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Familiäre Hypobetalipoproteinämie als Ursache einer Hepatomegalie und Transaminasenerhöhung mit Manifestation im Säuglingsalter. Ein Fallbericht. C. Hünseler 1 , A. Arnoldy 1 , W. Schmidt 2 , E. Lainka 1 , S. Kathemann 1 , and P. Gerner 1 (1) Universitätskinderklinik Essen, Klinik 2, Hufelandstr. 55, 45122 Essen (2) Labor Lademannbogen MVZ GmbH, Lademannbogen 61-63, 22339 Hamburg Einleitung: Die familiäre Hypobetalipoproteinämie (FHBL, ca. 1:1000) ist in 50% d. F. bedingt durch eine autosomal kodominant erbliche APOB-Gen-Mutation. Folge ist eine Erniedrigung des LDL-Cholesterins und/oder Apolipoproteins B (apoB) im Plasma unter die 5. Perzentile. Die FHBL in seltener homozygoter Form mit Fehlen von apoB kann schwer mit frühem Beginn im Säuglingsalter (Dystrophie, Steato-Diarrhoe, Steatosis hepatis, Retinitis pigmentosa, Ataxie) wie eine Abetalipoproteinämie oder als heterozygote Form benigne verlaufen (symptomlos bis Steatorrhoe, Steatosis hepatis). Fallbericht: M.A. ist ein 2006 geborener Junge türkischer Abstammung weitläufig konsanguiner Eltern. Im 5. Lebensmonat wurde er auffällig mit einer Hepatomegalie mit milden Transaminasenerhöhungen. Es wurde eine vermutlich konnatale CMV-Infektion diagnostiziert, die nicht als ursächlich angesehen wurde. Der Patient wies Vierfingerfurchen, hypermotile Gelenke und eine leichte Entwicklungsverzögerung auf. Die umfangreiche weitere Abklärung blieb ergebnislos. Wir sahen den Patienten im Alter von 5 3/12 Jahren. Eine Leberhistologie zeigte eine periportale Fibrose 2° ohne signifikante Entzündung mit 100%iger Leberzellverfettung (80 % großtropfig, 20 % mikrovesikulär), laborchemisch fiel ein niedriges Cholesterin (38 mg/dl; (75-210) und LDL-Cholesterin (1 mg/dl) auf. Erst eine Akanthozytose im Blutbild führte uns zur Diagnose der FHBL. Der Apo- Lipoprotein-B-Spiegel betrug 23 mg/dl (55-140 mg/dl). Im APOB-Gen fand sich ein Heterozygotenstatus für die Mutation c. 2300C>A(p.Ser767Tyr) sowie für die Mutation c.8216C>T (p.Pro2739Leu) (Referenzsequenz: NM_000384.2), Überträger beider Mutationen war der Vater. Die Therapie erfolgt mit Vitamin E 1000E alle 2 Tage. Schlussfolgerung: Nicht nur eine Erhöhung sondern auch eine Erniedrigung des Cholesterins kann eine pathologische Bedeutung haben. Im Rahmen der Abklärung einer Hepatomegalie ± Transaminasenerhöhung ist die Erniedrigung des Gesamt- und LDL-Cholesterins hinweisend auf die Diagnose einer A- oder Hypobetalipoproteinämie, die molekulargenetisch bewiesen werden kann. Familiäre Hypobetalipo- proteinämie Abetalipo- proteinämie (Bassen- Kornzweig Chylomikronen- Retentions- Erkrankung (Anderson- Tangier Erkrankung Smith-Lemi- Opitz Syndrom (SLOS) Cholesterin (=) L D L - Cholesterin bis fehlend fehlt (=) H D L - Cholesterin ↓↓ fehlt (=) Triglyceride ↓↓ n bis n bis = Pathogenese/ Genetik Kodom. APOB-Gen, Chr. 2q21.22-27 oder Aut. rez. MTP-Gen, Chr. 4q22-24 (Defekt des mikrosomalen Aut. rez., Mutationen des SARA2-Gens, codiert Sar1-GTP (intrazell. Transportstörung f. Chylomikronen) ABCA1 – Mutation, Chr. 9Q31 (ATP-binding- cassette- Transporter A1) DHCR7, Chr. 11q13.4 7- Dehydrocholester ol-Reduktase Aktivität Zusätzliche Befunde Asymptomatisc h bis Phänotyp der Abetalipoprotei n-ämie. Gedeihstörung, Steatorrhoe, Anämie mit Akanthhozyten, später neurologische Symptome mit Demyelinisierun g, Ataxie, Retinitis pigmentosa. Dünndarm wirkt gelblich, Lipidakkumulati on in Enterozyten. Postprandialer TG-Anstieg fehlt. Gedeihstörung, Steatorrhoe. Meist keine Akanthozytose, neurolog. Sympt. später und geringer. Dünndarm wirkt gelblich, Cholesterinester- Speicherung in Histiozyten. Hyperplastische, orangefarbene Tonsillen. Grau- gelbe Flecken der Rektumschleimha ut. Später periphere Neuropathien, syringomyelieähnl. Symptome, Hepatosplenomeg alie. Sehr variables Fehlbildungs- syndrom mit potentieller Beteiligung aller Organsysteme: u.a. IUGR, Mikrocephalie, Syndaktylie 2/3.Zeh, Leberbeteiligung (Cholestase bis leichte Transaminasenerh öhung), Hirschsprung, Pylorusstenose, Diskussion: Die FHBL kann Ursache einer Steatosis hepatis mit Transaminasenerhöhungen sein. Bei erniedrigten Werten für Cholesterin und LDL-Cholesterin sollte an die häufige FHBL gedacht werden. Die Diagnose lässt sich durch Analyse des apoB und Nachweis einer Akanthozytose erhärten, durch den Nachweis einer APOB-Gen-Mutation beweisen. Differenzialdiagnostisch müssen eine Abetalipoproteinämie (MTP-Gen) und Chylomikronen-Retentions-Krankheit (SARA2-Gen) erwogen werden. Therapie ist die Substitution fettlöslicher Vitamine, besonders Vitamin E. Die Prognose der heterozygoten Form ist gut, im Falle unseres Patienten mit 2 Mutationen und stark erniedrigtem LDL-Cholesterin offen, wobei der Vater bislang nicht beeinträchtigt ist. Literature: Tarugi P, Averna M. Hypobetalipoproteinemia: genetics, biochemistry, and clinical spectrum. Adv Clin Chem. 2011;54:81-107. Tabelle 1: Differentialdiagnostik der primären Hypocholesterinämie. (Ursachen der sekundären Hypocholesterinämien sind u.a.: Anämie, Hyperthyroidis- mus, maligne Erkrankungen, konsumierende Erkrankungen, Malabsorption bzw. Malnutrition, akute /chronische Infektion bzw. Inflammation, Medikamente) Abbildung 1: a.) Akanthozyten im peripheren Blutausstrich des Patienten. b.) Leberhistologie mit groß- und mikrovesikulärer Verfettung Abbildung 2: Amplifikation und Sequenzierung des gesamten APOB- Gens mit Exon/Intron-Übergängen (+/-20nt). Heterozygotenstatus für die Mutationen c.2300C>A (p.Ser767Tyr) und c.8216C>T (p.Pro2739Leu) im APOB-Gen. Referenzsequenz: NM_000384.2 c.2300C>A (p.Ser767Tyr) c.8216C>T (p.Pro2739Leu) 1a. 1b.

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Familiäre Hypobetalipoproteinämie als Ursache einer Hepatomegalie und Transaminasenerhöhung mit Manifestation im Säuglingsalter. Ein Fallbericht.

C. Hünseler1, A. Arnoldy1, W. Schmidt2, E. Lainka1, S. Kathemann1, and P. Gerner1

(1) Universitätskinderklinik Essen, Klinik 2, Hufelandstr. 55, 45122 Essen (2) Labor Lademannbogen MVZ GmbH, Lademannbogen 61-63, 22339 Hamburg

Einleitung: Die familiäre Hypobetalipoproteinämie (FHBL, ca. 1:1000) ist in 50% d. F. bedingt durch eine autosomal kodominant erbliche APOB-Gen-Mutation. Folge ist eine Erniedrigung des LDL-Cholesterins und/oder Apolipoproteins B (apoB) im Plasma unter die 5. Perzentile. Die FHBL in seltener homozygoter Form mit Fehlen von apoB kann schwer mit frühem Beginn im Säuglingsalter (Dystrophie, Steato-Diarrhoe, Steatosis hepatis, Retinitis pigmentosa, Ataxie) wie eine Abetalipoproteinämie oder als heterozygote Form benigne verlaufen (symptomlos bis Steatorrhoe, Steatosis hepatis).

Fallbericht: M.A. ist ein 2006 geborener Junge türkischer Abstammung weitläufig konsanguiner Eltern. Im 5. Lebensmonat wurde er auffällig mit einer Hepatomegalie mit milden Transaminasenerhöhungen. Es wurde eine vermutlich konnatale CMV-Infektion diagnostiziert, die nicht als ursächlich angesehen wurde. Der Patient wies Vierfingerfurchen, hypermotile Gelenke und eine leichte Entwicklungsverzögerung auf. Die umfangreiche weitere Abklärung blieb ergebnislos. Wir sahen den Patienten im Alter von 5 3/12 Jahren. Eine Leberhistologie zeigte eine periportale Fibrose 2° ohne signifikante Entzündung mit 100%iger Leberzellverfettung (80 % großtropfig, 20 % mikrovesikulär), laborchemisch fiel ein niedriges Cholesterin (38 mg/dl; (75-210) und LDL-Cholesterin (1 mg/dl) auf. Erst eine Akanthozytose im Blutbild führte uns zur Diagnose der FHBL. Der Apo-Lipoprotein-B-Spiegel betrug 23 mg/dl (55-140 mg/dl). Im APOB-Gen fand sich ein Heterozygotenstatus für die Mutation c.2300C>A(p.Ser767Tyr) sowie für die Mutation c.8216C>T (p.Pro2739Leu) (Referenzsequenz: NM_000384.2), Überträger beider Mutationen war der Vater. Die Therapie erfolgt mit Vitamin E 1000E alle 2 Tage.

Schlussfolgerung: Nicht nur eine Erhöhung sondern auch eine Erniedrigung des Cholesterins kann eine pathologische Bedeutung haben. Im Rahmen der Abklärung einer Hepatomegalie ± Transaminasenerhöhung ist die Erniedrigung des Gesamt- und LDL-Cholesterins hinweisend auf die Diagnose einer A- oder Hypobetalipoproteinämie, die molekulargenetisch bewiesen werden kann.

  Familiäre Hypobetalipo-proteinämie

Abetalipo-proteinämie

(Bassen-Kornzweig Syndrom)

Chylomikronen-Retentions-Erkrankung

(Anderson-Krankheit)

Tangier Erkrankung

Smith-Lemi-Opitz Syndrom

(SLOS)

Cholesterin ↓ ↓ ↓ ↓ ↓ (=)

L D L -Cholesterin

↓ bis fehlend fehlt ↓ ↓ ↓ (=)H D L -Cholesterin

↓ ↓ ↓↓ fehlt ↓ (=)Triglyceride ↓ ↓↓ n bis ↑ n bis ↑ =Pathogenese/

Genetik

Kodom.

APOB-Gen, Chr.2q21.22-27

oder

Chr. 3q21 (unbek. Genprod.)

Aut. rez.

MTP-Gen, Chr. 4q22-24

(Defekt des mikrosomalen Triglycerid- Transportproteins)

Aut. rez., Mutationen des SARA2-Gens, codiert Sar1-GTP (intrazell. Transportstörung f. Chylomikronen)

ABCA1 – Mutation, Chr. 9Q31

(ATP-binding-cassette-Transporter A1)

DHCR7, Chr. 11q13.4

7-Dehydrocholesterol-Reduktase Aktivität vermindertZ u s ä t z l i c h e

BefundeAsymptomatisch bis Phänotyp der Abetalipoprotein-ämie.

Gedeihstörung, Steatorrhoe, Anämie mit Akanthhozyten, später neurologische Symptome mit Demyelinisierung, Ataxie, Retinitis pigmentosa.

Dünndarm wirkt gelblich, Lipidakkumulation in Enterozyten.

Postprandialer TG-Anstieg fehlt.

Gedeihstörung, Steatorrhoe.

Meist keine Akanthozytose, neurolog. Sympt. später und geringer.

Dünndarm wirkt gelblich,

Cholesterinester-Speicherung in Histiozyten. Hyperplastische, orangefarbene Tonsillen. Grau-gelbe Flecken der Rektumschleimhaut. Später periphere Neuropathien, syringomyelieähnl. Symptome, Hepatosplenomegalie.

Sehr variables Fehlbildungs-syndrom mit potentieller Beteiligung aller Organsysteme: u.a. IUGR, Mikrocephalie, Syndaktylie 2/3.Zeh, Leberbeteiligung (Cholestase bis leichte Transaminasenerhöhung), Hirschsprung, Pylorusstenose, Malrotation, GÖR.

Diskussion:Die FHBL kann Ursache einer Steatosis hepatis mit Transaminasenerhöhungen sein. Bei erniedrigten Werten für Cholesterin und LDL-Cholesterin sollte an die häufige FHBL gedacht werden. Die Diagnose lässt sich durch Analyse des apoB und Nachweis einer Akanthozytose erhärten, durch den Nachweis einer APOB-Gen-Mutation beweisen. Differenzialdiagnostisch müssen eine Abetalipoproteinämie (MTP-Gen) und Chylomikronen-Retentions-Krankheit (SARA2-Gen) erwogen werden. Therapie ist die Substitution fettlöslicher Vitamine, besonders Vitamin E. Die Prognose der heterozygoten Form ist gut, im Falle unseres Patienten mit 2 Mutationen und stark erniedrigtem LDL-Cholesterin offen, wobei der Vater bislang nicht beeinträchtigt ist.

Literature: Tarugi P, Averna M. Hypobetalipoproteinemia: genetics, biochemistry, and clinical spectrum. Adv Clin Chem. 2011;54:81-107.

Tabelle 1: Differentialdiagnostik der primären Hypocholesterinämie.(Ursachen der sekundären Hypocholesterinämien sind u.a.: Anämie, Hyperthyroidis-mus, maligne Erkrankungen, konsumierende Erkrankungen, Malabsorption bzw. Malnutrition, akute /chronische Infektion bzw. Inflammation, Medikamente)

Abbildung 1: a.) Akanthozyten im peripheren Blutausstrich des Patienten. b.) Leberhistologie mit groß- und mikrovesikulärer Verfettung

Abbildung 2: Amplifikation und Sequenzierung des gesamten APOB-Gens mit Exon/Intron-Übergängen (+/-20nt). Heterozygotenstatus für die Mutationen c.2300C>A (p.Ser767Tyr) und c.8216C>T (p.Pro2739Leu) im APOB-Gen. Referenzsequenz: NM_000384.2

c.2300C>A (p.Ser767Tyr) c.8216C>T (p.Pro2739Leu)

1a. 1b.

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