3
ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Band 162. Ns 3882. I 8. Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne. Von H. Kayser. Durch die Erkenntnis der Strahlungsgesetze des schwar- Zen Korpers sind wir endlich zu einer ziernlich genauen Kenntnis der Ternperatur der Some gelangt. Fur die ubrigen Himnielskorper aber wissen wir noch so gut wie gar nichts ; man wird nur vermuten konnen, dafi die der Sonne spektral analogen Sterne auch etwa die gleiche Temperatur besitzen. In) ubrigen pflegt man anzunehrnen, dafi die weinen Sterne heifier, die farbigen Sterne kalter sind. Diese Mutmaflungen stutzen sich vornehmlich auf die grooere Helligkeit des kurz- welligen Teils der Spektren der weiDen Sterne, und auf das Auftreten von Banden in den farbigen Sternen. Wenn man auch zugeben wird, daD diese Annahrnen Wahrscheinlichkeit fur sich haben, so ist doch von einer Gewifiheit keine Rede, und namentlich hat man keine Vorstellung von der Grofie der Ternperaturunterschiede. Offenbar ist aber die Kenntnis der Temperatur der Sterne von allergrofiter Wichtigkeit fur die Astrophysik und fur unsere Einsicht in die Entwickelung des Weltalls, und so mufi jeder Versuch, ein neues Mittel zur Ternperaturbe- stirnmung zu finden, rnit Freuden begrunt werden, wenn er auf zuverlassigen physikalischen Grundlagen und exakter astronomischer Beobachtung beruht. Vor einiger Zeit hat Scheiner 1) einen solchen Versuch gemacht, bei welchern aber diese beiden Grundbedingungen vollstandig fehlen. Er behauptet, die Magnesiurnlinie 448 I trete nur im Funken auf, der sehr hohe Temperatur habe; sie sei in Sternen bestimmter Klassen sehr stark, und daher hatten diese sehr hohe Ternperatur, die er sogar bestimmt bis zu 15000 Grad angibt: Nachdem zunachst ich 2) die physikalischen Annahrnen Scheiners fur ganz falsch erklart hatte, ist durch sehr in- teressante Untersuchungen von Hartmann und Eberhard 3) dieser Ausspruch erheblich gekraftigt und erweitert worden. Es hat sich daraus eine Diskussion in dieser Zeitschrift ent- wickelt, in welcher Scheiner 4) die Versuche jener Herren als unbedeutend hinstellt und ihre Erklarungen als falsch bezeichnet; schliefllich versucht er die gauze Frage auf ein anderes Gebiet hintiber zu spielen, indern er behauptet, die Herren hatten das Kirchhoffsche Gesetz angegriffen und er musse dasselbe verteidigen, wahrend von dem Kirchhoffschen Gesetze gar keine Rede ist, sondern es sich ausschliefllich urn die Frage handelt, ob die betreffende Linie wirklich nur bei hoher Ternperatur auftritt und daher als Kennzeichen fur solche gebraucht werden kann, wie Scheiner behauptet hatte. Auch H. C. Vogel 5) hat sich an der Diskussion be- teiligt ; er hat den dankenswerten Nachweis gebracht, dafl die astronomischen Angaben Scheiners ebenso falsch sind, wie die spektroskopischen. Danach konnte eine weitere Besprechung ganz uber- flussig erscheinen, zumal, wie Vogel rnit Recht bernerkt, jeder, der sich ernsthaft rnit der Frage beschaftigt, die Unhaltbarkeit der Scheinerschen Behauptungen herausfinden wird. Wenn ich trotzdem mir erlaube, noch einiges zur Sache zu sagen, so geschieht das erstens wegen der groDen Wichtigkeit der Frage, und weil schon wiederholt der Versuch aufgetaucbt ist, aus dem Vorhandensein oder Fehlen einer bestimmten Spektrallinie Schlusse auf die Temperatur zu ziehen. Es handelt sich also bei mir nicht nur um diese eine Linie. Ein weiterer Grund ist fur mich der, daD nach Vogels Erklarung 6) Scheiners letzte Veroffentlichung den SchluD der Diskussion bilden SOH. Es ist aber nicht zu leugnen, dafl diese Ver- offentlichung sehr geschickt geschrieben ist, und durch die Digression auf das Kirchhoffsche Gesetz wohl geeignet, weniger Kundige zu tauschen. Da viele Astronomen nicht die Zeit haben, sich eingehend mit spektroskopischen Fragen zu beschaftigen, so konnte bei ihnen der Eindruck bleiben, als sei doch wenigstens etwas Recht auch auf seiten Scheiners. Diesen Eindruck mochte ich im Interesse des Fortschrittes verwischen. Ich beschranke mich dabei naturlich rein auf die sachlichen Bemerkungen Scheiners, mit den vielen anderen habe ich nichts zu tun. Scheiner geht von der Behauptung aus, die Linie 4481 trete nur im Funken, nicht im Bogen auf, sei daher eine Linie hoher Temperatur. Angenommen die Tatsache ware richtig, so ist doch gar nichts dariiber bekannt, ob wirklich die Temperatur im Funken immer oder jernals hijher ist, als irn Bogen. Man pflegt das freilich seit alter Zeit zu sagen, und schlieflt es irn wesentlichen daraus, daD bei manchen Elementen die kurzwelligen Linien im Funken- spektrum intensiver sind, als irn Bogenspektrum. Aber diese Tatsache ist noch lange kein wissenschaftlicher Beweis fur hohe Temperatur, noch weniger aber dafiir, dafl j e d e im Funken I) J. Scheiner, Sitzungsber. Berl. Akad. 1894, I, p. 257-258. H. Kayser, Handb. d. Spektroskopie, 11, p. 181. J. Hartmann u. G. Eberhard, Sitzungsber. Berl. Akad. 1903, p. 40-42; J. Hartmann ibid., p. 234-244; A. N. Nr. 3858, p. 309-316 (1903). H. C. Vogel, Astr. Nachr. Nr. 3861, p. 365-370 (1903). H. C. Vogel, Ash-. Nachr. Nr. 3874, p. 159-160 (1903). 3 J. Scheiner, Astr. Nachr. Nr. 3855, p. 263-266; Nr. 3867, p. 35-40 (1903). 19

Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne

ASTRONOMISCHE NACHRICHTEN. Band 162.

Ns 3882. I 8.

Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne. Von H. Kayser.

Durch die Erkenntnis der Strahlungsgesetze des schwar- Zen Korpers sind wir endlich zu einer ziernlich genauen Kenntnis der Ternperatur der Some gelangt. Fur die ubrigen Himnielskorper aber wissen wir noch so gut wie gar nichts ; man wird nur vermuten konnen, dafi die der Sonne spektral analogen Sterne auch etwa die gleiche Temperatur besitzen. In) ubrigen pflegt man anzunehrnen, dafi die weinen Sterne heifier, die farbigen Sterne kalter sind. Diese Mutmaflungen stutzen sich vornehmlich auf die grooere Helligkeit des kurz- welligen Teils der Spektren der weiDen Sterne, und auf das Auftreten von Banden in den farbigen Sternen. Wenn man auch zugeben wird, daD diese Annahrnen Wahrscheinlichkeit fur sich haben, so ist doch von einer Gewifiheit keine Rede, und namentlich hat man keine Vorstellung von der Grofie der Ternperaturunterschiede.

Offenbar ist aber die Kenntnis der Temperatur der Sterne von allergrofiter Wichtigkeit fur die Astrophysik und fur unsere Einsicht in die Entwickelung des Weltalls, und so mufi jeder Versuch, ein neues Mittel zur Ternperaturbe- stirnmung zu finden, rnit Freuden begrunt werden, wenn er auf zuverlassigen physikalischen Grundlagen und exakter astronomischer Beobachtung beruht.

Vor einiger Zeit hat Scheiner 1) einen solchen Versuch gemacht, bei welchern aber diese beiden Grundbedingungen vollstandig fehlen. Er behauptet, die Magnesiurnlinie 448 I

trete nur im Funken auf, der sehr hohe Temperatur habe; sie sei in Sternen bestimmter Klassen sehr stark, und daher hatten diese sehr hohe Ternperatur, die er sogar bestimmt bis zu 15000 Grad angibt:

Nachdem zunachst ich 2) die physikalischen Annahrnen Scheiners fur ganz falsch erklart hatte, ist durch sehr in- teressante Untersuchungen von Hartmann und Eberhard 3)

dieser Ausspruch erheblich gekraftigt und erweitert worden. Es hat sich daraus eine Diskussion in dieser Zeitschrift ent- wickelt, in welcher Scheiner 4) die Versuche jener Herren als unbedeutend hinstellt und ihre Erklarungen als falsch bezeichnet; schliefllich versucht er die gauze Frage auf ein anderes Gebiet hintiber zu spielen, indern er behauptet, die Herren hatten das Kirchhoffsche Gesetz angegriffen und er musse dasselbe verteidigen, wahrend von dem Kirchhoffschen Gesetze gar keine Rede ist, sondern es sich ausschliefllich

urn die Frage handelt, ob die betreffende Linie wirklich nur bei hoher Ternperatur auftritt und daher als Kennzeichen fur solche gebraucht werden kann, wie Scheiner behauptet hatte.

Auch H. C. Vogel 5) hat sich an der Diskussion be- teiligt ; er hat den dankenswerten Nachweis gebracht, dafl die astronomischen Angaben Scheiners ebenso falsch sind, wie die spektroskopischen.

Danach konnte eine weitere Besprechung ganz uber- flussig erscheinen, zumal, wie Vogel rnit Recht bernerkt, jeder, der sich ernsthaft rnit der Frage beschaftigt, die Unhaltbarkeit der Scheinerschen Behauptungen herausfinden wird. Wenn ich trotzdem mir erlaube, noch einiges zur Sache zu sagen, so geschieht das erstens wegen der groDen Wichtigkeit der Frage, und weil schon wiederholt der Versuch aufgetaucbt ist, aus dem Vorhandensein oder Fehlen einer bestimmten Spektrallinie Schlusse auf die Temperatur zu ziehen. Es handelt sich also bei mir nicht nur um diese eine Linie. Ein weiterer Grund ist fur mich der, daD nach Vogels Erklarung 6)

Scheiners letzte Veroffentlichung den SchluD der Diskussion bilden SOH. Es ist aber nicht zu leugnen, dafl diese Ver- offentlichung sehr geschickt geschrieben ist, und durch die Digression auf das Kirchhoffsche Gesetz wohl geeignet, weniger Kundige zu tauschen. Da viele Astronomen nicht die Zeit haben, sich eingehend mit spektroskopischen Fragen zu beschaftigen, so konnte bei ihnen der Eindruck bleiben, als sei doch wenigstens etwas Recht auch auf seiten Scheiners. Diesen Eindruck mochte ich im Interesse des Fortschrittes verwischen. Ich beschranke mich dabei naturlich rein auf die sachlichen Bemerkungen Scheiners, mit den vielen anderen habe ich nichts zu tun.

Scheiner geht von der Behauptung aus, die Linie 4481 trete nur im Funken, nicht im Bogen auf, sei daher eine Linie hoher Temperatur. Angenommen die Tatsache ware richtig, so ist doch gar nichts dariiber bekannt, ob wirklich die Temperatur im Funken immer oder jernals hijher ist, als irn Bogen. Man pflegt das freilich seit alter Zeit zu sagen, und schlieflt es irn wesentlichen daraus, daD bei manchen Elementen die kurzwelligen Linien im Funken- spektrum intensiver sind, als irn Bogenspektrum. Aber diese Tatsache ist noch lange kein wissenschaftlicher Beweis fur hohe Temperatur, noch weniger aber dafiir, dafl j e d e im Funken

I) J. Scheiner, Sitzungsber. Berl. Akad. 1894, I, p. 257-258. H. Kayser, Handb. d. Spektroskopie, 11, p. 181. J. Hartmann u. G. Eberhard, Sitzungsber. Berl. Akad. 1903, p. 40-42; J. Hartmann ibid., p. 234-244; A. N. Nr. 3858, p. 309-316 (1903).

H. C. Vogel, Astr. Nachr. Nr. 3861, p. 365-370 (1903). H. C. Vogel, Ash-. Nachr. Nr. 3874, p. 159-160 (1903).

3 J. Scheiner, Astr. Nachr. Nr. 3855, p. 263-266; Nr. 3867, p. 35-40 (1903).

19

Page 2: Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne

2 7 9 3882 2 8 0

erscheinende Linie hoherer Temperatur entspricht. Unsere freilich noch sehr unbestimmteQ Vorstellungen 1) iiber die Erzeugung der Schwingungen der lichtemittierenden Teilchen machen es im Gegenteil sehr wahrscheinlich, dafl die zahl- reichen Linien, welche in Funkenspektren auftreten, auf einer direkten Umwandlung von elektrischer Energie in Lichtenergie beruhen, ohne daA die Geschwindigkeit der Molekeln, d . h. die Temperatur erheblich erhoht wurde. So lange also unsere Kenntnisse iiber die Entstehung der einzelnen Spektrallinien nicht ein ganz anderes Niveau erreicht haben, sind Schliisse iiber die Temperatur, die einzelnen Linien entspr.icht, un- erlaubt, und voriaufig miissen wir sagen, sehr hohe Tempe- ratur als Bedingung ftir die F u n k e n h i e n ist hochst unwahr- scheinlich.

I m Scheinerschen Falle liegen aber die Verhaltnisse noch vie1 ungtinstiger : die Mg- Linie 448 I ist gar nicht ein- ma1 eine Funkenlinie. Das haben schon 1888 Liveing und Dewar 2) gezeigt, indem sie die Linie im Bogen zwischen Mg Stiiben kraftig erhielten. Uber die Temperatur dieses Bogens ist freilich wieder nichts bekannt; d a aber der Siede- punkt des Mg erheblich niedriger liegt, als der der Kohle, ( I I O O ~ und etwa 3500"), da ferner die Mg-Dampfe wahr- scheinlich besser leiten werden, als die C-Dampfe, so ist vermutlich die Temperatur des Mg-Bogens niedriger , als die des C-Bogens.

Inzwischen hat Schenck 3) gefunden, d a b die Linie a m dem Funkenspektrum verschwindet , wenn die Elektroden gltihend werden; dann hat Crew 4, die Linie im Bogen- spektrurn erhalten. Ferner findet Basquin 5), da13 bei dem in Wasserstoff brennenden Bogen die Intensitat aller Bogen- linien erheblich abnimmt , wahrend einige Linien starker werden. Er schlieht daraus, dafi die Temperatur des in N brennenden Bogens niedriger sei, als die des in Luft brennen- den, daB die starker werdenden Linien nicht infolge von hoher Temperatur, sondern infolge von elektrischen Vorgangen emittiert werden. Die Mg-Linie 4481 gehort zu diesen Li- nien. Dann finden Hartmann und Eberhard c), d a 9 in dem unter Wasser brennenden Bogen die Linie nicht nur auftritt, sondern die starkste des ganzen Spektrums wird. Hier scheint es vollkommen klar, dafl nicht ungewohnlich hohe Temperatur die Emission der Linie bedingen kann, sondern, daD wenn man tiberhaupt Vermutungen iiber die Temperatur aufstellen will, nur eine Herabsetzung der Temperatur an- genommen werden kann. Hartmann und Eberhard meinten diese Wirkung durch das Auftreten von Wasserstoff erklaren zu sollen, indem sie an den Versuch von Basquin ankniipfen ; mir scheint das nicht notig, die Gegenwart von Wasser und die dadurch geanderten Entladungsbedingungen geniigen.

Noch interessanter ist aber die folgende Arbeit von Hartmann'): er zeigt, daD wenn man den Bogen mit sehr kleiner Stromstarke brennen l d t , bei vielen Metallen die

Linien, die sonst im Funken besonders stark sind, erheblich gekraftigt erscheinen, darunter auch 448 I. Hier wird sicher niemand annehmen, daA durch Verringerung der Stromstarke die Temperatur des Bogens gesteigert werde, d a das gradezu widersinnig ist. Scheiner sucht freilich diesen Versuch als wertlos hinzustellen, indem er behauptet, es handle sich hier gar nicht um ein Bogenspektrum, sondern urn ein Funken- spektrum, da der Bogen rnit so schwachen Strotnen, bis zu 0 . 5 Amp., schlecht brennt, oft erlischt und neu entztindet werden muD, und d a bei jedesmaligeni Entziinden ein win- ziger Funke iibergeht, so entspreche diese Linie dem Ent- zundungsfunken. Es lohnt kaum auf solchen Einwand zu er- widern; ich mochte den sehen, der mit einem S O bis 100 Volt entsprechenden Funken Spektralaufnahmen macht. Die Schlag- weite betragt bekanntlich unter 0.01 inm. Kann man aber die Elektroden weiter entfernen, ohne dafl der Ubergang der Elektrizitat und das Licht aufhort, so hat man eben einen Bogen, und dessen Spektrum allein IaAt sich photographieren.

Fassen wir alle diese Beobachtungen zusammen, so kommen wir zu dem Resultate, daB die Linie 4481 sicher nicht an hohere Temperatur gebunden ist, sondern daA sie unter Bedingungen auftritt, wo wir eher die Temperatur als niedrig betrachten konnen. Aber auch diesen SchluB mochte ich nicht gelten lassen, sondern ich meine, das Auftreten der Linie hat tiberhaupt nichts mit der Temperatur zu tun, sondern ist durch die Art der elektrischen Entladung bedingt. Denselben SchluB haben Sir William und Lady Huggins 8)

gezogen. In den letzten Jahren sind durch Schuster, Hem- salech und andere, ich nenne noch Eginitis 9), so viele Be- obachtungen gemacht, welche zeigen, d a o unter verschiedenen Entladungsbedingungen die einzelnen Linien sich ganz ver- schieden verhalten, auftreten oder verschwinden, starker oder schwacher werden, dafl es ganz unmoglich ist, die direkte elektrische Erzeugung vieler Linien zu verkennen, wenn wir auch tiber die Mechanik des Vorganges nichts wissen.

Ich will damit natiirlich nicht sagen, dal3 diese Linien n u r durch eine bestimmte elektrische Entladung hervorge- rufen werden konnten, d a b wir also z. B. annehmen miifiten, in den Sternen, in welchen die Linien stark sind, fanden sich elektrische Entladungen der betreffenden' Art. Sondern ich glaube, dao die betreffende Schwiogungsform- durch die ver- schiedensten Mittel hervorgerufen werden kann ; nur bei den besprochenen Versuchen benutzen wir gerade die geeignete elektrische Entladung.

Wenn Scheiner sich nun als Vorkampfer far das Kirch- hoffsche Gesetz hinstellt, so ist das ganz unnotig, niemand hat es angegriffen, der Nachweis, 4481 entspreche nicht hoher Temperatur, hat mit dem Gesetze absolut nichts zu tun. Selbst wenn man, wie ich, den weiteren Schritt inacht, die Schwingungen als direkt von der elektrischen Entladung

') Siehe mein Handbuch der Spektroskopie, Bd. 11, Kap. 111. *) G. D . Liveing und J. Dewar, Proc. Roy. SOC. 44, p. 241 -252 (1888). 7 C. C. Schenk, Astrophys. Journ. 14, p. 116-135 (1901). *) H. Crew, Astrophys. Journ. 2, p. 318-320 (1895). 5, 0. H. Basquin, Astrophys. Journ. 14, p. I -16 (1901). e, J. Hartmann und G. Eberhard, Sitzungsber. Berl. Akad. 1903, p. 40-42. ') J. Hartmann, Sitzungsber. Berl. Akad. 1903, p. 234-244.

') B. Eginitis, C. R. 136, p. 963-964 (1903). Sir William and Lady Huggins, Astrophys. Journ. 17, p. 145- 146 (1903).

Page 3: Zur Bestimmung der Temperatur der Sterne

28 I 3882 282

hervorgerufen zu betrachten, kann das Gesetz von der Pro- portionalitat der Emission und Absorption gelten.

Wenn somit der Schlufl unvermeidlich ist, dafl es un- moglich ist, aus der Intensitat der Linie 4481 oder irgend einer anderen einen Aufschlufl uber die Temperatur d e r Sterne zu erhalten, so driingt sich 'die Frage auf, ob wir keinen anderen Weg zur Losung dieser Aufgabe haben. Ich glaube doch. Es scheinen rnir zwei Wege offen zu stehen: der eine beruht auf den1 von Paschen gefundenen und auch theoretisch bewiesenen Gesetze, dafl in dem Spektrum eines festen Korpers das Produkt aus der absoluten Temperatur des Korpers und der Wellenlange des Intensitatsrnaximums eine Konstante sei. Dieser Weg, der zur Bestimmung der Sonnenteniperatur gefuhrt hat und vor kurzem von Harkanyi auch auf Sterne angewandt worden ist, hat freilich noch viele Schwierigkeiten und Bedenken gegen sich, ist aber nicht aussichtslos. Ein zweiter Weg scheint mir der zu sein, dao man die Intensitatsverteilung in einer Lichtserie, z. B. der des Wasserstoffs, mint.

Stokes 1) hat zuerst die Vermutung ausgesprochen, daD in einem Linienspektrum mit steigender Temperatur die Helligkeit der kurzeren R relativ wachsen wiirde. Das hake ich nicht fur richtig fur das ganze Spektrum, wohl aber fur moglich fur eine einzelne Linienserie; denn eine soiche wird jedenfalls von einem und demselben Teilchen emittiert, das ganze Spektrum wahrscheinlich von verschiedenen, deren Anzahl in dem Dampfe rnit der Temperatur erheblich vari- ieren kann. Bei einer Dampfschicht von unendlicher Dicke mussen, wie es scheint, die Linien einer Serie die gleiche

Bonn, 1903 Juni 19.

Intensitat haben, die im Spektrum eines schwarzen Korpers von derselben Temperatur a n den gleichen Stellen vorhandens ware, und dann muflte das Intensititsmaximum rnit der 'Tern- peratur wandern. Es ist wahrscheinlich, dafl auch fur Schichten von endlicher Dicke Bhnliches gelten mufl.

Nach diesen oberlegungen habe ich vor kurzem durch Herrn Langenbach 2) eine Untersuchung vornehmen lassen, o b sich im Linienspektrum des H, He, Li eine Anderung der Energieverteilung nachweisen l d t . Das ist der Fall, und es sieht so aus, als ob mit steigender Temperatur wirklich die Energie der kurzeren Wellen schneller wachst. Ich sage, es sieht so aus, weil wir leider die Temperatur in Geifller- schen Rohren nicht messen konnen, es aber doch wahrschein- lich ist, daD mit dern Steigen des Entladungspotentials und der Stromstarke die Temperatur wlchst. Die Arbeit war nur ein erster Versuch auf diesem schwierigen Gebiete ; ich glaube aber, d a 9 die Frage im Laboratorium vie1 exakter wird be- antwortet werden konnen, und es scheint mir auch nicht unmoglich, daD man in Sternspektren die relative Energie in einzelnen Linien wird bestimmen konnen. Freilich nicht durch direkte bolometrische Messung, sondern photometrisch oder photographisch. Das wird viele unsichere Korrekturen bedingen, die Ergebnisse werden nicht sehr genau sein, aber wenn wir auch nur bis auf 1000 oder 2 0 0 0 Grad die Tem- peratur von einigen besonders hellen Sternen kennen, ware damit ein grofler Fortschritt gemacht. D a b auch in Himmels- korpern solche Unterschiede der relativen Intensitat vor- kommeo, hat Campbell gezeigt.

H Kayser.

l) G. G. Stokes bei J. N. Lockyer, Proc. Roy. SOC. 24, p. 352-354 (1876). K. Langenbach, Inang. Dissert. Bonn 1902, auch Drudes Ann. 10, p. 789-815 (1903). Ich werde an anderer Stelle ausfiihrlicher auf

die Beobachtungsergebnisse eingehen.

A photographic map of the entire sky. (Auszug a u s d e m H a r v a r d C o l l e g

T h e collection of photographs at the Harvard College Observatory contains, in addition to the plates taken with the larger instruments, numerous photographs taken with two small anastigmatic lenses, each having an aperture of one inch, and a focal length of about thirteen inches. A region of more than thirty degrees square is covered by a single eight by ten inch plate. With exposures of one hour, stars as faint as the twelfth magnitude are, in some cases, ob- tained. Owing t o the scale of the plates, identification of the individual stars would become difficult if, by using longer exposures, the number of stars were increased. One of these lenses is mounted at Cambridge, and is used principally for the northern stars. The other is similarly used for the southern stars at Arequipa. At each station two sets of photographs have been taken, the first having centres in declinations o", 30°, 60° and goo, and the second in declinations iso, 45" and 75", the centres of the second set coinciding as nearly as possible with the corners of the first. An attempt is made

O b s e r v a t o r y C i r c u l a r No. 71) *).

to cover all parts of the sky, not too near the Sun, a t least twice each month, once with each set. These photographs have proved unexpectedly useful here for determining the past as well as the present changes in light of variable stars, new stars, and similar objects. See Circular No. 6 9 (A.N. 3849, 3855) and elsewhere. Of course, the small scale diminishes their value for measuring positions, although the minuteness of the images in part compensates for this difficulty.

T h e amount of useful material contained in these plates is so great that we are able to extract but a small portion of it, although an appropriation from the Carnegie Institution has, this year, permitted a great increase to be made. Various plans have been considered for placing copies of the pho- tographs thus collected within the reach of astronomers. I t was at first proposed t o print a series of engravings on the same scale as the charts of the Durchmusterung. Numerous difficulties presented themselves, especially if an attempt was made to engrave the parallels and meridians upon the charts.

*) Die Bernerkungen zu dern Plattenkataloge, welche im wesentlichen eine Aufzalilung der auf den Platten befindlichen interessanten Himuielsobjekte enthalten, sind hier meggelassen worden. Kr.

19%