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Samstag, 25. Februar 2017 Von Hannah Schmitz Auf dem Deck der El Aquidabán ist es eng. Die Menschen nutzen die Flussfahrt auf dem Rio Para- guay dafür, alle möglichen Waren – Bananen, Windeln, Stühle und Matratzen – zu transportieren. Die Reiseblogger Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma sind mitten zwischen ihnen einge- quetscht. Eigentlich wollte das norddeutsche Paar entspannt den Fluss bis an die brasilianische Grenze schippern. Sonne tanken, in Hängematten liegen, die Seele baumeln lassen. Spätestens als aus dem Handylautsprecher eines einheimischen Mitreisenden „Brother Louie Louie Louie“ von Modern Talking scheppert, wis- sen sie: Reisen ist ein Abenteuer. Der heute 32-jährige Hübbe und die 30-jährige Neromand- Soma reisen inzwischen seit fünf Jahren durch die Welt – und zwar ausschließlich als Anhalter und mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie per Couchsurfing. Ihre Ausgaben sind minimal, ihr öko- logischer Fußabdruck auch. „Wir greifen nur auf den Verkehr zu- rück, der sowieso schon unter- wegs ist“, erklärt Morten Hübbe ihr Reiseprinzip. 2011 starteten die beiden in ihr erstes großes Reiseabenteuer, das sie am Ende zwei Jahre durch Südamerika führte. Sie hatten ge- rade ihren Master in Literatur und Medien in Essen abgeschlossen und wenig Lust, direkt in das Be- rufsleben zu starten. Stattdessen wollten sie jeweils ein sechsmona- tiges Praktikum in Buenos Aires, Argentinien, absolvieren. Dort lernten sie Südamerikaner aus dem ganzen Kontinent kennen, die von ihrer Heimat erzählten – und die beiden damit zum Reisen verführten. Kurz entschlossen disponierten Hübbe und Nero- mand-Soma um. „Wir wollten erst wieder nach Hause, wenn wir in jedem südamerikanischen Land gewesen sind“, erzählt Ne- romand-Soma. Aus sechs Monaten Argentinien werden zwei Jahre Südamerika Von Argentinien reisen sie nach Uruguay, von Uruguay nach Para- guay, von dort weiter nach Boli- vien. Ewig müssen sie an der Grenzen warten, bis sie es nach Bolivien schaffen. Sie sind im pa- raguayanischen Chaco – irgendwo im Nirgendwo. Auf den Straßen ist so gut wie kein Verkehr. Nachts gesellen sich Straßenhunde zu ih- nen und lecken die Reste aus der Sardinenbüchse. Die Nacht ist bitterkalt. Am nächsten Morgen um 5 Uhr fährt endlich ein LKW vorbei und hält an. Sie erreichen Bolivien. Diese Art zu reisen ist nicht nur low-budget, sie ist auch oft wenig komfortabel. Kein Vergleich mit einem gemütlichen Zehn-Tage- Urlaub auf Fuerteventura, nicht einmal ein Vergleich mit den für Abiturienten fast zum Standard gewordenen Backpacking-Reisen nach Australien. Das Paar bloggt über seine Rei- sen auf www.nuestra-america.de und verdient damit ein wenig Geld. Zudem haben sie über ihre Südamerika-Reise ein Buch ver- öffentlicht. Ansonsten halten sie sich unterwegs mit Gelegenheits- jobs über Wasser. Sie waren zum Beispiel Tellerwäscher, Holzfäller und Farmer und haben manchmal für ein Gehalt, manchmal für Kost und Logis gearbeitet. Ihre Art zu reisen möchten sie nicht missen: „Wir haben das Rei- sen per Anhalter und mit Couch- surfing für uns entdeckt, weil wir so in einen intensiven Kontakt mit den Einheimischen treten kön- nen. Allein dadurch, dass wir mit den Menschen vor Ort sprachen, haben wir viel über das alltägliche Leben, aber auch über Politik und Missstände in den einzelnen süd- amerikanischen Ländern ge- lernt“, erzählen sie. Von Bolivien geht es für die zwei weiter nach Peru, von Peru nach Brasilien, von dort nach Pa- tagonien und Chile. In Ecuador kommen sie in die Mitte der Welt, an den Breiten- und Längengrad Null-Null-Null. Von dort geht es weiter zu den Galapagos-Inseln, auf denen Charles Darwin einst die endemische Tierwelt erforscht hat. Sie sehen einen Naturreich- tum, der den Atem verschlägt. Riesenschildkröten, die für zehn Schritte etwa drei Minuten brau- chen. Sie lernen zutrauliche See- löwen kennen, beobachten Pelika- ne im Sturzflug. Je länger sie unterwegs sind, desto stärker merken sie: Sie sind glücklich mit dem Reisen. Durch das Couchsurfing lernen sie viele Menschen kennen, schließen Freundschaften. „Unsere Gastge- ber waren ausgesprochen hilfsbe- reit und engagiert. Sie betrieben häufig einen Extra-Aufwand, da- mit wir uns als ihre Gäste wohl- fühlten“, erzählen die Reise-En- thusiasten im Rückblick. Vermis- sen sie denn gar nichts beim Reisen? „Doch“, sagt Neromand- Soma. „Zum Beispiel Freunde und Familie, Menschen die uns kennen und zu denen wir eine tiefe Bindung haben.“ An Weihnach- ten schlage das Heimweh manch- mal auch zu: Dann vermissen sie Glühwein, Dominosteine und Lebkuchen. Es fällt ihnen noch mehr ein: Der fehlende Wechsel der Jahreszeiten geht zum Bei- spiel dem 32-jährigen Hübbe schwer ab. Ihm fehlt der Unter- schied zwischen Frühling, Som- mer, Herbst und Winter. Den erle- ben die Reiseblogger nur mehr geographisch. Auch Käse, Brot, Senf und Bier vermissen sie. „Aber für alles gibt es auch Kom- pensationen.“ Viele ihrer Mitfahr- und Schlafgelegenheiten halten die zwei Abenteurer als Foto fest. Zu einigen von ihnen haben sie noch immer Kontakt. Etwa zu Belen aus Ushuaia, Feuerland, Argenti- nien. Sie hat zwei Kinder und die zwei Couchsurfer aus Deutsch- land zusätzlich für eine Weile auf- genommen. „Bei ihr haben wir uns ganz natürlich sehr wohl ge- fühlt. Sprichwörtlich vom ersten Augenblick waren wir wie Freun- de zueinander.“ In Deutschland funktioniert das Trampen plötzlich nicht mehr Ihre Ankunft nach 56 000 zu- rückgelegten südamerikanischen Kilometern in Deutschland ist dagegen herb. Hübbe hat sich ei- nen dichten Rauschebart wachsen lassen, ihre Kleidung ist abge- nutzt. Sie stehen an der Auto- bahnraststätte bei Frechen nahe Köln, kurz hinter der deutsch- belgischen Grenze. Auf einmal gibt es keine Mitfahrgelegenhei- ten mehr, Autofahrer, so berich- ten es beide, halten sie offenbar für obdachlos, für Penner. Sie werden von Weitem weggewun- ken. „Deutschland desillusioniert uns“ schreiben sie nach dieser Er- fahrung auf ihrem Blog. Dennoch bleiben sie. Erst ein- mal. Sie ziehen nach Berlin, mel- den eine Wohnung an. Sind wie- der angekommen. Doch ein Bein streckt sich schon wieder ins Rei- sen. Warum nicht noch mehr se- hen von der Welt? Sie planen ihren nächsten Trip: Auf dem Landweg wollen sie es bis nach Indien schaffen. Per Anhalter und Couchsurfing. Wieder trennen sie sich von allem Materiellen, das sie haben. Auf ihren Personalauswei- sen klebt nun ein Papier: „Keine Hauptwohnung in Deutschland“. Rochssare Neromand-Soma pos- tet das Foto auf Facebook. Es ist ein großer Schritt. Das war 2014. Inzwischen sind die beiden in der internationalen Öko-Kom- mune Auroville im Süden Indiens. Seit 50 Jahren versuchen dort Menschen ein alternatives Le- bensmodell zu entwickeln, das nachhaltig und schonend mit der Umwelt umgeht. Vor einem hal- ben Jahrhundert war die Gegend unfruchtbares Land, viele Brun- nen der umliegenden Dörfer wa- ren versiegt, es lebten kaum wilde Tiere dort. Heute befindet sich Auroville in einem tropischen Trockenwald, der einst typisch für diese Region war. Die zwei kurbeln die Waschma- schine mit Pedaltritten eines Fahrrads an, ernähren sich von organischer Landwirtschaft und leben in Häusern aus Lehm. In et- wa einem Monat wollen sie wei- terziehen. Dann trampen sie ent- lang der Ostküste Indiens nord- wärts, bis sie Kalkutta und Darjeeling erreichen werden. An- schließend wollen sie nach Ban- gladesch. Die Blogger und Autoren schreiben schon an ihrem nächs- ten Buch über ihre Reise nach In- dien. Mit dem Reisen wollen sie danach nicht aufhören. Afrika oder Mittelamerika reize sie auch. Können sie sich noch vor- stellen, irgendwo sesshft zu wer- den? „Wahrscheinlich kommt ir- gendwann der Punkt, an dem wir sesshaft werden wollen. Noch füh- len wir uns aber nicht danach, da- für reisen wir viel zu gerne. Es gibt noch viele Ecken in der Welt, die wir nicht gesehen haben.“ Von Couch zu Couch durch die Welt Die Reiseblogger Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma sind seit fünf Jahren mit wenig Geld auf großer Tour. Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma in der Wüste Dasht-e Kavir in Iran. Seit 2014 ist das Paar auf seiner zweiten großen Reise: Auf dem Landweg nach Indien. Fotos: privat Auf den Galapagos-Inseln gibt es die seltensten Tierarten der Welt. Die zwei Reiseblogger haben dort unter anderem eine Riesenschildkröte entdeckt. Nach ihrer Südamerika-Tour hat es die zwei Reisenden nicht lange in Deutschland gehalten. Hier ist der Personalausweis von Rochssare Nero- mand-Soma zu sehen: „Keine Hauptwohnung in Deutschland“. Auf einer Wanderung im Himalaya-Gebirge gerieten Hübbe und Neromand-Soma in einen Schneesturm. Alles um sie herum war anschließend weiß. Das blendete so sehr, dass beide einige Tage schneeblind waren. Am Fitz Roy Massiv in Patagonien. Reisen per Anhalter: Auf dem Weg nach Feuerland. Morten Hübbe,32, Reiseblogger „Wir haben gemerkt, wie glücklich wir mit dem Reisen sind. Also haben wir nicht damit aufgehört.“ Morten Hübbe im Teatro Cólon in Buenos Aires, Argentinien. Morten Hübbe und Rochssare Neromand- Soma: „Per An- halter durch Südamerika“. Piper-Verlag. München/Ber- lin 2016. 432 Seiten. 16 Euro. Weitere Reisegeschichten gibt es auf dem Blog ww.nuestra-america.de. BUCH UND BLOG Georgetown (Französisch Guayana) Cuenca Galapagos Valparaiso Chiloe Ushuaia Puerto Madryn Rio de Janeiro Salvador Salvador Cabo Polonio Stanley Lima King Eduard Point Südatlantischer Ozean Südpazifischer Ozean Nordatlantischer Ozean 500km 500km maps4news.com/©HERE Grafik: Jürgen Runo own G rgetown (Französisch G Geo G rgetown a a a Valparais so o Chilo oe h hu U u Ush sh h hua uaia P Puerto Madryn R Rio R de de Sa Sal S vad dor S S bo Cabo bo Polonio Stanley Lim ma Südatlantischer Ozean 56 000 Kilometer durch Südamerika Santiago de Chile Santiago de Chile Resistencia Resistencia Asuncion Asuncion Santa Cruz Santa Cruz Cusco (Machu Picchu) Cusco (Machu Picchu) VENE- ZUELA VENE- ZUELA Bogotá Bogotá KOLUM- BIEN KOLUM- BIEN PERU PERU BOLIVIEN BOLIVIEN Mompox Mompox „Vielleicht ist das Positivste am Reisen, die Erkenntnis, dass die Welt kein schlechter Ort ist. “ Rochssare Neromand-Soma, 30, Reisebloggerin R E PO R TA G E R E PO R TA G E Samstag, 25. Februar 2017

zu Couch durch die Welt - Morten & Rochssare | Reiseblog · 2017. 10. 4. · und verdient damit ein wenig Geld. Zudem haben sie über ihre Südamerika-Reise ein Buch ver-öffentlicht

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Page 1: zu Couch durch die Welt - Morten & Rochssare | Reiseblog · 2017. 10. 4. · und verdient damit ein wenig Geld. Zudem haben sie über ihre Südamerika-Reise ein Buch ver-öffentlicht

Samstag, 25. Februar 2017

Von Hannah Schmitz

Auf dem Deck der El Aquidabánist es eng. Die Menschen nutzendie Flussfahrt auf dem Rio Para-guay dafür, alle möglichen Waren– Bananen, Windeln, Stühle undMatratzen – zu transportieren.Die Reiseblogger Morten Hübbeund Rochssare Neromand-Somasind mitten zwischen ihnen einge-quetscht. Eigentlich wollte dasnorddeutsche Paar entspannt denFluss bis an die brasilianischeGrenze schippern. Sonne tanken,in Hängematten liegen, die Seelebaumeln lassen. Spätestens alsaus dem Handylautsprecher eineseinheimischen Mitreisenden„Brother Louie Louie Louie“ vonModern Talking scheppert, wis-sen sie: Reisen ist ein Abenteuer.

Der heute 32-jährige Hübbeund die 30-jährige Neromand-Soma reisen inzwischen seit fünfJahren durch die Welt – und zwarausschließlich als Anhalter undmit öffentlichen Verkehrsmittelnsowie per Couchsurfing. IhreAusgaben sind minimal, ihr öko-logischer Fußabdruck auch. „Wirgreifen nur auf den Verkehr zu-rück, der sowieso schon unter-wegs ist“, erklärt Morten Hübbeihr Reiseprinzip.

2011 starteten die beiden in ihrerstes großes Reiseabenteuer, dassie am Ende zwei Jahre durchSüdamerika führte. Sie hatten ge-rade ihren Master in Literatur undMedien in Essen abgeschlossenund wenig Lust, direkt in das Be-rufsleben zu starten. Stattdessen

wollten sie jeweils ein sechsmona-tiges Praktikum in Buenos Aires,Argentinien, absolvieren. Dortlernten sie Südamerikaner ausdem ganzen Kontinent kennen,die von ihrer Heimat erzählten –und die beiden damit zum Reisenverführten. Kurz entschlossendisponierten Hübbe und Nero-mand-Soma um. „Wir wolltenerst wieder nach Hause, wenn wirin jedem südamerikanischenLand gewesen sind“, erzählt Ne-romand-Soma.

Aus sechs Monaten Argentinienwerden zwei Jahre Südamerika

Von Argentinien reisen sie nachUruguay, von Uruguay nach Para-guay, von dort weiter nach Boli-vien. Ewig müssen sie an derGrenzen warten, bis sie es nachBolivien schaffen. Sie sind im pa-raguayanischen Chaco – irgendwoim Nirgendwo. Auf den Straßenist so gut wie kein Verkehr. Nachtsgesellen sich Straßenhunde zu ih-

nen und lecken die Reste aus derSardinenbüchse. Die Nacht istbitterkalt. Am nächsten Morgenum 5 Uhr fährt endlich ein LKWvorbei und hält an. Sie erreichenBolivien.

Diese Art zu reisen ist nicht nurlow-budget, sie ist auch oft wenigkomfortabel. Kein Vergleich miteinem gemütlichen Zehn-Tage-Urlaub auf Fuerteventura, nichteinmal ein Vergleich mit den fürAbiturienten fast zum Standardgewordenen Backpacking-Reisennach Australien.

Das Paar bloggt über seine Rei-sen auf www.nuestra-america.deund verdient damit ein wenigGeld. Zudem haben sie über ihreSüdamerika-Reise ein Buch ver-öffentlicht. Ansonsten halten siesich unterwegs mit Gelegenheits-jobs über Wasser. Sie waren zumBeispiel Tellerwäscher, Holzfällerund Farmer und haben manchmalfür ein Gehalt, manchmal für Kostund Logis gearbeitet.

Ihre Art zu reisen möchten sienicht missen: „Wir haben das Rei-sen per Anhalter und mit Couch-surfing für uns entdeckt, weil wirso in einen intensiven Kontakt mitden Einheimischen treten kön-nen. Allein dadurch, dass wir mitden Menschen vor Ort sprachen,haben wir viel über das alltäglicheLeben, aber auch über Politik undMissstände in den einzelnen süd-amerikanischen Ländern ge-lernt“, erzählen sie.

Von Bolivien geht es für diezwei weiter nach Peru, von Perunach Brasilien, von dort nach Pa-tagonien und Chile. In Ecuadorkommen sie in die Mitte der Welt,an den Breiten- und LängengradNull-Null-Null. Von dort geht esweiter zu den Galapagos-Inseln,auf denen Charles Darwin einstdie endemische Tierwelt erforscht

hat. Sie sehen einen Naturreich-tum, der den Atem verschlägt.Riesenschildkröten, die für zehnSchritte etwa drei Minuten brau-chen. Sie lernen zutrauliche See-löwen kennen, beobachten Pelika-ne im Sturzflug.

Je länger sie unterwegs sind,desto stärker merken sie: Sie sindglücklich mit dem Reisen. Durch

das Couchsurfing lernen sie vieleMenschen kennen, schließenFreundschaften. „Unsere Gastge-ber waren ausgesprochen hilfsbe-reit und engagiert. Sie betriebenhäufig einen Extra-Aufwand, da-mit wir uns als ihre Gäste wohl-fühlten“, erzählen die Reise-En-thusiasten im Rückblick. Vermis-sen sie denn gar nichts beim

Reisen? „Doch“, sagt Neromand-Soma. „Zum Beispiel Freundeund Familie, Menschen die unskennen und zu denen wir eine tiefeBindung haben.“ An Weihnach-ten schlage das Heimweh manch-mal auch zu: Dann vermissen sieGlühwein, Dominosteine undLebkuchen. Es fällt ihnen nochmehr ein: Der fehlende Wechsel

der Jahreszeiten geht zum Bei-spiel dem 32-jährigen Hübbeschwer ab. Ihm fehlt der Unter-schied zwischen Frühling, Som-mer, Herbst und Winter. Den erle-ben die Reiseblogger nur mehrgeographisch. Auch Käse, Brot,Senf und Bier vermissen sie.„Aber für alles gibt es auch Kom-pensationen.“

Viele ihrer Mitfahr- undSchlafgelegenheiten halten diezwei Abenteurer als Foto fest. Zueinigen von ihnen haben sie nochimmer Kontakt. Etwa zu Belenaus Ushuaia, Feuerland, Argenti-nien. Sie hat zwei Kinder und diezwei Couchsurfer aus Deutsch-land zusätzlich für eine Weile auf-genommen. „Bei ihr haben wir

uns ganz natürlich sehr wohl ge-fühlt. Sprichwörtlich vom erstenAugenblick waren wir wie Freun-de zueinander.“

In Deutschland funktioniert dasTrampen plötzlich nicht mehr

Ihre Ankunft nach 56 000 zu-rückgelegten südamerikanischenKilometern in Deutschland istdagegen herb. Hübbe hat sich ei-nen dichten Rauschebart wachsenlassen, ihre Kleidung ist abge-nutzt. Sie stehen an der Auto-bahnraststätte bei Frechen naheKöln, kurz hinter der deutsch-belgischen Grenze. Auf einmalgibt es keine Mitfahrgelegenhei-ten mehr, Autofahrer, so berich-ten es beide, halten sie offenbarfür obdachlos, für Penner. Siewerden von Weitem weggewun-ken. „Deutschland desillusioniertuns“ schreiben sie nach dieser Er-fahrung auf ihrem Blog.

Dennoch bleiben sie. Erst ein-mal. Sie ziehen nach Berlin, mel-den eine Wohnung an. Sind wie-der angekommen. Doch ein Beinstreckt sich schon wieder ins Rei-sen. Warum nicht noch mehr se-hen von der Welt? Sie planen ihrennächsten Trip: Auf dem Landwegwollen sie es bis nach Indienschaffen. Per Anhalter undCouchsurfing. Wieder trennen siesich von allem Materiellen, das siehaben. Auf ihren Personalauswei-sen klebt nun ein Papier: „KeineHauptwohnung in Deutschland“.Rochssare Neromand-Soma pos-tet das Foto auf Facebook. Es istein großer Schritt. Das war 2014.

Inzwischen sind die beiden inder internationalen Öko-Kom-mune Auroville im Süden Indiens.Seit 50 Jahren versuchen dortMenschen ein alternatives Le-bensmodell zu entwickeln, dasnachhaltig und schonend mit derUmwelt umgeht. Vor einem hal-ben Jahrhundert war die Gegendunfruchtbares Land, viele Brun-nen der umliegenden Dörfer wa-ren versiegt, es lebten kaum wildeTiere dort. Heute befindet sichAuroville in einem tropischenTrockenwald, der einst typisch

für diese Region war.Die zwei kurbeln die Waschma-

schine mit Pedaltritten einesFahrrads an, ernähren sich vonorganischer Landwirtschaft undleben in Häusern aus Lehm. In et-wa einem Monat wollen sie wei-terziehen. Dann trampen sie ent-lang der Ostküste Indiens nord-wärts, bis sie Kalkutta undDarjeeling erreichen werden. An-schließend wollen sie nach Ban-gladesch.

Die Blogger und Autorenschreiben schon an ihrem nächs-ten Buch über ihre Reise nach In-dien. Mit dem Reisen wollen siedanach nicht aufhören. Afrikaoder Mittelamerika reize sieauch. Können sie sich noch vor-stellen, irgendwo sesshft zu wer-den? „Wahrscheinlich kommt ir-

gendwann der Punkt, an dem wirsesshaft werden wollen. Noch füh-len wir uns aber nicht danach, da-für reisen wir viel zu gerne. Es gibtnoch viele Ecken in der Welt, diewir nicht gesehen haben.“

Von Couch

zu Couch

durch

die WeltDie Reiseblogger Morten Hübbe und

Rochssare Neromand-Soma sind seit fünf

Jahren mit wenig Geld auf großer Tour.

Morten Hübbe und Rochssare Neromand-Soma in der Wüste Dasht-e Kavir in Iran. Seit 2014 ist das Paar auf seiner zweiten großen Reise: Auf dem Landweg nach Indien. Fotos: privat

Auf den Galapagos-Inseln gibt es die seltensten Tierarten der Welt. Die zwei

Reiseblogger haben dort unter anderem eine Riesenschildkröte entdeckt.

Nach ihrer Südamerika-Tour hat es die zwei Reisenden nicht lange in

Deutschland gehalten. Hier ist der Personalausweis von Rochssare Nero-

mand-Soma zu sehen: „Keine Hauptwohnung in Deutschland“.

Auf einer Wanderung im Himalaya-Gebirge gerieten Hübbe und Neromand-Soma in einen Schneesturm. Alles um sie

herum war anschließend weiß. Das blendete so sehr, dass beide einige Tage schneeblind waren.

Am Fitz Roy Massiv in Patagonien.

Reisen per Anhalter: Auf dem Weg nach Feuerland.

Morten Hübbe,32, Reiseblogger

„Wir haben gemerkt,wie glücklich wir mitdem Reisen sind. Alsohaben wir nicht damitaufgehört.“

Morten Hübbe im Teatro Cólon in

Buenos Aires, Argentinien.

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Morten Hübbe

und Rochssare

Neromand-

Soma: „Per An-

halter durch

Südamerika“.

Piper-Verlag. München/Ber-

lin 2016. 432 Seiten. 16 Euro.

Weitere Reisegeschichten

gibt es auf dem Blog

ww.nuestra-america.de.

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Georgetown (Französisch Guayana)

Cuenca

Galapagos

Valparaiso

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Salvador

Salvador

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King EduardPoint

SüdatlantischerOzean

SüdpazifischerOzean

NordatlantischerOzean

500km500kmmaps4news.com/©HERE Grafik: Jürgen Runo

ownG rgetown (Französisch GGeoG rgetown

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Chilooe

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PPuerto Madryn

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SS

boCabobo Polonio

Stanley

Limma

SüdatlantischerOzean

56 000 Kilometer durch Südamerika

Santiago de ChileSantiago de Chile

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Cusco

(Machu Picchu)

Cusco

(Machu Picchu)

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KOLUM-BIENKOLUM-BIEN

PERUPERU

BOLIVIENBOLIVIEN

MompoxMompox

„Vielleicht ist dasPositivste am Reisen,die Erkenntnis,dass die Welt keinschlechter Ort ist. “

Rochssare Neromand-Soma, 30,

Reisebloggerin

REPORTAGE R EPORTAGESamstag, 25. Februar 2017