von 2,5 m entsprach 1 mm 3 Millivolt. Die Skala war in halbe mm geteilt, viertel mm wurden gesch~tzt. Der Zeif~-Mikromanipulator wurde aus dem Institut fiir Histologie und Embryologie von Herrn Professor Rabl in freund- licher Weise zur Verffigung gestellt, wofiir ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke. Als Elektroden habe ich Agar-, Gold- und Platinelektroden verwendet. Da ich sonst noch keine Versuche mit Goldelektroden mitgeteilt habe und Ergebnisse mit ihnen an Pflanzenschnitten mit reichlich verletzten Zellen auch interessieren diirften, insbesondere wenn es sich um Pflanzen handelt, an denen Agar- und Platinelektroden sehr verschiedene Potentiale ergeben, habe ich einige Messungen an Querschnitten durch einen jungen Sprofi von

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Kleine Mitteilung

Zeilwandpotentiale lebender und toter H e l o d e a - B l ~ t t e r

Von KARL UMRATH (Aus dem physiolog~schen Institut der Universit~t Graz)

Eingeg'angen am 25. September 1928

Aus Gespr~chen mit Herrn Dr. G i c k l h o r n war es mir bekannt, dai3 sich pflanzliche Zellw~nde nach dem Tod der Zellen mit im elektrischen Feld anodisch wandernden Farbstoffen besser anfarben, als zuvor, solange sie noch im Zusammenhang mit lebendem Protoplasma standen. Es war also nach K e l l e r s elektrostatiseher Theorie derF/irbung (2, 3) zu erwarten, dat3 sich das Potential yon Zeilw~nden nach AbtStung der Protoplasten im Sinne einer Positivierung ver~ndern wfirde.

Zu meinen Untersuchungen habe ich Blatter von Helodea densa gew~hlt, weil die Elektroden an diesen nicht mit angeschnittenen und verletzten Zellen und somit nur mit Zellw~nden in Beriihrung kommen und weil diesen Bliittern auch' eine passende Fl~chenausdehnung und Dicke zukommt.

Beziiglich der allgemeinen Methodik kann ich auf meine frfihere Arbeit (5) verweisen, beziiglich. Elektrodenherstellung auf die yon G i c k l h o r n und mir (1). Nur wurde diesmal statt des Quadrantenelektrometers ein Binant verwendet. Der Aufh~ngefaden der Nadel hatte einen Durchmesser yon 20 y; das Hilfspotential betrug 564 (q-282, - -282) Volt; bei einem Skalenabstand von 2,5 m entsprach 1 mm 3 Millivolt. Die Skala war in halbe mm geteilt, viertel mm wurden gesch~tzt. Der Zeif~-Mikromanipulator wurde aus dem Institut fiir Histologie und Embryologie von Herrn Professor R a b l in freund- licher Weise zur Verffigung gestellt, wofiir ich ihm auch an dieser Stelle bestens danke.

Als Elektroden habe ich Agar-, Gold- und Platinelektroden verwendet. Da ich sonst noch keine Versuche mit Goldelektroden mitgeteilt habe und Ergebnisse mit ihnen an Pflanzenschnitten mit reichlich verletzten Zellen auch interessieren diirften, insbesondere wenn es sich um Pflanzen handelt, an denen Agar- und Platinelektroden sehr verschiedene Potentiale ergeben, habe ich einige Messungen an Querschnitten durch einen jungen Sprofi von

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Hedera helix ausgefiihrt. Es ergab sich das Mark gegen Wasser zu ~-17,8 2,2 Millivolt (8; 12; 16; 18; 23; 30). Wie auch im folgenden ist der Mittel-

wert mit seinem wahrscheinlichen Fehler angegeben, in Klammer stehen die Einzelwerte, ohne Vorzeichen, wenn dieses dasselbe wie beim Mittelwert ist. Meine friiheren Messungen haben ffir dieses Potential mit Platinelektroden

21,0 ~ 7,1, mit Agarelektroden -- 3,8 -~ 0,6 Millivolt ergeben (5). Die Messungen yon G i c k l h o r n und mir mit Agarelektroden ergaben -- 12 ~ 2 Milli- volt (1). Bei diesen Messungen verhalten sich also Gold- wie Platinelektroden, die ftir Grundgewebe mancher Pflanzen gegen Wasser stark positive Potentia]e ergeben, statt der schwach negativen der Agarelektroden. In anderen F~llen ist das erstere Potential allerdings nur schwach positiv statt schwach negativ (5).

An den Bl~ttern von Helodea densa habe ich immer von der Blattober- seite abgeleitet, und zwar 1. von lebenden Bl~ttern in Leitungswasser, 2. yon 1 bis 3 Minuten in Leitungswasser gekochten und dann rasch abgektihlten Bli~ttern, 3. yon ebensolchen, die aber nach dem Kochen noch 1 bis 3 Tage in Leitungswasser gelegen batten. Die Zellen der unter 2 genannten Bl~ttter waren, in Ubereinstimmung mit den Angaben S c h n e i d e r s (4), nicht plas- molysierbar. Ich fiihre jetzt die Potentiale der Blattoberseite gegen Wasser, gemessen bei etwa 20 o C, an.

Agarelektroden, etwa 0,7 mm innerer und 1,2 mm ~tm~erer Durchmesser:

Blatt lebend . . . . . . . . . . - - 9,7 ~ 0,4 Millivolt (8; 9 ; 9 ; 9 ; 10; 11; 12).

Blatt frisch gekocht . . . . . . . -- 4,2 ~- 0,9 Millivolt (3 ; 4; 4; 4; 4; 6). Blatt vor 1--3 Tagen gekocht --1~2 ~ 0,2 Millivolt (2 Tage tot: 0;

1; 2; 2. 3Tage tot: 1; 1).

Goldelektroden, 1,4 mm Durchmesser:

Blatt lebend . . . . . . . . . . - - 9,3 ~ 0,8 Millivolt (6, 6 ; 6 ; 7 ; 10; i0; 10; 14; 15).

Blatt frisch gekocht . . . . . . . - - 1 1 , 0 2 0 , 8 Millivolt (8; 8; 9; 13; 14; 14).

Blatt vor 1--2 Tagen gekocht 0 , 0 ~ 0,2 Millivolt (1 Tag tot: 0; ~-1. 2 Tage tot: 0; 0; 0; --1) .

Platinelektroden, 0,6 mm Durchmesser:

Blatt lebend . . . . . . . . . . - -5 ,6 ~-0,5 Millivolt (3; 4; 5, 6; 6; 7; 8).

Blatt frisch gekocht . . . . . . -- 5,7 ~ 0,6 Millivolt (3; 4; 5; 6; 8; 8). Blatt vor 1--2 Tagen gekocht . ~- 0,5 -J- 0,2 Millivolt (1 Tag tot: 0; 0.

2 Tage tot: 0; 0; 1; 2).

Bei den Messungen mit Goldelektroden an schon vor 1--2 Tagen ab- getSteten Bl~ttern fiel mir auf, daI~ die an ein Blatt augelegte Elektrode

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oft ein positives Potential yon etwa 10 Millivolt annimmt. Beim Zuriickver- bringen in Vfasser bleibt dieses Potential aber erhalten und andert sich w~hrend der iiblichen Wartezeit von 10--15 Minuten nicht merklich. Ieh habe daher derartige Messungen nicht berticksichtigt. Bei allen Messungen an Zell- wiinden stellen sich die endgiiltigen Potentiale in der Regel erst einige Zeit nach Anlegen der Elektrode ein und verschwinden auch erst wieder einige Zeit nach Zuriickverbringen derselben in Wasser. Doch reichen hierzu l0 bis 20 Minuten fast immer aus.

Die mitgeteilten Ergebnisse zeigen wieder, daft man aus Messungen mit Elektroden einer Art nicht ohne weiteres auf das gesuchte Potential schlieiSen kann, berechtigen aber wohl zu folgenden Annahmen:

Die Z e l l w ~ n d e l e b e n d e r Helodea-BlKt ter s ind g e g e n W a s s e r e t w a um 9 M i l l i v o l t n e g a t i v . D i e s e s P o t e n t i a l i i nde r t s ich b e i m A b t b t e n d u r c h K o c h e n im S i n n e e i n e r A b n a h m e (Agarelektroden). E r s t nach l ~ n g e r e r Z e i t v e r s c h w i n d e t es v o l l s t ~ n d i g . Da i~manmi t den Metallelektroden an frisch gekochten Bl~ttern sogar etwas hShere negative Potentiale mifSt, als an lebenden, kSnnte man vielleieht dahin interpretieren, dab die Zellw~nde nach dem Tod des Protoplasten diejenigen Substanzen, die ihr negatives Potential bedingt haben, abgeben und daf~ diese Stoffe an der dem Blatt angelegten Elektrode adsorbiert werden und so deren negatives Potential erh0hen.

Die Potentialanderung der Zellwand nach dem Absterben der Zellen dtirfte eine allgemeine Erscheinung sein, wie nicht nur aus den eingangs er- wKhnten Beobachtungen G i c k l h o r n s hervorgeht, sondern auch aus der dutch Farbbarkeit (2) und direkte Messung (1, 5) bekannten Potentialverteilung an Pflanzenschnitten, bei welchen die Gewebe mit al~gestorbenen Zellen und mit besonders verhotzten und verdickten Wiinden sich durch positives Potential auszeichnen; Xylem, Sklerenchym und Kollenchym sind etwa 10 Millivolt positiv gegen Wasser. Es geht hieraus aber auch hervor, dab es sich bei Helodea um einen Spezialfall handelt, wenn die Zellwande langere Zeit nach dem Tode des Protoplasten dasselbe Potential annehmen wie Wasser.

Li tera turnachwe i se

1. Gieklhorn, J. und Umrath, K.: Protoplasma 4, 228--258, 1928. 2. Keller , R., Die Elektrizit~tt in der Zelle. II. Aufl. 3. Kittls Nachf. Kdler & Co.,

Mghrisch-0strau 1925. 3. - - und Gicklhorn, J., I-Iandb. d. biol. Arbeitsmeth. u Tell2, 1189, 1928. 4. Schneider, E., Zeitschr. f. wiss. Mikroskopie 42, 32--54, 40, 1925. 5." Umrath, K., Protoplasma 4, 539--546, 1928.