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M7. 10. April 1890. ~ Vereins-Organ der "Wengia" Solothurn. Erscheint - am Anfang jedes Monats. - Abonnementspreis: per Semester Fr. 1. 50 Cts, Redaktion: A. L e c h n er, Chefredaktor. E. Gassmann, Quästor des Organs. O. von Ar x , Protokollführer. Patria! @ Amicitia! @ Scientia! Zum neuen Semester! Auch im Scmmersemester wird "Der Wengianer" forterscheinen - und das ist recht. In der Sitzung vom 29. März ist die bisherige Redaktion wiedergewählt worden - und darüber haben sich höchstens die drei Redaktoren, resp. der Chefredaktor zu beklagen. Der Abonnementspreis von Fr. 1. 50 bleibt auch im neuen Semester fortbestehen: die Sache wäre also insoweit in Ordnung. Aber etwas ist nicht in Ordnung! Meine Herren! Dass man sich gerne der Arbeit so viel als möglich entzieht, ist natürlich; dass man aber dem Vereins- Organ nicht mehr Interesse entgegenbringt, als dies bisher geschehen ist, das ist im höchsten Grade ver- werflich und abscheulich. Ich spreche hier mebr von den Aktiv-Wengianern, haben doch diejenigen, welche die Zeitung wenigstens noch aufmerksam gelesen haben, vielleicht mit Kopfschütteln bemerkt, dass nioht die

Zum neuen Semester! - wengia.ch · Und lache hier draussen in Wald und Flur ... halte und nicht zur Bezahlung von Arzt etc. ver- ... Dr. Bernhard Wyss, p. A. Herrn Emil Bally, Stein,

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M7.10. April 1890.

~Vereins-Organ der "Wengia" Solothurn.

Erscheint- am Anfang jedes Monats. -

Abonnementspreis:per Semester Fr. 1. 50 Cts,

Redaktion:A. L e c h n er, Chefredaktor.E. Gassmann, Quästor des Organs.O. von Ar x , Protokollführer.

Patria! @ Amicitia! @ Scientia!

Zum neuen Semester!

Auch im Scmmersemester wird "Der Wengianer"forterscheinen - und das ist recht. In der Sitzung vom29. März ist die bisherige Redaktion wiedergewähltworden - und darüber haben sich höchstens die dreiRedaktoren, resp. der Chefredaktor zu beklagen. DerAbonnementspreis von Fr. 1. 50 bleibt auch im neuenSemester fortbestehen: die Sache wäre also insoweitin Ordnung.

Aber etwas ist nicht in Ordnung! Meine Herren!Dass man sich gerne der Arbeit so viel als möglichentzieht, ist natürlich; dass man aber dem Vereins-Organ nicht mehr Interesse entgegenbringt, als diesbisher geschehen ist, das ist im höchsten Grade ver-werflich und abscheulich. Ich spreche hier mebr von denAktiv-Wengianern, haben doch diejenigen, welche dieZeitung wenigstens noch aufmerksam gelesen haben,vielleicht mit Kopfschütteln bemerkt, dass nioht die

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Jung. Wengianer, sondern die Alten Häuser dieselbeunterstützen und erhalten. Und eine solche Theil-nahmslosigkeit der Aktiv-Wengianer, an sich schonverwerflich, trägt denn auch allein die Schuld, wenndie Zeitung nicht immer das bietet, was man viel-leicht erwartet, wird ja doch so der Redaktion dieMöglichkeit entzogen, immer nur das Beste für dieZeitung auszuwählen. Die Redaktion kann und willnicht allein 8 Druckseiten füllen, und so nimmt sieeben alles auf, was ihr eingeht, gibt ja doch nichtsie eine Zeitung heraus, sondern der Verein, der wohlseinen Namen der Zeitung gegeben hat, dessenmeiste Mitglieder aber das Vereins-Organ herzlos imStiche lassen und die, wenn sie auch das Fehlerhafteihrer Theilnahmslosigkeit einsehen, dennoch sich fürentschuldigt halten, wenn ihnen in den ersten 5 Mi-nuten des Nachdenkens nichts einfällt, oder wenn dieSchularbeiten "ihre ganze Zeit in Anspruch nehmen".- Man kennt das. -

Man kann sagen - und es ist uns auch schongesagt worden - die Redaktion mag sehen, wie siedas Blatt fertig bringt, für das ist sie gewählt wor-den; die letztjährige Redaktion hat auch nicht mehrUnterstützung gefunden, hat das Blatt noch schreibenund hektographiren müssen u. s. w. Wir wollen demgegenüber nicht untersuchen, ob für 8 gedruckte Seitennicht mehr Stoff erforderlich ist, ob nicht eben derUmstand, dass die Zeitung {ledruckt wird, den Eifer,man möchte sagen - das Ehrgefühl der Aktiven mehranspornen sollte, wir begnügen UIlS zu erklären, dasseine solche Denkweise, welche das Loos der Zeitungeinfach 3 Mann überlässt, welche eigens dazu ange-stellt und noch verantwortlich gemacht werden (vgl.§ 5 des Reglementes), etwas absurdes hat, habe sie

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nun schon letztes Jahr gewuchert, oder erst heuer.Es war eben schon voriges Jahr eine Knoterei, derman einmal energisch auf den Leib rücken muss.

Vielleicht werden diese im heiligen Ernst ge-sprochenen Worte nichts fruchten, die Zeitung wirdnach wie vor hinvegetiren, und der Redaktion kannes am Ende nur recht sein, wenn gezwungenermasseneintreten muss, was uns Einer einst leichthin gesagthat: "Wir wollen nächstes Jahr keine Zeitung mehrerscheinen lassen." - Discite justitiam moniti. -

Der Chefredaktor.

~ Ferien. ~1. Ferien, schönes Wort!

Wie wogt mir so froh die Brust,Wie lacht mir das Herz vor LustBei diesem Wort.

2. Freiheit, stolzer Laut!Befreit jetzt von jedem Zwang,Dir singe ich freudigen Sang,Du stolzer Laut!

3. Ueber Berge und Thäler schweif' ich jetzt frei,Bin mein eigener Herr nun geworden;Alle hemmenden Bande reiss ich entzwei,Zieh' frei nach Süden, nach Norden.

3. Ich horche der Vöglein freudigem Schallen,Bekränze mit Blumen den Hut,Lass freudige Lieder durch Wälder hallenUnd kühle den hitzigen Muth.

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5. Ich lausch' dem Erwachen der jungen NaturUnd fühle mich stark und frei;Und lache hier draussen in Wald und FlurDer hämischen Schulfuxerei!

Castor.

Die Arbeiterversammlung In Olten.*)So ziemlich ohne Vorurtheil , weder für, noch

wider, schritt ich am Ostermontag gegen 9 Uhr Mor-gens zu dem neuen, doch bereits unentbehrlich ge-wordenen Concertsaale Oltens. Dort versammeltensich allmälig die Vertreter und Abgeordneten derArbeitervereine der gesammten Schweiz (auch 6 Ver-treterinnen von Arbeiterinnenvereinen), um in ernstenVerhandlungen über das Wohl der schweizerischenArbeiter zu berathen, um beizutragen zur Lösung dersozialen Frage.

Unter dem Vorsitze von Herrn Fürsprech Scherrer,Centralpräsident der Grütlivereine, entspannen sich nacheingehender Berichterstattung lebhafte Diskussionenüber die Versicherungsfrage, über Gewerbe- und Berufs-Genossenschaften, über Erweiterung der Fabrikgesetzeu. a. Als erster Referent trat Herr Nationalrath Curtiauf. In ausführlicher Weise sprach er sich über dieVersicherungsfrage aus. Die Unfall- und Kranken-versicherung sollte zu einer obligatorischen Personen-versicherung erweitert werden und zwar sollte der

*) Das Thema ist zwar von der Tagespresse schon zurGenüge bo handelt worden; wir glauben aber der klar ge-fassten und durchaus selbständigen Arbeit die Aufnahme umso weniger verweigern zu dürfen, als sie ein Gebiet berührt,in welchem vielleicht einst noch der eine oder andere Wengianersich bethätigon wird. D. RED.

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Staat, die Eidgenossenschaft, die Besorgung derselbenan die Hand nehmen. Indem so diesem die Gewinnezufielen, vermöchte er die Prämienzahlung möglichstzu erleichtern, dass jeder Lohnarbeiter verpflichtetwerden könnte, der Versicherung beizutreten und soeiner Volksversicherung der vVeg gebahnt würde. ZurBeschaffung der nothwendigen Geldmittel ständen demBunde verschiedene Hilfsquellen offen; den leichtestenund grössten Ertrag würden ihm einzelne Monopoleliefern, vorzüglich das Banknoten- und Tabakmonopol.- Diesen Auseinandersetzungen des Herrn National-rath Curti fügte der schweizerische Arbeitersecretär,Herr Greulich, hinzu, die Krankenkassen sollten unterder Selbstverwaltung der Versicherten stehen. Arzt,Apotheker und Spitäler sollten (gleich wie die Seelen-ärzte) vom Staate besoldet werden, damit die Unter-stützungen von den Kranken zu ihrem Lebensunter-halte und nicht zur Bezahlung von Arzt etc. ver-wendet werden könnten. - Diese Besprechungen fülltenden grössten Theil des Vormittags aus.

Während des Nachmittags wurden ausser elenVerhandlungen über Gewerbs- und Berufsgenossen-schaften, wobei vor der unnatürlichen Verbindung mitdem Kleinbürgerthum gewarnt wurde, solche über Er-weiterung der Fabrikgesetze gepflogen. Mit grosserRedegewandtheit legte Herr Nationalrath Decurtinsseine Ansichten dar. Er erklärte sich zwar völlig ein-verstanden mit den bestehenden Fabrikgesetzen, wennsie richtig gehandhabt würden. Dann wünschte erdiese Gesetze zum Theil auch auf die kleinem Werk-stättell ausgedehnt. Als Grundstein bezeichnet er denNormalarbeitstag, welcher auf 10 Stunden beschränktwerden soll. Wie zur Zeit, da die schweizerische Bun-desverfassung ausgearbeitet wu.rd~, die Verfassungen

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Englands und Amerikas als Richtschnur dienten, sowerden auch jetzt wieder die passenden FabrikgesetzeEnglands als vorbildlich gezeigt. Dann weist derRedner auf das alte Griechenland hin, auf die Zeit,da das athenische Volk mit feingebildetem Sinne dieTragödien eines Sophokles bewunderte und sich an dengeistreichen Komödien des Aristophanes ergötzte.Sicher wäre dieses Volk nie auf eine so hohe Kultur-stufe gelangt, wenn es gezwungen gewesen wäre,allein zur Beschaffung des nothwendigen Lebensunter-haltes dieselbe Zeit aufzuwenden, wie die Arbeitervon heute. Vorzüglich sollte eine Ueberarbeitung derKinder verunmöglicht werden; Uebertretungen derGesetze wären exemplarisch zu bestrafen. Allen denvorhandenen Mängeln und Gebrechen durch geeigneteMassregeln und gehörige Geldunterstützungen Abhilfezu verschaffen, wird auch hier wieder dem Staate zurPflicht gemacht. Die Anträge Decurtins werden durchden Vorsitzenden, Herrn Scherrer, lebhaft unterstützt,und bis um 7 Uhr dauern die Berathungen in eifrigerRede und Gegenrede fort. --

Können und sollen wir nun solchen Verbindungenund Versammlungen unsere Sympathie entgegen brin-gen? Sind ihre Forderungen berechtigt und nicht über-trieben? Und wenn sie berechtigt sind - sind sie zeitge-mäss? Ist der Staat die geeignete Macht, ihre Beschwer-den zu berücksichtigen, ihnen die Existenz zu erleich-tern? 'Wie vermögen unsere schweizerischen Fabrikender Industrie des Auslandes gegenüber Stand zu halten,wenn sie an ihre Arbeiter nicht mehr dieselben An-forderungen stellen können? Ich wage nicht, dieseFragen zu beantworten. Dazu bedarf es langjährigerBeobachtung und Erfahrung und einer gründlichenKenntniss der Verhältnisse. Mir scheinen sie eher

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internationale zu sein, als speziell schweizerische.Auch ist der erste Schritt zu einer gemeinsamen Ver-ständigung gethan durch die internationale Arbeiter-schutzkonferenz in Berlin. So wird einer endlichenLösung der sozialen Frage der Weg geebnet werden,und die Zeit wird sie allmälig zur allgemeinen Be-friedigung herbeiführen, ohne grossartige Staatsum-wälzungen , ohne gewaltsame Umstürzung alles Be-stehenden.

O, von Arx, v/o Pollux.

Auflösung der räthselhaften Inschrift in N° 6.Dem Scharfsinn der Redaktion ist es endlich gelungen,

die räthselhafte Inschrift zu entziffern. Sie lautet nämlich aufgut deutsch:

Wele ist es wohl g'si, där im Franz Anton i Gang a Cactuspflanzt het 1 1Ie 1

Da keine Auflösungen an die löbl. Redaktion gelangten, hatdieselbe über die ausgesetzten Preise verfügt und zwar:

1. Stramm, der glückliche, erhielt Schnuggerlis Photographie.2. Pollux das FreibiIlet für den Hans Dampf, nebst dem

Gratis-Abonnement auf den "Solothurner-Anzeiger" (Re-daktion: Wassmer), ,

3. Apollo das in der St. Ursenkirche stehen gebliebeneParisol aus Fischbein.

Leider wurde letzteres von einer alten Betschwesteram Tage nach der Verloosung abgeholt.

Telegramm.Soeben kommt aus Chicopolis die traurige Kunde, dass

Zeisigs Stamm topf zusammengefallen ist, da derselbe wochen-langer Trockenheit ausgesetzt wurde. - Mög' es Andern auchso gehen!

Vereins-Chronik.Am 8. und 15. März konnten infolge Egmontproben keine Sitz-

ungen abgehalten werden.22. März ebenfalls keine Sitzung: Theat.orkommers im "Kreuz".

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29. März: 19. Sitzung.Wahlen für das S.·S. Präses: Affolter; Quästor: Misteli;

Aktuar: Kaufmann; Archivar und Cantusmagistor :Wild. - Es wurde als 19. Mitglied in den Verein auf-genommen: Josef Willimann vlo Frösch, - Varia. -Kneipabend.

1. April: Allgemeiner Vereinsbummel nach dem Bad Attisholz.Thätigkeit des Vereins im W.-S.

Es wurden im Ganzen 19 Sitzungen abgehalten. Sie ver-theilen sich auf 8 Vorträge, 8 Diskussionen und 3 Varia. Fernerfanden statt: Ca. 20 Kneipabende, 2 Kneipböcke und 1 Commers.

->~-Von unsern alten Häusern.

Da mit dem neuen Semester auch mannigfache Domizil-veränderungen vor sich gegangen sein werden, bitten wir dieverehrten Abonnenten, welche irgendwie Kenntniss vom jetzigenWohnort alter Häuser haben, uns freundlichst Mittheilung da-von zu machen.

Unserm alten Hause Horn, welches uns im verflossenenSemester bei der Herstellung des Blattes so treu mit Rathund That beigestanden ist, sprechen wir hier unsern wärmstenDank aus, hoffend, er werde auch im Sommersemester derZeitung dann und wann gedenken. - Anbei seine

Adresse:Dr. Bernhard Wyss, p. A. Herrn Emil Bally, Stein, Frickthal.

Unsere Druckfehler.Infolge undeutlicher Korrektur der Red. hat sich in Nr. 6

p.48 (abgesehen von einem kleinen Druckfehler: bei statt bei)eine etwas verschrobene Stelle eingeschlichen. Wir bitten da-her, von Zeile 16 an zu lesen und nochmals zu beherzigen:Darum aber, um euch in der guten Meinung der Redaktion zuerhalten, steht ihr mit christlicher Nächstenliebe bei der Ausfül-lung der 8 Seiten bei und lasst u. s. w.

<Y ~~----0Ein Nachruf auf unser verstorbenes Vereinsmitglied Thcod.

Hess vl» Moises folgt in nächster Nummer. DIE RED.

Druck der ZEPFEL'schen Buchdruckerei in Solothurn. c-.