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MASSAGEN VON KOPF BIS FUSS Gestresst, verspannt? Unser Autor war es, bis er sich mit fünf verschiedenen Methoden von oben bis unten behandeln liess. Von der wohltuenden Wirkung einer Ukulele und eines taktvoll verabreichten Einlaufs. VON HANNES GRASSEGGER (TEXT) UND FILIPA PEIXEIRO (BILDER) Wann lassen Zehntausende Zürcher sich stundenlang von Wildfremden kneten? Vor allem in dieser langen, langen Durststrecke zwischen Som- mer- und Winterferien, genannt Herbst. Dann ist Massagehochsaison, und die wohl älteste Heiltechnik der Welt kommt zum Zug. Hunderte Zürcher Studios bieten die verschiedensten Methoden an. Massage reicht von Wellness bis erapie. Vom knallharten chinesischen An Mo / Tui Na bis zur glibschigen Nuru-Erotikmassage. Die einen Masseure zeigen sich in Arztkitteln, andere legen Tarotkarten. Zwei Konzepte herrschen in Zürich vor: Die bei uns häufigste Form ist die klassische Massage, geprägt durch den Schweden Pehr Henrik Ling Anfang des 19. Jahrhunderts. Im Trend hingegen sind die asiatischen Massagen, die nicht Lings Idee von direkter Behandlung einer Schmerz- quelle folgen, sondern auch innere Heilung versprechen. Dabei wirken Masseure auf angeblich mit Organen verbundene Körperflächen ein. Ich liess mich von Kopf bis Fuss massieren, um ein paar der wichtigsten und interessantesten Techniken aus beiden Welten auszutesten: von West nach Ost, mit Zwischenlandungen in Indien, China, Hawaii und Schweden. 4

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Beitrag Praxis Christiane Brunotte

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TIPP_TIT1_Titelgeschichte 14L_Beleg 23 November 2011 12:02 nachm. Zehnder Angelina 4 TIPP_TIT1_Titelgeschichte 14L_Beleg 23 November 2011 12:02 nachm. Zehnder Angelina 5

massagen

von kopf bis

fussGestresst, verspannt? Unser Autor war es, bis er sich mit fünf

verschiedenen Methoden von oben bis unten behandeln liess. Von der wohltuenden Wirkung einer Ukulele und eines taktvoll verabreichten Einlaufs.

von hannes grassegger (text) und filipa peixeiro (bilder)

Wann lassen Zehntausende Zürcher sich stundenlang von Wildfremden kneten? Vor allem in dieser langen, langen Durststrecke zwischen Som-mer- und Winterferien, genannt Herbst. Dann ist Massagehochsaison, und die wohl älteste Heiltechnik der Welt kommt zum Zug. Hunderte Zürcher Studios bieten die verschiedensten Methoden an. Massage reicht von Wellness bis Therapie. Vom knallharten chinesischen An Mo / Tui Na bis zur glibschigen Nuru-Erotikmassage. Die einen Masseure zeigen sich in Arztkitteln, andere legen Tarotkarten.

Zwei Konzepte herrschen in Zürich vor: Die bei uns häufigste Form ist die klassische Massage, geprägt durch den Schweden Pehr Henrik Ling Anfang des 19. Jahrhunderts. Im Trend hingegen sind die asiatischen Massagen, die nicht Lings Idee von direkter Behandlung einer Schmerz-quelle folgen, sondern auch innere Heilung versprechen. Dabei wirken Masseure auf angeblich mit Organen verbundene Körperflächen ein. Ich liess mich von Kopf bis Fuss massieren, um ein paar der wichtigsten und interessantesten Techniken aus beiden Welten auszutesten: von West nach Ost, mit Zwischenlandungen in Indien, China, Hawaii und Schweden.

kopf: Öl und marmapunkteEigentlich ist Anu Matthew Joseph bis Dezem-ber ausgebucht. An einem Samstagabend emp-fängt mich der scheu lächelnde Ayurveda-Mas-seur dennoch. Der 38-jährige Südinder prüft zu Beginn mit zwei Fingern minutenlang meinen Puls am linken Handgelenk. Er will meine Dosha, die Kombination der drei Lebensenergien Vata, Pitta und Kapha, finden. Idee des Ayurveda ist, meinen Urzustand (Prakriti) wiederherzu-stellen. Ich bin Pitta und herzseitig sehr gestresst, also nimmt Joseph die geheime, nach Sesam rie-chende Kräuterölmischung. Sie wird warm in stetem Strahl auf meinen Kopf gegossen. «Die meisten Probleme kommen vom Kopf, wo viele Marma-Punkte sind.» Diese Punkte seien Ver-bindungen zu Organen. Bei mir diagnostizierte Joseph Magenprobleme. Er wendet das Shiro Abyanga seines Grossvaters an, zu deutsch Kopf-druckpunkt-Ölmassage. Mittels Mikrovibratio-nen seiner Fingerspitzen an Kopfpunkten kümmert Joseph sich um meinen Magen. Zwi-schendurch gleiten seine öligen Hände zur Ent-spannung symmetrisch hinab über Ohren und Hals. Ayurveda könne physische und mentale Probleme heilen. Doch in der Schweiz sei er nur Therapeut, nicht Arzt. Plötzlich sehe ich ein Licht. Dann bekomme ich ein Handtuch. Auf dem Heimweg soll ich mich warm halten, nicht gleich duschen, körperliche Anstrengung meiden. Ein paar Tage lang rumpelt mein Bauch.

ayuryoga Bleicherweg 45, Zürich www.emindex.ch

120 Franken / Stunde

Body Talk zu hawaiianischer Ukulele und Steel Guitar.

Eine Ayurveda-Massage ist nicht nur reine Kopfsache.

rücken: zwischen himmel und erdeBei Lomi Lomi, hawaiianisch für «fest kneten», sei der Rücken das Wichtigste, «die Verbindung zwischen Himmel und Erde», sagt Noëlle Delaquis. Diese Methode ist im Wellness-bereich in Mode und nicht EMR-registrierbar (siehe Infotext Seite 7). Delaquis betreibt seit 2007 ihr Kulturzentrum, mit Massage und Hula-Tanz. Lomi sei ein Lebensweg, wie Yoga ein Konzept jenseits der westlichen Trennung von Körper, Geist und Seele. Ziel sei das Aktivieren der Kraft: «Kein uferloses Entgrenzen, sondern das Lösen der Verspannungen, um die richtige Körperspannung herstellen.» Zu ihr kämen viele Burn-out-Patienten. Delaquis beginnt die zweistündige Massage im Dachstock einer ausgebauten Scheune mit hawai-ianischem Gesang, dieser, eigentlich ein Gebet, rufe Energien herbei. Dann setzt Delaquis auf Body Talk. Die 48-Jährige verteilt Kokos-Mandel-Öl auf meinem Rücken. Lomi ist trotz des Fokus auf den Rücken eine heftige Ganzkörpermassage, ähnlich wie eine Thai-Massage, aber mit weniger Dehnungen. Delaquis dreht mich seitlich. Statt der Hände werden meist Unterarme und Ellbogen eingesetzt. Kraft kommt laut Lomi-Philosophie aus den Knochen, genauer: aus den Gelenken. Ich höre Ukulele, Steel Guitar und die rhythmische Atem- und Lauttechnik von Delaquis. Nach der Fussmassage und vor dem finalen Gesang dämmere ich weg. Delaquis meint, die Wirkung könne bis zu zwei Wochen anhalten. Ein paar Tage lang glaube ich das.

aloha spirit Pfannenstielstr. 112, Meilen www.alohaspirit.ch

220 Franken / ca. 2 ½ Stunden

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assagen 24.11. —

30.11.2011

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worauf man achten sollte

Im Bereich der Massage kann sich in der Schweiz jeder Therapeut nen-nen. Aufklärung sei daher das Wichtigste, sagt Daniel Lo Verdi, Physiotherapeut und Leiter des Erfahrungsmedizinischen Registers EMR. Das EMR ist ein führendes Qualitätslabel, auf dessen Urteil sich viele Krankenkassen verlassen. Eine gute Massagesitzung beginne bereits bei der richtigen Kommunikation zwischen Masseuren und Kunden, meint Lo Verdi. Dazu gehört die ausführliche Vorabklärung von Patientengeschichte, therapeutischem Konzept und Behandlungs-ziel. Während der Massage sollen die Patienten aktiv Feedback geben, ebenso im Nachgespräch. Am Ende zähle, ob man sich wohlfühle. Ob EMR-registriert oder nicht: Gute Masseure machen keine seltsamen Heilsversprechen oder versuchen, von der alleinigen Wirksamkeit ihrer Therapie zu überzeugen. Wer sich einer Massagebehandlung unter-ziehen will, soll auf jeden Fall mit seinem Krankenversicherer vorher abklären, ob und wie viel der Kosten übernommen werden. (hsg) Infos und Ratschläge: www.emindex.ch.

füsse: einfluss von untenDas Wichtigste vorweg: Reflexzonenmassage dient nicht primär den Füssen. Man könne, erklärt mir Ralph Santschi, über die Füsse auf den ganzen Organismus einwirken, Energieleitbahnen verbänden die Organe mit der Fussfläche. Nach einem wärmenden Fussbad mit Wacholderaromen bin ich auf der Liege. Entspannungsmusik läuft, dann gibt es ein bisschen Öl, und es kitzelt nur ganz am Anfang. Santschi fährt druckvoll mit seinem Daumen unter den Spann meines linken Fusses. Das schmerzt. «Eventuell Magenprobleme», diagnostiziert der 38-Jährige, der seit zwei Jahren in seiner Praxis für Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin die weitverbreitete Fussreflexzonenmassage nach Hanne Marquardt praktiziert. Ich bekomme Angst. Magen-leiden plagen meine Familie. Mich beruhigt, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für diese Energiebahnen gibt. Santschi geht es auch ums Wohlfühlen. Er verwöhne gerne. Als er einst die wohltuende Fussmassage durch einen Schuh-verkäufer kennen lernte und sich nachher wie auf Wolken fühlte, beschloss er, die Technik zu erlernen. Reflexzonen-massage ist Wellness und fühlt sich währenddessen und da-nach ganz nett an. Ähnlich ist die generell selten verlangte Handmassage.

praxis sanqi Nordstr. 201, Zürich www.praxis-sanqi.ch

120 Franken / Stunde

bauch: rhythmus für die innereien«Der Darm ist die Wurzel des Menschen, hier kommt die Gesundheit her», sagt Christiane Brunotte und streicht Gleit-mittel auf einen Schlauch, der zu einem 40-Liter-Warmwas-sertank führt. Die Colon-Hydro-Massage ist für die wenigs-ten reine Wellness. Entwickelt wurde sie von der Nasa, damit Astronauten im Kosmos aufs Klo gehen können, sowie von Entschlackungspapst Norman Walker. Colon Hydro heisst Darmwasser, die Massage ergo: Darmspülung mit Hand-anlegen. Ich liege mit warmen Rücken- und Leberwickeln untenrum frei. Pflegefachfrau und Naturmedizinerin Chris-tiane Brunotte ist seit sieben Jahren auf «ausleitende Verfah-ren» spezialisiert. Sie setzt auf intensive Vorabklärung und Labortests. Das Massageziel: eine gesunde Darmflora her-stellen, sowie die Peristaltik in Schwung bringen. Zu ihr kämen chronisch Kranke, Allergiker, Verstopfte. Klassische Musik ist zu hören. Das Gefühl stellt sich ein, etwas Falsches gegessen zu haben. Sanft klopft Brunotte die Bauchdecke nach Schmerzen ab, dann regt sie mit der flachen Hand und den Fingerspitzen in rhythmischen Druckbewegungen meine Darmmuskulatur an. Es gluckert. Ich höre Wasser durch mich wandern, spüre wenig, bis der Druck steigt. Dann wird ab-gepumpt. «Manche haben jahrealte Rückstände im Darm.» Acht bis zwölf Termine seien die Regel. Ich fühle mich wohl und innerlich blitzblank. Für zwei Tage muss ich nicht mehr aufs Klo.

christiane brunotte Engimattstr. 28, Zürich www.brunotte.ch

160 Franken / Stunde

beine: sportlich klassischWer Spirituelles meidet, der mag die Sport-massage. «Es geht um Knoten und deren Lösung durch Druck und Bewegungen», beschreibt Medina Papic ihre klassische Massage. Mit Ehe-mann Ansel betreibt sie eines von Zürichs popu-lärsten Sportmassagestudios. «Beine hinten, Beine vorne und Gesäss» heisst mein Standard-programm. «Wir sind ein bisschen von der här-teren Schule, Sie müssen sagen, wenns wehtut.» 300 Stunden hat ihre Grundausbildung in Lu-zern gedauert. Seit drei Jahren massiert die 26-Jährige, auch ihr Vater ist Masseur. Erst be-streicht sie meine Beine mit Öl, im Fachjargon Effleurage genannt. Dann wärmt sie durch druckvolles Nach-oben-Reiben meine Musku-latur auf, um sie nun durch gezielte Druck- und Zugbewegungen zu lockern, «Friktion». Im Wartezimmer hängen Grusskarten von Sport-lern und Musikern. Papic fragt immer wieder nach, gibt Tipps. Die meisten kämen als Kran-kenkassenpatienten. Nur einmal habe einer beim Massieren komisch gestöhnt. Den habe sie aus der Kundenliste gestrichen. Fazit: Hier massiert die Hand der Vernunft. Leider habe ich keine Knoten. Der Effekt bleibt erwartbar gering. Ich fühle mich locker. Tipp von Medina Papic: «Man merkt schlechte Massage an bleibenden Knoten und Einschränkungen.»

massage-praxis & therapie-center zürich altstetten Karstlernstr. 14, Zürich www.massage-altstetten.ch

94 Franken / Stunde

«Eventuell Magenprobleme.» Liegt die Lösung im Fuss?

Alles lockern mit gezielten Druck- und Zugbewegungen.

Es gluckert im Darm, dann wird abgepumpt.

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