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I212 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. I. JAHRGANG. Nr. 24 ~o. JU~Iz922 KASUISTISCHE ZUNGENGRUNDZYSTEN BEI STRIDOR CONGENITUS. Won D r . H~ERMANN ~V*OLLMER. In der Mehrzahl der Lehrbflcher iflr Kinderheilkunde ist der Stridor congenitus als harmloses Leiden hingesteIIt, das seine Ur- sache in ether Anomalie der Epiglottis in Form abnormer Schlaff- heir und seitlicher Einrollung der Rgnder hat und im Verlauf des ersten, sp~testens des zweiten Lebensjahres spontan 4eerschwindet. Die urs~chtiche Bedeutung der Thymnshyperplasie wird voi1 AVELLIS , I-IocHSINGER und MARFAN betont, yon anderen Autoren (BALLIN U. a.) bestritten. Nut im Handbueh f. Kinderheilk. yon PFAUNDLERund SCHLOSS- MANN, im Lehrbuch der S~uglillgskrankh. yon EINKELSTEIN nnd in der FEER schen Diagnostik sind ullter den ~fiologischen M6glich- keiten angeborene Tumoren des Zungengrundes erw~hnt, abet als seltene Befunde dargestellt. Immerhin wird die palpatorische Untersuchung des Kehlkopfeingangs gefordert. PONDER beschreibt ausffihrlich einen Fall yon Kehlkopfcyste, der sich bet der Sektion als operabel erwies. (J. f. Kinderheilk. 87, S. 65. 1918.) Nachdem auf unserer S~iuglingss~ation ein Kind mit angebore- nero Stridor ad exitnm gekommen war und die Autopsie einell, allerdings inoperablen, Tumor (Dermoidcyste) des Zungengrnndes ergeben hatte, schenkten wit der an unserer Klinik seit langer Zeit fiblichen Digitaluntersuchung aller Stridorkinder wieder erh6hte Beaehtung. Unter dem klinischell ulld ambu]anten Material der letzten zehll Monate begegneten llns IO F~lle roll Stridor congenitus, unter denen 5 Tumoren des Zungengrundes aufwiesen. Dnrch Punktion ~er Cysten, die wir z. T. selbst vornahmen, zum Tell dutch die Laryn- gologen ausffihren lieBen, wurde ihre nrsXchliche Bedeutung in sXmtlichen F~llen sichergestellt. Dabei halldelte es sich um ein- kammerige cystische Tumoren, die zwischell Zungengrund und Epi- glottis in der Mittellinie lagen. Ihre pathologisch-anatomische Natur lieB sich nicht feststellen. Offenbar handelte es sich -- nach ihrer Lage zu schlieBen -- um Cysten des Ductus thyreoglossus. Bet einem Kind, bet dem eine klinisch und bakterioto- giseh sichergestellte Larynxdiphtherie vorlag, entdeckten wir einr mediane Cyste bet der Illtubation, die in~olge Herab- dr~Lngung der Epiglottis ant den Larynxeingang sehr erschwert war. Die Extubation war weder nach 3, noch nach 6 Tagen m6glich und ffihrte jedesmal zu schweren StenoseanEillen. Erst nach Punktion der Cyste war die Atmung llach der Extubation unbe- hindert und blieb es bis zum Ende der klinischen Beobachtullg. Ein~ anderes Kind, das noch ill klinischer Behandlnng steht, zeigte ~inen mehrh6ckerigen Tumor lateral der Epiglottis, dessen Beseitigung bisher von nns und den Laryngologen vergeblich ver- sucht wurde. Die relative H~ufigkeit der Zungellgrulldcystell als Ursache des Stridor collgenitus erlallbt bet der beschr~nkten Anzahl der F~lle keinen SchluB ant eille hohe Prozelltualit~t. Immerhin set die prinzipielle Digitaluntersuchung bet derartigen F~llen dringend angeraten. (Aus der Heidelberger Kinderklinlk.) EIN SELTENER FALL VON SPONTANER AUSSTOSSUNG EINER VERSCHLUCKTEN NADEL. Von Dr. RUDOLF SALOMON. Die Kasuistik fiber Fremdk6rper im Magen-Darmkanal ist zwar llicht selten, jedoch verdient eill in der GieBener Universit~its- Frauenklinik beobachteter Tall wegen der aul3erordentlichen Seltellheit seines Verlaufes mitgeteilt zu werden. Es handelt sich Ulll eine 22 j~hrige Patientin (Journ. Nr. 22/I 55, S. 155), die uns wegen eines gonorrhoischen Adnextumors yon der Dermatologischen Klinik fiberwiesen worden war. Gleiehzeitig MITTEILUNGEN. bestand ein leichtes, sezernierelldes Ekzem in der Nabelgegelld. Nach 4w6chentlicher Behandlung bet uns klagte Patientin fiber Schmerzen in der Magengegend, spgter in der Nabelregion, schlieB- lich im Unterleib. Die Sekretion des Nabels, die ursprfinglich nur gering war, nahm zu, so dab wit an die M6glichkeit einer erworbe- nen Urachusfistel dachten, wie sie nach POPPERT im AnschluB an eine Cystitis (Gonorrhoea urethrae) entstehen kann, besonders wenn die Entzflndung elltlang dem Ligamentum vesico-umbilicale medium fortschreitet. I)iese Anschauung wurde noch bekrMtigt0 da man nach mehreren Tagen ullterhalb des Nabels in der Lillea alba eine spindelige, etwa 8 cm lange und 2 cm breite, druck- empfindliche Resistenz fflhlen konnte (tiefsitzender AbsceB [?], jedoch keille R6tung der Hautoberfl~che). Als bet der Patiellfin die Schmerzell im Leibe immer heftiger wurden, gab sie uns pl6tzlich an, dab sie vor 6 Wochen beim iWghen in der Hautklinik eine N~hnadel mit den Z~hllen iestgehalten habe, und dab sie durch eille im Saale geffihrte Unterhaltung pl6tzlich heftig lachen muBte, wobei die Nadel verschlukt wurde. Sie ver- spfirte sofort ein heftiges Stechen im Halse. In der Anllahme, dab die Nadel in der Speiser6hre steckengebliebell set, trank sie reich- lich Wasser, bis sie ffihlte, dab die Nadel in den Magen glitt. Aus Furcht vor ether eventuellell Operation verheimlichte sie den Vor- fall den behandelnden ~_rzten. In der Folgezeit hatte sie dann h~ufig ,,Stechen im Magen", besonders bet fester Nahrungsauf- nahme, weniger oder gar nicht bet flfissiger Ern~Lhrung. W~hrend sie ursprfinglich die Schmerzen mehr oberhalb des Nabels emp- funden hatte, traten diese llach 5 Wochen unterhalb desselben auf. Auf die richtige Spur geffihrt, zeigte die R6ntgendurchleuchtung eine Nadel, deren h6chster Punkt 2 Querfinger unter dem Nabel sich befand. Eine Incision an dieser Stelle f6rderte eine NXhnadel zutage, die unter einem Winkel von fast 45 * zur Hautoberfl~che stak, nlld zwar mit der Spitze vorangehend. Der gr6Bte Teil der- selben befand sich im Fettgewebe, ihr unterster Abschnitt mit dem Or durchquerte noch die Fascie nnd den Muskel. Die Nadel war 4 cnl lallg und durch Oxydation schwarz geworden. Der Hei- lungsverlauf war glatt. Demnach handelt es sich in dem vorliegenden Falte um ein ~pon- tanes Durchwandern einer Nadel durch Magen- oder Darmwand und durch die Bauchdecken /ast bis zur Haut. Illteressallt dfinkte es uns, noch zu erforschen, ob die Nadel aus dem Magen oder aus dem Dfinndgrm ausgetreten war. Leider gab nlls die R6ntgenaufnahme keinen sicheren AufschluB, jedoch zeigte sie einen sehr wahrscheilllichen Weg all. Die Radiographie ergab ns einen gesenkten, bis 3 Querfinger oberhalb der Symphyse reichelldell schlaffen Magen; die Durchtrittsstelle der Nadel dfirite demnach dem Magen angeh6rt haben, nm so mehr, als die Bedin- gungen ffir das Durchwandern hier besonders gfillstig waren, weft der Magen der vorderen Bauchwand anlag und die Nadel an dieser Stelle kein Netz passieren muBte, das sie am Weiterwandern hMte hindern k6nnen. Bet I)urchsicht der Literatur der letzten zehn Jahre land ich keine eillzige Beobachtung mitgeteilt, llach der ein Eremdk6rper aus dem Magen-Darmtraktus spontan ausgetreten und bis unter die Bauchdeckell gewandert w~ire, ohne die geringsten peritonealen Erscheinungen auszul6sen. Zwar beschreibt SMITH 1) F~ille, bet denen sich eine Nadel in der Wand des Dfinndarms befand, diese teilweise perforierelld, durch Netzverwachsungen bedeckt; ierller sah er eine Nadel im Netz, jedoch waren die Fremdk6rper niemals bis zur Bauchwand gelangt. In der ausl~ndischen Literatur finder sich d ann lloch die Angabe yon ]3UCHSTAB2), wonach ein 3oj&hriger Mann eine Infiltration in der ]31inddarmgegend hatte, die mit der vorderen Bauchwand verl6tet war. Die Incision zeigte hinter der Scheide des Musenlus rectus eine H6hle, in der eine Eischgrdte stak. Uber weitere Beispiele, in denen sich alle m6glichen Fremd- k6rper im Verdauullgskanal vorfanden, berichtete MELCHIOR a) aus der Ki)TTNERsGhen Klinik, ferner RETZLAFF4). Bei unserer Pat~entln liegt dagegen der seltene Eall vor, daft eine Nadel spontan durch die Wand des Verdauungskanales und die Bauchdecken wanderte; es kam zur Selbstheilung. ( Aus d. Univ.-Frauenklin. in Giefie n [Direktor: Prof. Dr. v. Jasehke]. ) PRAKTISCHE ZUR ~ERNAHRUNG DES KLEINKINDES. Von Prof. Dr. E~IOH MiJLLER. Aus der I{rankenabteflung des XNaisenhauses der Stadt Berlin in RummeIsburg. Die Fortschritte in der ]~rn~hrungskunde lassen es yon Zeit zu Zeit wfinschenswert erscheinen, festzustellen, was wir ERGEBNISSE. aus ihnen ffir die Praxis lernen k6nnen. Dabei gilt unsere be- sondere Ffirsorge dem Kleinldnde; es wird oft gegenfiber dem S~ugling etwas in den Hintergrund des Interesses ge- ~) Journ. of obst. and gyr~. of the british empire, i913, vol. XXIII. Nr. 2. 2) Russki Wratseh 1912/38. ~) Deutsche Zeitsehrift flit Chirurgle, Bd. 77. 4) BRUNS Beitriige Bd. 83.

Zur Ernährung des Kleinkindes

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I 2 1 2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . I. J A H R G A N G . Nr . 24 ~o. JU~Iz922

K A S U I S T I S C H E

ZUNGENGRUNDZYSTEN BEI STRIDOR CONGENITUS.

Won

Dr. H~ERMANN ~V*OLLMER.

In der Mehrzahl der Lehrbflcher iflr Kinderheilkunde ist der Stridor congenitus als harmloses Leiden hingesteIIt, das seine Ur- sache in ether Anomalie der Epiglottis in Form abnormer Schlaff- heir und seitlicher Einrollung der Rgnder hat und im Verlauf des ersten, sp~testens des zweiten Lebensjahres spontan 4eerschwindet. Die urs~chtiche Bedeutung der Thymnshyperplasie wird voi1 AVELLIS , I-IocHSINGER und MARFAN betont, yon anderen Autoren (BALLIN U. a.) bestritten.

Nut im Handbueh f. Kinderheilk. yon PFAUNDLER und SCHLOSS- MANN, im Lehrbuch der S~uglillgskrankh. yon EINKELSTEIN nnd in der FEER schen Diagnostik sind ullter den ~fiologischen M6glich- keiten angeborene Tumoren des Zungengrundes erw~hnt, abet als seltene Befunde dargestellt. Immerhin wird die palpatorische Untersuchung des Kehlkopfeingangs gefordert. PONDER beschreibt ausffihrlich einen Fall yon Kehlkopfcyste, der sich bet der Sektion als operabel erwies. (J. f. Kinderheilk. 87, S. 65. 1918.)

Nachdem auf unserer S~iuglingss~ation ein Kind mit angebore- nero Stridor ad exitnm gekommen war und die Autopsie einell, allerdings inoperablen, Tumor (Dermoidcyste) des Zungengrnndes ergeben hatte, schenkten wit der an unserer Klinik seit langer Zeit fiblichen Digitaluntersuchung aller Stridorkinder wieder erh6hte Beaehtung.

Unter dem klinischell ulld ambu]anten Material der letzten zehll Monate begegneten llns IO F~lle roll Stridor congenitus, unter denen 5 Tumoren des Zungengrundes aufwiesen. Dnrch Punktion ~er Cysten, die wir z. T. selbst vornahmen, zum Tell dutch die Laryn- gologen ausffihren lieBen, wurde ihre nrsXchliche Bedeutung in sXmtlichen F~llen sichergestellt. Dabei halldelte es sich um ein- kammerige cystische Tumoren, die zwischell Zungengrund und Epi- glottis in der Mittellinie lagen. Ihre pathologisch-anatomische Natur lieB sich nicht feststellen. Offenbar handelte es sich - - nach ihrer Lage zu schlieBen - - um Cysten des Ductus thyreoglossus.

Bet einem Kind, bet dem eine klinisch und bakterioto- giseh sichergestellte Larynxdiphtherie vorlag, entdeckten wir einr mediane Cyste bet der Illtubation, d i e in~olge Herab- dr~Lngung der Epiglottis ant den Larynxeingang sehr erschwert war. Die Extubat ion war weder nach 3, noch nach 6 Tagen m6glich und ffihrte jedesmal zu schweren StenoseanEillen. Ers t nach Punktion der Cyste war die Atmung llach der Extubation unbe- hindert und blieb es bis zum Ende der klinischen Beobachtullg.

Ein~ anderes Kind, das noch ill klinischer Behandlnng steht, zeigte ~inen mehrh6ckerigen Tumor lateral der Epiglottis, dessen Beseitigung bisher von nns und den Laryngologen vergeblich ver- sucht wurde.

Die relative H~ufigkeit der Zungellgrulldcystell als Ursache des Stridor collgenitus erlallbt bet der beschr~nkten Anzahl der F~lle keinen SchluB ant eille hohe Prozelltualit~t. Immerhin set die prinzipielle Digitaluntersuchung bet derartigen F~llen dringend angeraten. (Aus der Heidelberger Kinderklinlk.)

EIN SELTENER FALL VON SPONTANER AUSSTOSSUNG EINER VERSCHLUCKTEN NADEL.

Von

Dr. RUDOLF S A L O M O N .

Die Kasuistik fiber Fremdk6rper im Magen-Darmkanal ist zwar llicht selten, jedoch verdient eill in der GieBener Universit~its- Frauenklinik beobachteter Tall wegen der aul3erordentlichen Seltellheit seines Verlaufes mitgeteilt zu werden.

Es handelt sich Ulll eine 22 j~hrige Patientin (Journ. Nr. 2 2 / I 55, S. 155), die uns wegen eines gonorrhoischen Adnextumors yon der Dermatologischen Klinik fiberwiesen worden war. Gleiehzeitig

M I T T E I L U N G E N . bestand ein leichtes, sezernierelldes Ekzem in der Nabelgegelld. Nach 4w6chentlicher Behandlung bet uns klagte Patientin fiber Schmerzen in der Magengegen d, spgter in der Nabelregion, schlieB- lich im Unterleib. Die Sekretion des Nabels, die ursprfinglich nur gering war, nahm zu, so dab wit an die M6glichkeit einer erworbe- nen Urachusfistel dachten, wie sie nach POPPERT im AnschluB an eine Cystitis (Gonorrhoea urethrae) entstehen kann, besonders wenn die Entzflndung elltlang dem Ligamentum vesico-umbilicale medium fortschreitet. I)iese Anschauung wurde noch bekrMtigt0 da man nach mehreren Tagen ullterhalb d e s Nabels in der Lillea alba eine spindelige, etwa 8 cm lange und 2 cm breite, druck- empfindliche Resistenz fflhlen konnte (tiefsitzender AbsceB [?], jedoch keille R6tung der Hautoberfl~che).

Als bet der Patiellfin die Schmerzell im Leibe immer heftiger wurden, gab sie uns pl6tzlich an, dab sie vor 6 Wochen beim iWghen in der Hautklinik eine N~hnadel mit den Z~hllen iestgehalten habe, und dab sie durch eille im Saale geffihrte Unterhaltung pl6tzlich heftig lachen muBte, wobei die Nadel verschlukt wurde. Sie ver- spfirte sofort ein heftiges Stechen im Halse. In der Anllahme, dab die Nadel in der Speiser6hre steckengebliebell set, t rank sie reich- lich Wasser, bis sie ffihlte, dab die Nadel in den Magen glitt. Aus Furcht vor ether eventuellell Operation verheimlichte sie den Vor- fall den behandelnden ~_rzten. In der Folgezeit hat te sie dann h~ufig ,,Stechen im Magen", besonders bet fester Nahrungsauf- nahme, weniger oder gar nicht bet flfissiger Ern~Lhrung. W~hrend sie ursprfinglich die Schmerzen mehr oberhalb des Nabels emp- funden hatte, traten diese llach 5 Wochen unterhalb desselben auf.

Auf die richtige Spur geffihrt, zeigte die R6ntgendurchleuchtung eine Nadel, deren h6chster Punkt 2 Querfinger unter dem Nabel sich befand. Eine Incision an dieser Stelle f6rderte eine NXhnadel zutage, die unter einem Winkel von fast 45 * zur Hautoberfl~che stak, nlld zwar mit der Spitze vorangehend. Der gr6Bte Teil der- selben befand sich im Fettgewebe, ihr unterster Abschnitt mit dem Or durchquerte noch die Fascie nnd den Muskel. Die Nadel war 4 cnl lallg und durch Oxydation schwarz geworden. Der Hei- lungsverlauf war glatt.

Demnach handelt es sich in dem vorliegenden Falte um ein ~pon- tanes Durchwandern einer Nadel durch Magen- oder Darmwand und durch die Bauchdecken /ast bis zur Haut.

Illteressallt dfinkte es uns, noch zu erforschen, ob die Nadel aus dem Magen oder aus dem Dfinndgrm ausgetreten war. Leider gab nlls die R6ntgenaufnahme keinen sicheren AufschluB, jedoch zeigte sie einen sehr wahrscheilllichen Weg all. Die Radiographie ergab ns einen gesenkten, bis 3 Querfinger oberhalb der Symphyse reichelldell schlaffen Magen; die Durchtrittsstelle der Nadel dfirite demnach dem Magen angeh6rt haben, nm so mehr, als die Bedin- gungen ffir das Durchwandern hier besonders gfillstig waren, weft der Magen der vorderen Bauchwand anlag und die Nadel an dieser Stelle kein Netz passieren muBte, das sie am Weiterwandern hMte hindern k6nnen.

Bet I)urchsicht der Literatur der letzten zehn Jahre land ich keine eillzige Beobachtung mitgeteilt, llach der ein Eremdk6rper aus dem Magen-Darmtraktus spontan ausgetreten und bis unter die

Bauchdeckell gewandert w~ire, ohne die geringsten peritonealen Erscheinungen auszul6sen. Zwar beschreibt SMITH 1) F~ille, bet denen sich eine Nadel in der Wand des Dfinndarms befand, diese teilweise perforierelld, durch Netzverwachsungen bedeckt; ierller sah er eine Nadel im Netz, jedoch waren die Fremdk6rper niemals bis zur Bauchwand gelangt. In der ausl~ndischen Literatur finder sich d ann lloch die Angabe yon ]3UCHSTAB2), wonach ein 3oj&hriger Mann eine Infiltration in der ]31inddarmgegend hatte, die mit der vorderen Bauchwand verl6tet war. Die Incision zeigte hinter der Scheide des Musenlus rectus eine H6hle, in der eine Eischgrdte stak. Uber weitere Beispiele, in denen sich alle m6glichen Fremd- k6rper im Verdauullgskanal vorfanden, berichtete MELCHIOR a) aus der Ki)TTNERsGhen Klinik, ferner RETZLAFF4).

Bei unserer Pat~entln liegt dagegen der seltene Eall vor, daft eine Nadel spontan durch die Wand des Verdauungskanales und die Bauchdecken wanderte; es kam zur Selbstheilung. ( Aus d. Univ.-Frauenklin. in Giefie n [Direktor: Prof. Dr. v. Jasehke]. )

P R A K T I S C H E ZUR ~ERNAHRUNG DES KLEINKINDES.

Von Prof. Dr. E~IOH MiJLLER.

Aus der I{rankenabteflung des XNaisenhauses der Stadt Berlin in RummeIsburg.

Die F o r t s c h r i t t e in der ]~rn~hrungskunde lassen es yon Zeit zu Zei t wf inschenswer t erscheinen, fes tzus te l len , was wir

ERGEBNISSE. aus ihnen ffir die Praxis lernen k6nnen. Dabei gilt unsere be- sondere Ffirsorge d e m Kle in ldnde ; e s wird of t gegenfiber d e m S~ugling e twas in den H i n t e r g r u n d des In te resses ge-

~) Journ. of obst. and gyr~. of the british empire, i913, vol. X X I I I . Nr. 2. 2) Russki Wratseh 1912/38. ~) Deutsche Zeitsehrift flit Chirurgle, Bd. 77. 4) BRUNS Beitriige Bd. 83.

Page 2: Zur Ernährung des Kleinkindes

IO. JUNI ~ge~ K L I N I S C H E W O C H E N S C H

stellt. GewiB mit Unrecht; denn das Kleinkind n immt gegen/iber dem Schulkinde eine Sonderstellung ein, die Be- r/icksichtigung, und nicht zuletzt mit Bezug auf seine Ern/~h- rung, verdient.

So erfreut sich das Kleinkind noeh eines si~rkeren Wachs- tums im zweiten und dritten, und ein wenig auch noch im vierten Lebensjahr als das /iltere Kind. Die starke Streckung des ersten Lebensjahres ist zwar voriiber, immerhin aber bedeutet doch ein durchschnittliches Lgngenwachstum yon 8 bzw. IO cm eine verh~iltnism~13ig starke Streckung, der wir bet der Ern~ihrung Rechnung tragen m/issen.

Dann ist das Gebig des Kleinkindes noch wenig ausge- bildet; es t r i t t ja nu t mit 8 Schneidez/ihnen in das zweite Lebensjahr ein, die sich erst allm/ihlieh zu dem vollst~ndigen KindergebiB mit seinen 2o Z/ihnen vervollst~ndigen. Das mangelhafte Kauverm6gen des Kleinkindes wird also bet der Auswahl and Zubereitung der Speisen zu ber/icksichtigen sein.

Es kommt hinzu, d a b die t/igliche Arbeitsleistung des Kleinkindes grog ist. Seine rastlose T/~tigkeit im Sp ie l ist nach allen Erfahrungen sehr hoch zu bewerten. Rechnen wir den Grundumsatz des Kindes mit rund iooo Calorien fiir den Quadratm~ter K6rperoberfl/~che, s o bedarf das Kleinkind etwa einen Arbeitszuschlag yon IOO~o, ohne dab dabei yon einer Luxuskonsumption zu sprechen ist. Es udrd diesen Zu- schlag ohne weiteres verbrauchen, und kein fiberschfissig zngefiihrtes Brennmaterial, etwa in Form yon Fett, im K6rper aufspeichern.

SchlieBlich ist noch zu erw/~gen, dab das Kleinkindes- alter gerade die Zeit ist, in der konstitutionelle Krankheits- bereitschaften dutch /iuBere sch/~dliche Anl/isse !eicht mani- fest zu werden pflegen und sich zu klinisch in Erscheinung tretenden Krankheiten enta~iekeln. Ich erinnere nur an den Lymphatismus bzw. die exsudative Diathese, an gewisse Formen der konsti tut ioneIlen An/~mie, an den Skorbut und die hydropigene Konsti tut ion (CzERNu Auch die Rachitis

�9 wirft oft genug noch ihre Sehatten auf die Entwieklung des Kleinkindes. Wir werden also auch aus diesem Grunde seiner Ernghrung unsere Auimerksamkeit schenken miissen; wir wissen ja, welchen wesentlichen Faktor die Ern/ihrung dabei spielt, krankhafte konstitutionelle Stoffwechselanomalien zu versehlimmern bzw. zu mildern.

Diese Uberlegungen rechtfertigen wohl ansreichend eine Sonderbesprechung der Ern/~hrung des Kleinkindes.

Unter den Fortschrit ten der Ern~hrungskunde sind es besonders zwei, die in den letzten Jahren einen bestimmen- den Einflul3 auf d i e Ern~hrung des Menschen ansgeiibt nnd ganz besonders aueh unseren Blick fiir die Notwendig- keiten in der Nahrung des waehsenden Kindes erweitert und vertieft haben. Es handelt sich einmal um die Ergebnisse in der Erforschung d e r sogenannten Erggnzungsn/ihrstoffe (FuN~s Vitamine) und in zweiter Linie um die Erkenntnis yon dem qualitativen Werte der N/ihrstoffe in Erg/~nzung zu ihrem quantitafiven, gemessen an dem Brennwerte.

Wir haben der energetischen Betrachtungsweise der mensch- lichen Nahrung sehr bedeutsame nnd grundlegende Ergeb- rdsse zu verdanken, aber es zeigte sich doch immer mehr, dab diese rein quanti tat ive Erfassung unserer Nahrung den Be- diirfnissen und Erfahrungen der Ern/ihrungspraxis nicht ent- sprach und gen/igte (FRANZ HOFMEISTER U.a.). Experimen- telle Untersuchnngen und klinisehe Erfahrungen lehrten uns denn auch, dab den einzelnen N/ihrstoffen noch ein qualita- river Sondern/ihrwert (ARoN) zukommt, der energetisch nicht fagbar ist.

Es erscheint mir fiir unser Thema vorteilhaft, zuerst die Ifir das Kleinkind in Betracht kommenden N/~hrstoffe ein- zeln, besonders mit R/ieksicht auf ihren qualitativen Wert zu besprechen und sie f~r die praktische Ernghrung des Kindes zu wfirdigen. Die Nahrung des Kleinkindes setzt sich zusammen aus t~rg~nzungsn~hrstoffen, Eiweigstoffen, Fetten, Kohlenhydraten (und Wasser) und Mineralstoffen.

Diese Aufstellung zeigt, dab zu den al tbekannten und fiir das Kind als noiwendig erkannien N/~hrstoffen hen die so- genannten Erggi~zungs~dihrstoJJe hinzugekommen sind. Ihre Erforschung steht erst im Anfange. Wir wissen heute nur,

RIFT. i. JAHRGANG. Nr. 24 1213

dab sie lebenswichtig stud, dann dab sie in Meinsten Mengen wirksam sind, so dab sie mit Kata|ysatoren verglichen werden k6nnen. Sie sind sehr unbest~ndig; Erhitzung, Lagerung der Nahrungsmittel sch~digen sic mehr oder weniger stark. Wich- fig ist weiterhin, dab die Stoffe ausgesprochen exogener Natur zu sein scheinen. Weder das Tier noch der Mensch k6nnen sie in ihrem K6rper bilden, sie mfissen vielmehr mit der pflanzlichen Nahrung aufgenommen werden. Danach enth/ilt unsere animalische Nahrung nur dann Vitamine, wenn die Tiere, yon denen sie stammt, vitaminreich ern/ihrt worden stud. DaB hat seine groBe Bedeutung auch ftir das Kleinkind, bet dem die Milch und die Butter eine groBe IRolle spielen. Ihr Vitamingehalt wird yon dem Fnt te r der Kiihe abh/ingig sein. Unsere vegetabilisc.he Nahrung ist also in erster L i n i e die Tr/igerin der Vitamine.

Die Vitamine scheinen im K6rper einen ]Regulationsfaktor darzustellen, und zwar einen solchen yon entscheidender Bedeutung f/Jr die wichtigsten Geschehnisse im inneren Stoff- wechsel, hnmer !darer stellt es sich heraus, dab die Vitamine lebenswichtig sind. Es gibt offenbar eine ganze Reihe solcher Stoffe. Unter den bisher bekannten sind fiir das Kind d i e wichtigsten einmal die Vitamine, die das Wachstum, beson- ders auch den Mineralstoffwechsel regulieren, dann solche, die den Ablaut der Oxydationen in den K6rperzellen ordnen (ABDERHALnEN), und schlieBlich die, bei deren Mangel in der Nahrung der Skorbut (BARLOW) auftritt.

Es werden auch noch andere Krankheiten mit dem Fehlen yon Vitaminen in der Nahrung in Beziehung gebracht, so in erster Linie die Rachitis und chronische Verdauungsst6run- gem F/Jr die Rachitis kSnnten das sogenannte Wachstum- Vitamin und das den Mineralstoff regulierende Vitamin yon Bedeutung sein. praktische Ern~hrungserfahrungen -- der gute Erfolg des Leberthrans nnd der grfinen Gem/ise -- sprechen fiir einen solehen Zusammenhang, andererseits f/illt es schwer, andere Faktoren, die auch auf die Rachitis gfinstig einwirken, nnd direkt nichts mit der Ern/~hrung zu tun haben, mit einer Vitaminwirkung zu identifizieren. Wir iibersehen aber die ]Beziehungen noch nicht ldar genug, um ein sicheres UrteiI abgeben zu k6nnen.

Anch bet den ehronischen Ern/ihrungsst6rungen sprechen praktisch-klinische Erfahrungen daffir, dag bet einigen yon ihnen der Mange ! an Vitaminen in der Nahrung ~tiologisch yon Bedeutung ist. Wir wissen z. B., dab bet der schweren Verdau- ungsinsuffizienz (HERTER-HEUBNER) eine stark gemischte~ gem~sereiche Kost (im Verein mit Muttermilch) vorteilhaft ist, wghrend bet der frfiher verwendeten Kost yon Milchbreien und einseitiger Mehlkost die Kinder immer schlechter wurden.

Jedenfalls ist es sicher, dab eine iReihe yon Vitaminen in der Nahrung des Kindes f/Jr sein Gedeihen und Wachstum notwendig sind, nnd wir miissen mehr als es bisher im all- gemeinen fiblich ist, darauf achten, dab auch das Kleinkind seine lebenswichtigen Vitamine erh~lt. Dabei ist es durchaus m6glieli, dab wit dutch die weitere Eriorschung dieser neuen, eigentfimlichen N/ihrstoffe noch andere St6rungen kennen- lernen, die mit dem Mangel an solchen N/ihrstoffen in der Nahrung zusammenh/ingen (Dystrophien und Atrophien).

Die verschiedene qualitative Wertigkeit zeigte sich be- sonders eindrucksvoll bet den Igiwei[38~ofJe~. Ihr sehr kom- plexes Molekfil ist je nach ihrer Herknnft verschieden auf- gebaut. Einigen fehlen gewisse Bausteine (Amine), die aladere besitzen. Wir haben natfirlich das Eiweig unserer Nahrung darnach zu bewerten, ob es alle Bausteine besitzt, die zum Auf- ban der EiweiBk6rper des menschlichen K6rpers geh6ren. Fehlen den Eiweigstoffen unserer Nahrung einige zum Aufbau menschlichen Eiweiges n6tigen Bausteine, so mfissen wit als nnterwertig sie einsch~tzen; andere besitzen sie in mehr oder weniger groger Vollkommenheit und wit k~Snnen sie dementsprechend als mehr oder weniger hoehwertig fiir den Ansatz menschlichen Eiweiges bezeichnen. Unter den ffir das Kleinkind in Betracht kommenden EiweiBstoffen liefern -- immer an dem Magstabe ihrer Eignung f/it den Ansatz gemessen -- die wertvollsten das Fleisch, das Ei und die Milch und dann die Kartoffel. Das ist vollkswirtschaftlich wichtig Im allgemeinen sind jedoeh die tierisehen Eiweif3stoffe weft

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voller als die vegetabilischen, am wertvollsten natfirlich das physio!ogisch adequate tier Frauenmflch, das sich bei der Ern/ihrung stark ern/~hruiigsgest6rter Kteinkinder oft bew/ihrt. Ganz abgesehen yon der verschiedenen Verdaulichkeit der Eiweigk6rper unserer Nahrung im Darme (und trotz der energetischen Gteichwertigkeit der verschiedenen Eiweig- stoffe) ist ihre verschiedene molekulare Zusammensetzung fiir den Aufbau menschlicheii EiweiBes yon groBer Bedeutuiig, und wit laaben diese Verschiedenwertigkeit bei der Aufstellung einer Kostordnung zu beriicksichtigen. WShrend der S~ugling in der Muttermilch das fiir den Menschen hochwertigste Eiweig erh~lt, geiiiel3t das KleinMnd in seiiier stark gemischten Nahrung EiweiBstoffe Yon verschiedenem Werte Ifir den Aufbau seines K6rpereiweiges. Be%onders die verschiedenen Geb/~cke, die grflneii Gemfise uiid das Obst bringen dem Klein- kinde Eiweigk6rper yon relativ geringem Werte ffir den Aii- satz. Wir werden also gut daran t~.m, yon vornherein die trig- liche Eiweigaufnahme des Kieinkindes (!iir das Kilogramm) etwas h6her zu bemesseli als ffir den SS.ugling. Es kcmmt noch hinzu, dag der Nutzeffekt des pflanzlichen Eiweiges alis rein mechanischen Grfinden verh~Litnism~Big klein ist. Eiiigebettet in feste Zellulosehiillen ist es dem Magendarm- salt schwer zug/inglich, so dab nicht unwesentliche Meligen fiir die Aufliahme in den K6rper verlorengeheii k6nlien. Besonders die Hiilsenfrflchte sind in dieser Hinsicht unvorteil- haft. Es ist deshalb wichtig, dem Kleiiikinde mit seinem IIoch wenig ausgebildeteii Gebig alle Gemfise in feinster Brei- form zu reichen.

Freilich gebeii wir ja im allgemeinen dem Kleinkinde die Gemiise nicht, urn ihm Eiweif~ zuzuffihren, sondern die wichtige~ Alkalien und Vitamine.

Der Eiweil3verzehr des Kleinkindes soil so grog sein, dab er einmal das Eiweig der bei jedem Menschen aiidaueriid in Verlust geratenden Zellen (Verlustquote) zu ersetzen uiid dann das EiweiB fiir die Neubilduiig yon Zellen (Wachstums- quote) zu liefern vermag. F in Verbrauch darfiber hinaus ist zwecklos, auf die Dauer sogar seh/idlich. Es ist nns Kiiider- grzten schon lange bekanlit, dab die eiweigiiberfiitterten Kiiider blab werden und nicht gut gedeihen. Allerdings ist an dem mangelhaften Gedeiheii der eiweigiiberffitterteii Kin- der nicht so sehr die absolute Luxuskonsumption Schnld, wie das MiBverh/iltnis des Eiweil3es mit seinen sauren Stoff- wechselprodukten zu den Basen der Nahrulig (in erster Linie Alkalien), worauf ich noch bei der Besprechling der Gemfise zuriickkommen werde.

Die K o M e n h y c l f a t e (und wit k6nnen in Verbindung mit ihiieii auch das Wasser bier erw~ihnen) spielen eine sehr wichtige Rolle in der Ernghruiig des Kleinkindes. Seine Lebhaftigkeit im Spiel erfordert naturgem~il3 eine reichliche Zufuhr yon Brennmaterial zur Bew/iltignng der starkeii me- chanischen Arbeitsleistung. Fiir diese Zwecke wird die t tauptmasse der Kohlenhydrate verbraueht, und hier k6nnen sie auch weitgehend nnseren andern wertvollereii Heizstoff der Nahrung, das Fett , ersetzen und leisten wohl auch das gleiche, natfirlich entsprechend ihrem calorischeii Aqui- valeiit. Dalin sind die Kohlenhydrate wichtig iiir die Stuhl- bfldung, weil sie im Darm mehr oder weiiiger schiiell der G/~- rung anheimfallen und so den Stuhlgang f6rdern. Anderseits mahn t diese Neigung zur Verg/irung, die Zufuhr den ilidivi- duellen Darmverh~ltiiissen des Kindes anzupassen.

t3emerkeiiswert ist dann die Stellung der Zucker und Mehle zur Wasserverbinduiig im K6rper. Wit wissen heute, dab das Zellwasser im K6rper im wesentlicheli an Kohlenhydrate ge- bullden ist, und zwar ist diese Verbindung eine dauerlide, jedeiifalls eine weitaus stabilere Ms die mit den MinerM- stoffen. Weiin wit daran deiikeli, dab der K6rper des Klein- kindes etwa zu 70% aus XYasser besteht, erscheint es klar, dab das~Kind immer auch eine gewisse Menge Kohlenhydrate zu Wachstumszwecken bediirfeli wird. Im allgemeinen ist abet die Gefahr, dab wir dem Kinde zu wenig Kohlenhydrate geben, praktisch gering, wir mfissen nns vielmehr vor eiiier Oberfiitterung hiiten. Die Gefahr einer Luxuskonsumption ist besonders grog bei Kindern, die zu abnormer Wasser- ansammlung im I<6rper neigen, wie die mit hydropigelier

Konst i tut ion (CzERNu und die mit exsudativer Diathese. Unsere praktisch klinischen Erfahrungen lehren nns framer wieder, dab diese Kinder mit einem krankhaft reichlichen WassergehMt ihrer Gewebe eine abnorm geringe Immunit / i t besitzeii; sie sind bei akuten und chroiiischen Infektioiien geffihrdet wegen ihrer geringen Widerstandskraft. Die Mor- tali tgt der Kleinkinder, z. B. an Masern uiid Keuchhusten, ist bekaiintlich grog (PFAIJ~Z~R). Wie wir IIoch besprechen werdeii, ffihren die Nahrnngsfette IIicht entfernt in diesem MaBe zur Verw~sserung der K6rpergewebe.

So gilt es bei dem Kleinkinde auch die Zufuhr voli Kohlen- hydraten voii Fall zu Fall zu regelli. Die Beweglichkeit des I<indes mit seiner unter Umst~nden starken mechanischen Muskelleistung, die DarmverhNtnisse, die Konstitutioii werden im Vereiii mit dem Zustande des K6rpers (Turgor, Gewicht u. a.) wegweisend sein.

Wenn wit den Wert der _,wette far das Kteinkind w/ir- digen wollen, so ist in erster Linie ihr hoher Breniiwert be- merkeiiswert, daiin ihre sehr hoch einzusch/itzende Eigen- schaft, die Immuiiit/~t der Gewebe zu f6rdern. Das ist ein groger Vorteil, den wir uns nicht entgehen lasseii sollten. Es gibt freilich eiiie 1Reihe besonders veranlagter Kinder, die Fe t t schlecht vertragen, so dab auch die Fettzufuhr voii Fall zu Fall einer Regelung bedarf.

Die Anschauung einiger Autoren, dab Fet t unter Um- st/inden zu An•mie (01s~iuren) ffihren k6niie, und dab bei besonders veranlagten Kinderii eine fiberm/~13ige Fettznfuhr eine Demineralisation des t<6rpers durch Entziehung yon alkalischen Erden im I)arme zur Folge habeii k6nne, ist noch nicht geniigend sichergestellt.

Anch die Wertigkeit unserer Nahrungsfette f/Jr den Men- schen ist eine verschiedene, und zwar h/ingt sie yon der Bei- mischung von Erg/inzungsnghrstoffen ab, das haben nene experimentelle Untersnchungen im Einklange mit alten prak- tischen Erfahrungen nunmehr geniigend sichergestellt. Nach unseren bisherigen Kenntnisseli sind es Stoffe, die in die �9 Gruppe der Lipoide geh6ren, die die besondere Wertigkeit gewisser Fette bedingeii uud sie aus der Allgenleinheit heraus- hebeii. Diese Lipoidstoffe sind besoiiders ffir das waehsende Kind notwendig, da sie nach allen Erfahrungen das Wachs- turn zu re~ulieren scheiiien. Auch auf die Immuni tS t des Menschen fiben sie offeiibar einen gfinsfigen Einflug aus, was auch ffir unser Kleiiikiiid yon Bedeutung ist.

Zu den in dieser Hinsicht wertvollsten Fet ten geh6ren der altbew/thrte Leberthran, das Mitchfett (Butter) und das Fet t des Gelbeis, also tierische Organ-, bzw. Zellfette, an zweiter Stelle stehen im allgemeilien die tierischen Depot- fette, wie der Speck, der Rindertalg, und erst a n dritter die pflanzlicheii Fette, die also mehr oder weiiiger frei yon u minen siiid, zum mindesten bei der jetzt flblichen Gewiniiung, dutch Auspressen der Olfrfiehte. Es ist freilich schwer ver- stgndlich, dab die vitaminreichen Pflanzen keine an die Fette gebundeneii Vitamine enthalten so!leii, uiid es ist anzunehmeii, dab die Vitamine im PreBrfickstand zurfickbleiben.

Entgegen aiiderweitigen Anschauungeii (PIRQIJET) ist also bei dem Kleiiikiiide grundsfitzlieh auf eine m6glichste fettreiche Nahruiig Wert zli legen, aber unter Berficksichti- gung der Veranlagung des IKindes.

Wir haben frfiher die Fettzulage zur Nahrung eines Kindes rein qnant i ta t iv bemesseli und damit bei der Aufstelluiig yon Kostordnungeli gereehiiet. Das ist nicht mehr ansreichend. Wiir miissen heute auBerdem noch die verschiedene Wertig- keit der Fette beriicksiehtigen, und ganz besonders bei dem immer noch stark wachsendeli Kleinkinde daffir Sorge tragen, dab wir als Nahrungsfette auch hochwertige Fette answ~ihlen, d. h. solche, die die ffir das Gedeihen uiid das Wachstum not- wendigen fettartigen Ergiilizungsn/ihrstoffe besitzeii.

Die MineraLsto]Je - - lange Zeit vernachl~ssigt -- haben jetzt die ihnen gebfihrende Beachtung bei der Ern/ihrung des wachsenden Kindes gefunden. Es ist klar, dab jedes Wachs- turn, jede Zellvermehrung nur unter Einlagerung yon Mine- ralstoffen in die Gewebszellen erfolgenkann. Mindestens ebenso wichtig ist abet die Aiifgabe einer Gruppe der Mineralien, der A1- kalieli und alkalisehen Erdeii, die sauren Stoffwechselprodukte

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zu neutralisieren. Ich erw/ihne die KohlensSure, das Endprodukt tier Verbrennur~g aller stickstoffreien N/ihrstoffe, dann be- sonders die Schwefel- und Phosphors/i,are, die intermedigr bei der Zersetzung des Nahrungseiweiges entstehen und so- fort neutralisiert werden mfissen, am die physiologische neu- trale Reaktion der Gewebss~fte a,afrechtz,aerhalten. Der Bedarf an basischen Valenzen ffir diese Aufgaben im Stoff- wechsel ist schwer zu berechnen, er h&ngt naturgem~13 yon der Zusammensetz,ang der Nahrung weitgehend ab. Be- sonders die Menge der EiweiBstoffe ill der Nahrung wird den Ausschlag geben ffir die entsprechende Zufuhr yon Mi- neralstoffen ill Gestalt yon Alkalien. Es ist nicht so wichtig, hier absolute Werte zu nennen und zu fixieren, wie auf ein richtiges Verh/iltnis zwischen EiweiB und Mineralstoffen in der Nahr,ang zu achten. Bei Mangel an unorganischen ]3asen im Stoffwechsel hat ja der K6rper framer noch die M6glichkeit Ammoniak z,ar Neutralisation herzugeben, aber dieser regu- latorische Vorgang ist kein unbeschr/~nkter und in gr6Berem NIaBstabe ein ungesunder.

Betrachten wir rfickblickend das Gesagte, so wird es deutlich, dab die ganze Entwicklung der Ern/ihrungsk,ande dahin geht, a.af der festen Grundlage der alten energetischen t3etrachtungsweise der Nahrung ein neues Stockwerk aufzu- bauen, in dem die qualitative Ern/ihrungsforschung ihre Arbeit beginnt. Die Erkenntnis, dab den einzelnen N~ihr- stoffen, unabhfingig yon ihrem calorischen \u noch andere qualitative Sondern/ihrwerte zukommen, gewinnt immer mehr an Boden. Der Begriff ,,N/~hrwert" ist ein wei- refer geworden und schlieBt heute bei den einzelnen N/~hr- stoffen auch n o c h ihren qualitativen Sondern/ihrwert ein. Das ist eine wichtige Tatsache, die uns ffir die Darstellung der praktischen Ern/~hrung des Kleinkindes zwingt, yon diesem erweiterten Gesichtspunkte aus, nunmehr die gew6hnlichen Nahrungsmittel des Kleinkindes kurz zu besprechen.

Es kommen in Betracht: Die Milch, das El, das Fleisch. die Gemiise (und das Obst) und die verschiedenen Geb/ieke.

Die Milch ist, physiologisch betrachtet, Zweifellos ein Nahrungsmittel, das nur ffir die Stillperiode best immt fat. Die jungen Sgugetiere geniel3en die Muttermilch nur wghrend der zeitlich begrenzten Stillperiode, dann tr i t t schnell und zwar restlos all ihre Stelle die Nahr,ang der Erwachsenen. Nur der kleine Mensch erh/ilt auch als Kleinkind oft noch eine Kost, in der die Kuhmilch vorherrscht. Es ist nichts unge- w6hnliches, dab I bis 11/~ Liter t/iglich gereicht werden. Das ist durcha.as unzweckm/iBig. Trinkt ein Kind solche Fluten yon Milch, so ist es natfirlich nicht in der Lage, andere not- wendigen NahrungsmitteI in genfigenden Mengen aufzuneh- men, z. I3. so!che, die ihm die wichtigen Alkalien, das Eisen u. a. bringen. Nur die Kalkzufuhr ist mit der K,ahmilch eine reichliche, wird aber bei dem Kleinkinde zweckmRBig d,arch den noch kalkreicheren weiBen K/~se ersetzt. Neuere Unter- suchungen sprechen dafiir, dab der hohe Phosphatgehalt der K,ahmilch die Erregbarkeit der Nerven (Tetanie) in scNid- licher Weise steigern kann. Die praktische Erfahrung hat uns gezeigt, dab ein I3bermaB all Milch die ldinische Manifestation gewisser Krankheiten f6rdert gegeniiber einer milcharmen und daffir gemfise- und fleischreichen K o s t (Rachitis und An~mie und auch die exsudative Diathese). SchlieBlich ist noch zu bedenken, dab die grogen Flfissigkeitsmengen, die das Kind mit der Milch erh~lt, ganz unphysioiogisch sind, nur der S/iugling im ersten Lebenshalbjahre ist naturgem/iB a,af rein flfissige Nahr,ang eingestellt, dann soil allm~hlich der lJbergang zu der trocknen Kost des Erwachsenen erfolgen.

Nun ist neuerdings noch der Vitamingehalt der Milch als MaB ihrer Giite hinzugekommen. Da die Kuh ihre Vitamine nich• selbst produziert, sondern mit ihrer Nahrnng aufnimmt, wird der Vitamingehalt ihres Futters natfirlich ffir den ihrer Milch yon 13edeutung sein. So wird die Milcli yon Weidetieren in dieser Hinsicht wertvoller sein als die yon Kfihen, die mit so vi taminarmem Fntter, wie Rfibenschnitzel, Trebern, al tem Heu nnd Abfallsto{fen ernShrt werden. Das ist ein neuer wichtiger Gesichtspunkt. Es ist auch m6glich, dab die verh~iltnism~iBig vi taminarme Milch des Winters, wenn es keine Weide gibt, mit daran beteiligt ist, dab im Winter bei

Kindern sich oft ein Mange1 im Gedeihen bemerkbar macht, und dal3 krankhafte Anlagen' st/irker hervortreten, besonders wenn die Milch i.n der Kos~ vorherrscht.

Jedenfalls haben wit mit der BeschrSnkung der Milch im Speisezettel des Kleinkindes gute Erfahrungen gemacht, und besonders ftir blasse Kinder sollte die tiegel gelten, ,,je blasser ein Kind ist, desto weniger Milch darf es erhalten." Die t&gliche Milchmenge soil im 2. und 3. Lebensjahre etwa 4oo g, und sp/iter n,ar noch 3oo g betragen. Es ist allerdings m6glich, dab unter Umst/fnden im Sommer eine Milch yon Weidetieren, die sofort yon der Kuh frisch `and noch dazu roh getrunken wird, fiir manche Kinder Vorteile bringt, sicher ist sie wertvo!ler als unsre Milch in den St/~dten, die dutch Transport, Abkochen, Lagerung denaturiert ist, und auch als die vitaminarme Wintermilch.

Das Ei ist ein sehr hoehwertiges Nahr,angsmittel, auch ffir Kinder, dariiber herrscht wohl Einigkeit der Ansichten, nur der Zeitpunkt, warm das Kind zuerst eine Eizulage er- halten soll, "and die Menge, die Kindern bek6mmlich ist, stehen noch im Streite der Meinungen. Zweiiellos wurde friiher der EigenuB (ein bis zwei Eier am Tage waren keine Seltenheit) stark tibertrieben u n d die schlechten Erfahrungen, die dabei gemacht wurden, waren wohl einer der Grfinde; das Ei bei den Kinder~rzten zu diskreditieren. Ffir die Beurtei- lung des Eis als Nahrungsmittel ffir Kinder sollte die Uber- legung yon 13edeut,ang sein, dab das junge Huhn im El, und besonders im Eigelb, Mle Stoffe vorfinden muB, die es zum Aufbau seines K6rpers braucht, also z.B. zum mindesten auch die Bausteine fiir die P,arink6rper und Pyrrol-Derivate, dann auch die Ern~hrungsstdfe (Lipoide), die das Wachstum regulieren. Nun ist gewi13 die synthetische Fghigkeit des jungen H,ahnes mit der des jungen Menschen n ieh t auf eine Stufe zu stellen. Immerhin ist abet doch ein Nahrungsmittel mit einem so vielseitigen Besitz an hoehwertigen N~ihrstoffen sehr beachtenswert, und es erscheint wfinschenswert, das Gelbei mehr, als bisher dem Kleinkinde, wenn auch mit Vor- sicht, z,a geben. Ich lasse schon seit vielen Jahren dem KIein- kinde Gelbei reichen, und zwar mit Beginn des 2. Lebens- jahres, und habe dabei niemals einen sch~dlich~ Einflug erlebt. Ieh beschrgnke allerdings die Zufnhr xuf ein Ei ffir die Woche, vielleicht auf 3 Tage verteilt, und gebe an den andern 4 Tagen der V~roche dafiir je einen Kaffeel6ffeI weiBen K~isel auch spXtgr gehe ieh fiber 2 Eier in der Woche nicht hinaus. Ich glaube sogar, dab dieser vorsichtige Gebrauch schon am Ende des ersten Lebensjahres erlaubt ist.

Die EiweiBstoffe des t'leisehes s.ind, wie wir besprochen haben, sehr hochwertig fiir den Ansatz beim Kinde, sie ent- halten weitgehend die Bausteine, die z u m Aufbau mensch- lichen EiweiBes notwendig sind. Ein Vorteil des Fleisches ist auch sein Reichtum an Extraktivstoffen, die seinen Gebrauch ffir das wachsende Kind wiinschenswert erscheinen lassen. Auch die Verdaulichkeit des Fleisehes ist eine gute. So besteht im allgemeinen kein triftiger Gr,and, das Fleisch dem Kleinkinde vorzuenthMten. Die Mehrzah! der Arzte lassen deshalb dem Kinde schon mit I~/~ Jahren kleine Mengen feingewiegten Fleisches reichen (etwa einen Kaffeel6ffel ffir den Tag). Mit dieser Fleischzulage haben wir g.ate Erfahrungen gemacht, abet es soll nicht verschwiegen werden, dab eine Reihe v0n ~krzten schon am Ende des ersten Jahres mit der Fleischz,afuhr beginnen, und besonders auch elnen feinen Leberbrei wegen seines hohen Gehaltes an Purinstoffen (CzERNu sch/itzen.

Die frischen Oemi~se, die Karto]Jel~ und dae Obst sind in der Kost des Kleinkindes die Hauptspender der Mineral- stoffe, besonders der Alkalien, des Eisens, des Kalkes u n d der Erg/inzungsnghrstoffe, deshatb wertvoll, und eigentlich dutch n i ch t s anderes zu ersetzen. Voraussetzung ist dabei, dab sie in der Kfiehe nieht so mil3handelt werden, dab die Nghr- stoffe, die sie dem Kinde liefern sollen, mehr oder weniger verlorengehen. Die groBe Gefahr besteht darin, dal3 die Ge- mfise noch framer in weiten Kreisen abgebrfiht werden; und das Brfihwasser fortgegossen wird. Mit diesem Brfihwasser, so auch mit dem kalireichen I4ochwasser der Kartoffeln. geht ein grol3er Tell d e r leicht 16slichen Alkalien `and der Vitamine verloren, das haben viele Untersuchungen

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einwandsfrei erwiesen. Auch die fabrikm~Big hergestellten Gemfise- und Obstkonserven-Trocken- und D6rrgemiise, Btichsengemiise und a. haben bei der heute fiblichen, nnzweck- m/iBigen Behandlung (die Gemfise werden blanchiert, d .h . abgebriiht und das Briihwasser wird fortgegossen) einen groBen Tell ihrer Mineralstoffe und Vitamine verloren. Ganz abge- sehen davon, d a b die starke Erhi tzung und die lange Lage- rung die Vitamine zum mindesten stark schSAigt, sind auch diese Konserven durch die Vorbehandlung wesentlich an Alkalien verarmt. Es ist dringend wfinschenswert, dab kiinftig mehr als bisher darauf geachtet wird, dab die Gemiise m6g- lichst frisch und ohne Verlust ihrer wertvollen Bestandteile fiir das Kleinkind Verwendung finden.

W/ihrend die Milch, das Ei und das Fleisch in der Kost des Kleinkindes die Hauptspender des EiweiBes darstellen, bringen ihm die Friichte und Gemiise aller Art die Alkalien. Es wird bei der Aufstellung einer Kost fiir das Kleinkind we- niger darauf ankommen, fiir .diese beiden Gruppzn absolute Tageswerte aufzustellen, als sie dem Kinde in einem verst/in- digen Verh~ltnisse zu reichen. RAG~AR BERG, dem wir sehr viel Ifir das Verst~indnis unserer Ern/ihrnngsnotwendigkeiten verdanken, meint, dab das Kind schgtzungsweise etwa 5 real so v i e l Gem/ise und Kartoffeln aufnehmen sell, Ms Fleisch, um die notwendigen Mengen Alkalien zur Verfiigung zu haben.

Ffir die Bewertung der Geb~eke des Kleinkindes ist ein wichtiger MaBstab ihr Gehalt an Kleie. Sie ist die Tr/igerin der Eiweigstoffe, der Mineralstoffe und der Erg~inzungs- n/ihrstoffe. (FR. HOFFMEISTER) des Getreidekorns und auch zum groBen Teile seiner Keimlinge mit ihren wertvollen Fet t - stoffen. Nun ist das gew6hnliche Geb/ick des Kleinkindes -- Zwieback, Keks, weiBe Semmel -- aus wenig ausgemahle- nero und damit !deiearmen Mehle hergestellt und deshalb gerade an diesen N/~hrstoffen augerordentlich arm. Ein Kind, das in groBem AusmaBe mit solchen mehr oder weniger nur aus reiner St/irke bzw. Dextr in bestehendem GebXcken er- nghrt wird, erhglt also eine sehr einseitige Kost, u n d e s kann unter Umstgnden nicht die M6glichkeit haben, die anderen ftir sein Gedeihen und sein Wachstum notwendigen Ns in geniigenden Mengen aufzunehm~n. Schon unser groBer Ern/ihrungsphysiologe BUNGE hat auf die Gefahren eines UbermaBes reiner N~hrstoffe in der Nahrung aufmerksam gemacht, und die Kinder/irzte haben die Nachteile einer solchen einseitigen Mehlkost auch schon 1.ange erkannt.

J e kleiehaltiger, also je stgrker ausgemahlen ein Mehl ist, desto reieher ist es naturgem~B an den verschiedensten N/~hr- stoffen, nnd desto wertvoller ist e s fiir die Ern~ihrung des Kindes. Die Versuche, Geb/~eke aus solchen Mehlen her- zustellen, sind alt, haben aber bisher noch keinen durch- schlagenden Erfolg gehabt., obgleich die Forderung, dem Brote die Kleie mSglichst zu erhalten, theoretisch durchaus be- grfindet ist. Der Einwand, dab die Kleie ffir den mensch- lichen Darm reizend und schwer verdaulich ist, hat gewisse

Berechtigung. Aber auch wenn der Nutzaffekt des EiweiBes in der Kleie verh~ltnism~Big gering sein mag, so erscheint doch der Nutzen, d e r in der gleichzeitigen Auinahme yon wichtigen Mineralstoffen, Fettstoffen und Erg~tnzungsn/ihr- stoffen besteht, gl:oB genug, um die Verwendung stark aus- gemahlener Mehle auch iiir das Kleinkind zu rechtiertigen.

Der Prakfiker wird den Anforderungen, die wir h e u t e an eine ausreichende Ernghrung des Kleinkindes stellen, ambes ten gerecht werden, wenn er die Nahrung m6glichst gemischt gestaltet und besonders die Milch stark einschr/inkt. Ffir eine solche stark gemischte Kost m6chte ich noch zwei Speise- zettel beiffigen, die sich mir bew~hrt haben. Sie stellen nat/ir- lich nur ein Schema dar, das im Einzelfalle Ver/inderungen er- fahren kann. Der eine Speisezettel gilt fiir das Kind im e. und 3. Lebensjahre, der zweite ffir das im 4- bis 6. Lebensjahre.

Speisezettel ]iir das 2, his 3. Lebens]ahr. I. Frfihstiick: 200 g reine, m6glichst frische, kurz abge-

kochte Milch, dazu Semmel- oder besser Brotrinde mi t Bienenhonig oder Marmelade.

2. Frfihst/ick: Anfangs Brotrinde eingebrockt in rohea gesfil3ten Fruchtsaft (Apfelsine, Zitrone, Weintraube, Tomate, Mohrriibe). Sp/~ter geschabte, rein zerkleinerte robe Frfichte aller Art, dazu etwas Brot mit Butter.

Mittagessen: Frisches Gemiise (nicht abbrfihen!), Kar- toffelbrei (mit dem Kartoffelwasser !), IO--15 g Butter, etwas Salz, Kompott , dazu mit I1/2 Jahren etwa einen Kaffeel6ffel rein gewiegtes Fleisch. Fleischbr/ihe im Gemfise verkochen. Keine Suppe.

Vesper: 2o0 g Milch, dazu auf Wunsch etwas Geb~ck. Abendessen: Wie Mittagessen. An Stelle des Fleisches ab-

wechselnd einen Kaifeel6ffel yell weiBen Kgse oder eine~ mit Gelbei. Dazu rohe Frfichte, wie zum zweiten Frfihstfick. Ein Ei fiir die W'oche.

Speisezettel ]iir das ~. bis 5. Lebens]ahr. I. Friihstiick: 15o g Milch und 5 ~ g Getreidekaffee mit

Zucker, dazu (Schrot)-Brot mit But ter und (Waben)-Honig oder Marmelade.

2, Frfihstiick: 1Robe Frflchte (wenn m6glich mit der Schale), wie Obst aller Art, Tomate, Radieschen, geriebener Ret t ig (mit Zucker), rohe Gurke, rohe Karotte. Dazu auf Wunsch ein Butterbrot .

Mittagessen: Frisches Gemiise aller Art (nicht abbrfihen!), Kartoffel (mit Kartoffelwasser!), dazu 15 g Butter oder Buttersauce. Fleisch oder Hiilsenfriichte. Grfiner Salat . Kompott . Fleischbrfihe im Gemiise verkochen. Keine Suppe t

Vesper: 15o g Milch und 5 ~ g Getreidekaffee. Dazu auf Wunsch eine Semmel oder Brot mit einem Fruchtmus.

Abendessen: Ein Kartoffelgemiisegericht, oder Apfelreis, oder rote Griitze u. a. But terbrot mit Blutwurst, oder weisem Kgse, oder einem Ei. 2 Eier f/Jr die Woche. Rohe Frfichte, wie zum 2. Frtihstfick.

OFFENTLICHES GESUNDHEITSWESEN. S O Z I A L H Y G ' I E N I S C H E S T U D I E N R E I S E N . lichen Gefahren, ein Verst&zdnis ]~r die Leberasbedingungen, unter

Von

prof. HANS REITER. Aus dem, sozialhyg~enischen Sem!nar Ro;tock. "(L~iter: Prof. REITER.)

Der l!eutige Lehrer der Hygiene darf sich unter Beracksichti- gung der eigenartigen :Psyche des Mediziners nicht auf wissenschaft- liche Ausfiihrungen im H6rsaal beschr~mken, sondern er wird ver- suchen miissen, eine Verbindung zwisehen diesem Stoff und dem Leben-zu schaffen. Er, mnB den Men~ehen und nicht die Saehe in das Zentrum seiner Betrachtungsweise setzen. Won hier aus kann er ohn e groB e Miihe in die Breite dringen und mit den Menschen selbst alle s durchwandern. Fflgt er in seine Worte noch die vielen, auBer0rdentlich interessanten Grenzgebiete der Volkswirtschaft, Politik und Psychologie ein, dann kann er seine H6rer packen und ihnen das flbermitteln, was s~e brauchen und auch haben wollen: ;Ein Verst~ndnis flit das Leben, wie es ~st, mit seinen gesundheit-

denen die Masse des Volkes wohnt und wi@t, sich erni~hrt und ver- mehrt.

Der einzuschlagende "Weg ist gegeben: Aueh in der Hygien~ muff der Mensch an den Studenten heran, dann ist das Interesse bald; geweckt.

Der lebende Mensch muB in den Vordergrund der Betrachtungs- weise, ffir den Hygieniker der gesunde Menseh, genau so, wie fflr den Kliniker es l~ngst der kranke Menseh ist. tlierin liegt der Schlfissel zur Weiterentwicklung des hygienischen Unterrichtes.

Im Laufe der letzten Semester habe ich mit den HOrern meine~ sozialhygienischen Seminars, die sich etwa zur t-I~ilfte aus Medizi- nern, zur anderen H~ilfte arts Volkswirtschaftlern, Juristen un4 Philologen zusammensetzen, versetfiedenste Besichtigungen in der Stadt selbst, abet auch im Lande drauBen und in gr613eren Nachbar- st~idten vorgenommen, und bin, um diese Ffihrungen des Charak- ters der Museumsbesiehtigungen zu entkleiden, dabei in der Weise