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(Aus der Pidiatrischen Abteilung des Mount Sinai Spitales New York.) Zur Behandlung ~ler Toxikose im S~iuglingsalter. Von B. Sehiek, New York. Mit 2 Textabbildungen. (Ei,ngegangen am 16. Juni 1932.) Die Anzahl der F/~lle yon aliment~rer Toxikose im Siuglingsalter hat in den letzten 15 Jahren betr~iehtlich ~bgenommen, so d~l~ es manehen-/rzten iiberflfissig erscheinen m~g, sich mit diesem Problem zu beschiftigen. Die Besserung der Verh/~ltnisse ist zweifellos der besseren Kenntnis der Ss163 und der Erziehung der Mfitter zuzuschreiben. Da.s Problem besteht abet trotzdem noeh wenigstens in den Sommer- und den ersten Herbstmon~ten. Besonders in einzelnen St~tdten der Vereinigten" Stiffen, so ~uch in New York, spielt die Toxicosis noch eine gen/igend grebe Rolle und die Sterblich- keit ist so hoch (50--60%), daS unser Bem/ihen einen Fortschri~t in der Behandlung zu erzielen berechtigt ist. Ieh iibergehe bier Mle Er6rterungen fiber die Ursache der alimen- t/iren Toxicosis, weil ich nicht in der L~ge bin, Neues zu bringen. Ffir die Gegenwart ist es viel wichtiger, eine wirksame Beh~ndlungsmethode zu h~ben, l~ach vielj/s Bemiihung sind wir in der unter meiner Leitung stehenden Kinder~bteilung des Mount Sinai Spitales in 1New York zu einer Methode gelangt, die uns ein erfreulich gutes Result~t gibt. Verbesserungen sind sieherlich m6glieh. Die einzelnen Phasen der Behandlung bediilffen noeh weiteren Studiums. In der mit Karelitz ver6ffentlichten Studie fiber Toxieosis i babe ich die Grfinde ~useinandergesetzt, die mich veran]~13ten, in den Mittel- punkt der Beh~ndlung der Toxicosis die radikale l~ehigstellung des Magendarmkanales zu stellen. Diese Ruhigstellung ist in einer Be- ziehung vie] radik,~ler als die yon Monrad und in l)bereinstimmung mit ihm yon Brat~sch Marian empfohlene. Ich vermeide ~uch die oralc Wasserzufuhr im Beginne, well ich gl~ube, d~l~ selbst Wasser imstande ist, den hochgradig fiberempfindlichen Magendurmk~nal zu vcrmehrter i Karelitz, S., and B. Schicl~, Treatment of~Toxieosiswith the mid of a Continous intravenous drip of Dextrose Solution. J. Dis. Childr. 12, 781--802 (1931).

Zur Behandlung der Toxikose im Säuglingsalter

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Page 1: Zur Behandlung der Toxikose im Säuglingsalter

(Aus der Pidiatrischen Abteilung des Mount Sinai Spitales New York.)

Zur Behandlung ~ler Toxikose im S~iuglingsalter. Von

B. Sehiek, New York.

Mit 2 Textabbildungen.

(Ei,ngegangen am 16. Juni 1932.)

Die Anzahl der F/~lle yon aliment~rer Toxikose im Siuglingsalter hat in den letzten 15 Jahren betr~iehtlich ~bgenommen, so d~l~ es manehen- / r z t en iiberflfissig erscheinen m~g, sich mi t diesem Problem zu beschiftigen. Die Besserung der Verh/~ltnisse ist zweifellos der besseren Kenntnis der Ss163 und der Erziehung der Mfitter zuzuschreiben. Da.s Problem besteht abet t rotzdem noeh wenigstens in den Sommer- und den ersten Herbstmon~ten. Besonders in einzelnen St~tdten der Vereinigten" S t i f fen , so ~uch in New York, spielt die Toxicosis noch eine gen/igend grebe Rolle und die Sterblich- keit ist so hoch (50--60%), daS unser Bem/ihen einen Fortschri~t in der Behandlung zu erzielen berechtigt ist.

Ieh iibergehe bier Mle Er6rterungen fiber die Ursache der alimen- t/iren Toxicosis, weil ich nicht in der L~ge bin, Neues zu bringen. Ffir die Gegenwart ist es viel wichtiger, eine wirksame Beh~ndlungsmethode zu h~ben, l~ach vielj/s Bemiihung sind wir in der unter meiner Leitung stehenden Kinder~bteilung des Mount Sinai Spitales in 1New York zu einer Methode gelangt, die uns ein erfreulich gutes Result~t gibt. Verbesserungen sind sieherlich m6glieh. Die einzelnen Phasen der Behandlung bediilffen noeh weiteren Studiums.

In der mit Kareli tz ver6ffentlichten Studie fiber Toxieosis i babe ich die Grfinde ~useinandergesetzt, die mich veran]~13ten, in den Mittel- punk t der Beh~ndlung der Toxicosis die radikale l~ehigstellung des Magendarmkanales zu stellen. Diese Ruhigstellung ist in einer Be- ziehung vie] radik,~ler als die yon Monrad und in l )bereinst immung mit ihm yon Brat~sch Mar ian empfohlene. Ich vermeide ~uch die oralc Wasserzufuhr im Beginne, well ich gl~ube, d~l~ selbst Wasser imstande ist, den hochgradig fiberempfindlichen Magendurmk~nal zu vcrmehr ter

i Karelitz, S., and B. Schicl~, Treatment of~Toxieosis with the mid of a Continous intravenous drip of Dextrose Solution. J. Dis. Childr. 12, 781--802 (1931).

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Peristaltik anzuregen. In anderer Beziehung ist unsere Behandlung milder, da die Hungerperiode nieht solange zu dauern hat.

Bei solchem Vorgehen muB nattirlich in erster Linie fiir Fliissigkeits- und Nahrungszufuhr auf anderem Wege Sorge getragen werden. Nach- dem ich die verschiedenen Wege der parenteralen FIiissigkeitszufuhr versucht hatte, konnte ich den guten aber leider nur voriibergehenden :Erfolg der subcutanen und besonders der intravenSsen Infusion be- st/~tigen. Wir beniitzen diese Methode auch jetzt im Beginne der Be- handlung und verwenden 150--250 cem einer 5proz. Traubenzucker- 16sung. Die Wirksamkeit dieser Infusion erhShen wir in schweren Fs dureh ein- oder mehrmalige Bluttransfusion 80--100 ccm (naeh Powers). Der akute Wasserver]ust (~xsikkose, Dehydration) ist zu weitgehend, die toxischen Symptome und die shock/ihnliehen Erscheinungen zu sehr damit in Zusammenhang, als dab wir auf diese akute Auffiillung des Gef~Bsystems verziehten k6nnten. Wir miissen aber in der Lage sein, die Fli~chtigkeit des Er/olges zu bekCimp/en, w~nn wit welter kommen wollen. Es war daher eine glfickliche Idee meines Assistenten Karelitz 1,

Abb. 1. N a d e l zu r Tropf in fus ion n a c h K a r e l i t z . G = Gummisch]auch . :]I = ) I c t a l l a n s a t z . K - - KaniUc .

die in der Shoekbehandlung so bewahrte Me~hode der intmven6sen Tropfinfusion fiir die Behandlung der Exsikkose im S/iuglingsalter ein- zufiihren. Als Flfissigkeit dient eine 5--7proz. TraubenzuckerlSsung (entweder in physiologiseher Koehsalz- oder Ringerl6sung). Die Zu- fuhr des Traubenzuckers erm6glicht die Bek/impfung der Aeidose. Die Intensit~t des Hungers wird dadureh ebenfalls herabgesetz$. Bei einer Zufuhr yon 500 ecru 5proz. Traubenzuekerl6sung in 24 Stunden (= 25 g Traubenzueker) geben wir 100 Calorien.

Zur Vornahme der Infusion nach Karelitz wird die Vene (gew6hnlieh die Cubitalvene) freipr/tpariert, die Kaniile eingebunden und der Arm in gesbreckter Italtung fixiert. Die Apparatur ist einfaeh und die teeh- nische Seite des kleinen operativen Eingriffes leieht zu erlernen.

Die Fliissigkeitszufuhr mit dieser intravenSsen Tropfmethode darf aber nieht unbegrenzt skin. Sie wird meiner Erfahrung auch mit anderen Methoden vielfach zu welt getrieben. Naeh anfKnglieher Aufffillung des Gef~Bsystems mittels :Bluttransfusion und 150--250 ccm 5proz. Trau- benzuckerlSsung, die in der Berechnung der sp~teren Fliissigkeitszufuhr nieht eingerechnet wird, genSgt es, die Tropfenz~hl so einzustellen, dab die zugefiihrte Fltissigkeitsmenge in 24 Stunden zwisehen 100

1 ].c., S. 781If.

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und 125 ccm pro kg (4--10 Tropfen pro Minute) liegt. Bei gr6Berer Fliissigkeitszufuhr kommt es zur 0dembildung und zu Ansammlung yon Fliissigkeit in den K6rperh6hlen.

Es ist erfreulich zu sehen, wie rasch das Aussehen der Kinder sieh bessert; die Unruhe sehwindet und Sehlaf stellt

T sieh ein, die Farbe der ]-Iaut wird rosig. ]3as Er-

/ brechen sistiert, die Mehrzahl der Kinder zeigt be- tr/~chtliche Abnahme tier Stuhlentleerungen raseh naeh dem Einsetzen der Behandlung, andere tun es erst etwas sp/~ter. Die vorher spfirliche Harn-

~- produktion kommt in Gang. Die meisten Kinder. zeigen bei diesem Vorgehen

tier absoluten Nahrungsentziehung auf dem Darm- [ wege lokale Trockenheit der Mundh6hlenschleim- haut. Diese Trockenheit kann durch Anfeuehten mit wenigen Tropfen Wasser beks werden.

Die intraven6se Tropiinfusion wird ffir 48 bis 72 Stunden aufreehterhalten. Nur in leiehteren F/fllen nnterbreehen wir sie frfiher. Unterdes ist die Aeidose klinisch und mit Laborator iumsmetho-

0 dik geprfift geschwunden. In Ausnahmef/illen muB die Ilffusion l/~nger aufrechterhalten werden 1 Nach 36 48 Stunden wird die erste Nahrung ge- reieht, Meiner Meinung nach ist die Kleinheit der zugeffihrten Nahrungsmenge, also die Qua ntits viel wiehtiger als die Qualit/~t. Auch sog. Heilnah- rungen (konzentrierter Reisschleim nach B e s s a u ,

EiweiBmflch, Buttermileh oder Mandelmilch[~Ioll] sollen besser im ]3eginn in kleinen Mengen (jfingere

Abb... S/~uglinge 5 ccm, /s 10 ecm) in 1--2 stfind- A p p a r a t z u r T r e , f in fu- sion nach Karelitz A = liehem Interval l gegeben werden. Wir selbst ver- Gradiertes Glasgefall. wendeten in den meisten F/~llen einfaeh Mischun-

=- K l e m m e m i t S e h r a u -

be. C = M u r p h y - T r o p f - gen yon 2/3 Milch und z/3Wasser mit 5,5% Zucker- g l a s . D = Z w e i t e K l e m m e . E=Gl~rot~'. F=Gum- zusatz und hat ten den Eindruek, dal~ in diesen mizwisehcnstiiek. G = F/~llen eine eigentliehe Heilnahrung zumindestens K a n i i l e . d = E n d e d e s

Stringers. fiberfifissig war. Ich ha t te aber die Absicht, dies zu beweisen. Es ist sieherlieh nichts einzuwenden,

dab die frfiher erw/ihntei1 t teflnahrungen zur Verwendung gelangen. Es ist aber erfreulieh und lehrreich zu sehen, dab es meistens aueh ohne solche Mischungen m6glich ist, die Erkrankung zur Heilung zu bringen.

1 Karel i t z behandelte einen Fall durch 268 Stunden ~ 12 Tage mit seiner l~ethode.

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Die ~nf~ngs geringe Nahrungsmenge wird ]angsam gesteigert, so dab in 4---,5 T,~gen der Erhaltungsbedarf erreicht wird. Von da ab erfolgt in tiblicher Weise der stufenf6rmige Anstieg zur Menge des vollen Be- darfes.

Als weitere HiKe in der Behandlung erwies sieh das Unterlassen jeglicher /trztlichen Untersuchung, welche mit StSrung der Ruhe des Kindes einhergeht, Temperaturmessungen wurden reduziert und nicht im l~ectum sondern in der Axill~ vorgenommen. Viel Sorgfalt wurde auf Warmhalten des Kindes und Unterlassen (iberfliissigen Aufdeckens gelegt. Die 1)ilege der erkralxkten Kinder wurde nicht Sehtilerinnen, sondern besonders guten Krankenpflegerinnen anvertraut. Ich bin iiberzeugt, dM3 dieser Faktor mit dazu beigetragen hat, dal3 unser Vor- gehen ein gfinstiges Ergebnis brachte.

~u haben das zweite Jahr der Priifung unserer Behandlungsmethode hinter uns. Wit waren inlstande, die Mortalit/it der aliment/iren Toxi- cosis im Jahre 1931 auf ungef/ihr 15% herabzusetzen. Wenn auch die Grundztige der Behandlung nunmehr erfolgverspreehend sind, harren noch viele DetMlfragen der Lgsung. Die Frage des Flfissigkeitsbedarfes ist besonders interessant und bedarf weiteren Studiums.

New York, Piidiatrische Abteilung des Mount Sinai Spitales.