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1 Zur Bedeutung der Ausdruckssta ¨rke Konzeptuelle Modellierung heißt, mithilfe einer Sprache (Modellierungssprache) einen Problembereich fu ¨r einen bestimmten Zweck zu beschreiben. Die resultierende Beschreibung wird auch konzeptuelles Mo- dell genannt [Reih98, 158]. Ein konzeptu- elles Modell entspricht einer Menge von Aussagen u ¨ ber den Problembereich. Gepra ¨gt ist die konzeptuelle Modellie- rung durch das Vorliegen verschiedener Freiheitsgrade: So ist zuna ¨chst eine Model- lierungssprache auszuwa ¨hlen. Die getroffe- ne Wahl ha ¨ngt nicht nur vom Zweck der Modellierung ab, sondern auch von Pra ¨fe- renzen des modellierenden Subjekts [Fran97, 144]. Weiterhin ko ¨ nnen oft selbst dann, wenn dieselbe Modellierungssprache verwendet wird, um einen Problembereich fu ¨ r denselben Zweck zu beschreiben, un- terschiedliche konzeptuelle Modelle entste- hen, bedingt z. B. durch Subjektivita ¨t in der Wahrnehmung des Problembereichs oder der Handhabung der Modellierungs- sprache. Obwohl jedes dieser alternativen konzeptuellen Modelle fu ¨ r sich genommen korrekt sein kann, so kann es doch unter- schiedliche Qualita ¨t besitzen, was sich im Zeitaufwand fu ¨ r die Implementierung und Wartung eines Anwendungssystems und den damit zusammenha ¨ngenden Kosten (z. B. Personal) niederschla ¨gt [BoBa01]. Ein Kriterium fu ¨ r die hohe Qualita ¨t ei- nes konzeptuellen Modells ist seine ,hohe‘ Ausdruckssta ¨ rke [BaCN92], also (in einer vorla ¨ufigen Formulierung) das, was durch das konzeptuelle Modell gesagt wird. Diese Betrachtung der Ausdruckssta ¨rke (Syno- nyme: Ausdrucksma ¨chtigkeit, Expressive- ness, Expressive Power , Modelling Power) ist unabha ¨ngig von der verwendeten Mo- dellierungssprache. Andererseits ist ,zu ge- ringe‘ Ausdruckssta ¨rke auch ein Motiv fu ¨r die Entwicklung neuer [tHvW93] bzw. die Erweiterung bestehender [SaBla99] Model- lierungssprachen, weil angenommen wird, dass ausdrucksstarke Modellierungsspra- chen eher zu ausdrucksstarken konzeptuel- len Modellen fu ¨ hren. Unter dieser Annah- me wirkt es sich positiv auf die Qualita ¨t des konzeptuellen Modells und damit auf die Kosten der Anwendungssystement- wicklung und -wartung aus, wenn aus mehreren alternativen Modellierungsspra- chen die ausdruckssta ¨rkste gewa ¨ hlt wird. Aufgrund der positiven Verbindung zur Qualita ¨t dient Ausdruckssta ¨rke auch dazu, die șberlegenheit neuer Arten von An- wendungssystemen zu rechtfertigen, z. B. bei der Gegenu ¨ berstellung von Systemen des Advanced Planning and Scheduling (APS) mit Systemen zur Produktionspla- nung und -steuerung (PPS). Unter APS- Systemen werden hier rechnergestu ¨ tzte Systeme verstanden, die ausfu ¨ hrbare und u. U. optimierte Pla ¨ne fu ¨ r Produktion, Be- schaffung, Transport und Lagerhaltung in- nerhalb eines Unternehmens oder entlang eines gesamten Liefernetzwerkes erzeugen [MSIoJ]. Angeblich verwenden APS-Syste- me im Gegensatz zu PPS-Systemen „aus- drucksma ¨chtige Modellierungssprachen“ [Kilg98, 54f.]. Weiterhin wird den konzep- tuellen Modellen der APS-Systeme eine WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97 106 Die Autorin Susanne Patig Dr.-Ing. Susanne Patig Otto-von-Guericke-Universita ¨t Magdeburg Fakulta ¨t fu ¨r Informatik Institut fu ¨r Technische und Betriebliche Informationssysteme Universita ¨tsplatz 2 39106 Magdeburg [email protected] Zur Ausdruckssta ¨rke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling Kernpunkte fu ¨r das Management Ausdruckssta ¨rke ist ein Kriterium zur Beurteilung von Sprachen oder sprachlichen Ȗußerun- gen, z. B. Modellen. Dabei meint Ausdruckssta ¨rke das, was innerhalb der Restriktionen einer bestimmten Sprache gesagt werden kann. & Ausdruckssta ¨rke wird absolut, mit Bezug auf andere Sprachen oder auf einen Zweck be- urteilt. & Ausdruckssta ¨rke kann nominal, ordinal oder kardinal gemessen werden. & Stammdaten von Systemen des Advanced Planning and Scheduling sind nicht generell ausdruckssta ¨rker als traditionelle Stammdaten der Produktionsplanung. Stichworte: Ausdruckssta ¨rke, Advanced Planning and Scheduling, APS WI – Aufsatz

Zur Ausdrucksstärke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling; Expressiveness of Master Data in Advanced Planning and Scheduling;

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1 Zur Bedeutungder Ausdrucksstarke

Konzeptuelle Modellierung heißt, mithilfeeiner Sprache (Modellierungssprache) einenProblembereich fur einen bestimmtenZweck zu beschreiben. Die resultierendeBeschreibung wird auch konzeptuelles Mo-dell genannt [Reih98, 158]. Ein konzeptu-elles Modell entspricht einer Menge vonAussagen uber den Problembereich.

Gepragt ist die konzeptuelle Modellie-rung durch das Vorliegen verschiedenerFreiheitsgrade: So ist zunachst eine Model-lierungssprache auszuwahlen. Die getroffe-ne Wahl hangt nicht nur vom Zweck derModellierung ab, sondern auch von Prafe-renzen des modellierenden Subjekts[Fran97, 144]. Weiterhin konnen oft selbstdann, wenn dieselbe Modellierungsspracheverwendet wird, um einen Problembereichfur denselben Zweck zu beschreiben, un-

terschiedliche konzeptuelle Modelle entste-hen, bedingt z. B. durch Subjektivitat inder Wahrnehmung des Problembereichsoder der Handhabung der Modellierungs-sprache. Obwohl jedes dieser alternativenkonzeptuellen Modelle fur sich genommenkorrekt sein kann, so kann es doch unter-schiedliche Qualitat besitzen, was sich imZeitaufwand fur die Implementierung undWartung eines Anwendungssystems undden damit zusammenhangenden Kosten(z. B. Personal) niederschlagt [BoBa01].Ein Kriterium fur die hohe Qualitat ei-

nes konzeptuellen Modells ist seine ,hohe‘Ausdrucksstarke [BaCN92], also (in einervorlaufigen Formulierung) das, was durchdas konzeptuelle Modell gesagt wird. DieseBetrachtung der Ausdrucksstarke (Syno-nyme: Ausdrucksmachtigkeit, Expressive-ness, Expressive Power, Modelling Power)ist unabhangig von der verwendeten Mo-dellierungssprache. Andererseits ist ,zu ge-ringe‘ Ausdrucksstarke auch ein Motiv furdie Entwicklung neuer [tHvW93] bzw. dieErweiterung bestehender [SaBla99] Model-lierungssprachen, weil angenommen wird,dass ausdrucksstarke Modellierungsspra-

chen eher zu ausdrucksstarken konzeptuel-len Modellen fuhren. Unter dieser Annah-me wirkt es sich positiv auf die Qualitatdes konzeptuellen Modells und damit aufdie Kosten der Anwendungssystement-wicklung und -wartung aus, wenn ausmehreren alternativen Modellierungsspra-chen die ausdrucksstarkste gewahlt wird.Aufgrund der positiven Verbindung zur

Qualitat dient Ausdrucksstarke auch dazu,die �berlegenheit neuer Arten von An-wendungssystemen zu rechtfertigen, z. B.bei der Gegenuberstellung von Systemendes Advanced Planning and Scheduling(APS) mit Systemen zur Produktionspla-nung und -steuerung (PPS). Unter APS-Systemen werden hier rechnergestutzteSysteme verstanden, die ausfuhrbare undu. U. optimierte Plane fur Produktion, Be-schaffung, Transport und Lagerhaltung in-nerhalb eines Unternehmens oder entlangeines gesamten Liefernetzwerkes erzeugen[MSIoJ]. Angeblich verwenden APS-Syste-me im Gegensatz zu PPS-Systemen „aus-drucksmachtige Modellierungssprachen“[Kilg98, 54f.]. Weiterhin wird den konzep-tuellen Modellen der APS-Systeme eine

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Die Autorin

Susanne Patig

Dr.-Ing. Susanne PatigOtto-von-Guericke-Universitat MagdeburgFakultat fur InformatikInstitut fur Technische und BetrieblicheInformationssystemeUniversitatsplatz 239106 [email protected]

Zur Ausdrucksstarke der Stammdatendes Advanced Planning and Scheduling

Kernpunkte fur das Management

Ausdrucksstarke ist ein Kriterium zur Beurteilung von Sprachen oder sprachlichen �ußerun-gen, z. B. Modellen. Dabei meint Ausdrucksstarke das, was innerhalb der Restriktioneneiner bestimmten Sprache gesagt werden kann.

& Ausdrucksstarke wird absolut, mit Bezug auf andere Sprachen oder auf einen Zweck be-urteilt.

& Ausdrucksstarke kann nominal, ordinal oder kardinal gemessen werden.& Stammdaten von Systemen des Advanced Planning and Scheduling sind nicht generell

ausdrucksstarker als traditionelle Stammdaten der Produktionsplanung.

Stichworte: Ausdrucksstarke, Advanced Planning and Scheduling, APS

WI – Aufsatz

„große Ausdrucksmachtigkeit“ bescheinigt[DuRS02, 51]. Indirekt versteckt sich da-hinter die Behauptung, dass die Aussagender Stammdaten von PPS-Systemen fur dasAdvanced Planning and Scheduling nichtausreichend sind; Ausdrucksstarke be-kommt also den Charakter eines ,Verkaufs-argumentes‘.Die bisherigen �ußerungen suggerieren,

dass es Vorschriften gibt, auf deren Grund-lage das Vorliegen und die Große von Aus-drucksstarke beurteilt werden konnen.Dies ist jedoch in der konzeptuellen Mo-dellierung nicht der Fall, teilweise wird dieMessbarkeit von Ausdrucksstarke hier so-gar explizit ausgeschlossen [FrvL03, 31].Auch der Begriff ,Ausdrucksstarke‘ selbstist auf diesem Gebiet nicht klar definiert.Andere Gebiete der Informatik definierenund beurteilen Ausdrucksstarke zwar, je-doch in sehr unterschiedlicher Form; Ab-schnitt 2 gibt einen kurzen �berblick uberdie existierenden Ansatze.Verschiedene Schwachen bewirken, dass

die existierenden Ansatze ungeeignet sind,um die Ausdrucksstarke in der konzeptuel-len Modellierung zu beurteilen. Das Behe-ben dieser Schwachen fuhrt zu einem neu-en Ansatz, der eine kardinale Messung derAusdrucksstarke gestattet. Dieser neue An-satz wird in Abschnitt 3 prasentiert und inAbschnitt 4 exemplarisch angewandt, umdie Ausdrucksstarke der Stammdaten aus-gewahlter APS-Systeme zu messen. Fallssich dabei herausstellt, dass APS-Stamm-daten nicht in jedem Fall ausdrucksstarkerals PPS-Stammdaten sind, konnen Unter-nehmen, welche die Durchfuhrung vonAdvanced Planning and Scheduling anstre-ben, als Alternative zur (kostenintensiven)Einfuhrung eines APS-Systems eine funk-tionale Erweiterung ihres vorhandenenPPS-Systems prufen.

2 Existierende Ansatzezur Beurteilungvon Ausdrucksstarke

Da die Ansatze zur Beurteilung von Aus-drucksstarke verschiedenen Gebieten ent-stammen, unterscheiden sich auch die ver-wendeten Begriffe. Vereinheitlichend wirdim Folgenden nicht von ,konzeptuellemModell‘ gesprochen, sondern von ,Be-schreibung‘. Dadurch werden gleichzeitigVerwechslungen mit dem (ebenfalls beno-tigten) Modellbegriff der Logik vermieden.Außerdem ersetzt ,Beschreibungssprache‘den Begriff ,Modellierungssprache‘.

Oft wird in der Literatur ein ,intuitivesVerstandnis‘ von ,Ausdrucksstarke‘ unter-stellt (so z. B. [HeWe92, 142]) und deshalbauf eine Definition des Begriffs verzichtet.Eine Analyse der Begriffsverwendung zeigtjedoch, dass Ausdrucksstarke immer Er-gebnis einer Beurteilung im Verhaltnis zueinem Bezugspunkt ist. Drei unterschied-liche Bezugspunkte sind zu unterscheiden:(i) Ausdrucksstarke meint das, was abso-

lut gesagt werden kann, z. B. dieMenge formulierbarer Aussagentypen.Diese Auffassung findet sich z. B. beider Analyse der Ausdrucksstarke vonDatenbankabfragesprachen [Chan88,2; ScWu92, 4] oder Constraint-Men-gen [JeCG99,118].

(ii) Ausdrucksstarke bezieht sich auf das,was andernorts gesagt wurde, z. B. ineiner anderen Beschreibungsspracheoder in einer anderen Beschreibung.Auf diesem Verstandnis basieren Ver-gleiche der Ausdrucksstarken von Lo-giken [KudR99, 306; Baad96, 41;Borg96, 357] oder Planungsformalis-men [Nebe99, 14] der Kunstlichen In-telligenz.

(iii) Ausdrucksstarke liegt vor, wenn allesgesagt werden kann, was fur einenZweck gesagt werden muss. DieserBezugspunkt wird in der konzeptuel-len Modellierung verwendet [FrvL03,31; SaBH99, 106ff.; Badi00, 323ff.;GrJe99, 111; Kung83, 155].

Die wenigen existierenden Ansatze zurMessung von Ausdrucksstarke sind entwe-der mengen- oder abbildungsbasiert. Nachdem mengenbasierten Messkonzept ist eineBeschreibungssprache mindestens genausoausdrucksstark wie eine andere Beschrei-bungssprache, wenna) entweder die Menge ihrer Symbole die

Symbole der anderen Beschreibungs-sprache (implizit [SaBH99, 109ff.]) oder

b) die in der Beschreibungssprache formu-lierbaren Aussagentypen [ScWu92, 4f.]bzw. Aussagen [KudR99, 306] alle Aus-sagentypen bzw. Aussagen, die in deranderen Beschreibungssprache formu-lierbar sind,

als Teilmengen enthalten. Liegt kein Teil-mengenverhaltnis vor, kann die Aus-drucksstarke nicht beurteilt werden.Das abbildungsbasierte Messkonzept

versucht, jedem Element einer Menge ge-nau ein Element einer anderen Menge zu-zuordnen. Im Einzelnen werden Abbil-dungen gesucht zwischen:1) einer philosophischen Ontologie des

Problembereichs und den Symbolen ei-ner Beschreibungssprache [GrJe99, 113;GrRo00, 80ff.],

2) den Symbolmengen verschiedener Be-schreibungssprachen [Kung83, 154f.]oder

3) den Aussagenmengen unterschiedlicherBeschreibungen [Baad96, 41; Borg96,357; Nebe99, 14].

Eine philosophische Ontologie fasst dieObjekte, Eigenschaften, Beziehungen undSachverhalte zusammen, aus denen dieWelt besteht (z. B. [Bung77]). Gelingt es,eine Abbildung zu finden, liegt ontologi-sche (1) oder mindestens gleiche Aus-drucksstarke (2, 3) vor, andernfalls ist keineBeurteilung der Ausdrucksstarke moglich.Da Ausdrucksstarke immer sprachliche

Phanomene betrifft, sind alle Ansatze zurBeurteilung von Ausdrucksstarke mit derDualitat von Syntax und Semantik kon-frontiert. Die Syntax legt fest, wie die Sym-bole der Beschreibungssprache zu Aus-drucken verknupft werden durfen. DieSemantik verbindet die sprachlichen Aus-drucke mit nicht-sprachlichen Elementen,sodass Aussagen entstehen, die einen Wahr-heitswert (wahr/falsch) besitzen [Herm91,71ff.].Regelmaßig betrifft die Beurteilung der

Ausdrucksstarke syntaktisch unterschied-liche Ausdrucke. In diesen Fallen kanngleiche Ausdrucksstarke der Ausdruckez. B. durch syntaktische Transformationennachgewiesen werden. Selbst wenn es ge-lingt, solche Transformationen zu finden,muss gewahrleistet sein, dass die Semantikder Ausdrucke identisch ist. Wahrend dieoben beschriebenen Messansatze (a), (1)und (2) die Semantik hochstens informalbetrachten, nutzen die Messansatze (b) und(3) Ideen der mathematischen Logik furformalisierte semantische Analysen.Dient eine Logik einer bestimmten Art

als Beschreibungssprache, dann sind ver-schiedene (logische) Beschreibungen, alsounterschiedliche Mengen logischer For-meln, genau dann gleich ausdrucksstark,wenn ihre Modelle identisch sind [Baad96,41]. Die logischen Formeln bestehen dabeiaus den Symbolen, welche die Syntax derLogik vorsieht. Unter einem Modell wirdeine Belegung der Symbole (Interpretation)verstanden, sodass alle Formeln der logi-schen Beschreibung zu wahren Aussagenwerden [Kreo91, 72]. Ein Modell bildet dieformale Semantik einer logischen Beschrei-bung.Beim Einsatz von Logik in einer Real-

wissenschaft existiert in der Regel zumin-dest implizit auch eine materiale Semantik.Diese materiale Semantik besteht in einerMenge von Einheiten des Problembereichs,deren Eigenschaften die Formeln der logi-schen Beschreibung erfullen, also in wahre

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

98 Susanne Patig

Aussagen uberfuhren. Vom extensionalenStandpunkt aus sind zwei Modelle genaudann identisch, wenn sie dieselben Einhei-ten umfassen. Zur Illustration (Beispiel 1)sei im Folgenden exemplarisch eine Pradi-katenlogik erster Stufe unterstellt. Zwei lo-gische Beschreibungen, von denen die eineaus der logischen Formel kleinste_ge-rade_ Zahl(X) und die andere aus derlogischen Formel kleinste_Prim-zahl(Y) besteht, haben dasselbe Modell,namlich die naturliche Zahl Zwei [Herm91,76f.]. Die Ausdrucksstarke der beiden Be-schreibungen ist also vom extensionalenStandpunkt aus gleich und nicht weiter dif-ferenzierbar, wohl aber vom intensionalenStandpunkt, da die logischen Formeln un-terschiedliche Eigenschaften reprasentieren[Ortn97, 30f.].Ziel des im folgenden Abschnitt prasen-

tierten Ansatzes ist es, die Ausdrucksstarkein der konzeptuellen Modellierung mess-bar zu machen. Dabei soll der Ansatz auchin Situationen anwendbar sein, in denendie bisher existierenden Messansatze schei-tern, also wenn weder Teilmengenbezie-hungen noch Abbildungen vorliegen. Au-ßerdem soll der zu entwickelnde Ansatzauch den Zweck der konzeptuellen Model-lierung als Bezugspunkt der Ausdrucks-starke zulassen, der bisher in den Mess-ansatzen nicht berucksichtigt wird.Schließlich ist zu fordern, dass der Ansatzbei identischer materialer Semantik gleicheAusdrucksstarke attestiert. Bisherige An-satze zur Messung der Ausdrucksstarkefuhren formalisierte Betrachtungen der Se-mantik ausschließlich auf der Grundlagedes extensionalen Standpunktes durch. Dadas oben aufgefuhrte Beispiel gezeigt hat,dass dieser Standpunkt dem Wesen derkonzeptuellen Modellierung nicht gerechtwird, soll der zu entwickelnde Ansatz dieSemantik auch intensional betrachten, ohnejedoch dem extensionalen Standpunkt zuwidersprechen.

3 Ein Ansatz zur kardinalenMessung von Ausdrucksstarke

Die Definition der Ausdrucksstarke, diedem zu entwickelnden Ansatz zu Grundeliegt, setzt am Bezugspunkt (iii) an. Folg-lich ist die Ausdrucksstarke einer Beschrei-bung umso großer, je mehr sie fur einenbestimmten Zweck sagt. Der Zweck wirdmithilfe einer Referenzbeschreibung RBformalisiert. Dieses Vorgehen gestattet es,ein kardinales Maß A(RB, BB) abzuleiten,

das die Ausdrucksstarke einer beliebigenzu beurteilenden Beschreibung BB mit Be-zug zur Referenzbeschreibung angibt.Die Referenzbeschreibung ist eine vom

Zweck der konzeptuellen Modellierungabhangige Menge von Aussagen uber denProblembereich. Damit eine formalisierteBetrachtung der Semantik moglich wird,mussen die Aussagen der Referenz-beschreibung in logische Formeln uber-setzbar sein. Die Extension der Referenz-beschreibung besteht dann aus der Mengevon Einheiten des Problembereichs (mate-riale Semantik), die ein Modell jeder logi-schen Formel der Referenzbeschreibungsind. Um den somit erfassten extensionalenStandpunkt mit dem intensionalen Stand-punkt zusammenzufuhren, muss die Refe-renzbeschreibung folgende Anforderungenerfullen:1) Die logischen Formeln, in die jede Re-

ferenzbeschreibung ubersetzbar ist,mussen in einer Pradikatenlogik ersterStufe formulierbar sein, da Modelle die-ser Art von Logik einerseits einfach de-finiert sind und andererseits eine nach-vollziehbare Trennung zwischen Exten-sion und Intension ermoglichen. ZurVereinfachung der Notation wird zu-satzlich vereinbart, dass die Einheitendes Problembereichs in verschiedeneKlassen, die Sorten, aufgeteilt werden[Kreo91, 34ff.]. Fur jede Variable istdann neben ihrem Namen die Sorte an-zugeben, die sie reprasentiert. Außer-dem gilt, dass Variablen, deren Gleich-heit nicht explizit deklariert ist, unter-schiedlich sind. Tabelle 1 deklariertz. B. im Fall 2 die Gleichheit der Varia-blen X und Y, im Fall 1 hingegen sinddie beiden Variablen nicht gleich.

2) Die Menge der logischen Formeln derReferenzbeschreibung muss wider-spruchsfrei sein, damit uberhaupt einModell existiert [Kreo91, 76].

3) Die logischen Formeln der Referenz-beschreibung mussen Literale, d. h.atomare logische Formeln oder derenNegation, sein. In einer Pradikatenlo-gik erster Stufe entstehen atomare logi-sche Formeln durch die Anwendung

von Pradikatensymbolen auf Terme[Kreo91, 47]. Zu den Termen gehorenKonstantensymbole, Variablensymboleoder Funktionssymbole, die auf Termeangewandt werden [Kreo91, 46]. Lite-rale werden gefordert, da jedes Literalgenau eine Intension reprasentiert undgenau eine Extension besitzt. Damitkann der Beitrag jedes Literals zur Aus-drucksstarke isoliert und gemessen wer-den.

4) Die logischen Formeln der Referenz-beschreibung mussen voneinander un-abhangig sein. Unabhangigkeit bedeu-tet, dass eine logische Formel weder einSynonym zu noch eine Folgerung ausanderen Formeln der Referenzbeschrei-bung ist. Ein Synonym liegt vor, wennlogische Formeln dieselbe Intension be-sitzen. Im Beispiel 1 aus Abschnitt 2sind die logischen Formeln kleins-te_gerade_Zahl(X) und kleins-te_Primzahl(Y) nicht synonym, dasich ihre Intensionen unterscheiden,wahrend die Formeln kleins-te_Primzahl(X) und kleinste_Zahl_teilbar_durch_eins_und_sich_selbst(Y) synonym waren.Eine logische Formel folgt aus einerMenge logischer Formeln, wenn jedesModell der Formelmenge auch ein Mo-dell der logischen Formel ist [Herm91,27]. Unabhangigkeit der logischen For-meln ist einerseits eine ,technische‘ Vo-raussetzung fur die Anwendung desMaßes A(RB, BB). Zudem verandert dieErweiterung der Referenzbeschreibungum eine abhangige logische Formel dieAusdrucksstarke nicht, da sich dadurchweder die Extension noch die Intensionder Referenzbeschreibung andern. DieErweiterung der Referenzbeschreibungum unabhangige logische Formeln, alsoneue Intensionen, hingegen:& vergroßert entweder die Extension

der Referenzbeschreibung (Fall 1 inTabelle 1) oder

& verkleinert die Extension der Refe-renzbeschreibung (Fall 2 in Tabelle 1)oder

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Tabelle 1 Referenzbeschreibungen und Modelle

Ausgangssituation Fall 1 Fall 2

Referenzbeschreibung(Intensionen)

rot(X) rot(X)schwer(Y)

rot(X)schwer(Y)¼ (X, Y)

Modell in materialerSemantik(Extension)

alle roten Einheiten & alle roten Einheiten& schwere Einheiten

beliebiger Farbe

alle Einheiten, die sowohlrot als auch schwer sind

Zur Ausdrucksstarke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling 99

& verandert die Extension der Refe-renzbeschreibung nicht (Beispiel 1aus Abschnitt 2).

Eine Vergroßerung der Extension erhohtdie Ausdrucksstarke der Referenzbeschrei-bung im Sinne von Universalitat, da abso-lut mehr uber den Problembereich gesagtwird und auch mehr Einheiten des Prob-lembereichs erfasst werden. Dies ent-spricht dem in Abschnitt 2 vorgestelltenBezugspunkt (i) der Ausdrucksstarke unddem Messansatz (b). Eine Verkleinerungder Extension hingegen erhoht die Aus-drucksstarke im Sinne von Prazision, weilnun weniger Einheiten des Problem-bereichs die gestiegene Anzahl von Anfor-derungen der Referenzbeschreibung erful-len. Prazision ist eine bisher nichtbetrachtete Form von Ausdrucksstarke.Schließlich gestattet das zu entwickelnde(intensionale) Maß A(RB, BB) auch danneine Differenzierung der Ausdrucksstarke,wenn diese – wegen der unveranderten Ex-tension – vom extensionalen Standpunktaus gleich ist.Nachdem die Referenzbeschreibung RB

erstellt wurde, kann sie eingesetzt werden,um die Ausdrucksstarke anderer Beschrei-bungen BB zu beurteilen. Dafur muss je-weils entschieden werden, ob die zu beur-teilende Beschreibung eine Aussage derReferenzbeschreibung enthalt (1) odernicht (0). Tabelle 2 fasst die Moglichkeitendes Auftretens von Aussagen zusammen,wobei a, b, c und d Anzahlen bezeichnen.

Die Ausdrucksstarke zweier Beschrei-bungen ist nur vergleichbar, wenn derDurchschnitt ihrer Extensionen nicht leerist (a > 0), eine Teilmengenbeziehung zwi-schen den Extensionen wie im Falle dermengenbasierten Messung von Ausdrucks-starke ist jedoch nicht erforderlich. Bildetdie leere Menge den Durchschnitt der Ex-tensionen, so bedeutet dies, dass sich dieBeschreibungen auf ganzlich unterschied-liche Einheiten des Problembereichs bezie-hen.Ziel der konzeptuellen Modellierung ist

es, Aussagen uber einen Problembereichzu treffen. Deshalb liegen Situationen, indenen Aussagen weder in der Referenz-

beschreibung noch in der zu beurteilendenBeschreibung enthalten sind, außerhalb derBetrachtung (d ¼ 0). Sofern die zu beurtei-lende Beschreibung praziser als die Refe-renzbeschreibung ist, konnen durchausAussagen der zu beurteilenden Beschrei-bung in der Referenzbeschreibung fehlen(c > 0), wenn der Zweck der konzeptuellenModellierung diese Prazision nicht erfor-dert. Typischer ist jedoch der Fall, dass diezu beurteilende Beschreibung nicht alleAussagen, die fur einen Zweck benotigtwerden, enthalt (b > 0).

Das kardinale Maß A(RB, BB) bestimmtdie Ausdrucksstarke als �hnlichkeit zwi-schen der Referenzbeschreibung RB undder zu beurteilenden Beschreibung BB,wobei die �hnlichkeit an den Aussagendieser Beschreibungen gemessen wird. Ab-geleitet ist das Maß aus Maßen zur Mes-sung der �hnlichkeit binarer Merkmals-vektoren, z. B. durch den Tanimoto-, denSimple-Matching- oder den Rassel-Rao-Koeffizienten [BaEP00, 333]. Unter denBedingungen der Tabelle 2 nehmen dieseKoeffizienten folgende Form an:

AðRB, BBÞ ¼ aaþ bþ c

:

Durch die Konstruktion des Maßes ist diezweckbezogene Ausdrucksstarke A(RB,BB) einer zu beurteilenden Beschreibungimmer großer als null und kleiner odergleich eins, wobei A(RB, BB) ¼ 1 maxima-le Ausdrucksstarke bezogen auf den be-trachteten Zweck bedeutet. Das Maß wirdim folgenden Abschnitt eingesetzt, um dieAusdrucksstarke der Stammdaten vonAPS-Systemen zu messen.

4 Ausdrucksstarke derStammdaten des AdvancedPlanning and Scheduling

4.1 APS-Systeme

Die Anwendung des in Abschnitt 3 ent-wickelten Ansatzes zur Messung der Aus-drucksstarke setzt eine Referenzbeschrei-

bung voraus, die in Abschnitt 4.3 zufinden ist. Da die Referenzbeschreibungalle fur einen Zweck erforderlichen Aus-sagen enthalt, prazisiert der vorliegendeAbschnitt 4.1 den Zweck des AdvancedPlanning and Scheduling und leitet darausdie benotigten Aussagen ab. Diese Aus-sagen sind nummeriert, um sie in der Refe-renzbeschreibung (Tabelle 3 in Abschnitt4.3) wieder zu finden. Nach Moglichkeitsollten die Stammdaten der APS-Systemealle Aussagen der Referenzbeschreibungenthalten. Dabei sind die Stammdaten Er-gebnis der konzeptuellen Modellierung, al-so Beschreibungen. Abschnitt 4.2 stellt dieStammdaten der betrachteten APS-Systemevor.Sowohl PPS- als auch APS-Systeme pla-

nen die Produktion, also die Herstellungvon Produkten. Ausgehend von den Pro-duktmengen, die in einzelnen Perioden pro-duziert werden sollen (Produktionspro-gramm), ermittelt die Materialdisposition,welche Materialmengen wann bereitzustel-len sind. Dafur werden Informationen uberdie Zusammensetzung von Produkten ausMaterialien benotigt. Im Rahmen der Ka-pazitatsplanung wird zunachst bestimmt,welche Kapazitatsbedarfe einzelner Kapa-zitatsarten (Personal, Maschinen, Trans-portmittel, Lager, Fertigungshilfsmittel[z. B. Werkzeuge, Schablonen]) fur die Pro-duktion entstehen. Voraussetzung dafursind Angaben uber den Produktionspro-zess jedes Produktes. Der Produktionspro-zess besteht aus Produktionsschritten, dieKapazitaten verschiedener Arten in unter-schiedlichen Mengen benotigen und in ei-ner bestimmten Reihenfolge durchzufuh-ren sind. Die ermittelten Kapazitatsbedarfestellt die Kapazitatsplanung den Kapazi-tatsangeboten der Perioden gegenuber, umProduktionstermine zu bestimmen.APS-Systeme zielen in erster Linie da-

rauf ab, die Mangel des Manufacturing Re-source Planning (MRP II) zu beheben[Layd99, 66]: MRP II behandelt Material-disposition und Kapazitatsplanung in zweiseparaten, aufeinander folgenden Pla-nungslaufen [Wigh81, 404ff.]. Da die Ma-terialdisposition des MRP II infinites Ka-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Tabelle 2 Kontingenztafel zur Messung der Ausdrucksstarke

Referenzbeschreibung RB Zeilensumme

Aussage enthalten (1) Aussage nicht enthalten (0)

zu beurteilende Beschreibung BB Aussage enthalten (1) a > 0 c a þ c

Aussage nicht enthalten (0) b d ¼ 0 b

Spaltensumme a þ b c a þ b þ c

100 Susanne Patig

pazitatsangebot unterstellt, sind die er-zeugten Plane u. U. nicht ausfuhrbar.Primarer Zweck von APS-Systemen ist

somit das Erzeugen ausfuhrbarer Plane be-reits bei der Durchfuhrung der Material-disposition [MSIoJ]. Deshalb werden si-multan nicht nur Materialbedarfe, sondernauch Kapazitatsbedarfe geplant und mitden Angeboten abgeglichen [Layd99, 66].Hauptgrundlage der Planung eines Pro-duktes sind also die Stammdaten, die sei-nen Produktionsprozess beschreiben. Da-mit die durch APS-Systeme erzeugtenPlane tatsachlich ausfuhrbar sind, mussendie Produktionsschritt-Beschreibungen al-le benotigten Kapazitatsarten (7) und Ma-terialien (8) ausweisen und die Kapazitats-angebote mussen bekannt sein (1); dieAngebote an Materialien sind hingegenGegenstand der Planung. Außerdem wer-den Informationen daruber benotigt, obdie Produktionsschritte technologischzwingend sequenziell (4) oder zwingendnebenlaufig (5) durchzufuhren sind. Umschließlich die Ausfuhrbarkeit von Planenauch innerhalb enger Bedarfstermine zugewahrleisten, sind Aussagen dazu erfor-derlich, ob das Splitten (9) oder �berlap-pen (10) von Produktionsschritten einesProduktionsprozesses zulassig ist.Wahrend Ausfuhrbarkeit der Plane als

Zweck von APS-Systemen unumstrittenist, unterscheiden sich daruber hinaus dieMeinungen dazu, was noch zum Zweckdieser Systeme zahlt. Teilweise wird gefor-dert, dass die durch APS-Systeme erzeug-ten Plane nicht nur ausfuhrbar, sondernoptimal sein sollen [StKi02, 74], wobei Op-timierung ein optionaler Bestandteil desZwecks von APS-Systemen ist [Layd99,68]. Optimierung bedeutet im Kontext vonAPS-Systemen, aus mehreren ausfuhrbarenPlanen den ,besten‘ auszuwahlen [StKi02,117]. Dabei wird die Gute der Plane durchZielfunktionen (Zeit-, Kostenziele) bewer-tet. Sofern Optimierung zum Zweck vonAPS-Systemen gezahlt wird und dabeiKostenziele verfolgt werden, mussen Aus-sagen zu den Nutzungskosten der Kapa-zitaten (12), den Beschaffungskosten vonMaterialien (15) sowie zu den Kosten vor-liegen, die fur verspatete oder fehlendeBereitstellung von Produkten entstehen(Strafkosten, 16). Aussagen zu den Rust-zustanden von Kapazitaten fur einzelneProduktionsschritte (11) sind erforderlich,um rustkostenoptimale Plane zu erzeu-gen. Die Optimierung von Zeitzielen er-fordert keine zusatzlichen Aussagen, daLiefertermine generell bekannt und Pro-duktionstermine Gegenstand der Planungsind.

Damit alternative ausfuhrbare Plane ge-neriert werden konnen, aus denen die Op-timierung den besten auswahlen kann,mussen die Stammdaten von APS-Syste-men alle technologischen Wahlmoglichkei-ten abbilden, die bei der Produktion beste-hen. Folglich sollten APS-StammdatenAussagen uber alternative Zusammenset-zungen (2) oder Produktionsprozesse (3)einzelner Produkte sowie uber alternativeKapazitaten fur einzelne Produktions-schritte (6) enthalten. Die Abbildung dieserWahlmoglichkeiten in den APS-Stamm-daten ist jedoch nicht nur fur den Zweckder Optimierung erforderlich, sondern siesichert auch die Ausfuhrbarkeit der Plane,sobald Materialien oder Kapazitaten nichtverfugbar sind.Ein weiterer optionaler Bestandteil des

Zwecks von APS-Systemen ist das Erstel-len und Integrieren von Planen fur Pro-duktion, Beschaffung, Lagerung undTransport entlang eines Liefernetzwerkes(APS mit Liefernetzwerk [StKi02, 74], APSohne Liefernetzwerk [MSIoJ]). Ein Liefer-netzwerk besteht dabei aus mehrerenrechtlich selbstandigen Organisationen, diebei der Herstellung eines Produktes zu-sammenarbeiten, um die Wettbewerbs-fahigkeit des gesamten Liefernetzwerkeszu erhohen [StKi02, 12]. Sofern ein APS-System fur diesen Zweck eingesetzt wer-den soll, mussen seine Stammdaten die Or-ganisationen (13) des Liefernetzwerkes(z. B. Produktionsstatten, Vertriebszen-tren, Kunden, Lieferanten, Lager) und dieTransportbeziehungen zwischen diesenOrganisationen (14) abbilden.Zusammenfassend besteht der Zweck

von APS-Systemen darin, ausfuhrbare undu. U. sogar optimale Plane fur Produktion,Beschaffung, Lagerung und Transport in-nerhalb eines Unternehmens oder entlangeines Liefernetzwerkes zu erzeugen. Zurtechnischen Umsetzung dieses Zwecks be-steht entweder die Moglichkeit, ein APS-System mit einem bestehenden PPS-Sys-tem zu koppeln und somit das PPS-Systemzu erganzen, oder aber ausschließlich einAPS-System einzusetzen, welches das PPS-System ersetzt. Weiterhin ist zu beruck-sichtigen, dass heute mehrheitlich Systeme,mit denen die Produktion geplant wird,auch weitere Funktionsbereiche eines Un-ternehmens (z. B. Controlling, Rechnungs-wesen, Personal) unterstutzen, sodass nichtmehr von PPS-Systemen, sondern von Sys-temen fur das Enterprise Resource Planning(ERP) gesprochen werden muss. Die Aus-wahl der hier betrachteten Systeme orien-tiert sich an den beiden Extremfallen, diesich aus den optionalen Komponenten des

Zwecks von APS-Systemen und der tech-nischen Umsetzung ergeben1: Zum einenwird der Advanced Planner and Optimi-zer1 der SAP AG (kurz: SAP1 APO1) be-trachtet, der Optimierung und Liefernetz-werkplanung realisiert und einERP-System, z. B. SAP1 R/31, erganzt.Zum anderen betrifft die Analyse derStammdaten proALPHA1 Multiressour-cenplanung und Optimierung (APS) derproALPHA Software AG (kurz: pro-ALPHA1 APS), das zwar die Optimierungunterstutzt, aber nicht die Liefernetzwerk-planung und zudem das bisherige ERP-System der proALPHA Software AG, pro-ALPHA 4.1, ersetzt. Der folgendeAbschnitt skizziert die Stammdaten derbeiden APS-Systeme.

4.2 Stammdatender betrachteten APS-Systeme

4.2.1 Stammdatendes Systems SAPAPO

Die Erlauterungen dieses Abschnitts bezie-hen sich auf Release 3.1 des Systems SAPAPO. Zu dessen anwendungsunabhangi-gen Stammdaten zahlen Produkte, Res-sourcen, Produktionsprozessmodelle, Lo-kationen und Transportbeziehungen[SAPA02]. Die Stammdaten des Integrier-ten Produkt- und Prozess-Engineering(iPPE) werden hier aus zwei Grundennicht betrachtet: Zum einen ist das iPPEnicht generell, sondern erst nach Ruckspra-che mit der SAP AG nutzbar (SAP-Note2

444569). Zum anderen bezieht sich dieFunktionalitat des Systems SAP APOgrundsatzlich auf das Produktionsprozess-modell, nicht jedoch auf iPPE, fur dasfunktionale Einschrankungen bestehen(z. B. keine Planung des Liefernetzwerkes,SAP-Note 517264).

Produktstammsatze enthalten neben Pa-rametern zur Steuerung der Planung auchBeschaffungs-, Lagerhaltungs- sowie Straf-kosten. Ressourcen bilden das Kapazitats-angebot u. a. fur Produktion, Transportund Lagerung ab. Das Kapazitatsangebotwird je Einzelressource in unterschied-lichen Dimensionen (z. B. Zeit fur Maschi-nen und Personal, Volumen fur Lager) undGranularitaten (maximal tagesgenau beiBuckets oder aber sekundengenau) angege-ben.

Produktionsprozessmodelle3 fassen In-formationen zur Zusammensetzung desProduktes (traditionell: Stucklisten) und zuden Vorgehensweisen der Produktion (tra-ditionell: Arbeitsplane) zusammen (s.Bild 1). Ein Produktionsprozessmodell be-

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Zur Ausdrucksstarke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling 101

steht aus mindestens einem Vorgang. Vor-gange bezeichnen Tatigkeiten (z. B. Schab-lone einspannen, Locher bohren), die ausmehreren Aktivitaten bestehen. Aktivitatenstehen fur abgeschlossene Arbeitsschritteinnerhalb eines Vorgangs. Es existieren viervordefinierte Aktivitatstypen (Rusten, Pro-duzieren, Abrusten, Warten). Der erforder-liche Rustzustand der Ressourcen kann an-gegeben werden. Den Aktivitaten sindAktivitatsbeziehungen, Komponenten undModi zugeordnet.Aktivitatsbeziehungen legen die Ausfuh-

rungsreihenfolge von Aktivitaten fest. Zwi-schen Aktivitaten konnen Ende-Start-,Start-Start-, Ende-Ende- und Start-Ende-Beziehungen mit minimalen und maxima-len zeitlichen Abstanden definiert werden.Die Komponenten, die einer Aktivitat

zugeordnet sind, geben an, welche anderenProdukte (durch diese Aktivitat) in dasProdukt eingehen, dessen Herstellung dasProduktionsprozessmodell beschreibt. Lo-gische Komponenten fassen alternative ein-gehende Produkte mit unterschiedlichenzeitlichen Gultigkeiten zusammen. Regel-maßig sind mindestens einer Aktivitat einesProduktionsprozessmodells Komponentenzugeordnet.Ein Modus zeigt, welche Ressourcen zur

Durchfuhrung der Aktivitat benotigt wer-den. Dabei werden die Dauer der Aktivi-tatsdurchfuhrung und die Ressourcenver-brauche ausgewiesen. Obligatorisch verfugtder Modus uber eine Primarressource, aufdie sich die Dauer fur die Durchfuhrungder Aktivitat bezieht. Optional konnen zu-satzlich benotigte Sekundarressourcen furHilfsleistungen angegeben werden.

Alternative Modi fur die Durchfuhrungderselben Aktivitat sind zulassig, wobei je-der Modus eine Prioritat besitzt. Die Opti-mierung der Produktions- und Feinpla-nung (PP/DS) interpretiert die Kosten, diejeder Modusprioritat zugeordnet werdenkonnen, als PP/DS-Produktionskosten.PP/DS plant die Produktion innerhalb ei-nes Unternehmens. Außerdem ist das ge-samte Produktionsprozessmodell mit Kos-ten bewertet, aus denen die Optimierungder Supply-Network-Planung (SNP) dieProduktionskosten ermittelt. SNP dientder Planung des Liefernetzwerkes.Lokationen reprasentieren die Organisa-

tionen des Liefernetzwerkes. Die Loka-tionsstammsatze enthalten z. B. Langen-/Breitengrad, Planungskalender, Zeitzonenund Lagerressourcen. Transportbeziehun-gen verbinden jeweils zwei Lokationen; dieStammsatze weisen Entfernung, Transport-mittel und -kosten aus.

4.2.2 Stammdaten des SystemsproALPHA Multiressourcenplanungund Optimierung (APS)

Betrachtet wird die Version 4.2 des Sys-tems proALPHA APS, die zum Zeitpunktder Manuskripterstellung noch nicht offi-ziell freigegeben war. Deshalb basieren diefolgenden Erlauterungen auf dem von derproALPHA Software AG bereitgestelltenInformationsmaterial [proAoJ] sowie aufpersonlich erteilten Auskunften4.Auch im System proALPHA APS stellt

Produkt den Oberbegriff fur Endprodukte,Baugruppen, Einzelteile und Kaufteile dar.Ressourcen bezeichnen die Produktions-faktoren zur Herstellung eigengefertigter

Produkte. Zu den Ressourcen zahlen so-wohl Materialien als auch Mitarbeiter undMaschinen (zu Arbeitsplatzen zusammen-fassbar), Werkzeuge, Flachen, Transport-mittel und technische Verfahren. UnterVerfahrensressourcen werden Prozess-durchlaufe mit gleichen technischen Para-metern verstanden (z. B. Gluh-/Trock-nungsprozesse).Fur die Ressourcenarten Mitarbeiter,

Maschine, Arbeitsplatz und Werkzeugwerden zudem die Ressourcentypen Ein-zel-/Gruppenressource, Alternativgruppeund Ressource ohne Einlastung unterschie-den. Einzelressourcen sind zu jedem Zeit-punkt hochstens einer Aktivitat zugeord-net (z. B. Einzelmaschinen). Gruppenres-sourcen fassen mehrere Einzelressourcenzusammen, ein Splittingfaktor steuert diezeitgleiche Durchfuhrung einer Aktivitatdurch die einzelnen Ressourcen. Alterna-tivgruppen entsprechen Zusammenfassun-gen sich gegenseitig ersetzender Einzelres-sourcen, sodass eine Aktivitat hier nurdurch genau eine Ressource bearbeitetwird; die Auswahl der Ressource erfolgtbei der Optimierung. Ressourcen ohne Ein-lastung sind nur fur das Controlling, nichtfur die Kapazitatsplanung relevant.Netze von Aktivitaten beschreiben den

Herstellungsprozess eines eigengefertigtenProduktes als Produkt-Prozess-Modell.Aktivitaten bewirken Herstellungsfort-schritte und verbrauchen Ressourcen. Ei-ner Aktivitat kann mindestens eine Res-source zugeordnet sein, Aktivitaten ohneRessourcenbezug sind zulassig. ZwischenAktivitaten sind Mitte-Mitte-, Mitte-An-fang-, Ende-Mitte- und Ende-Anfang-Be-ziehungen definierbar.Da proALPHA APS die Liefernetz-

werkplanung nicht unterstutzt, fehlen auchdie entsprechenden Stammdaten.

4.3 Messung der Ausdrucksstarke

Tabelle 3 enthalt die Aussagen der Refe-renzbeschreibung, die in Abschnitt 4.1 ab-geleitet wurden, und zwar sowohl natur-lichsprachlich als auch in Form vonFormeln einer sortierten Pradikatenlogikerster Stufe. Die Symbole dieser Logik sindim Anhang zu finden. Den Anforderungenan die Referenzbeschreibung entsprechend,sind die logischen Formeln atomar und wi-derspruchsfrei.Mehrheitlich ist auch die Unabhangigkeit

der logischen Formeln offensichtlich, ledig-lich im Verhaltnis der Formeln zu folgen-den Aussagen ist sie zu begrunden: (9) – (6),(9) – (5), (10) – (5), (3) – (6). Das Vorhan-densein alternativer Kapazitaten (6) ist eine

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Bild 1 Aufbau eines Produktionsprozessmodells

ressource

ressource

beziehung

Modus

Dauer

Ressourcen-

verbrauch

Komponenten

Vorgang

Vorgang

Modus

in der Regel

vorhandenoptional

Aktivität

Aktivität

Aktivität

Primär-

Sekundär-

Aktivitäts-

102 Susanne Patig

notwendige, aber keine hinreichende Be-dingung fur das Splitten von Produktions-schritten (9), das regelmaßig z. B. vonRustzeiten oder zu bearbeitenden Mengenabhangig gemacht wird. Die Intensionender logischen Formeln (5) und (9) bzw. (10)unterscheiden sich: Wahrend die Formeln(4) und (5) die regulare Durchfuhrungsrei-henfolge von Produktionsschritten zu,normalen Kosten‘ meinen, beziehen sichSplitten (9) und �berlappen (10) auf Situa-tionen, in denen zum Preis hoherer Kosten(fur zusatzliches Rusten bzw. zusatzlicheTransporte) von der regularen Durchfuh-rungsreihenfolge abgewichen wird, sodassProduktionsschritte ausnahmsweise neben-

laufig (5) durchgefuhrt werden. AlternativeProduktionsprozesse (3) sind dadurch ge-kennzeichnet, dass sich Produktionsschritteunterscheiden (z. B. stanzen statt bohren)oder in anderer Reihenfolge durchgefuhrtwerden; alternative Kapazitaten derselbenKapazitatsart (6) konstituieren keinen al-ternativen Produktionsschritt.Tabelle 3 zeigt nicht nur die Aussagen

der Referenzbeschreibung, sondern auchdie Binarvektoren der Ausdrucksstarke,die zur Berechnung des Maßes A(RB, BB)benotigt werden. Definitionsgemaß enthaltdie Referenzbeschreibung alle Aussagen.Außerdem ist angegeben, welche Aussagendie zu beurteilenden Beschreibungen, also

die Stammdaten der betrachteten Systeme,enthalten. Im Folgenden werden nur dieAngaben erlautert, die sich nicht unmittel-bar aus Abschnitt 4.2 ergeben.Alle betrachteten Systeme konnen alter-

native Zusammensetzungen von Produktenund alternative Produktionsprozesse abbil-den, und zwar entweder durch alternativeStucklisten bzw. Arbeitsplane (SAP R/3,proALPHA) oder durch alternative Pro-dukt-(ions-)prozessmodelle (proALPHAAPS, SAP APO). Die logischen Kom-ponenten des Systems SAP APO beziehensich nur auf die zeitliche Zulassigkeit derMaterialverwendung.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Tabelle 3 Binarvektoren zur Beurteilung der Ausdrucksstarke

Aussagen Beschreibungen

naturliche Sprache Pradikatenlogik 1. Stufe ^ & & * *

Ausfuhrbarkeit (A)

1) Kapazitatsangebot angebot(!k, !n) 1 1 1 1*** 1

Angaben je Produkt

2) alternative Zusammensetzungen > (Zus_Anzahl(!p), 1) 1 1 1 1 1

3) alternative Produktionsprozesse > (P_Prozess_Anzahl(!p), 1) 1 1 1 1 1

Durchfuhrung der Produktionsschritte eines Produktionsprozesses

4) sequenziell seq(!ps1, !ps2, !pp, !p) 1 1 1 1 1

5) nebenlaufig neben(!ps1, !ps2, !pp, !p) 1 1 1 0 1

Angaben je Produktionsschritt

6) alternative Kapazitaten einer Kapazitatsart alternativ(!k1, !k2, !ps, !pp, !p) 1 1 1 0 1

7) mehr als eine Kapazitatsart > (KA_Anzahl(!ps, !pp, !p), 1) 1 1 1 1# 1

8) Materialien material(!m, !ps, !pp, !p) 1 1 1 0 1

9) Splitten splitt(!ps, !n, !pp, !p) 1 1 0 1 1

10) �berlappen uberlapp(!ps1, !ps2, !pp, !p) 1 1 0 1 1

Optimierung (B)

11) Rustzustande der Kapazitaten rust(!k, !z, !ps, !pp, !p) 1 0 1 0 0

inne

rhalbeine

sUnterne

hmen

s

12) Kosten fur Kapazitatsnutzung k_kosten(!k, !n) 1 1* 1 1* 1*

Ausfuhrbarkeit (C)

13) Organisationen des Liefernetzwerkes org_liefernetz(!o) 1 1 1 0 0

14) Transportbeziehungen trans_bez(!o1, !o2) 1 1 1 0 0

Optimierung (D)

15) Beschaffungskosten fur Materialien b_kosten(!m, !n) 1 1* 1 1* 1*entla

ngde

sLieferne

tzwerke

s

16) Strafkosten s_kosten(!p, !n) 1 0 1 0 0

^ Referenzbeschreibung & SAP R/3 & SAPAPO * proALPHA * proALPHA APS*** nicht fur Lager# Personal, Maschinen, Fertigungshilfsmittel* nur fur Controlling und Buchhaltung

Zur Ausdrucksstarke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling 103

Grundsatzlich unterstellen alle Systemeeine sequenzielle Durchfuhrung der Pro-duktionsschritte, Nebenlaufigkeit lassen al-le Systeme bis auf proALPHA zu. DasSystem SAP R/3 kann alternative Kapazi-taten einer Kapazitatsart fur einen Produk-tionsschritt dadurch erfassen, dass zu ei-nem SAP-R/3-Arbeitsgang eine alternativeSAP-R/3-Folge mit demselben Arbeits-gang auf einem anderen SAP-R/3-Arbeits-platz definiert wird. Im System pro-ALPHA besteht diese Moglichkeit nicht.Dort ist zudem (im Gegensatz zu SAPR/3) auch die Zuordnung von Materialienzu Produktionsschritten nicht moglich. Bisauf SAP APO (SAP-Note 517264, bezogenauf Produktionsprozessmodelle) ermogli-chen alle Systeme das Splitten und das�berlappen von Produktionsschritten.Alle Systeme spezifizieren das quantita-

tive Kapazitatsangebot bezogen auf Per-sonal, Maschinen und Transportmittel(z. T. als spezielle Maschinen) sowie dasVorhandensein von Fertigungshilfsmitteln.Das Angebot an Lagerkapazitat konnenmit Ausnahme von proALPHA alle Syste-me abbilden.Die Angabe mehrerer Kapazitatsarten

fur einen Produktionsschritt gestattenebenfalls alle Systeme, wenn auch in unter-schiedlicher Form. Das System pro-ALPHA ordnet Produktionsschritten nurKapazitatsstellen (Gruppen von Personaloder Maschinen) sowie Fertigungshilfsmit-tel zu. Ein Arbeitsplatz des Systems SAPR/3 kann unterschiedliche SAP-R/3-Kapa-zitatsarten zusammenfassen, deren Kapazi-tatsangebot jeweils eine eigene Dimension(Zeit, Volumen, Flache) aufweisen darf[SAPA01]. Außerdem sind SAP-R/3-Ar-beitsgangen Fertigungshilfsmittel zuorden-bar [SAPA01].

Die Zielfunktion der Optimierung bestehtim System proALPHA APS ausschließlich

aus Zeitzielen (Durchlaufzeit, Terminabwei-chung, Stillstandszeit) [proAoJ]. Zwar ent-halt proALPHA APS Aussagen zu denKosten fur die Nutzung von Maschinenund Personal sowie Materialeinkaufspreise,jedoch dienen diese Informationen nurdem Controlling und der Buchhaltung.Damit entsprechen die Aussagen im Sys-tem proALPHA APS denen der beidenERP-Systeme SAP R/3 und proALPHA.Dies ist auch erforderlich, weil das SystemproALPHA APS das ERP-System pro-ALPHA ablost. Angaben zu Strafkostenund Rustzustanden von Kapazitaten sindnur in SAPAPO zu finden.Die Komponente Distribution Resource

Planning (DRP) des Systems SAP R/3 bie-tet bereits grundlegende Funktionalitat furdie Planung eines Liefernetzwerkes an undenthalt auch die dafur erforderlichen Aus-sagen, namlich die Organisationen des Lie-fernetzwerkes und die bestehenden Trans-portbeziehungen.Wie Tabelle 3 zeigt, umfasst keine der zu

beurteilenden Beschreibungen alle Aus-sagen der Referenzbeschreibung. Zur Be-rechnung des Maßes A(RB, BB) werdendie Aussagen der Referenzbeschreibung sogruppiert, dass mithilfe der Gruppen A bisD (s. Tabelle 3) die verschiedenen Aus-legungen des Zwecks von APS-Systemenwidergespiegelt werden konnen. SofernAPS-Systeme dazu dienen, innerhalb einesUnternehmens ausfuhrbare Plane zu er-zeugen, sind dafur die 10 Aussagen derGruppe A erforderlich. Betrifft die Aus-fuhrbarkeit der durch APS-Systeme erstell-ten Plane das gesamte Liefernetzwerk,kommen zu den Aussagen der Gruppe Adie Aussagen der Gruppe C hinzu (ins-gesamt 12 Aussagen). Die Aussagen, diezur Bestimmung optimaler Plane innerhalbeines Unternehmens (Gruppe A þ B, 12Aussagen) bzw. entlang eines Liefernetz-

werkes (A þ B þ C þ D, 16 Aussagen) be-notigt werden, setzen Ausfuhrbarkeit vo-raus, enthalten also die entsprechendenAussagen mit.Tabelle 4 fasst die Werte des Maßes

A(RB, BB), also der zweckbezogenenAusdrucksstarke der einzelnen zu beurtei-lenden Beschreibungen, zusammen. ImNenner des Maßes stehen jeweils die Aus-sagenanzahlen der gruppierten Referenz-beschreibung. Der Zahler gibt die Anzahl ader Aussagen an, die sowohl in der grup-pierten Referenzbeschreibung als auch inder zu beurteilenden Beschreibung enthal-ten sind.Die sich auf die Optimierung (Gruppen

A þ B, A þ B þ C þ D) beziehenden Wer-te der Ausdrucksstarke aus Tabelle 4 sindtendenziell dadurch verfalscht, dass die inden Systemen SAP R/3, proALPHA undproALPHA APS vorliegenden Kosten-informationen nicht zu diesem Zweck he-rangezogen werden – obwohl dies denkbarware. Generell trifft fur den Hersteller pro-ALPHA Software AG tatsachlich zu, dassdie Ausdrucksstarke der APS-Stammdatendie Ausdrucksstarke der traditionellenStammdaten fur Produktionsplanung und-steuerung ubersteigt, und zwar bei jedemfur APS-Systeme unterstellten Zweck; dasGegenteil gilt fur die SAP AG. Weiterhinzeigt Tabelle 4, dass Unternehmen bereitsbeim Einsatz des Systems SAP R/3 uber al-le Informationen verfugen, die insbesonde-re zum Erzeugen ausfuhrbarer Plane durchdas Advanced Planning and Scheduling er-forderlich sind. Somit muss nicht das Sys-tem SAP APO eingefuhrt werden, um aufAusfuhrbarkeit ausgerichtetes AdvancedPlanning and Scheduling durchfuhren zukonnen, sondern einfache funktionale Er-weiterungen, z. B. durch Eigenentwicklungoder Anbindung eines Solvers, sind ausrei-chend.

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Tabelle 4 Ausdrucksstarken der Beschreibungen

Zweckbezug der Ausdrucksstarke laut Tabelle 3

Ausfuhrbarkeit Optimierung

unternehmensintern (A) Liefernetzwerk(Aþ C)

unternehmensintern(Aþ B)

Liefernetzwerk(A þ B þ Cþ D)

SAP PPS & 10/10 ¼ 1 12/12 ¼ 1 11/12 ¼ 0,92 14/16 ¼ 0,88

APS & 8/10 ¼ 0,80 10/12 ¼ 0,83 10/12 ¼ 0,83 14/16 ¼ 0,88

proALPHA PPS * 7/10 ¼ 0,7 7/12 ¼ 0,58 8/12 ¼ 0,67 9/16 ¼ 0,56

APS * 10/10 ¼ 1 10/12 ¼ 0,83 11/12 ¼ 0,92 12/16 ¼ 0,75

& SAP R/3 & SAPAPO * proALPHA * proALPHA APS

104 Susanne Patig

5 Einschatzung desentwickelten Ansatzes

Es wurde ein Ansatz entwickelt, der dieAusdrucksstarke in der konzeptuellen Mo-dellierung messbar macht und durch diekardinale Messung unabhangig davon ist,ob zwischen Beschreibungen bzw. Be-schreibungssprachen, deren Ausdrucks-starke beurteilt werden soll, Teilmengenbe-ziehungen oder Abbildungen vorliegen.Der entwickelte Ansatz erfordert die

Konstruktion einer Referenzbeschreibung,die den Zweck der konzeptuellen Model-lierung intensional erfasst. Aufgrund seinerKonzeption ist der vorgestellte Ansatz ver-traglich zu anderen Ansatzen, die Aus-drucksstarke auf der Grundlage formali-sierter semantischer Analysen vomextensionalen Standpunkt aus messen. So-fern eine philosophische Ontologie oderSymbole einer Beschreibungssprache alsReferenzbeschreibung erfasst werden, bil-den auch die Ansatze, die Ausdrucksstarkebisher nicht formalisiert semantisch mes-sen, Spezialfalle des hier prasentierten An-satzes und profitieren von seiner semanti-schen Grundlage.Generell ist zu berucksichtigen, dass

auch die Beurteilung der zweckbezogenenAusdrucksstarke mithilfe des entwickeltenAnsatzes nur teilweise objektiv ist, da sievom Zweck abhangt, den ein Subjekt be-trachtet. Damit verandern sich die Werteder Ausdrucksstarke, wenn ein andererZweck angenommen wird. Folglich ist aufdie Offenlegung des Zwecks, auf dem dasUrteil uber Ausdrucksstarke basiert, be-sondere Sorgfalt zu verwenden.

Anhang: Symbole derverwendeten Sprache

Variablen und Sorten:

!p: produkt

!pp: prod_prozess

!ps, !ps1, !ps2: prod_schritt

!k, !k1, !k2: kapazitat

!m: material

!n: nat_zahl

!o, !o1, !o2: organisation

!z: zustand

Aus Grunden der Kompaktheit stellt das Symbol ,!‘einen Platzhalter fur weitere Unterscheidungen der

Variablensymbole dar. Dies bedeutet, dass sich z. B.die Variablen !ps1 in unterschiedlichen logischenFormeln durchaus unterscheiden konnen, und zwarabhangig davon, womit ,!‘ ersetzt wird.

Funktionen:

Zus_Anzahl: produkt ! nat_zahl

P_Prozess_Anzahl: produkt ! nat_zahl

KA_Anzahl: prod_schritt prod_prozessprodukt ! nat_zahl

Pradikate:

Die Pradikatensymbole sind in Tabelle 3 fur jede ein-zelne Aussage aufgefuhrt. Generell verwenden Pra-dikate die Variablen der Sorten, uber denen sie de-klariert sind, z. B.:

material: material prod_schritt prod_prozessprodukt

Aus der Variablenverwendung der Pradikate in Ta-belle 3 kann somit im vorliegenden Fall auf die De-klarationen der Pradikate geschlossen werden, dieaus Platzgrunden hier nicht aufgefuhrt sind.

Anmerkungen

1 SAP und APO sind eingetragene Markender SAP Aktiengesellschaft Systeme, An-wendungen, Produkte in der Datenver-arbeitung, Neurottstraße 16, D-69190Walldorf. proALPHA ist eine eingetrage-ne Marke der proALPHA Software AG,Auf dem Immel 8, D-67685Weilerbach.

2 SAP-Notes sind durch die angegebeneNummer eindeutig identifiziert und nurfur SAP-Kunden uber das Online-Sup-port-System (OSS) zuganglich.

3 Streng ist das Produktionsprozessmodellein Bestandteil des PP/DS- bzw. SNP-Plans. In der Dokumentation und imSystem SAP APO wird jedoch z. T. auchder gesamte Plan als Produktionspro-zessmodell bezeichnet.

4 Die Informationen erteilte am 2003-05-05Herr Uwe Baumann, proALPHA Soft-ware AG, Auf dem Immel 8, 67685 Wei-lerbach, [email protected].

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WIRTSCHAFTSINFORMATIK 46 (2004) 2, S. 97–106

Abstract

Expressiveness of Master Data in Advanced Planning and Scheduling

Expressiveness is applied to evaluate languages or descriptions. By expressiveness we meanwhat can be said within the limitations of some language. Assessing expressiveness is al-ways based on a reference, namely the set of all things sayable, the things said in anotherlanguage or the things that must be said to meet a certain purpose. So far, only nominal orordinal measures of expressiveness have been proposed.In the approach presented here, a certain purpose serves as reference to evaluate expres-

siveness by a cardinal measure. The approach is derived from measuring similarity betweenbinary vectors and employs results concerning the formal semantics of logical descriptions.By applying this approach to measure the expressiveness of the master data used by Ad-vanced Planning and Scheduling (APS) systems on the one hand and Enterprise ResourcePlanning (ERP) systems on the other hand it can be shown that in most cases the master dataof APS systems do not possess higher expressiveness than the master data of ERP systems.

Keywords: Expressiveness, Advanced Planning and Scheduling, APS

Zur Ausdrucksstarke der Stammdaten des Advanced Planning and Scheduling 105

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