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,J. Meyer. Zur Erkenntnis der Vawlinsurwe. 32 1 Zur Erkenntnis der Vanadinsiiure. Vori Jr:r,rvs EYER. (Unter teilweiaer Benubung der Dissertation von ANTON PAIVLETTA.) Mit einer Figur im Text. Das Vanadinpent,osyd ziihlt inan zu den in Wasser schwer- loslichen Stoffen. Anderemeits neigt es aber zur Bildung kolloider Lijsungen von merklicher V,O,-Konzentrtbtion, die schon lange dus Interesse der Chemiker erregt haben. Es ist nun euBerordentlich uberraschend, daI3 man das unliisliche Vanadinpentoxyd mit Hilfe ron Wassorstoffperoxyd eu einer wiiBrigen Losung von recht be- t.r&chtlicher Konzentration zwingen kann, die je nsch dem Vanadin- gehalt braungelb bis sattgelb aussieht und die infolge der kata- lytischen Wirkung des Vmadins buld vollutiindig frei VOII H,O, ist,, Diese merkwurdige losende Wirkung des %O, auf Y,O, ist zuerst von CAYMERER~) beobachtet worden ; dann hat sich PISBAR- JEWSKI 2) und schliel3lich vor allem DULLBERG a) darnit beschiiftigt, ohne deB aber einer von ihnen den eigentumlichen Mechanismns dieser ungewiihnlichen Heaktion aufklaren konnte. fifittels der C ~ M M E R E R ’ s ~ ~ ~ ~ Heaktion ist man also in der er- freulichen Lage , sioh trotz der Unloslichkeit des V,O, wiSrige Vanadinpentoxydlosungen herzustellon, die allerdings von nur 1) p e w t e r Lebensdauer sind und die sich schon durch ihre E’arbe von den blutrot,en kolloiden V,O,-Losungen unterscheiden. Zur He- reitung oiner Liisung, dio in bezug auf funfwertiges Vanadin 0,02-n ist, versetzt inan 0,Ol Mol gleich 132 g V,O, in einern Literkolben mit etwa 80 cm3 destilliert.em Wasser und mit 20 em3 &mcK’schem I’erhydrol, worauf der Kolben in kaltes Wasser gesetet wird. Des von uns verwendote V,O, war aus kiiuflichem dmmoniunimeta- vansdat duroh starkes Erhitzen und Abrauchen mit einigen Tropfen rauchender Salpetersaure dargestellt worden und loste sich in un- Awfahr einer Stunde ad. In der so ent.sta,ndenen Losung ztmetst, I) Chm-Ztg. 15 (1890), Nr. fi4. *) 2. phys. Chem. 48 (1903). 173. Z. php. Chem. 46 (1904), 175. a morg. u. ug. Chem. &1. 161, 21

Zur Erkenntnis der Vanadinsäure

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Page 1: Zur Erkenntnis der Vanadinsäure

,J. Meyer. Zur Erkenntnis der Vawlinsurwe. 32 1

Zur Erkenntnis der Vanadinsiiure. Vori Jr:r,rvs EYER.

(Unter teilweiaer Benubung der Dissertation von ANTON PAIVLETTA.) Mit einer Figur im Text.

Das Vanadinpent,osyd ziihlt inan zu den in Wasser schwer- loslichen Stoffen. Anderemeits neigt es aber zur Bildung kolloider Lijsungen von merklicher V,O,-Konzentrtbtion, die schon lange dus Interesse der Chemiker erregt haben. Es ist nun euBerordentlich uberraschend, daI3 man das unliisliche Vanadinpentoxyd mit Hilfe ron Wassorstoffperoxyd eu einer wiiBrigen Losung von recht be- t.r&chtlicher Konzentration zwingen kann, die je nsch dem Vanadin- gehalt braungelb bis sattgelb aussieht und die infolge der kata- lytischen Wirkung des Vmadins buld vollutiindig frei VOII H,O, ist,, Diese merkwurdige losende Wirkung des %O, auf Y,O, ist zuerst von CAYMERER~) beobachtet worden ; dann hat sich PISBAR- JEWSKI 2) und schliel3lich vor allem DULLBERG a) darnit beschiiftigt, ohne deB aber einer von ihnen den eigentumlichen Mechanismns dieser ungewiihnlichen Heaktion aufklaren konnte.

fifittels der C ~ M M E R E R ’ s ~ ~ ~ ~ Heaktion ist man also in der er- freulichen Lage , sioh trotz der Unloslichkeit des V,O, wiSrige Vanadinpentoxydlosungen herzustellon, die allerdings von nur 1) p e w t e r Lebensdauer sind und die sich schon durch ihre E’arbe von den blutrot,en kolloiden V,O,-Losungen unterscheiden. Zur He- reitung oiner Liisung, dio in bezug auf funfwertiges Vanadin 0,02-n ist, versetzt inan 0 , O l Mol gleich 132 g V,O, in einern Literkolben mit etwa 80 cm3 destilliert.em Wasser und mit 20 em3 &mcK’schem I’erhydrol, worauf der Kolben in kaltes Wasser gesetet wird. Des von uns verwendote V,O, war aus kiiuflichem dmmoniunimeta- vansdat duroh starkes Erhitzen und Abrauchen mit einigen Tropfen rauchender Salpetersaure dargestellt worden und loste sich in un- Awfahr einer Stunde ad . In der so ent.sta,ndenen Losung ztmetst,

I) Chm-Ztg . 15 (1890), Nr. fi4. *) 2. phys. Chem. 48 (1903). 173. Z. p h p . Chem. 46 (1904), 175.

a morg. u. ug. Chem. &1. 161, 21

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sich das H,O, infolge des katalytischen Einflusses der V-Salze Nebr rasch unter 0,-Entwicklung und ist nach ungefahr 8 Stunden vollstandig verschwunden. Nach dem Auffullen hat man dann eine gelbe Losung einer VanadinsGure, die D~LLBERG fruher als ,,Hexav&nadinsiiure, H,V,O,," bezeichnet hat. Bei unseren Unter- suohungen uber die sogenannte Pervanadinskure') erhoben sieh indessen bei uns starke Zweifel an der Richtigkeit der D~LLBERG- schen Annaltme, die allerclings bisher ziemlich widerspruchslos hin- genommen ist. Wir haben uns claher im folgenden mit der Frage besohaftigt, weIche chemischen Umsetzungen der geschilderten Auflosung des V,05 durch H,O, zugrunde liegen und in welchem Zustande das geloste V,O, oder die daraus entstandenen Hydrate sich in der gelben Losung befinden. Die Beantwortung der zweiten Frage sei hier vorweggenommen.

I. iiber den Zustand des gelasten ~anadinpentoxyda. Sehr bemerkenswert ist die geringe Haltbarkeit der ,,Hexa-

vanadinsiiurelosungen". Sie werden alImahlich trube und scheiden feinverteiltes V,05 oder ein Hydrat aus. Die Abhangigkeit der Halt- barkeit der Losungen von der Konzentrstion geht aus folgender Tabelle 1 hervor, die sich auf Zimmertemperatur bezieht.

Tabelle 1. - _____- - __

0,Ol-n. Haltbarkeit ca. Tag 1 3 Tage 50 Tage I cinige Mon. Konzentration 0.1 1 0,05 I 0,025 I 0,OZ

Dieses unbestiindige Verhalten weist dsrauf hin, dal3 wir es in den sogenennten Hexavanadinsiiurelosungen mit Systemen zu tun haben, die nicht stabil sind, sondern sich in einer allmahlichen Umwandlung befinden.

Weiterhin fie1 uns auf , daB unsere Werte der Leitfiihigkeit dieser Losungen sich erheblich van der DuLLBER(:'SCheR unterschieden, wahrend die Leitfahigkeitswerte fur NaVO, und Na,VO, bei uns ilnd bei DULLBERG sehr gut ubereinstimmten, so dab merkliehe Fehler bei den Messungen wohl ausgeschlossen waren. Sehr auffallend war dann noch die Anderung des Leitvermogens der Losungen innerhalb weniger Stunden. So sank die spezifische Leitfahigkeit einer frisch bereiteten 0,025-n ,,Hexavanadinsiiure"- Losung bei Zimmertemperatur von x = 0,002054 nach 24 Stunden

JUL. MEYE% u. A. PAWLETFA, 2. angem. Chem. 39 (1926), 1284; 2. p h p . Chem. 126 (1927), 49.

10 Tage

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Z i w Erkenntnis de-r Vanadamawe. 323

auf 3c = 0,001 951 ; diejcnigc: eincr 0,Oe-n-Lijsung von 0,001 ti40 auf 0,001 Q26.

Auch der Ubergang der Farbe der Liisungen von Braunrot; nach Gelb heim Vcrdiiniien von O,05-n und O,Ol-n, eine Veriinde- rung, dic sicli nicht nllein auf die Intensittit, sondrrn auch auf den Charakter der Farlie erstreckte, Ties auf cine allmiihlich vor sich gehentle Veriinderung in der Iionst#itutiori des gelosten Stoffes, tler T:a.nadinsiiure, hin.

Die Tatsache, da.13 sicli Liixungen gleicher Vanadinkonzentra- tion und gleicher Vorgescchichte in ihrer Leitfiihigkeit. hiinfig mcrk- lich vonrinander untorscheiden, deiitet ebenfalls dartiuf hin, da13 sich ein und dasselbe Vunadinsiiure -Wassersystem in verschie- denen Phciscm der Umwaridliing befindet.. Rs ist demnech wohl Sichtfr, defi die C ~ n r N ~ ~ ~ n ' s c h e n Loaungen kcinem Gleichgewichts- zustand enteprechen, sondern sich so lmge in einer Uxnwandlung befinden, bis das Vansdinpentoxyd wieder ausgeschieden ist. So- niit, sind wir gezwungen, die DuLLBERc;'Sche Annahmc der echten Lijsung einer Hexavanadinsiiure abzulehnen.

An aridercr Stclle haben wirl) nachgewiesen, da13 sich aus dtwi iirsp,riinglichctn V20, durch H202 cine unxweifelheft echte kri- stalloide Liisung der gut leitenden peroxydierkn Orthovanadinsiiure, H3[V(02)03] bildet, die dam unter Abspaltung von 0, in die er- heblich wenigor gut leitende sogenannte ,,HexavanadinsBure" ubor- gcht. These scbliefilich wandelt sich in die schwach lsitende, kol- loide Phase des V205 um. Fiir die Annirhnie einer &~gangsstiife zwischen kristalloider und kolioider Liisung lHBt sich t:in Teii des bisherigen Beobachtungsmaterialu auswerten, z. B. die IJiislich- keits- urid Leittiihigkcitsmessungen. Obwohl V,o, nach EPHHAIM 2,

jin Wasser nur a16 Kolloid liislich ist, hat W. RILTZ~) bereits im Jahre 1904 festgestellt, daR him der Disperaitiitsgrad des V,O, die Grenze tler ultramikro3kopischen Aufliisbarkeit unterschreitet. Neuerdhgs isit die Vnt8ersuchung der Loslichkeit dcs V20, wieder aufgenoinnien worden. Kacli WEGELIN 4) losen sich im Liter Sllasser 0,91 g V20,, nach FRETXDLICH und LEONHARDT~) 0,45 g, nach OST!ERXANX~) 0,00774,0020 g, und nach GESSXER') 0,9-1,25 a.

') Z. phys. Cltem. 1% (1927), 49. *) Anorgan. Chem., Dresden, 2. -4ufl. S. 374. ') Kachr. GBtt. Gu. 1Yiw. 1!)04, 1. ') Kollvid.-Zcituctir. 14 (1914). 65. 5 , Kolloidcllem. Beihefte 7 (1915), 172. e, lf'is~. u. Zndicstrie 1 (1922), 17. I ) h'olloidcheaz. Beiltefte 19 (1924), 217.

21 *

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324 J. Meye?..

- ____ - - - _ _ . . . . _ - - - - - - _ _ 24 0,GS

0,215

Die auffiillig kleinen Werte von O s m ~ ~ ~ a s h - fallen heraus, de nacli GESSNEH der ZeiteinfluB von OSTERMIANN nicht geniigenci beachtet worden ist. Each den sehr sorgfiiltigen Messungen GESSKER'S untl auch WEGELIN'S ent.spricht also einer Liivung bis zur Konzentration von 0,009894,0139, im lhrchschnitt also 0,Ol-n in bezug anf Vanadin, einem rein molekularen Losungszustand des V,O,.

1st ferner die Annahme richtig, ds6 man bei ausrcichender Zeit und bei gleicher Verdiinnung zum selben Gleichgewichts- zustand kommt, einerlei, ob man vom V,O,-Hydrosol durch Ultra.- filtration oder ob man vom System [V,O,fH,O,\ ausgeht, d a m darf man auch eine angemessene Obereinstimmung zwischen deri Leitfiihiglieitswerten derartiger Losungen erwarten. wie sie auch folgende Zusamruenstellung tat,s&chlich zeigt. :

1. Werhe nach GESSNER: Tabelle 2.

I

0,002943 I 3,12-10-' 0,008022 1 3.25-10-'

Liisnng Kr. 1 g V,O, i. Lit. I n I Specif. Leitf. Molar0 Leitf. __ ___ . .

106 107,s 10'2,6 101,9 94,64

2. We&e naCh OBTERMANN:

a) Ultrafiltrat des Hydroeoh A, durch Aufkochen von ,,PervitnadiminreL'

b) Ultrafiltret des Hydrosols B, naoh W. Bum bereitet: 0,156 gjLiter =

Die Leitfiihigkeitswerte der vori uns selbst aus Vanadinpent- oxyd mittels Wasserstoffperoxyd erhaltcnen sogsnannten ,,Hem- vanadinsiiurelosungen" sind in Tabelle 3 enthalten, in der I: dir Aquivalentverdunnung in Litern ist.

Tabelle 3.

bereifet: 0,44 g/Liter = 0,004835-n ; x = 4,833.10-4; A = 99,s.

0,001358-11; x = 1,27-10-4; A :: 93334.

0,005571 I 55,B I I

Alle drei Untersuchungen zeigen dernnach in bezug auf die Leitfahigkeit eine recht befriedigende ll'bereinstimmung, und daraus

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ergibt sich, daB man zu denselben Gleichgewichtszustanden kommt, unabhiingig davon, ob man ein V20,-Hydrosol durch Ultrafiltration in eine molekulare Losung verwandelt oder ob man festes V,O, mittels H,O, zur Losung zwingt. Hierdurch verliert aber die DULL- BERG'SChe ,,Hexavanadinsaure" die Berechtigung einer Sonder- stellung. Aus alledem diirfen wir schlieBen, daB die molekulare Losung des V,O, in Wasser unterhalb der Konzentrationen n/0,01 einen Gleichgewichtszustand und eine echte Liisung darstellt. Dies wurde ubrigens aucli durch die makroskopische Reobachtung der Triibungs- und Busflockungsgrenzen der ,,Hexavanadinsaure- liisungen" bestgtigt, die sich zu 0,Ol-n bis O , O h ergaben. DaB das System unterhalb dieser Grenze kristalloiden Charakter besitzt, geht auch daraus hervor, daB derartige Losungen ihre Leitfiihig- keit nicht andern, wenn sie mit H202 behandelt und d a m von diesem wieder befreit werden.

Fur konaentriertere Losungen der sogenannten Hexavanadin- saure ist die Annahme von fjbersattigungserscheinungen notwendig. Denn es stellt sich meistens nach kurzer Zeit, schneller noch durch Temperaturerhohung, der zur jeweiligen V205-Konzentration ge- hiirige Gleichgewichtszustand zwischen dem molekular und dem dispers gelosten V,05 her. Wenn die Verdunnung der konzentrierten Losung sofort nach der Zersetzung des H202 vorgenommen wird, so erfolgt die Bufhebung des ubersattigten Zustmdes ohne Aus- scheidung von V,O,.

Aus alledem geht hervor, daB der innere Zustand einer Vanadin- siiurelosung trotz gleicher BuBerer Bedingungen verschieden sein kann. Bei Angabe der Leitfahigkeitswerte einer derartigen Losung mu6 man demnach zur genaueren Definition derselben nicht nur illre augenblickliche Konzentration, sondern auch ihre Vorgeschichte, ihr Alter und die Brt ihrer Zubereitung, ihre Temperatur usw. angeben.

Aus dern vorhergehenden ergibt sicht, daB wir es in der CAM- MERER'SChen Losung kaum mit einer Hexavanadinsaure, H4V601,, zu tun haben und es erhebt sich die Frage nach der Art und Kon- stitution der in diesen waBrigen Losungen enthaltenen Auflosungs- produkte des V,O,. Wir wollen den molekulargelosten Anteil als ,,Isopolyvanadinsiiure" bezeichnen, urn dadurch die Schwierig- keit einer eindeutigen Definition und den Unterschied von der bis- herigen Auffassung ihrer Konstitution hervorzuheben. Die Be- meisfuhrung BULLBEIGG'S fur die Richtigkeit der Formel H4V601,

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326 J. &35$3T.

ist nicht ganz stichhaltig, wie schon die Leitfahigkeitsschwankungen dieser Losungen in Abh&ngigkeit von ihrer Vorgeschichte beweisen. Denn diese Schwankungen verraten dieurnwandlung der gelosten Saure innerhalb der Losung und damit die Verschiebung des Gleichgewichts- sustandes xwischen mehreren Sauretypen. Sodann ignoriert DULL- BERG viele kristallisierte Vanadate, deren Basengehalt unterhalb des Verhaltnisses Me:V = 1 : 1 liegt und die bei den Hexavanadaten nicht unterzubringen sind. Auch die Deutung der DuLLBERG'SChen Neutralisationskurven der schwachen Hexavsnadinsaure macht grol3e Schwierigkeiten. Es ist nicht ausgeschlossen, daB sich das Bild der Neutralisationskurven unter vergnderten Versuchsbe- dingungen erheblich verandert. Auch GESSNER spricht sich fur die Mogiichkeit des Auftretens niehrerer kondensierter Vanadin- sguren in den vorliegenden Losungen aus.

DaB wir es bei den yyIsopolyvanadinsiiuren" mit groBeren Komplexen xu tun haben, zeigt die Beobachtung von JUL. MEYEX. und A. PAWLETTA, daB die Einwirkung von Schwefelsaure auf diese Vanadinsaurelosungen nicht augenblicklich erfolgt, sondern langere Zeit in Anspruch nimmt. Denn die sattgelbe Isopoly- vanadinsiiurelosung wird durch H,SO, nicht momentan entfarbt, sondern erst im Verlaufe mehrerer Minuten in die blaBgelbe Losung des Vanadansulfats, (VO),(SO,),, verwandelt. Im engsten Zu- sammenhange mit dieser Zeitreaktion steht dann die Beobachtung, daB die bekannte RotbraunfBrbung der schvTefelsauren Vanadin- siurelosungen durch H,O, nicht sofort eintritt, sondern erst nach Ablauf der soeben erwahnten Zeitreaktion. Die Aufspaltung der komplizierteren Isopolyvanadinsauremolekel in die einfachen Mole- kiile erfordert eben eine gewisse Zeit.

Einen Einblick in die Konstitution der Isopolyvanadinsiiure haben wir durch Beobachtung der Farbanderungen und der Leit- fiihigkeitswerte der Systeme [Isopolyvanadinsaure + H,SO,] und [ Isopolyvanadinsaure + H,0,] erhalten konnen.

Die Verfolgung der Farbverhaltnisse der vanadinsaurehaltigen Losungen und ihre Bnderungen unter dem Einflusse von Sauren und Wasserstoffperoxyd hat uns schon bei unserer Untersuchung iiber die sogenannte PervanadinsiLure, HVO, erkennen lassen, daB die bekannte rotbraune Farbung mit H,O, zuin Nachweis von Vanadin in schwefelsauren LZisungen nicht auf die Bildung von HVO,, sondern auf das Auftreten eines Peroxovanadansalzes, [V(O,)],( SO,), mit kationischem Vanadin auruckzufuhren ist,. Im weiteren Ausbau

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Zur Bknntnds dw Vanadinsawe. 327

dieser Erkennhis glauberi wir nun die weitere Annahme durch- fuhron zu kiinncn, daB die VanadinsHuren nnd vanadinsauren Salze, in donen das fiinfwertige Vanadin niir als Anion vorliegt, durchweg ungefarbt sind, wa.hrencl die Vanadinsalze mit funfwertigem Vanadin als Knt,ion gelb his rot gefiirbt sind. Tatsiichlich sind ja auch dic Anionen YO3', VO,"' und VzO,f"f sowohl in wallrigen Lijsungen, wie auch in Form von festen Salxen durchweg farblos. Im Gegensatz d a m weisen die Vanadansalze VOCl,, (VO),(SO,), usw. ausgesprochene gelbe bis rotbraune Farben auf. Wenn nun a180 Vanadinsauren, wie x. n. unsere Isopolyvanadinsaure gelb gefarbt sind, so diirfte diese Fiirbung darauf auriickzufuhren sein, daI3 ein Teil des funfwertigen Vanadins eben nicht als Anion vorhanden ist, sondern basivche E'unktionen ;tusiibt, dal3 wir es also mit einerri Va.nadansalz ciner VanadiriGure zu t,un haben. Die sogenannten Isopoly\ransdin~uren, die ja gelbe Losungen liefern und such im festen Zustande als V205 oder als V,O,.xH,O gelb his orangegelb gefiirbt sind, besitzen also nach nnserer Anschaunng a.ls Vanadan- vanadatn salzartigen Charakter.

Ein derartiges zwit,terha.ftes Verhulten ist bei der Vanadin- sLure nur desha.lb moglich, weil sie eine sehr schwache Saure ist und darf euch bei anderen schwachen Sauren oder schwachcn Basen envartet werden. Wir kijnnen unsere bnschauung noch an zwei Heispielen belegc?n.

Das sechswertige Chrom ist als Anion, x. B. in den Chromaton, gelb geflrbt, als kationischer Bestandteil aber, z. B. im Chromyl- chlond, CrO,Cb, uusgesprochen rotbraun. Die rotbraune Farbe der Bichromskure und der snderen IsopolychrornsLuren ist dann derauf xuriickeufuhren, daI3 diese Verbindungen salzartigen Cha- rakter uiit gelbem anionischeni und rotbraunem kat.ionischeIn sechs- wertigem Chrom besit,zen. Die rotbraune Farbe des gelosten Chrom- sgureanhydrids, CrO,, crkliirt sich so durch die Anwesenheit von Chromylchroniat, CrO,. CrO,. In viilligcr beroinstimmung rnit diesem Gedanken liil3t sich auch die rotbraune Farbe der Verhin- dungen zwischcn Chrornsliureanhydrid und konzentriert.er Schwefel- und Selondure ') erklgren. .inch hier bilden sich Chroniylsulfste, bzw. Chromylselenate.

Ein vielleicht noch interessanteres Beispiel fur unsere These bietet das Selendioxyd, das bekanntlich in farblosen Kristallen auftritt, aber cincn gelbgriinen Dampf liefert, dor beim Abkuhlen

I) JUL. XRYER u. V. S ~ a ~ ~ c z s v , Z. a m g . YL. a&. Chm. 192 (1922). 1.

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328 J. Neyer.

wieder zu farblosen Kristallnadeln erstarrt. Die wohl gelegent- lich geauBerte Vermutung, daS die gelbgriine Farbe des Selen- dioxyddampfes auf eine thermische Dissoziation in Sauerstoff und elernentares dampfformiges, gefarbtes Selen zuruckzufuhren sei, ist wenig wahrscheinlich. AuBerdem stellen JUL. MEYER und M. LANGNER~) fest, daB sich das feste farblose SeO, im zugeschmol- zenen Kapillarrohr unter Druck zu einer orangegelben Flussigkeit niederschmelzen lBBt, die beim Abkuhlen wiederum farblos erstamt. Noch interessanter sind aber die Losungserscheinungen des Selen- dioxyds, das in Wasser und Alkalien sich farblos auflost. In kon- zentrierter Schwefel- und Selensaure aber geht es vor allem in der Hitze gelb in Losung, um beim Erkalten an Intensitat zu verlieren. Als Saure wad als Anion ist das Selendioxyd demnach farblos, als basischer Bestandteil aber gelb gefarbt, da in den konzentrierten Schwefel- und Selensaurelosungen hochstwahrscheinlich ein Belenyl- sulfat, SeO- SO,, und ein Selenylselenat, SeO. SeO,, vorliegt, die den1 ebenfalls gelblichen Selenylchlorid, SeOCl,, entsprechen. Wenn das farblose Selendioxyd nun eine orangegelbe Schnielze liefert, so darf man wohl annehmen, daB darin ein Selenylselenit, SeO. Se0, = (SeO,),, vorliegt und moglicherweise ist eine derartige bimolekulare Verbindung auch im Selendioxyddampf enthalten und verleiht diesem die gelbgriine Farbe.

Diese Betrachtungen am Chromtrioxyd und am Selendioxyd bestgtigen also in sehr emiinschter Weise unsere Annahme, dal3 wir es in der Isopolyvanadinsaure mit grol3eren Molekeln von salz- artiger Struktur zu tun haben, in denen das funfwertige Vanadin sowohl als farblose Siiure als auch als gefarhte Base auftritt.

Unsere Annahme wird aber auch noch durch Untersuchungen der Leitfahigkeit im System [Isopolyvanadinsaure + I3,O.J be- statigt und erganzt. Versetzt man namlich eine reine Isopoly- vanadinsiiurelosung mit etwas reinem Wasserstoffperoxyd, so steigt ihr Leitvermogen mit der Zeit an, um nach Durchlaufen eines Maxi- mums allmahlich wieder zuul niedrigen dnfangswert zuriickzukehren. Hiermit gehen die hderungen der Farbe parallel, indem die satt- gelbe Fsrbe der urspriingliclien Isopolyvanadinsiiurelosung all- mahlich heller wird, um zugleich mit dem Leitfahigkeitsmaximum durch ein Farbminimum hindurchzugehen. Von nun an geht die Farbe mit sinkender Leitfahigkeit in Rot, iiber, das dann allmiih-

l ) Bed. Ber. 60 (1927), 285.

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Zur Epkenatnds der Vanadimaure. 329

lich wieder sattgelb wird, woniit aiich wieder das ursprungliche Ileitvermogen erreicht, ist. Reachtenswert ist,, daB der H,O,-Ge- halt wahrend dieser i4nderungen immer geringer wird und daB der arspriingliche H,O,-freie Zustantl tler IsopolSvanadiiisiiurclijPlmC: xum SchluB wieder hergestellt ist.

Die Leitfzhigkeit des Systems [Isopolyvanadinshure + H20J hhngt demnach von zwei Veriinderlichen ab, von der Beit iind von der H,02-Konzentration.

Zur Aufkliimng dieser \'erh&ltnisse':wurden in 11 Versuchmihen jedesmal 50 cniG einer 0,02-n. Isopolyvanadinslurel~una, die nach (?AMXEXER hergestellt war, mit wechx:lnden Mengen H,O, gemkcht und mit dcst. Wasser auf 100 cma rrufgefiillt, so duB dielLijaung in bexng au f Vunadin stets 0,Ol-n. wren . Die rinfangskonzentration an H,O, lag zwischen 0,002 und 0,700-n, XI daB das Mischungverhiiltnis 1' : H,O, yon 1 : 0,1 bis 1 : 85,3 s t i g . Die Elektroden der LeitfiihigkeitsgefSiBe bestanden aus Platin, ohnohl dieses Metal1 die katalytische 7~reetzung dw H202 beschleunigt. Tndessen war dies nicht weiter sttirend, da der H,O,-Gehalt dw L&nngen xu beatimmten Zeiten durch Titration g e g n KNnO, hwtimmt wurde. Aus unserem hbachtungsmater ia l sei hier die Ver- suchsreihe 6 wicdergegeben , bei der das Anfangwerhiiltnis V : H,O, - - 1 : 2.7 var. Unter a stoht die Nr. der Mesaung, die zur Zeit b vorgenommen wwrde, c iat die gefundene spezifische Leit.f&higkeit X , d das iur &it b titrimetrisch Iwstimmte Verhiiltnis V: H,O, und unter e finden wir schIieBlich die zu dieeer 7kit hcmbachtetc? Farha der Ltixiinp;.

Tabelle 4. (Veimchsreihe VL)

1 1 - -

4 1 3 80

, _ - 45 :I I 2 25

5 1 5 50 6 ; 7 55 7 ' 9 55 H I 14 20 9 I 16 10

10 I 18 10 11 20 30

I

.I

0,0009562 0,001659 0,002055 0,002284 0,002585 0,002778 0,002928 0,003150 0,003176

0,003112 0,005095

I, . MEVE

... ...

d

I : 2,i

1 : 2,6

1 :2,52

1 : 2,43

1 : 2;2

1 : 2,15

..

e

sattgelb

a a

._

bo - c 0 e

hellste Gelbfllrb, Beginn d Rotfiirb.

4

.-. -

18 19 20 21 22 23

d - - -.

1 : e:o 1 : 1,9

1 : 1.6 51 30 ! 0;001240 55 30 ' 0,001183 69 30 ~ 0,001118 94 - I 0,001015 1 : 0,63 12s - I 0,009972 i i:o,45 20 Std. 1 0,0009658 1 : 0

I

haben die 11 Versuchsreihen, die in Fig. 1 graphisch wiedergegebcn sind, in ihrer Untersuchung uber die sogenannte Pervanadinsaure eingehend rrortert und ge- zeigt, daI3 den1 Maximum der Leitfahigkeit und darnit zugleich dern hell~t~eri Ftwbton dtls Auftreten einer peroxydierten Ortho- \-anadins%urc., H3[T7(O2)o3] = H,VO,, entspricht.

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330 J. NeyfT.

Die Kurve VI, deren Zahlen wir in Tabelle 4 wiedergegeben haben, lehrt uns, daB auch die Bildung der hellgelben Peroxovana- dinsaure eine gewisse Zeit erfordert. Diese langsame Bildung ist wiederum ein Beweis dafiir, daB das Ausgangsmolekul, die Isopoly- vanadinsaure, ein groBeres Molekiilaggregat ist, dessen Aufspaltung in Einzelmolekule Zeit erfordert. Von Miiehtigkeit ist nun die Be- antwortung der Frage nach der Rotfarbung, die nach dem Leit- fiihigkeitsmaximum mit fortschreitender Xersetzung der Peroxo- vanadinsiiure in der LSsung auftritt . Die Orthovanadinsiiure ist farblos. Die peroxydierte Orthovanadinsaure ist infolge der Farb- vertiefung duroh Peroxogruppe -Oz- schwach gelb gefiirbt.

Die beobachtete Rotfarbung kann also weder von der Ortho- noch von der Peroxo-Orthovanadinskure herriihren. Wie andererseite JUL. MEYER und A. PAWLETTA bei der Untersuchung des System6 [Isopolyvanadinsaure -+ HzSO, + H,O,] zeigen konnten, ist die Verbindung [V(O,)~z(SO,), , die wir dort als das farbende Prinzip der bekannten Vanadinssure-Wasserstoffperoxydreaktion erkannt hatten, ebenfalls rot und auBerdem in jenem System durch ein Minimum der Leitfahigkeit ausgeseichnet. Wenn das fiinfwertige Vanadin als Kation aueh nur gelb gefarbt, ist, wie wir friiher ge- sehen haben, so ist das peroxydierte Vanadankation infolge der farbvertiefenden Wirkung der Peroxogruppe rot bis rotbraun gefarbt,. Die vorubergende Rotfarbung unserer Losung ruhrt also zweifellos da- von her, ds13 das fiinfwertige Vanadin d s peroxydiertes Kation auftritt. Wenn das Vanadin aber in unserer Losung sowohl 81s Kstion als auch als Anion auftritt, so muB die rote Farbe von einer salza>rtigen Ver-

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bindung beider herriihren. Die Konstitution dieser peroxydierten Vana- dinverbindung fallt ferner rnit derjenigen der ihr zugrunde liegenden peroxydfreien sattgelben Isopolyvanadinsiiure zusammen ; das heiBt aber : die Isopolyvanadinsaure hat das funfwertige Vanadin ebenfalls alF Anion nnd als Kation, sie besitst salzartige Struktur.

Ein weiterer Beweis fur diesen Salzcharalrter lBBt sich schliel3- lich aus der Tatsache ableiten, daB der Ubergang der angeroteten peroxydierten Lijsung in die hellgelbe Peroxo - Orthovanadinsaure, H3V05, bei erneutem ausreichendem Zusatz von H,O, nicht augen- blicklich erfolgt, sondern erhebliche Zeit erfordert. Nun ist aber ms der Untersuchung von JUL MPYER und -4. PAWLETTA iiber die sogenannte Pervanadinsaure bekannt, daI3 die Zeitreaktion von LOsungen mit Vanadinsaure auf eine Umwandlung der konden- sierten Isopolyvanadinsaure im Sinne einer Hydratisierung und Ionisierung zuriickzufuhren ist. Wenn also die rote Losung auf dem absteigenden Aste der Kurve VI in Fig. 1 bei der Umsetzung rnit iiberschussigem H,O, ebenfalls der Zeitreaktion unterworfen ist, so mu13 ihr Zustand dem der kondensierten Molekel der sa tb gelben Isopolyranadinsaure entsprechen. Da ferner die Rotfiirbung ein funfwertiges Vanadinkation voraussetzt, so mu6 die Molekel der Isopolyvanadinsaure salzartige Struktur besitzen.

Wenn nun auch die Isopolyvanadinsaure als Vanadanvanadat zu betrachten ist, so konnen wir iiber die GroBe dieses Molekuls doch noch nichts aussagen. Wahrscheinlich gibt es aber Isopoly- vanadinsauren von verschiedener MolekiilgroBe, vielleicht rnit all- mahlichen fi’bergangen ineinander. Darauf deuten die kompli- zierten sauren Vanadate bin, die durchweg gelb bis rotgelb gefgrbt sind, die also einen Teil des funfwertigen Vanadins als Base besitzen. Derartige gelbgefiirbte hiihere Salze leiten sich von den hypothe- tischen Sauren H,V,O,,, H2V,0,, und H4V,0,, ab, die vielleicht samtlich nebeneinander und moglichersveise auoh noch mit anderen Vanadinsauren zusammen in den Isopolyvanadinsaurelosungen auf- treten. In w-elchem Verhaltnis nun die vier bzw. sechs Vanadin- atome in diesen SBuren und ihren Salzen als Anion und Kation auftreten, l&Bt sich bisher nicht angeben. Wir konnen nur sagen, da6 die sogenannten sauren Vanadate nach unseren Darlegungen als Alkalivanadanvanadate , als Erdalkalivanadanvanadate usw. aufzufassen sind. Wegen des leichten E’unktionswechsels des fiinf- wertigen Vanadins vom Kation zum Anion und umgekehrt diirfte es kaum moglich sein, diese Salze auf bestimmte Typen zuruck-

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332 J. Hqer.

zufuhren. Beim Ansariern bilden sich dann zuerst die reinen Vanadan- vanadate, die mit unseren Isopolyvanadinsiiuren identisch sind und je nach den Versuchsbedingungen verschiedene Molekiilgrofie haben konnen. In konxentrierteren und gealterten Losungen kommt man zu hohermolekularen Gebilden, die schliei3lich der ultramikrosko- pischen Beobachtung und selbst dem unbewaffneten Auge zuganglich sind. Zum SchluB scheidet sich aus der LBsung Vanadinpentoxyd aus.

XI. a e r den Mechanismus der Aufloanng von V,O, duroh q0,. TVir kommen nun zu der Prage, in welcher Weise das Wasser-

stoffperoxyd eigentlich das feste Vanadinpentoxyd anzugreifen und aufzulosen vermag und auf welchem chemischem Wege es daraus nach seiner eigenen Zerstorung Vanadanvanadate von mole- liularer Grokie bildet . Die Bildung peroxydierter Vanadinverbin- dungen spielt dabei zweifellos eine wichtige Rolle, indem sich aus dem schwach basischen V,05 und dem sehr schwach sauren H,O, zuerst die Peroxo-Orthovanadinsgure bildet, die auffallend stark und wasserlijslich ist. Der hohe Dissoziationsgrad der Peroxosaure geht aus ihren Leitfahigkeitswerten hervor, die mit denen der eben- falls dreibasischen Phosphorsaure nicht nur nahe zusammenfallen, sondern sie bei hoheren Konzentrationen sogar ubertreffen. Die Leitfshigkeitswerte der Tabelle 5 beziehen sich auf 25O. Die Ver- gleichswerte der Phosphorsaure sind den Messungen verschiedener Forscher entnommen und machen vor allem bei den hoheren Kon- zentrationen keinen Anspruch auf allzu groI3e Genauigkeit. Als Wert des Leitvermogens der Peroxosaure wurde das maximale Leitvermogen genommen, das in? System [Isopolyvanadinsaure +- Q O , ] beobachtet wurde. Die Begrundung fur diese Auswahl liegt in der berechtigten Amahme, daB in diesem maximalen Punkte die gesamte Vanadinsaure peroxydiert ist und da13 da8s H,O, selbst ein nur unmerkliches Leitvermogen besitzt.

Tabelle 6.

Konzentr ation

0,0002

0,001 0,002

0,Ol 0,02

0,0005

0,005

0,025 0,05

Spezif. Leitfdhigk.

0,00007378 0,0001842 0,0003673 0,0007317 0,001808 0,003551 0,006816 0,008345 0,01534

Molekulare Leitf.

368,9 368,4 367,3 365,s 361,6 355,l 340,s 333,s 306,8

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Zlsr Erhnntnis der Vanadimaure. 333

Die suffallende St.irke der Peroxo-Orthovanadinsiiure diirfte fur den LosungsprozeU des V,O, durch TI@, von mesentlicher Be- deutung sein. Denn bekanntlich ist das Komplexbildungsvermiigen der Siiuren urn so geringer, je grii8er ihr elektrolytisches Disso- zi:tt,ionsvcrmbgc:n ist.. Thgegen hat die sehr schwache Va,nadinsb;ure, die im molekularen Zustande immerhin noch eine gewisse Loslich- keit besitzt, wie wir oben gesehen haben, eine ausgesprochene Neigung zur Bildung kondensierter Molekule. Ifit der GroSe dieser Vanadinmolekule sinkt aber auch ihre Liislichkeit ; denn je groSer der Komplex , desto geringer scheint die Loslichkeit im Wasser zu werden. Die Peroxo-Orthovanadinsiiure hingegen hat wegen ihres stsrken elektrolytischen Dissoziationsvermogens nur gerhge Komplcxbildungst,endenz und lagert vor allem nicht gleichartige Molekule zu Isopolyshren an. Die Peroxo-Orthovanadinsawe besitzt also im Cfegensatz zu der gewiihnlichen Vanadinsiiure kein Polymerisationsvermogen. Wegen der groI3en Neigung zur Disso- ziation besit.zt die Peroxosiiure auch eine bedeutende Loslichkeit in Wasser, vor allem gegeniiber der Liialichkeit der gewijhnlichen VsnadinsBnre, selbst im molekularen Zustande. Damit ist also die Aufliisung des festen V,O, durch €€#I2 suf die Bildung der lijslichen, stark disvoziierten monornolekularen Peroxo - Orthovanadinsiaure, H,VO,, zuriickzufuhren. Wie aus dem steil ansteigenden Sste und aus der Lago des Maximums der Kurven in Pig. 1 hervorgeht, wandelt sich bei Gegenwart von geniigenden Xengen Wassemtoff- peroxyd das gesamte Vanadinpentoxyd in ziemlich kurzer Zeit, restlos in die Peroxosiiure um. Diese Sarire besitzt, wie wir fruher zeigen konnten, eine hellgelbe Farbe, und das Maximum der Leit- fiihigkeit, das nach unsem Darlegungen ja auch einem Ma,ximum der Konzentra.tion an diesor Verbindung entspricht, weist auch tatsachlich in fJbereinstimmung damit, die schwachste Gelb- fiirbung auf.

Es erhebt sich nun die weitere Prage, aua welchen Cfrunden und arif welchen Wegen sich die Peroxo-Orthovanadinsiiure in die Iso- polyvanadinsaure unter voriibergehender Rotung verwandelt. Wie alle Persauren ist auch die Peroxyvanadinsaure vor allem in wii8riger Liisung sehr unbestandig und sucht wieder in die gewohnliche Vanadin- sBure uberxugehen. Wiihrend aber die mcisten Persiiuren bei dieser Umsetzung Wasserstoffperoxyd liefern, entwickelt die Peroxo- Orthovanadinsiiure elementaren Sauerstoff. Diese Sauerstoffa,bspal- tung wird durch gewisse Katalysatoren, wic z. R. durch Platin aul3er-

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334 J. illeyer.

ordentlich begiinstigt, und man kann an einem eingetauchten Platin- bleohe die Entwicklung von 0,-Blaschen beobachten. Wasserstoff- peroxyd scheint aus der Peroxosaure nicht in merklichen Mengen durch Umsetzung mit Wasser abgespalten zu werden, da das gesamte H,O, aus der Losung nach einiger Zeit verschwunden ist. Wir haben es also mit folgendem Reaktionsverlauf zu tun :

VZO5 -+ HZOZ -+ HSVOS -+ I&VO, + '/20,.

Wie JVL. MEYER und A. PAWLETTA bei der Untersuchung des Systems [Isopolyvanadinsaure + H,Oz] zeigen konnten, bildet sich auch aus diesen beiden Komponenten die Peroxovanadinsaure. Dem- nach kann die in den1 soeben gegebenen Gleichungssystem auf- tretende Vanadinsaure sich rnit noch vorhandenem iibersohussigen Wasserstoffperoxyd von neuem zur Peroxosaure umsetzen und dann unter Sauerstoffentwicklung wieder zerfallen. Somit wird das ge- samte Wasserstoffperoxyd selbst durch sehr kleine VanadinsBure- mengen zerstort.

Bus welchem Grunde tritt nun auf dem absteigenden Aste der Fig. 1, also bei fortgeschrittener Zersetzung des H,O, und bei teil- weiser Zerstorung der Peroxosaure, eine voriibergehende Rotung der Losung gin? JUL. MEYER und A. PAWLETTA konnten fruher zeigen, da13 Vanadinsaure in Gegena-art von Schviefelsiiure durch Wasserstoff- peroxyd nicht in die bisher noch unbekannte Pervanadinsaure HVO,, sondern in P e r 0x0-v a n a d a n - s ul f a t (V(O,)),( SO4), verwandelt wird, das sich wie alle Peroxovanadansalze durch rote bis rotbraune Fnrbe auszeichnet, das bisher unrichtigerweise fur die Yervanadin- saure gehalten wurde und das durch uberschussiges Wasserstoff- peroxyd in die hellgelbe Peroxo-Orthovanadinsiiure umgewandelt wird. Dieser letzten Reaktion liegt eine Hydrolyse von der Form zugrunde :

H94 [V(O,!],(SO,), + 6H,O 2V(O,)(OI-I), + 3I-I8S0,.

rotbraun H,SO, hellgelb

Wir entnehmen dieser Gleichtung, dal3 der basische Charakter des Hydroxyds V(O,)( OH), durch uberschussiges Wasserstoffperoxyd soweit zuruckgedrangt wird, da13 diese Verbindung sich nicht mehr mit Siiuren zu Peroxovanadansalzen zu verbinden vermag. Aus diesem Grunde, wegen dieses eigentiimlichen Einflusses des Hz02, kann die beobechtete vorubergehende Rotung der Losung, d. h. die Bildung von Peroxovanadansalzen, auch erst dam eintreten, wenn der groBte Teil des H,O, schon verbraucht und zersetzt ist. hls

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SLure, iiiit der sich das Peroxovanadantrihydrat V(O,)(OH), zu einem Peroxovanadansalze verbinden kann, kommt in unserni Systeme nur die Peroxovanadinsgure oder die hieraus unter 02- lbspaltung entstandene gewohnliche Vanadinsaure in Frage. Ob nur eine \-on diesen oder gar beide Sauren in Frage kommen, l&Bt sich bisher mohl kaum entscheiden. Es muB demnach die voruber- gehende Rotfarbung auf das Auftreten der Salze (V(O,))(VO,), oder (V(O,)>VO, oder (V(0,)) -V(O,)O, usw. zuiiickzufiihren seiii. DaB die Rotfarbung nur kurze Zeit auftritt, hangt mit der Unbestandigkeit der Peroxovanadinverbindung auch als Base zusammen. Die Per- oxovanadansalze gehen unter Sauerstoffentwicklung in die Vanadan- sabe uber, die durch gelbe Farbe ausgezeichnet sind. Demnach ver- wandeln sich die roten Peroxovanadanvanadate oder auch die roteii Peroxovanadan-peroxovalladate unter 0,-Abspaltung in die gelben Vanadanvanadate, d. h. mir erhalten zum SchluB unsere Isopoly- vanedinsgure zuriick. Da sie aus den nionomolekularen Peroxosalzen entslanden ist, mu13 sie auoh xuerst in inolekularer Form auftreten iind deshalb eine gewisse Loslichkeit besitzen. Diese molekulare Isopolyvanadinsaure ist aber, wie wir gesehen haben, in ihren Losungen unbestandig und hat als schwache SBme groBe Neigung sich zu poly- merisieren. Ihre Molekiile wachsen mit der Zeit, bilden kolloide Losungen und fallen zum SchluB als hochmolekulare grobdisperse Produkte aus. Somit hat unser Vanadinpentoxyd einen Kreislauf durchgemacht .

Diese Tatsachen und Darlegungen durften fur die Klsrung der katalytischen Wirkung der Vanadinssure auf die Wasserstoffperoxyd- zersetzung nioht ohne Bedeutung sein. Im Gegensatz zu fruheren Xnsichten behalt namlich das funfmertige Vanadin nach unseren Erorterungen wahrend des ganzen Verlaufes der Umsetzungen im System [Isopolyvanadinsaure + H,O,] seine Wertigkeit unverandert bei. Es findet hier keine abwechselnde Anderung der TQertigkeit statt. Und ebenso bleibt auch die Wertigkeit der katalysierenden Vanadinssure im System [H J + H,OJ durchweg dieselbe. Es bildet sich in erster Phase die Peroxo-Orthovanadinsaure, die dann auf den Jodwasserstoff sehr vie1 rascher als das Wasserstoffperoxyd selbst unter Jodabscheidung einwirkt, wie uns einige Versuche ge- zeigt haben.

Wie weit sich diese Anschauungen auf andere Umsetzungen, bei denen VanadinsBure katalytisch einwirkt, anwenden lassen, steht noch dahin.

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336 J. &fey@. ZUP. Erkenntnk der Vanlado'ras6ure.

Zusammenfasanng. Nach CAMIUERER vermag Wasserstoffperoxyd festes Vanadin-

pentoxyd zu einer gelben Flussigkeit aufzulosen, die sich unter Ab- spaltung von gasformigem Sauerstoff zersetzt und allmahlich wieder festes V,O, abscheidet. Die Losunggeschwindigkeit hiingt von der Beschaffenheit des V,O,, von der Konzentration des H,Oz und von der Temperatur ab. Die Bestiindigkeit der gelben Losung ist nur gering und ist vor allem cine Funktion der Temperatur und der Vanadinkonzentration.

Die Annahme DULLBERG'S, daB in der gelben Losung eine ,,Hex&- vanadinsaure H4VB01,'' vorhanden ist, steht mit einer Reihe von Beobachtungen im Widerspruch. Messungen der Leitfahigkeit und Verfolgung der ParbAnderungen wiihrend des Losungsvorganges fiihren vielmehr zu dem Schlusse, dafi das Vanadin zuerst als Peroxo- Orthovanadinsiiure HJV(O2)O3] in Losung geht, die ungefahr ebenso stark wie die Orthophosphorsaure ist. Diese Peroxosaure ist un- bestandig und spaltet leicht Sauerstoff ab, wodurch molekulare Vanadinsiiure entsteht. Die wahrend der Zersetzung der Permo- siiure voriibergehend auftretende Rotfarbung der Losung ist auf die Bildung eines Peroxovanadansalses mit Vanadin- oder Peroxo- vanadinsaure zuruckzufuhren, das dann ebenfalls rasch unter Sauer- stoffabspaltung weiter zerfallt und gelbe Vanadanvanadate liefert. Diese molekular gelosten Vanadanvanedate sind im molekularen Xu- atande ebenfalls unbestandig und haben wegen des schwach sauren und zugleich schwach basischen Charakters der Vanadindure groBe Neigung, sich zu polymerisieren. Die gelbe Losung ist demnach ein Gemisch von Vanadanvanadaten verschiedener GroBe und wird zweckmiiBig als ,,Isopolyvanadinsaurelosung" bezeichnet. Mit zu- nehmender GroSe der Isopolyvanadinsiiuremolekule wird ihre Loslich. keit immer geringer, so daB allmahlich eine Ausscheidung stattfindst. Die ausfallenden Produkte sind sehr wasserarme Vanedinpentoxyd- hydrate oder auch reines Vanadinpentoxyd, das demnach einen voll- stiindigen Kreislauf durchgemacht het.

Bei der katalytischen Zersetzung des Wasserstoffperoxyds durch kleine Mengen Vanadinskure bleibt die Wertigkeit des fiinfwertigen Va- nadins unverandert. Die katalytische Beschleunigung beruht darauf, dab die intermediar entstehende Peroxo-Orthovanadinsaure ihren Peroxosauerstoff rascher als das Wasserstoffperoxyd abspaltet.

B~eshm.4, Apzorganische Abbdung &s Chn. Iwtituib der Universe'ta. h i der Redaktion singegangen am 21. Februar 1927.