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3/2007 www.fliegermagazin.de 77 UL-Fliegen gilt gegenüber der Echo-Klasse als einfachere Form des Fliegens: Sowohl die Piloten- ausbildung als auch die Anforde- rungen an die Geräte sind weniger anspruchsvoll. Deren Betrieb hingegen keineswegs! Moderne Dreiachser erfordern vom Piloten viel Eigenverantwortung, denn schnell sind die Sicherheitslimits überschritten – schneller als mit typischen Echo-Klasse-Maschinen I n der Unfallstatistik schneiden ULs nicht schlecht ab. Die Art einiger typischer Un- fälle, oft mit sehr erfahrenen Piloten, lässt allerdings darauf schließen, dass so manchem die Grenzen der Fluggeräte dieser Klasse nicht bewusst sind. In Fliegerkreisen bekannt ist die geringe Zuladefähigkeit von ULs – und damit das Risi- ko der Überladung. Im Rahmen der Zulassung müssen UL-Hersteller zwar anhand eines Mus- terflugzeugs nachweisen, dass die Zuladung heute bei Einsitzern mindestens 105 und bei Doppelsitzern 175 Kilogramm beträgt. Bei Kundenflugzeugen sieht’s jedoch oft ganz an- ders aus. Und das ist legal: Extras wie Instru- mente, Schleppvorrichtungen, Zusatztanks oder komfortable Ausstattungen dürfen ganz offiziell eingebaut werden und die Leermasse hochtreiben. Aber all diese Extras müssen in den Bordpapieren eingetragen sein, ein kor- rekter Wägebericht im endgültigen Real- zustand ist erforderlich, und der sich daraus ergebende Zuladungsbereich im Cockpit/ Gepäckraum muss auf einem für den Piloten eindeutig erkennbaren Schild vermerkt sein, ebenso wie die (Gesamt-)Maximalzuladung. Zuständig dafür ist der Halter. In der Ver- antwortung des Piloten liegt es hingegen, diese Werte zu beachten – insbesondere das maximale Abfluggewicht – und den zulässigen Fluggewichts-Schwerpunktbereich einzuhal- ten. Hier sagt sich so mancher Pilot: »Genau das gleiche Flugzeug gibt es doch auch mit höhe- rer Zuladung als VLA, Experimental oder Light Sport Aircraft. Da kann es ja nicht so schlimm sein, wenn ich etwas mehr reinpacke.« Eine ge- fährliche (und als Fahrlässigkeit zu wertende) Annahme! Denn oft unterscheiden sich die UL-Versionen auch strukturell von den für mehr Abflugmasse zugelassenen Varianten. Selbst bei Auslegung auf ein höheres Flugge- wicht bleibt der Flug mit einer überladenen Maschine zumindest eine Ordnungswidrig- keit: Wichtige, im Regelwerk der UL-Klasse festgelegte Werte wie Startstrecke, Steigvermö- gen und Überziehgeschwindigkeiten ändern sich. Damit verlässt der UL-Pilot auch den Rahmen dessen, was seine Pilotenlizenz ab- deckt. Um legal und sicher zu fliegen, darf so manche doppelsitzige Maschine (nicht nur in der UL-Klasse) bloß einsitzig betrieben wer- den, besonders wenn der Tank voll ist. Auch der zulässige Lastbereich von ULs hat Grenzen, die Respekt verdienen. Für die Zulas- sung muss eine Festigkeit von –2 g (–1,5 g bei Maximalgeschwindigkeit) bis +4 g nachgewie- sen werden (plus Material- und Bauteil-abhän- gig geforderte Sicherheiten). Dies ist allerdings nicht der Flugbereich, in dem ULs betrieben werden dürfen: Kunstflug ist mit ihnen gene- rell untersagt, das heißt, der Flugbetrieb darf sich nur im Bereich zwischen 0 und +2 g ab- spielen; ein stationärer Kurvenflug mit 60 Grad Schräglage stellt also schon das Limit dar. Die jeweils am Rande des Flight Envelope übrig- bleibenden 2 g dienen als Reserve zum Auffan- gen von Böenlasten und Steuerfehlern. Damit entspricht der mit ULs zulässige Flug- bereich etwa dem eines in der Kategorie N (normal) zugelassenen Motorflugzeugs. Pilo- ten, die mehr gewohnt sind, zum Beispiel Se- gelflug- und Motorseglerpiloten sowie solche, die E-Klasse-Maschinen der Kategorie U (Uti- lity) oder A (Aerobatics) fliegen, tendieren oft unbewusst dazu, diesen Bereich zu überschrei- ten. Besonders bei schnellen Flugzeugen bezie- hungsweise solchen mit effizienter Aerodyna- mik, hochwirksamer Steuerung und niedrigen Steuerkräften kommt es dann leicht zu Struk- turüberlastungen mit fatalen Auswirkungen. Ebenso gefährlich sind Überschreitungen der zulässigen Maximalgeschwindigkeit. Da die Luftkräfte mit der Geschwindigkeit qua- dratisch zunehmen, wirken sich die Konse- quenzen deutlich stärker aus als gefühlsmäßig und per Fahrtmesser wahrgenommen. Die Be- deutung folgender Limits sollte allen Piloten klar sein: V ne = Maximalgeschwindigkeit. Bis hier darf nur geflogen werden, wenn die Luft »ru- hig« ist.Das meteorologische Limit stellen Ver- tikalböen mit einer Stärke von 7,5 Meter pro Sekunde dar. Erreicht wird es beispielsweise dann, wenn man aus einer Luftmasse, die mit 3,5 Meter pro Sekunde sinkt, in eine andere einfliegt, die mit 3,5 Meter pro Sekunde steigt – oder umgekehrt. Achtung: In großer Höhe ist die angezeigte Geschwindigkeit kleiner als die tatsächliche Anströmgeschwindigkeit. Dies hat zwar keinen Einfluss auf die Kräfte, wohl aber auf das Schwingungsverhalten (Flatter- neigung). Deshalb muss bei Flughöhen über 3000 Meter die V ne mit der Flughöhe reduziert werden. Im normalen UL-Betrieb kommt das zwar selten vor, wohl aber, wenn mit segelfähi- gen ULs Höhenflüge (zum Beispiel in der Wel- le) vorgenommen werden. Ganz wichtig: Die letztendlich zugelassene V ne braucht nur bei 90 Prozent der in der Flugerprobung nachge- wiesenen Geschwindigkeit (V df ) zu liegen – schon geringfügige Überschreitungen können das Flugzeug daher in völlig unerprobte Berei- che bringen! V a = Manövergeschwindigkeit. Bis zu die- ser Speed sind Vollausschläge der Ruder mög- lich, ohne dass die Maschine überlastet wird. V b = Maximalgeschwindigkeit bei starker Böigkeit. »Stark« heißt: Bis 15 Meter pro Se- kunde Vertikalgeschwindigkeit der Luft, in die eingeflogen wird, sind Überlastungen ausge- schlossen. Achtung: Bei vielen ULs liegt die V b deutlich unterhalb der möglichen Reiseflugge- schwindigkeit! V f(x) = Maximal zulässige Geschwindig- keit(en) bei den verschiedenen Klappenstel- lungen (x). Hier können Überschreitungen so- wohl zu Überlastung der Klappenmechanik führen – was unbeherrschbare Rollbewegun- gen durch asymmetrische Klappenstellungen nicht ausschließt – als auch zu Torsions-Über- lastungen des Flügels. Diese Gefahren drohen nicht nur, wenn die Flaps bei zu hoher Ge- schwindigkeit ausgefahren werden. Auch wer nach dem Abheben elegant »in Ameisen- kniehöhe« Fahrt aufnimmt, um dann am Platzende rasant hochzuziehen, kann Proble- me bekommen, wenn er die Klappen draußen gelassen hat. Obwohl die Definitionen dieser Geschwin- digkeiten und die Auslegungsvorschriften bei ULs weitgehend denen der E-Klasse entspre- chen, verleitet die hohe aerodynamische Güte der Grenze der Grenze Flugbetrieb-Limits von UL-Dreiachsern UL-REPORTAGE 76 www.fliegermagazin.de 3/2007 Hart an Hart an Gleiches Flugzeug, zwei Versionen, unterschiedliche Zulassung und Betriebs- bereiche: Oben das Trener Baby als Akro-Maschine in der Echo-Klasse, unten als UL

Zulassung und Betriebs- bereiche: Oben das Trener Baby als ... · nerten Trener Baby. Doch bei ULs endet der Flugbetriebsbereich bei 2 g Doppeldecker wie die Renegade erinnern an

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Page 1: Zulassung und Betriebs- bereiche: Oben das Trener Baby als ... · nerten Trener Baby. Doch bei ULs endet der Flugbetriebsbereich bei 2 g Doppeldecker wie die Renegade erinnern an

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UL-Fliegen gilt gegenüber derEcho-Klasse als einfachere Formdes Fliegens: Sowohl die Piloten-ausbildung als auch die Anforde-rungen an die Geräte sind wenigeranspruchsvoll. Deren Betrieb hingegen keineswegs! ModerneDreiachser erfordern vom Pilotenviel Eigenverantwortung, dennschnell sind die Sicherheitslimitsüberschritten – schneller als mit typischen Echo-Klasse-Maschinen

In der Unfallstatistik schneiden ULs nichtschlecht ab. Die Art einiger typischer Un-fälle, oft mit sehr erfahrenen Piloten, lässt

allerdings darauf schließen, dass so manchemdie Grenzen der Fluggeräte dieser Klasse nichtbewusst sind.

In Fliegerkreisen bekannt ist die geringe Zuladefähigkeit von ULs – und damit das Risi-ko der Überladung. Im Rahmen der Zulassungmüssen UL-Hersteller zwar anhand eines Mus-terflugzeugs nachweisen, dass die Zuladungheute bei Einsitzern mindestens 105 und beiDoppelsitzern 175 Kilogramm beträgt. BeiKundenflugzeugen sieht’s jedoch oft ganz an-ders aus. Und das ist legal: Extras wie Instru-mente, Schleppvorrichtungen, Zusatztanksoder komfortable Ausstattungen dürfen ganzoffiziell eingebaut werden und die Leermassehochtreiben. Aber all diese Extras müssen inden Bordpapieren eingetragen sein, ein kor-rekter Wägebericht im endgültigen Real-zustand ist erforderlich, und der sich darausergebende Zuladungsbereich im Cockpit/Gepäckraum muss auf einem für den Piloteneindeutig erkennbaren Schild vermerkt sein,

ebenso wie die (Gesamt-)Maximalzuladung.Zuständig dafür ist der Halter. In der Ver-antwortung des Piloten liegt es hingegen,diese Werte zu beachten – insbesondere das maximale Abfluggewicht – und den zulässigenFluggewichts-Schwerpunktbereich einzuhal-ten.

Hier sagt sich so mancher Pilot: »Genau dasgleiche Flugzeug gibt es doch auch mit höhe-rer Zuladung als VLA, Experimental oder LightSport Aircraft. Da kann es ja nicht so schlimmsein, wenn ich etwas mehr reinpacke.« Eine ge-fährliche (und als Fahrlässigkeit zu wertende)Annahme! Denn oft unterscheiden sich dieUL-Versionen auch strukturell von den fürmehr Abflugmasse zugelassenen Varianten.Selbst bei Auslegung auf ein höheres Flugge-wicht bleibt der Flug mit einer überladenenMaschine zumindest eine Ordnungswidrig-keit: Wichtige, im Regelwerk der UL-Klassefestgelegte Werte wie Startstrecke, Steigvermö-gen und Überziehgeschwindigkeiten ändernsich. Damit verlässt der UL-Pilot auch denRahmen dessen, was seine Pilotenlizenz ab-deckt. Um legal und sicher zu fliegen, darf so

manche doppelsitzige Maschine (nicht nur inder UL-Klasse) bloß einsitzig betrieben wer-den, besonders wenn der Tank voll ist.

Auch der zulässige Lastbereich von ULs hatGrenzen, die Respekt verdienen. Für die Zulas-sung muss eine Festigkeit von –2 g (–1,5 g beiMaximalgeschwindigkeit) bis +4 g nachgewie-sen werden (plus Material- und Bauteil-abhän-gig geforderte Sicherheiten). Dies ist allerdingsnicht der Flugbereich, in dem ULs betriebenwerden dürfen: Kunstflug ist mit ihnen gene-rell untersagt, das heißt, der Flugbetrieb darfsich nur im Bereich zwischen 0 und +2 g ab-spielen; ein stationärer Kurvenflug mit 60 GradSchräglage stellt also schon das Limit dar. Diejeweils am Rande des Flight Envelope übrig-bleibenden 2 g dienen als Reserve zum Auffan-gen von Böenlasten und Steuerfehlern.

Damit entspricht der mit ULs zulässige Flug-bereich etwa dem eines in der Kategorie N(normal) zugelassenen Motorflugzeugs. Pilo-ten, die mehr gewohnt sind, zum Beispiel Se-gelflug- und Motorseglerpiloten sowie solche,die E-Klasse-Maschinen der Kategorie U (Uti-lity) oder A (Aerobatics) fliegen, tendieren oftunbewusst dazu, diesen Bereich zu überschrei-ten. Besonders bei schnellen Flugzeugen bezie-hungsweise solchen mit effizienter Aerodyna-

mik, hochwirksamer Steuerung und niedrigenSteuerkräften kommt es dann leicht zu Struk-turüberlastungen mit fatalen Auswirkungen.

Ebenso gefährlich sind Überschreitungender zulässigen Maximalgeschwindigkeit. Dadie Luftkräfte mit der Geschwindigkeit qua-dratisch zunehmen, wirken sich die Konse-quenzen deutlich stärker aus als gefühlsmäßigund per Fahrtmesser wahrgenommen. Die Be-deutung folgender Limits sollte allen Pilotenklar sein:

Vne = Maximalgeschwindigkeit. Bis hierdarf nur geflogen werden, wenn die Luft »ru-hig« ist. Das meteorologische Limit stellen Ver-tikalböen mit einer Stärke von 7,5 Meter proSekunde dar. Erreicht wird es beispielsweisedann, wenn man aus einer Luftmasse, die mit3,5 Meter pro Sekunde sinkt, in eine andereeinfliegt, die mit 3,5 Meter pro Sekunde steigt– oder umgekehrt. Achtung: In großer Höheist die angezeigte Geschwindigkeit kleiner alsdie tatsächliche Anströmgeschwindigkeit. Dieshat zwar keinen Einfluss auf die Kräfte, wohlaber auf das Schwingungsverhalten (Flatter-neigung). Deshalb muss bei Flughöhen über3000 Meter die Vne mit der Flughöhe reduziertwerden. Im normalen UL-Betrieb kommt daszwar selten vor, wohl aber, wenn mit segelfähi-gen ULs Höhenflüge (zum Beispiel in der Wel-le) vorgenommen werden. Ganz wichtig: Dieletztendlich zugelassene Vne braucht nur bei90 Prozent der in der Flugerprobung nachge-wiesenen Geschwindigkeit (Vdf) zu liegen –schon geringfügige Überschreitungen könnendas Flugzeug daher in völlig unerprobte Berei-che bringen!

Va = Manövergeschwindigkeit. Bis zu die-ser Speed sind Vollausschläge der Ruder mög-lich, ohne dass die Maschine überlastet wird.

Vb = Maximalgeschwindigkeit bei starkerBöigkeit. »Stark« heißt: Bis 15 Meter pro Se-kunde Vertikalgeschwindigkeit der Luft, in dieeingeflogen wird, sind Überlastungen ausge-schlossen. Achtung: Bei vielen ULs liegt die Vbdeutlich unterhalb der möglichen Reiseflugge-schwindigkeit!

Vf(x) = Maximal zulässige Geschwindig-keit(en) bei den verschiedenen Klappenstel-lungen (x). Hier können Überschreitungen so-wohl zu Überlastung der Klappenmechanikführen – was unbeherrschbare Rollbewegun-gen durch asymmetrische Klappenstellungennicht ausschließt – als auch zu Torsions-Über-lastungen des Flügels. Diese Gefahren drohennicht nur, wenn die Flaps bei zu hoher Ge-schwindigkeit ausgefahren werden. Auch wernach dem Abheben elegant »in Ameisen-kniehöhe« Fahrt aufnimmt, um dann amPlatzende rasant hochzuziehen, kann Proble-me bekommen, wenn er die Klappen draußengelassen hat.

Obwohl die Definitionen dieser Geschwin-digkeiten und die Auslegungsvorschriften beiULs weitgehend denen der E-Klasse entspre-chen, verleitet die hohe aerodynamische Güte

der Grenze der GrenzeFlugbetrieb-Limits von UL-Dreiachsern

UL-REPORTAGE

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Hart an Hart an Gleiches Flugzeug, zwei Versionen, unterschiedlicheZulassung und Betriebs-bereiche: Oben das Trener Baby als Akro-Maschine in der Echo-Klasse, unten als UL

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Weise stattfinden: durch Weichwerden derSteuerung, Schütteln, Taumeln, deutlichen An-stellwinkelanstieg, aber auch durch eine opti-sche und/oder akustische Alarmeinrichtung.All das gilt für den Geradeausflug ebenso wiefür den stationären 30-Grad-Kurvenflug (LTF-UL 201 und 203).

»Nur« 30 Grad? Ja, denn bei dieser Quernei-gung besteht im sauberen Kreisflug der größteGeschwindigkeitsunterschied zwischen äuße-rer und innerer Flügelspitze. Hier muss der Innenflügel bei geringerer Anströmgeschwin-digkeit den gleichen Auftrieb liefern wie derschnellere Außenflügel. Das geht nur durchAuftriebserhöhung am Innenflügel (Querru-der nach unten), also eine Vergrößerung deseffektiven Anstellwinkels. Und das heißt: DieReserve bis zum kritischen Anstellwinkel, beidem die Strömung abreißt, schrumpft. In fla-

chen Kurven ist also die Wahrscheinlichkeit amgrößten, dass ein Flugzeug beim Stall abkippt.

Was das Überziehverhalten betrifft, entspre-chen die Forderungen an ULs weitgehend denen, die nach den EASA-Zulassungsvor-schrifen CS 23 an Motorflugzeuge der Katego-rie »normal« gestellt werden (CS 23.201, .203und .207). Diese Flugzeuge müssen allerdingszusätzlich noch ihr Verhalten im Abkippen, al-so dem Übergang zwischen Überziehen undTrudeln, nachweisen: Nach einer Umdrehung(oder bei höherer Drehgeschwindigkeit nachdrei Sekunden) wird ihnen ab Beginn von Ge-genmaßnahmen maximal noch eine weitereUmdrehung zugestanden (CS 23.221). Derendgültige, stationäre Trudelzustand stellt sicherst später ein: nach bis zu sechs Umdrehun-gen. Ob bei ULs die Einführung von Forde-rungen sinnvoll ist, die der EASA-Zulassungs-

vorschrift CS 23.221 entsprechen, wird kont-rovers diskutiert. In Großbritannien, wo durcheine restriktive UL-Zulassung, die Trudel-versuche einschließt, nur wenige Typen diese Zulassung haben, führt die UL-Fliegerei einSchattendasein …

Für alle in Deutschland zugelassenen ULsgilt also ganz eindeutig: Der überzogene Flug-zustand ist beim Auftreten der ersten Warnzei-chen sofort zu beenden. Andernfalls riskiertman, in nicht erprobte Bereiche zu gelangen!Jedes nach den Bauvorschriften für Ultraleicht-flugzeuge zugelassene Gerät muss sich bei denersten Überzieh-Warnzeichen mit geringem(auch im Handbuch vermerktem) Höhen-verlust problemlos aus diesem Flugzustand herausbringen lassen. Übrigens: Ein nach der EASA-Kategorie CS 23 »normal« zugelassenes,abgekipptes Flugzeug hat einen sehr großen

HIGHPERFORMANCE – HOHE VERANTWORTUNGHochleistungs-ULswie die Dynamic erreichen im Horizon-talflug über 250 km/h– deutlich mehr als sie in stark böiger Luft fliegen dürfen. Unddie Vne ist bei Vollgasnicht weit weg. Das erfordert verantwor-tungsbewusste Piloten

Auch Holzbauweise erlaubt eine hoch-

effiziente Aerodynamik,wie die Pioneer 300

beweist. Doch die Leis-tungsfähigkeit moderner

ULs verleitet auch zurÜberschreitung des

zulässigen Betriebs-bereichs

UL PILOT REPORT

und Leistungsfähigkeit moderner ULs viele Pi-loten zu Bereichsüberschreitungen. Je »besser«ein Flugzeug – egal welcher Klasse! – ausgelegtist, desto mehr Aufmerksamkeit, Präzision undDisziplin verlangt es von seinem Piloten.

Ein Themenkomplex, der neuerdings in Zu-sammenhang mit UL-Unfällen viel diskutiertwird, lautet: Überziehen, Abkippen und Tru-deln. Trudeln ist, genau wie Kunstflug, mit ULsgenerell verboten – was auch für Motorflug-zeuge gilt, die in der Kategorie »normal« zer-tifiziert sind. Die UL-Zulassung beeinhaltetkeine Trudelerprobung. Auch wenn einigeHersteller bei der Flugerprobung im Rah-men des Ermessensspielraums Trudelversuche

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durchführen, ist dies bei weitem keine umfas-sende Trudelerprobung, wie in den EASA-Zu-lassungsbestimmungen für die Trudelzulas-sung in den Kategorien »Utility« möglich und»Aerobatic« gefordert. Trudeln ist ein sehrkomplexer Flugzustand mit verschiedenarti-gen Erscheinungsformen. Diese können schondurch geringe Änderungen der Schwerpunkt-lage, Beladungsverteilung oder Aerodynamikgrundlegend anders aussehen. Das macht eineumfassende Trudelerprobung, die alle auf-tretenden Möglichkeiten abgedeckt, so auf-wendig und teuer, dass letztlich nur wenige Ty-pen der E-Klasse fürs Trudeln voll zertifiziertwerden.

Um auszuschließen, dass ein Flugzeug insTrudeln gerät, darf es beim Überziehen alsoentweder gar nicht erst abkippen, oder es mussden Piloten vorher eindeutig warnen. Dies ist in den Lufttüchtigkeitsforderungen für ULs (LTF-UL) ausdrücklich festgelegt (LTF-UL 207; Download von der DAeC-Website:www.daec.de/down/index.php?sparte=130 –>»Luftsportgerätebüro« –> »Ultraleichtflug« –>»Technik«). Der erkennbar überzogene Flug-zustand muss vom Piloten sofort durch Nach-drücken beendet werden können, ohne dass erdabei die Kontrolle über das Flugzeug verliertoder in eine ungewöhnliche Fluglage gerät. DieWarnung vor dem Stall kann auf verschiedene

DIE VERSUCHUNG DES KUNSTFLUGS

Die RANS S-10 (vorn) und die S-9 werden als Experimentalsauch im Kunstflug eingesetzt. Ihre Auslegung prädestiniert siedazu. Mit ULs hingegen ist Kunstflug in Deutschland verboten

Vier durchgehende Flaperons und ein nachgewiesenes Lastvielfaches von +9/–3,5 g bei 450 Kilo MTOM – naheliegend, dass B & F die FK 12 auch alsKitplane in der E-Klasse anbietet. Dorthat sie eine MTOM von 520 Kilo

Große Steuerflächen, kurzer Leitwerks-hebelarm – die Kunstflug-Gene desZlin Treners stecken auch im verklei-nerten Trener Baby. Doch bei ULs endet der Flugbetriebsbereich bei 2 g

Doppeldeckerwie die Renegadeerinnern an Pitts Special undandere Akro-Maschinen – vondenen mancheUL-Piloten träu-men. Die Versu-chung ist groß …

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nen Auftrieb mehr liefern kann. Das Resultatist eine gerade bei ULs wegen der geringenMassenträgkeit blitzschnell einsetzende Roll-bewegung, unter Umständen über die Messer-fluglage hinaus. Piloten, die das nicht kennen,verlieren in dieser Situation völlig die Orien-tierung. Selbst bei korrekter Reaktion (Seiten-und Querruder neutral, nachdrücken, nachAnliegen der Strömung in Normalfluglagezurückrollen, weich abfangen) ist meist einHöhenverlust von über 150 Meter unvermeid-bar. Der kann in Bodennähe tödlich sein – sowohl bei versuchten Umkehrkurven nachEinflug in Schlechtwetter als auch bei »Schau-flügen«.

Fluglehrer und Vorführpiloten, die meinen,aus irgendwelchen Gründen den zulässigenEnvelope eines Flugzeuges überschreiten zumüssen, handeln grob fahrlässig. Keine Frage:Eine Ausbildung oder Einweisung in unge-wohnte Fluglagen, Abkippen und Trudeln istfür jeden Piloten sinnvoll. Aber bitte nur mitdafür zugelassenen Maschinen!

Ultraleichtflugzeuge werden in Segelflug-kreisen gerne auch zum Schleppen eingesetzt.Bei allen Vorzügen, die ULs hier bieten – einProblem lauert nach dem Ausklinken. Dannnämlich will der Schlepper seine Höhe mög-

lichst schnell vernichten, um den nächsten Seg-ler an die Leine nehmen zu können. Vor allemwenn nach Flugzeit statt nach Schlepphöhe ab-gerechnet wird, ist die Bemühung des UL-Pi-loten verständlich, dem geschleppten Kamera-den ein paar Euros ersparen. Die meisten ULshaben jedoch, im Gegensatz zu (Schlepp-)Mo-torseglern, keine Bremsklappen, die einen pro-blemlosen, steilen Abstieg ermöglichen. Da dieSpeed, bis zu der bei ULs die Landeklappenausgefahren werden dürfen, relativ gering ist,erzielt man die besten Sinkraten in cleanerKonfiguration bei hoher Geschwindigkeit. Inböiger Luft – genau dann, wenn Segelflieger anden Thermikhimmel wollen – gilt aber beimAbstieg als striktes Limit die Vb. Und die ist bei ULs meist nicht so hoch wie bei E-Klasse-Flugzeugen. Das heißt, der sichere Abstieg braucht seine Zeit! So mancher enthusiastischeSchlepp-Pilot sagt sich jetzt: »Dann fliege icheinfach eine Spirale, bei gleicher Geschwindig-keit steigert die höhere Flächenbelastung mei-ne Sinkrate.« Physikalisch stimmt das. Doch:Bei den 2 g Belastung (60 Grad Schräglage), woder UL-Flugbereich endet, bringt das nochnicht allzuviel. Zudem nimmt die Sicherheits-marge gegen (positive) Böen ab; die Nachwei-se für den Böendurchflug wurden schließlich

in Normalfluglage erbracht. Und was den Piloten betrifft: Dem können höhere Belas-tungen in einer Steilspirale einen Blackout bescheren.

Man sieht, ultraleichte Fluggeräte haben wiealle Luftfahrzeuge ihre Grenzen. Die hierzu-lande geltenden Bauvorschriften sind so aus-gelegt, dass ULs in dem ihnen zugedachtenFlugbereich problemlos und sicher betriebenwerden können. Wer diesen Bereich über-schreitet, muss sich darüber im Klaren sein,dass er blauäugig unerforschtes Gebiet betritt.Das sollte er besser Erprobungspiloten über-lassen.

Max Beck, berühmter Vorkriegs-Segelfliegerund erster Nachkriegs-Leiter der Segelflug-schule auf dem Hornberg, prägte eine Überle-bensweisheit für Piloten: »Wer sicher fliegenwill – egal womit –, braucht Vertrauen und Respekt! Vertrauen zu seinem erlernten undtrainierten Können genauso wie zu seinemFluggerät; und Respekt vor dessen Eigenschaf-ten und Leistungen, den Randbedingungen desFluges und seinen persönlichen Grenzen. Fehlteine dieser beiden Voraussetzungen, dann wirddie Fliegerei lebensgefährlich«.

Ein Grundsatz, der auch heute noch unein-geschränkt gilt. Jochen Ewald

SPEZIALFÄLLE: WER RECHNET SCHON DAMIT!

Selten fliegen ULs in großen Höhen.Ultraleichte Segler schon öfter. Aber nichtjeder Pilot weiß, dass hier die angezeigteFahrt kleiner ist als die tatsächliche Strömungsgeschwindigkeit. Deshalb mussab 3000 Meter die Vne mit der Flughöhereduziert werden

Als Box-Wing-Doppeldecker ist die Sunnyabkippsicher. Wenn der obere Flügel

stallt, liegt die Strömung am unteren nochan. Dann fliegt das UL mit leicht erhöhter

Speed und dem Knüppel am hinteren Anschlag voll steuerbar einfach weiter Fo

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neutral gehaltenem Quer- und Seitensteuerwird das Höhensteuer nachgelassen bezie-hungsweise gedrückt, bis die Strömung wiederanliegt. Das zum Trudelausleiten gelernte Stan-dardverfahren – volles Gegenseitenruder, dannHöhenruder nachlassen – ist in dieser Situati-on grundfalsch: Scharfe Seitenruderausschlägewährend des Überziehens, um ein Taumelnoder Abkippen zu »bremsen«, leiten das Tru-deln, das damit verhindert werden soll, meisterst richtig ein! Die Ursache sind asymmetri-sche Strömungsverhältnisse am schiebendenFlügel. Der erzeugt auf seiner vorgeschobenen

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Höhenbedarf zum Beenden dieser Situation.Nahezu alle gemeinhin als »Trudelunfälle« titulierten Crashs mit ULs sind korrekt be-zeichnet »Abkippunfälle« – aus einer Abkipp-bewegung in geringer Höhe war der Boden da,bevor sich überhaupt ein Trudelzustand ein-stellen konnte. Dagegen helfen auch geänderteZulassungsvorschriften nicht.

Die Ursache, die ein Flugzeug aus dem über-zogenen Flugzustand zum Abkippen bringt,liegt meist in der Tatsache, dass der Pilot nichtweiß, wie er ihn und gegebenenfalls das begin-nende Abkippen korrekt beendet. So geht’s: Bei

Hälfte mehr Auftrieb als auf der nachgezoge-nen. Hier ist zum Ausgleich ein Querruderaus-schlag notwendig, der aber durch das nach un-ten ausgeschlagene Ruder den Anstellwinkelerhöht und so die Strömung abreißen lässt.Dadurch kippt das Flugzeug zu dieser Seite hinab.

Bei Doppel- und Tiefdeckern führt der Ge-genseitenruder-Ausschlag während des seitli-chen »Abrutschens« unter Umständen sogarzu schlagartigem Abkippen über die äußereFläche: Beim Schieben nach innen schattet derRumpf die äußere Fläche ab, die dadurch kei-

UL PILOT REPORT

LIMITS IM KURVENFLUGIm Kurven-Stall neigen Tiefdeckerzum Abkippen nach außen. Daskann blitzschnell geschehen undviel Höhe kosten, hat aber mit»Trudeln« nichts zu tun – wie imZusammenhang mit Smaragd-Unfällen behauptet wurde (sieheauch Seite 85). Viele Piloten reagieren beim Abkippen falsch

In flachen Kurven besteht beimStrömungsabriss die größte Abkipp-

gefahr. Hier ist der Geschwindig-keitsunterschied zwischen den

beiden Flügelenden am größten.Deshalb muss mit Gegenquerruder

»gestützt« werden. Doch das erhöht die Abkippgefahr noch mehr

Bei Kurven mit 60 Grad Schräglage ist das Limit erreicht.Hier beträgt das Lastvielfache 2 g. Für die Zulassung müssen zwar 4 g nachgewiesen werden, im Flugbetriebsind aber nur 2 g zulässig – der Rest dient als Reserve