Zur aktuellen US‐amerikanischen Flüchtlingspolitik unter ... · Flüchtlingspolitik unter Donald Trump Ludger Pries Lange Nachtder Migration und Menschenrechte, Erlangen 21.10.2017

1Cátedra Guillermo y Alejandro de Humboldt/DAAD-Colmex Ludger Pries Chair Sociology/Ruhr-University Bochum/Germany

Zur aktuellen US‐amerikanischenFlüchtlingspolitik unter Donald Trump

Ludger Pries

Lange Nacht der Migration und Menschenrechte, Erlangen 21.10.2017

1. Trumps Migrations‐ und Flüchtlingspolitik/‐pläne2. Die soziale Wirklichkeit der Grenze Mexiko‐USA3. Zukunft der Grenze und ihrer Kontrolle


Einwanderungs‐ und Grenzkontrollpläne der Regierung Trump

• Einschränkung des ius soli‐Prinzips (Nichtanerkennung USA‐Staatsangehörigkeit für Kinder irregulär Aufhältiger)

• Halbierung der jährl. unbegrenzten Aufenthaltserlaubnisse (green card, von 1 auf 0,5 Mio.) • Höchstgrenze für Flüchtlinge bei 50.000 (Executive Order 13769) • Freiheitsstrafen für wiederholte irreguläre Einreise (Kate‘s Law)• Kontrolle, Festsetzung und Massendeportation irregulär Aufhältiger• Grenzzaun entlang der gesamten südlichen Grenze mit Mexiko, den Mexiko bezahlen solle• Muslim Immigration Ban (Executive Order 13769 und 13780; Iran, Libyen, Somalia, Sudan,

Syrien, Yemen; Irak wieder ausgenommen) • 12. September 2017: Department of Homeland Security kündigte an, den Bau des neuen

Grenzzauns in der Nähe von Calexico/Kalifornien (bald) durch Nichtbeachtung/Umgehung des Kongresses (waving by bypassing) zu beginnen

Kosten eines Grenzzauns: ca. 16 mio US‐Dollar por Meile, insgesamt ca. 25 Mrd. US‐Dollar; Dauer des Baus mehr als 3 Jahre; ca 750 mio. US‐Dollar jährlich für WartungWirksamkeit: etwa die Hälfte der irregulär in den USA Aufhältigen reisten nicht irregulär ein, sondern regulär (Visa‐overstayers, falsche/gefälschte Dokumente etc.)

https://www.wilsoncenter.org/article/immigration‐and‐border‐security‐the‐age‐trumphttps://en.wikipedia.org/wiki/Immigration_policy_of_Donald_Trump#cite_ref‐40

1. Trumps Migrations‐ und Flüchtlingspolitik/‐pläne



Die Flüchtlings‐ und Migrationspolitik Trumps kann an einer bereits von Bush begonnenen und Obama fortgesetzten Politik ansetzen, die beinhaltet• Erweiterung legaler Migration (H2B/A+prof.ls 2001 ca. 50+60 Tsd., 2014 ca. 300+400 Tsd.)• Verschärfung von Grenzkontrollen und Routen (USA‐Mexiko und Mexiko‐Guatemala, „Bestia“)• gemeinsamen Drogenbekämpfung (Merida‐Initiative Bush, 2007‐2015 2,5 Mrd. Dollar)• Externalisierung der Kontrolle von Flüchtlings‐ und Migrationsbewegungen (v.a. Mexiko‐

Guatemala‐Grenze 1.100 km, Kampf gegen „Missbrauch von Migranten“, 4.600 Anträge auf Flüchtlingsstatus an Mexiko‐Südgrenze 2009‐2013, ¼ anerkannt)


Seit 2006 (Secure Fence Act) bereits 670 Meilen Grenzzaun

Trump: sein Grenzzaun wäre“a real wall. Not a toy wall like we have now.”



The wall along the Mexican border doesn't have to be made of boring concrete slabs.

http://money.cnn.com/2017/04/07/news/companies/mexican‐border‐wall‐trump/index.html

Quantum Logistics takes a traditional approach.



Crisis Resolution Security Services was inspired by the Great Wall of China.

The plan from DarkPulse Technologies shows how it could detect a tunnel.

http://money.cnn.com/2017/04/07/news/companies/mexican‐border‐wall‐trump/index.html



Die grenzüberschreitende Mobilität Mexiko‐USA wird von drei Faktorenbündeln bestimmt:1. Migrationsregime als historisch‐rechtlich‐politische Rahmenregulierung, 2. demographisch‐ökonomische Gelegenheitsstrukturen und 3. transnationale soziale Lebenswelten.

Mit 3.144 Kilometern ist sie eine der längsten und am intensivsten genutzten Grenzen zwischen zwei Ländern weltweit: In 2016 überquerten etwa 6 Mio. LKWs, 2,3 Mio. Busse, 141 Mio. PKWs und 42,2 Mio. Fußgänger die etwa 50 legalen Grenzübergänge.

Zusätzlich überqueren hunderttausende irregulärer MigrantInnen die Grenze jährlich. Allein für 2016 wurden über 400.000 Personen wegen irregulären Grenzübertritts verhaftet. Davon etwa die Hälfte mit mexikanischer Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2013 gaben etwa 35 Mio. Einwohner der USA an, mexikanische Vorfahren zu haben. Davon waren etwa 11‐12 Mio. in Mexiko geboren, von denen etwa 6 Mio. keinen regulären Aufenthaltstitel besaßen.

Aufgrund historischer Entwicklungen, der geographischen Nähe und der Beschäftigungs‐möglichkeiten lebt die Mehrheit dieser Menschen mit mexikanischen Wurzeln in den zwei Bundesstaaten Kalifornien (11,4 Mio.) und Texas (8 Mio.).

2. Die soziale Wirklichkeit der Grenze Mexiko‐USA


Zivile Beschäftigung in den USA 1990‐2017

Source: Bureau of Labor Statistics 2017



Anzahl mexikanischer (Im)Migranten in den USA (Eingebürgerte plus Personen mit und ohne gültiger Aufenthaltserlaubnis)

Source: MPI 2017



Anzahl Mexikaner ohne gültige Aufenthaltserlaubnis in den USA

0

1.000.000

2.000.000

3.000.000

4.000.000

5.000.000

6.000.000

7.000.000

8.000.000

1990 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Source: US Bureau 2012; Pew Research Center 2016



Jährliche flowsFür 2010 Wohnsitzmobilität zwischen Mexiko und den USA weit über eine Million im Vergleich zu etwa 1,5 Mio. Intra‐EU‐27‐Wohnsitzmobilität

etwa 520.000 arbeitsbezogene Visa (H2B, H2A, professionals) sowie Hundertausende irregulärer Grenzübertritte (allein ca. 200.000 Verhaftungen wegen irregulärer Grenzüberschreitung) sowie etwa 430.000 Auswanderungen von Mexiko in die USA ein (Verduzco 2017; INEGI); zum Vergleich: 2010 bei Wohnbevölkerung von ca. 500 Mio in EU27 und geschätzter jährlicher Wohnmobilität zwischen EU27 von 0,3% ergibt etwa 1,5 Mio. grenzüberschreitende Intra‐EU‐27‐Wohnsitzmobilität (Eurofound 2014: 17)


Trotz aller Kontrollen ist die Grenze Mexiko‐USA fast so durchlässig wie die innerhalb der EU.

Stocks um 2012/2015Die in Mexiko geborenen und in den USA lebenden etwa 7,7 Mio. Beschäftigten machten 2015 ungefähr 3,3 Prozent aller in den USA Beschäftigten (von etwa 256 Mio.) aus. Für 2012 wurde der Bestand an Intra‐EU‐27‐Arbeitsmigranten an der gesamten beschäftigten Bevölkerung der EU‐27 auf 3 Prozent (6,6 Mio. von etwa 220 Mio.) geschätzt.

Es handelt sich bei den Zahlen um grobe Annäherungen. Die Grenzkontrollen haben sich unter Trump verschärft, wirt‐schaftliche, demographische etc. Entwicklungen innerhalb beider Großregionen variieren und verändern sich.


1970 1980 1990 2000

Region Puebla

Rest Mexiko

Region de New York

Rest der USA

1960

Migrationsverläufe 9 Arbeitsmigranten Mixteca Poblana – New York

Grenze Mexiko – USA

Pluri‐lokaletransnationaleSozialräume



Besserer, Federico, 2002: Contesting Community Cultural Struggles Of A Mixtec Transnational Community (PhD Stanford University), p. 91



Internal Displacement Monitoring Centre, 2015: New humanitarian frontiers. Addressing criminal violence in Mexico and Central America. Geneva: IDMC, p. 10 (http://www.internal‐displacement.org/

Der Teufelskreislauf von fehlenderEntwicklung, organisierter Gewalt und (forcierter) Migration in Zentral‐ und Nordamerika

• Historisch gewachsen seitProhibition, Militärputschen, US‐Intervention etc.

• Hierarchisch strukturierte, Mehrebenen‐ und Mehraktivitäten‐Businessorganisationen

• Genießen Legitimität in ihrem‚organisationalen Feld‘ der Zivilgesellschaft und Staatsteilen

• Gewalt, Bestechung, Beschäftigung, Anerkennung und Identitätenineinander verwoben

3. Zukunft der Grenze und ihrer Kontrolle


Internal Displacement Monitoring Centre, 2015: New humanitarian frontiers. Addressing criminal violence in Mexico andCentral America. Geneva: IDMC, p. 9 (http://www.internal‐displacement.org/

566.700 intern Vertriebene (IDPs) in El Salvador, Guatemala und Honduras mussten ihre Heimat wegen Umweltkatastrophen und organisierter Gewalt/Bandenkriminalität verlassen.

IDPs (aufgrund von Umweltdisastern und Gewalt) in Mexiko: 287.000; alleine in Chiapas, Sinaloa and Ciudad Juárez/Chih. etwa 170.000 IDPs

(http://www.cmdpdh.org/publicaciones‐pdf/cmdpdh‐desplazamiento‐web.pdf)



http://www.animalpolitico.com/2016/07/asi‐se‐reparten‐carteles‐de‐la‐droga‐en‐mexico/

In Mexiko wird forcierteMigration durchorganisierte Gewaltgegenüber der Bevölkerung und/oderzwischen verschiedenenGruppen induziert.



https://i.pinimg.com/736x/eb/97/f6/eb97f6c1cae78e117d6c24eea3f3d520‐‐mexican‐american‐war‐native‐american.jpg

Durch eine “Unabhängigkeitserklärung” von 35.000 in Texas lebenden Weißen (1836) und einenEroberungskrieg der USA gegen Mexiko (1846‐48) verlor Mexiko ein Drittel seines Territoriums.



0

1.000.000

2.000.000

3.000.000

4.000.000

5.000.000

6.000.000

7.000.000

8.000.000

Remittances USA‐Mexico (quarterly 1980‐2016 in 1.000 US$)

Source: Banco de México 1969 and 2016

Die Geldrücküberweisungen aus den USA sind für Mexiko eine genau so wichtige Deviseneinnahmequelle wie der gesamte Tourismus.




Die grenzüberschreitende Mobilität Mexiko‐USA wird von 3 Faktorenbündeln bestimmt:1. Migrationsregime als historisch‐rechtlich‐politische Rahmenregulierung, 2. demographisch‐ökonomische Gelegenheitsstrukturen und 3. transnationale soziale Lebenswelten.

Die aktuelle US‐amerikanische Flüchtlingspolitik unter Donald Trump • setzt einerseits realpolitisch die bereits vorher existierende Praxis zunehmend

restriktiver und national‐instrumentalistischer Migrationspolitik sowie einer Verschärfung und Externalisierung der Grenzkontrollen fort,

• verschiebt gleichzeitig auf der Diskursebene die Tabugrenzen und ‚kognitiven Landkarten‘ der Migrations‐ und Flüchtlingspolitik insgesamt und

• wendet sich unter dem Motto America First in den Zielsetzungen immer weiter von eingegangenen internationalen Verpflichtungen und ‚guter Praxis‘ ab.

Wenn auf der internationalen Ebene keine expliziten Gegenkoalitionen gebildet werden (z.B. für die Einhaltung und Stärkung von Menschenrechten, humanitärem und internationalem Recht), dann kann diese US‐Politik auch international einen Dammbruch auslösen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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