17
Heft 1 J 79 1973 J. Orn. 114, 1973: S. 79--95 Aus dcm Max-Planck[Institut fiir Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfzell Zur Biologic von Sylvia sarda balearica und S. melanocephala l) Von Peter und Helde Berthold 1. Einfiihrung Im Rahmen des Grasm[icken-Programms unseres Instituts (Vogelwarte 24, 1968, 320--323) bezogen wir auch mediterrane Sylvia-Arten mit wenig ausgepr~gtem Zug- verhalten in unsere vorwiegend physiologischen und/Skologischen Untersuchungen ein. Bei der Beschaffung yon Versuchsv~Sgeln der Sardengrasmiicke (Sylvia sarda, Abb.) auf Formentera (Pityusen) konnten wir yon dieser bisher wenig untersuchten Art zuf~llig und gezielt Daten fiber Verbreitung, Brutbiologie, Siedlungsdichte und Ver- halten sammeln. Teilweise konnten wir auch entsprechende Daten yon der Samtkopf- grasm[icke (Sylvia melanocephala) ermitteln. Diese im Freiland gesammelten Daten 1) 8. Mitteilung aus dem Grasmiickenprogramm des Instituts. Sylvia sarda, (~ handaufgezogen, in der Voliere aufgenommen yon K. WOSXrNBZRG. -- S. sarda- ~, handraised, photographed by K. W/SSTr~ERG in an aviary.

Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

  • Upload
    peter

  • View
    218

  • Download
    4

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft 1 J 79 1973

J. Orn. 114, 1973: S. 79 - -95

Aus dcm Max-Planck[Institut fiir Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfzell

Zur Biologic von Sylvia sarda balearica und S. melanocephala l)

Von Peter und Helde Berthold

1. Einfiihrung

Im Rahmen des Grasm[icken-Programms unseres Instituts (Vogelwarte 24, 1968, 320--323) bezogen wir auch mediterrane Sylvia-Arten mit wenig ausgepr~gtem Zug- verhalten in unsere vorwiegend physiologischen und/Skologischen Untersuchungen ein. Bei der Beschaffung yon Versuchsv~Sgeln der Sardengrasmiicke (Sylvia sarda, Abb.) auf Formentera (Pityusen) konnten wir yon dieser bisher wenig untersuchten Art zuf~llig und gezielt Daten fiber Verbreitung, Brutbiologie, Siedlungsdichte und Ver- halten sammeln. Teilweise konnten wir auch entsprechende Daten yon der Samtkopf- grasm[icke (Sylvia melanocephala) ermitteln. Diese im Freiland gesammelten Daten

1) 8. Mitteilung aus dem Grasmiickenprogramm des Instituts.

Sylvia sarda, (~ handaufgezogen, in der Voliere aufgenommen yon K. WOSXrNBZRG. - - S. sarda- ~ , handraised, photographed by K. W/SSTr~ERG in an aviary.

Page 2: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

80 P. und H. BERTHOLD [J.O~n.

der beiden Arten werden hier mitgeteilt. Da unsere Daten yon melanoeephaIa relativ sp~irllch sind, wird auch die Literatur fiber die Samtkopfgrasmficke wenlger umfassend beriicksichtlgt als bei der Sardengrasmiicke.

2. Untersuchungsraum, Untersuchungszeit und Methodik Als Untersuchungsgebiet diente zur Brutzeit die westliche H~lfte der Insel Formentera, ost-

wiirts bis zur Erhebung des Catala, im Winter die gesamte Insel Formentera sowie Teile yon Ibiza. Die Untersuchungen erstreckten sich in der Brutzeit yore 8. bis 22. April und vom 6. bis 13. Mai 1971, im Winter yore 13. bis 21. Januar 1972. Zum Auffinden der Nester yon sarda durchsuchten wlr mehrere Quadratkilometer geeigneten Gel~indes unter Berficksichtigung aller Biotope Busch fiir Busch grfindlich, nachdem sich gezeigt hatte, daf~ das Beobachten der Alt- vSgel nur unter erheblichem Zeitaufwand zum Auffinden der Nester ffihrte (3.3.3.).

Wir w~ihlten ffir unsere Untersuchungen die Insel Formentera, da uns Dr. J. CLAS~N, Heide fiber Siegburg, ffir diese Insel wertvolle Angaben fiber Vorkommen und Verbreitung yon S. sarda machen konnte, woffir wir ihm auch an dieser Stelle danken. Herrn J. BUCI~RT, MSggingen, danken wit fiir die unermfidliche Hilfe bei der Nestersuche und Herrn R. S~K, Aglasterhausen, ffir die Mitteilung yon brutbiologischen Daten yon Sylvia atricapilla.

3. Ergebnisse und ihre kurze ErSrterung

3.1. V e r b r e i t u n g u n d L e b e n s r a u m

S. sarda und S. melanocephala sind fiber die gesamte Insel Formentera verbreitet, soweit sie mit Macchia, Kiefernwald (Pinus halepensis) oder Zypressen-Best~inden (Cupressus sempervirens) bewachsen ist. Auch kleine, zwischen den H~iusern und Fel- dern eingestreute Waldfl~ichen, Zypressen- und Wacholderbesfiinde (Juniperus oxy- cedrus), zum Beispiel bei Ca 'n Plate, werden yon beiden Arten besiedelt. Beide Arten kommen yon der hSchsten Erhebung der Insel, La Mola (192 m fiber NN) , bis un- mittelbar zur Meereskiiste bin vor (z. B.: Gebiet bei Reco del Alga). Sie bewohnen dabei sowohl Bergh~inge als auch Ebenen, w~ihrend HANSMANN (1857) und H~NxIcI (1926 a) sarda nur an Bergh~ingen fanden. Sarda und melanocephala leben und brfiten auf Formentera fast ausschlief~lich in demselben Lebensraum. Lediglich in den ausge- dehnten niedrigen Rosmarin-Best~inden (Rosmarinus o]ficinalis) auf Es Pla del Rey trafen wir nur sarda an, die hier auch nistet (ein Nestfund), in den Hausg~irten yon San Francisco Javier hingegen nur melanocepbala. MESTEV, (1971) beobachtete einige Paare yon sarda auch in yon mit Binsen (Juncus) durchsetzten Quellerbest~nden (Salicornia).

Der am dichtesten von sarda besiedelte Biotop auf Formentera (3.4.) ist eine mit Aleppo-Kiefern durchstreute lichte Macchia, die neben Gruppen yon Juniperus oxy- cedrus, Cupressus sempemirens, Cistus spec. und Erica arborea viele gebfischfreie mit Gras, Orchideen u .a . bewachsene, vielfach steinige Fl~ichen enth~ilt. Melanocepbala wird dagegen zur Brutzeit auf Formentera vornehmlich in dichterer Vegetation angetroffen, zum Beispiel da, wo Zypressen sehr dichte Best~nde bilden, wo die Aleppo-Kiefern zu einem nahezu geschlossenen Wald zusammenriicken (z. B. im Ge- bier von Ca 'n Marti) oder wo in kfistennahen schluchtartigen Torrenten, zum Beispiel sfidlich yon Punta Aguila, Wacholder, Baum-Erika u.a . hoch aufschiei~end Dickichte bilden.

Page 3: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft19731] Biologie yon Sylvia sarda und melanocephaIa 81

3.2. J a h r e s a u f e n t h a l t

In der Literatur wird sarda einerseits, zum Teil im gesamten Brutgebiet und all- gemein, als Standvogel bezeichnet (z.B. HANSMANN 1857, MUNN 1924, HENRICI 1926 a, v. JO•I)ANS 1928, F~GUSoN-LEEs 1955, BEi~mS et al. 1958, TATO CUttING 1971, STEINBACH~R & WOLTEi~S 1971), andererseits wird iiber regelmiiisige, wenn auch geringe oder nut vereinzelte Wintervorkommen der Art in Algerien, Tunesien, Tri- politanien, Italien, Marokko und Agypten sowie auf Sizilien und Malta berichtet (z. B. Voous 1960, HEIM DE BALSAC & MAYAUD 1962, GI~ROUDET 1963, V. VIETING- HOFF-ScHEEL 1967, WILLIAMSON 1968, I-IAI~I~ISON 1970). Die VSgel, die sich yon Ok- tober bis M~irz in N-Afrika, zum Teil bis in den nSrdlichsten Oasen der Sahara, aufhalten, sind wahrscheinlich l~berwinterer, die yon Mittelmeerinseln stammen, da die Art bisher auf dem Festland von N-Afrika nicht briitend festgestellt wurde. Ge- tinge Brutvorkommen gibt es jedoch auf der unmittelbar vor der Kiiste Tunesiens gelegenen Insel Zembra (CANTOm 1963, H~.IM DE BALSAC & MAYAUD 1962). 13ber die genaue Herkunft der nordafrikanischen L~berwinterer kann vorl~iufig nichts Ge- sichertes ausgesagt werden.

Fiir unsere physiologischen Untersuchungen, fiber die an anderer Stelle berichtet ~¢erden wird, war es erforderlich festzustellen, inwieweit sarda auf Formentera Stand- ¢ogel ist. Wir suchten daher im Januar 1972 auf Formentera alle Reviere auf, in denen wir zur Brutzeit 1971 Sardengrasmiickenpaare beobachtet oder sogar Nester yon sarda gefunden hatten (3.3.1., 3.4.). Auflerdem suchten wir die gesamte Insel Formentera, sowie einige Teile yon Ibiza (Sierra des Musols, S. de S. Jose, S. de Cala Moll, den Juanot sowie die WElder siidlich yon Portinatx) nach sarda ab, um zu priifen, inwieweit die Verbreitungsdichte im Winter der zur Brutzeit ermittelten ent- spricht. Es ergab sich, daiS die Sardengrasmiicke auf Formentera im Winter in allen ,,Revieren" anwesend war, in denen wit sie in der vorangegangenen Brutzeit festge- stellt batten, und zwar meist paarweise (3.5.4.). Die winterliche Verbreitungsdichte auf Ibiza und in den Gebieten Formenteras, die wir zur Brutzeit 1971 nicht unter- sucht hatten, entsprach der Dichte der zur Brutzeit untersuchten und im Winter kon- trollierten Gebiete. In dicht besiedelten Biotopen (3.1.) trafen wit sowohl auf For- mentera als auch auf Ibiza beim Durchstreifen der Macchia stets sp~itestens nach wenigen hundert Metern neue sarda an. Auf Ibiza beobachteten wir die Art am 20. Januar 1972 sogar auf dem hSchsten Berg der Insel, dem 475 m hohen Atalayasa; es sangen dort unmittelbar unter dem Gipfel zwei (~. Da sarda im Winter auch auf Korsika und den Balearen verbreitet ist (z. B. JOURDAIN 1911, BERNIS et al. 1958) und Zuzug yon der Iberischen Halbinsel und aus S-Frankreich nicht ins Gewicht fallen kann (da die Art dort nur vereinzelt beobachtet wird und, wenn iiberhaupt, nur in wenigen Paaren briitet, z. B. Pozo LOWA 1953, ROLFE 1964, II~IBAV.REN 1966, TATO 1968, SEI~RT 1970, MEDINA 1972), handelt es sich bei den auf Formentera und Ibiza iiberwinternden V/Sgeln zweifellos um die V6gel der Brutpopulation. Demnach ist sarda auf Formentera und Ibiza, zumindest im wesentlichen, Jahresvogel. Dafiir spricht vor allem auch unsere Feststellung, daiS sich die zur Brutzeit und im Winter beobachtete Dichte der Art weitgehend entspricht.

Page 4: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

82 P. und H. BngTHOLD [ J. Orn. I 114

DaB wir in allen zur Brutzeit benutzten Revieren yon sarda auch im Winter regel- m~i~ig Sardengrasm~icken-Paare antrafen, spricht sehr dafiir, dab die Art ganzj~ihrig dieselben Territorien bewohnt. Diese Ansicht ~u~erte HANSMANN (1857) bereits fiir sarda auf Sardinien.

Auch melanocephala ist im Winter h~iufig auf Formentera und Ibiza anzutreffen, unserem Eindruck nach sogar hiiufiger als im Sommer, woraus wir auf Zuzug yon n~Srdlich gelegenen Brutgebieten schliei~en. Daf~ melanocephala teilweise zieht, ist be- kannt (z. B. H•IM DE BALSAC & MAYAUI) 1962, LA'rH~Ul~C 1970). Sie durchquert bis- weilen sogar die Sahara (HELM Dn BALSAC & M.~YAUI) 1962, GASTON 1970) und taucht umherstreifend in Mittel- und N-Europa auf (z. B. PET~RSON et al. 1963, D~NNIS 1967).

3.3. B r u t b i o l o g i s c h e D a t e n

3.3.1. N e s t s t a n d o r t

Gf~Roui)~v (1963) gibt ftir die H6he des Nestes i~ber dem Boden fiir sarda 30--100 cm, ftir melanocephala 60--200 cm an, STEINBACHER & WOLTERS (1971) nennen fllr melanocepha!a 30--120 era, F~RGUSoN-LEEs (1960) gibt 75--180 cm an. v. JORDANS (1928), H~NR~CI (1926 a) und M~sTel~ (1971) beschreiben Nester yon sarda in 50 beziehungsweise 30 cm H6he iiber dem Boden; eine NesthShe yon 30 cm nennt auch HARRISON (1970) fiir die Art. M u ~ (1926) beschreibt 3 sarda-Nester zwischen 15 und 60 cm H/She i~ber dem Boden. S~mFATV (1954) fand ein melanocephala-Nest ungefiihr 50 cm hoch fiber dem Boden.

Bei 19 yon uns untersuchten Nestern yon sarda betrug die durchschnittliche HShe fiber dem Boden 65 + 29,0 (32--125)cm, bei 10 Nestern yon meIanocephala 86 + 35,7 (35--160)cm. Der Unterschied ist nicht signifikant. 2) Die durchschnittliche Gesamth~She der Neststriiucher war 137 + 95,9 (73--450) cm beziehungsweise 186 + 92,0 (95--400)cm. Dieser Unterschied ist ebenfalls nicht signifikant. Von den sarda-Nestern befanden sich 13 in Juniperus oxycedrus, 5 in Rosmarinus officinalis und eines in Erica arborea, yon den melanocephala-Nestern hingegen 6 in Cupressus sempervirens, 2 in Juniperus oxycedrus und je eines ~n Erica arborea und in Pistacia spec. Als Niststrauch iiberwog somit bei sarda in hohem Mal~e Juniperus, bei melano- cephala Cupressus. Als weitere Niststr~iucher werden in der Literatur fiir sarda As- paragus, Chamaerops, Myrtus, Pistacia und Salicornia (HANSMANN 1857, V. JOr, DANS 1924, 1928, I-t~NRICI 1926 a, MuNN 1926, M~sT~R 1971) genannt, ftir melanocephala eine Reihe weiterer Str~iueher (z. B. STm~vAa'~ 1954). In diesem Zusammenhang ist interessant, daf~ sarda im Herbst auf Sardinien - - wie auf Formentera zur Brutzeit - - neben Ericaceen Juniperus zu bevorzugen scheint (DI~sS~I~HOI~ST 1971).

Die unmittelbare Umgebung des Niststrauches war bei sarda in 15 yon uns unter- suchten F~illen nicht yon h~Sherer Vegetation ums~iumt oder iiberdacht, das heif~t, der Niststrauch stand relativ frei. Nur in 4 Fiillen befand sich der Niststrauch unmittel- bar neben Aleppo-Kiefern, deren Aste in 2 Fiillen den Niststrauch iiberdachten. Bei melanoeephala stand nut ein Niststrauch relativ frei, die iibrigen wurden yon hohen Aleppo-Kiefern, Erika-Biischen oder Zypressen ges~iumt oder iiberdacht.

e) Unterschiede wurden, je nachdem, ob Normalverteilung vorlag oder nicht, mit dem t-Test bzw. U-Test auf ihre statistische Signifikanz gepriift.

Page 5: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft197311 Biologie yon Sylvia sarda und melanocephala 83

4 Nester yon melanocephala, die wir 1971 in S-Frankreich in der Garrigue yon Santa F6 fanden, standen mit 2 real 20 cm und 2 mal 25 cm (in Quercus ilex und Rosmarinus officinalis) im Vergleich zu den Nestern auf Formentera sehr niedrig. In der genannten Garrigue briitet melanocephala im Vergleich zur dort vorkommenden Sylvia undata mehr innerhalb hSherer und dichterer Vegetation (Phillyrea, Quercus ilex), undata mehr in den niedrigeren Best~inden yon Rosmarinus officinalis und Quercus coccifera (BLoNDe~ 1970 b und eigene Beobachtungen). Undata verh~ilt sich somit, was den Brutbiotop betrifft, in Santa F6 in Beziehung zu melanocephala ~ihn- lich wie sarda auf Formentera.

3.3.2. N e s t m a t ~ e

Nach HENRICI (1926 a) sind die Nester yon sarda und melanocephala ,,auf den ersten Blick" zu untersdaeiden, da das Nest yon melanocephala dem ,,allgemeinen Typ der Sylvien-Nester" gleicht, das Nest yon sarda durch seinen festen, soliden Bau ,,nicht wie ein Grasm[ickennest" aussehen soll. Wit hatten bis zum Ende unserer brut- biologischen Untersuchungen auf Formentera Schwierigkeiten, die im Vergleich zu Nestern yon S. atricapilla und S. borin sehr dickwandigen und solid gebauten Nester yon sarda und melanocephala nur vom Ansehen her sicher anzusprechen, tn zwei F~illen verleiteten uns sogar singende sarda-d~ in unmittelbarer N~ihe yon frisch ge- fundenen Nestern dazu, die Nester auch nach eingehender Betrachtung als sarda- Nester anzusprechen, bis wit auf diesen Nestern nach einiger Zeit melanocephala bri~tend antrafen. Wir vermaiSen daraufhin die Nester beider Arten, um zu prilfen, ob unterschiedliche Nestmai~e die Bestimmung der Nester erleichtern. Die Maf~e, die H~NRICI (1926 b), G~ROUDUT (1963) und F~R~USON-Lu~s (1960) angeben (sarda: ,,~iul~erer" Durchmesser 6--8 cm, ,,innerer" Durchmesser 4,5 cm, NesthShe 6--7 cm; melanocephala: ,,~iuf~erer" Durchmesser 10,5 cm, ,,innerer" Durchmesser 5,5 bezie- hungsweise tiber 5 cm, Nesth/She 7 cm), deuten bereits UnterscheidungsmSglichkeiten auf Grund der Nestmaf~e an.

Der durchschnittliche Nestdurchmesser betrug bei 18 yon uns untersuchten Nestern yon sarda 8,3 + 0,75 (7,5--9,5)cm, bei 9 Nestern yon melanocephala 9,4 + 0,83 (8--10,5) cm (p < 0,01), der durchschnittliche Durchmesser der Nestmulde 4,8 + 0,26 (4,5--5,5)cm beziehungsweise 5,5 + 0,19 (5--5,75)cm (p < 0,001), nnd die durchschnittliche Nesth/She war 7,0 + 0,46 (6--7,5)cm beziehungsweise 7,1 + 0,35 (6,5--7,5) cm. Somit sind Nesth~She und ~iuf~erer Nestdurchmesser nicht beziehungs- weise wenig zur Unterscheidung der Nester beider Arten geeignet; der Durchmesser der Nestmulde hingegen, bei dem wir nur in zwei F~illen Uberschneidungen beobachtet haben, erm/Sglicht in der Regel eine zuverl~ssige Bestimmung der Art.

3.3.3. N i s t m a t e r i a l u n d N e s t b a u

Die Nester beider Arten werden fast ausschlief~lich aus abgestorbenen, mindestens vorj~ihrigen Grashalmen, Bl~ittern und Rindenstiicken vom Rosmarin, Schafwolle u. a. gebaut. In den W~inden der Nester finder man h~iufig einige gr[ine Gras- und Ros- marinbl~itter. Ein bezeichnender Unterschied zwischen beiden Arten besteht darin,

Page 6: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

iJ.Orn. 84 P. und H. BERTHOLD [ 114

dag sarda den Nestboden regelm~igig mit vorj~ihrigen und diesj~ihrigen Ahren des Grases Lagurus ovatus auspolstert, melanocephala hingegen selten (nut eine Beob- achtung).

Nach HARRISON (1970) soll bei sarda das $ i m wesentlichen, m~iglicherweise allein, das Nest bauen. Wir konnten in zwei F~llen aus nut wenigen Metern Entfernung beide Partner beim Nestbau beobachten, und zwar sowohl beim Herantragen und Einbauen yon Nistmaterial als auch beim Strampeln der Nestmulde.

Der Nestbau zieht sich fiber lange Zeit hin. Einen frischen Nestanfang - - wenige in einem Wacholderbusch verankerte Halme - - fanden wir yon einem Paar am 14. April. Am 19. April war der ~ugere durchsichtige Nestboden fertig, am 21. April waren die W~inde locker hochgezogen, am 6. Mai wurde das Nest noch ausgepolstert, und am 9. Mai wurde das erste Ei gelegt. Die Nestbauzeit betrug somit 31/2 Wochen. Dem langsamen Fortschritt im Nestbau nach, den wit auch bei anderen sarda-Paaren bei Nestkontrollen beobachteten, darfte sarda ~ zumindest bei friihen Bruten - - allgemein eine mehrw~Schige Nestbauzeit haben. Bei melanocephala konnten wir bei einem Paar eine Nestbaudauer yon ungef~ihr 14 Tagen ermitteln (11. April: fort- geschrittener Nestanfang, der auf bereits mehrt~gige Baut~itigkeit schliet~en liefl, dann Nestbaut~itigkeit bis 21. April, 22. April: Nest fertig und ausgepolstert).

Wit beobachteten bei 6 Paaren yon sarda, die wir regelm~gig kontrollierten, Nest- bau nut zwischen 10 Uhr und 12.30 Uhr. Nachmittags konnten wir vor der Eiablage keine V~Sgel bauend am Nest feststetlen.

Interessant war zu beobachten, wie es zum Einbau yon Schafwolle in die Nester yon sarda kam. In zwei F~illen verfolgten wir ein sarda-Paar, das sich auf Nahrungs- suche in der niedrigen Vegetation und auf dem Boden hiipfend durch das ausgedehnte Revier bewegte. Pl~Stzlich entdeckte ein Vogel am Ast eines Rosmarinbusches etwas Schafwolte, worauf er sie loszerrte und schnell hintereinander lockte. Dann flog er direkt, yore Partner' gefolgt, mit der Wolle zum Nest. In beiden F~illen konnten wir durch schnelles Verfolgen der VSgel das Nest finden. In einem Falle betrug die Strecke yon dem Platz, an dem die Schafwolle gefunden wurde, his zum Nest reichlich 100 Me- ter, im anderen Falle etwa 40 Meter. Nach diesen Beobachtungen ist anzunehmen, dat~ geeignetes und sicherlich oft nicht leicht zu findendes Auspolstermaterial fiir das Nest nicht mit grogem Zeit- und Kraftaufwand gezielt gesucht wird, sondern bei zuf~illigem Finden Nestbautrieb ausl6st und dann gesammelt und verwendet wird. Auf ~ihnliche Weise kommt es m~iglicherweise zum Beispiel zur Auspolsterung yon Parus-Nestem mit Rehhaaren und zur Auspolsterung yon Passer-Nestern mit Federn.

Die durchgehende Beobachtung yon sarda-Paaren bew~ihrte sich jedoch ni&t zum Nestauffinden, wie wir nach den soeben geschilderten Beoba&tungen zun~ichst dach- ten, da die V~igel oft w~ihrend mehrerer Stunden nicht zum Nest flogen und da wir nur vormittags Nestbaut~itigkeit beoba&ten konnten (s. o.).

Nach FERCUSoN-Lr~s (1955) baut sarda Spielnester. Wir fanden nur einmal einen sehr lockeren Nestanfang yon sarda, an dem ein d baute und an dem sp~iter nicht weiter gebaut wurde. W~ihrend der Vogel baute, konnten wir keinen Partner beob-

Page 7: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft 11 Biologie yon Sylvia sarda und melanocephala 85 1973 J

achten. Ob es sich bei dem beschriebenen Nest um ein Spielnest oder um einen sp~iter aufgegebenen Nestanfang handelte, bleibt often.

3.3.4. L e g e b e g i n n

Nach Angaben in der Literatur beginnt die Eiablage bei sarda Ende M~irz bis April (HANSMANN 1857, HENRICI 1926 a, G~ROUDET 1963, HARRISON 1970, STEINBACHER & WOLTERS 1971). Ftir melanocephala wird fiir Spanien und Korsika der Legebegin n fiir Mitre Miirz bis Anfang April angegeben (FERGUSON-LEEs 1960, G~ROUDET 1963, STEINBACHER & WOLTERS 1971). V. HOMEYER (1862) beobachtete am 10. Mai eine fliigge sarda, HENRICI (1926 a) land am 3. Mai das erste sarda-Nest mit stark be- briiteten Eiern, und v. JORDANS (1928) sah am 5. Mai fliigge sarda.

Wit konnten yon 8 sarda-Paaren, deren Nester wit bereits im Bau fanden, die Legebeginne feststellen. Die V~Sgel legten am 16. April (1 9), 20. April (3 9), 21. April (3 9) und am 9. Mai (1 9) jeweils das erste El. Bei der Samtkopfgrasmiicke stellten wir nur einen Legebeginn - - 19. April - - lest. Von dem Zeitpunkt an, zu dem das Nest fertig und ausgepolstert war, verstrichen bei 7 sarda-Paaren bis zur Ablage des ersten Eies noch durchschnittlich mindestens 6 Tage. F.ine ~ihnlich grofte Zeitspanne bis zur Eiablage, nachdem das Nest fertiggebaut und ausgepolstert war - - n~imlich yon 4--5 Tagen -- , beobachteten wit 1970 in S-Frankreich, in der Garrigue yon Santa F6, bei 5 Brutpaaren yon Sylvia cantiUans. Der zeitliche Abstand zwischen Fertigstellung des Nestes und Beginn der Eiablage ist zumindest bei sarda oftenbar gr/Sfter als bei Sylvia-Arten in Mitteleuropa (z. B. SIEFIIE 1962).

3.3.5. G e l e g e s t i i r k e

Die Gelegestiirke yon sarda wird am hiiufigsten mit 3 - '4 Eiern (z. B. JOURDAIN 1911:1 mal 4 Eier, HENRICI 1926 a: 3 real 3, 1 mal 4 Eier und, nach Daten yon POLATZEK: 2real 3 und lmal 4 Eier), aber auch mit mehr F.iern (HANSMANN 1857, GI~ROUDET 1963, STEINBACHER ~ WOLTERS 1971: bis zu 5Eier , HARRISON 1970: 4--6 Eier) angegeben. V. JORDANS (1924) berichtet yon einem sarda-Nest mit 5 frisch geschliipften Jungen. Fiir melanocephala belaufen sich die Angaben auf 3--5 Eier (z. B. HENRICI 1926 b, FrRGUSON-Lrrs 1960, GI~ROUDET 1963, STEINBACHER ~x~ WOL- TERS 1971).

Die Gelegest~irke, die wit an 15 sarda-Gelegen ermittelten, betrug durchschnittlich 2,8 Eier. Im einzelnen stellten wir 3 mal 2 und 12 real 3 Eier lest. Die Gelegestiirke liegt somit ganz erheblich unter den Angaben in der Literatur und ist im Vergleich zu in Mitteleuropa lebenden Sylvia-Arten (z. B. GLUTZ v. BL*TZHEIM 1964) sehr ~iedrig. Da die Literaturangaben zum Teil yon V~geln der yon uns untersuchten Population entstammen, n~imlich yon Formentera, halten wir es £iir m~Sglich, daft bei friiheren Beobachtungen gelegentlich melanocephala-Nester fiir sarda-Nester gehalten wurden. Diese Annahme gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daft wit zweimal singende sarda-~ in unmittelbarer N~ihe yon melanocephala-Nestern beobachteten (3.3.2.), daft die Nester beider Arten nicht leicht zu unterscheiden sind (3.3.2.) und daft die Eier beider Arten im Feld, wenn iiberhaupt, nur sehr schwer zu unterscheiden sind (HENRICI 1926 a).

Page 8: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

[ J. Orn. 86 P. und H. BERTI~OLD [ 114

Bei melanocephala stellten wit bei 5 Vollgelegen eine durchschnittliche Gelege- st~irke yon 3,6 (2 real 3, 3 mal 4) Eiern lest, die den Literaturangaben entspricht.

3.3.6. B r u t d a u e r u n d B e b r i i t u n g

Als Brutdauer werden ftir sarda 12--14 Tage angegeben (ST~INBACHEr, & WOLTERS 1971). Wit stellten an 4 Bruten 1 real 14 und 3 real 15 Tage als Brutdauer lest. Nach unseren - - sich allerdings nicht tiber den ganzen Tag erstreckenden - - Beobachtungen am Nest beginnt die Bebrtitung erst, nachdem das letzte Ei gelegt wurde. Wir haben ferner den Eindruck, dai~ 6 und ~ das Gelege .bebrtiten. Ein sicheres Ansprechen der relativ dunkleren c~ auf dem Nest ist jedoch sehr schwierig, da die Nester in der Regel nicht gut einzusehen sind und da die briitenden V/Sgel so tier in der Nestmulde sitzen, daf~ h~ufig nur Schwanz und Schnabelspitze i~ber den Nestrand herausragen.

Von melanocephala konnten wir die Brutdauer nicht ermitteln.

3.3.7. S c h l t i p f r a t e

Aus 5 sarda-Gelegen mit 3 Eiern schltipften 2 real 3 und 2 real 2 Junge und einmal nur ein Junges. Aus einem 2er-Gelege gingen 2 Junge hervor. Die durchschnittliche Schltipfrate betrug somit 76 0/0.

3.3.8. J u n g v / S g e l

Die JungvtSgel yon sarda und melanocephaIa haben vor der Befiederung eine sehr stark schwarz pigmentierte Haut und erseheinen daher schwarz. Dasselbe beobachteten wit 1970 in S-Frankreich bei Jungv~Sgeln und S. undata und S. cantil!ans. Wie bei vorausgegangenen Aufzuchten yon undata, melanocephala und cantillans stellten wir auch bei sarda fest, daf~ 4t~gige JungvtSgel nicht oder nicht ohne Gefahr bei Zim- mertemperatur aufgezogen werden k~Snnen. Die Nestlinge mtissen zus~itzlich gew~rmt werden, damit die Verdauung nicht stockt und nicht die Gefahr besteht, dab die V/Sgel verklammen. Damit unterscheiden sich die JungvSgel der genannten mediterranen Sylvia-Arten yon in Mitteleuropa lebenden Grasmticken, die vom 4. Lebenstag an auch bei ki~hler Witterung ohne Schwierigkeiten bei normaler Zimmertemperatur auf- gezogen werden ktinnen (z. B. BEI~THOLD et al. 1970). Es liegt nahe anzunehmen, dai~ sowohl die relativ dicht gebauten Nester als auch die schwarze w~rmeabsorbierende F~rbung der JungvtSgel mediterraner Sylvia-Arten Anpassungen an die relativ grot~e K~tlteempfindlichkeit dieser Arten in der Nestlingszeit darstellen.

3.3.9. B r u t z e i t

Die Brutzeit yon sarda erstreckt sich bis weit in den Sommer hinein: v. JORDANS

(1928) traf am 21. Juni noch ein ftitterndes ~ an, und PRt/NTE (in MESTER 1971) land am 9. Juli 1968 ein Nest mit 3 nahezu fltiggen Jungv~Sgelno Ob es sieh bei diesen sp~iten Bruten um Ersatzbruten oder, wie vermutet wurde, um zweite Bruten (HEN- l~ICI 1926 a) oder gar um dritte Bruten (HANSMANN 1857, V. JORDANS 1928) handelt, ist often.

Page 9: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft 1 ] Biologie yon Sylvia sarda und rnelanocephala 87 1973 |

3.3.10. B r u t v e r l u s t e

Von 19 Bruten yon sarda fielen in unserer im Hinblick auf die gesamte Brutzeit der beobachteten Paare relativ kurzen Beobachtungszeit 4 aus. In einem Falle wurden die Eier, in einem Falle die Jungen geraubt, ein Gelege wurde nicht bebr[itet, und in einem Gelege lockte durch einen Sprung in einem Ei austretendes Eiweif~ Hunderte yon Ameisen an, die den Altvogel offenbar zur Aufgabe des Geleges brachten. Als haupts~chliche Nestr~iuber diirften auf Formentera, wo sowohl Elster (P. pica) als auch Eichelh~iher (Garrulus glandarius) fehlen, GartenschF, ifer (Eliornys quercinus) in Frage kommen, die sehr h~ufig sind und deren Spuren man iiberall im weichen und sandigen Boden findet.

3.4. S i e d l u n g s d i c h t e

3.4.1. N e s t a b s t i i n d e

In einem Gebiet, das yon sarda auf Formentera sehr dicht besiedelt ist (Es Pla) und fiir das wir auf Grund sehr intensiver Nestersuche und Beobachtungen der Brutpaare ausschliegen k~Snnen, Nester [ibersehen zu haben, ermittelten wir in einem geschlos- senen Lebensraum yon sarda einen durchschnittlichen Abstand benachbarter Nester gleichzeitig ablaufender Bruten yon 191,7 + 64,84 (118--272)m. Die Nestabst~inde yon sarda sind im Vergleich zu in Mitteleuropa lebenden Grasmiicken, zum Beispiel zu S[ atricapilla, augerordentlich grof~: Senk (miindl. u. briefl.) stellte in einem fiir atricapilla giinstigen Brutgebiet bei Aglasterhausen, Baden-Wiirttemberg, £[ir benach- barte Nester yon atricapilla nach sehr griindlicher Nestersuche und sorgf~iltigen Be- obachtungen, die ein 13bersehen yon Nestern ausschliegen lassen, einen durchschnitt- lichen Abstand benachbarter Nester gleichzeitig ablaufender Bruten yon 35,0 + 17,84 (12,5--65) m lest. Der Unterschied zu sarda ist hoch signifikant (p < 0,001).

Die grogen Nestabst~nde yon sarda bringen es mit sich, dab wir auch bei ganz- t~giger Nestersuche zu dritt maximal nut drei Nester pro Tag fanden und an eini- gen Tagen kein Nest.

3,4.2. R e v i e r g r ~ S i ~ e

Ffinf Paare yon sarda beobachteten wir, zum Tell mehrfach, jeweils 2--3 Stunden lang ununterbrochen in dicht besiedelten Biotopen in ihren Revieren, in der Hoffnung, auf diese Weise yon den V~Sgeln auf das Nest aufmerksam gemacht zu werden (3.3.3.). W~ihrend der Beobachtungszeit sangen die ¥/Sgel, pflegten Gefieder oder bauten an ihrem Nest, gr/Sgtenteils jedoch durchstreiften sie ihr Revier nahrungssuchend. Auf diese Weise war es uns mSglich, die ungef~ihre Reviergr~Sfle zu ermitteln. 6 Reviere hatten eine durchschnittliche Ausdehnung yon mindestens 233,3 + 53,16 (180-- 320) m. I~ber Form und mittleren Durchmesser der Reviere k/Snnen wir infolge der relativ sp~irlichen Beobachtungen keine Aussagen machen. Auf Grund der grogen Aus- dehnung der sarda-Reviere, die auch H~NRICI (1926 a) auffiel, l~it~t sich jedoch sagen, daf~ die Reviere yon sarda im Vergleich zu in Mitteleuropa lebenden Sylvia-Arten sehr groB sind: f[ir S. curruca ergibt sich nach den Daten yon SIEFK~ (1962, Abb. 9)

Page 10: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

[ J. Orn. 88 P. und H. B~RTHOLD [ 114

eine durchschnittliche maximale Revierausdehnung yon weniger als 100 m. Dasselbe gilt fiir S. communis nach den Angaben yon DIESSELHORST (1968) und fur S. atri- capiIla und S. borin nach denDaten yon RAINES (1945). Nach denDaten vonBLONDEL (1970 a, Abb. 16) hat in S-Frankreich S. cantillans eine durchschnittliche maximale Revierausdehnung yon ungef~ihr 119 + 26 m und melanocephala yon ungef~ihr 145 + 29 m (im Vergleich zu sarda ist in beiden F~illen p < 0,001), w~ihrend S. undata mit 223 + 52 m sarda auf Formentera gleicht.

3.4.3. Gr~Si~e d e r P o p u l a t i o n e n a u f F o r m e n t e r a u n d S i e d l u n g s d i c h t e

Auf Grund der ermittelten Nestabstiinde benachbarter Nester in dicht besiedelten Biotopen (3.4.1.), auf Grnnd der festgestellten Reviergr~5t3en in dicht besiedelten Bio- topen (3.4.2.), sowie auf Grund der Feststellungen, wo sarda auf Formentera vor- kommt, ist eine grobe Schiitzung der Gesamtpopulation yon sarda auf Formentera mSglich. Nach der yon uns ermittelten Reviergr~Sf~e (3.4.2.) ist fiir dicht besiedelte Biotope eine durchschnittliche Dichte yon ungef~ihr 20 Brutpaaren pro km 2 (1 Brut- paar auf 5 ha) zu erwarten. Die Abst~inde benachbarter Nester zueinander, die wir ermittelten, lassen im Mittel etwa 25 Brutpaare pro km 9- (1 Brutpaar auf 4 ha) in dicht besiedelten Brutbiotopen erwarten. Im durchschnittlichen Biotop ist jedoch nach unserer Sch~itzung nicht mit 20--25, sondern nur mit ungef~ihr 15 Brutpaaren pro km ~ (1 Brutpaar auf 6,6 ha) zu rechnen. Da nach unseren Beobachtungen sarda - - yon vereinzelten Vorkommen in weniger giinstigen Randgebieten abgesehen - - ungef~ihr 25 km ~ der 115 km ~ groi3en Insel Formentera bewohnt, ergibt sich ein Sch~itzwert der Gesamtpopulation Formenteras yon 375 Brutpaaren.

Die Siedlungsdichte yon melanocephala auf Formentera entspricht unserem Ein- druck nach der yon sarda weitgehend.

BLONDEL (1970 a) traf in einem Jahr guter Besetzung (1967) in der Garrigue yon Santa F6, S-Frankreich, auf ungefiihr 5 ha ein Brutpaar yon S. undata an, was der Dichte yon sarda auf Formentera recht gut entspricht. Die Dichte yon melanocephaIa liegt nach Blondels Untersuchungen etwa um das 5fache h~Sher als bei undata, und YEATMAN (1969) beobachtete in S-Frankreich sogar 1,8 Brutpaare yon melanocephala pro ha. DI~SSELHOI~ST (1971) stellte aui3erhalb der Brutzeit, im September, im opti- malen Habitat yon Sardinien mindestens 10--20 Samtkopf- und 20--30 Sardengras- miicken pro ha lest.

3.5. V e r h a l t e n

3.5.1. V e r h a l t e n g e g e n i i b e r d e m M e n s c h e n

In der Literatur wird sarda sehr unterschiedlich, zum einen als vorsichtig und scheu (v. JO~DANS 1914) oder gar als heimlichste aller Grasmticken (TR~TTAV & WOLT~RS 1967) beschrieben, zum anderen als (sehr) vertraut (HrNRICI 1926 a, DIESSer~r~ORST 1971, ,,absurdly tame": MUNN 1924). Fiir uns ist sarda der vertrauteste Vogel, den wit bisher kennenlernten. So war es in der Brutzeit mSglich, nahrungssuchenden Paa-

Page 11: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft 1 ] Biologie yon Sylvia sarda und melanocephala 89 1973 [

ten in geringem Abstand, oftmals in nut wenigen Metern Entfemung, stundenlang in ihren Revieren nachzulaufen, um sie zu beobachten (3.3.3., 3.4.2.). Flogen die VSgel gelegentlich grSi~ere Strecken, beunruhigte es sie nicht, wenn wir schnell hinter ihnen herliefen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Nestbau konnten wir, wie friiher HENRICI (1926 a), mehrfach aus wenigen Metern Entfernung beobachten (3.3.3.). Einzelne VSgel n~iherten sich uns, in Str~iuchern nahrungssuchend, bis auf weniger als einen Meter, so dab die Versuchung aufkam, zu probieren, sie mit der Hand zu fan- gen. Diese aut~ergewShnliche Vertrautheit, die die unserer Goldh,ihnchen (Regulus) bei weitem iibertrifft, war nicht nut zur Brutzeit, sondern auch im Winter zu beob- achten: Auch im Januar konnten wir uns singenden oder nahrungssuchenden VSgeln bis auf wenige Meter nlihern, ohne sie zu vertreiben.

Bei melanoeephala fiel uns auf, daf~ die VSgel auf Formentera unserem Eindruck nach wesentlich mehr vertraut sind als in der siidfranzSsischen Garrigue yon Santa F~, in der wir 1970 melanocephala bei 5wSchiger Nestersuche kennenlernten; aber im Vergleich zu sarda sind sic scheu.

3.5.2. N a h r u n g s s u c h e

Zu den auffallendsten Verhaltensweisen yon sarda gehSrt das Nahrungssuchever- halten: Die Art nutzt nlimlich zur Nahrungssuche den gesamten zur Verfiigung stehen- den Raum aus: den Erdboden, die Strauchzone, die hohen und hSchsten B~ume und den Luftraum. Dai~ sarda sich viel am Boden aufh~ilt, teilt auch DIESSELHORST (1971) mit. Nach unseren Beobachtungen diJrfte sie etwa 1/~ ihrer Nahrungssuche am Boden ausfiJhren. Sie verl~it~t dabei oft die Strauchschicht, um ins offene Gel~nde zu hiipfen. Im Extremfall beobachteten wir ein Paar, das etwa 200 m weit hiipfend in ein ab- geerntetes Getreidefeld vordrang und dann wieder in die Macchia zuriickh(ipfte. Ferner fiel bei der Aufzucht yon JungvSgeln yon sarda auf, dat~ die eben flliggen VSgel im Zimmer zun~chst kaum auf MSbel u.a. flogen, sondern mit Vorliebe auf dem Fuf~boden hiipften, umherrannten und bier Verfolgungsspiele ausfiihrten. Aut~er in B[ischen der Macchia beobachtet man sarda nahrungssuchend hiiufig in Aleppo- Kiefern bis in die hSchsten Zweige hinauf, wie dies auch v. JOImANS (1914) und HARRISON (1970) beschreiben. Von diesen Kiefern aus werden, wie auch TATO CUM- MING (1971) berichtet, nicht selten Flugjagden nach Insekten nach der Art yon Mus- cicapa in den Luftraum unternommen. Nach unseren Beobachtungen ist sarda in der Nahrungssuche welt weniger auf eine bestimmte Vegetationssdaicht oder HShenzone ihres Lebensraumes beschriinkt als in Mitteleuropa lebende Grasmlidien, die entweder kaum auf dem Boden Nahrung suchen und kaum im Flug jagen (S. atricapilla, S. borin, S. curruca) oder hohe Biiume zur Nahrungssuche weitgehend meiden (S. com- munis, z. B. GLUTZ v. BLOTZHE~la 1964).

Unserem Eindruck nach fiihren in der Regel die dunkleren c~ der Sardengrasmiicke bei den ausgedehnten Nahrungssuche-Streifziigen (3.4.2.) und behalten mit den nach- folgenden ~? durch h~iufiges Rufen Verbindung. Auf diese Weise gehen auch Hauben- meisen (Parus cristatus) auf Nahrungssuche (P. BERTHOLD, unverSffentlicht).

Page 12: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

90 P. und H. B~THOLD [ J. Orn. [ 114

Von melanocephala, die sich ebenfalls regelm~it~ig am Boden aufh~ilt (s. auch DIES- SELHORST 1971), haben wir den Eindruck, daf~ sie auf dem Boden weir weniger Nah- rung sucht als sarda.

3.5.3. R e v i e r v e r t e i d i g u n g u n d G e s a n g

Kampf oder Verfolgungsjagden beobachteten wir zwischen sarda-~ nie. An der Reviergrenze aufeinandertreffende c~ umhtipften sich lecliglich in Abst~inden yon ungef~ihr einem halben Meter mit Drohgeb~irden - - abgewinkelten Fliigeln - - und trugen dabei in kurzen Abst~nden relativ leise ihre Gesangsstrophe vor. Bei melanoce- phala beobachteten wir hingegen h~iufig Verfolgungsfliige yon c~. W~ihrend der Brut- zeit ist die etwas an die Strophe yon S. curruca erinnernde Gesangsstrophe yon sarda bei warmer Witterung den ganzen Tag fiber zu h~Sren, an kiihlen und regnerischen Tagen hingegen nur sehr vereinzelt. Schon am 15. und am 16. Januar 1972 stellten wir sowohl auf Formentera als auch auf Ibiza bei sonnigem Wetter singende c~ yon sarda und yon melanocephala fest. Einzelne 6 yon sarda umhtipften sich bereits im Januar beim Gesang (s. o.), und bei melanocephala- ~ waren bereits Verfolgungsfliige zu beobachten. Vereinzelt beobachteten wir bei sarda an S. communis erinnernde Singflifige, wie sie auch HARRISON (1970) beschreibt.

3.5.4. P a a r v e r h a l t e n

Zur Brutzeit trifft man sarda vor der Bebriltung des Geleges fast ausnahmslos paarweise an, da sich die Partner regelm~if~ig nahe beieinander aufhalten. Aber auch im Januar beobachteten wit tiberwiegend zwei V/Sgel zusammen, die in Rufverbindung miteinander standen. Unserem Eindruck nach handelte es sich dabei regelm~if~ig um c~ - - dunklere VSgel - - und um 9 - - hellere VSgel (z. B. WILLIAMSON 1968). 4 der dunkleren V/Sgel und eines dieser ,,Paare", die wit fiir Gefiederuntersuchungen sammelten, erwiesen sich auch tats~ichlich als (~ beziehungsweise als 6 und 9. Vor- liiufig bleibt offen, ob das paarweise Zusammensein im Januar yon sarda auf eine Jahresehe oder nur auf eine sehr friihe Verbindung zwischen (~ und 9 in der Brut- periode hinweist. DIESSELI-IORST (1971) beobachtete im September auf Sardinien einer- seits h~iufig ungefiihr 1--2 ViSgel pro ha, andererseits in Farnfeldern bis zu 20--30 V/Sgel pro ha. Diese m/Sglicherweise nur im Herbst zu beobachtenden Konzentrationen sprechen jedoch nicht gegen die M~Sglichkeit einer friih in der Brutperiode erfolgenden Paarbildung und auch nicht gegen die einer Jahresehe, da das Verhalten der indivi- duellen Vbgel zueinander bei griSi~eren Ansammlungen unbekannt ist (DIESSELHORST 1971).

3.6. K i S r p e r g e w i c h t u n d G o n a d e n m a t ~ e

6 sarda (5 6, 1 9), die wir im Januar ftir Gefiederuntersuchungen auf Formentera sammelten, wogen durchschnittlich 9,9 _+ 2,61 (7,5--13,5) g. Die $ batten eine durch- schnittliche Hodenl~inge yon 1,3 + 0,35 (1,0--1,7) mm und waren, da die Ruhehoden der wesentlich gr6f~eren S. borin durchschnittlich nur 1,2 mm lang sind (BrRTnOLD et al. 1972), offenbar bereits in Entwicklung begriffen. Das gilt auch fiir das Ovar des untersuchten 9, dessen Oozyten bereits gut mit bloi~em Auge zu erkennen waren.

Page 13: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft 1 ] Biologie yon Sylvia sarda und melanocephala 91 1973 ]

3.7. F e l d o r n i t h o l o g i s c h e K e n n z e i c h e n

Bei auf dem Nest sitzenden AltvSgeln von sarda und melanocephala hat man zu- n~chst vielfach Schwierigkeiten, die Art zu bestimmen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das Nest stark im Gebiisch verborgen ist oder wenn der Altvogel bei An- n~iherung regelm~it~ig schnell oder in Deckung vom Nest fliichtet. Um sarda handelt es sich in der Regel, wenn der Vogel so tier im Nest sitzt, dai~ nur Schwanz und Schnabel herausragen, oder wenn sich der fli~chtende Vogel in unmittelbarer N~ihe des Nestes auf den Boden fallen l~if~t und flatternd wegrennt. Bei melanocephala ragt neben dem Schwanz meist der gesamte Kopf iiber den Nestrand, und der Air- vogel fliegt vielfach eine relativ grSf~ere Strecke yore Nest weg. Das beste Kennzei- chen fiir sarda auf dem Nest ist jedoch die maisgelbe Schnabelbasis, die am Nestrand sichtbar wird.

In P~T~RSON et al (1963) wird der Ruf yon sarda als ein einzelnes scharfes ,,zig" bezeichnet. Einen derartigen Ruf hSrten wir yon sarda nie. Vielmehr ruft sarda als Stimmfiihlungslaut, wenn das Paar auf Nahrungssuche ist, sowie am Nest, kurz ,,tschrerk". Dabei handelt es sich um einen Ruf, in dem fiir uns deutlich ,,sch", ,,r", ,,e" (oder ,,ie") und ,,k" sowie sehr wahrscheinlich ,,t" zu hSren sind. v. JORDANS hat diesen Ruf - - ,,zerr" (HENI~ICI 1926 a) - - treffend mit dem eines fernen Reb- huhnes (P. perdix) verglichen (HENI~ICI 1926 a). Daneben haben wit nur einen weite- ren, n~mlich an den Stimmfiihlungslaut der Schwanzmeise (Aegithalos caudatus) er- innernden Laut yon sarda vernommen, der h~ufig zu hSren war, wenn sich die VSgel ihrem Nest n~iherten.

4. SchluBfolgerungen und Diskussion der Ergebnisse

Aus den mitgeteilten Untersuchungsergebnissen geht hervor, dafg Sylvia sarda und S. melanocephala auf Formentera gegenw/irtig denselben Lebensraum bewohnen. Es bestehen jedoch Unterschiede zwischen beiden Arten im Neststandort (3.3.1.), mSg- licherweise im unterschiedlich gro~en Anteil der Nahrungssuche am Boden (3.5.2.) Und, damit zusammenh/ingend, vielleicht in der Art der Nahrung. Es ist zu berLicksichtigen, dai~ Unterschiede im Biotop beider Arten vor der WaldzerstSrung im Mittelmeerge- biet einschliel~lich Formenteras dutch den Menschen st~irker ausgepr~/gt gewesen sein mSgen als heute (LACK 1971). Die unterschiedlichen Neststandorte yon rnelanocephala und sarda auf Formentera sind mSglicherweise ein Hinweis darauf, dafg die Samt- kopfgrasmiicke friJher mehr ein Bewohner lichter W/ilder, die Sardengrasm~icke mehr in offenem Gel[inde verbreitet war. Auch in S-Frankreich bevorzugt rnelanocephala gegenw/irtig relativ dichte Vegetation zum Nisten (BLONDEL 1970 b).

Aus den Ergebnissen geht ferner hervor, dafg sich sarda deutlich yon in Mitteleuro- pa lebenden Sylvia-Arten abhebt, vor a11em in ihrer geringen GelegegrSge (3.3.5.), in der groi%n Ausdehnung der Reviere (3.4.2, 3.4.1.), im Nahrungssucheverhalten (3.5.2.), im Paarverhalten (3.5.4.) und im Verhalten dem Menschen gegeniJber (3.5.1.). Zu einer entsprechenden Schlut~folgerung kam DI~SSELHORST (1971) auf Grund yon Verhaltensbeobachtungen.

Page 14: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

92 P. und H. BERTttOLD [ J" Orn. [ 114

Im Hinblick auf den Neststandort (3.3.1.) und auf die Reviergr/Sf~e (3.4.2., 3.4.1.) bestehen Ahnlichkeiten zu S. undata. Die betr~ichtliche Reviergr~Si~e erinnert ferner an die yon Troglodytes (AMsTRoNc 1955) und die yon Parus palustris und P. monta- nus (LtrDrSCH~R 1973). Die groi~en Reviere k~Snnten eine Anpassung an das winter- liche Minimum des Insektenvorkommens darstellen, das BLONDEL (1970 a) fiJr die siidfranz~Ssische Garrigue nachwies und das mit der gr~5t~ten Vogeldichte, bedingt durch Winterg~iste, zusammenf~illt.

Es ist wahrscheinlich, dat~ sarda auf Formentera ganzj~ihrig dieselben Territorien bewobnt (3.2.) und ferner, dai~ $ und 9, entweder durch Reviertreue oder dutch echte Parmerbindung bedingt, das ganze Jahr iiber beisammen bleiben (3.2., 3.5.4.). In diesem Zusammenhang ist interessant, dab DIrSSELHORST (1971) im September auf Sardinien bei sarda kein territoriales Verhalten beobachtete. Revier- und Parmertreue kiSnnten jedoch auf dem flachen Formentera st~irker als auf anderen Inseln ausge- pr~igt sein. Zum Beispiel k~Snnten auf Sardinien starke H~Shenunterschiede m/Sglicher- weise Vertikalwanderungen im Winterhalbjahr bewirken (BEzzrL 1957), die zu An- sammlungen yon sarda in giinstigen Gebieten flJhren (DrEsSELHORST 1971) und Re- vier- und Partnertreue mehr oder weniger beeintr~ichtigen.

Ungewi~ ist der Fortbestand der relativ kleinen Population yon sarda auf Formen- tera, wo zur Zeit Hotels und Ferienh~iuser wie Pilze aus dem Boden schiei~en. Eine grof~e Gefahr besteht dabei in der Zerst~Srung yon Biotopen: Der optimal besiedelte Biotop, ein macchiareicher Aleppo-Kiefernwald (3.1.), wird durch den Bau yon Fe- rienh~iuser-Kolonien vielerorts ausgelichtet und wird zweifellos zu einer Verminde- rung der Siedlungsdichte yon sarda fiihren. Die Zunahme yon Menschen auf Formen- tera stellt wahrscheinlich unmittelbar eine geringere Gefahr fiJr sarda dar, da sarda dem Menschen gegeniiber aut~ergewShnlich wenig Scheu zeigt (3.5.1.) und, wie wir mehrfach beobachten konnten, auch in unmittelbarer N~ihe yon Ferienh~iusern und Baustellen nistet. Ob sich die Biotopver~inderungen auf Formentera bestandsgef~ihr- dend fiir sarda auswirken, wird die Zukunft erweisen.

Abschlieflend sei auf die Vielzahl oftener Fragen hingewiesen, die mediterrane GrasmiJcken allgemein betreffen: Zum Beispiel ist yon keiner Art die Brutbiologie befriedigend bekannt, yon keiner Art das Verhalten umfassend beschrieben. Von Un- terschieden zwischen verschiedenen Populationen auf dem Festland und auf Mittel- meer-Inseln, auf verschiedenen Inseln oder in verschiedenen HShenlagen derselben Inseln, liegen bisher nur interessante Andeutungen vor (z. B. FrRcosoN-Lrrs 1960, G~ROUDrT 1963). Bei Reisen in Mittelmeergebiete bieten sich jedoch vielfach so giinstige M~Sglichkeiten, in kurzer Zeit wertvolle Daten yon mediterranen Arten zu sammeln, daf~ davon mehr Gebrauch gemacht werden sollte.

Zusammenfassung Untersuchungen an Sylvia sarda baIearica und S. melanocephala auf den Pityusen, vor-

wiegend auf Formentera, ergaben: 1. Sarda ist auf Formentera and sehr wahrscheinlich auch auf Ibiza im wesentlichen Stand-

vogel, wobei die Paare m/Sglicherweise ganzj~ihrig dieselben Reviere bewohnen.

Page 15: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft19731 ] Biologie yon Sylvia sarda und melanocephala 93

2. Brutbiologische Untersuchungen, unter anderem an 19 Nestern yon sarda und an 10 Nestern yon melanocephala, ergaben folgendes: 2.1. Sarda bevorzugt als Niststrauch ]uniperus oxycedrus in mehr oftener Vegetation,

melanocepbala Cupressus sempervirens in dichterer Vegetation. 2.2. Die Nester beider Arten kSnnen am besten mit Hilfe des Durchmessers der Nest-

mulde unterschieden werden. Sie unterscheiden sich ferner im Gesamtdurchmesser, nicht jedoch in der HShe.

2.3. Die festgestellte durchschnittliche Gelegest~irke yon sarda liegt mit 2,8 Eiern erheblich unter den Literaturangaben.

2.4. Ferner werden Daten iiber Nestbaudauer, Legebeginn, Brutdauer, Schliipferfolg und Brutverluste mitgeteilt.

3. Messungen yon Nestabst~inden und Revierausdehnungen ergaben fiir sarda auf Formen- tera eine Siedlungsdichte yon 15--25 Paaren pro km 2. Nach diesen Werten diirfte der gegenw~irtige Gesamtbestand yon sarda auf Formentera sch~itzungsweise 375 Paare be- tragen.

4. Geringe Gelegegrtif~e, sehr grofe Reviere, Nahrungssuche, Paarverhalten und grofe Ver- trautheit dem Menschen gegeniiber unterscheiden sarda deutlich yon in Mitteleuropa lebenden Sylvia-Arten, zum Tell auch yon anderen mediterranen Sylvia-Arten (cantillans, melanocepbala). In Neststandort und ReviergrtSfle bestehen _Ahnlichkeiten zu S. undata.

5. Der Fortbestand der Population yon sarda auf Formentera ist infolge der sehr starken Baut~itigkeit auf der Insel ungewi£.

S u m m a r y

O n t h e b i o 1 o g y o f Sylvia sarda baleariea a n d S. melanocepbalal)

Investigations of S. sarda balearica and S. melanoeephala at the Pithyuses, mainly on Formentera, yielded the following results: 1. At Formentera and probably also at Ibiza, sarda is mainly resident, and the pairs seem

to stay in their territories all the year round. 2. Investigations on the breeding biology, among others on 19 nests of sarda and on 10 nests

of melanocephala, yielded the following: 2.1. For nesting, sarda prefers ]uniperus oxycedrus in relatively open vegetation, and

melanocephala Cupressus sempervirens in more dense vegetation. 2.2. The nests of both species can best be distinguished by the use of the diameter of the

cup. The nests show also differences in the total diameter, but no differences in the height.

2.3. The observed mean dutch size of 2.8 eggs in sarda is considerably smaller as reported in the literature.

2.4. Furthermore, data on the duration of nest building, onset of egg laying, incubation period, hatching success, and losses of broods, are reported.

3. As judgeg by distances between neighbouring nests, and size of territories, the density of sarda at Formentera ranges between 15 and 25 breeding pairs per kma. The present popu- lation of sarda at Formentera is computed at 375 pairs.

4. Sarda differs clearly from Sylvia-specles of middle Europe and, in part, from other medi- terranean Sylvia-species (cantillans, melanoeephala), in that it has much larger territories, a higher pair fidelity, a smaller clutch size, and different foraging strategies. It also is much tamer. In the nest site and in the size of the territory, there are similarities to S. undata.

5. The survival of the population of sarda at Formentera is uncertain due to an enormous construction activity.

1) 8th paper on the warbler program of the institute.

Page 16: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

[ J. Orn. 94 P. und H. BERTHOLD [ 114

L i t e r a t u r

ARMSTRONC, E. A. (1955): The wren. Collins, London. BERNIS, F., P. M. DIEZ & J. TATO (1958): Guidn de la avifauna Balear. Ardeola 4: 25--99. BERTHOLD, P., E. GWlNNER & I-I. KLEIN (1970): Verglei&ende Untersu&ung der Jugendent-

wi&lung eines ausgepr~igten Zugvogels, Sylvia borin, und eines weniger ausge- pr~igten Zugvogels, S. atricapiIla. Vogelwarte 25: 297--331.

, , (1972): Circannuale Periodik bei Grasmii&en. II. Periodik der GonadengrSfge bei Sylvia atricapilla und S. borin unter verschiedenen konstanten Bedingungen. J. Orn. 113: 407~417.

BEZZEL, E. (1957): Beitr~ige zur Kennmis der Vogelwelt Sardiniens. Ariz. Orn. Gas. Bayern 4: 589--707.

B~OND~L, J. (1970 a): Syn6cologie des passereaux r6sidents et migrateurs dans le midi m6di- terran6en francais. Centre r6gional de documentation p6dagogique, Marseille.

- - (1970 b ) : Biog6ographie des oiseaux nicheurs en Provence occidentale, du mont Ventoux ~. la met m6diterraMe. Oiseau Rev. Fran~. Orn. 40: 1--47.

CANTONI, J. (1963): Sur la pr6sence de Sylvia sarda k l'Ile de Zembra. Alauda 31: 61--63. DENNIS, R. H. (1967): Note on sardinian warbler on Fair Isle. brit. Birds 60: 483--485. DIESSELHORST, G. (1968): Struktur einer Population von Sylvia communis. Bonner Zool. Beitr.

19: 307--321. - - (1971): Zur lDkologie yon Samtkopfgrasmii&e (Sylvia melanocephala) und Sarden-

grasmiicke (Sylvia sarda) im September in Sardinien. J. Orn. 112: 131--137. ERA~D, C., J.-J. GuiLLou & J. VI~LLIARD (1972): R6flexions sur la r@artition de Sylvia sarda.

Alauda 40: 293--296. FE~GUSON-L~s, I. J. F. (1955): Photographic study of some less familiar birds. LXV. Mar-

mora's warbler. Photographed by John Armitage. Brit. Birds 48: 312. - - (1960): Studies of less familiar birds. 146. Sardinian warbler. Brit. Birds 53:480

bis 481. GASTON, A. J. (1970): Birds in the central Sahara in winter. Bull. Brit. Orn. Club 90: 61--66. G~ROUD~T, P. (1963): Les Passereaux II. Des m6sanges aux fauvettes. Delaehaux & Niestl6,

Neuch~tel. GLUTZ v. BLOTZHEIM, U.N. (1964): Die Brutv~Sgel der Schweiz. Aargauer Tagblatt AG,

Aarau. HANSMANN, A. (1857): Die Sylvien der Insel Sardinien. Naumannia 7: 404--429. HARI~ISON, C. J. o . (1970): Marmora's warbler. Birds World 7: 2145--2146.

H~IM D~ BALSAC, H., & N. MAYAUD (1962): Les oiseaux du Nord-Ouest de l'Afrique. Le&e- valier, Tournon.

HENRmI, P. (1926 a): Am Brutplatz yon Sylvia sarda. Beitr. Fortpflanzungsbiol. 2: 13--17. - - (1926 b): Ornithologische Ergebnisse zweier kurzer Reisen nach den Balearen und

Pityusen. Beitr. Fortpflanzungsbiol. 2: 119--127.

HoM~xEr~, A. v. (1862): Die Balearen. J. Orn. 10:1--23,241--285 und 417--434.

IRIBAm~EN, J. J. (1966): Nota sobra Sylvia sarda en Navarra. Ardeola 12: 242.

JORDANs, A.v. (1914): Die Vogelfauna Mallorcas mit Beriicksichtigung Menorcas und der Pityusen. Dost & Co, Bonn.

- - (1924): Die Ergebnisse meiner zweiten Reise nach Mallorca. I. Teil. J. Orn. 72: 145--170.

- - (1928): Die Ergebnisse meiner dritten Reise nach den Balearen. Novit. Zool. 34: 262--336.

JOmtDAIN, F. C. R. (1911): Notes on Ornithology of Corsica. Ibis 5: 437--458.

Page 17: Zur Biologie vonSylvia sarda balearica undS. melanocephala

Heft19731 ] Biologic yon Sylvia sarda und melanocephala 95

LACK, D. (1971): Ecological isolation in birds. Blackwell, Oxford & Edinburgh. LAT~muR~c, Sir G. (1970): A review of the birds of Gibraltar and its surrounding waters. Ibis

112: 25--43. LI~I)rSCHEIq F. B. (1973): Sumpfmeise (Parus p. palustris L.) uud Weidenmeise (P. montanus

salicarius Br.) als sympatrische Zwillingsarten. J. Orn. 114: 3--56. MEI)rNA, J. D. N. (1972): Observaci6n de Sylvia sarda en Alicante. Ardeola 16: 276. M2sTui~, I.i. (1971): Die Vogelwelt der Pityusen. Bonner Zool. Beitr. 22: 28--89. MtmN, P. W. (1924): Notes on the birds of Minorca. Ibis Set. 11: 446--467.

(1926): Additional notes on the birds of the Balearic Islands. Ibis Set. 12: 467--477. PETERSON, R., G. MOUNTrORT & P. A. D. t-IOLLOM (1963): Die V/Sgel Europas. Parey, Ham-

burg und Berlin. Pozo LoRA, R. (1953): Species Sylvia sarda has been found out in Spain. Arcl. Zootecnia 2:

157--159. RAIrC~s, R. J. (1945): Notes on the territory and breeding behaviour of blackcap and garden-

warbler. Brit. Birds 38: 202--204. RoLre, A. C. (1964): Observaci6n de Sylvia sarda en Valencia. Ardeola 10: 70. SARa', A. C. (1966): Resultados de una expedicidn zooldgica alas islas Pitiusas. I. Vertebrados.

Bol. R. Soc. Espanola Hist. Nat. (Biol.) 64: 15--46. Srm~l~T, H. C. (1970): Pr6sence de la fauvette sarde Sylvia sarda sur la c6te m~diterrann6ene.

Oiseau Rev. Franc. Orn. 40: 173--174. SIrr~r,A. (1962): Dorn- und Zaungrasmiicke. Neue BrehmMicherei. Ziemsen, Wittenberg

Lutherstadt. STEINi3ACI-IER, J., & t-I. E. WOLT~Rs (1971): VSgel in K~ifig und Voliere. Zweigs~inger-Finken-

artige. Limberg, Aachen. STrSNFATT, O. (1954): Vogelkundliche Beobachtungen in Attika. J. Orn. 95: 245--262. TATO, J. J. (1968): Mas sobre Sylvia sarda en Alicante. Ardeola 14: 226--227. TATO CUM~I~G, J. J. (1971): Datos para una ecologia estivale de los bosque de la isla de

Mallorca y sus ayes. Ardeola (Sonderband) 405--427. TRrTVAU, W., 8¢ H. E. WOLTERS (1967): Weiteres iiber die Brutv6gel der Insel Elba. Bonner

Zool. Beitr. 18: 308--320. VIETINGHOFF-SCHEEL, E. V. (1967): Sylvia melanocephala (Gmelin) und Sylvia sarda Tem-

minck. In: E. STR~S~MANN, L. A. POR~NXO & G. MAUrRS~RCER: Atlas der Ver- breitung pal~iarktischer V~Sgel. Akademie-Verlag, Berlin.

Voous, K. H. (1960): Atlas of European birds. Nelson, Amsterdam. WILLIAMSO~, K. (1968) Identification for ringers. The genus Sylvia. Brit. Trust Orn., Tring. Y~AWaAN, L. J. (1969): Seasonal fluctuations of a bird population on the coast of the Var,

France. Bird Study 16: 75--82.

Anschrift der Verfasser: D-7761 Schlofl MiSggingen.