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ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG - Das PTA Magazin · 2019. 11. 8. · lettfunden des fleischfressenden Dino-sauriers Harnsäureablagerungen in den Fingergelenken entdeckt. Stichwort Harnsäure

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as hat der Mensch mit dem Tyranno-saurus Rex gemeinsam? Es scheint

unglaublich: Beide können beziehungs-weise konnten an Gicht erkranken. Zu-mindest haben Forscher in mehreren Ske-lettfunden des fleischfressenden Dino-sauriers Harnsäureablagerungen in denFingergelenken entdeckt.

Stichwort HarnsäureÜblicherweise geht eine Gicht mit über-höhten Harnsäurewerten im Serum ein-her. Harnsäure ist ein Stoffwechselpro-dukt aus dem Abbau von Purinen wieAdenin, Guanin, Hypoxanthin oderXanthin. Werden zu viele Purine mit derNahrung zugeführt und gleichzeitig zuwenig Harnsäure über die Niere ausge-schieden, steigen die Werte. Unabhän-gig von der Ernährung werden Purineauch innerhalb des Körpers beim Abbauvon Zellen freigesetzt. Ein erhöhterZellumsatz, beispielsweise bei starkemGewichtsverlust sowie infolge von Ge-webstraumen oder Chemotherapie, lässtebenfalls die Harnsäurewerte in die Hö-he schießen. Neben der Konzentration

W spielt der pH-Wert eine Rolle für dieAuskristallisation von Harnsäure. Je sau-rer das Milieu, desto stärker bilden sichaus dem Stoffwechselprodukt Uratkris-talle (Harnsäurekristalle).In der Körperperipherie kommt es leich-ter zu einer Übersäuerung, weshalbrumpfferne Gelenke typische Manifes-tationsorte für eine Gichtarthritis dar-stellen. In 60 Prozent aller Fälle ist es dasGroßzehgrundgelenk, aber auch Mittel-fuß, Sprunggelenk und Knie sowie dieSchleimbeutel der Ellenbogengelenkesind häufig betroffen. Die anfangs rezidi-vierende Arthritis chronifiziert und hin-terlässt bleibende Gelenkdeformatio-nen. Zudem steigert ein chronisch er-höhter Harnsäurespiegel das Risiko fürzahlreiche Begleiterkrankungen wieHerzinsuffizienz, Koronare Herzkrank-heit, Bluthochdruck, Sterblichkeit ankardialen Ereignissen, Schlaganfall, Dia-betes mellitus oder Niereninsuffizienz.

Diagnose und TherapieDas Risiko, eine Gicht zu entwickeln,steigt mit zunehmendem Lebensalter,

WohlstandskrankheitGicht-- Sie ist eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen der westlichen Welt. Hierist jeder 50. Mensch betroffen. Die Systemerkrankung wird auch Podagra genannt, wasauf Griechisch Fußfessel bedeutet.

TEXT: PETRA SCHICKETANZ

DAS RISIKO, EINE GICHT ZUENTWICKELN, STEIGT MITZUNEHMENDEM ALTER

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wobei es Männer rund fünfmal häufigertrifft als Frauen, die meist erst nach denWechseljahren betroffen sind. Zur Diag-nosesicherung muss mindestens ein Ge-lenk schmerzhaft geschwollen sein; dieEntzündung zeigt sich durch Rötung,Druckintoleranz (Schmerzen bei Druck)und Funktionseinschränkung. Zudemsollte ein Nachweis von Harnsäurekris-tallen aus einem Gelenk oder einemSchleimbeutel erfolgen. Typisch sindentzündliche Gichtknoten (Gichttophi).Uratablagerungen sind nicht auf denGelenkbereich beschränkt, sondernwerden auch in Weichteilstrukturennachgewiesen.Die Therapie der Gicht fußt auf drei Säu-len: Therapie des akuten Gichtanfalls,Reduktion der Harnsäurebelastung undProphylaxe weiterer Anfälle. Damit wirdnicht nur der irreversiblen Gelenkzer-störung entgegengewirkt, sondern auchKomorbiditäten werden vermieden, diemit einer Gicht einhergehen können.

THERAPIE DES AKUTEN GICHTANFALLSWenn sich bei Übersäuerung des Gewe-bes Uratkristalle bilden, kann dies zu ei-nem Problem werden. Denn die Kantender Kristalle sind so scharf, dass sie leichtdas Gewebe verletzen. Aktiviert durchdie Zellzerstörung treten Leukozytenauf den Plan, die beim Vertilgen (Phago-zytieren) der Uratkristalle selbst zer-schnitten werden und ihre sauren Ver-dauungssäfte ins Gewebe abgeben. Dersinkende pH-Wert begünstigt die weite-

re Harnsäureausfällung, was einenäußerst schmerzhaften Teufelskreis un-terhält, der als akuter Gichtanfall be-kannt ist und zu bleibender Gelenkzer-störung führt.Mit einer schmerzlindernden und ent-zündungshemmenden Therapie sollteso schnell wie möglich begonnen underst ein paar Tage nach dem Abklingender Symptome aufgehört werden. Ohne

ergänzende Harnsäuresenkung stellensich Rezidive ein, bei denen sich Urat-kristalle ablagern und zur Bildung vonknotigen Schwellungen führen.Mittel der ersten Wahl sind nicht steroi-dale Antirheumatika (NSAR), Colchicinund Glukokortikoide. Die Therapeutikawerden individuell ausgewählt, da häufigKontraindikationen und Begleiterkran-kungen berücksichtigt werden müssen.Deshalb kommen vermehrt auch sehrteure Substanzen wie Interleukin-1beta-Antikörper zum Einsatz. Schlägtdie gewählte Therapie nicht innerhalbvon 24 bis 72 Stunden an, muss ein ande-rer Wirkstoff gewählt werden.

Nicht steroidale AntirheumatikaEine kurzfristige Therapie mit NSARkann im akuten Gichtanfall die Schmer-zen lindern und in geringem Maße derSchwellung entgegenwirken. Vorteil derSubstanzen ist ihr schneller Wirkeintritt.Im Einsatz sind beispielsweise Naproxen(2 x tgl. 500 mg), Indometacin (3 x tgl. 50mg) sowie die selektiven COX2-Inhibi-toren Etoricoxib (120 mg 1 x tgl.) oderCelecoxib (bis max. 2 x tgl. 400 mg).

Gicht ist eine chronische Erkrankung, bei der sich Harnsäure in Form scharfkan-

tiger Kristalle in den Gelenken ablagert und zu Entzündungen führt.

Häufig von einem Gichtanfall betroffen sind rumpfferne Gelenke wie das Groß-

zehgrundgelenk, Sprung- und Kniegelenke sowie Finger- und Handwurzel-

gelenke.

Die Therapie fußt auf drei Säulen: Therapie des akuten Gichtanfalls, Senkung

des Harnsäurespiegels und Anfallsprophylaxe.

Bei einer purinarmen Diät sollte der Gichtkranke auf zu häufige Fleischmahlzei-

ten und insbesondere auf Innereien verzichten.

ZUSAMMENGEFASST

MITTEL DER WAHL SINDNSAR, GLUKOKORTIKOIDEUND COLCHICIN

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HARNSÄURESENKENDE THERAPIE

ColchicinDas Hauptalkaloid der Herbstzeitlosen(Colchicum aututt mnale), Colchicin, istein KlKK assiker in der Therapie des Gicht-anfaff lls. Der Mitosehemmstoffff greiftff aneiner Stelle an,diedenbereits erwrr ähntenTeTT ufeff lskrkk eis durchbricht.Dies geschiehtdurch eine Hemmung der „Fressfäff hig-keit“ (Phagozyzz toseaktivivv tät)t der Leuko-zyzz ten. Problematisch sind allerdings sei-ne geringe therapeutische Breite und diehohe Eiweißbindungskapazität. Da-durch kann der WiWW rkstoffff im Körper beimehrfaff cher Gabe kukk mulieren und toxi-sche WiWW rkstoffff sff piegel erreichen.Stutt dien haben belegt, dass eine niedrigdosierte Einnahme von Colchicin ähn-lich effff eff ktiv wirkt wie eine hoch dosierteEinnahmeallezwzz eiStutt nden.Unddasbeispürbar weniger Nebenwirkukk ngen. Be-sonders gastrointestinale Störungen tre-ten in niedriger Dosierung weniger auf.ffDie aktutt ellen Leitlinien empfeff hlen dieein- bis dreimal tägliche Gabe von 0,5MilligrammColchicin,wobeidieDosie-rung an die Schwere des Gichtanfaff llsund bestehende Begleiterkrkk ankukk ngenwie Niereninsuffff iff zienz angepasst wird.DieTaTT gesdosis sollte lautLauertaxezwzz eiMilligramm nicht überschreiten. DieGesamtdosis pro AnAA faff ll von sechs Milli-gramm darf nicht überschritten werden,um Intoxikationen zu vermeiden. Da-

nach soll mindestens drei TaTT ge kein Col-chicinmehreingenommenwerden.Eineakukk te VeVV rgiftff utt ng äußert sich durch Er-brechen, Übelkeit und Bauchkrkk ämpfeff .

GlukokortikoideBei unzureichender WiWW rksamkeit oderbestehenden Kontraindikationen gegenNSAR und Colchicin sind Glukokorti-koide eine gute Therapiealternative. Siekönnensystemischgegebenwerden,bei-

spielsweise in Form von Prednisolon(0,5 mg/gg kg/gg KG). Ist nur ein einzelnesoder sind nur wenige Gelenke befaff llen,kannderArAA ztGlukokortikoidedirekt insGelenk (intraartikukk lär) spritzen. DerWiWW rkstoffff TrTT iamcinolonacetonid kannbeim akukk ten Gichtanfaff ll intramuskukk lär(60 mg i.m .) gespritzt werden.AuAA ch eineGabe direkt ins Gelenk ist möglich, wo-bei die Dosierung von der Größe desGelenksundderSchwerederSymyy ptomeabhängig ist.

Interleukin-1beta-AntikörperDas ZyZZ tokikk n Interleukikk n 1 (IL-1) nimmtals entzündungsföff rdernder Botenstoffffeine Schlüsselrolle im akukk ten Gichtan-faff llein,daesnichtnurdieGelenkentzün-dungunterhält,sondernauchdieZerstö-rung von KnKK ochen und KnKK orpel föff rdert.Der Interleukikk n-1beta-AnAA tikörper Ca-nakikk numab isteineneueTherapieoptionfüff r den akukk ten Gichtanfaff ll. Er ist hin-sichtlich des RüRR ckgangs von Schmerz,Gelenkschwellung und der AuAA sbildungvon Rezidiven einer i.m.-Gabe von Glu-kokortikoiden überlegen. AlAA lerdings istder WiWW rkstoffff sehr teuer und seit 2013nurfüff rPatientenzugelassen,diemindes-tens drei AnAA fäff lle in den vergangenen

Welche Nahrungsmittel bei Gicht gemieden werden sollten

Bier, Wein

hochprozentige Alkoholika

Ölsardinen,Sardellen

Innereien

Haut von Geflügel, Schwein, Fisch

Fleisch- undWurstwaren (wenig)

Softdrinks

IIn dder EErnäähhrungsbberatung bbeii GGiichht kkanndie PTA eine wichtige Rolle spielen. Neuim Fokus der Forscher ist Fruktose, zumBeispiel in Softdrinks.

Ist nur ein einzelnes oder sind nur wenige Gelenke befallen, kann der Arzt Glukokortikoide wieTriamcinolonacetonid intraartikulär (direkt ins Gelenk)spritzen. Die Dosierung hängt von derGelenkgröße und der Schwere der Symptome ab. ©

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zwölf Monaten hatten und bei denen ei-ne Kontraindikation gegen andere The-rapeutika für den akuten Gichtanfall vor-liegt.

Begleitende MaßnahmenBeim akuten Gichtanfall sind Medika-mente nicht alles. Die Ruhigstellung desGelenks verschafft Erleichterung, wobeidarauf geachtet werden sollte, durchVerwendung geeigneter Polster denAuflagedruck so gering wie möglich zuhalten. Kühlpacks lindern die Beschwer-den. Der Betroffene sollte nur leichteKost zu sich nehmen und mit Hilfe reich-licher Trinkmengen die Nierentätigkeitanregen. Das unterstützt die Ausschei-dung der Harnsäure.

HARNSÄURESENKENDE THERAPIEEin wesentlicher Bestandteil der Gicht-therapie besteht darin, überhöhte Serum-harnsäurewerte in den Griff zu bekom-men und durch Absenken der Harnsäure-last Auskristallisationen abzubauen. EineHyperurikämie liegt vor, wenn die Se-rumharnsäurewerte 6,8 Milligramm proDeziliter (408 μmol/l) erreichen oderübersteigen. Dies kann anfangs ohne Be-gleitsymptome auftreten, doch spätestensab dem zweiten Gichtanfall sowie Serum-harnsäurewerte über 8,0 mg/dl (> 480μmol/l) ist eine therapeutische Harnsäu-resenkung angezeigt. Unter der Therapiesollte dauerhaft ein Zielwert von < 6 mg/dl(< 360 μmol/l) erreicht werden. Diesersollte anfangs häufiger, später vierteljähr-lich überprüft werden.Bei besonders schwerer Erkrankungwerden sogar Harnsäurewerte von< 5 mg/dl (300 μmol/l) angestrebt, um dieSymptomatik schneller unter Kontrollezu bringen. Freiheit von Gichtanfällenund ein Rückgang der Tophi sind dasTherapieziel, wobei der Rückgang derTophi sehr lange dauern kann.

TherapiebeginnFrüher war es üblich, zunächst das voll-ständige Abklingen eines akuten Gicht-anfalls abzuwarten, bevor mit der harn-säuresenkenden Therapie begonnenwurde. Das ist nach den aktuellen Be-handlungsleitlinien nicht mehr erfor-derlich. Stattdessen sprechen sich die

Leitlinien für einen sofortigen Thera-piebeginn aus. Keinesfalls sollte eine be-stehende Medikation abgesetzt werden,um zusätzliche Harnsäureschwankun-gen zu vermeiden.

UrikostatikaIm Purinstoffwechsel werden die Subs-tanzen Xanthin und Hypoxanthin durchdas Enzym Xanthinoxidase zu Harnsäu-re abgebaut. Urikostatika wie Allopuri-nol und Febuxostat hemmen dieses En-zym kompetitiv. Dadurch wird wenigerHarnsäure gebildet. Gleichzeitig wer-den die wasserlöslichen Substanzen Xan-thin und Hypoxanthin über die Nierenausgeschieden, was neue Ablagerungenvon Harnsäurekristallen verhindert.Allopurinol-- Als Mittel der Wahl gilt derWirkstoff Allopurinol, zu dem bereitsjahrzehntelange Erfahrungen vorliegen.Bei der Dosiseinstellung gilt das Prinzip„start low, go low“, was bedeutet, dass dieTherapie mit einer niedrigen Dosis (100mg bei normaler Nierenfunktion) einge-leitet wird. Zeigt sich eine gute Verträg-lichkeit, kann die Dosis alle zwei bis vierWochen um 100 Milligramm gesteigertwerden, bis sich die angestrebte Harn-säuresenkung eingestellt hat. Die Stan-darddosierung von Allopurinol liegt bei300 Milligramm pro Tag. Zugelassen istes bis zu einer Tageshöchstdosis von 800Milligramm, die auf mehrere Gaben zuverteilen ist. Wichtig-- Obwohl die Substanz allge-mein als gut verträglich gilt, kann sich inseltenen Fällen ein lebensbedrohliches

90%Verantwortlich für Gicht ist zu90 Prozent die erniedrigte Exkretionvon Harnsäure über die Nieren.

IM AKUTEN ANFALLSOLL DAS GELENK RUHIGGESTELLT WERDEN

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ANFALLSPROPHYLAXE

ERGÄNZENDE MASSNAHMEN

Allopurinol-Hypersensitivitätssyndromausbilden, das durch Ausschlag, Fieber,Nierenfunktionsstörungen, massivenUntergang von Leberzellen und einenAnstieg der Leukozyten charakterisiertist. Das Syndrom kann zu einem Multi-organversagen führen, verbunden mit ei-ner hohen Sterblichkeit. Deshalb solltenHinweise auf allergische Symptomeoder Harnverhalten zu Therapiebeginnsehr ernst genommen werden. Nebenkorrekter Indikationsstellung und ein-schleichender Dosierung dient eine la-borchemische Überwachung der glome-rulären Filtrationsrate zur Therapiesi-cherung. Darüber hinaus hat sichgezeigt, dass es für Asiaten eine geneti-sche Prädisposition gibt, das Allopuri-nol-Hypersensitivitätssyndrom zu ent-wickeln.Febuxostat-- Alternativ kann statt Allopu-rinol Febuxostat gegeben werden. DieDosis beträgt 80 bis 120 Milligramm proTag. Für Febuxostat wurden solcheschweren Hypersensitivitätssyndromeseltener beschrieben als für Allopurinol.Wegen Unterschieden in der Molekül-struktur beider Substanzen ist nicht mitKreuzreaktionen zu rechnen. Nur in sel-tenen Fällen reagieren Patienten aller-gisch auf beide Substanzen.

UrikosurikaZur Senkung des Harnsäurespiegelswerden neben Urikostatika auch Urikos-urika eingesetzt. Urikosurika sind Wirk-stoffe zur Steigerung der Harnsäureaus-

scheidung über die Nieren. Sie sind zurAdd-on-Therapie indiziert, wenn dieXanthinoxidasehemmer nicht ausrei-chend wirken. Eine Monotherapie wirdnur beim Vorliegen von Unverträglich-keiten gegen Allopurinol oder Febuxos-tat empfohlen.Damit Urikosurika wie Benzbromaronund Probenecid wirken, müssen sie mitausreichend Flüssigkeit eingenommenwerden. Andernfalls droht die Entste-hung von Harnsteinen. Liegen bereitsHarnsteine vor oder besteht eine Nie-reninsuffizienz, sind die Substanzenkontraindiziert, ebenso, wenn die Pro-duktion der Harnsäure erhöht ist, bei-spielsweise unter einer Chemotherapieoder bei einer entsprechenden erblichbedingten Stoffwechselstörung.

UrikolytikaViele Säugetiere und Wirbellose besit-zen ein Enzym namens Uricase, das denAbbau von Harnsäure zu Allantoin kata-lysiert. Bei Menschen und Menschenar-tigen ist jedoch das codierende Gen ver-loren gegangen. Prinzipiell können hierUricasen, wie die aus dem SchimmelpilzAspergillus flavus gewonnene Rasburi-case, eingesetzt werden. Allerdings müs-sen die Enzyme intravenös verabreichtwerden und verursachen als Fremdei-weiße häufig anaphylaktische (allergi-sche) Reaktionen. Das schränkt ihrenEinsatz stark ein. Rasburicase wird dahernur zur Vermeidung eines Tumorlyse-syndroms eingesetzt. Ein solches tritt

auf, wenn zu Beginn einer Chemothera-pie aufgrund rascher TumorzersetzungHarnsäure stark anflutet, was zu einemNierenversagen führen kann. Dement-sprechend darf das Medikament nur un-ter engmaschiger Überwachung verab-reicht werden. Mehr als ein Behand-lungszyklus wird nicht empfohlen.

COMPLIANCEWährend beim akuten Gichtanfall be-reits das dramatische Schmerzgeschehendie Patienten dazu bringt, die verordne-ten Medikamente einzunehmen, brauchtes für die regelmäßige Einnahme derHarnsäuresenker deutlich größereÜberzeugungskraft. Eine gute Aufklä-rung über das Wesen der Erkrankung so-wie regelmäßige Kontrollen von Symp-tomen und Harnsäurewerten fördern dieCompliance (Adhärenz). Vor allem jün-gere Menschen zeigen im Vergleich zuPatienten mit anderen chronischen Er-krankungen eine schlechte Therapiead-härenz und neigen dazu, gar nicht erstmit der Einnahme zu beginnen. Immer-hin sollte die Medikation bei anfängli-cher Symptomfreiheit fünf Jahre lang er-folgen. Liegen bereits Tophi vor, wird dieTherapie fünf Jahre bis nach dem Rück-gang der Tophi fortgeführt. Zum Thera-pieende sollten die Harnsäurespeichernach Möglichkeit vollständig entleertsein. Immerhin eröffnen die Leitlinien(www.awmf.org) die Möglichkeit, dieTherapie auszusetzen, wenn klinischkeine Symptome vorliegen und sich die

Aspergillus flavus ist ein Schimmelpilz, aus dem Uricasen gewonnen werden. Uricasen sind Enzyme, die die Umwandlung von Harnsäure zu Allantoinkatalysieren. Ihr therapeutischer Einsatz ist sehr beschränkt. Der Schimmelpilz selbst ist auch als „Fluch des Pharao“ bekannt.

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Harnsäurewerte auf ein Normalniveaueingespielt haben.

ANFALLSPROPHYLAXENach dem Anfall ist vor dem Anfall. Soerleiden ohne harnsäuresenkende The-rapie 62 Prozent der Patienten nach ei-nem ersten Gichtanfall einen weitereninnerhalb eines Jahres, 89 Prozent erle-ben innerhalb von fünf Jahren ihr erstesRezidiv. Allgemein muss damit gerech-net werden, dass sich die symptomfreienIntervalle zwischen den akuten Gichtan-fällen im Lauf der Zeit verkürzen. Häu-figkeit, Dauer und Schweregrad der An-fälle sowie die Anzahl der betroffenenGelenke nehmen dagegen zu.Auch unter einer alleinigen harnsäure-senkenden Therapie können akuteGichtanfälle auftreten. Gerade zu Be-ginn der Therapie verursacht die Absen-kung des Harnsäurespiegels eine Um-verteilung der Harnsäure im Körper; dasbedeutet, Harnsäureablagerungen wer-den mobilisiert. Durch den nun wiedersteigenden Harnsäurespiegel kann es zueinem Rezidiv kommen. Deshalb istgrundsätzlich eine zusätzliche Anfalls-prophylaxe notwendig.

BehandlungsschemaDie Leitlinien empfehlen, mit dem Be-ginn einer harnsäuresenkenden Therapiefür drei bis sechs Monate eine Anfallspro-phylaxe mit niedrig dosiertem Colchicindurchzuführen. Bei Unverträglichkeitoder Gegenanzeigen für Colchicin wer-den zur Anfallsprophylaxe NSAR oderGlukokortikoide in niedriger Dosierungeingenommen. Beim Einsatz von Gluko-kortikoiden ist zudem auf eine Osteopo-

roseprophylaxe zu achten mit der Gabevon Vitamin D, Sicherstellung einer aus-reichenden Calciumzufuhr und einementsprechenden Bewegungsangebot.Bevor die Prophylaxe beendet wird, soll-te der Patient mindestens drei Monatelang anfallsfrei sein, keine Tophi aufwei-sen und eine stabile Senkung der Serum-harnsäure unter sechs Milligramm proDeziliter nachweisen.

ERGÄNZENDE MASSNAHMENGicht wurde bis ins 19. Jahrhundert alsKrankheit der Könige bezeichnet, da siein Zusammenhang mit Bewegungsar-mut und bestimmten Nahrungsmittelnsteht, die früher eher auf den Tafeln rei-cher Adeliger zu finden waren. Heute istdie Gicht eine Volkskrankheit, was aufden modernen Lebensstil zurückzufüh-ren ist, der allzu oft durch Bewegungsar-mut und Übergewicht geprägt ist

LebensmittelHarnsäure ist ein Abbauprodukt von Pu-rinen, die als Bausteine des Zellkerns infast allen Lebensmitteln zu finden sind.Dennoch gibt es große Unterschiede.Besonders purinhaltige Nahrungsmittelsind Innereien wie Leber, Niere, Herzund Lunge. Aber auch Ölsardinen undSardellen sowie die Haut von Geflügel,Schwein und Fisch enthalten großeMengen der Harnsäurelieferanten undsollten daher von Gichtpatienten mög-lichst gemieden werden.In Maßen sind dagegen Lebensmittelmit einem mittleren Puringehalt zu emp-fehlen wie Hülsenfrüchte, Kohlsorten,Spinat und Spargel. Tierische Lebens-mittel wie fettarmes Fleisch von Geflü-

Steigen die Serumharnsäurewerte über 8,0 mg/dl, ist eine harnsäuresenkende Thera-pie angezeigt. Damit soll mindestens ein Wert unter 6,0 mg/dl erreicht werden.

DIE REGELMÄSSIGE EINNAH-ME DER HARNSÄURESENKERFÄLLT VIELEN SCHWER

manche Arzneistoffe den Serum-

harnsäurespiegel beeinflussen?

niedrig dosierte ASS, Schleifendiu-

retika, Thiazide und Beta-Blocker

zu diesen gehören?

es auch Wirkstoffe gibt, die als Ne-

beneffekt die Harnsäureausschei-

dung erhöhen?

dieser Nebeneffekt bei dem Lipid-

senker Fenofibrat und dem Blut-

druckmittel Losartan beobachtet

worden ist?

WUSSTEN SIE,DASS …

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gel, Schwein oder Rind sowie viele Seefi-sche (u. a. Lachs und Kabeljau) fallenebenfalls in diese Rubrik. Purinfreie oderzumindest purinarme Nahrungsmittelsind Getreide, Kartoffeln, Obst, Blattsa-lat und beinahe alle Gemüsesorten. Eierund fettarme Milchprodukte gehörenebenfalls zu den empfehlenswerten Le-bensmitteln für Gichtkranke.Bei einer purinarmen Diät werden weni-ger als drei Gramm Harnsäure pro Wo-che aufgenommen. Als Faustregel gilt,höchstens 100 Gramm Fleisch oderWurst einmal am Tag zu essen und denAlkoholkonsum auf ein Glas Bier oderWein zu beschränken.

Gewusst wieEin wesentlicher Faktor bei der Purin-aufnahme spielen Lagerung und Zube-reitung der Nahrungsmittel. So werdendurch längere Lagerung Purine bereitsvorab aufgeschlossen. Ihre Bestandteilekönnen demnach schneller im Organis-mus anfluten. Gegenüber Braten gilt Ko-chen als die günstigere Zubereitungsart,da zehn bis 20 Prozent der Purine insKochwasser übergehen, das deshalb ab-geschüttet werden sollte. Darüber hi-naus ist es vorteilhaft, die Haut von Fischund Geflügel nicht mitzuessen.

GetränkeÜber eine Hemmung der Harnsäureaus-scheidung erhöht Alkohol per se dieHarnsäurekonzentration im Blut. Des-halb ist der Genuss von Wein und Bieroder gar Höherprozentigem für Gicht-patienten ungeeignet. Bier enthält darü-ber hinaus selbst beachtliche Purinmen-gen, weshalb die alkoholfreien Sortennur geringfügig günstiger sind.Kaffee, schwarzer oder grüner Tee, Ma-teblätter, Guarana und Kakao sowie Ge-nussmittel wie Cola oder Energy-Drinksenthalten Coffein, das zu den Purinalka-loiden gehört. Heute weiß man, dass die-se den Harnsäurespiegel nicht beein-flussen.Mittlerweile haben Forscher jedoch ei-nen ganz anderen Harnsäurelieferantenim Visier: Fruktose, die in vielen Soft-drinks enthalten ist, fördert im Energie-stoffwechsel die Bildung von Adenosin-monophosphat (AMP), das ebenfalls zuHarnsäure verstoffwechselt wird. Laut

den Ergebnissen einer Studie von HyonK. Choi von der University of BritishColumbia, Vancouver, erhöht sich dasGichtrisiko um 45 Prozent, wenn täglichein Softdrink konsumiert wird. Bei zweioder mehr Softdrinks liegt die Risikozu-nahme sogar bei 85 Prozent.

PatientenschulungBei vielen Gichtpatienten mangelt es ander notwendigen Therapietreue, wasschmerzhaft mit wiederkehrendenGichtattacken zu Buche schlägt. Lang-fristig können sich massive Gelenkschä-den mit nachhaltiger Bewegungsein-schränkung einstellen. Es ist also unbe-dingt im Sinne des Kunden, ihn imBeratungsgespräch in der Apotheke im-mer wieder zur Anpassung seines Le-bensstils, der regelmäßigen Einnahmeseiner Gichtmedikamente und zur Kont-rolle der Harnsäurewerte zu ermuntern.Der positive Effekt wirkt sich nicht nurauf die Gichterkrankung selbst aus, son-dern auch auf die möglichen Komorbidi-täten, wie Nierenschäden und Herz-kreislauferkrankungen, die mit einerGicht einhergehen können.

SAMMELN SIE FORTBILDUNGSPUNKTE mit unserem Fragebogen auf S. 103 oder unterwww.das-pta-magazin.de/fortbildung.

Purinfreie oder zumindest purinarmeNahrungsmittel sind beispielsweise Obst,Blattsalat, beinahe alle Gemüsesorten,Getreide und Kartoffeln.

Hat Ihnen Ihr Arzt erklärt, in wel-

cher Dosierung und zu welchen

Tageszeiten Sie Ihre Medikamente

einnehmen sollen?

Haben Sie Informationen über eine

geeignete Ernährung bei Gicht?

Wissen Sie, dass gerade ausrei-

chendes Trinken bei Gicht wichtig

ist, um die Ausscheidungsfunktion

der Niere zu unterstützen?

WICHTIGE FRAGEN

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