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Arbeitskreis akw . Kapital und Wirtschaft Cercle d'étude Capital et Économie Institute for Capital and Economy Innovations- wettbewerb - wo steht die Schweiz? von Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Universität Hamburg, Leiter Hambur- gisches WeltWirtschaftsInstitut HWWI Referat, gehalten an der Generalver- sammlung des Arbeitskreises Kapital und Wirtschaft vom 30. Oktober 2006 im Hotel SAVOY Baur en Ville, Zürich

ZT 23 Text final - HWWI...as a percentage of GDP, 2004 or latest available year (Quelle: OECD Factbook 2006) Die erste Erkennt-nis ist, dass es in der Schweiz nicht so sehr an öffentli-chem

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Arbeitskreis akw. Kapital und Wirtschaft

Cercle d'étude Capital et Économie Institute for Capital and Economy

Innovations-wettbewerb - wo steht die Schweiz? von Prof. Dr. Thomas Straubhaar, Universität Hamburg, Leiter Hambur-gisches WeltWirtschaftsInstitut HWWI Referat, gehalten an der Generalver-sammlung des Arbeitskreises Kapital und Wirtschaft vom 30. Oktober 2006 im Hotel SAVOY Baur en Ville, Zürich

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Sehr geehrte Damen und Herren

Als Ausgangspunkt meiner Betrachtungen haben Sie mir freundlicherweise ihre neueste Studie „Innovative Schweiz - Die Schweizer Wirtschaft im in-ternationalen Innovationswettbewerb“ zugestellt, die ich mit Interesse gele-sen habe. Eigentlich habe ich den von den Herren Professoren Schips und Geiger darin geäusserten Analysen und Schlussfolgerungen wenig entge-genzusetzen, was mir meine Aufgabe eher schwieriger macht. Die Studie

bietet einen kompetenten Überblick über den Zusam-menhang von Innovation und wirtschaftlicher Entwick-lung. Ich habe deshalb be-schlossen, lediglich gewisse Schwerpunkte neu zu setzen und dies insbesondere in Bezug auf die Frage, wie die Schweiz heute makroökono-misch da steht. Dies ist wie-derum schwierig, als ich – mit Blick von aussen auf die Schweiz – möglicherweise die positiven Seiten über- und die negativen unter-

schätzen mag. Nichtsdestoweniger wird meine Botschaft eine zweifache sein: erstens, dass sich die Schweizer aller objektiv feststellbarer Erfolge zum Trotz mit Blick auf die raschere Dynamik in anderen Länder, die rasch aufholen, nicht auf den Lorbeeren ausruhen sollen. Das Gute ist eben auch hier der Feind des Besseren. Zweitens möchte ich auch auf die Gefahr hin-weisen, dass man die hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Innovationstätigkeit als Argument missbraucht, um von Wachstumsfra-gen abzulenken und sich auf Verteilungsfragen zu konzentrieren. Das ist deshalb zu kurzsichtig gedacht, weil vermehrte Anstrengungen nötig sein werden, falls die Schweiz den erreichten hohen Stand weiterhin halten soll. Denn es gibt nur ein Ziel, das verfolgt werden sollte: jenes, an der Spitze zu bleiben. Deshalb muss die Schweiz mehr und nicht etwa weniger für eine gute Wachstumspolitik tun. Denn eine gute Wachstumspolitik ist und bleibt die Grundlage für eine gute Verteilungspolitik!

Andere Regionen der Welt bleiben ja, wie wir wissen, nicht untätig. Als Bei-spiel dafür nehme ich einmal das Silicon Valley in Kalifornien, einer Region,

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die von den natürlichen Voraussetzungen her wohl um einiges schlechter als die Schweiz dastand, obschon sie über einen Zugang zum Meer verfügt, was der Schweiz versagt ist. Dieses verkehrstechnische Manko kompensier-te die Schweiz aber dadurch, dass sie ein wichtiges Transitland in Mitten von Westeuropa war und ist und dies stets zu nutzen wusste. Es sind solche Regionen, wie die der San Francisco Bay Area, die wir uns als „Bench Mark“ also als Massstab setzen müssen – Regionen, die in ihrer Grösse der Schweiz ähnlich sind, doch von der Wachstumsdynamik deutlich vor uns lie-gen. Die Frage ist nun, wie wir an diese erfolgreiche Regionen anschliessen können.

Um diese Fragen zu beantworten, möchte ich in 4 Schritten vorgehen.

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1. Ein paar Zahlen Am Anfang mögen ein paar Zahlen die Studie meiner Kollegen Schips und Geiger ergänzen. Als Datenquelle dient hierzu das Factbook 2006 der OECD (www.oecd.org). Es liefert eine Fülle von internationalen Vergleichen. Einige wenige sollen hier kurz wiedergegeben werden.

Gross domestic expenditure on R&D (GERD) as a percentage of GDP, 2004 or latest available year (Quelle: OECD Factbook 2006)

Die erste Erkennt-nis ist, dass es in der Schweiz nicht so sehr an öffentli-chem Geld für In-novationen man-gelt, sondern an der Hebelwirkung, dessen, was der Staat mit seinem Geld anschiebt. Es

geht darum mit welchem Multiplikatoreffekt jeder staatlich eingesetzte Fran-ken auf private Investoren überschwappt, und damit um die Frage, wie viele weitere Franken jeder Franken Steuergeld an privatem Einsatz zu generie-ren vermag. Die USA geben beispielsweise – bezogen auf das Bruttoinland-produkt – nicht viel mehr Geld aus als europäische Länder. Das Entschei-dende ist, dass die Mischung zwischen staatlichem und privatem Geld eine

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ganz andere ist. In den USA wird jeder Dollar, der vom Staat investiert wird, vervielfacht, während dieser Hebeleffekt in Europa wesentlich bescheidener bleibt. Positiv ist hervorzuheben, dass es für die Schweiz durchaus Bereiche gibt, in denen die Verbindung staatlicher und privater Innovationstätigkeit gut funktioniert, so etwa bei international tätigen Unternehmen der Chemie oder der Biotechnologie. Hier müsste das Ziel sein, auch in anderen Branchen ei-ne engere Verzahnung zu erreichen.

Zweiter Punkt: Wir forschen in der Schweiz eigentlich in den „richtigen“ Feldern – mindestens kann man sagen, dass in der Schweiz in ähnlichen Feldern geforscht wird, wie es auch die Eliteuniversitäten in den USA tun. Es stimmt also nicht, wenn ab und zu behauptet wird, wir stellten nicht die rich-tigen Fragen. Biotechnologie, Optik, Gentechnologie, Nanowissenschaften oder andere Fragen wie jene alternativer Energieträger und -formen sind eben diesseits und jenseits des Atlantiks ein Thema. Da liegen wir sicher richtig.

Europa krankt also nicht daran, falsche Fragen zu stellen sondern an der Geschwindigkeit, mit der richtige Antworten in die Praxis umgesetzt werden, also daran , wie schnell aus neuen Erkenntnissen, wie rasch aus dem in die Forschung investierten Geld und aus dem daraus hervorgegangenen neuen Wissen neue Produkte und damit neue Märkte und neue Beschäftigungs-möglichkeiten entstehen. Hier müssen wir ansetzen, wenn wir international kompetitiv sein wollen.

Researchers (Quelle: OECD Factbook 2006) Per thousand employed, full-time equivalent, 2004 or latest available year

Ein dritter Punkt, bei dem die Schweiz eher schlecht da steht, ist, wenn wir Köpfe in re-lativer Grösse zur ge-samten Bevölkerung zählen. Andere Staa-ten weisen pro 1000 Einwohner mehr

Köpfe für Forschung und Entwicklung aus als die Schweiz. Hier, im Bereich des Humankapitals, der Aus- und Weiterbildung und auch des Forschens und des Forschenlas-sens liegt somit für die Schweiz ein Potential, weil wir hier doch noch Nach-holbedarf haben.

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Ein vierter Punkt ist sehr erfreulich: Bei der Anzahl der Patente steht die Schweiz an der Spitze. Man muss sich hier lediglich fragen, was ein Patent eigentlich ist. Denn nicht jede Erfindung mündet ja in ein Patent. Oft wird unter Geheimhaltung der Formel der Erfindung diese direkt im Markt umge-setzt, ohne sie aufwändig zuerst einem Patentverfahren auszusetzen. Auch können viele Patente angemeldet werden, ohne dass diese dann auch wirt-schaftlich zum Tragen kommen – man kann damit ja etwa die Absicht verfolgen, das Entstehen neuer Märkte zu verhindern, indem Entwicklungen und neue Technologien durch Patente behindert oder gebremst werden sollen. Das alles zeigt, wie relativ auch positive Aussagen solcher Statistiken sind.

Performance on the mathematics scale in PISA 2003 Quelle: OECD Factbook 2006

Fünftens zeigt ei-ne weitere Statistik, dass die Schweiz in Punkto Natur-wissenschaften an den Schulen gut da steht. Auch die Pi-sa-Studie belegt dies. Die USA lie-gen hier weit zu-rück. Das könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass die USA das Know-how nicht selber teuer produzieren wollen, sondern mit einer geschickten Brain-gain-Strategie aus dem Ausland importieren. Eine kluge Einwanderungspolitik er-laubt dann, wenig Geld ins breite Schulsystem fliessen zu lassen und die Ausbildung anderen Ländern zu überlassen. Dafür wird dann viel mehr Geld in Spitzenuniversitäten oder in Forschungsaktivitäten im Silikon Valley ge-steckt, um mit attraktiven Rahmenbedingungen für Spitzenkräfte die besten Köpfe aus aller Welt dorthin anzuziehen. Denn es ist ja nicht die Frage, wo die Menschen ausgebildet werden, sondern, wo dieses Know how dann schliesslich zur praktischen Anwendung kommt.

Nehmen wir alle statistischen Belege zusammen, findet sich wenig Ursache, dem für die Schweiz so erfreulichen Ranking des World Economic Forum zu widersprechen. Bekanntlich steht die Schweiz in diesem internationalen Vergleich ganz oben an der Spitze. So überaus erfreulich das ist, so wenig darf man vergessen, dass , das, was heute gut ist, nicht automatisch auch

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längerfristig gut sein muss. Wir müssen also schon heute an Morgen den-ken, um gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie Innovation und Bil-dung die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Erfreulich dabei ist, dass wir uns in einer guten Ausgangslage befinden. Sie macht es viel einfacher, wichtige Weichen richtig stellen zu können.

Quelle: World Economic Forum: The Global Competitiveness Report 2006-2007, 26 September 2006.

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2. Wachstum und Innovation Blicken wir auf die Dynamik der weltwirtschaftlichen Entwicklung, so zeigt sich, dass viele andere Ländern in den letzten 50 Jahren enorm aufgeholt haben. Dabei sitzen die eigentlichen Konkurrenten nicht mehr nur noch in Europa oder den USA sondern zunehmend eben auch etwa im asiatischen Raum. Still stehen hiesse hier, relativ zurückzufallen, wobei der Erosions-prozess einer enormen Eigendynamik ausgesetzt ist: Kapital wandert zuerst in Wachstumsregionen ab, dann folgt die Abwanderung von Menschen und Know-how und es entsteht ein Divergenzprozess, ein Auseinanderdriften wie wir es ja bereits aus verschiedenen Regionen kennen – mit einem steti-gen und unaufhaltsamen Austrocknungseffekt. In der langfristigen Betrach-tung sehen wir, dass sich in der Schweiz der langfristige Wachstumspfad verlangsamt, dass also Kapital eher nach Irland geht als in die Schweiz oder dass etwa Länder wir Dänemark beginnen, die Schweiz zu überholen. In diesem Zusammenhang ist interessant, zu sehen, was ein langsames Zu-rückbleiben des Zins- und Zinseszins-Effekt wegen in der langen Frist be-deutet. Wenn wir heute von einem Wert 100 ausgehen und Land A wächst mit einem, Land B mit zwei und Land C wächst mit drei Prozent pro Jahr,

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öffnet sich die Schere überproportional. Der Zins- und Zinseszins-Effekt führt dazu, dass nach zehn Jahren Land A um 10,5%, Land B um 21,9% und Land C um 34,4% gewachsen sind. (vgl. Tabelle). Das ist eben we-sentlich mehr als nur eine Verdoppelung oder Verdreifachung.

Zins und Zinses-Zins Es gibt so etwas wie eine Selbstdynamik des Auseinanderdrif-tens und diese Ei-gendynamik muss gestoppt werden, be-vor sie gravierende Auswirkungen zur Folge hat. Das zeigt sich besonders au-genfällig bei einem Blick auf demografische Veränderungen. Die demografi-sche Alterung ist nicht ein wirkliches Problem. Sie wird nur dann zum Prob-lem, wenn wir heute mit Schulden und damit auf Kosten der Generationen von morgen das Wachstumspotential künftiger Generationen beeinträchti-gen, was wir in der Schweiz leider in sehr starkem Masse tun. Wir sehen, dass das Brutto-Inland-Produkt in der Schweiz in den letzten 15 Jahren um ca. 30 % zugenommen hat, die Ausgaben für die soziale Sicherheit sich a-ber verdoppelt haben! Ein immer grösser werdender Teil des Kuchens muss für die soziale Sicherheit aufgewendet werden.

Steigender Staatsanteil (Quelle: OECD Observer, Policy Brief, Januar 2006)

Das ist dann ein bedrohli-ches Problem, wenn wir nicht entsprechende Wachstumsraten erzielen und es würde dann kaum ins Ge-wicht fallen, wenn wir mit

3% oder mehr wachsen würden. Wenn die Renten- und AHV-Entwicklung zudem auch von der Lohnentwicklung, also vom Produktivitätsfortschritt, ab-

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-Soziale Sicherung - Kantone - Bund - Gemeinden

- BIP

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gekoppelt würde, müssten wir uns bei starkem Wachstum über das demo-grafische Thema keine Sorgen machen.

Die entscheidende Frage lautet somit: Kann die Schweiz so schnell wach-sen, dass wir unsere sozialen Herausforderungen lösen können und für Ka-pital attraktiv bleiben und zwar sowohl für Finanz-, wie auch Sach- und Hu-mankapital. Das ist die eigentliche Kernfrage.

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3. Innovation und Wachstum Sie führt unmittelbar zu einer Analyse der Wachstumsfaktoren. Und damit sind wir beim Thema der Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Innovationen spielen bei der Faktorkombination, d.h. bei der Frage, wie Arbeitskräfte und Maschinen zusammen zu bringen sind, eine ganz wichtige Rolle. Der ent-scheidende Punkt ist hier, dass zutrifft, was bereits im Matthäusevangelium zu finden ist: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden“. Der Matthäus-Effekt ist das A und O. Es gibt gute empirische Relevanz dafür, dass sich das Wachs-tum des einen Faktors mit dem Wachstum des andern Faktors zu einem posi-tiven Synergieeffekt verknüpft. Jeder Investor wird dort investieren, wo bereits Kapital vorhanden ist, wo bereits Arbeitskräfte produktiv arbeiten. Wenn er dort etwa in neue Maschinen investiert, werden die Arbeitskräfte nochmals produk-tiver, die Löhne werden steigen und das zieht wiederum neue Arbeitskräfte an. So schaukelt sich das ganze hoch. Entscheidend ist dabei, wie produktiv der einzelne Arbeiter sein kann. Das hat mit Kapital und mit Technologie zu tun und damit, ob es gelingt, dank neuer Produkte neue Märkte zu erschliessen.

In solchen Re-gionen, wo viel Innovation und Wachstum vor-handen ist, kön-nen Innovationen trotz Patentschutz und Geheimhal-

tungsmanövern nicht völlig ab-geschottet blei-ben. Ein Teil des

WACHSTUM

Produktionsfaktoren Faktorkombination

ARBEIT KAPITAL TECHNOLOGIE

Vergrößerung derArbeitsmenge* Bevölkerung** Inländisch** Ausländisch

* Erwerbsquoten

Verbesserung der Arbeitsqualität

Vergrößerung desKapitalstocks* Investitionen

Verbesserung der Qualität* Sachkapital* Humankapital

Technisches Wissen i.e.S.

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Prozessinnovation

Technisches Wissen i.w.S.

Organisations-innovation

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Wissens springt automatisch als Spill-over’s auch auf andere Unternehmen über. Das führt dazu, dass Innovationen den Strukturwandel beschleunigen. Das wird immer wieder vergessen.

Es ist nicht die Globalisierung und es sind nicht die Chinesen, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen – das ist eine völlig falsche Sicht! Der entscheidende Motor der Arbeitsplatzvernichtung auf der einen Seite und des Schaffens von neuen Arbeitsplätzen auf der andern Seite ist der technologische Fortschritt. Dieser führt, wenn er klugen Rahmenbe-dingungen folgt, nicht zu weniger, sondern zu mehr und zu interessanteren und besser bezahlten neuen Jobs. Das Entscheidende ist dabei das Entste-hen von neuen Arbeitsplätzen, denn alte Arbeitsplätze werden immer wieder verschwinden – das war seit jeher so. Wichtig und richtig ist es also nicht, al-te Arbeitsplätze festhalten zu wollen, sondern neue vor Ort zu schaffen. Und dabei müssen wir uns fragen, wie schnell wir neue Arbeitsplätze schaffen können.

Hier wird in der Regel auf das Bildungssystem und die Forderung nach guter Bildung verwiesen. Das ist richtig, aber nicht ausreichend. Gute Bildung ist keine hinreichende Bedingung, sondern lediglich eine absolut unver-zichtbare Notwendigkeit. Bildung ist nur die Voraussetzung, dass man lau-fen kann. Ob man dann das Rennen auch gewinnt, das hängt von vielen anderen Faktoren ab. Auch Erfindungen sind nur eine unbedingte Voraus-setzung für die Schaffung neuer Produkte, doch Erfindungen allen schaffen noch lange keine neuen Produkte.

Innovation heisst in diesem Zusammenhang natürlich, dass Neues geschaf-fen wird. Das bedeutet aber auch, dass damit das Alte relativiert, abgewertet oder gar abgeschafft wird. Etwas Neues schaffen heisst oft, dass das Alte zerstört wird. Das Neue ist eine Herausforderung für das Alte. Deshalb wer-den sich alle, die mit dem Alten zu tun haben, sich gegen eine Neuerung wehren. Sie werden sich dagegen wehren, dass ihr altes Wissen und ihre al-ten Strukturen keine Bedeutung mehr haben sollen. Deshalb ist es so wich-tig, stets gut hinzusehen, was jene wirklich wollen, die sich gegen Innovatio-nen, gegen Neues stellen. Man denke da etwa bloss an die Diskussionen um die Gentechnologie.

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4. Was bleibt zu tun? Damit komme ich zum letzten Teil, d.h. zur Frage, was der wechselseitige Zusammenhang von Wachstum und Innovation denn nun für die Schweizer Innovationsfähigkeit und –politik heissen kann. Eine erste wichtige Botschaft ist hier – mit Blick auf führende, erfolgreiche Schweizer Unternehmer – die Einsicht, dass der Staat bei Innovationen als der grosse Macher am allerwe-nigsten gefragt ist.

Man kann nicht mit der öffentli-chen Brechstange Innovation befehlen. Woher soll denn gera-de der Staat wissen, welche In-novationen im Markt erfolgreich sein werden? Nehmen Sie als Beispiel die staatliche Förderung von Airbus in Hamburg. Man kann sich fragen, wie viele Innovationen auf anderen Ge-bieten hätten stattfinden können, wenn die öffentlichen Mittel nicht für Airbus vergeben worden wären. Auch ohne Airbus wäre es ja denkbar, dass wir in Europa eine blühende Industrie für mittelgrosse Flugzeuge hätten, was frü-her ja der Fall war und die evtl. gerade auch wegen dem Projekt Airbus zu-rückgedrängt worden ist. Verdrängungseffekte müssen also auch berück-sichtigt werden: Jeden Euro, den ein Staat in einem von ihm geförderten Be-reich ausgibt, kann er nicht in einem andern Bereich ausgeben. Mehr noch: um den einen Fördereuro ausgeben zu können, muss der Staat zunächst einmal den Euro andernorts wegnehmen. Wenn auf diese Art das eine Pro-jekt zu Lasten des andern bevorteilt wird, ist dies eine Diskriminierung und die Innovationssubvention für den einen Sektor ist die Steuer für den andern

Sektor. Mit andern Worten: Wenn ich als Unternehmer jeden Tag danach streben muss, besser zu werden und dies mit eigenem Kapi-tal oder zu verzinsendem Fremdkapital selber finan-zieren muss und dann Er-

folg habe, so wird mir durch solche staatliche Subventionen ein Teil dieses Erfolgs weggenommen, um damit jene zu unterstützen, die scheinbar nicht

„Regierungen sollten sich he-raushalten und nicht

versuchen, klüger als der Markt zu sein.“

Eine Innovationspolitik verlangt nicht in erster Linie mehr

Staat. Innovationsgetriebene Markterfolge lassen sich nicht mit der förderpolitischen Brechstange

erzwingen.“

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in der Lage sind, von alleine besser zu werden. Ich glaube, dass das keine gute Politik ist. Gerade das ist ein markanter Unterschied zwischen den an-gelsächsischern Ländern und den kontinentaleuropäischen Ländern. Wäh-rend bei uns viele denken, der Staat müsse überall eingreifen, und müsse auch Mitspieler sein, sehen es die USA oder England so, dass der Staat nicht Spieler sondern bestenfalls Schiedsrichter sein soll.

Was eine erfolgreiche Inno-vationspolitik wirklich braucht, ist Freiheit für die Forschung –– und nicht die Einstellung, dass man von vornherein alle mög-lichen Risiken vermeiden soll. So kann man nicht forschen: politisch „korrekte“ Forschung gibt es eben nicht – das ist dann eben keine Forschung mehr.

Für die Schweiz ist es wichtig, die wirtschaftliche Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Cluster entstehen können. Die Schaffung von Orten und Regionen, in denen auf engem Raum in großer Nähe interdisziplinäre Forschung und ein entspre-

chender Austausch von Wissen mit wirtschaftlich motivierten An-wendern möglich ist, fördert Innovationen. Die Verzahnung von Forschung und Anwendung muss durch eine kluge passive Standortpolitik und nicht so sehr durch eine aktive Innovations-

politik gefördert werden. In gleichem Masse müssen Bildung, Forschung und Wirtschaft international durchlässig und vernetzt werden. Nur ein hoher Grad der Internationalisierung gewährleistet den für Innovationen nö-tigen freien Wissenstransfer.

Was es wirklich braucht! Freiheit (Abbau von Markteintritts- und Markt-austrittsschranken

Offenheit (nicht „warum?“, sondern „warum nicht?)

Anreize (wenig Bürokratie, tiefe Gewinnsteuern)

► Keine ex ante Förderung, sondern ex post Belohnung!

Förderung von Innovationsclustern Interdisziplinarisierung Internationalisierung => Offene Grenzen für offene Geister

Verbindung von Theorie mit Empirie und Praxis

Strategie der „Cluster“ Effizienz (Kurze Wege, Rasche Reaktionen, Gemeinsamer Brain Pool)

Spillovers („Masse“ = Economies of Scale Mehrfachnutzung, Befruchtung)

Innovationsklima

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Hier wurde in der Schweiz z.B. im universitären Sektor in den letzten Jahren sehr viel gemacht. Man denke dabei etwa an die Universitäten Zürich oder St. Gallen, aber auch an die ETH in Zürich und Lausanne, wo eine Inter-nationalisierung bereits eingesetzt hat. Das alles hat natürlich auch mit Aus-länderpolitik zu tun. Es gilt etwa, unsere Professoren nicht nach deren Natio-nalität sondern nach deren Qualität zu berufen. Hier liegt die Schweiz zu-sammen mit den skandinavischen Ländern sicherlich weit vor Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien. Wenn an einer Universität 90% der Professoren aus dem Ausland kommen, dann ist das ein ausgesprochenes Gütezeichen und kein Warnsignal. Es zeigt, dass wir begriffen haben, dass wir hier uns nicht provinziell beschneiden, sondern offen sein wollen für Neue und damit auch für Neues. Cluster helfen in der Wirtschaft zudem, Spill-overs schneller zu erzeugen und bewirken so einen Vorteil im Kampf um neue Märkte. Das ist auch der Grund, weshalb der Bankensek-tor im Raume Zürich oder die Maschinenindustrie im Süddeutschen Raum entstanden sind – weil es dort eben einen gemeinsamen Pool von Men-schen gegeben hat, die als Fachkräfte wissen, was eine Maschine ist und relativ leicht von einem Unternehmen zum andern springen können und auch im sozialen Bereich – und die „automatisch“ sei es bei der Feuerwehr, im Turnverein, beim gemeinsamen Mittagessen oder am Stammtisch - zum Wissenstransfer beitragen.

Das bringt mich zum entscheidenden Punkt: zum Kapital. Und ich sage das ganz bewusst, weil beim Arbeitskreis Kapital und Wirtschaft der Begriff des Kapitals bereits im Namen vorkommt. Denn hier liegt im Vergleich zum an-fangs erwähnten Silikon Valley für die Schweiz der mit Abstand der grösste Nachholbedarf. Es geht um eine Trilogie.

Am Anfang steht die Frage nach dem Humankapital. Hier müssen wir be-reit sein, auch Leute zu unterstützen, die nicht immer der Konvention ent-sprechen, die sogar an den Hochschulen durchgefallen sind, wie etwa Albert Einstein, der sich bekanntlich mit den Konventionen immer schwer tat, gera-de auch zu Beginn seiner universitären Ausbildung. Dies, weil er anders war – anders als seine Lehrer und dennoch hat er die Welt mehr als sie alle ver-ändert. Solche Leute stellen mit ihren neuen Ideen auch bestehende Lehren in Frage und das gefällt den Bewahrern des Alten eben nicht. Wir müssen aber bereit sein, gerade solchen Leuten eine Chance zu geben. Das ist das A und O des Humankapitals, um innovativ zu werden. Man denke dabei auch an Leute wie Bill Gates und viele andere.

Die zweite Notwendigkeit besteht in der Verbindung von neuem Wissen in neue Anwendungen. Dafür braucht es Innovatoren, die aus klugen Ideen

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pfiffige Produkte oder Dienstleistungen entwerfen. Es braucht kreative Bastler und neugierige Tüftler. Es braucht dynamische Erfinder, die grosse Pläne haben. Der Drang die Welt mit neuen Produkten, Dienstleistungen, Geräten, Apparaten und Konsumgütern zu beglücken, entsteht oft allein, manchmal in kleinen Gruppen, selten in der grossen Öffentlichkeit. Die Ge-sellschaft kann hier lediglich ein günstiges Umfeld schaffen, das Neuerun-gen gegenüber offen ist, das Hinterhofgaragen zweckentfremdet als Werk-statt oder Labor zu nutzen erlaubt, das selbständigen jungen start-up Betrie-ben keine bürokratischen Hürden in den Weg legt. Vielleicht hilft ab und zu ein staatlich organisierter Wettbewerb, um neue Ideen und Produkte anzu-regen. Viele Innovatoren haben erste Projekte in Schülerwettbewerben, bei „Jugend forscht“ oder ähnlichen Veranstaltungen vorgestellt.

Die dritte Dimen-sion ist jene der Investoren. Es ist die Suche nach dem Wagniskapi-tal: wie kommt z.B. ein junger Absol-vent von der Uni oder ETH zu Kapi-tal, um gute Ideen ein Stück voran zu bringen? Es ist in der Schweiz schwie-rig, Risikokapital zu generieren. Doch für einen guten Start ist es unumgänglich. Nachher, wenn sich das Produkt im Markt erfolg-reich eingeführt hat und eine gewisse Grösse überschreitet, kann es an bestehende Unternehmen weiter verkauft werden. Ein Paradebeispiel dafür ist Andreas von Bechtolsheim, der Mitgründer von Sun Microsystems und der wohl reichste Deutsche in den USA. Er traf zwei junge Leute von der Stanford Universität, Larry Page und Sergey Brin , die damals noch vollstän-dig unbekannten Gründer von Google auf einem Parkplatz, weil sich sonst nie Zeit für ein Treffen fand. Die beiden jungen Studenten zeigten ihm, dem bereits bekannten und wohlhabenden Sun-Besitzer ihre bahnbrechende Idee einer elektronischen Suchmaschine auf ihrem Laptop, den sie auf die Kühlerhaube ihres Autos legten. Bechtolsheim meinte darauf hin, er finde die Idee gut, habe aber keine Zeit und stellte den zwei einen Check über

Wissen

UmsetzungKönnen

Universitäten

Innovatoren Unternehmen

SozialesMilieu

(Humankapital)

(Risiko) (Wagniskapital)

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100'000 US Dollar aus. Noch bevor die Firma Google juristisch gegründet war, hatte sich also ein Geldgeber gefunden. Der Check konnte erst einge-löst werden, als Google dann juristisch gegründet worden war. Die Ge-schichte steht übrigens auf der Homepage von Google. So schnell geht dies in den USA. Und in dieser Hinsicht ist in der Schweiz noch sehr viel zu tun.

Für wie viele so wohlhaben-de Schweizer, die über Millio-nen verfügen, die sie nicht wirklich benötigen – auch An-wesende in diesem Raum –

wäre es ein leichtes, mit solchen relativ bescheidenen Summen von Wag-niskapital Innovationen anzustossen. Und damit Sie mich richtig verstehen: Nicht etwa aus Altruismus, sondern aus Egoismus. Das eingesetzte Wag-niskapital soll eine hohe Rendite abwerfen, so wie es übrigens auch bei And-reas von Bechtolsheim und seinen 100'000 Dollar der Fall war. Google wur-de für den ohnehin schon sehr erfolgreiche Sun-Mitbegründer die beste In-vestition. Aus den 100'000 Dollar wurden in weniger als 10 Jahren 700 Milli-onen Dollar! Es braucht wenig Mathema-tikkenntnisse, um die unglaubliche Rendi-te dieser Investition zu berechnen (kor-rekterweise muss angeführt werden, dass Bechtolsheim in einer späteren Phase Google noch einmal 100'000 Dollar nachgeschossen hat, das halbiert die Rendite, verändert aber nichts an ihrer astronomischen Dimension!). Natür-lich gibt es keine Renditen ohne entsprechendes Risiko. Doch ohne Risiko geht es nicht, wenn man in der ersten Liga erfolgreich spielen will. Dazu müssen wir bessere Systeme finden, um eben solches Wagniskapital einzusammeln – ohne auf den Staat zu warten. Es wäre eine grosse Illusion, hier zu sagen „der Staat muss, der Staat wird“, denn erstens ginge es bei einem Warten auf den Staat viel zu lange, und zweitens und wichtiger, ist es nicht seine Aufgabe, als Wagniskapitalgeber aufzutreten. Das können nur Private und deshalb sollen es auch nur Private tun – dann allerdings mit der Erwartung, nicht nur die Risiken tragen zu müssen, sondern auch die Erträ-ge vor staatlichem Zugriff sicher einfahren zu können.

Es gilt also – gerade in der Schweiz – eine neue, offene Mentalität der Risikofreude, zu fördern. Wenn Sie das tun, kann es sicherlich manchmal etwas teurer werden. Doch gerade für Ihre Enkel gibt es nur etwas, was in diesem Jahrhundert noch teurer werden wird: nämlich, es nicht zu tun.

Es wird im 21. Jahrhundert nur eine Sache geben,

die teurer ist als Innovationen ...

... keine Innovationen zu haben!

frei nach J. F. Kennedy

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Fragen aus dem Publikum: Frage ( Dr. Doerig): Können Sie sich in Bezug auf die fernöstliche Konkurrenz in Sachen Innova-tion, die in Zukunft auf uns zu-kommt, äussern? China hat ja z.B. bereits heute in absoluten Zahlen die drittgrössten Ausga-ben auf dem Gebiet der For-schung.

Straubhaar: China habe ich nicht aufgenommen, weil China wohl in absoluten Zahlen gut dasteht, doch relativ – etwa im Vergleich mit der Schweiz – eben nicht. Früher hatten wir ja Angst vor Japan, dann vor Korea, heute vor China und morgen wohl vor Indien. All diese Länder unter-nehmen heute sehr grosse Anstrengungen. In absoluten Zahlen gesehen kommen etwa in China jedes Jahr 100 mal mehr Ingenieure und Techniker auf den Markt als in der Schweiz. Das sind riesige Zahlen, die ich nicht klein reden will. Aber noch einmal: China wird auch noch ganz schwierige Fragen zu klären haben in Bezug auf Innovation. So werden in einer Diktatur nie die besten Köpfe als Wissenschafter generiert. Da haben wir mit unserer westli-chen Kultur einen grossen Vorteil. So gesehen würde ich auch Indien als schwerwiegenderen Konkurrenten für die Zukunft ansehen.

Frage ( Prof. Schips): China ist – im Gegensatz zu Indien - eine stark altern-de Gesellschaft. Doch die demografische Alterung, wie auch in der Schweiz, kombiniert mit hohem Besitzstand führen zu Scheu vor Veränderungen, denn mit zunehmendem Alter nimmt normalerweise auch die Risikoaver-sisät zu. Das sind alles negative Chancen fürs Bremsen und für Mora-torien. Dazu kommt das Problem des Brain drains. Wenn in der Schweiz ein Ausländer promoviert hat be-kommt er ein Schreiben von der Fremdenpolizei, er soll das Land

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verlassen. In den USA werden diese Leute gerne aufgenommen. So sind die grosse Mehrheit der Akteure im Silikon Valley Asiaten und Europäer und nicht Amerikaner. Wie können wir nun ganz gezielt diesen Folgen der de-mografischen Alterung einerseits und dem Brain drain beim Ausbildungspo-tenzial entgegentreten?

Straubhaar: Es sind in der Tat zwei Komponenten, die wir betrachten sollten: erstens die Zahl der Köpfe – diese lassen sich ja durch entsprechende Einwanderungspolitik etwas steuern. Schauen Sie doch bloss auf die Zahl der Deutschen, die in die Schweiz kommen. Heute stehen die Deutschen hinter Italienern und Spaniern an dritter Stelle. Die Schweiz ist für Deutsche das

grösste Auswanderungsland geworden. Eine grosse Gefahr betreffend einer zu kleinen Zahl der Köpfe scheint mir nicht zu bestehen. Anders bei der Qualität der Köpfe. Eine alternde Gesellschaft wird in der Tendenz weniger innovativ sein, das ist wahr. Hier können und müssen wir aufklären, aufklä-ren, aufklären. Ältere müssen bereit sein, ein leben lang zu lernen, sich ständig weiterzubilden und alles zu tun, damit sie von neuem Wissen nicht abgehängt werden. Die Politik ihrerseits kann z.B. die Schulden bremsen, um künftigen Generationen bessere Voraussetzungen zu schaffen. Damit hat die Schweiz erfreulicherweise ja begonnen. Die älteren Leute müssen

begreifen, wie wichtig es ist, zu den Jungen Sorge zu tragen, sie nicht zu brem-sen. Sonst können wir den Generationenvertrag verges-sen und es kommt zu ei-nem Generationenkonflikt. Die Alten können dann wohl noch bestimmen, doch die Jungen wandern dann ein-fach aus. Die Rechnung werden so oder so die Älte-ren bezahlen müssen.

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Frage: In der Schweiz ist das Kapital nicht so leicht zu finden. Wie kann die Situation der Schweiz hier verbessern?

Straubhaar: Ich denke, dass gerade in der Schweiz das Stiftungsrecht ein guter Hebel dazu wäre - indem Wagniskapital über Stiftungen Innovationen fördern könnte. Das wäre etwas, wofür man auch in einer Demokratie Mehr-heiten erhalten könnte. Ein zweites wäre, dass durch günstige Rahmen-bedingungen weitere For-men gefunden werden könnten, über die solches Kapital bereitgestellt wer-den kann. Ein drittes wäre ein Umdenken in Bezug auf die Einstellung gegenüber Konkursen. Wenn Konkurse ein dermassen grosser Makel sind, dass man sich davon ein Leben lang nicht erholen kann, wird die Motivation, Risiken einzugehen natürlich auch stark gemindert. Es sind dies vor allem Mentalitätsfragen, deren Zielsetzungen durchaus auch auf Zeithorizonte von 20-30 Jahren anzulegen sind.

Frage (Hasenfratz): An was für Erleichterungen im steuerlichen und admi-nistrativen Bereich denken Sie?

Straubhaar: Verglichen mit anderen Ländern wie Südostasien, Osteuropa oder USA haben wir hier grossen Nachholbedarf. Es kann ja nicht sein, dass ein Jungunternehmer, der in einer Hinterhofgarage beginnt, vom Staat als al-ler erstes gezwungen wird, geschlechtergetrennte Toilettenanlagen zu instal-lieren usw. In noch stärkere Mass gilt das natürlich beim nächsten Schritt, wenn es um Baubewilligungen geht. Im administrativen Bereich müssen wir uns hier noch gewaltig bewegen. Wieso nicht jedem jungen Betrieb einen meinetwegen staatlich finanzierten Bärenführer zur Hand geben, der den Innovator entlastet und ihm den Weg durch den bürokratischen und administrativen Dschungel abnimmt? Wobei sicher auch viele ältere Betriebe Interesse an solchen Hilfen hätten. Wieso eigentlich gibt es hier noch keine privat finanzierte Bärenführer?

Frage: Sie haben uns eine Analyse für die Schweiz gegeben. Oft verglei-chen wir uns ja mit Deutschland. Wie sieht ihre Lageanalyse denn für Deutschland aus?

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Straubhaar: Wie gesagt, die Schweiz sollte sich an den richtigen Ländern orientieren, d.h. im Innovationsbereich gerade nicht an Deutschland, weil dort viele Probleme, die sich in der Schweiz als innovationshemmend erwei-sen, in noch ausgeprägterem Masse vorhanden sind. Deutschland ist somit leider kein Vorbild. Die fatale Philosophie in Deutschland ist, dass man, um einen einzigen negativen Einzelfall zu vermeiden, Regeln aufstellt, die alle andern behindern. Das kann es gerade für den Innovationswettbewerb ja nicht sein, und ich kann nicht verstehen, weshalb man in Deutschland oft auf diese Weise verfährt. Am Schluss geht in zu vielen Innovationsbereichen zu wenig, man denke nur an die Kernkraft oder die Gentechnologie. Für die Schweiz ist der Weltmarkt die Benchmark. Dort sind Dinge möglich, die in Europa noch nicht möglich sind. Hier gilt es first player zu sein.

Kommentar (Dr. Lattmann): Es ist enttäuschend zu sehen, wie die classe politique sich in diesen Fragen völlig ignorant verhält. Sieht man sich die neuen Erlasse der Eidg. Steuerverwaltung betreffend beruflicher Wertschrif-tenhändler an, so führt dies seit einigen Monaten neuerdings dazu, dass ge-rade solche private Geldgeber im Bereich von Venture-capital als professio-nelle Wertschriftenhändler qualifiziert werden und Kapitalgewinne auf die-sem, bereits als Einkommen versteuertem Risikokapital voll als Einkommen versteuern müssen. Das ist ein enormes Dis-incentive! Aufklärung bei Re-gierungen und Parlamenten sind sehr wichtig.

Bemerkung (Kummer): Bei der Frage des demo-grafischen Wandels bin ich nicht ganz mit ihnen einverstanden. Wenn Sie beispielsweise das Ab-stimmungsverhalten der Jungen betrachten, finden Sie kaum Unterschiede zu den Alten. Wir sind eine Abfederungsdemokratie ge-worden. Wenn Sie Zeitun-gen lesen, sehen Sie, dass etwa bei der Mehrwertsteuerdiskussion nur von Abfederungen gesprochen wird. Das ist eine gewaltige Mentalitätsfrage – wir sind letztlich irgendwo immer noch eine Genossenschaft und mentalitäts-mässig sind wir alles Genossen. Das ist etwas, was unserem Anliegen abso-lut diametral entgegen gesetzt ist.

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Straubhaar: Das kann ich bestätigen. Auch ich meine, dass ein wichtiger Punkt der Aufklärung ist, zu sagen, dass man zuerst wachsen muss, bevor man verteilen kann – zuerst muss der Bär erlegt werden, bevor man ihn ver-teilen kann. Auch für Deutschland kann ich bestätigen, dass bei aller Verän-derung zuerst einmal fast immer die Verteilungsfrage erörtert wird, bevor man sich überhaupt Gedanken darüber macht, wie Verteilung finanziert werden soll. Das ist eine falsche Mentalität, die es zu korrigieren, umzukeh-ren gilt. Aus diesem Reflex des Bewahrens heraus handeln oft eben auch die Jungen, die dies im Elternhaus und ihrem bisherigen Leben so mitbe-kommen haben, sehr strukturkonservativ. Doch das ist für die Jungen selber ein Schuss ins eigene Bein – das muss man immer wieder klar aufzeigen – und den Älteren ist auf die Dauer damit auch nicht gedient, weil der Preis da-für am Schluss in Form des Generationenkonflikts sehr hoch sein kann.

Frage (Prof. Blankart): Ich gebe Ihnen gerne die Adresse des Präsidenten der SP der Schweiz, dem Sie ihre guten Ideen mitgeben könnten. Ich meine,

man könnte durch eine nur geringfügige Änderung des Versi-cherungsaufsichtsgesetzes den Versicherungsgesellschaften er-lauben, einen kleinen Teil ihrer Solvabilitätsspanne in Risikokapi-tal anzulegen. Damit wäre das Problem schon weitgehend gelöst. Dies nur nebenbei.

Ich verfolge momentan die Dis-kussionen zwischen der EU-Kom-mission und China sowie zwi-

schen den USA und China in Bezug auf die Textilien und Schuhe. Hier wird klar, dass, ein enormer Protektionismus-Schub auf uns zukommen wird. In diesem Zusammenhang wurde mir nie eine Frage beantwortet: Wir können sicherlich in China, Indien, Brasilien usw. investieren. Doch die Erfahrung zeigt, dass solche Investitionen nie Arbeitsplätze in der Schweiz verlängert haben. Eine Frage bleibt hier deshalb offen: was können und sollen wir dann mit den unqualifizierten Arbeitskräften im Alter ab 45 Jahren bei uns tun?

Straubhaar: Die Idee mit der Veränderung von Rahmenbedingungen etwa auch bei Versicherungen geht ja in dieselbe Richtung, wie mein Vorschlag für steuerliche Privilegierung von Stiftungen und anderer Institute zur Vertei-lung von Wagniskapital. Die zweite Frage, die Sie in Bezug auf chinesische Billig-Exporte stellen, bewegt mich auch. Was wir tun müssen, ist den Struk-

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turwandel so zu beschleunigen, dass in der Industrie frei gesetzte ältere Ar-beitskräfte rasch wieder andernorts, wohl im Bereich der Dienstleistungen eine Beschäftigung finden. Denn gerade der Dienstleistungssektor ist (noch!) nicht so sehr im globalen Wettbewerb wie die handelbaren Industriegüter. So könnten und sollten ältere Arbeitskräfte sich so weiterqualifizieren, dass sie in Beratung, Bildung oder im Gesundheitswesen einen Job finden kön-nen. Bei Freizeitaktivitäten, im Sport, im Kochkurs, auf der Ferienreise, im Krankenhaus lasse ich mich doch lieber von einem älteren Schweizer be-dienen als von einem Chinesen, dessen Sprache ich nicht verstehe.

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Schluss und Dank

Hasenfratz: Es wären noch viele weitere Fragen zu stel-len, etwa wie man das Frauenpotential besser ein-binden könnte. Sie haben ja einen Artikel unter dem Titel „Männer an den Herd“ veröf-fentlicht. Ich habe es versucht – nur kann man es nachher nicht wirklich essen.

Wir möchten uns mit einem kleinen Geschenk erkenntlich zeigen, das wir Ihnen aber mit Bezug auf die neuen rigorosen Regeln an den Flughäfen lieber frei Haus nach Hamburg liefern möchten.

Wir danken Ihnen allen für die aktive Teilnahme an unserem Anlass, dass Sie zu uns gekommen sind und freuen uns, Sie bei der nächsten Gelegen-heit wieder zu sehen.

Arbeitskreis Kapital und Wirtschaft akw.

Cercle d'étude Capital et Économie Circolo di studio Capitale ed Economia Swiss Institute for Capital and Economy Postf. 1029 8700 Küsnacht T 044-380 5100 [email protected] Fax +41-44-380 5104 © akw. 2007