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Zur Elektrolyse geschmolzener Salze. Von G. BODLANDER. 1. Unter der gleichen Aufschrift hat R. LORENZ~ eine kritische Bemerkung bemangelt, die ich einem Referat, uber die Arbeit von SUCHY eingefugt hatte. SUCHY hatte die elektromotorische Kraft von Einzelketten des Typus Zn I ZnC1, geschmolzen I C1, und Pb 1 PbCl, geschmolzen 1 C1, verglichen mit der von ,,Daniellketten" des Typus Zn I ZnC1, geschmolzen 1 PbCI, geschmolzen 1 Pb, und daraus Schliisse auf die Konzentration von Ionen in den Schmelzen abge- leitet. Diese Schlusse schienen mir jeder Begriindung zu entbehren. Gerade weil es so wichtig ist, etwas uber den Dissoziations- zustand der Schmelzen zu erfahren, schien es mir notig, ent- gegen dem im Centralblatt eingefuhrten Brauch, das sachliche Referat mit der kritischen Bemerkung zu begleiten, dal's diese Schlusse auf der unbegrundeten Annahme beruhen, dafs die Haftintensitaten der Ionen von dem Losungsmittel unabhangig seien. Es sollte der Meinung vorgebeugt werden, als wenn wir auf dem yon SUCHY ein- geschlagenen Wege irgend etwas iiber die Konzentration der Ionen in Schmelzen erfahren kihnten. 2. R. LORENZ halt diese Bemerkung fur iiberfliissig, weil er selbst fruher ausgeeprochen habe, dal's solche Schliiese nur Geltung hatten, wenn die Losungsdrucke vom Medium unabhangig seien. Dieser Vorbehalt wird in der Arbeit von SUCHY aber nicht gemacht. Auch die Arbeit, in der LORENZ den Vorbehalt ausgesprochen hat, wird gar nicht zitiert. An einer ganz anderen Stelle wird eine andere Arbeit von LORENZ~ zitiert, die selbst erst ein Zitat aus der 2. anorg. Chrn. 31 (1902), 385. Chew. Cmtrbl. 1901 I, 1189. 2. anorg. Chm. 27 (1901), 152. 2. anorg. them. 19 (1899), 283. 2. anorg. Chem. 22 (1899), 241.

Zur Elektrolyse geschmolzener Salze

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Zur Elektrolyse geschmolzener Salze. Von

G. BODLANDER.

1. Unter der gleichen Aufschrift hat R. LORENZ~ eine kritische Bemerkung bemangelt, die ich einem Referat, uber die Arbeit von SUCHY eingefugt hatte. SUCHY hatte die elektromotorische Kraft von Einzelketten des Typus Zn I ZnC1, geschmolzen I C1, und Pb 1 PbCl, geschmolzen 1 C1, verglichen mit der von ,,Daniellketten" des Typus Zn I ZnC1, geschmolzen 1 PbCI, geschmolzen 1 Pb, und daraus Schliisse auf die Konzentration von Ionen in den Schmelzen abge- leitet. Diese Schlusse schienen mir jeder Begriindung zu entbehren. Gerade weil es so wichtig ist, etwas uber den Dissoziations- zustand der Schmelzen zu erfahren, schien es mir notig, ent- gegen dem im Centralblatt eingefuhrten Brauch, das sachliche Referat mit der kritischen Bemerkung zu begleiten, dal's diese Schlusse auf der unbegrundeten Annahme beruhen, dafs die Haftintensitaten der Ionen von dem Losungsmittel unabhangig seien. Es sollte der Meinung vorgebeugt werden, als wenn wir auf dem yon SUCHY ein- geschlagenen Wege irgend etwas iiber die Konzentration der Ionen in Schmelzen erfahren kihnten.

2. R. LORENZ halt diese Bemerkung fur iiberfliissig, weil er selbst fruher ausgeeprochen habe, dal's solche Schliiese nur Geltung hatten, wenn die Losungsdrucke vom Medium unabhangig seien. Dieser Vorbehalt wird in der Arbeit von SUCHY aber nicht gemacht. Auch die Arbeit, in der LORENZ den Vorbehalt ausgesprochen hat, wird gar nicht zitiert. An einer ganz anderen Stelle wird eine andere Arbeit von LORENZ~ zitiert, die selbst erst ein Zitat aus der

2. anorg. Chrn. 31 (1902), 385. Chew. Cmtrbl. 1901 I, 1189. 2. anorg. Chm. 27 (1901), 152. 2. anorg. them. 19 (1899), 283. 2. anorg. Chem. 22 (1899), 241.

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arsten Arbeit bringt. Es war nicht anzunelinieri, dafs jeder Lcser daraus schlielsen w iirde, dafs SUCEY den friihtxen Voi-behalt aufrecht erhalt, urn so mehr, da er selbst (S. 152) als hypothetisches Element in seinen Schlussen nur die Annnhme ansieht, ,,dafs die Pormel von NERNST auf diese Ketten anwendbar sei, das heifst, dafs fur die Ionen in den Schmelzen die Gasgesetze gelten, woriiber sich bis ,jetzt nichts Bestimmtes aussagen lafst." Die Geltung der Gnsgesetze fur Schmelzen wird man nicht bezweifeln, und dafs sie aucli fur Ionen gelten, wenn solche in Schmelzen vorlianden sind, wird man ohne weiteres zugeben konnen. Aber nicht davon hangt die Geltung der SuCHY'schen Rechnungen in erster Linie ab, sondern yon der Richtigkeit der Annahme, dafs der LGsungsdruck eines Stoffes vom Medium unabhangig ist. Diese Annahme hat nicht die geringste Wahrscheinlichkcit fur sich. Alle Thatsachen beweisen das Gegenteil, d. h. die ungeheure Verschiedenheit der LGslichkeit der Stoffe, Molekiile wie Ionen, in verschiedenen Medien, wozu fiir die Ionen noch der Einflufs der Dielektrizitatskonstanten hinzukommt. Die Schliisse, die SUCHY gezogen hat, schweben vollstandig in der Luft; sie besitzen nicht die geringste Wahrscheinlichkeit. Es mufste dem widersprochen werden, dafs SUCHY ganz ohne Vorbehalt das Resultat angiebt: ,,Es hat sich ein Einblick in die Dissoziationsverhaltnisse des geschmolzenen Chlorsilbers gewinnen lassen; demnnch betragt der Disaoziationsgrad dieses Salzes a5zo 1 7 O/o, oc640 28 a,3o 60 o/o.'(

Trotz des friiher ausgesprochenen Vorbehaltes scheint nuch R. LORENX die Schlufsweise von SUCHY fur streng bindend anzusehen, da er in seiner Kritik meiner Bemerkung angiebt, dafs jener Vor- behalt ,,fur die von ihm (SUCHY) erhaltenen Resultate vollstandig gleichgiiltig ist." Danach kann ich es auch jetzt noch nicht fur uberflussig ansehen, auf jenen Vorbehalt hingewiesen zu haben.

3. Die einzige Moglichkeit iiber das Verhalten djeser Ketten etwas a priori auszusagen, bietet ihre thermodynamische Betrachtung. Diese fuhrt aber zu einem Ergebnis, dafs dem von SUCHY experimentell gefundenen entgegengesetzt ist. Schalten wir die beiden Ketten:

Zn I ZnC1, I C1, P b I PbCI, 1 C1,

E. M. K. = El E.M.K. = E,

gegen eiiiander, so entspricht die E. N. K, e, = El - E, der freien Energie der Reaktion :

Zn + PbCl, = ZnC1, + Pb.

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Wahrend hierbei sich in der Schmelze von Zinkchlorid ein neues Molekul Zinkchlorid bildet, zerfallt in der Schmelze von Bleichlorid ein Molekiil dieser Verbindung. Wenn die Daniellkette

Zn I ZnC1, I PbCl, I Pb

die fi2.M.K. e2 liefert, so entspricht auch diese dem Vorgang

Zn + PbC1, = ZnC1, + P b

und es miilste demnach e, = e, sein, wenn sich auch hier das Zink- chlorid in der Schmelze des Zinkchlorids bilden wiirde. In Wirk- lichkeit kommt hier noch ein zweiter unter Entbindung von freier F’nergie, also im Element unter Vermehrun? der elektromotorischen Kraft erfolgender Vorgang hinzu. Es lost sich an der negativen Elektrode Zink, an der positiven scheidet sich Blei aus. In der ersten Schmelze berrscht deshalb ein Mangel, in der zweiten ein Uberschuk an Chlor. Wiirde sich der Ausgleich nur so vollziehen, dals nur das Chlor aus der Bleichloridschmelze in die Zinkchlorid- schmelze wandert, so hatte sich beim Durchgang von 2 x 96540 Coulomb ein Grammmolekiil Chlorzink aus einem Atom geliisten Zinks und zwei Atomen heriiber gewanderten Chlors in der Chlor- zinkschmelze gebildet. Gleichzeitig ware ein Grammmolekiil Chlor- blei auf der anderen Seite in Chlor und Blei zerfallen. Die Re- aktion ware also genau dieselbe wie in den gegen einander ge- schalteten Einzelketten; also ware e1 = e2. Indessen ist es durchaus unwahrscheinlich, dals nur durch die Wanderung des Chlors der Ausgleich erfolgt.

Wenn der Mangel an Chlor in der einen, der Uberschuls davon in der zweiten Schmelze sich dadurch ausgleicht. dals Zink aus der ersten Schmelze in die zweite tritt, so erfolgt wieder die Reaktion:

Zn + PbCI, = ZnC1, + Pb.

Das Zinkchlorid bildet sich jetzt aber nicht in der Zinkchlorid- schmelze ? sondern in der Bleichloridschmelze. Zur chemischen Energie kommt noch die der Auflosung des Zinkchlorids im Blei- chlorid hinzu. Diese ist jedenfalls positiv, da der Vorgang der Ver- mischung beider Schmelzen von selbst verlaufen kann, also Energie liefert. Ob er vie1 oder wenig Energie liefert, hangt von der L6s- lichkeit der einen Schmelze in der anderen ab und liefse sich be- rechnen, wenn man die Dampfspannung des Zinkchlorids aus der reinen Schmelze und aus der gemischteri Schmelze kennen wiirdr.

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Nur wenn beide Schmelzen sich gar nicht niischen wiirden, ware die Energie Null. Wenn Mischung eintritt, tritt die Energie des Mischungsprozesses zur clieniischen Energie des Umsatzes zwischen Zink und Bleichlorid im Daniellelement hinzu und dessen elektro- motorische Kraft mufs deshalb h o h e r sein ;tls die Differenz yon El - E2. Der Ausgleich zwischen dem uberschussigen Metal1 auf der einen, dem Chlor auf der anderen Seite vollzieht sich in Wirk- lichkeit so, dafs das Metal1 hinuber, das Chlor heriiber waiidert. I n jedem Falle wird ein, vielleicht kleiner, Teil des Zinkchlorids in die Bleichloridschmelze ubergefiihrt und die E~.M.Ii . der Daniell- kette mufs deshalb g r o f s e r sein als die Differenz der E.M.K. der Einzelketten.

Wie es zu erkliiren ist, d a k SUCHY durchweg das Gegenteil beobachtete, liifst sich nicht angeben. Jedenfalls mussen noch Neben- vorgange unbekannter Natur eine Rolle hierbei spielen. Auch wenn wir die Losungsspannungen der Metalle untl des Chlors in den Ychmelzen kenneii wurden, wiirde schon unserc Unkenntnis dieser Nebenvorgange eine Herechnung von Dissoziationsgraden unmoglich machen. - Was fur die besprochenen Ketten gilt, gilt auch fiir die Konzentrationsketten Silber I Chlorsilber rein I Chlorsilber in Chlorkaliuni-Chlorlithiumschmelze 1 Silber I . I)ie vollige Verschieden- heit des Chlorsilbers und des Chlorkalium-Chlorlithiumgemisches als Losungsmittel macht eine Berec,hnung der 1)issoziationsgrade aus der E.M.K. der Kette zunachst unmoglich.

4. Die Nrkennung des molekularen Zustaiides der elektrolytisch leitenden Schmelzen ist eine wichtige Sufgal)e, zu deren Liisung neben GABHARD Lomm und seine Schiiler Vorarbeiten von grol'sem Interesse geliefert haben. Es ware zu bedauern, wenn durch irrigc Grundanschauungen diese Untersuchungen in cine falsche Rahni ge- langen wurden. Auch wenn man sich im Zuricher elektrochemischen Lxboratorium immer cier Unsicherheit des Fundamentes der hier besprochenen Spekulationen und Berechnungen bewurst gewesen sein sollte, konnten doch andere Untersucher durch die Bestimmtlieit der sogenannten Schlufsfolgerungen in falsche Bahnen gedrangt werden. Das zu verhiiten, war der Zweck meiner gelegentlichen kritisclien Hemerkung und dieser ausfiihrlicheren Begrundung.

Braunschweig, Elektrochm. Laboratoriuna der teehnischetz Hoehschule.

Bei der Redaktion eingegangen am 26. Juli 1902.