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XXX, Zur Casuistik anomaler Befunde an Gehirnen yon Yerbrechern und Selbstm rdern*). Von Prof. Dr. Max Flesch in Bern. I. Unvollkommene Bildung der Grosshirnsiehel mit unsymmetriseher Entwickelung der Hemisph~ren. Die erste der bier mitzutheilenden Beobachtungen betrifft einen ca. 50 Jahre alten kr~ftigen Mann M. F... Derselbe t6dtete sich am 13. l~ovember 1879 in Wiirzburg dutch Cyankali. Er gehbrte den besseren St~nden an und lebte in guten Verhgltnissen. Nach privaten Mittheilungen sol| derselbe, nachdem vor einigen Jahren an ibm wegen einer Mastdarmfistel oper~rt worden war, in der |etzten Zeit vor seinem Tode grosse Furcht vet einer Wiederholung der Operation gehegt haben. Irgend welche Veranlassung zum Selbstmord ist in] Uebrigen nicht bekannt geworden. Die Section ergab nach Abnahme des Sch~deldaches, dass die Dura mater in der vorderen H~|fte tier grossen L~ngsspalte des Ge- hirnes sich fiber die Convexit~t der Hemisph~iren ausspannte, ohne *) Unter tier obigen Bezeichnung gedenke izh aus dem mir vorliegenden Material, welches zur Ausarbeitung des demn~ehst zu publicirenden II. Theiles einer bereits erschienenen Abhandlung (Untersuchungen fiber Yerbreeherge- birne ; W~irzburg, S t ub e r, i 882) gesammeit wurde, einige Beobachtung~n zu publioiren, welche thefts nicht zur Reihe der zur statistischen Behandlung bestimmten, aufeinander folgenden F~ile gehbren, theils mir einer eingehen- deren Behandlung werth erseheinen, als sie im Rahmen jener auf ein bostimm- tes Gebiet besehr~nkten Arbeit mbglich ist.

Zur Casuistik anomaler Befunde an Gehirnen von Verbrechern und Selbstmördern

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Page 1: Zur Casuistik anomaler Befunde an Gehirnen von Verbrechern und Selbstmördern

XXX,

Zur Casuistik anomaler Befunde an Gehirnen yon Yerbrechern und Selbstm rdern*).

Von

Prof. Dr. Max Flesch in Bern.

I. Unvollkommene Bildung der Grosshirnsiehel mit unsymmetriseher Entwickelung der Hemisph~ren.

D i e erste der bier mitzutheilenden Beobachtungen betrifft einen ca. 50 Jahre alten kr~ftigen Mann M. F . . . Derselbe t6dtete sich am 13. l~ovember 1879 in Wiirzburg dutch Cyankali. Er gehbrte den besseren St~nden an und lebte in guten Verhgltnissen. Nach privaten Mittheilungen sol| derselbe, nachdem vor einigen Jahren an ibm wegen einer Mastdarmfistel oper~rt worden war, in der |etzten Zeit vor seinem Tode grosse Furcht vet einer Wiederholung der Operation gehegt haben. Irgend welche Veranlassung zum Selbstmord ist in] Uebrigen nicht bekannt geworden.

Die Section ergab nach Abnahme des Sch~deldaches, dass die Dura mater in der vorderen H~|fte tier grossen L~ngsspalte des Ge- hirnes sich fiber die Convexit~t der Hemisph~iren ausspannte, ohne

*) Unter tier obigen Bezeichnung gedenke izh aus dem mir vorliegenden Material, welches zur Ausarbeitung des demn~ehst zu publicirenden II. Theiles einer bereits erschienenen Abhandlung (Untersuchungen fiber Yerbreeherge- birne ; W~irzburg, S t ub e r, i 882) gesammeit wurde, einige Beobachtung~n zu publioiren, welche thefts nicht zur Reihe der zur statistischen Behandlung bestimmten, aufeinander folgenden F~ile gehbren, theils mir einer eingehen- deren Behandlung werth erseheinen, als sie im Rahmen jener auf ein bostimm- tes Gebiet besehr~nkten Arbeit mbglich ist.

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einen trennenden Sichelfortsatz zwischen die letzteren zu senden. Die F a l x c e r e b r i e n d e t , s i ch a l l m i i l i g von h i n t e n n a c h v o r n v e r s c h m l i l e r n d , e t w a i n d e r h a l b e n L i ~ n g e d e s G e h i r n e s . Die Pia bildet daher in der vorderen Region die einzige Trennung beider Hirnhalften, ebenso wie an anderen Furchen spannt sich eine ,,Arach- noideal-"Platte frei fiber die Spalte weg. Da dieselbe dnrch P a c - c h i o n i ' s e h e Wucherungen, Verdickung und starke Venenffillung un- durchsichtig ist, so scheint es, als ob auf eine Strecke yon etwa 7 Ctm., beginnend etwa 2 Ctm. f iber dem v o r d e r e n E n d e des G e h i r n e s e i n e S c h e i d u n g der H e m i s p h l i r e n f i b e r h a u p t n i e h t e x i s t i r e . Nach vorsichtigem LSsen der Pia sieht man links etwa 6 Ctm. fiber dem Stirnende die Mantelkante nach rechts fiber die Mittelebene hinausgewSlbt (Fig. 2--~-); rechts besteht eine entspre- chende Einsenkung. Es i s t m i t h i n die l i n k e H e m i s p h a r e au f K o s t e n der r e c h t e n v e r g r i i s s e r t . Die VorwSlbung betr~igt etwa 5 Mm.

Eine genauere Untersuchung des Gehirnes wurde nach vorsich- tiger Hiirtung in Alkohol vorgenommen. Das Kleinhirn ist veto Gross- hirn fiberragt. Die Fossa S y l v i i ist rechts in normaler Weise ge- schlossen; links ist an der Theilungsstelle ein ganz kleines Feld der Insel (etwa 3 Mm. Seitenl~tnge) von der Seite her sichtbar. Beider- seits ist die Grube ungewShnlich seicht. Da ausserdem der Schliifen- lappen etwas verkfirzt erscheint, so ist der Orbitaltheil des Stirn- lappens fast ganz frei zu sehen.

Die Untersuchung der Furchen und Windungen ergiebt folgende Einzelheiten *):

Linke Hemisph~ire: Die Rami an t e r i o r und p o s t e r i o r der seichten Fossa Sylvi i entstehen aus einem gemeinsamen kurzen St~mmchen. Der R. posterior ist stumpfwinklig gablig getheiit, yon WindungsbSgen in norma- ler Weise abgesehlossen. Die Fissura cen t ra l i s (o) ist normal. Die Sulei p r a e e e n t r a l i s (ps) und f ron t a l i s (fs) super io r h~ngen TfSrmig zusam- men. In tier letztgenannten Furche erreieht eine quere Tiefenwindung etwa in der halben L~nge des Stirnlappens nahezu die Oberfl~che; das eigentliehe Ende des Suleus ist eine kurze Querfurche etwa 4 Ctm. fiber dem Stirnpel. Die un t e r e S t i rn fu rche (fi) h~ngt mit der u n t e r e n P raeeen t r a l* fu rche zusammen. Sie niihert sich nach vern der Mittelebene~ so dass die

*) Die beigefiigten Bezeichnungen vergleiche in Fig. 2. Der Gang der Besohreibung und die Rficksichtnahme auf manche Einzelheiten sind dutch die Erfahrungen im Laufe yon Untersuchungen fiber die Variationen der Ge- hirnwindungen, deren Einzelheiten in dem II. Theil der ,u besprochen werden sollen, begriindet.

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]ateralo Stirnwindung an Breite zu-, die modialo abnimmt. S. o r b i t a l i s H fSrmig. Der kurze vordere Theil des lateralen Sehenkols trSgt eine Quer- Rinne, welcho selbs~ ~n beiden Endon sagi~ato Fut'cl~en aussemdot. Der me- dime Liingsschenkel beginnt am Trigonum olfactorium, ende~ im Stirnpol. Die g i o c h f u r c h e i s t gleichfalls lang ausgebildet~ die F r o n t o m a r g i n a l - fu reho dagegen nur durch kurzo Horizontalspal~on angedeatet S u l c u s c a l l o s o m a r g i n a l i s anscheinendnormal* 7. S. p a r a c e n t r a l i s k u r z . Vor- de re C e n t r a l w i n d u n g (A) normal. In der Wurzol dot I. St, i r n w i n d u n g finder sich eino tiefe, scbri~g die Mantelkanto schneidondo Farche (Z)**)- Die m e d i a l e and die m i t t l e r e S t i r n w i n d u n g h~ngen dureh die vorerwiihnte zur Oberfl~iche roichende Tiefenwindang im Grundo der oberen Stirnfurche zusammen. Die mittlere Stirnwindung ist hinten breit, durch eine aus dor unteren Stirnfurcho entspringende L~ngsfurcho au(eine kurze Strocko in zwei Windungon gospalten; yon der lotzteren erweist sich die laterale als Fort- setzung ether yon dor ]ateralen Stirnwindung ausgobenden, den Grand dec nnteren Stirnfarohe durchsetzenden Tiefonwindang. Die I a t e r a I o S t i r n - w i n d u n g selbst ist vorn breit and in zwei Para/lolzfige gespalten. Ueber die Windungon dot Orbitalfl~icho ist nichts zu erg/i, nzen. - - Im P a r i e t a ] l a p p e n bilden Stature und aufstoigender Ast dot I n t e r p a r i e t a l s p a l t e (p) oine ziemlich lange Re~roeentralspalte, aus welchor ein Seitenzweig tiff in die Fossa S y l v i i eindringt, w~hrend ein kurzer sagittaler Zwoig - - Andeutung dos hin- torch Ast~s (P~7 ~ aus ihror Mitre in oiner yon dor Mittelobene aus fas~ 5 Ctm. welt die ConvexitSt durchschneidendon Querfurche endet. Die eigentlicho sagittale Fortsetzung der Parietalspalte bildet aber eine selbstst~ndigo Furche (7r), we]c)le 2 Ctm. fiber der Fossa Sylvii beginnt Had nach gewundenom, medial- und riickw~rts gerichtetem Verlaufe die Mantelkanto iibersehreitet, um sieh auf der medialen Homisphiirenfi/~ehe~ 22 Mm. Hater der MitLolebene, seicht in die ParieLo-Occipitalspalto zu vorlieron. Dieso zweite Pariotalspalto trennt die boiden Scheitell~ppehon. Der S u l c u s s u b p a r i e i a l i s ist A_fSr- mig; der hintere Absehnitt des horizontalen Theiles reieht bis zur Fiss. oal- carina, dringt aber nicht in sic ein. Die h i n t e r e C e n t r a l w i n d u n g (B) ist sehr schmal, namentlich obon. Von den beidon Gyris des u n t e r e n S c h e i - t~ e 11 ~ p p c h e n s ist der vordere (supramarginalis) klein, der hintere (angularis) mehrfach gewunden. - - Die F i s s u r a c a l c a r i n a mfindeL nicht in die Fiss. Hippocampi; riickw~rts endet sle Tf6rmig in ether vorticalon, den Occipital- pol tier einschnoidenden Furche, im Grundo ether Depression des tiinterhaupt-

'7 Eine genauo Betrachtung war wegen der deokenden Piaplatto nioht mSglich.

**) Als ,,•"-Furehe bezeichne ieh vorl//ufig dioso Fureho, einem B e n o - d ic t ' schen Vorgehe~ fo/gend; sic ist yon bosonderem In~oresso inso~ern si~ fiir die Vergleichung mit dem Carnivoren-Gehirn, specioil hinsichtlich der ttomologie des Sulcus cruci~tas jener Thlero Interesse bietet, l~iiheres dar- fiber bringl, eino Dissertation yon Fr~iulein F a m i l i a n t .

Archly f, Psychiatric. XVI. 3, Heft. 4 5

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luppens yon der medialen Seiteher*). Die F i s s u r a p a r i e t o o c e i p i t a l i s (co) endet abgeschlossen auf der ConvexitSt, nimmt hingegen, wie schon erwS, hnt, yon vorn her in illrem Stature des hinter~ Ende der Pariotutsp:dto uuf. Dot S. p r a o o e e i p i t a l i s bosteht uls kurzer mit oiner Liingsrinne vorbundener Querschnitt der SohlSfenkante. Die vo rde ro t t i n t e r h a u p t s f u r e h e (o. a.) ist lang; sic nimmt yon vorn her die mittlere SehlSA'en-, yon hinten her die mittlero Hinterhauptsfureho auf. Die kurze ob ere 0 e e ip i t u l fu re h e umkreist~ in seharfer Biegung das lateralo Endo der Parietooeeipitalspalte und endet riickwiirts in einom SfSrmig gebogenen S. o e c i p i t a l i s t r a n s v e r s n s (err); lotzteren verbindet eine Querfurehe ('~) mit der m i t t l e r e n O e c i p i t a l f u r c h e . Den S u l c u s o c c i p i t u l i s i n f e r i o r orsatzt das tiefe Eindringon der don Pol sehneidend~n Vertiealfurche auf die Basisfliiohe. - - Der S u l c u s o e e i p i t o - t e m p o r a l i s ist lung gestreckt, vorn mit dora Anfungstheil der unteren Sehl~- fenfurche verbunden. Der Cuneus ist breit, in ibm eino tertiiire Vortical- furcho; eine iiberz:s L~ngsfurcho finder sieh an dot unteren Oecipitalwin- dung. - - Die chore S c h l S f e n f u r e h e ist welt naoh oben zu verfolgon; de- her die starke Entwickelung des Gyras anguluris. Eine m i t t l e r o und un- to re P u r c h o existiron nur in oinem Theft des Lappons. 1)enselben dure, h- schnoiden im Gobiete dor mittloron und untoren SchlSfonwindnng eino yon der oberon Sehl~ifenfurche nach riickwSris und union abzweigende his zar Basisfliiehe vordringende Spalto und eine zweite, mit der orsten purallelo, wel- ter riickw~rts gelegena selbstst~r, dige Furcho. Die cho re S o h l S f e n w i n - dung ist sehr schmal; die m i t t l o r e und u n t e r e sind broit, jodoeh in ihrom hinteren Theil durch die eben beschriobone Anordnuog**) in (~.nerwiilste ver- wendell. Von den d r e i q u e r o n S c h l ~ f o n w i n d u n g e n iscdie mittlero die schwSchsto. ~ Der Gyrus c i n g u l i konnto nieht genau untersucht werdon, hat jedoeh anscheinond niehts atypisehes.

Rechte Homisphiire: Ram. a s c o n d e n s und a n t e r i o r Possue S y l v i i entstehen etwu 8 Mm. yon einander entfernt, aus dam Stumme; der g. p o s t e - r io r divergirt rechtwinklig in zwei Aesto yon je 3 C~m. LSnge. Die Cen- t r a l s p u l t e (e) ist etwas mehr gewunden als links. Der S u l c u s p r a e e e n - t r a l i s s u p e r i o r (ps) is t kurz, vorwiirts convex; sein mediales Ends lieg~ 3 Ctm. yon tier Mantelkante entfernt. Dis o b e r e SIArnfurehe (fs) entsteht aus tier vorigen; sic ist lung, yon kurzen QuerNohen getrennt; an einor

*) Dieser ziemlich hEufig vorkommende Eindruek entspricht dora oberon gertiealsehenkel der Eminentia crueiuta, ferner dent Verluufe des Sinus lon- gitudinalis superior. Auffallend h~ulig finder sieh in ibm eine tiefe Vertical- furche, welche sehr oft das hintero Ende dot Fissure ealearina uufnimmt. NS~heres darfiber in dem zweiten Theil ,der Untersuchungon fiber u Gehirne".

**) Diese Anordnung finder sieh in ganz gleiehartiger Weise an ziem]ich vielon Gehirnen; sic ist in 5hnlicher Weise als ein etwus seltnerer Typus der normalen Anordnung anzusehen, wie etwa die yon H e s c h l besehriobene Vuriunte der oberon Schliifenwindung.

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solchen Kreuzungsstollo orhebt sieh aus der Tiefe der Furcho inselartig oin ganz isolirter, qaor stehondor Gyrus (y). Die lango u n t e r e P r a e c o n t r M - furoho (pi) tauch~ latoralwSrts in die Fossa Sylvii; aueh die aus dor vorigen horvorgohonde un to ro S t i r n f u r c h o (fi) sender oinen Querast in die Fossa Sylvii aus. Die O r b i t a l f u r e h o hesteht aus zweilangen, yon einom Quer- schnitt durchkreuzten sagittalen Spalton. Rio ch lu rch e wio links. DerS. o al - l o s o m a r g i n M i s i s t yon derParaoentra]furche untorbrochen D i o F r o n t o - m a r g i n a l f u r c h e ist fiber die glaze Liingo dor Stirnkanto bis 1 Ctm. vor die Fossa Sylvii zu verfolgon. Vordero Centralwindung (A) normal. Modiale Stirnwindung hinten breit; eine ihre Wurzel an der vorderen Centralwinduag kreuzende z-Furche*) verbindet sich mit dora S. paraoentralis. Mi t t l e r e S t i r n w i n d u n g dutch eine L~ngsfurche, die aus dem S. frontomarginalis aufsteigt, auf mehr als 3/' 4 ihrer Lii.nge in zwei Gyri getheilt. Die l a t e r M o 8 t i r n w i n d u n g ist zweimal durch Qnerfurchen in die Tiefe vorsenkt. - - Die P a r i e t M s p M t e (p)beginnt oberhalb des eiaen Zwoiges dos Ramus posterior Fossae Sylvii; dreistrahlig, in typiseher Anordnung sotzt sio sich durch ihron hinteron Ast in die obere Hinterhauptsfurche fort, entsondet aber vorher einen tiefon Querast (a) medialwiirts, welcher mit Versenknng dot oberon Ueber- gangswindung in die Tiefe, 1,5 Ctm. untor der Mantolkante tier yon vorn her in die Occipitalfurche eindringk Der Su lcus s u b p a r i e t a l i s ist wielinks mit einer VerticMfurche verbuadon, ahor so kurz, dass "cot ibm fiir perpon- dieul~re tertiS, re Furchen im Vorzwiekel Raum bleibt. Die hin tore Ce n t r M- w i n d u n g (B) ist weniger schmM als links. Gyrus a n g u l a r i s und s u p r a - m argi n a l i s sind ann~ihernd gleich entwickelt. Eino tiefe Querfurcho (v ~) im oberon S c h o i t e l l a p p o n verbindet~ sich mit der den Vorzwicke l theilon- den VorticMfurcho. - - lm Oooipitallaploen verh~lt sich die F is s. o a l c art n a wio links; es fohlt jedoch der dort**) erwShnto, veto Sinus longitudinalis supe- rior horriihrencieEindruckim 0ccipitalpol. Die P a r i o t o o c c i p i t a l s p a l t o (oc) verhiilt sieh wie links. Die vorde re H i n t e r h a u p t s f u r c h o (oa) verbindet sich mit d o m P r a e o c c i p i t a l e i n s o h n i t t . Von hinton nimmt sio die m i t t - 1 o r o H i n t o r h au p t s fur cho auf. In don PraeoccipitaMnschnitt miindon fornor noch die u n t o r o O c c i p i t M f u r c h e von hinten, die untero Temporalfurcho yon vorn her. Der Su lcus o c c i p i t o t e m p o r a l i s endet raekw~irts in eino Querfurche, die yon hinton her die verticalo, mit dor Fiss. calcarina verbundone Spalto aufnimmt. Der gesammte OccipitMlappen ist noch stS~rl;er als links aus- .gobildet, reich an tertigren Farchen. Dor Ci~neus ist gross, theilweise yon ether Randfurche (p,) abgegrenzk aus zwoi horizontalen Wtilsten gobildet. Die obore O c c i p i t a l w i n d u n g ist in ihrom Anfango durch den vorerwShnten Ast der Pariotalspalto in die Tiefe gesenk~. - - Die obere Soh l i t fon fu rche ist normal; die m i t t l e r e S c h l i i f e n f u r c h o ist nut in kurzon Rinnon ango- deutet, zwischen welchen breito, yon einer schr~g nach riiekwSrts absteigen- don Spalto geschiedono Wfilste die mittlere nnd die untere SchlSfenwindung

*) Verg[. Anm. S. 691. **) Vergl. hnm. S. 692.

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verbindon. Die un~ero Sch l / i f en fu r cho h/~ng~ vorn mit dem S. occipito- temporalis, hinton mit dem S. praeoccipitalis zusammen. Yon droi que ren S c h l i t f e n w i n d u n g e n ist die vorder+ fiach, aber broitor als die beiden an-

t. 1 deren. Von dom~Gyrus f o r n i c a t u s gil~ dassolbe wio yon jenem der an- doren Seito. - -

Fig. 1. Schematisehe Darstellung des Defectes dcr Falx ccrebri, eingczeichne~ in eine Abbildung yon Henle (Grundriss der Anatomie, Tafel 248, Figur 1).

Der vorhandene Thci! der Sichel is~ durch Schraffirung hcrvorgchoben.

Das wesentlich Interessante in der Beschaffenheit dieses Gehirnes ist jedenfalls die rudiment~tre Bildung der Falx in Verbindung mit der asymmetrischen Anordnung beider Stirnlappen. Ueberblicken wit die in Betracht kommenden entwicklungsgeschichtlichen Vorg~nge an der Hand der K S l l i k e r ' s c h e n Darstellung*), so sehen wir, dass in unserem Pri4parate eine Bildungshemmung zur Geltung gekommen ist, welche die Ausbildung der bleibenden Falx cerebri beschr~tnkt hat. Letztere entsteht in der Weise, dass in dem unpaaren Theile der pri- mitiven Sichel eine mittlere Lage von festercm Bindegewebe entsteht,

*) Entwickelungsgoschichto dos Monschon und der h~horon Thier~. II. Aufi. S. 570ff. - - Grundriss dor Entwickelungsgoschiohte II. Aufl. S. 258.

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wahrend die oberfliichlichen Lagen zur Gefasshaut der angrenzenden Hemispharentheile werden. Diese histologische Differenzirung ist an unserem Praparate nur in dam hinteren Theile der primitNen Sichel eiugetl"eten; gerade in dem vorderen, zuerst entwickelten Ab- schnitte ist sie ausgeblieben, nicht aber in dem am spatesten ent- stehenden hinteren Gebiete. Mit dieser Anomalie trifft eine andere zusammen; in derselben Region, in welcher sie besteht, ist die linke Hemisphlire starker entwickelt als die rechte. Man k~innte versucht sein, dies als Folge des Mangels der Hirnschenkel anzusehen, die

Fig. 2. hnsicht des Gehirnes yon oben; die Erkl~rung der Bezeiehnungen ist im Text einzusehen.

ohnehil) an den meisten Gehirnen physiologisch mehr beanspruchte und morphologisch - - wie aus der fast ausnahmslose reicheren Fal- tung der Oberfiache hervorgeht - - zu weiterer Ausbildung geneigte linke Hemisphare konnte bei dem Mangel der festen, medianen Dura- falte ein Uebergewicht fiber die rechte Hemisphare gewinnen und letztere zt~r Seite drlingen. Eine solche Argumentation, so verlockend sie erscheint, ist indessen nur sehr vorsichtig zu gebrauchen.

Aus der Thatsache, dass gerade vorn die Differenzirung der blei- benden Sichel ausgeblieben ist, dass also nicht ein vorzeitiger Still-

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stand in der yon vorn nach hinten fortschreitenden Differenzirung: sondern eine locale Bildungshemmung vorliegt, mfisscn wir die MSg- lichkeit einer localen Ursache fiir die beiden Befunde (die Missbildung der Falx und die Yorw6lbung der linken HemisphS.re) often lassen. Selbst die M5glichkeit, dass ein ungewShnlich starkes Andri~ngen der Hemisphiirensubstanz die Differenzirung einer bleibenden Falx in dem weichen Gewebe der primitiven Sichel hemmend beeinflusst babe, ist nicht ausgeschlossen. Vielleicht h~ttte die Section des Gehirnes hier Aufschluss geben kiinnen; der Wunsch. das seltene Priiparat zu er- halten, liess davon absehen.

Von Interesse erschien es mir, gerade an diesem Gehirne auch die Einzelheiten der Windungsverhitltnisse zu verfolgen. Beobach- tungen yon mikrocephalen und porencephalen Missbildungen zeigen, dass StSrungen in der f6talen Entwickelung nicht nut eine mangel- hafte Ausbildung der Furchung, sondern auch eine ganz atypische Anordnung derselben mit sich fiihren k6nnen. Die vorstehende aus- ffihrliche Beschreibung der Oberfl~tche unseres Pri~parates zeigt nun allerdings einige nicht ganz unwesentlfche Anomalien, s o die unge- wiShnlich seichte Beschaffenheit der Sy lv i ' schen Grube, die etwas schwache Ausbildung des Schlltfenlappens, ferner eine nicht gerade hliufige Anordnung der Scheitelwindungen der linken Hemisphlire. Keineswegs entfernt sich indessen die Anordnung der Furchen soweit von dem normalen, dass man in diesem Falle aus den bestehenden Unregelmlissigkeiten irgend welche Schlfisse ziehen d/irfte. Ich glaube dies um so mehr betonen zu sollen, wail ich an anderen Stellen*) die Bedeutung der Windungsauomalien ausffihrlicher behandelt babe. Die Fortsetzung meiner Untersuchungen hat nichts ergeben, was fiir eiue Specificit2t der Windungsverhi~ltnisse in dem yon Bened ic t**) er- 5rterten Sinne verwerthbar ware, w~thrend a~dererseits das verh~tltniss- mltssig hiiufige Vorkommen atypiseher Anordnungen der verschieden- sten Art an den Gehirnen yon Verbrechern und SelbstmSrdern mir als sicher gestellt erscheint. Gerade zwei yon Herrn S c h w e k e n d i e k * * * )

*) Sitzungsberiehto der physikaliseh-medicinischen Gesellschaft zu Wiirz- burg. Sitzungon veto 31. Januar 1880, 5. M~rz und 29. October 1881. - - Untersuchungen fiber Verbrechergehirno. Wiirzburg. A. S tubo r ' s Verlag. 1882. - - Gogen die Speciflcit~t der yon Benedic t (s. folgende Anmerkung) boschriobenen Befunde gerichtete Bemerkungen finden sich in dam ersten und dritten der citirton Vortrggo.

**) B o n o d i ct, M., Anatomischo Studien an Verbrechergehirnen. Wien~ Braumf i l lo r ' s Verlag. 1879.

***) Schwokondiek, E., Untersuchung an zohn Gohirnon yon Ver-

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auf meine Veranlassnng ausfiihrlich beschriebene Gehirne von Selbst- mSrdern haben in dieser Hinsicht besonders interessante Befunde ergeben. Das vorlicgende Gehirn kann jedenfalls auf Grund der Un- tersuehung der Windungsverhtiltnisse nicht als so wesentlich abnorm angesehen werden, dass wires jenen beiden am'eihen diirften; vielleicht liesse sicil iibrigens gerade dies Gehirn als Paradigma fiir diejenigen F~IIe verwerttten, in welehen nebeneinander Confiuenz gewghnlich getrem~ter Furehen (F. parietalis und parietooecipitalis beiderseits, praeeentralis inferior und i?oss. Sylvii, Praeoeeipitaleinsehnitt, vordere, mittlere und untere Hinterhauptsfurehe rechts) neben Ueberbriiekungen sonst durehgehender Spalten (Temporalfnrehen; S. eallosomarginalis reehts) naeh weisbar sind.

Es w~re voreilig, eine Beziehung zwisehen der Existenz tier be- sproehenen Missbildung des Gehirnes und tier in dem unmotivirten Sclbstmord zu Tage getretenen abnormen Handlungsweise des unter- suehten Individuum zu behaupten. Es ist mir bei der in Folge des mangelhaften, mir zur Zeit zug~tngliehen Lite~aturmateriales, nieht mi~glieh, etwa sehon besehriebene iihnIiehe Funde zu erfahren. Unter allen UmstSnden handelt es sieh um eine seltene Bildung, welehe registrirt zu werden verdient; es ist ferner gewiss nieht unwiehtig zu eonstatiren, dass bei der Untersuchung einer verhliltnissmS.ssig grossen Zahl yon Gehirnen diese ebenso wie mehrere, nieht minder seltene Missbildungen gerade bei Yerbreehern und SelbstmSrdern gefunden worden sind. Erst eine Himfung derartiger Beobachtungen im baufe tier Zeit wird allerdings eine endgiiltige Verwerthung erm0giiehen.

Die Gelegenheit znr UntersuehmJg des seltenen Priiparates ver- danke ieh Herrn Medieinalrath Dr. H o f m a n n in Ilegensburg, fi'fihe- rein Bezirksarzt in Wfirzburg; es ist mir eine angenehme Pfiieht, dem- selben bier zu danken.

brechern unfl SolbstmSrdern. Wtirzbtlrg. S t a h o l ' s Vorlag. 1881. (Auch in ,Verhaudluagett d~r physikaiiseh- medi~inischen Gesellschaft in W(irzburg". N. F. XVI. Bd. S. 243.)