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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12) Z FA Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Dezember 2009 – Seite 489-524 – 85. Jahrgang www.online-zfa.de 12/2009 Im Fokus Logbuch für PJ Allgemeinmedizin Leitlinie „Nackenschmerzen“ Extravertebrale Ursachen von Rückenschmerzen Rationale Pharmakotherapie im Spannungsfeld widerstrebender Interessen DEGAM: Mitglieder werben Mitglieder Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica and SCOPUS DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 12/2009 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Dezember 2009 – Seite 489-524 – 85. Jahrgang www.online-zfa.de

12/2009

Im Fokus

Logbuch für PJ Allgemeinmedizin

Leitlinie „Nackenschmerzen“

Extravertebrale Ursachen von Rückenschmerzen

Rationale Pharmakotherapie im Spannungsfeld widerstrebender Interessen

DEGAM: Mitglieder werben Mitglieder

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM),der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und derSalzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine

This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica and SCOPUS

DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 12/2009 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln

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Empfehlungen zur rationalen Arzneimittel -therapie: Neue Auflage der „Arznei -verordnungen“ frisch aus der Druckpresse

Das, liebe Leserinnen und Le-ser, was Sie unten auf dieser Seite abgedruckt sehen, ist das Titelblatt eines Buches, das in Kürze seinen 75. Ge-burtstag feiert: Die von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft he-rausgegebenen „Arzneiver-ordnungen“, die 1925 zum ersten Mal erschienen.

Die Maxime des Buches ist über die Zeit gleich geblie-

ben. Schon 1932, als die fünfte Auflage erschien, schrieb der Schriftleiter des Deutschen Ärzteblatts, der Frauenarzt Dr. Sieg-mund Vollmann: „Gerade gegenüber den widerstreitenden In-teressen, die auf dem Gebiet des Arzneimittelwesens nun ein-mal bestehen, muss als Hauptvollzug des Buches seine Urheber-schaft und die Art seiner Entstehung hervorgehoben werden ... Bei der Flut von Arzneipräparaten, die sich immerfort noch ver-mehren, bedarf der Arzt einer gewissen Führung, um sich leicht und schnell über die bewährten Mittel, ihre Zusammensetzung, pharmakologische Wirkung, Anwendungsweise, Dosierung und Wirtschaftlichkeit zu orientieren“.

Vielleicht darf man an dieser Stelle erwähnen, dass der 1871 im thüringischen Schwarza geborene Vollmann, der erste hauptamtliche Schriftleiter der Zeitschrift, bereits ein Jahr spä-ter aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus seinem Amt „ent-fernt“ wurde und am 9. August 1939, sozusagen im allerletzten Moment, zusammen mit seiner Ehefrau nach London fliehen konnte (er starb am 31. Dezember 1946 in Frankreich).

Erst 1952, im Jahr der 9. Auflage der Arzneiverordnungen, wurde die „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-schaft“ (AKdÄ) gegründet – ursprünglich 1911 vom „Congress für Innere Medizin“ als Arzneimittel-Kommission ins Leben gerufen. Die AKdÄ, die seither das Buch in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen herausgibt, wird drei Jahre später wissenschaft-lich selbständiger Fachausschuss der Bundesärztekammer und damit stän-dige Beraterin der Kammer in Arznei-mittelfragen.

Das Buch, um das sich besonders der frühere Vorsitzende der Kommis-sion, Prof. Müller-Oerlinghausen ver-dient gemacht hat, entwickelt sich seit Jahrzehnten zu einer reichen Quelle evidenzbasierter Pharmako-therapie – in diametralem Gegensatz zu allen früheren Versuchen, dem Buch den Garaus zu machen. Zum Beispiel wurden 1934 alle Arzneiver-ordnungsbücher für die kassenärzt-

liche Verordnung durch den damaligen Reichsarbeitsminister außer Kraft gesetzt, unter anderem deshalb, weil den Macht-habern des Dritten Reiches weniger an einer wissenschaftlich begründeten Medizin lag als vielmehr an einer ideologisch de-finierten „deutschen Volksmedizin“, in der die Homöopathie und deutsche Medizinpflanzen eine besondere Rolle spielen sollten. Heute „reflektiert und verdichtet sich“ in dem Buch, wie der Präsident der Bundesärztekammer Prof. Hoppe in sei-nem Geleitwort schreibt, die Aufgabe, „die Ärzteschaft objektiv und industrieunabhängig in allen Fragen einer rationalen Arz-neitherapie zu beraten“.

Die insgesamt 63 Kapitel der neuen Auflage wurden zu-nächst einem oder mehreren „Gegenlesern“ und dann einem Hausarztpanel vorgelegt, dessen Aufgabe darin besteht, die In-halte an die Bedürfnisse der primärärztlichen Praxis anzupas-sen. Auf 1478 Seiten findet der Leser neben Vorschriften und Ratschlägen für die Verordnung (fast) alles, was zur Anwen-dung von Medikamenten und Impfstoffen zu sagen ist – geord-net meist nach Organsystemen bzw. pathophysiologischen Prinzipien.

Ganz neu ist eine „(Vorschlags)Liste wichtiger Wirkstoffe für die hausärztliche Verordnung“, die in der der sog. Kern-gruppe A 77 Wirkstoffe umfasst, die aus Sicht der Kommission als essenziell eingestuft werden und die der Hausarzt• besonders gut kennen und• nicht ohne stichhaltige Begründung durch Analogpräparate

oder gerade neu auf den Markt gekommene Präparate erset-zen sollte.

In der Gruppe B sind weitere 76 Substanzen aufgeführt, die als Alternativen z. B. bei Nichtansprechen auf das primär aus-gewählte Medikament oder für spezielle Patientengruppen in-frage kommt.

Zwei der Herausgeber der ZFA, die sich – neben anderen Kolleginnen und Kollegen – in ihrer Funktion als ordentliche Mitglieder der AKdÄ an der Konstruktion dieser Liste beteilig-

ten, sehen diesen Versuch als durch-aus nicht einfach, aber lohnend an.

Wichtig scheint mir ein kurzer Kommentar im Vorspann zu sein, der „jeden hausärztlichen Kommen-tar zu diesem Vorschlag eines ratio-nalen Arzneimittelsortiments, sei er zustimmend oder kritisch, willkom-men heißt“. In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser, lade ich Sie herzlich ein, selbst einmal in dem Buch zu blättern und sich ein eigenes Bild zu machen.

Ihr

Michael M. Kochen

489EDITORIAL / EDITORIAL

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490 INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS

EDITORIAL / EDITORIAL 489............................................................

DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT 491.....................................

INFOMED-SCREEN

AUSBILDUNG / BASIC MEDICAL EDUCATION

Entwicklung eines Logbuches für das

PJ-Tertial Allgemeinmedizin

Development of a Logbook for the “Practical Year”

Elective in Family Medicine

Klaus Böhme, Boris Breivogel, Christiane Eicher, Thomas Ledig,

Dirk Moßhammer, Wilhelm Niebling 492..........................................................

LEITLINIE / GUIDELINE

DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie

von Nackenschmerzen

DEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

Martin Scherer, Erik Plat, Anja Wollny 498.........................................................

ÜBERSICHT / REVIEW

Extravertebrale Ursachen von Rückenschmerzen

Extravertebral Cause of Low Back Pain

Jean-François Chenot 508.............................................................................

DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

Rationale Pharmakotherapie auf der Basis irrationaler

Gesetzgebung – Implizite Rationierung bleibt

auch unter den Bedingungen von Arztgruppen und

kassenspezifischer Verträge erhalten

Rational Pharmacotherapy Based on Irrational Legislation –

Implicit Rationing Remains Alive also with Doctors' Groups

and Sick-Fund Contracts

Peter Schwoerer 513.....................................................................................

KONGRESSBERICHT / CONGRESS REPORT

„Versorgungsstrukturen und Qualität“

Bericht zum 43. DEGAM-Jahreskongress 2009

Edmund Fröhlich 517..................................................................................

LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR 519................................

DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

DEGAM-Mitglieder werben Mitglieder 520............................................

Kongressankündigung: 44. Kongress für Allgemeinmedizin

und Familienmedizin 2010 521.............................................................

BUCHBESPRECHUNGEN / BOOK REVIEWS 522...............................

IMPRESSUM / IMPRINT 524...............................................................

Titelfoto: © Robert Kneschke – Fotolia.com

ZFAZeitschrift für Allgemeinmedizin

Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien-medizin (DEGAM; www.degam.de) und der

Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de) sowie der

Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM)

Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians

The Society of Professors of Family Medicine and the

Salzburg Society of Family Medicine

Herausgeber/Editors M. M. Kochen, Göttingen (federführend) H.-H. Abholz, Düsseldorf E. Hummers-Pradier, Hannover W. Niebling, Freiburg im Breisgau A. Sönnichsen, Salzburg Internationaler Beirat/International Advisory Board J. Beasley, Madison/Wisconsin, USA F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH E. Garrett, Columbia/Missouri, USA P. Glasziou, Oxford/UK; T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjortdahl, Oslo/ Norwegen; A. Knottnerus, Maastricht/NL; M. Maier, Wien/Österreich; C. del Mar, Brisbane/Australien; J. de Maese-neer, Gent/Belgien; P. van Royen, Antwerpen/Belgien; B. Starfield, Baltimore/Maryland, USA; F. Sullivan, Dundee/Schottland, UK; P. Tschudi, Basel/CH; C. van Weel, Nijmegen/NL Y. Yaphe, Tel-Aviv/Israel Koordination/Coordination T. Lampel This journal is regularly listed in EMBASE/ Excerpta Medica and Scopus

Dieselstraße 2, 50859 KölnPostfach/P.O. Box 40 02 54,50832 KölnTelefon/Phone: (0 22 34) 70 11–0www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

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491DANKSAGUNG / ACKNOWLEDGEMENT

Herausgeber und Verlag bedanken sich herzlich bei folgenden Kolleginnen und Kollegen, die im Jahre 2009 eingereichte Manuskripte für die ZFA begutachtet haben:

Erika BaumNicole BeckerEva BlozikKlaus BöhmeJean-F. ChenotChristoph DachsGünter Egidi Christiane EicherJochen GensichenChristiane und Peter GodtBernhard HansbauerJohannes HauswaldtChristoph HeintzeStefan HenselerWolfgang HimmelPaul JansenVera KalitzkusHarald KampsJanka KoschackThorsten Langer

Daniela LangnerThomas LedigCornelia MahlerGabriella Marx Giuliano PiccolioriUwe PopertMartin SchererIris SchluckebierNorbert SchmackeMarcus SchmidtGuido SchmiemannUlli SchwantesMartin SielkAnne Simmenroth-NaydaBurkhard SonntagDirk StichtenothGudrun TheileJens-Martin TräderStefan Wilm

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Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family MedicineKlaus Böhme1, Boris Breivogel2, Christiane Eicher3, Thomas Ledig3, Dirk Moßhammer4, Wilhelm Niebling1

Zusammenfassung: Die neue Approbationsordnung eröff-nete allgemeinmedizinischen Praxen die Möglichkeit, als Ausbildungsstätten für das Wahlfach im Praktischen Jahr zu dienen. Dies brachte für die allgemeinmedizinischen Hoch-schuleinrichtungen die Notwendigkeit mit sich, diesen Aus-bildungsabschnitt formal und inhaltlich zu strukturieren. In Freiburg wurde als Leitschiene für Studierende sowie Lehren-de ein Logbuch erstellt, dessen Kernelement ein operationa-lisierter Lernzielkatalog darstellt. Dieser wurde in einem mehrstufigen Verfahren entwickelt und von Hochschulleh-renden Baden-Württembergs konsentiert. Nach Pilotierung in zwei Ausbildungspraxen, Evaluation und Überarbeitung liegt nunmehr ein Logbuch vor, das einer breiteren Anwen-dung entgegensieht.

Schlüsselwörter: Allgemeinmedizin, Praktisches Jahr, Lernziel -katalog, Logbuch

Summary: The new Basic Medical Education Scheme offers opportunities for family medicine practices to serve as train-ing spots for the elective period in the last (“practical”) study year. Consequently family medicine departments had to structure this time period. At the University of Freiburg we developed a logbook for students and teachers with a list of learning objectives as central element. This logbook was de-veloped in a multi-step procedure and was consented by professors in Baden-Wuerttemberg. After a pilot trial in two teaching practices we have now a product at our hands which awaits further broad application.

Keywords: family medicine, study year, learning objectives, logbook

1 Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universität Freiburg2 Lehrauftrag Allgemeinmedizin, Universität Heidelberg, Klinikum Mannheim3 Abteilung für Allgemeinmedizin, Universität Heidelberg4 Lehrbereich Allgemeinmedizin, Universität Tübingen

Peer reviewed article eingereicht: 03.05.2009, akzeptiert: 06.11.2009DOI 10.3238/zfa.2009.0492

Einleitung

Mit Einführung der neuen Approbati-onsordnung (ÄAppO) [1] wurde das Fach Allgemeinmedizin zu einem der fünf Hauptfächer des klinischen Studi-enabschnittes. Die Studierenden kön-nen seit dem Sommersemester 2006 ein Tertial des Praktischen Jahres in diesem Fach absolvieren. Daraus ergab sich für die allgemeinmedizinischen Abteilun-gen und Lehrbereiche Deutschlands das Erfordernis, hierfür die organisatori-schen und inhaltlichen Voraussetzun-gen zu schaffen [2, 3].

Nicht zuletzt bedingt durch die Not-wendigkeit einer Klärung der finanziel-len Ressourcen für die Schaffung von PJ-Ausbildungsplätzen in der Allgemein-

medizin kam es in Freiburg zu Verzöge-rungen. Der erste PJ-Studierende begann seine Ausbildung im Sommer 2007. Ins-gesamt hatten in Freiburg bis Februar 2009 erst zwei Studierende ein PJ-Tertial Allgemeinmedizin durchlaufen. Diese Ausbildung war nicht curricular struktu-riert, Lernziele nicht explizit formuliert. Die für die PJ-Ausbildung akkreditierten Praxen richteten sich nach eher all-gemein gehaltenen inhaltlichen und or-ganisatorischen Vorgaben des Lehr-bereiches.

Vor dem Hintergrund einer sich ab-zeichnenden zunehmenden Nachfrage nach PJ-Ausbildungsplätzen in der All-gemeinmedizin sowie der Heterogenität der (aus der Sicht der Hochschule dezen-tralen) Ausbildungsstätten schien den

Lehrverantwortlichen dieser Zustand ei-ner fehlenden Zielvorgabe nicht länger haltbar.

Mit der Schaffung eines Logbuches für das PJ-Tertial Allgemeinmedizin soll-te sowohl den Studierenden wie auch den Lehrenden ein struktureller Rah-men für die Durchführung dieses Aus-bildungsabschnittes an die Hand gege-ben werden. In der Literatur finden sich eindeutige Hinweise, dass derartige Log-bücher zu einer Optimierung der kli-nischen Ausbildung beitragen können [4, 5, 6]. Ein wesentliches Ziel dieses Log-buches war es, eine Orientierung über Umfang und Tiefe der Ausbildungs- und Lernziele zu vermitteln.

Es wurde bereits in einem Frühstadi-um der Planung angedacht, im Kontext

492 AUSBILDUNG / BASIC MEDICAL EDUCATION

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des „Kompetenzzentrums Allgemein-medizin Baden-Württemberg“ den Lernzielkatalog landesweit abzustim-men. Dies sollte prospektiv Möglichkei-ten einer überregionalen Zusammen-arbeit bei den zu vermittelnden theo-retischen und praktischen Lerninhalten erleichtern.

Methodik

Im Zuge der Projektplanung wurde von den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Lehrbeauftragten des Lehrbereiches Allgemeinmedizin eine Kriterienliste zu den wichtigsten Aspekten bei der Erar-beitung eines Logbuches PJ-Allgemein-medizin erstellt. Diese Kriterienliste wurde vom genannten Kreis einer Ma-trixanalyse unterzogen, die einzelnen Aspekte entsprechend ihrer Rangfolge neu gelistet (siehe Tabelle 1) und, soweit möglich, bei der Projektplanung und -durchführung berücksichtigt.

Ursprünglich war geplant, die Aus-bildungsinhalte für das Praktische Jahr, ausgehend von einem Freiburger Lern-zielkatalog für das Blockpraktikum All-gemeinmedizin, weiterzudefinieren. Da die Kooperationen mit anderen Hoch-schulstandorten seit Gründung des

„Kompetenzzentrums Allgemeinmedi-zin Baden-Württemberg“ auch den Lehrsektor umfassen, schien es sinnvoll, die Lernziele landesweit aufeinander ab-zustimmen. Daher wurde die Vorgabe des Freiburger Lernzielkataloges verlas-sen und auf eine Vorarbeit des Frankfur-ter Kollegen Peter Gündling zurück-gegriffen; er hatte bereits im Zusammen-hang mit einem von der „Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinme-dizin“ (GHA) durchgeführten Fortbil-dungsprogramm für PJ-Praxen bundes-weit allgemeinmedizinische Lernzielka-taloge gesichtet und zusammengefasst.

Diese in 12 Module unterteilte, aber ansonsten unbearbeitete Sammlung wurde in einem ersten Schritt von den Autoren gesichtet und um offensicht-liche Redundanzen bereinigt. Für jedes Modul wurde jeweils ein Ausbildungs-ziel formuliert. In einem zweiten Schritt wurde diese Zusammenschau all-gemeinmedizinischen Vertretern der Freiburger Universität und der übrigen baden-württembergischen Hochschu-len sowie Inhabern von PJ-Ausbildungs-praxen mit Lehrerfahrung vorgelegt. Diese zehn Fachvertreter hatten die Auf-gabe, die Lernziele auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, ggf. Korrekturvor-schläge zu machen oder ihre Streichung

zu empfehlen. Sämtliche Lernziele soll-ten gemäß der Miller-Pyramide [7] ope-rationalisiert werden. Die zurückgemel-deten Operationalisierungsstufen wur-den für jedes Lernziel addiert und über eine Mittelwertberechnung die endgül-tige Stufe ermittelt. Bei einer Standard-abweichung von > 1 wurde das Lernziel nochmals in einem lokalen Freiburger Gremium von Fachvertretern diskutiert und schließlich die Stufe in einem er-neuten Rating-Verfahren festgelegt. Nur 9 Lernziele von ursprünglich 110 muss-ten auf diesem Wege nachbearbeitet werden. Abschließend wurden die Lern-ziele entsprechend dieser Operationali-sierung sprachlich den Stufen der Mil-ler-Pyramide angepasst (der Studierende kennt ..., der Studierende kann erläu-tern ... usw.). Im Ergebnis beschrieben sie zusammengenommen einen kom-petenzbasierten Ausbildungsabschnitt mit mess- bzw. prüfbaren Outcomes, wie er von einigen Autoren „als die effi-zienteste Ausbildungsform“ angesehen wird [8].

Um den so entstandenen Lernziel-katalog herum wurde ein Logbuch er-stellt, das für den Freiburger Lehrbereich die organisatorischen Rahmenbedin-gungen des PJ-Tertials Allgemeinmedi-zin regelt sowie Erläuterungen und Hin-weise zum Umgang mit den Lernzielen enthält. Bei den Lernzielen, die sich auf praktische Fertigkeiten beziehen, beka-men die Studierenden die Möglichkeit zu dokumentieren, ob sie die Fertigkeit demonstriert bekommen, unter Super-vision selber durchgeführt hatten oder ob sie diese bereits routinemäßig be-herrschten. Diese Anregung wurde aus den PJ-Logbüchern der Medizinischen Fakultät der Universität Mannheim übernommen. Bei den kognitiven Lern-zielen sollte ebenfalls das Erreichte do-kumentiert werden können (siehe Ab-bildung 1). Dies sollte Lehrenden wie Studierenden gleichermaßen die Mög-lichkeit einer Lernzielkontrolle ver-schaffen.

Da sich die Lernziele in einigen Be-reichen sinngemäß auf die Formulie-rung „häufige Erkrankungen“ beziehen, wurde dem Lernzielkatalog eine Liste des Zentralinstitutes für die kassenärzt-liche Versorgung (ZI) mit den 50 häu-figsten von deutschen Allgemeinmedi-zinern abgerechneten ICD-10-Diagno-sen angehängt [9]. Dabei wurde mangels einer brauchbaren Alternative zunächst

Abbildung 1 Beispielmodul des Lernzielkataloges.

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Böhme et al.:Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family Medicine

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in Kauf genommen, dass zwischen der Häufigkeit abgerechneter Diagnosen und der Häufigkeit von Beratungsanläs-sen eine deutliche Diskrepanz bestehen kann.

Ausgehend von einer Anregung aus dem Logbuch für das Praktische Jahr der Chirurgischen Universitätsklinik Hei-delberg [10] wurden Arbeitsblätter kon-zipiert, die den Studierenden die Mög-lichkeit bieten sollten, das Erreichen von Lernzielen anhand komplexerer Aufgaben unter Beweis zu stellen. Für je-de dieser Aufgaben wurde eine kurze Rückmeldung des Lehrenden an den Studierenden vorgesehen (siehe Abbil-dung 2). Abschließend wurde eine bun-

deseinheitliche Evaluation zum PJ-Terti-al Allgemeinmedizin der Deutschen Ge-sellschaft für Allgemeinmedizin und Fa-milienmedizin (DEGAM) aufgenom-men.

Der so entstandene Prototyp des Logbuches wurde ab Februar 2009 mit zwei Studierenden in zwei PJ-Praxen nach entsprechenden Instruktionen der beteiligten Personen pilotiert. Nach Ab-schluss des PJ-Tertials wurden sowohl Studierende als auch Praxisinhaber zu ihren Erfahrungen mit dem Praktischen Jahr unter Einbeziehung der vorliegen-den Logbücher befragt. Dies geschah in einer Kombination aus narrativem und Leitfaden-Interview. Die aufgezeichne-

ten Gespräche wurden transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet [11].

Etwa zeitgleich fand ein Treffen von allgemeinmedizinischen Fachvertretern aus Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Tübingen statt, bei dem in einem zweiten Review-Prozess der Lernzielka-talog erneut überarbeitet wurde. In einer mehrstündigen offenen Diskussions-runde wurden die Lernziele nochmals einzeln kritisch betrachtet, wo erforder-lich umformuliert, ergänzt oder gestri-chen. Gleichzeitig wurden die Module z. T. umstrukturiert und die dazu gehöri-gen Ausbildungsziele neu formuliert. Darüber hinaus sichtete die Experten-runde die vorliegenden (wie o. a.) un -befriedigenden ZI-Daten, glich diese mit den Daten aus dem Heidelberger CONTENT-Projekt [12] ab und konsen-tierte auf diesem Weg Listen von Diag-nose- und Beratungsanlässen, die regel-ten, auf welche „häufigen Erkrankun-gen“ sich einige der Lernziele beziehen.

Schließlich wurden auf der Grundla-ge der Erfahrungen aus den Pilotpraxen und dem Ergebnis der zweiten Review-Runde folgende Änderungen in das Log-buch aufgenommen: Der Lernzielkata-log wurde entsprechend formal und in-haltlich angepasst. Die ZI-Liste der häu-figsten von Allgemeinmedizinern abge-rechneten ICD-10-Diagnosen wurde durch die in der Expertenrunde konsen-tierten Listen ersetzt. Die Arbeitsblätter erfuhren wenige, v. a. formale Korrektu-ren. Um dem Wunsch der Studierenden Rechnung zu tragen, eigene Erfahrun-gen, Beobachtungen usw. einfließen zu lassen, wurde das Logbuch um ein wei-teres Kapitel ergänzt. In diesem erhalten die Studierenden die Möglichkeit, sich in freier Form zu verschiedenen Fragen Notizen zu machen.

Ergebnisse

Im Ergebnis liefen die Erfahrungen da-rauf hinaus, dass das Logbuch schon in der Pilotphase sowohl für die formale wie auch die inhaltliche Ausgestaltung des PJ-Tertials eine wertvolle Hilfe dar-stellte. Der Umfang sowie das durch sie abgedeckte allgemeinmedizinische Spektrum und die Tiefe der Lernziele wurden im Wesentlichen sowohl von Lehrenden wie auch von Studierenden als realistisch und unter den zeitlichen Beschränkungen des Tertials angemes-

Abbildung 2 Beispiel Arbeitsblatt.

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Böhme et al.:Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family Medicine

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sen beschrieben. Kritisch angemerkt wurde, dass bei einigen Lernzielen noch immer Redundanzen bestünden und ei-nige nicht in allen Ausbildungspraxen zu erreichen seien. Außerdem seien eini-ge Lernziele unklar formuliert und miss-verständlich gewesen. Der Empfehlung im Logbuch, regelmäßige, etwa vier-zehntägige Besprechungen zu den Lern-fortschritten abzuhalten, war weit-gehend gefolgt worden. Auch zwischen diesen Terminen schien sich eine gute Feedback-Kultur entwickelt zu haben.

Die Themen der Arbeitsblätter wur-den durchgehend für sinnvoll erachtet, den Studierenden war z. T. der Raum für die Ausarbeitung der Aufgaben zu knapp bemessen. Außerdem wünschten sie sich eine Gelegenheit, eigene Erfahrun-gen und Beobachtungen zu dokumen-tieren. Diese aus den Interviews abgelei-teten Anregungen wurden wie die oben beschriebene Überarbeitung des Lern-zielkataloges schließlich in eine Revisi-on des Logbuches eingearbeitet.

Auch für den Bereich der Organisati-on des Tertials Allgemeinmedizin wurde eine Änderung im Logbuch explizit for-muliert: Als Ergebnis persönlicher Erfah-rungen des Autors aus den Interviews so-wie aus den in der Literatur berichteten Erfahrungen heraus [13, 14, 15], wurde ein monatlicher Erfahrungsaustausch in Form eines Gespräches zwischen PJ-Stu-dierendem und einem Mentor aus dem Lehrbereich Allgemeinmedizin verbind-lich eingeführt. Damit soll sicher gestellt werden, dass die Inhalte des Logbuches in der Praxis in dem Maße bei der Ausbil-dung Berücksichtigung finden, wie der Lehrbereich es intendiert.

Diskussion

Die Einführung des PJ-Tertials All-gemeinmedizin stellte für den Freibur-ger Lehrbereich die Herausforderung dar, ein strukturiertes Lehrangebot für diesen neuen Ausbildungsabschnitt an-zubieten. Konkrete Vorbilder gab es we-der national noch international – alle allgemeinmedizinischen Abteilungen und Lehrbereiche in Deutschland stan-den vor dem gleichen Problem [3]. Ver-schärfend trat das Problem der dezentra-len Ausbildungsstätten hinzu, hoch-schuldidaktische Vorkenntnisse konn-ten bei den Inhabern von Lehrpraxen in der Regel nicht vorausgesetzt werden. Deren Erfahrungen erstreckten sich bis dahin in erster Linie auf den Unterricht von Blockpraktikumsstudierenden (in Freiburg 2./3. klinisches Semester) einer-seits und die Weiterbildung künftiger Hausärzte andererseits. Umso dringen-der schien den Lehrverantwortlichen ei-ne klare Vorgabe von Umfang und In-halt der Lehre im Praktischen Jahr. Da-her besaß die Entwicklung des beschrie-benen Logbuches eine hohe Relevanz für den Freiburger Lehrbereich. Auch in-formelle Gespräche mit Fachschaftsver-tretern bestätigten dies: Die Studieren-den formulierten eindeutig, dass sie sich für beide Seiten transparente und verbind-

liche Lernziele mit definierten Operatio-nalisierungsstufen wünschten. Eine For-derung, die nicht nur im Hinblick auf die dem PJ folgende M2-Prüfung ihre Be-rechtigung hat.

Im Jahre 2007 wurde auf Initiative des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Kultur (MWK) das „Kom-

petenzzentrum Allgemeinmedizin Ba-den-Württemberg“ aus der Taufe geho-ben. Neben den Aktivitäten im Bereich der Forschung zeichnete sich recht bald auch eine zunehmende Tendenz ab, auf dem Lehrsektor zusammenzuarbeiten. Als Voraussetzung für Kooperationen bei der ressourcenintensiven Entwick-lung von Lehrkonzepten und Prüfungen erkannten die Lehrverantwortlichen die Notwendigkeit aufeinander abgestimm-ter Ausbildungs- und Lernziele. Aus die-sem Grunde wurde in Freiburg davon abgesehen, wie ursprünglich geplant, ei-nen bereits für das Blockpraktikum All-gemeinmedizin formulierten und auf die speziellen Freiburger Bedürfnisse ab-gestellten Lernzielkatalog weiterzuent-wickeln. Auch andere Insellösungen, wie z. B. aus Tübingen [16] wurden in dieser Phase der Planung verworfen. Stattdessen sollte der für das PJ zu entwi-ckelnde Lernzielkatalog von vornherein auf eine breitere Basis gestellt und früh-zeitig mit den Vertretern der übrigen Hochschulstandorte abgestimmt wer-den. Um auch die zu erreichende Tiefe der Lernziele, operationalisiert nach Miller [7], auf eine möglichst breite, konsensfähige Basis zu stellen, wurde von Beginn an die Expertise wissen-schaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauf-tragter anderer baden-württembergi-scher allgemeinmedizinischer Abteilun-gen und Lehrbereiche eingeholt. Auf diese Weise durchlief der Lernzielkata-log die beiden beschriebenen Rating- bzw. Review-Verfahren. Neben seiner Verwendung für das Logbuch hat dieser Lernzielkatalog das Potenzial, als Ge-samtlernzielkatalog für das Fach All-gemeinmedizin in Baden-Württemberg zu dienen. Durch Herausnehmen einzel-ner Lernziele bzw. Änderung der Opera-tionalisierungsstufe kann der Katalog auf jede allgemeinmedizinische Unter-richtsveranstaltung zugeschnitten wer-den.

Neben den Lernzielen sind in dem Logbuch Arbeitsaufträge enthalten, de-ren Erfüllung komplexere Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern. Die Bewer-tung dieser Arbeitsblätter durch die Lehrärzte verfolgt lediglich das Ziel, den Studierenden eine Rückmeldung zu ih-rem Leistungsstand zu geben; sie hat kei-ne prüfungsrelevante Konsequenz. Idea-lerweise sollte die schriftliche Bewer-tung jeweils durch ein mündliches Feed-back ergänzt werden.

Tabelle 1 Gewichtete Kriterienliste für die Entwicklung des Logbuches.

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Böhme et al.:Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family Medicine

1. Ausbildungsziele definieren

2. Lernziele definieren

3. Organisatorische Rahmenbedingungen festlegen

4. Qualität des Logbuches überprüfen

5. Vorbereitung auf M2-Prüfung

6. Lernzeiten garantieren

7. Individuelle Praxisspektren berücksichtigen

8. Lernziele überprüfen

9. Praxisorganisation berücksichtigen

10. Landesweiter Abgleich der Lernziele

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Um die Vorgaben des Logbuches auf ihre Umsetzbarkeit in der Praxis hin zu überprüfen und um ggf. „blinde Fle-cken“ des Autors und der beteiligten Experten aufzudecken, war von vorn-herein eine Pilotierung geplant. Diese wurde denn auch mit zwei Studieren-den in zwei Ausbildungspraxen durch-geführt. Die inhaltsanalytische Aus-wertung der abschließend mit den be-teiligten Studierenden und Lehrenden durchgeführten Interviews bestätigten im Großen und Ganzen Konzept, In-halt und Gestaltung des Logbuches. Die wertvollen Anregungen zur Opti-mierung wurden aufgegriffen und in das neu gestaltete Logbuch eingearbei-tet.

Neben der inhaltlichen Überarbei-tung des Lernzielkataloges ist als we-sentliche Neuerung ein „selbstreflexi-ves“ Kapitel aufgenommen worden. War das Logbuch zuvor von den Vor-gaben der Lernziele und der Arbeits-aufgaben her rein ausbilder-zentriert, wurden mit diesem Schritt lerner-zen-trierte Aspekte eingebracht [13]. Dies deckt einerseits Bedürfnisse der Stu-dierenden ab, andererseits bietet es für die Lehrenden in der Zukunft die Chance, für die Studierenden wichti-ge Themen nicht zu übersehen. Der tagebuchartige Charakter dieses Ab-schnittes setzt vonseiten der Studie-renden allerdings ein gewisses Ver-trauen zu den Lehrenden voraus, zu-mindest dort, wo eigene Schwächen und ggf. Versäumnisse dokumentiert werden. Im Falle einer Einsichtnahme

in das Logbuch durch Lehrende müs-sen sie insbesondere darauf vertrauen können, dass dessen Inhalte keinen negativen Eingang in die Beurteilung der M2-Prüfung finden. Wie mit die-sem Problem in der Praxis umgegan-gen werden wird, müssen erste Erfah-rungen noch zeigen.

Die Aufnahme der DEGAM-Eva-luation in das Logbuch stellt den Ver-such dar, mittelfristig zu einer bundes-weiten Auswertung aller allgemeinme-dizinischen Ausbildungsaktivitäten im Praktischen Jahr zu kommen. Auch und gerade vor dem Hintergrund einer an den meisten Standorten unsicheren Finanzierung dieses betreuungsauf-wendigen Ausbildungsabschnittes [17] könnte dies ein Schritt auf dem Weg sein, mit Qualität zu überzeugen.

Zusammengefasst lässt sich fest-halten, dass die Vorzüge des Log-buches darin liegen, den Ablauf des PJ-Tertials Allgemeinmedizin zu struktu-rieren und der Vermittlung von Kennt-nissen, Fertigkeiten und Haltungen ei-ne Beliebigkeit zu nehmen. Lehrende werden in die Lage versetzt, ihre All-tagsroutine mit Ausbildungs- und Lernzielen abzustimmen und können, sofern sie im Rahmen des Staatsexa-mens als Prüfer fungieren, ihre Fragen an diesen Zielen orientieren. Studie-rende erhalten eine transparente, qua-litätsorientierte Ausbildung und Ver-bindlichkeit in Bezug auf die Erwar-tungen, die in der M2-Prüfung an sie gestellt werden. Für Lehrende wie Stu-dierende gleichermaßen stellt das Log-

buch eine gute Grundlage für Feed-back-Gespräche dar.

Ein Schwachpunkt des Lernzielka-taloges liegt in der Tatsache, dass es trotz intensiver Bemühungen und selbst unter Einbeziehung bundeswei-ter Sachkompetenz nie gelingen wird, ihn abschließend so zu vervollständi-gen, dass er zuverlässig das gesamte Gebiet der Allgemeinmedizin abbildet. Sich diesem Ziel zu nähern, wird die Aufgabe eines kontinuierlichen Opti-mierungsprozesses in den nächsten Jahren sein.

Einer eigenen (nicht systemati-schen) Recherche zufolge, verfügen zum jetzigen Zeitpunkt die meisten allgemeinmedizinischen Abteilungen/Lehrbereiche Deutschlands über keine diesem Logbuch vergleichbare Lehr- bzw. Lernhilfe. In Baden-Württemberg zeichnet es sich ab, dass fast alle Stand-orte das Logbuch übernehmen wer-den. Auch über die Landesgrenzen hi-naus gab es bereits im Vorfeld einige Anfragen. Da die Ausbildungs- und Lernziele im PJ nicht standortspezi-fisch sind (oder zumindest nicht sein sollten), ist das Logbuch nach Anpas-sung an die lokalen organisatorischen Rahmenbedingungen grundsätzlich für einen bundesweiten Einsatz geeig-net und soll dementsprechend allen Interessierten zugänglich gemacht werden.Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Dr. med. Klaus Böhme

Lehrbereich Allgemeinmedizin

Medizinische Fakultät der

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Elsässer Str. 2m

79110 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse:

496

Böhme et al.:Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family Medicine

… geb. 1958 in Bochum, Medizinstudium in Bochum, Appro-

bation 1986, Promotion 1987, Facharzt für Allgemeinmedizin

1991, Niederlassung in Bochum von 1991–2005, Lehrpraxis der

Ruhruniversität Bochum. Von 2003–2006 Lehrbeauftragter der

Abteilung für Allgemeinmedizin der Ruhr-Universität Bochum.

Seit März 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Lehrberei-

ches Allgemeinmedizin der Albert-Ludwigs-Universität Frei-

burg, Mitarbeit in hausärztlicher Praxis.

Dr. med. Klaus Böhme …

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11. Mayring, P. Qualitative Inhaltsanalyse. Forum Qual Sozialforsch 2000; 1: Art. 20

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Literatur

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Böhme et al.:Entwicklung eines Logbuches für das PJ-Tertial AllgemeinmedizinDevelopment of a Logbook for the “Practical Year” Elective in Family Medicine

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DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

Martin Scherer1, Erik Plat2, Anja Wollny3

Zusammenfassung: Bei der Behandlung von Patienten mit Nackenschmerzen folgen hausärztliche Behandlungsoptio-nen zumeist dem Modell einer monokausalen Pathophysio -logie. Da die Wirksamkeit der meisten Behandlungsmaßnah-men jedoch häufig fraglich und unzureichend durch klinische Studien gestützt ist, fehlte es bislang an einer deutschsprachigen Behandlungsempfehlung. Für die Versor-gung von Patienten mit unspezifischen Nackenschmerzen wurde von der DEGAM eine neue Leitlinie entwickelt, deren Entstehung sich entsprechend dem DEGAM-Konzept zur Entwicklung, Verbreitung, Implementierung und Evaluation von Leitlinien für die hausärztliche Praxis vollzog. In der Leit-linienentstehung folgt sie dem von der DEGAM entwickelten standardisierten Zehn-Stufenplan zur Leitlinienentwicklung. Die wichtigsten Inhalte der Leitlinie sollen präsentiert wer-den.

Schlüsselwörter: Nackenschmerzen, Leitlinien

Summary: To date, the management of primary care pa-tients with neck pain mostly builds on the assumption of a monocausal pathophysiology. Since most of the common therapeutical approaches suffer from a weak evidence base, no German guidelines on neck pain have been available as yet. According to its concept of development, distribution, and implementation of evidence-based guidelines for family medicine, the German College of General Practitioners and Family Physicians (DEGAM) developed a new guideline in order to improve the health care of patients with neck pain in a primary care setting. The DEGAM-guideline method consists of ten steps. Here, we present the main recommen-dations of the new guideline.

Keywords: neck pain, guidelines

1 Institut für Sozialmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein2 Abteilung Allgemeinmedizin, Universität Nijmegen, NL3 Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf

Commissioned article, not externally peer-reviewedDOI 10.3238/zfa.2009.0498

Einleitung

Leitlinien sind systematisch entwickelte Empfehlungen, die Grundlagen für die gemeinsame Entscheidung von Ärzten und deren Patienten zu einer im Einzel-fall sinnvollen gesundheitlichen Versor-gung darstellen. Die Leitlinien der Deut-schen Gesellschaft für Allgemeinmedi-zin und Familienmedizin (DEGAM) zie-len auf die Beschreibung angemessenen, aufgabengerechten Handelns im Rah-men hausärztlicher bzw. allgemein-me-dizinischer Grundversorgung.

S3-Leitlinien nach dem Stufenkon-zept der Arbeitsgemeinschaft der Wis-senschaftlichen Medizinischen Fachge-sellschaften (AWMF) sind systematisch nach den Prinzipien der evidenzbasier-ten Medizin entwickelte Empfehlungen, die darüber hinaus durch einen forma-

len Konsens über die Inhalte zwischen allen Benutzergruppen gekennzeichnet sind [1].

Bei der Behandlung von Patienten mit Nackenschmerzen folgen hausärzt-liche Behandlungsoptionen zumeist dem Modell einer monokausalen Patho-physiologie. Unter dem Druck der eige-nen und der Patientenerwartung wer-den häufig Verfahren angewendet, die auf einen schnellen Behandlungserfolg zielen [2, 3]. Die Wirksamkeit der meis-ten Behandlungsmaßnahmen ist jedoch häufig fraglich und unzureichend durch klinische Studien gestützt.

Aufgrund fehlender deutschsprachi-ger Behandlungsempfehlungen bestand das Ziel, dem bislang noch sehr varia-blen Vorgehen in der Versorgung von Patienten mit unspezifischen (nicht auf erkennbare spezifische Ursache zurück-

zuführenden) Nackenschmerzen eine Leitlinie gegenüberzustellen, die es er-leichtert:• Chronifizierung zu verhindern und

Symptome nachhaltig zu lindern,• Nackenschmerzen nach Dauer und

Ätiologie einzuteilen,• eine klare und einfache Nomenklatur

zu verwenden,• Differenzialdiagnosen seltener Ursa-

chen von Nackenschmerzen abzuwä-gen,

• unter der überwiegenden Mehrzahl der unkomplizierten Verläufe die ge-fährlichen zu erkennen,

• die Indikation zur bildgebenden Diag-nostik gezielt und rationell zu stellen und

• eine effektive und risikoarme sowie auf das Notwendige fokussierte Thera-pie einzuleiten, um damit Patienten

498 LEITLINIE / GUIDELINE

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und Gesellschaft vor verhältnismäßig riskanten oder unnötigen Prozeduren zu schützen.

Nachdem die methodische Entwicklung der DEGAM-Leitlinie Nackenschmerzen dargestellt wird, sollen nachfolgend die wichtigsten Inhalte der Leitlinie präsen-tiert werden. Für eine ausführliche Lek-türe sei auf http://www.degam.de/ und http://www.omikronverlag.de/ verwie-sen.

Entwicklungsschritte

Die Leitlinie Nackenschmerzen wurde entsprechend dem DEGAM-Konzept zur Entwicklung, Verbreitung, Implemen-tierung und Evaluation von Leitlinien für die hausärztliche Praxis [4] entwor-fen. In der Leitlinienentstehung folgt sie dem von der DEGAM entwickelten stan-dardisierten Zehn-Stufenplan zur Leit-linienentwicklung (vgl. Tab. 1), der im Februar 2008 aktualisiert wurde.

Nach Konstituierung einer the-menbezogenen Arbeitsgruppe an der Abteilung Allgemeinmedizin der Universität Göttingen, wurde zunächst eine systematische Literaturre-cherche durchgeführt, die sich auf die diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen in der Leitlinie bezog.

Die Suche erfolgte in folgenden medizi-nischen Literatur-Datenbanken:– CINAHL (ab März 1982 bis

10.03.2009)– EMBASE (ab1980 bis 10.03.2009)– Medline (ab 1966 bis 10.03.2009)– Cochrane Library: www.cochrane.org

Die Suchstrategie hatte zum Ziel, alle kli-nisch relevanten Artikel zum Thema Na-ckenschmerzen seit 1966 zu finden. Die Suche umfasste alle Publikations- und Studientypen. Auf die Verwendung von Suchfiltern wurde bewusst verzichtet, um den Screeningprozess der gefunde-nen Referenzen möglichst auf der Basis einer erschöpfenden Literatursuche durchführen zu können.

Nachdem 2 Personen unabhängig voneinander die Titel der Suchergeb-nisse durchgesehen hatten (MS und EP) verblieb eine Zahl von 244 poten-ziell relevanten Referenzen. Diese wur-den (dieses Mal mit Abstract) wieder-um von 2 Personen gesichtet, um ent-scheiden zu können, welche Artikel eingeschlossen werden sollten. Un-stimmigkeiten bezüglich Ein- oder Ausschluss eines Artikels wurden durch Konsens gelöst. Im Zweifel wur-den Artikel im Volltext angefordert, ge-lesen und dann auf die klinische Rele-vanz für die Leitlinie überprüft. Der Datenbanksuche und dem Screening-

prozess schloss sich eine Handsuche an, bei der die Referenzlisten der Voll-textartikel auf weitere relevante Quel-len überprüft wurden.

In den oben genannten Datenban-ken wurden neben relevanten Origi-nal- und Übersichtsarbeiten auch nach Leitlinien für Nackenschmerzen ge-sucht. Zusätzlich wurden in Pubmed mit Hilfe der MESH-Terms (medical subject heading) „guideline“ und „neck“ gesucht.

Da sich alle Aussagen und Empfeh-lungen der Leitlinie auf verfügbare beste Evidenz gründen, wurde die Evidenzgü-te der Quellen entsprechend einer sechs-stufigen Skalierung eingeteilt [5]. Diese Empfehlungen wurden wiederum in 3 Stärkegrade eingeteilt (A, B, C), die sich von den jeweiligen Evidenzlevels ablei-ten (vgl. Tab. 2). Demzufolge wurden die Empfehlungen und Belege in der Leit-linie systematisch nach der Qualität der zugrunde liegenden Studien bewertet. Die in Klammern angefügten „levels of evidence“ umfassen: • einen Buchstaben-Code für die Fra-

gestellung der Arbeit(en) (vgl. Tab. 3)• eine römische Ziffer (I–IV) zur Kenn-

zeichnung des Evidenzlevels auf-grund des Studiendesigns sowie

• eine Endnote, die – soweit vorhanden – auf die entsprechende Publikation hinweist.

Tabelle 1 10-Stufen-Plan der DEGAM (Kurzform).

499

Scherer et al.:DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

Stufe

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Aufgaben

Beauftragung eines koordinierenden Zentrums

Konstituierung einer themenbezogenen Arbeitsgruppe und Durchführung eines Literatur-Reviews

Erstellung eines Erstentwurfs sowie erste Konsensbildung

Strukturierte Stellungnahme eines Ärztepanels (10–25 Allgemeinärzte aus Forschung, Lehre und Praxis)

Erstellung eines resultierenden Zweitentwurfs, Benennung und Votum der Paten

Konsentierungsprozess: Konsensusbildung mit Fachgesellschaften, Berufsverbänden, Patientenvertretern und Vertretern anderer Berufsgruppen, ggf. Erstellung eines Drittentwurfs

Nach Feststellung der Praxistesttauglichkeit durch die Paten: Praxistest in Qualitätszirkeln, Praxisnetzen und Einzelpraxen

Erstellung eines Viertentwurfs und formale Überprüfung durch die Paten und der Ständigen Leitlinien-Kommission

Autorisierung durch das DEGAM-Präsidium als Empfehlung der DEGAM

Erstveröffentlichung in der „ZFA – Zeitschrift für Allgemeinmedizin“, in einer Druckfassung sowie einer (gekürzten) allgemein zugänglichen Internetpublikation

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Auf Grundlage dieser Literaturrecherche wurde ein Erstentwurf der Leitlinie erarbeitet, der dann in einem weiteren Schritt 2006 einem Ärztepanel aus 26 Bremer Hausärzten vorgelegt wurde. Nachdem die Ärzte die Leitlinie zu-nächst zum Lesen für einen zweiwöchi-gen Beobachtungszeitraum zugesandt bekamen, wurden sie anschließend mit einem standardisierten Fragebogen zu Inhalten der Leitlinie und deren An-wendbarkeit befragt. Der Fragebogen enthielt 14 Items, die teils dichotome, teils Likert-skalierte und offene Ant-wortmöglichkeiten boten. Die Kom-mentare aus dem Paneltest wurden (wie bei Peer-Review-Verfahren international üblich) durch eine Punkt-für-Punkt-Antwort bearbeitet und entweder umge-setzt oder mit entsprechender Begrün-dung abgelehnt.

Die überarbeitete Version der Leit-linie wurde dann den Paten und danach der Ständigen Leitlinienkommission der DEGAM zur Feststellung der Praxistest-reife vorgelegt.

Der Praxistest wurde von der Ab-teilung für Allgemeinmedizin und Ver-sorgungsforschung der Universität Hei-delberg ab Dezember 2007 durch-geführt [6]. Hierzu wurde die Leitlinie „Nackenschmerzen“ an 20 Hausarzt-praxen versendet. Die Hausärzte wur-den gebeten, die Leitlinie für ca. 4 Wo-chen in ihrem Alltag praktisch anzu-wenden. Es sollte vordergründig auf die

Verständlichkeit, Relevanz, Umsetzbar-keit und Praktikabilität geachtet wer-den. Anschließend fanden zwei Fokus-gruppensitzungen im Februar und März 2008 statt, in der über die An-wendbarkeit und Umsetzung der neuen Leitlinie „Nackenschmerzen“ dis-kutiert wurde. Insgesamt nahmen 14 Ärzte an den Gruppendiskussionen teil, in denen neben der Langversion, die Kurzversion und auch die Patienten-information berücksichtigt wurden. Die Sitzungen der Fokusgruppen dauer-ten jeweils 90 Minuten und wurden mit Tonband aufgezeichnet und nachfol-gend transkribiert. Die vorliegenden anonymen Texte der Fokusgruppendis-kussionen wurden unter der globalen Fragestellung des Projekts systematisch inhaltsanalytisch ausgewertet.

Wie schon beim Paneltest wurden die Kommentare des Praxistests durch eine Punkt-für-Punkt-Antwort bearbei-tet und entweder umgesetzt oder mit entsprechender Begründung abgelehnt. Die überarbeitete Version der Leitlinie (Drittentwurf) wurde zunächst den Pa-ten und dann der Ständigen Leitlini-enkommission der DEGAM zur Feststel-lung der Konsensusreife vorgelegt.

Infolgedessen wurden alle für die Be-handlung von Patienten mit Nacken-schmerzen in Betracht kommenden Fachgruppen zu einem Konsensustref-fen am 20.11.2008 in Göttingen einge-laden. Das Konsensusverfahren fand als

nominaler Gruppenprozess unter der Moderation der AWMF statt. Der Nomi-nale Gruppenprozess gliedert(e) sich in 6 Schritte:1. Stille Durchsicht des Leitlinienma-

nuskripts (Kernempfehlungen) und2. Gelegenheit zu Notizen zu den Kern-

aussagen, Schlüsselempfehlungen und der vorgeschlagenen Graduie-rung;

3. Registrierung der Stellungnahmen und Alternativvorschläge aller Teil-nehmer zu allen Aussagen und Emp-fehlungen im Einzelumlaufverfahren durch die Moderatoren, dabei Redner-beiträge nur zur Klarstellung; Projekti-on per Beamer;

4. Vorherabstimmung aller Empfehlun-gen und Empfehlungsgrade sowie der genannten Alternativen;

5. Diskussion der Punkte, für die im ers-ten Durchgang kein Konsens erzielt werden konnte;

6. endgültige Abstimmung.

Aufgrund der konsentierten Empfeh-lungen wurde der Viertentwurf der Leit-linie erstellt. Dieser wurde wiederum durch die Paten und die Ständige Leit-linienkommission der DEGAM über-prüft, bevor die Leitlinie durch das DEGAM-Präsidium als Empfehlung der DEGAM autorisiert wurde. Nachfolgend sollen die wichtigsten Inhalte der Leitli-nie Nackenschmerzen vorgestellt wer-den.

Tabelle 2 Skalierung zur Evidenzgüte.

500

Scherer et al.:DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

Level

Ia

Ib

IIa

IIb

III

IV

Studientyp

Metaanalyse randomisierter Studien

einzelne randomisiert kontrollierte Studie

gut geplante nicht randomisierte kontrollierte Studie

gut geplante quasi-experimentelle Studie

gut geplante nicht experimentelle deskriptive Studie

Expertenmeinungen, Konsensuskonferenzen etc.

Stärkegrade

A

A

B

B

B

C

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Wichtige Empfehlungen der Leitlinie

Definition, Epidemiologie und Ätiologie

Obwohl bislang noch keine internatio-nal gültige Definition etabliert ist, emp-fiehlt die International Association for the Study of Pain (IASP), Nacken-schmerzen zu begreifen als: Schmerz in dem Gebiet, das nach oben durch linea nuchalis superior, nach unten durch den ersten Brustwirbel und seitlich durch die schultergelenksnahen Ansät-ze des Musculus trapezius begrenzt wird [7]. Klinisch handelt es sich um teils in den Hinterkopf, teils in die Ar-me ausstrahlend schmerzhafte Muskel-verspannungen (Muskelhartspann, lo-kalisierte Myogelosen), teils verbunden mit schmerzhaften Bewegungsein-schränkungen.

Unspezifischen Nackenschmerzen liegen keine raumfordernden, entzünd-lichen, traumatischen oder systemi-schen Prozesse zugrunde. Die häufig verwendeten Synonyma für Nacken-schmerzen (Zervikalneuralgie, HWS-Syndrom, Zervikozephales Syndrom, Zervikobrachialsyndrom, Zervikalsyn-drom) haben rein deskriptiven Charak-ter und lassen keinen Rückschluss auf Kausalität zu. Nach ihrem klinischen Er-scheinungsbild teilt man Nacken-schmerzen ein in:• akute (0–3 Wochen Dauer),• subakute (4–12 Wochen Dauer),• chronische (länger als 12 Wochen

Dauer) und• rezidivierende (beschwerdefreies In-

tervall maximal 4 Wochen).

Nackenschmerzen sind mit einer Punkt-prävalenz von etwa 10–15 % [8, 9] ein häufiger Beratungsanlass. Die Jahresprä-valenz wird in Skandinavien und Groß-britannien mit 29–34 % [10–11] angege-ben. Die Lebenszeitprävalenz beträgt in Skandinavien annähernd 50 % [9, 12]. Den zahlreichen Studien aus Nordame-rika, den Niederlanden und Skandina-vien steht bislang eine noch unbefriedi-gende Datenbasis zur Epidemiologie von Nackenschmerzen in der deutschen Bevölkerung gegenüber [13, 14].Akute und subakute Nackenschmerzen sind ursächlich meistens ungeklärt und in weniger als 1 % der Fälle Zeichen einer gefährlichen Grunderkrankung (z. B. ZNS-Tumoren, Infektionen oder Aneurysmen) [15]. Die Vielzahl der sy-nonym verwendeten Begriffe suggeriert diagnostische Differenzierungsmöglich-keiten, die bei Weitem nicht vorhanden sind. Wegen geringer Reliabilität und Validität eignet sich die manuelle Unter-suchung nicht für eine pathophysiolo-gisch fundierte Diagnosestellung [16, 17]. Nur in Ausnahmefällen gelingt bei unkomplizierten Nackenschmerzen ei-ne eindeutige ätiologische Zuordnung. Auch durch bildgebende Verfahren kann selbst bei radiologisch nachweis-baren Veränderungen nur selten ein kausaler Zusammenhang mit den ge-klagten Symptomen hergestellt werden [18, 19].

Als wichtige Einflussfaktoren für das Auftreten von Nackenschmerzen wer-den Übergewicht, Schwangerschaft, körperliche Arbeit (besonders Bauarbei-ter und Krankenschwestern), Lebens-alter [20], subjektive Gesundheitsein-stellung [21], chronischer Stress [20]

und Komorbidität [22] genannt. Eine besondere Rolle spielen Ängstlichkeit und Depressivität bei der Entstehung und der Verarbeitung von Nacken-schmerzen. Hier scheint eine Dosis-Wir-kungsbeziehung vorzuliegen: je stärker die Nackenschmerzen, desto stärker die psychosoziale Belastung [23].

Abwendbar gefährliche Verläufe

Zu den wichtigsten und dramatischen abwendbar gefährlichen Verläufen zählt, neben der Dissektion die sponta-ne Subarachnoidalblutung, die sich u. a. als plötzlicher Vernichtungsschmerz be-merkbar macht [24]. Extrem selten kom-men zervikale Osteomyelitis und epidu-rale Abszesse als Ursache von Nacken-schmerzen vor [25]. Über zervikale Dis-zitis liegen gar keine Studien, für septi-sche Arthritiden im Bereich des Nackens ausschließlich Fallstudien vor [26]. Eine Meningitis verursacht ebenfalls Nacken-schmerzen – allerdings nur als ein Symp-tom eines komplexen klinischen Bildes (ähnlich wie bei den anderen oben ge-nannten Infektionen). Hier eignet sich neben anderen diagnostischen Mög-lichkeiten ein positives Kernigzeichen zur Abgrenzung gegen unkomplizierte Nackenschmerzen. Zum Beginn seiner Entstehung kann ein epidurales Häma-tom mit Nackenschmerzen einhergehen – noch Stunden vor dem Auftreten sen-somotorischer Defizite [27, 28].

Diagnostisches Vorgehen

Anamnese

Aus der Vorgeschichte der Patienten sollte erfragt werden, ob eine Neoplasie,

Tabelle 3 Codierung der Fragestellung.

501

Scherer et al.:DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

Code

T

K

P

D

S

Fragestellung

Therapie – Prävention

Kausalität/Ätiologie – Risikofaktoren – Nebenwirkungen von Therapie

Prognose

Diagnose

Symptomevaluation – Differenzialdiagnose

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Osteoporose oder eine andere systemi-sche Erkrankung oder ein Trauma be-kannt ist. Zu Erheben ist des Weiteren ei-ne medikamentöse Anamnese, ins-besondere im Hinblick auf eine Korti-koidlangzeitmedikation. Wichtige In-formationen sind außerdem, ob evt. un-gewollte Gewichtsabnahme oder nächt-liche Schmerzen bzw. Dysphagie oder retrosternale Schmerzen bekannt sind. Bei hohem kardiovaskulärem Risiko sollten klinische Zeichen der KHK er-fragt werden.

Bei Verdacht auf einen chronischen Verlauf sollten die hierfür in Betracht kommenden Risikofaktoren berücksich-tigt werden (z. B. Angst, Beunruhigung und depressive Stimmungsanlage [29]). In diesem Zusammenhang sind auch mögliche berufliche Einflüsse zu beach-ten (wie u. a. fehlende Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, hohes Ar-beitspensum, Arbeitsbelastung und mangelnde Kooperation) [30].

Klinische Untersuchung

Die allgemeine Inspektion fokussiert auf den Allgemeinzustand, insbesonde-re in Bezug auf Aspekte einer konsumie-renden oder systemischen Erkrankung (Meningitis mit Nackensteifigkeit). Aus der Beobachtung der funktionellen Ein-schränkung (z. B. Kopfhaltung) und des Schmerzverhaltens können häufig schon erste Rückschlüsse gezogen wer-den. Bei der Inspektion des Nackens ist die Kopfstellung wichtig. Eine schmerz-bedingte Fehlhaltung muss von einer seltenen strukturellen Fehlhaltung un-terschieden werden. Asymmetrien des Gesichts oder des Schädels weisen auf angeborene Fehlstellungen (Blockwir-bel, muskulärer Schiefhals, etc.) hin. Bei Miosis, Ptosis oder Enophthalmus (Hor-ner-Syndrom) sollte eine Dissektion hirnzuführender Gefäße bzw. ein Pan -coast-Tumor ausgeschlossen werden. Schließlich sollte sich die Inspektion auf die gesamte Wirbelsäule ausdehnen und die Prüfung von Deformitäten oder Fehlhaltungen beinhalten. Dabei sollte insbesondere auf Schulterschiefstand, Skoliose, Beinlängendifferenz sowie auf die Krümmungsverhältnisse der Wirbel-säule geachtet werden (HWS-Lordose, BWS-Kyphose, LWS-Lordose).

Bei der Palpation des Weichteilge-webes geht es vor allem darum, ein Ge-fühl für die Gewebsqualität zu ent-wickeln. Dabei werden Hauttemperatur,

Gewebsschwellungen (Kibler-Falte) und Muskeltonus erfasst. Zum Teil können lokalisierte schmerzhafte Punkte im myofaszialen Gewebe gefunden und manchmal auch getastet werden. Diese werden als Triggerpunkte bezeichnet. Davon nicht eindeutig abzugrenzen sind die sog. Tender points bei Fibromy-algie im Nackenbereich [31]. Vom ersten Halswirbel (C1, Atlas) sind nur die Quer-fortsätze zwischen Mastoid und Unter-kieferast tastbar, während bei den übri-gen Halswirbeln nur die Spinalfortsätze tastbar sind. Beim ersten tastbaren Spi-nalfortsatz handelt es ich um den zwei-ten Halswirbel (C2). Der siebte Halswir-bel (C7, Vertebra prominens) ist leicht durch seinen prominent hervorstehen-den Dornfortsatz zu finden. Die anderen Halswirbel können durch eine Orientie-rung an diesen Landmarken identifiziert werden. Normalerweise verursacht der Druck auf C7 keinen Schmerz.

Alle diese Untersuchungen zeigen bei systematischer Überprüfung eine ge-ringe Reliabilität sowie eine ausgeprägte Untersucherabhängigkeit [32, 33]. Gera-de vor diesem Hintergrund ist es wich-tig, dass der Untersucher authentisch wirkt. Dennoch kann eine sorgfältige Palpation richtungweisend sein und ist zudem ein Signal, dass die Beschwerden ernst genommen werden. Wir halten die Palpation für unverzichtbar (C).

Die genaue Angabe von Gradzahlen nach der Neutral-Null-Methode ist im hausärztlichen Praxisalltag nicht not-wendig. Allerdings sollte eine orientie-rende Bewegungsprüfung erfolgen: Reklination, Inklination, Rotation, Seit-neigung und Rotation bei Inklination.

Bildgebende Diagnostik

Bei nicht traumatischen Nackenschmer-zen ist auf eine Röntgenunter-suchung zu verzichten, wenn Hinwei-se auf abwendbar gefährliche Verläufe zuvor ausgeschlossen wurden (D IV) [34]. Unter der Prämisse einer zuvor er-folgten sorgfältiger Anamnese und kör-perlichen Untersuchung ist der poten-zielle Erkenntniszuwachs durch eine Röntgenuntersuchung überaus gering. Als Screening-Instrument bei Nacken-schmerzen ist sie gänzlich ungeeignet. Osteoarthrose-Zeichen im Röntgenbild der HWS korrelieren nicht mit Schmer-zen (D III) [35–37].

Eine Röntgenuntersuchung der zer-vikalen Wirbelsäule sollte bei Patienten

mit langfristigen Schmerzen, Trauma und Verdacht auf Vorliegen einer knö-chernen Veränderung (z. B. bei steroida-ler Dauermedikation, Verdacht auf Mali-gnität, Osteoporose, Polyarthritis) erfol-gen [38].

Wenngleich die Computertomo-graphie sehr hilfreich bei dem Ver-dacht auf eine Radikulopathie oder Myelopathie ist, eignet sie sich ebenso wenig wie konventionelles Röntgen als Routineuntersuchung zur Abklä-rung von Nackenschmerzen ohne Warnsymptome (D IV) [39, 40]. Ein CT sollte nur bei Verdacht auf osteo-ligamentäre Läsionen oder auffäl-ligem, bzw. ungenügend aussagekräfti-gem Röntgenbefund durchgeführt werden (D III) [41].

Bei akuten unkomplizierten, unspe-zifischen Nackenschmerzen (ohne Warnzeichen oder neurologische Symp-tome) ist keine Magnetresonanzto-mographie (MRT) indiziert. Einer Stu-die von MacGregor et al. zufolge haben HWS-Veränderungen im MRT keine prognostische Relevanz (D III) [42]. Ei-nen Zusammenhang zwischen radio-logischen Veränderungen und Schmer-zen gibt es ausschließlich für radikuläre Syndrome im HWS-Bereich (D III) [43]. Als Indikationen für ein MRT gelten pro-gressive, frische oder therapieresistente neurologische Defizite sowie radikuläre Schmerzen mit anamnestisch vermute-tem Bandscheibenprolaps innerhalb der letzten zwei Jahre (D IV) [44] sowie der Verdacht auf eine Gefäßdissektion.

Die Blutsenkungsgeschwindig-keit (BSG) sollte ermittelt werden, wenn Verdacht auf eine spinale Infekti-on (D IV) [45], Malignität oder eine Sys-temerkrankung (wie z. B. rheumatoide Arthritis oder Osteoporose) besteht. Ei-ne normale BSG schließt aber einen pa-thologischen Prozess nicht aus (D IIb) [46, 47]. Spinale Infektionen zeigen in der Regel hohe Leukozytenzahlen (D III) [48] und eine deutliche Erhöhung des C-reaktiven Proteins (D III) [49]. Um die Gefahr zu verringern, ein malignes Ge-schehen zu übersehen, kann die Bestim-mung der Alkalischen Phosphatase (D IIb) [50] und des Serumkalziums ver-anlasst werden (D IV) [51] – jedoch nur bei entsprechendem Verdacht und nicht als routinemäßiges Screening. Sobald Hinweise auf abwendbar gefährliche Verläufe vorliegen, sollte der Patient zum entsprechend der vorliegenden

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Symptomatik spezialisierten Facharzt überwiesen werden.

Therapeutisches Vorgehen

Behandlungsprinzipien und Patientenein-

beziehung

Die Wirksamkeit vieler Behandlungs-maßnahmen bei Nackenschmerzen ist fraglich und häufig nur unzureichend durch wissenschaftliche Evidenz ge-stützt. Aufgrund des meist selbstlimitie-renden Charakters von Nackenschmer-zen muss aber die oberste Maxime der Therapie lauten: Primum non nocere (lat.: zuerst einmal nicht schaden). Die-ser Grundsatz, der auch für alle anderen muskuloskeletalen Beschwerden gelten sollte, steht im Zentrum der hippokrati-schen Tradition des ärztlichen Han-delns.

Darüber hinaus sollte bei der Be-handlung von Patienten mit Nacken-schmerzen noch ein weiteres Prinzip gelten, nämlich das der partizipativen Entscheidungsfindung (shared decision making). Voraussetzung hierfür ist ein frühzeitiges Erfragen der Patientenwün-sche, das für jeden Patienten ein indivi-duelles kommunikatives Vorgehen er-fordert. Gerade in der Behandlung von Patienten mit Nackenschmerzen sind im Spannungsfeld zwischen Patienten-wunsch, eigenen Vorstellungen, Budge-tierung und Evidenz vielfach Kompro-misse erforderlich – insbesondere bei häufig nachgefragten physikalischen Anwendungen, die in hausärztlichen Praxen gut umsetzbar, jedoch zum Großteil nicht durch wissenschaftliche Evidenz gestützt sind. Ziel der Beratung ist es, die Patienten empathisch zu be-gleiten, sie aktiv in die Behandlung ein-zubeziehen und zu einer baldigen Wie-deraufnahme der Alltagsaktivitäten zu ermutigen.

Des Weiteren sollte auf den prognos-tisch günstigen Effekt von sportlicher Betätigung hingewiesen werden (K IIb) [52]. Über den Einfluss von sportlicher Aktivität speziell bei Nackenschmerzen existieren keine Daten. Allerdings ist da-von auszugehen, dass Krankengymnas-tik bei subakuten und chronischen Na-ckenschmerzen zur Reduktion von Schmerzen und Funktionseinschrän-kungen beiträgt. Studien zu Kranken-gymnastik zeigen, dass Ausdauer-, Kräf-tigungs- und Koordinationstraining zu

einer Verbesserung der Muskelfunktion führen (T Ia) [53, 54].

Weitere Bestandteile der Beratung sollten der zumeist harmlose Charakter der Nackenschmerzen, die hohe Spon -tanheilungstendenz und die Neigung zu Rezidiven sein. Die Grenzen von Diag-nostik und Therapie sollten offen ange-sprochen werden. Patienten sollten auf mögliche Risikofaktoren für Nacken-schmerzen aufmerksam gemacht (z. B. Übergewicht, Schwangerschaft und Ar-beitssituation) und offen auf chro-nischen Stress, Depressivität oder Ängst-lichkeit angesprochen werden (K Ia) [55].

Bei chronischen Nackenschmerzen ist eine verhaltenstherapeutische Mit-behandlung zu empfehlen [56]. Mittler-weile existieren einige Manuale und Pa-tientenratgeber zur psychologischen Schmerztherapie [57–59].

Lokale Anwendung von Wärme kann die Mikrozirkulation der Haut verbessern (T IIa) [60]. Eine Verbes-serung muskuloskeletaler Schmerzen oder des Bewegungsumfangs der Hals-wirbelsäule wurde nicht durch Studien nachgewiesen. Jedoch sollten Patien-ten zu Therapien ermutigt werden, die sie als lindernd empfinden und selbst anwenden können – sofern sie kosten-neutral sind und nicht schaden. Aller-dings sollten Patienten zum vorsichti-gen Umgang mit Wärme (z. B. Wärm-flasche in ein Tuch einwickeln) ange-halten werden, um Verbrennungen zu vermeiden.

Patienten mit Nackenschmerzen fragen häufig nach geeigneten Kopfkis-sen, um die Beschwerden nachts zu lin-dern. Auf der Grundlage der verfüg-baren Literatur kann kein bestimmtes Kissen empfohlen werden. Daher sollte dem Patienten zum Gebrauch der ihnen am bequemsten erscheinenden Kopf-unterlage geraten werden.

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie bei Na-ckenschmerzen ist rein symptomati-scher Natur und soll den Patienten un-terstützen, frühzeitig seine übliche Akti-vität wieder aufzunehmen. Im Gegen-satz zu Kreuzschmerzen [61] gibt es we-nige Daten über die medikamentöse Be-handlung von Patienten mit Nacken-schmerzen. In der vorhandenen Litera-tur wird entweder gar nicht oder nur un-zureichend auf die Tatsache eingegan-

gen, dass unterschiedliche Bereiche in-nerhalb der Nackenregion auch unter-schiedlich auf medikamentöse Inter-ventionen ansprechen.

Randomisierte kontrollierte Studien zu Paracetamol bei Nackenschmerzen waren nicht zu finden. Obwohl die Wirksamkeit nicht steroidalder Anti -rheumatika (NSAR) bei akuten musku-loskeletalen Schmerzen gut belegt ist (T Ia) [62, 63], gibt es nur wenig Literatur für NSAR bei Nackenschmerzen.

Aufgrund der ausgesprochen dün-nen Evidenzlage zur oralen Medikation bei Nackenschmerzen schlagen wir vor, sich bei akuten Nackenschmerzen, am Stufenschema der WHO zu orientieren [64]. Bei nicht ausgeprägten Nacken-schmerzen ist Paracetamol das Mittel der ersten Wahl, sofern der Patient es nicht bereits selbst in ausreichender Do-sierung eingenommen hat. Seine Wirk-samkeit ist bei verschiedenen Schmerz-zuständen belegt. Bei ungenügender Wirkung können Acetylsalicylsäure (ASS) und nicht steroidale Antirheuma-tika (NSAR) eingesetzt werden. Auf-grund ihrer unerwünschten Arzneimit-telwirkungen (v. a. gastrointestinale Blu-tungen) sind sie insbesondere bei ent-sprechender Anamnese zurückhaltend einzusetzen und bei älteren Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion zu vermeiden. Ibuprofen oder Diclofenac zeigen die geringste Wahrscheinlichkeit für gastrointestinale Komplikationen (K Ia) [65, 66]. Diazepam ist bei subakuten Nackenbeschwerden nicht wirksam (T Ib) [67, 68], während Tetrazepam im Vergleich zu Paracetamol durchaus posi-tive Effekte bei akuten Beschwerden auf-wies (T Ib) [69].

Einigen Interventionsstudien zufol-ge sind intramuskuläre Injektionen in myofasziale Triggerpunkte mit Lidocain sowohl kurzfristig (2 Wochen) (T Ib) [70] als auch langfristig (3 Monate) (T Ib) [71] wirksam, sofern sie mit Dehnungsübun-gen kombiniert werden. Allerdings kann hier nicht näher konkretisiert werden, um welche Dehnungsübungen es sich im Einzelnen handelt. Ein im Zusam-menhang mit Injektionen bekanntes Problem ist das der iatrogenen Fixie-rung. Dies sollte auch in der Behand-lung von Patienten mit Nackenschmer-zen berücksichtigt und ggf. offen ange-sprochen werden. Gerade im Hinblick auf diese mögliche Fixierung sollten In-jektionen mit Bedacht angewandt wer-

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den. Falls Injektionen durchgeführt wer-den, ist nur die Wirksamkeit von Lido-cain als tiefe paravertebrale intramusku-läre Infiltration in Studien belegt.

Nichtmedikamentöse Therapie

Wenngleich Krankengymnastik ein sehr heterogener Begriff ist, der die un-terschiedlichsten therapeutischen Inter-ventionen umfasst (je nach Spezialisie-rung des Physiotherapeuten), ist sie in den unterschiedlichsten Kombinatio-nen mit anderen Therapien wirksam (T Ia) [72]. So ist bei chronischen Nacken-schmerzen (sowohl mit als auch ohne Kopfschmerzen) eine Kombination aus Krankengymnastik und manueller Therapie zu empfehlen. Es handelt sich hierbei – im Gegensatz zu klassi-scher Massagetherapie – um einen nach-haltigen Effekt, der durchschnittlich mind. 3 Monate anhält (T Ia [73], T Ib [74]). Leider bleibt unklar, welche kran-kengymnastischen Übungen im Einzel-nen empfohlen werden können und welcher therapeutische Nutzen ihnen innerhalb einer multimodalen Behand-lung zugeschrieben werden kann.

Unter Manipulation im Rahmen ei-ner chirotherapeutischen Behand-lung ist eine lokalisierte mechanische Einflussnahme mit hoher Geschwindig-keit und niedriger Amplitude an den zer-vikalen Gelenksegmenten zu verstehen (diese therapeutische Option ist in Deutschland an die Zusatzbezeichnung Manuelle Medizin/Chirotherapie gebun-den). Mobilisation bedeutet entweder ei-ne passive Bewegung der Halswirbelsäule mit niedriger Geschwindigkeit und wech-selnder Amplitude oder neuromuskuläre Techniken innerhalb des normalen Bewe-gungsumfanges des Patienten. Bei Patien-ten, die mindestens einen Monat unter Beschwerden leiden, führen Manipulati-on und Mobilisation in Kombination mit Physiotherapie zu Schmerzreduktion und der Förderung täglicher Aktivitäten (T Ia) [75]. Obwohl Manipulation und Mobili-sation mit Physiotherapie einen positiven Einfluss auf das Schmerzerleben zu haben scheint, bleibt unklar, ob die genannte Dreierkombination wirksamer ist als Phy-siotherapie alleine (T Ib) [76]. Für Manipu-lation oder Mobilisation ohne Kranken-gymnastik liegt kein überzeugender Beleg der Wirksamkeit vor (T Ia) [77], sodass wir Manipulation und/oder Mobilisation in Kombination mit Krankengymnastik empfehlen.

Wenngleich Manipulation und Mobilisa-tion einander ebenbürtig sind (weil für keines der beiden Verfahren Überlegen-heit gezeigt werden konnte), weist die zervikale Manipulation eine deutlich hö-here Komplikationsrate auf [78, 79] (u. a. Schmerzzunahme, Kopfschmerzen oder in den Arm ausstrahlende Schmer-zen). Aufgrund des oben beschriebenen Risikospektrums der chirotherapeuti-schen Manipulation sollte mobilisieren-den Maßnahmen grundsätzlich der Vor-zug gegeben werden. Sollte dennoch Ma-nipulation erwogen werden, sollten fol-gende 3 Bedingungen erfüllt sein: • Abwesenheit von Kontraindikatio-

nen, • Aufklärung und Einverständnis des

Patienten (ggf. schriftlich) und • entsprechende Befähigung/Ausbil-

dung.

Obwohl klassische Massagetherapie immer seltener verordnet wird, wird sie von Patienten nach wie vor häufig ge-wünscht. In einem aktuellen Cochrane-Review zeigen sich durchweg insignifi-kante Effekte für Massage als Monothe-rapie (T Ia) [80]. Eine Reihe von Studien untersuchte die Wirksamkeit von Mas-sage in Kombination mit anderen, zum Teil sehr heterogenen Behandlungs-modalitäten (Lymphdrainage, Exercise, Traktion, Mobilisation und andere) [u. a. 81] mit meist positivem Effekt. Al-lenfalls ist Massage als Bestandteil eines multimodalen Behandlungsprogramms wirksam – wenngleich auch hierfür kei-ne ausreichende Evidenz vorliegt. Auf-grund der mangelnden Evidenz für oder gegen Massage als Monotherapie kann über diese Therapieform keine Aussage getroffen werden.

Im Überblick über die aktuelle Lite-ratur finden sich in erster Linie Studien über Akupunktur bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen. Ver-schiedene Varianten der Scheinaku-punktur wurden mit Akupunktur vergli-chen, die moderate Belege für ihre Wirk-

samkeit ergaben (T Ia) [82–84]. Um ei-nen therapeutisch akzeptablen Erfolg zu erzielen, sind mindestens 6 Sitzungen erforderlich [85]. Vermutlich ist Aku-punktur auch wirksamer als Massage, wobei aber (wie bereits beschrieben) der positive Einfluss von Massage ohnehin begrenzt ist. Akupunktur kann eine The-rapieoption der Wahl bei Patienten mit chronischen Nackenschmerzen sein, obwohl unklar ist, wie lange der thera-peutische Effekt anhält.

Trotz einer breiten Auswahl elektro-therapeutischer Geräte ist der Nutzen der Elektrotherapie bei Nackenschmer-zen nicht ausreichend belegt. Es man-gelt an positiver Evidenz zur Elektrothe-rapie, sodass sie (von einem möglichen Placebo-Effekt abgesehen) weder emp-fohlen noch abgelehnt werden kann.

Schlussfolgerungen

Den Benutzern dieser Leitlinie wird es ermöglicht, ihr ärztliches Handeln wis-senschaftlich zu untermauern und am aktuellen Stand der Forschung zu orien-tieren. Das Hauptziel aber ist die Opti-mierung der Primärversorgung von Pa-tienten mit Nackenschmerzen im Sinne der evidenzbasierten Medizin.

Zusammenfassend kann für die the-rapeutischen Maßnahmen festegestellt werden, dass sich bei akuten Nacken-schmerzen (0–3 Wochen) eine Analgesie mit Paracetamol und/oder NSAR – ggf. in Kombination mit Tetrazepam emp-fiehlt. Wichtig ist der Hinweis auf regel-mäßige, dauerhafte sportliche Betäti-gung und die frühe Wiederaufnahme der Alltagsaktivität. Bei subakuten und chronischen Nackenschmerzen ist Krankengymnastik (ggf. mit manualme-dizinischer Behandlung) sowie bei chro-nischen Nackenschmerzen zusätzlich Muskelkräftigung zu empfehlen. Bei entsprechender handwerklicher Erfah-rung können bei akuten, subakuten und chronischen Nackenschmerzen intra-

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Scherer et al.:DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

… ist seit 2004 als Facharzt für Allgemeinmedizin klinisch tätig.

Von 2004–2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung

Allgemeinmedizin, Universitätsmedizin Göttingen (dort 2008

Habilitation mit einer Schrift über die Primärversorgung von Pa-

tienten mit Herzinsuffizienz). Seit Februar 2009 ist er Inhaber der

Professur „Versorgungsforschung und ihre Methoden“ und stellv.

Direktor des Instituts für Sozialmedizin der Universität Lübeck.

Prof. Dr. med. Martin Scherer …

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muskuläre Injektionen mit Lidocain an-gewandt werden.

Sponsoren und Interessenkon -flikte: Martin Scherer wurde während eines Teils der Entwicklungszeit dieser Leitlinie (01.01.2006–31.12.2007) im Rahmen des BMBF-Programms zur För-derung des wissenschaftlichen Nach-wuchses in der Allgemeinmedizin un-terstützt (Förderkennzeichen Projekt „Nackenschmerz“: 01 GK 0516). Er ist Sprecher der Ständigen Leitlinienkom-mission der DEGAM und DEGAM-Ver-treter in der Leitlinienkommission der AWMF.

Erik Plat wurde während seines Aufent-halts als Gastwissenschaftler an der Ab-teilung Allgemeinmedizin Göttingen unterstützt durch Fördermittel der WONCA (World Organization of Natio-nal Colleges, Academies and Academic Associations of General Practitioners/Family Physicians).

Anja Wollny betreute in ihrer Funk-tion als Leiterin der DEGAM-Geschäfts-stelle Leitlinien (Düsseldorf) die Koor-dination der Leitlinie.

Alle Autoren sind frei von Interes-senkonflikten oder Verbindungen zur pharmazeutischen Industrie.

Prof. Dr. med. Martin Scherer

Institut für Sozialmedizin

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein

Ratzeburger Allee 160

23538 Lübeck

Tel.: 04 51 / 500–58 74

Fax: 04 51 / 500–58 72

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse:

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Scherer et al.:DEGAM-Leitlinie Nr. 13 – Diagnostik und Therapie von NackenschmerzenDEGAM-Guideline Number 13 – Diagnosis and Therapy of Neck Pain

EinladungLiebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

hiermit laden wir Sie nach § 6 Satz 2 der DEGAM-Satzung (siehe http://www.degam.de/kontakt_satzung.html) zu einer außerordentlichen Hauptversammlung ein.

wann: Dienstag, 22.12.2009 um 13:00 Uhr

wo: Abteilung für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstraße 5 in 40225 Düsseldorf

Falls diese Versammlung nicht beschlussfähig ist, wird eine 2. Hauptversammlung für 14:00 Uhr einberufen, die dann lt. § 6 Satz 4 beschlussfähig ist.

Einziger TOP:Satzungsänderung zur Anpassung hinsichtlich formaler Kriterien zum Erhalt der Gemeinnützigkeit

Falls Sie an der außerordentlichen Hauptversammlung teilnehmen wollen, melden Sie sich bitte bei der Geschäftsstelle an ([email protected]).

Prof. Dr. Michael M. Kochen Prof. Dr. Norbert Donner-BanzhoffPräsident Schriftführer

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Extravertebrale Ursachen von RückenschmerzenExtravertebral Cause of Low Back Pain

Jean-François Chenot1

Zusammenfassung: Rückenschmerzen haben viele mögli-che Ursachen und sind meistens nicht gefährlich und selbst-limitierend. Die häufigsten Gründe sind muskuloskeletaler Natur. Allerdings können sich auch extravertebrale, zum Teil lebensgefährliche Erkrankungen benachbarter Organe, klinisch als Rückenschmerzen präsentieren. Es wird ange-nommen, dass sich diese Ursachen durch ihr atypisches klinisches Bild oft leicht erkennen lassen. Der vorliegende Artikel soll einen Überblick und klinische Hinweise zur besseren Erkennung geben.

Schlüsselwörter: Rückenschmerzen, extravertebrale Rücken-schmerzen, Differenzialdiagnose

Summary: Back pain has many causes, and most cases are due to benign, mostly self-limiting problems. Most problems are considered to be musculoskeletal. However, some serious and life-threatening extravertebral conditions of nearby organs also can present as back pain. It is assumed that extravertebral low back pain is often recognized due to its atypical clinical presentation. The aim of this article is to provide an overview of this conditions and clinical signs pointing towards them.

Keywords: low back pain, extravertebral back pain, differential diagnosis

Hintergrund

Auch wenn eine sichere ätiologische Zu-ordnung einer strukturellen Störung zum klinischen Bild von Rückenschmer-zen meist nicht sicher gelingt, besteht Einigkeit darüber, dass die meisten Rü-ckenschmerzen muskuloskeletal be-dingt sind [1]. Diese werden pragma-tisch als unkomplizierte oder unspezi-fische Rückenschmerzen zusammenge-fasst und haben im Regelfall eine gute Prognose.

Leitlinien empfehlen beim Symp-tom Rückenschmerz eine diagnostische Triage aus Anamnese und körperlicher Untersuchung (siehe Abbildung 1) [2].

Dabei sollen sogenannte „extraver-tebrale“ Ursachen und abwendbar ge-fährliche Verläufe (komplizierte Rü-ckenschmerzen) möglichst früh erkannt werden. Die beiden Konzepte über-schneiden sich zum Teil. Der anato-misch nicht korrekte Begriff „extraverte-bral“ bezieht sich auf Ursachen für Rü-ckenschmerzen die nicht primär durch

eine Erkrankung der Wirbelsäule und ih-rer diskoligamentären Strukturen be-dingt sind [3].

Über die Häufigkeit extravertebraler Rückenschmerzen in der Primärversor-gung gibt es keine zuverlässigen epi-demiologischen Daten. Sie wurden in der Primärversorgung auf ca. 2 % ge-schätzt [4]. Für die Identifizierung von abwendbar gefährlichen Verläufen und einiger spezifischer Ursachen haben sich die sog. „red flags“ etabliert (siehe Tabelle 1).

Es handelt sich dabei um ein primär klinisches Konzept für muskuloskeletal verursachte Rückenschmerzen, das epi-demiologisch leider nicht gut validiert ist [5, 6, 7]. Für die extravertebralen Kreuzschmerzen gibt es solche Warn-hinweise nicht.

Aus didaktischen Gründen betonen Fortbildungsartikel zu Rückenschmer-zen immer die meist gutartige Ursache und den geringen Nutzen der weiterfüh-renden Diagnostik. Ziel dieses Artikels ist es, eine Übersicht über die Vielfalt der

meist relativ seltenen Ursachen extra-vertebraler Rückenschmerzen und mög-liche klinische Hinweise zu geben.

Häufige klinische Hinweise

Aufgrund der Heterogenität der Krankheitsbilder und der Seltenheit in der täglichen Praxis ist ein systema-tischer Ausschluss extravertebraler Pathologien ohne Hinweise aus der Anamnese oder der körperlichen Un-tersuchung nicht sinnvoll. Die Mög-lichkeit extravertebraler Kreuz-schmerzen sollte allerdings immer er-wogen werden. Typische Rücken-schmerzen sind meist im unteren Lendenwirbelsäulenbereich lokali-siert und werden durch Bewegung verstärkt (mechanical low back pain), während in Ruhe keine oder nur ge-ringe Schmerzen bestehen. Mögliche Hinweise, die den Verdacht auf eine extravertebrale Ursache von Rücken-schmerze begründen können, sind in

1 Abteilung Allgemeinmedizin, Universität Göttingen

Peer reviewed article eingereicht: 01.11.2009, akzeptiert: 09.11.2009DOI 10.3238/zfa.2009.0508

508 ÜBERSICHT / REVIEW

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Tabelle 2 und Abbildung 2 zusam-mengefasst. Die folgenden Krank-heitsbilder werden nicht Organsyste-men zugeordnet, sondern – ohne An-spruch auf Vollständigkeit – nach Dringlichkeit aufgeführt.

Akut lebensgefährliche Erkrankungen

Hinweise auf vaskuläre Notfälle oder schwere Schädigung paravertebraler Or-gane zeigen sich oft als bewegungsunab-

hängige Schmerzen sowie Kreislauf-symptome wie Tachykardie und Hypo-tonie. Weitere Hinweise können das Al-ter und eventuell bekannte Vorerkran-kungen sein.

Der akute Myokardinfarkt oder die kardiale Ischämie äußern sich typischer-weise als Brustschmerzen mit Ausstrah-lung in die linke Schulter oder den Hals. Rückenschmerzen treten meist im obe-ren Teil der Wirbelsäule auf, können aber gelegentlich (z. B. bei Hinterwan-dinfarkt) auch tiefer in den thorakolum-balen Übergang ausstrahlen. Dies ist bei Frauen häufiger der Fall [8].

Lungenembolien verursachen eher Beschwerden im Bereich der Brustwir-belsäule als in der Lendenwirbelsäule. Eine gedeckte Ruptur der Aorta kann zu akuten, stechenden Rückenschmerzen führen [9]. Insbesondere infrarenale Aneurysmen können sich als radikuläre Rückenschmerzen mit Lähmungen in den Beinen äußern [10, 11]. Aortena-neurysmen können auch die Ursache chronischer Rückenschmerzen sein [12]. Auch ischämische Infarkte von Darm oder Nieren können mit Rücken-schmerzen einhergehen [13].

Thrombosen intraabdomineller Ge-fäße können, über den vermehrten Blut-fluss durch den venösen epiduralen Ple-xus, zu Rückenschmerzen mit radikulä-rer Symptomatik oder sogar einem Cau-da-Syndrom führen. Dies ist auch für Nierenvenenthrombosen [14], Leberve-nenthrombosen (Budd-Chiari Sd.) [15] und Thrombosen der Vena cava inferior [16, 17, 18] beschrieben.

Bei Frauen im gebärfähigen Alter sollte eine extrauterine Gravidität als Ursache akuter Rückenschmerzen erwo-gen werden [19]. Diese kann im Ver-dachtsfall durch einen Schwanger-schaftstest ausgeschlossen werden.

Potenziell lebensgefährliche Erkrankungen

Gastrointestinale Erkrankungen

Bei gastrointestinalen Erkrankungen mit Rückenschmerzen bestehen üblicherweise Bauchschmerzen bzw. Schmerzen im Be-ckenbereich. Selten wird eine Pankreatitis nur durch isolierten Flankenschmerz symptomatisch [20, 21]. Isolierte Rücken-schmerzen bei Ulcus duodeni sind eben-falls beschrieben [30].

Abbildung 1 Triage bei Rückenschmerzen.

Tabelle 1 Warnhinweise („red flags“) auf komplizierte Rückenschmerzen.

Pathologie

Nervenkompression • Bedeutender Bandscheibenvorfall • Spinalkanalstenose • Cauda equina Sd.

Metastase/Tumor

Infektion

Rheumatisch entzündliche Wirbelsäulenerkrankung

Fraktur

Klinischer Hinweis

• Schmerzausstrahlung in die Beine • Fußheberschwäche • Reithosenanästhesie • Mastdarmschwäche • Blasenschwäche

• Tumorerkrankung in der Anamnese • Nachtschmerz, Ruheschmerz • Unerklärter Gewichtsverlust • Alter > 50 Jahre (?)

• Anhaltendes Fieber • Intravenöser Drogenmissbrauch • Immunsupression • Operation an der Wirbelsäule

• Morgensteifigkeit • Schmerzen > 3 Monate • Extravertebrale Begleiterkrankungen

(z. B. Uveitis, Psoriasis)• Alter < 40 Jahre (in Kombination mit

anderen Hinweisen)

• Trauma • Bek. Osteoporose • Länger dauernde systemische Steroid -

einnahme• Alter > 70 Jahre (?)

509

Chenot:Extravertebrale Ursachen von RückenschmerzenExtravertebral Cause of Low Back Pain

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Tumorerkrankungen

Tumorerkrankungen können direkt durch infiltrierendes Wachstum oder Metastasen in die Wirbelsäule bzw. in paravertebrale Strukturen zu Rücken-schmerzen führen. Die sog. B-Sympto-matik, wie z. B. reduzierter Allgemeinzu-stand, Gewichtsverlust oder Fieber kann Hinweise auf Tumorerkrankungen ge-ben. Der wichtigste Hinweis ist eine be-kannte Tumorerkrankung in der Anam-nese [7]. Im Labor können eine erhöhte Blutsenkung und eine Anämie auffallen [7].

Ovarialkarzinome im Frühstadium sind meist asymptomatisch. Rücken-schmerzen treten erst in späten Stadien (Infiltration von Nachbarorganen) auf [22]. Eine Infiltration des Ischiasnervs kann radikuläre Symptome verursachen [24]. Nierenzellkarzinome können auch ohne Infiltration primär durch Rücken-

schmerzen symptomatisch werden [25] oder durch Abtropfmetastasen ins Be-cken radikuläre Symptome auslösen [26]. Auch Metastasen in die paraver-tebrale Muskulatur von Lungenkarzino-men und Lymphomen können typische Rückenschmerzen imitieren [27, 28]. Das Multiple Myelom wird meist erst im fortgeschritten Stadium symptomatisch [29].

Ernste Erkrankungen

Nierensteine und Gallensteine verursa-chen typischerweise kolikartige Schmer-zen, die in den Rücken ausstrahlen kön-nen. Wegen der hohen Prävalenz so-wohl von asymptomatischer Gallenstei-ne als auch von Rückenschmerzen wird vermutet, dass es sich dabei eher um ei-ne Koinzidenz handelt als um eine ech-ten kausalen Zusammenhang [31]. Die retroperitoneale Fibrose ist eine seltene

Erkrankung, bei der es aus unbekannten Gründen zu einer Vermehrung von Bin-degewebe im Retroperitoneum kommt. Dabei werden Harnleiter und Nerven ummauert, was zu radikulären Sympto-men führen kann [32, 33].

Gynäkologische Erkrankungen

Rückenschmerzen können Teil des kli-nischen Bildes bei Entzündungen im kleinen Becken sein. Typischerweise sind die Beschwerden bei Endometriose zyklusabhängig und führen zu abdomi-nellen Beschwerden. Manchmal äußert sich die Endometriose auch nur durch Rückenschmerzen [34]. Mehrere Fälle von intramedullärer Endometriose im Conus medullaris, die klinisch mit menstruationsabhängigen Rücken-schmerzen assoziiert waren, sind be-schrieben worden [35, 36]. Als Hämato-kolpos wird die Ansammlung von Mens-truationsblut in der Scheide bei angebo-renem oder narbigem Verschluss be-zeichnet. Diese Differenzialdiagnose solle bei jungen Frauen mit primärer Amenorrhoe und Rückenschmerzen er-wogen werden [37].

Stoffwechselerkrankungen

Typischerweise betrifft die Gicht das Großzehengelenk bzw. das Knie; in we-nigen Fällen können auch Wirbelgelen-ke befallen sein [38, 39, 40]. Bei der selte-nen Alkaptonurie lagert sich Homogen-tisinsäure in Haut, Bindegewebe und Knorpel ab, was als Ochronose bezeich-net wird. Chronische Rückenschmerzen und Wirbeldeformitäten durch Reaktio-nen auf die Ablagerung sind bei den Be-troffenen häufig [41]. Osteoporose oder Osteomalazie selbst verursachen im Re-gelfall keine Schmerzen, sehr wohl aber deren Komplikationen. Vitamin D-Mangel ist – z. B. in Ägypten und Sau-diarabien, aber auch bei Migranten in europäischen Ländern – besonders bei mehrfachgebährenden Frauen als Ursa-che für chronische Rückenschmerzen identifiziert worden [42, 43]. Dabei dürf-te u. a. verminderte Sonnenlichtexpo-sition durch Verschleierung eine Rolle spielen. Bei sekundärer Osteoporose mit Rückenschmerzen z. B. durch Hyper-parathyreoidismus oder Hypercortiso-lismus sind die Schmerzen meist nicht auf den Rücken beschränkt. Insbesonde-re bei Dialysepatienten sollten bei Rü-

Abbildung 2 Schematische Übersicht über Schmerzlokalisation und mögliche Ursache nach

Klingenberg et al.

Tabelle 2 Symptome, die auf „extravertebrale“ Rückenschmerzen hinweisen können.

510

Chenot:Extravertebrale Ursachen von RückenschmerzenExtravertebral Cause of Low Back Pain

• Abdominelle Schmerzen

• Kolikartige Schmerzen

• Schmerzen im kostovertebralen Winkel

• Fieber

• Schwitzen

• Kreislaufprobleme

• Bewegungsunabhängige Ruheschmerzen

• Nächtliche Schmerzen

• Zyklusabhängige Schmerzen

• Vorerkrankungen

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ckenschmerzen die metabolischen Ursa-chen der renalen Osteodystrophie mit in Betracht gezogen werden [44]. Aller-dings sind auch bei Dialysepatienten Rückenschmerzen meist muskuloskele-tal bedingt und nicht spezifisch durch die Grunderkrankung.

Infektionskrankheiten

Bei vielen Infektionskrankheiten, wel-che die Wirbelsäule und ihre benachbar-ten Organe insbesondere das spinale Nervensystem betreffen, sind Rücken-schmerzen u. U. Teil des klinischen Bilds. Am häufigsten dürften in der Hausarztpraxis virale Atemwegsinfekte sein. Durch assoziierte Symptome, ins-besondere Fieber, kann es hier in selte-nen Fällen diagnostische Probleme ge-ben. „Exotische“ Infektionen können sich gelegentlich alleine durch Rücken-

schmerzen äußern. Als Beispiel soll hier nur der Fall einer Neuroschistosomiasis nach Rückkehr aus Afrika erwähnt wer-den, der sich als radikulärer Rücken-schmerz präsentierte [45].

Schlussfolgerung

Rückenschmerzen sind meist muskulo -skeletal bedingt und nicht lebens-bedrohlich. Trotz der Möglichkeit einer potenziell tödlichen Grunderkrankung ist im primärärztlichen Umfeld eine rou-tinemäßige Ausschlussdiagnostik aus epidemiologischen Gründen und wegen der Vielzahl der Differenzialdiagnosen nicht sinnvoll. Eine Indikation für wei-terführende Diagnostik (Labor, Bild-gebung oder Krankenhauseinweisung) ergibt sich aus Hinweisen aus der Anam-nese und körperliche Untersuchung so-

wie dem Verlauf der Symptome. Es wird angenommen, dass die meisten Fälle von extravertebralen Rückenschmerzen anhand der Symptomkonstellation kli-nisch leicht erkannt werden. Wird trotz gründlich durchgeführter Unter-suchung und Dokumentation eine symptomarme schwere Grunderkran-kung übersehen, ist dies als schicksal-haft zu werten [46]. Bei Patienten mit ungewöhnlichen Symptomkonstella-tionen sollte die Schwelle für weiterfüh-rende Diagnostik niedriger liegen. Die psychosozialen Aspekte bei Rücken-schmerzen sollten unabhängig von der somatischen Ätiologie dabei nicht un-terschätzt werden.

Interessenkonflikte: Keine angege-ben.

Prof. Dr. med. Jean-François Chenot,

MPH

Abteilung Allgemeinmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Humboldtallee 38

37073 Göttingen

Tel.: 0551 / 39 65 99

Fax: 0551 / 39 95 30

E-Mail: [email protected]

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Literatur

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Chenot:Extravertebrale Ursachen von RückenschmerzenExtravertebral Cause of Low Back Pain

… ist Professor für Versorgungsforschung in der Abteilung All-

gemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen und in Teil-

zeit niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Ge-

meinschaftspraxis in Hardegsen. Gemeinsam mit Prof. Annette

Becker hat er die DEGAM-Leitlinien Kreuzschmerzen entwickelt

und vertritt die DEGAM bei der Nationalen Versorgungsleitlinie

Kreuzschmerzen. Zurzeit arbeitet er an einer Studie zum Scree-

ning auf Risikofaktoren für Chronifizierung bei Rückenschmerzen und eine frühe

Intervention in der Hausarztpraxis.

Prof. Dr. med. Jean-François Chenot, MPH …

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Chenot:Extravertebrale Ursachen von RückenschmerzenExtravertebral Cause of Low Back Pain

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Rationale Pharmakotherapie auf der Basis irrationaler Gesetzgebung – Implizite Rationierung bleibt auch unter den Bedingungen von Arztgruppen und kassenspezifischer Verträge erhaltenRational Pharmacotherapy Based on Irrational Legislation – Implicit Rationing Remains Alive also with Doctors’ Groups and Sick-Fund Contracts

Peter Schwoerer1

Zusammenfassung: Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Spannungsfeld zwischen ärztlicher Therapiefreiheit, Ra-tionierung durch Versorgungsausschlüsse von Medikamen-ten fraglichen Nutzens und staatlicher Preisbegrenzung. Die beiden letzteren (Teil-)Wege wären im Prinzip gangbar und führten – wie einige OECD-Länder zeigen – zu keiner statis-tisch nachweisbaren Minderung der Qualität der Versor-gung. Voraussetzung dafür wäre allerdings eine mutige, von der Pharmalobby unabhängige politische Meinungsbildung.Die Implementierung eines Versicherungssystems, das dem einzelnen Bürger die Wahl der Versicherungsbedingungen und damit gegebenenfalls auch der Einschränkungen seiner Arzneimittelversorgung überlässt, fordert das Vertrauen der Politiker in die eigenständige Entscheidung der Bürger.Der für die Politik einfachste Weg ist die Aufrechterhaltung der Illusion des unbegrenzten Anspruchs auf nahezu alle Arz-neimittel für alle Kranken, verbunden mit einer impliziten Ra-tionierung der Arzneimittelversorgung zu Lasten der behan-delnden Ärzte.

Schlüsselwörter: Rationierung, Preisbegrenzung, Rationale Arz-neimitteltherapie, Krankenversicherung

Summary: This paper deals with the area of conflict be-tween therapeutic freedom, rationing by exclusion of ques-tionably effective drugs and price limits by the state. The last two ways are principally possible and do not lead to a statis-tically significant decrease in quality of care (as some OECD countries show). Prerequisite for such a move, however, is a courageous political decision making independent from pharmaceutical companies.Implementing a system which offers each citizen the choice of insurance terms and hence limitation of available drug se-lection requires the confidence of politicians in the self-con-tained decisions of citizens.The easiest way for politics is the maintenance of the illusion that every patient has the unlimited right to choose from all available drugs associated with implicit rationing on the doc-tor´s side.

Keywords: rationing, price limits, rational pharmacotherapy, health insurance

1 Gemeinsame Prüfungseinrichtungen Baden-Würtemberg, Freiburg

Peer reviewed article eingereicht 08.07.2009, angenommen 05.11.2009DOI 10.3238/zfa.2009.0513

513DER BESONDERE ARTIKEL / SPECIAL ARTICLE

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Rationale Pharmakotherapie bedarf einer rationalen Gesetzgebung

Dem nahezu unbegrenzten Bedarf an Ge-sundheitsgütern, insbesondere aber an Arzneimitteln, steht ein durch ökonomi-sche Möglichkeiten und politischen Wil-len begrenztes Finanzvolumen gegenüber. Der Gesetzgeber hat unterschiedliche Op-tionen, den durch Werbung, korrumpierte Wissenschaft und durch strategische Mani-pulation wissenschaftlicher Daten künst-lich aufgeblähten Arzneimittelbedarf mit den rationalen Wünschen der Versicher-ten nach niedrigen Beiträgen in Einklang zu bringen.

Der erste Weg wäre die explizite Ratio-nierung durch Versorgungsausschlüsse von Medikamenten fraglichen Nutzens und die staatliche Begrenzung der Preise. Dieser Weg wäre gangbar und führt – wie einige OECD-Länder zeigen – zu keiner sta-tistisch nachweisbaren Minderung der Qualität der Versorgung; er bedarf aller-dings einer mutigen, von der Pharmalobby unabhängigen politischen Meinungsbil-dung.

Der zweite Weg wäre die Implementie-rung eines Versicherungssystems, das dem einzelnen Bürger die Wahl der Versiche-rungsbedingungen und damit gegebenen-falls auch der Einschränkungen seiner Arz-neimittelversorgung, überlässt. Dieser Weg fordert aber das Vertrauen der Politiker in die eigenständige Entscheidung der Bürger.

Der für die Politik einfachste Weg ist die Aufrechterhaltung der Illusion des un-begrenzten Anspruchs auf nahezu alle Arz-neimittel für alle Kranken, verbunden mit einer impliziten Rationierung der Arznei-mittelversorgung zu Lasten der behandeln-den Ärzte. Dieser Weg wurde seit 1992 in Deutschland als Königsweg angesehen und beschritten; erst die Gesetzgebung der letzten Jahre ermöglicht eine partielle, ex-plizite Rationierung durch den Gemein-samen Bundesausschuss auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen des IQWIG (§ 91/139 a SGB V) oder auch eine Implementierung von eigenverantwort-lichen Versicherungssystemen (§73 SGB V).

Elemente der Arzneimittel -steuerung in der GKV

Die politische Intention der regulatori-schen Bestimmungen zielt auf

• Delegation von Entscheidungen über Ausschlüsse und Einschränkungen der Arzneimittelversorgung an die Selbstverwaltung und den einzelnen Arzt

• Preiskontrolle der Generika über Fest-beträge, Wettbewerb um Zuzahlungs-befreiungen und Rabattverträge der Krankenkassen mit pharmazeuti-schen Unternehmen

• Kostenbegrenzung bei Analogprä-paraten über Regressandrohung an Ärzte

• Preiskontrolle von Innovationen über Höchstbeträge auf der Grundla-ge von (Kosten-) Nutzenbewertun-gen oder im Einvernehmen (!) mit dem pharmazeutischen Unterneh-mer

• Wirtschaftlichkeitsverantwortung auf der Grundlage von Budgets und Richtgrößen beim einzelnen Vertrags-arzt

Um implizite Rationierung durchzuset-zen, bedient sich der Gesetzgeber einer Vielzahl von Gesetzen und Regelungen auf unterschiedlichsten Ebenen.1. Die sozialgesetzliche Ebene beschreibt

allgemein den Leistungsanspruch (§ 31 SGB V), die Leistungsausschlüsse (§ 34 SGB V), die Pflichten der verfass-ten Ärzteschaft (§ 84 SGB V).

2. Auf der Basis dieser Gesetze interpre-tieren Sozialgerichte (letztinstanzli-che Urteile des Bundessozialgerichts mit quasi Gesetzescharakter) den ge-setzgeberischen Willen bei Streitigkei-ten zwischen den Beteiligten. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist gesetzlich beauftragt, mit Richtlinien, die den Charakter untergesetzlicher Normen haben, das Wirtschaftlich-keitsgebot zu konkretisieren. Im Arz-neimittelbereich sind hier die Arznei-mittel-Richtlinien (AMR) und die Schutzimpfungsrichtlinien (SIR) rele-vant. Die Ausschlüsse und Einschränkun-gen durch Richtlinien sind qua Gesetz jedoch nicht so strikt, dass nicht dem einzelnen Arzt ausdrücklich die letzt-endliche Einzelverantwortung für die Verordnung überlassen bliebe.

3. Steuerungselemente, die den Charak-ter echter Versicherungsmodelle in der Eigenverantwortung der Ärzte und der Versicherten ermöglichen, werden in § 73 und begrenzt auch in

den Wahltarifen nach § 53 SGB V defi-niert.

4. Das Berufsrecht fordert vom Arzt, sei-nen Patienten über Therapieoptionen auf der Grundlage medizinischer Er-kenntnisse zu informieren und mit ihm gemeinsam die individuell ange-messene Behandlung zu finden. In-wieweit diese Behandlung durch die GKV gedeckt ist, oder Zuzahlungen erfordert, sollte erst in zweiter Linie Einfluss haben und der Entscheidung des Patienten überlassen werden.

Was heißt wirtschaftliche Arzneimittelversorgung?

Die Arzneimittel-Richtlinien fassen für Vertragsärzte die Regeln einer wirt-schaftlichen Arzneimitteltherapie im Hinblick auf den Nutzen für die Gesamt-heit der GKV-Versicherten zusammen. Dazu gehören neben allgemeinen Hin-weisen• die zulässigen Ausnahmen in Bezug

auf gesetzliche Ausschlüsse (OTC-Lis-te, arzneimittelähnliche Medizinpro-dukte),

• Entscheidungen zum zulässigen und nicht zulässigen Off-Label-Use,

• die Konkretisierung der Lifestyle-Aus-schlüsse,

• die wirtschaftliche Bewertung einzel-ner neuer und teurer Therapien (The-rapiehinweise),

• die Einschränkung grundsätzlich zu-lässiger Verordnungen und Doku-mentationspflichten im Hinblick auf Qualitätssicherung (z. B. Demenzver-sorgung),

• Hinweise zu Analogpräparaten,• Liste der Arzneimittel, die unter Fest-

betrag stehen.Daneben gibt es unzählige Leitlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die Therapieempfehlungen der Arznei-mittelkommission der deutschen Ärzte-schaft und zahllose indikations- oder wirkstoffbezogene Hinweise zum wirt-schaftlichen Verordnungsverhalten nach § 73 Abs. 8 SGB V der Krankenkas-sen/-verbände und der KBV/KVen (die auch mehr oder weniger veraltete Preis-vergleiche enthalten).

Die in Richt- und Leitlinien getroffe-nen Abwägungen spiegeln die Sicht der publizierten wissenschaftlichen Er-kenntnisse im Verhältnis zum Markt-preis wider. Wenn hier also ACE-Hem-

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Schwoerer:Rationale Pharmakotherapie auf der Basis irrationaler GesetzgebungRational Pharmacotherapy Based on Irrational Legislation

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mer als Mittel der Wahl bezeichnet wer-den und AT1-Blocker als Mittel der zwei-ten Wahl (im Falle, dass ACE-Hemmer nicht tolerable Nebenwirkungen auf-weisen, und diese Inzidenz nach Studi-enlage mit rund 10% beziffert wird) wird einem Arzt zunächst einmal Unwirt-schaftlichkeit unterstellt, wenn seine Verordnungsquoten an AT1-Blockern deutlich höher sind, als die wissen-schaftlich belegten Zahlen.

Wo steht der Arzt in diesem Paragraphendschungel?

Man könnte einerseits sagen: Verschrei-bungspflichtige Arzneimittel grundsätz-lich ja, aber bestimmte eben doch nicht (Lifestyle), oder nur begrenzt (Quoten-regelungen) oder nur als Second-Line, weil zu teuer, oder doch, weil Rabattver-träge bestehen, oder erst mal nicht, weil zweitmeinungspflichtig, oder …

Man könnte andererseits aber auch bestimmen: Nicht verschreibungs-pflichtige Arzneimittel grundsätzlich nicht, aber einzelne für bestimmte Indi-kationen oder bestimmte Personen-gruppen doch, und wenn nicht ver-schreibungspflichtige sinnvoll, aber nicht auf verschreibungspflichtige aus-weichen, oder doch möglich, weil Wahl-tarifleistung, oder …

Der Arzt will ein Patientenproblem konkret lösen. Bei ihm kollidieren also die Regeln der vertragsärztlichen Versor-gung, die sich am Nutzen für die Ge-samtbevölkerung und der Wirtschaft-lichkeit für eine Krankenkasse orientie-ren, mit dem individuellen krankheits-bezogenen Bedarf. Normalerweise wird ein Arzt nicht die potenziellen gesetzli-chen und vertraglichen Bedingungen, denen sein Patient unterliegt, prüfen und seine Therapieentscheidung da-nach ausrichten, sondern• in der Kürze der Zeit, die ihm für seine

Patienten zur Verfügung steht, zu-nächst eine nach medizinischem Er-messen, fachlicher Erkenntnis und in-dividuellem Bedarf angemessene The-rapieentscheidung treffen,

• in einem zweiten Schritt über die Rationalisierungs- und Rationie-rungsentscheidungen nachzudenken, die aus der Kenntnis der allgemeinen regulatorischen Vorgaben und der Erfahrung im Umgang mit Kranken-kassen und Prüfgremien resultieren.

Dabei stehen zwei Entscheidungen im Mittelpunkt: – ja/nein-Entscheidung für ein Kas-

senrezept – preiswerte vs. teure Arzneimittel

Controlling als Notbremse: Was ist dem Arzt zu empfehlen?

Es kann nicht davon ausgegangen wer-den, dass Ärzte alle gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen im Einzelnen kennen. Da diese Regelungen jedoch ei-ner rationalen Therapie verpflichtet sind, können rational begründete The-rapieentscheidungen eigentlich nicht zu einer Haftung des behandelnden Arz-tes führen.

1. Information

Es empfiehlt sich, die praxisinterne Or-ganisation so zu gestalten, dass neue In-formationen, die für die eigene Verord-nungstätigkeit relevant sind, wahr-genommen werden. Da inzwischen alle wesentlichen Informationen über das Internet abrufbar sind, genügt in der Re-gel ein gelegentlicher Besuch auf den entsprechenden Netzseiten, z. B.• zur Kenntnis der Leitlinien: Therapie-

empfehlungen der Arzneimittelkom-mission der deutschen Ärzteschaft oder S3-Leitlinien wissenschaftlicher Fachgesellschaften

• zur Kenntnis neuer Entwicklungen im Arzneimittelmarkt: pharmaunabhän-gige Literatur wie Arzneimittelbrief oder Arzneitelegramm

• zur Kenntnis der wesentlichen Nor-men: Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses

• zur Kenntnis wirtschaftlicher Emp-fehlungen und Preisvergleiche: KBV-Arzneimittelinformationen (Beilagen im Deutschen Ärzteblatt) und regio-nale KV-Informationen

2. Dokumentation

Über allem vertragsärztlichen Handeln schwebt das Damoklesschwert der Prü-fung: der Prüfung auf Einhaltung von Vertragsbedingungen (z. B. Hausärzte-vertrag Baden-Württemberg) und der allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprü-fung nach § 106 SGB V (z. B. Richtgrö-ßenprüfung).

Gegenüber den Prüfgremien muss der einzelne Arzt im Ernstfall entlastende Tatbestände geltend machen können und dies im Regelfall ein bis zwei Jahre nach Verordnung. Es empfiehlt sich des-halb, die Behandlung kostenintensiver Patienten hinsichtlich der Indikations-stellung, des Krankheitsverlaufs und des Therapieverlaufs sorgfältig und auffind-bar zu dokumentieren.

Eindeutig definierte Versicherungsleistungen und Vertragspreise als Lösung?

Eine Entscheidung für eine Arzneimit-teltherapie, die ausschließlich medizini-schen Erwägungen und individuellen Bedürfnissen verpflichtet ist, ist unter den heutigen Bedingungen nicht zu er-warten.

Kommen wir zurück auf das obige Beispiel der wirtschaftlichen Arzneimit-telauswahl in Bezug auf ACE-Hemmer und AT1-Blocker:

Unter den Bedingungen einer expli-ziten Rationierung handelt ein Arzt nicht unwirtschaftlich, wenn er ein the-rapeutisch sinnvolles Arzneimittel aus einer Reihe gleichwertiger Medikamen-te wählt. Es wäre Aufgabe der Kranken-kassen, einen angemessenen Vertrags-preis für AT1-Blocker auszuhandeln. Oder, wenn dieser nicht zustande kommt, zumindest den ACE-Hemmer Preis (quasi als Leitsubstanz) zu erstat-ten, auch wenn der Patient eine andere Therapieoption wählt. Die Anreizsyste-me der Vergangenheit (Zuzahlungs-befreiungen) haben gezeigt, dass der Pa-tient durchaus in der Lage ist, für sich angemessene und wirtschaftliche Ent-scheidungen zu treffen, wenn eindeuti-ge Versicherungsbedingungen existie-ren.

Rationale Pharmakotherapie fordert eine rationale Vertragsgestaltung

• Unter den Bedingungen z. B. eines Hausarztvertrags nach § 73 b SGB V wird der Arzt idealerweise angehalten, hohe Verordnungsanteile von preis-günstigen ACE-Hemmern zu Lasten der Verordnung von AT1-Blockern zu erreichen. Eine Verpflichtung auf die-se preiswerte Therapieoption für den Versicherten oder Zuzahlungsver-

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Schwoerer:Rationale Pharmakotherapie auf der Basis irrationaler GesetzgebungRational Pharmacotherapy Based on Irrational Legislation

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pflichtungen bei der Verordnung von AT1-Blockern gibt es nicht.

• Verträge nach §§ 73 b und c SGB V sind also ein Schritt in die richtige Richtung, gehen den Weg aber nicht zu Ende. Solche Verträge sind so lange unvollkommen, solange nicht nur der Arzt auf einen Teil seiner Thera-

piefreiheit verzichtet, sondern auch der Patient, z. B. in einem Wahltarif nach § 53 SGB V die Verpflichtung eingeht, mit seinem Beitritt Versor-gungseinschränkungen zu akzeptie-ren. In allen anderen, nicht so weitrei-chenden Vertragskonstruktionen ver-bleibt der Arzt in der – wie auch

immer – sanktionsbewehrten Wirt-schaftlichkeitsverantwortung für sei-ne Arzneimitteltherapie.

Interessenkonflikte: keine angege-ben.

Dr. med. Peter Schwoerer

Gemeinsame Prüfungseinrichtungen

Baden-Württemberg

Sundgauallee 25

79114 Freiburg

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse:

516

Schwoerer:Rationale Pharmakotherapie auf der Basis irrationaler GesetzgebungRational Pharmacotherapy Based on Irrational Legislation

1973–1996: Arzt für Allgemeinmedizin, Titisee-Neustadt

1989–1997: Vorsitzender, Kassenärztliche Vereinigung Südbaden

1998–2005: Leitender Arzt, MDK Baden-Württemberg

2005–2007: Unparteiischer Vorsitzender Prüfungsausschuss

Baden-Württemberg

Seit 2008: Unparteiischer Vorsitzender Beschwerdeausschuss

Baden-Württemberg

Dr. med. Peter Schwoerer …

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„Versorgungsstrukturen und Qualität“ Bericht zum 43. DEGAM-Jahreskongress 2009

Ganz im Zeichen der Qualität stand der diesjährige Kongress für Versorgungsfor-schung, den die DEGAM zusammen mit dem Deutschen Netzwerk Versorgungs-forschung (DNVF) vom 1. bis 3. Oktober 2009 in Heidelberg veranstaltet hat. Unter dem Motto „Versorgungsstruktu-ren und Qualität in Zeichen unsicherer Finanzierung“ trafen sich 620 Kongress-teilnehmer aus allen Bereichen des Gesundheitswesens, um sich zu den verschiedenen Kongressthemen zu in-formieren.

Die Bedeutung des Jahreskongresses der DEGAM als wichtigstes Forum der deutschen Allgemeinmedizin zeigte sich in den zahlreichen hochrangigen wissen-schaftlichen Vorträgen und Posterpräsen-tationen zu verschiedensten Themen der Allgemeinmedizin. Diese spiegelten die ganze Vielfalt allgemeinärztlichen Den-kens und Handelns wider.

Über 400 Vorträge und Workshops und fast 150 Poster waren – zusätzlich zu den zahlreichen Vorträgen, Sitzungen so-wie der Mitgliederversammlung der DEGAM – nicht nur konzeptionell, son-dern auch logistisch eine Herausforderung, die von Prof. Joachim Szecsenyi und sei-nem Team erfolgreich gemeistert wurde.

Kongresseröffnung

Im Vorwort zum Kongress führte der DEGAM-Präsident Prof. Michael M. Ko-chen, gemeinsam mit den Tagungsprä-sidenten Prof. Joachim Szecsenyi (Heidel-berg) und Prof. Holger Pfaff (Köln) aus, dass das Gesundheitswesen in einem Reform-prozess stehe, „der bestehende Strukturen und Abläufe infrage stellt.“ Aufgabe der Versorgungsforschung sei es deshalb auch, „Reformprozesse kritisch zu begleiten und Aussagen darüber zu machen, welche Aus-wirkungen wir auf Ebene der Patienten

und der Akteure schon jetzt sehen und in Zukunft erwarten dürfen.“

Leitlinien

Ein Highlight war die Vorstellung neuer evidenzbasierter Leitlinien für Patien-ten mit Nackenschmerzen bzw. mit Harn-wegsbeschwerden. Damit setzt die DEGAM ihre erfolgreiche Leitlinienarbeit fort. Zur Unterstützung des Qualitäts-managements in den Praxen und um der Forderung nach mehr Transparenz im Gesundheitswesen zu entsprechen, will die DEGAM in Zukunft Qualitätsindi-katoren zu den eigenen Leitlinien entwickeln. Damit sollen Besonderheiten der hausärztlichen Versorgung besser dar-gestellt werden. Viele Patienten kommen zum Beispiel mit relativ unspezifischen Be-schwerden als Beratungsanlass zum Haus-arzt, der dann Schritt für Schritt mit dem Patienten das Gesundheitsproblem ein-grenzt und Gefährdungen ausschließt.

Kritik an Vergütungsstrukturen

Kritisch sieht die DEGAM die Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zu neuen Vergütungsstrukturen in der ambulanten Versorgung, in der Teile des Honorars an die Erreichung bestimm-ter Qualitätsziele (z. B. beim Blutdruck) ge-knüpft werden sollen. Dies könne zu mehr Schaden als Nutzen, sowohl für die Patienten als auch für die Versorgungs-situation, führen.

Zukunftskonzept

Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Insti-tuts für Allgemeinmedizin in Frankfurt

und Vizepräsident der DEGAM, referierte als Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Ge-sundheitswesen über das „Zukunftskon-zept einer koordinierten Versorgung mit regionalem Bezug: Primärversorgung als Fundament“ (s. Abbildung). Eine lebhafte Diskussion schloss sich an.

Sektorenübergreifende Qualitätssicherung

Der Gemeinsame Bundesausschusses (G-BA) und das Göttinger AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung wollen die sektorenübergreifen-de Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung in Deutschland gemeinsam voranbringen. Sowohl aus dem stationä-ren, vertragsärztlichen und -zahnärzt-lichen Bereich als auch aus dem Sektor am-bulante Operationen in Klinik und Praxis sowie dem Bereich DMP (Disease-Manage-ment-Programm) sollen die Daten zusam-mengetragen und hinsichtlich der Qualität transparent werden.

„Besonders Patienten sollen daraus ih-ren Nutzen ziehen können“, machte Pro-fessor Joachim Szecsenyi deutlich. Die neue sektorenübergreifende Qualitäts-sicherung soll dazu führen, Patienten mit konkreten Informationen zu versorgen, um ihnen die Wahl zum Bei-spiel für eine Therapie oder eine Klinik zu erleichtern.

Ein weiteres Thema war die Schnitt-stellenproblematik z. B. auch beim Entlass-management.

Workshop „Pay for Performance“

Zum Thema „Pay for Performance – Chan-cen und Risiken“ wurde unter Leitung von

517KONGRESSBERICHT / CONGRESS REPORT

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Prof. Norbert Donner-Banzhoff (Marburg) ein Workshop durchgeführt, in dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus anderen Ländern mit Hausärzten, Versorgungsforschern und Vertretern von Hausärzteverband und KBV (Kassenärzt-liche Bundesvereinigung) diskutiert wur-den. Ein daraus resultierendes Positions -papier ist auf der DEGAM-Website (www.degam.de) unter „Aktuelles“ zu finden.

Dr. Lothar Beyer-Preis

Auf dem Kongress wurde zum zweiten Mal der Deutsche Forschungspreis für Allgemeinmedizin – Dr. Lothar Beyer-Preis – vergeben. Die Preisvergabe wird durch eine Stiftung der Familie Beyer an das Deutsche Institut für Allgemeinme-dizin e.V. ermöglicht.

Die Ausschreibung zum Wettbewerb zeigte, dass die allgemeinmedizinische Forschung in Deutschland hochwerti-ge Beiträge mit Relevanz für die Darstellung der hausärztlichen Versor-gungsfunktion hervorbringt. In diesem Jahr wurde eine ganze Reihe exzellenter und auch hochrangig international pu-blizierter Arbeiten vorgelegt. Nahezu al-le sind im Rahmen des Nachwuchs-förderprogramms für die Allgemein-medizin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstanden. Die meisten prämierten Arbeiten haben kli-nische Themen behandelt.

Nach einem intensiven Peer Review und der Abstimmung unter den drei-zehn, von der Mitgliederversammlung

der DEGAM bestellten Juroren konnten folgende Preise vergeben werden: Den 1. Preis (dotiert mit 25.000 €) er-hielt Prof. Dr. med. Antonius Schneider (TU München) und seine Arbeitsgruppe für die Arbeit „Diagnostik von Asthma bronchiale und COPD in der Hausarzt-praxis“.

Der 2. Preis (dotiert mit 10.000 €) ging an Prof. Dr. med. Martin Scherer (Univ. Lübeck) und seine Arbeitsgruppe für die Arbeit „Patienten mit Nacken-schmerzen – quantitative und qualitati-ve Analyse eines hausärztlichen Versor-gungsproblems“.

Der 3. Preis (dotiert mit 7.500 €) wurde verliehen an Dr. med. Carsten Kruschinski (Medizinische Hochschule Hannover) und seine Arbeitsgruppe für die Arbeit „Hausärztliche Versorgungs-realität und Versorgungsbedarf am Bei-spiel des Beratungsproblems Schwindel“.

Weiterhin wurden drei Förderpreise vergeben, um Forschungsideen in der Allgemeinmedizin realisierbar zu ma-chen.

Posterpreisverleihung

Den 1. Preis erhielt Dr. med. Stefan Bösner (Marburg): „Entwicklung und Validierung einer klinischen Entschei-dungsregel zum KHK Ausschluss bei Brustschmerzpatienten in der Primär-versorgung“.

Der 2. Preis ging an Rebecca Olbort (Heidelberg): „Wie beurteilen beteiligte Hausärzte das praxisbasierte Heidelber-

ger Ingerierte Case Management für Pa-tienten mit Herzinsuffizienz (HICMan-CHF)? Eine qualitative Studie“.

Der 3. Preis wurde an Dr. phil. Hei-demarie Keller (Marburg): „Evaluation der Implementierung von Innovationen am Beispiel von ’arriba’ – eine Fokus-gruppenstudie“ verliehen.

Keynotes

Prof. Armin Wiesemann, niedergelasse-ner Hausarzt und Mitarbeiter der Abtei-lung Allgemeinmedizin und Versor-gungsforschung an der Universität Hei-delberg, stellte in einem viel beachteten Vortrag die Frage „Wie sorgen Versorger für ihre eigene Gesundheit?“. Er riet sei-nen Kollegen zur gelegentlichen „Ent-schleunigung“, um anstatt eines Lebens im Hamsterrad eine ausgeglichene Work-Life-Balance anzustreben und so dem Burnout vorzubeugen.

Prof. Vittoria Braun, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der Cha-rité in Berlin, referierte – trotz früher Stunde im gut gefüllten Hörsaal – über „die Entwicklung der Allgemein-medizin in der DDR“. 20 Jahre nach dem Mauerfall ließ sie anhand von Weg-bereitern der Facharztweiterbildung, wie z. B. der langjährigen Vorsitzenden der Gesellschaft für Allgemeinmedizin (GAM) Dr. Gerda Junghans oder dem Ehepaar Dr. Inga und Dr. Andreas Hügel, die Zeitspanne seit den 1960er Jahren eindrucksvoll, emotional und kritisch Revue passieren.

Gesellschaftsabend

Dass neben dem intensiven wissen-schaftlichen Gedankenaustausch auch die Geselligkeit nicht zu kurz kam, dafür sorgte ein Gesellschaftsabend im Kultur-zentrum „Altes Hallenbad“. Hier wurde dem altbekannten Studentenlied „Alt-Heidelberg du feine“ in dem es u. a. heißt „Stadt fröhlicher Gesellen, an Weisheit schwer und Wein ...“ ebenfalls Genüge getan.

Eine ausführliche Dokumentation einzelner Vorträge sowie der vollstän -dige Abstractband findet sich auf der DEGAM-Website unter www.degam.de.

Edmund Fröhlich

DEGAM-Geschäftsführer

518Fröhlich:„Versorgungsstrukturen und Qualität“

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)

Gabriel P, Huckenbeck W. Todesfeststellung: Grundregeln, Durchführung und häufige Fehler. Z Allg Med 2009; 85: 460–466

Leserbrief von Karl Weiß

Sehr geehrter Herr Kollege Gabriel,erlauben Sie mir auf diesem Weg eine (hoffentlich konstruktive) Kritik anzu-bringen:

Leider hat mir Ihr Artikel, obwohl ich bisher noch nicht allzuoft außerhalb der Klinik mit der Todesfeststellung kon-frontiert wurde, wenig neue Erkenntnis gebracht. Auch das abgefragte Wissen im Test erscheint mir nicht besonders schwierig.

Sie sprechen an einigen Stellen Pro-bleme an, leider werden so gut wie keine praktischen Hinweise zum Umgang mit den Schwierigkeiten für den nieder-gelassenen Praktiker gegeben. Ich hätte

mir gewünscht, dass es mehr praktische Hinweise zum Umgang mit der Forde-rung nach einer (statistisch verwert-baren) Aussage zur Todesursache und der Kausalkette gibt. Dies ist definitv kein Dienst am Patienten oder seinen Angehörigen, sondern einzig am statis-tischen Interesse des Gesetzgebers, das mir schwierig zu erfüllen scheint. Auch den Umgang mit der Frage nach der To-desart und der Forderung einer vollstän-digen Leichenschau finde ich wenig hilfreich. Haben Sie schon einmal bei ei-nem Ihnen unbekannten im häuslichen Umfeld Verstorbenen den Angehörigen die diesbezüglichen Notwendigkeiten erklärt? Ich finde, dass es eigentlich un-zumutbar ist, was der Gesetzgeber von

uns verlangt, ganz abgesehen vom Ho-norar, das auch nicht im entferntesten mit dem Zeitaufwand korreliert, wenn man alles korrekt macht. Leider lassen Sie als Fachleute uns auch damit allein.Schade!

Mit freundlichen kollegialen GrüßenKarl Weiß

Karl Weiß

Feldstr. 3

32756 Detmold

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse:

Antwort auf diesen Leserbrief von Dr. med. Peter Gabriel

Sehr geehrter Herr Kollege Weiß,Sie sprechen in Ihrem Brief das Problem der Festlegung auf eine konkrete Todes-ursache bzw. eine Kausalkette zur Todes-ursache an. Hierbei handelt es sich um ein vielschichtiges Problem, zu dem ich Ihnen leider kaum praktische Hinweise geben kann.

Eine „sichere“ Todesursache könnte in den allermeisten Fällen nur nach Ob-duktion des Leichnams angegeben wer-den. Dies liegt in der Natur der Sache: Die Todesursache aufgrund einer inneren Er-krankung ist von außen bei der Leichen-schau nicht sichtbar. Leichter ist es da zweifelsohne beim nicht-natürlichen Tod, wenn beispielsweise eine von außen gut sichtbare Verletzung vorliegt. Das zwingt zu dem Schluss, dass mit der An-nahme eines natürlichen Todes durch-aus vorsichtiger umgegangen werden muss. Die Kausalkette soll den Arzt im Übrigen nochmals zu einer Überprüfung seiner Annahme führen. Wenn nämlich

auch nur ein Kettenglied keinen natürli-chen Grund hat, ist die Annahme eines natürlichen Todes als Todesart falsch. Dies wird häufig nicht beachtet.

Trotz dieser bekannten Mängel fließt die Angabe zur Todesursache in der Todesbescheinigung in die Todes-ursachenstatistik ein. Man muss sich be-wusst machen, dass diese Statistik daher auch nur bedingt zuverlässig sein kann. Gleichwohl ist sie kein schikanöser Selbstzweck. Vielmehr dient sie durch-aus dem „Dienst am Patienten“. Durch sie werden wichtige Erkenntnisse über die Sterblichkeitsentwicklung in bedeu-tenden Krankheitsgruppen gewonnen, sodass Behandlungsschwerpunkte fest-gelegt werden können. Das sollte aber auch nicht Thema der Fortbildung sein. Die Schwerpunkte der Fortbildung lie-gen vielmehr in der korrekten Fest-legung auf eine Todesart und in der Not-wendigkeit einer vollständigen Leichen-schau. Es wäre ein enormer Fortschritt, wenn meine hierzu gegebenen Hinweise für jeden Arzt „wenig neue Erkenntnis-se“ enthalten würden. Die hier gemach-

ten Erfahrungen sind leider gegentei-liger Natur.

Es ist mir sehr wohl bekannt, dass es bei der Leichenschau mit Angehörigen durchaus Probleme geben kann. Erfah-rungsgemäß zeigen Angehörige aber Verständnis für die Leichenschau, wenn man ihnen erklärt, dass der Arzt dazu durch das Gesetz verpflichtet ist. Meiner Meinung nach verlangt der Gesetzgeber hier auch nichts Unzumutbares. Viel-mehr ist die ärztliche Leichenschau fes-ter Bestandteil unseres Berufsbildes.

Mit freundlichen GrüßenPeter Gabriel

Dr. med. Peter Gabriel

Institut für Rechtsmedizin

Universitätsklinikum Düsseldorf

Moorenstr. 5

40225 Düsseldorf

Tel.: 0211 / 81 19 367

E-Mail: [email protected]

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519LESERBRIEFE / LETTERS TO THE EDITOR

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Mitglieder werben MitgliederWerbeaktion bis zum 31. Dezember 2009

Sie sind DEGAM-Mitglied und von der wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedi-zin überzeugt, weil sie kompetent, kri-tisch und unabhängig ist?

Dann sprechen Sie doch Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen an, ebenfalls Mit-glied zu werden.

Mit einer noch stärkeren Fachgesell-schaft können wir gemeinsam die Inte-ressen der Allgemeinmedizin noch bes-ser vertreten.

Gewinnen Sie doppelt:

Durch eine starke DEGAM und ein Präsent für jeden Werber!

• Jeder erfolgreiche Werber erhält ein Präsent im Wert von 25 Euro.

• Unter allen Werbern wird ein Preis verlost: kostenfreie Teilnahme am nächsten Jahreskongress incl. zwei Übernachtungen in Dresden im Ge-samtwert von ca. 500 Euro.

• Der Werber mit den meisten neu ge-wonnenen Mitgliedern erhält eben-falls einen Preis: kostenfreie Teilnah-me am nächsten Jahreskongress im Wert von ca. 200 Euro.

• Institute, die gezielt bei ihren Lehr- und Forschungspraxen werben, erhal-ten pro geworbenes Neumitglied 25 Euro zur freien Verwendung.

Machen Sie mit: Stärken Sie die All-gemeinmedizin und Familienmedizin!

Herzliche GrüßeIhr

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGPPräsident der DEGAM

520 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

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521DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)

Die Zukunft der IndividualMedizinJütte R. Die Zukunft der IndividualMedizin – Autonomie des Arztes und Methoden -pluralismus. Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, 2009, 136 S., 27 Abb., 7 Tab. ISBN: 978-3-7691-0591-9. 29,95 Euro

Dieses Buch präsentiert Ergebnisse einer Tagung des Dialogforum Pluralismus in der Medizin aus dem Jahr 2008. Das Dia-logforum wurde im Jahr 2000 als Platt-form für einen Dialog zwischen Vertre-tern der sog. Schulmedizin und Komple-mentärmedizin geschaffen mit der Ziel-setzung „einer professionsinternen Klä-rung des Verhältnisses verschiedener medizinischer Richtungen“ und der „In-tegration von Schulmedizin und Kom-plementärmedizin“.

Bei der Tagung im Jahr 2008 standen die Themen „Autonomie und professio-nelles Handeln“ und „Methodenpluralis-mus und Therapiefreiheit“ im Mittel-punkt und wurden von namhaften Ver-tretern aus verschiedenen Bereichen (Bundesärztekammer, Klinik, Medizin-ethik, Geschichte der Medizin, Epidemio-logie, Gesundheitsökonomie, Pharmako-logie, Journalismus) diskutiert.

Schon im Titel fällt der Begriff Indi-vidualMedizin (Schreibweise des Buchs) auf, der sich durch das gesamte Buch zieht und in einem der ersten Beiträge näher beleuchtet wird. Hingewiesen wird dabei auf die Unterscheidung einer eher personenorientierten und einer eher technikorientierten Variante der IndividualMedizin (nach Bircher u. Wehkamp) und auf eine oft antitheti-sche Verwendung zum Begriff „Staats-medizin“ in gesundheitspolitischen De-batten. Allerdings bleibt sowohl in die-sem Kapitel als auch im restlichen Büch-lein die inhaltliche Bedeutung des Be-griffs IndividualMedizin unscharf – ge-nauso wie auch der Bezug zwischen In-dividualMedizin und Komplementär-medizin nebulös bleibt.

Die Beiträge der Dialogforums-Refe-renten sind in einzelne Kapitel auf-geteilt. Nachdem zunächst aus juristi-scher Sicht die gesetzlichen Vorrausset-zungen für IndividualMedizin (bzw. Komplementärmedizin) erörtert wer-den, geht es im folgenden Kapitel um die Frage, inwieweit sich der Ansatz der evidenzbasierten Medizin (EbM) und der IndividualMedizin „vertragen“ und welche ethischen Implikationen der EbM-Ansatz mit sich bringt. In diesem Zusammenhang wird auch der Wandel des Berufsbildes „Arzt“ diskutiert.

In einem weiteren Kapitel erfolgt ein Ausflug in die eher technikorientierte IndividualMedizin zur Pharmakageno-mik sowie zu einer „Computermedizin“, bei der ein entsprechend vorab gefütter-tes Programm die Denkprozesse eines Arztes bei der Erhebung und Interpreta-tion klinischer Daten simuliert. Beim Lesen erschließt sich allerdings der Be-zug des letztgenannten Beitrages zu den übrigen Beiträgen nicht. Vielmehr scheint auf den ersten Blick diese Ent-wicklung, bei der Funktionen des Arztes und Bereiche der Arzt-Patient-Bezie-hung „outgesourct“ und vom Computer übernommen werden, dem Konzept der IndividualMedizin entgegenzulaufen.

Im abschließenden Kapitel geht es um die Patientenseite. Die Medizinjour-nalistin und Buchautorin S. Herbert ruft in ihrem Beitrag zu mehr Transparenz und Beteiligung von Patienten und Ärz-ten in der Frage auf, wie viel Eminenz bei Therapieentscheidungen erlaubt ist und wie viel Evidenz gefordert werden muss – letztlich ruft sie damit auch zu einer öf-fentlichen Diskussion um Therapiefrei-heit und Therapieeinschränkung auf.

Aus hausärztlicher Sicht erscheinen einige der angesprochenen Forderungen inadäquat, enthält doch der Praxisalltag wie auch die Definition des Fachs All-gemeinmedizin zahlreiche der im Buch geforderten Elemente eines individual-medizinischen Ansatzes. So heißt es zum Beispiel in der DEGAM-Fachdefini-tion, dass „...die Arbeitsweise der All-gemeinmedizin somatische, psycho-so-ziale, soziokulturelle und ökologische Aspekte berücksichtigt und dass es bei der Interpretation von Symptomen und Befunden von besonderer Bedeutung ist, den Patienten, sein Krankheitskon-zept, sein Umfeld und seine Geschichte zu würdigen.“ (http://www.degam.de/fachdefinition.html.). Schaut man sich die Zusammensetzung des Dialogfo-rums an, so fällt auf, dass kein hausärzt-licher Vertreter bzw. überhaupt kein Ver-treter aus der ambulanten Patientenver-sorgung mit dabei ist. Dies mag auch der Grund sein, dass man an einigen Stellen des Buches das Gefühlt hat, dass an der Praxis vorbeidiskutiert und -argumen-tiert wird.

Nichtsdestotrotz ist es in Zeiten von Leit-linien, DMP und zunehmender Prozes-sualisierung der Medizin eminent wich-tig, die individuelle Seite der Medizin zu betonen und Kontrapunkte zu setzen. Al-lerdings bietet gerade die EbM, die so-wohl im Buch als auch an anderer Stelle häufig von Vertretern des komplemen-tärmedizinischen Bereichs kritisiert wird, eine Chance und einen wirklichen An-satzpunkt für die individuelle Seite der Medizin; denn EbM im eigentlichen Sinne bedeutet, bei klinischen Entscheidungen die individuellen Patienten- und Arzt-sichtweisen miteinzubeziehen. Nur muss es natürlich hierfür in der täglichen Pra-xis einen Rahmen und genügend Raum (sowohl zeitlich als auch finanziell) ge-ben. Dieser Raum wird in der täglichen Praxis jedoch immer enger und muss da-her seinem nicht nur aus Patientensicht immensen Stellenwert entsprechend be-tont, verteidigt und professionalisiert werden. In diesem Zusammenhang leis-tet das Dialogforum bzw. dieses Büchlein seinen Beitrag – nicht zuletzt durch die namhaften Vertreter und durch den in-terdisziplinären Ansatz. Für die Zukunft wären allerdings mehr inhaltliche Klar-heit und der Einbezug von Vertretern der ambulanten Patientenversorgung wün-schenswert.

Stefanie Joos

Dr. med. Stefanie Joos

Abteilung Allgemeinmedizin u.

Versorgungsforschung

Universitätsklinikum Heidelberg

Voßstr. 2, 69115 Heidelberg

Tel.: 06221 / 56 62 63, Fax: 06221 / 56 19 72

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522 BUCHBESPRECHUNGEN / BOOK REVIEWS

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)

Das Industriezeitalter hat einen Einstel-lungswandel gegenüber dem Alter mit sich gebracht. In früheren Kulturen wur-de das Alter mit Weisheit, Überlegenheit verbunden; in unserer materiell orien-tierten Welt sind alte Menschen sozial wenig geachtet, auch dadurch selber un-zufrieden. Das Defizitmodell der heuti-gen Medizin, das Alter einseitig mit kör-perlichem Abbau verbindet, fördert Vor-urteile. Wie hat es der 90-jährige Picasso geschafft, zufrieden alt zu werden: „Man muss älter werden, um jung zu sein“?

Das Ehepaar Radebold weist uns We-ge, wie wir dem Diktum von Picasso nä-her kommen können. Ihr Buch „Älter-werden will gelernt sein“ zeigt Möglich-keiten auf, wie wir uns aktiv mit dem Äl-terwerden auseinandersetzen und bei fortschreitender Lebenszeit zufriedener leben können. Inhaltlich gehen die Au-toren von allgemeinen Ansichten über das Altwerden aus, diskutieren Vorstel-lungen und Vorurteile in früherer und unserer Zeit, stellen die Beziehungen zur Kulturgeschichte, zu Märchen und an-derer Literatur her.

Wichtig ist den Autoren, den Leser einzubeziehen, ihn persönlich anzu-sprechen, ihn zu fragen, wie er selber dieses oder jenes Problem gelöst hat, mit ihm fertig geworden ist. Das gibt dem Buch eine außerordentliche Lebendig-keit und dem Leser die Chance, seine ei-genen Lebensbezüge, seine eigenen Ein- und Vorstellungen zu hinterfragen und gegebenenfalls Änderungen herbei-zuführen. Kenntnisse über das Älterwer-den sind ebenso notwendig wie die Fra-ge an sich selber, inwieweit ich auf mein Altern vorbereitet bin. Und das bezieht sich nicht nur auf die seelische, soziale, sondern auch – gleichgewichtig – auf die körperliche Situation. Um den Körper sollten sich ältere Menschen ebenso kümmern wie um seelische Veränderun-gen. Das gilt besonders nach dem Ver-lust einer engen Bezugsperson wie auch nach Beendigung der Berufstätigkeit. Die Älteren sind angehalten, sich mit bisher kaum gekannten neuen Gefühlen auseinanderzusetzen, andere Befriedi-gungsmöglichkeiten zu suchen, Bezie-hungen zu erhalten und zu gestalten.

Ein wichtiges Thema des Buches ist die Sexualität bei älteren Menschen mit der Frage, wie sie mit ihren veränderten Ge-fühlen umgehen, wie sie auch diesbe-züglich ihre Partnerschaft gestalten und fördern. Besonders wichtig ist, sich im-mer wieder auf das Älterwerden ein-zustellen und dabei die Selbstständig-keit zu bewahren.

Das Ehepaar Radebold stellt sich ge-gen Ende des Buches selber vor, mit ih-ren Wünschen, Beschwerden, aber auch mit den eigenen Möglichkeiten zur Be-wältigung ihres Älterwerdens. Hildegard Radebold ist Diplom-Bibliothekarin und hat ihre Erfahrungen nicht nur in der Auseinandersetzung mit ihrem Ehe-mann, sondern auch aufgrund ihres ei-genen psychoanalytischen Selbsterken-nungsprozesses eingebracht. Hartmut Radebold, Nervenarzt und Psychoana-lytiker, hat sich wissenschaftlich seit sei-nem 30. Lebensjahr mit Fragen des Al-ters aus entwicklungspsychologischer und psychosomatischer Sicht, später mit der Erforschung der „Kriegskinder“, die während des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach geboren wurden oder aufwuchsen, befasst. Seine große Erfah-rung, die er zusammen mit seiner Ehe-frau erarbeitet hat, zeigt sich in der Sou-veränität des Umgangs der beiden Auto-ren mit der umfassenden Problematik. Sie können ihre breiten Kenntnisse so darlegen und aufbereiten, dass sich der Leser unmittelbar angesprochen fühlt und die Chance hat, seinen eigenen Le-bensplan zu hinterfragen, Änderungen herbeizuführen, wo er es für möglich hält und sich auf diese Weise körperlich wie seelisch wohler fühlen kann. Es ist also kein Buch zum „Herunterlesen“. Vielmehr gibt es Anregungen zum Mit- und Andersmachen und über die eigene Situation nachzudenken.

Bei einer weiteren Auflage würde ich mir ein Kapitel über den Umgang mit dem Sterben wünschen zusammen mit der Frage nach der Akzeptanz des Todes. Hier könnte die Frage des Glaubens mit berücksichtigt werden. Auch fehlte mir die Auseinandersetzung mit der Situati-on, wenn einer der beiden (Ehe-)Partner krank, vielleicht bettlägerig wird, sich

eine Demenz oder ein Parkinson ent-wickelt, wie Hildegard Radebold selbst-kritisch in einem Spiegelinterview (Nr. 35, 2009, 106–110) erwähnte. Mit ihrer reichen Erfahrung werden die beiden Autoren auch zu diesem Themenkreis Wesentliches ergänzen können.

Diese kritischen Anmerkungen min-dern den Wert des Buches in keiner Wei-se. Die Aufarbeitung der Probleme in ei-ner Welt, in der die Menschen immer äl-ter werden (und die älteren Menschen in der Bundesrepublik bereits 20 % der Bevölkerung ausmachen), ist von politi-scher Seite her gefordert. Wir Ärzte wer-den in unserer Sprechstunde täglich mit älteren Patienten und deren Multimor-bidität konfrontiert. Nicht selten fühlen wir uns überfordert, versuchen mit Me-dikamenten die besonders belastenden Krankheitserscheinungen in Griff zu be-kommen. Sich um das körperliche Wohlergehen zu kümmern, betonen die beiden Autoren nachdrücklich. Darüber hinaus weisen sie gleichwertig auf die Notwendigkeit einer „seelischen Hygie-ne“ hin und geben wertvolle Ratschläge. Das Buch schließt insofern eine Lücke, weil ältere Menschen in unserer leis-tungsorientierten, ewig jugendlichen Gesellschaft stiefmütterlich angesehen werden. Aus den kompetenten, niemals belehrenden, aber nachfragenden Aus-führungen wird (fast) jeder Ältere Ge-winn ziehen.

Der Arzt wird von diesem Buch in Hinblick auf den Umgang mit seinen äl-teren Patienten wie auch für sich selber profitieren. Seinen über 50-jährigen Pa-tienten sollte er es unbedingt empfeh-len.

Rudolf Klußmann

Älterwerden will gelernt seinRadebold Hartmut, Radebold Hildegard. Älterwerden will gelernt sein. Klett-Cotta, Stuttgart 2009, kart. 19,90 Euro

Prof. Dr. med. Rudolf Klußmann

Internist (Psychoanalyse/Psychotherapie)

Facharzt für Psychosomatische Medizin

und Psychotherapie

Heinrich-Kröller-Str. 3

81545 München

E-Mail: [email protected]

Korrespondenzadresse:

523BUCHBESPRECHUNGEN / BOOK REVIEWS

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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)

Organschaft / AffiliationDeutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM; www.degam.de),Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de), Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM; www.oegam.at/c1/page.asp?id=35)Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine

Herausgeber / EditorsProf. Dr. med. Heinz-Harald Abholz Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin Heinrich-Heine-UniversitätMoorenstraße 5 40225 Düsseldorf Tel.: +49 211 811–7771 Fax: +49 211 811–8755 E-Mail: [email protected] http://www.uniklinik-duesseldorf.de/ allgemeinmedizin

Prof. Dr. med. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP Facharzt für Allgemeinmedizin Abt. Allgemeinmedizin Georg-August-Universität Humboldtallee 38 37073 Göttingen Tel.: +49 551 3922638 oder 3922647 Fax: +49 551 399530 E-Mail: [email protected] http://www.allgemeinmedizin. med.uni-goettingen.de

Prof. Dr. med. Wilhelm Niebling Facharzt für Allgemeinmedizin Lehrbereich Allgemeinmedizin Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Schwarzwaldstraße 69 79822 Titisee-Neustadt Tel.: +49 7651 9207–0 Fax: +49 7651 9207–20 E-Mail: [email protected] http://www.ukl.uni-freiburg.de/med/lehre/lehrbereich/niebling.htm

Prof. Dr. med. Eva Hummers-Pradier Fachärztin für Allgemeinmedizin Institut für Allgemeinmedizin Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str.1 30625 Hannover Tel.: +49 511 5322744 Fax: +49 511 5324176 E-Mail: Hummers-Pradier.Eva@ mh-hannover.dehttp://www.mh-hannover.de/ allgemeinmedizin

Prof. Dr. med. Andreas SönnichsenFacharzt für AllgemeinmedizinInstitut für Allgemein-, Familien- und Präventivmedizin Paracelsus Medizinische PrivatuniversitätStrubergasse 21A-5020 Salzburg

Tel.: +43 662 4420021261 Fax: +43 662 4420021209E-Mail: [email protected]://www.pmu.ac.at/de/134.htm

Internationaler Beirat / International Advisory BoardJ. Beasley, Madison/Wisconsin, USAF. Buntinx, Leuven/BelgienG.-J. Dinant, Maastricht/NLM. Egger, Bern/CH E. Garrett, Columbia/Missouri, USAP. Glasziou, Robina/AustralienT. Greenhalgh, London/UKP. Hjortdahl, Oslo/NorwegenA. Knottnerus, Maastricht/NLM. Maier, Wien/ÖsterreichC. del Mar, Robina/AustralienJ. de Maeseneer, Gent/BelgienP. van Royen, Antwerpen/BelgienB. Starfield, Baltimore/Maryland, USAF. Sullivan, Dundee/Schottland, UKP. Tschudi, Basel/CHC. van Weel, Nijmegen/NLY. Yaphe, Porto/Portugal

Verlag / PublisherDeutscher Ärzte-Verlag GmbHDieselstr. 2, 50859 KölnPostfach 40 02 65, 50832 KölnTel.: +49 2234 7011–0, Fax: +49 2234 7011–255 od. –515.www.aerzteverlag.dewww.online-zfa.de

Geschäftsführung / Management of the CompanyJürgen Führer, Dieter Weber

Leiter Medizinische und Zahnmedi -zinische Fachkommunikation / Head of medical and dental professional communicationsNorbert Froitzheim, E-Mail: [email protected]

Koordination / CoordinationTraudel LampelTel.: +49 2234 7011–374Fax: +49 2234 7011–6374

Vertrieb und Abonnement / Distribution and SubscriptionNicole Ohmann, Tel. +49 2234 7011–218, E-Mail: [email protected]

Erscheinungsweise /FrequencyDie Zeitschrift erscheint 12 x jährlichJahresbezugspreis Inland: 114,00 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich: 84,00 €Jahresbezugspreis Ausland: 141,60 €Ermäßigter Preis für Studenten jährlich Ausland: 111,60 €Einzelheftpreis: 9,50 €Preise inkl. Porto und 7 % MwSt.Die Kündigungsfrist beträgt 6 Wochen zum Ende des Kalenderjahres. Gerichtsstand Köln. Für Mitglieder der DEGAM ist der Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.

Verantwortlich für den Anzeigenteil / Advertising CoordinatorMarga Pinsdorf, Tel.: +49 2234 7011–243, E-Mail: [email protected]

Verlagsrepräsentant / Publishers’ RepresentativeGötz Kneiseler, Uhlandstr. 161, 10719 Berlin, Tel.: +49 30 88682873, Fax: +49 30 88682874, E-Mail: [email protected]

Herstellung / Production DepartmentDeutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln, Vitus Graf, Tel.: +49 2234 7011–270, E-Mail: [email protected], Alexander Krauth, Tel.: +49 2234 7011–278, E-Mail: [email protected]

Datenübermittlung Anzeigen / Data Transfer AdvertisementPetra Möller, Tel.: +49 2234 7011–268, E-Mail: [email protected]

Layout / LayoutSabine Tillmann, Sybille Rommerskirchen

Druckerei / PrinteryFarbo print+media GmbH, Köln

Konten / AccountDeutsche Apotheker- und Ärztebank, Köln, Kto. 010 1107410 (BLZ 370 606 15), Postbank Köln 192 50–506 (BLZ 370 100 50)

Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 1, gültig ab 1. 1. 2009

Druckauflage: 3300 Ex.

Der Verlag ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft LA-MED Kommunikationsforschung im Gesundheitswesen e.V.

85. Jahrgang

ISSN 1433-6251

Urheber- und Verlagsrecht / Copyright and Right of PublicationDie Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen ein-zelnen Beiträge und Abbildungen sind urheber-rechtlich geschützt. Mit Annahme des Manu-skriptes gehen das Recht der Veröffentlichung sowie die Rechte zur Übersetzung, zur Vergabe von Nachdruckrechten, zur elektronischen Speicherung in Datenbanken, zur Herstellung von Sonderdrucken, Fotokopien und Mikroko-pien an den Verlag über. Jede Verwertung außerhalb der durch das Urheberrechtsgesetz festgelegten Grenzen ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

© Copyright by Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Köln

524 IMPRESSUM / IMPRINT

Z FAZeitschrift für Allgemeinmedizin

German Journal of Family Medicine

Dezember 2009 – Seite 489-524 – 85. Jahrgang www.online-zfa.de

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• Herzstillstand beim Sport

• Doping

H. Rieger

SPORTVERLETZTWAS JETZT?

Ursachen, Behandlung, Vorbeugung

Sportverletzungen sicher erkennenund richtig behandeln

2009, 845 Seiten, 418 vierfarbige Abbildungen in 576 Einzeldarst, 20 TabellenISBN 978-3-7691-0603-9

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Prof. Dr. med.Horst Rieger Chefarzt der Klinik fürUnfallchirurgie, Ortho-pädie und Handchirur-gie, Sportmedizin desClemenshospitals,Münster

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Page 52: ZFA 12 2009 - online-zfa.de · – Asthma bronchiale und COPD – Chronische Herzinsuffizienz – Diabetes mellitus Typ 2 – Fettstoffwechselstörung – Allgemeine Geriatrie –

© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2009; 85 (12)Mehr Information: aerzteverlag.de

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Dr. med. Norbert KrappitzArzt für Allgemein-medizinKölner Institut fürReisemedizinGoltsteinstraße 18550968 Köln

Kapitel 2.2: Reisemedizinisch relevante Erkrankungen und ihre PräventionAbb. 2.5: Prävalenz der Hepatitis A weltweit