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Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXX, fasc. IV-VI, 1933. Zur Frage der Pathogenese des Nephroseodems. Von ESKIL KYLIN. Jonkijpiiig (Schweden). Unsere Auffassung uher die patliologische I.'ldssigl~eitsansanim- lung im menschlichen Kdrper, wie sie uns bei der sogenannten nephrotischen Nierenerkrankung entgegentritt, hat wahrend der letzten zehn Jahre eine grundliche Uniwalzung erfahren. In gewisser Beziehung scheint es, als seien wir zu mehr begrundeter Auffassung gekommen; in anderen Einzelheiten dagegen entbehrt u n w e Auf- fassung iinmer noch einer festen Form. Die Forschungsresultate der letzten Jahre scheinen jedoch geeignet zu sein. das Dunkel urn das Ratsel des Nephroseodems aufzuhellen, und man darf wohl heute die Hoffnung hegen, dass wir in diesen Fragen recht hald klar sehen werden. Es ddrfte auch berechtigt sein, die Vermutung auszusprerhen, dass die erweiterten Kenntniss uber die Bedingungen fur die Entstehung dieser Odem- form wie sie uns heute erscheint nicht nur eine erhohte theoretische Bedeutung fur diese schwer zu losende Frage haben wiirde, sondern uns auch grossere Moglichkeitcn fur die Behandlung der Wasser- sucht in die Hand gehen. Wir wissen alle, dass vor etwa 10 Jahren das Odem bei Nieren- erkrankungen groh mechanisch, als durch die Niereninsuffizienz verursacht erklart wurde. Man daclite sich, dass die erkrankten Nieren Wasser und Salze nicht ausscheiden konnten und diese im Blut zuruckgehalten whrden. Das Gewebe sollte dann diese Stoffe retinieren, dadurch schwellen und odematos werden. Iki der Hedaktion am 27. Februar 1933 eingegangen.

Zur Frage der Pathogenese des Nephroseödems

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Acta Medica Scandinavica. Vol. LXXX, fasc. IV-VI, 1933.

Zur Frage der Pathogenese des Nephroseodems. Von

ESKIL KYLIN. Jonkijpiiig (Schweden).

Unsere Auffassung uher die patliologische I.'ldssigl~eitsansanim- lung im menschlichen Kdrper, wie sie uns bei der sogenannten nephrotischen Nierenerkrankung entgegentritt, hat wahrend der letzten zehn Jahre eine grundliche Uniwalzung erfahren. In gewisser Beziehung scheint es, als seien wir zu mehr begrundeter Auffassung gekommen; in anderen Einzelheiten dagegen entbehrt u n w e Auf- fassung iinmer noch einer festen Form.

Die Forschungsresultate der letzten Jahre scheinen jedoch geeignet zu sein. das Dunkel urn das Ratsel des Nephroseodems aufzuhellen, und man darf wohl heute die Hoffnung hegen, dass wir in diesen Fragen recht hald klar sehen werden. Es ddrfte auch berechtigt sein, die Vermutung auszusprerhen, dass die erweiterten Kenntniss uber die Bedingungen fur die Entstehung dieser Odem- form wie sie uns heute erscheint nicht nur eine erhohte theoretische Bedeutung fur diese schwer zu losende Frage haben wiirde, sondern uns auch grossere Moglichkeitcn fur die Behandlung der Wasser- sucht in die Hand gehen.

Wir wissen alle, dass vor etwa 10 Jahren das Odem bei Nieren- erkrankungen groh mechanisch, als durch die Niereninsuffizienz verursacht erklart wurde. Man daclite sich, dass die erkrankten Nieren Wasser und Salze nicht ausscheiden konnten und diese im Blut zuruckgehalten whrden. Das Gewebe sollte dann diese Stoffe retinieren, dadurch schwellen und odematos werden.

I k i der Hedaktion am 27. Februar 1933 eingegangen.

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Beim Versuch den Mechanismus der krankhaften Wasser- ansammlung im Gewebe zu erklaren, gingen die Ansichten aus- einander. Gewisse Forscher, besonders unter der Leitung der Franzoscn (Widal, Javal, Achard 11. A.) sahen die Salzretention fur das Primare an. Die von den erkran kten Nieren zuriickgehaltenen Salze binden im Gewebe Wasser an sich, wol)ei Odem entsteht. Andere Forscher dagegen wie Amhard hiclten die Salzretention fiir sekundar. Primar sei eine Retention giftiger Riweisstoffc, die ins Gewebe wandern. Das Gewebe zieht darauf Wasser an, die giftigen Kweissproduktc zu verdurinen .

Gegen diese grob mechanische ‘rlicorie richtete sich lxrechtigter- weisc Kritik von mehreren Seiten. So weist sowohl Volhard als auch Nonnenbruch darauf hin, dass eine prirnare Wasserretention nicht die Ursaclie ZUT Entstehung des renalen odeins sein konne. Volhard stutzt sich hierhei auf Untersuchungen von Kellcr, der h i Fallen von Nephrosc das Blut abnorm konzentriert fand. Ware cin priinares Unvermogen, Wasser auszuscheiden, die LJrsache Zuni Nephroseodcm, so musste das Blut verdiinnt sein, wasserrcicher als normal, in gleiclier Weise wic es bei Anuric der Fall i5t . Nonnen- 1)ruch fand hei Kriegsnephritis das Blut wahrend dcr 6dement- stehung konzentrierter als normal; so wic aucli Keller es iin Friih- stadium der akuten Nephritis konstatieren konntc.

Die erhohte Konzentration des Blutes wahrend der odcment- stehung zeigt, dass dem Blute Wasser entzogen wird (Volhard). I>ieses Verhalten tlurfte auch den oft unleidlichcn I h r s t erklaren, der den Krankcn im Friihstadium plagt, da das h l e m aufkommt und wachst.

Rin rein entgegengesetztes Verhalten findet nian wahrend dei 6deniausschwemmung, - wie ich durch mcine Untersuchungen nachweisen konnte -. Wahrend dieses Stadiums wird das Blut \ on Wasser ubeischwemmt, wobei man hochgradige Senkungen im Gehalt dcr Rlut1)estandteile wic Blutkorperchcn, Eiweissstoffe, Salze findet (Na, K und Ca-Grhalt wurden von niir Iwstimmt). Wahrend der 6dcmausschwemmung sinkt auch dcr kolloidosmo- tische D h c k des Blutes unter gewissen Verhaltnissen sogar bis 30-40 o/o von den in der Regel schon anfanglich niedrigcri We1 ten. Es kann als eine Tatsache von Interesse genannt weiden, dass die gi ossen rnomrntanen Senkungen voi nehmlich im venosen und nicht in gleichem Grade im arteriellen Blute gcmesseii werden.

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Dies Verhaltcn lwweist, dass die erhohte Diurese bei der Odemaus- schweinmung nicht einer verlmserten Nierenfunktion zugeschrie- lien werden kann, sondern dass ein erhiihter Wassertransport vom Gewebe zum Blut das Primire ist, wodurch das venose Blut ver- diinnt wird. Hierdurch werden den Nieren griisscre Wassermengen zugefiihrt und die 1)iurcse angekurbeit. Das arterielie Blut seiner- seits wird durch die Funktion der Kieren und vielleiclit aucli in gewisser Beziehung -durch die, Funktion der Lungen konzentriert urn pcripher mit ncuen Me,ngen eingeschwemmten Wassers ver- diinnt zu werden.

Es durfte weiterhin vou Interesse sein. Pint, Beobachtung anzufiihrrn, die ich wiihrend meiner Studien iiber die ildemausschwenimung machen konnt,e.l In F5llen cardialen i i d e r n s , wo das odein ails den Armen schon vollstiindig resorbiert, in den Beinen jedoch irnmer noch vorhanden war, konnte ich feststellen. dass der kolloidosmotische Druck nach einer Salyr- ganinjektion ini Venenblut des Beines bedeutend sank, dagegcn nicht in1 Venenblut des Armes. J a , in einem solcher FBlle konnte ich sogar glcich- xeitig ini Rein eineri starker1 Flussigkeitsstrorrl vom Gewebe ins Blut bro- bachten. wahrcnd in den oberen Extremitiiten ein cntgegengesetzter F’liis- sigkeitsstrom vom Blut, ins Gewebe vor sich ging. Der kolloidosmotischr Druck sank im Blute der Beinvene betriichtlich, was auf eine Verdunnung durch Gewebswassrr schliessen liisst.. Das arteriellt? Blut, dessen kolloid- osmotischer DrucA aucli etmas sank, war indcssen konzentriprtrr als das venose Blut des Beines. Die Rlutportion, die das Boin durchstriinitc wiirdr also wiihrend ihres W(5ges durch die Kapillarc~ii verdiinnt. Dir Portion d r s artcriellcn Blutrs dagegen, die den Arm clurchslriimtr, wurde beiin Passirren drr Kapillaren ein gedickt, was sich in einer Erhiihung des kolloid- osmotischen Druckes im Venenblut drs Armes iiber drn kolloidosmoti- schen Druck des Arterienblutes hinaus iiusswte. I m Arm fand also ein Fliissigkeitsstrorn Hut , --f Crew-ebc stat,t. Wir konntcn glcichzeitig eine ~deniausschweminung im Bein und, wrrin man so will einr ( ~ h m c n t s t e h u n g im Arm bcobachten.

1 )ie hier angefiihrten Untersuchungen hezichen sich meist auf den Zustand cardialen Odems. Bei der Ausschwcmmung des nephrotisclien u n d ncphritischen Odcms koiinten Variationen in gleiclirrri Ilmfange nicht konstatiert werden. Aber dass die Ver- haitnisse bei beiden iidemformen, den cardial und s. g. renal bedingten analog sind, ist mir gelungen festzusteilen.

I)ass die sngenannten renakn Odeme nicht durch die Nieren- insuffizicnz als solclic vcrursaciit sein kiinnen, kann auch aus anderen I’erhiiltnissen gefoigert wcrden.

1 l h i t s c h . Arch. klin. Mcd. 15d. li3; %. exli. Rlecl. Hd. 68.

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Erstens diirfte da angefiihrt werden, dass man beim Zustand wirklicher Nkreninsuffizienz kein Odem antrifft. Dies gilt sowoh1 fur Anurie auf der Basis ciner Xierentuberkulose. sowie auch fur Anurie auf anderer Basis. Ja , sogar im Endstadium von Morhus Brighti kann man Fiille mit Anurie ohne Odem antreffen. Bei allen diesen Fallen mit Anurie findet sich wohl Hydraemie obwohl Odem vermisst wird (Volhard).

Weiterhin mag als ein schlagender Beweis gegen die Annahme tler renalen Entstehung des Nephroseodems angefiihrt werden, dass hei Nephrosefallen die Nierenfunktion keineswegs schlecht. ist, wenn dem Kranken die Fliissigkeit nu: intravenos stat$ peroral zugefiihrt wird. Das peroral zugefiihrte Wasser kann, wie Volhard nachwies, von den Niercn nicht ausgeschieden werden weil es im (;ewebe zuruckgehalten wird. Das in travenos zugefiihrte, dass dagegen wenigstens zu einem Teil den Nieren dire,kt zugute kommt, wild durch die Nephrosenieren schneller ausgeschieden.

I3ci Nephrose ist die Wasserausscheidung schlecht, n icht wegen des Unverrnijgens der Nieren, Wasser cruszuscheiden, sondern weil das Wasser den Nieren nichf ztige/iihrt mird. Kommt das Wasser den Nieren nur zugute, so wird die Wasserausscheidung gut. Analog sind die Verhaltnisse fur Kochsalz.

Wir diirften nun zu einrm festen l’unkt fur die I i s u n g des Ititsels des Nephroseodems gekommen sein, niimlich: das Ntlphros- idem is! entrarenal bedingl.

Beim Suchen nacli Angriffspunkten, unserem Problem wciterhin nahcr zu kommen, kijnnen wir uon der Tatsache ausgehen, dass die Funktion der Nephrosenieren herabgesetzt ist weil das Wasser den ,Vieren nicht zugefiihrt wild. Der Wassertransporf von der Peri- pherip zum Aussclieidunysorgun ist p f 6 r t .

I>ie Ursache zu dieser Stiirung in1 Wassertransport kann nun cntweder auf das Hlut oder auf das Gewebe zuriickgefiihrt werden. >fan kann sich die Wassertransportfahigkeit des Blutes primar grstiirt denken, gleichwohl kann man sich vorstellen, dass das Gewcbc primar Wasscr an sich bindet, sodass dies dern Blute nicht zugu I.e koinmt.

husscrdem ist die Annahmr moglich, dass die Scheidcwiinde zwischm Blut-(;ewehe, d. 17. die Kapillarwande auf irgendcinc WeislA fur den Wasscrtransport vom Gewebc ins Blut cin Hindernis 1 )il dcn .

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1. Die Auffassung, das Gewebe selbst sei die Ursache zur Odem- cntstehung, geht auf Jacque Loeb (1898) zuruck. Spater ent- wickclte Fischer seine hekannte Odemtheorie, die darauf hinaus- ging, dass eine kolloidale Veranderung des Gewehseiweisses ver- anderte Verhaltnisse fur die Wasserbindung und so Odem hervor- ruft . Nach Fischer ist eine Erhohung des Sauregradcs bestimmend fur die pathologische Wasserhindung iin Gcwcbc, d. h . fur die OtIementsteliung.

Fischers odemtheorie, die auf die Forschung ausserordentlich hefruchtend gewirkt hat, ist indessen intensiver Kritik von mehrcren Scitcn begegnet und hat diescr ansturmenden Kritik nicht stand- halten konnen. So hielt man dem entgegcn, dass derartige Saure- grade, wie sie nach Fischer zur Odemcrzeugung notwendig sind, wahrend des Lebens im menschlichen Korper nicht vorkomnien. Weiterhin fand man die odemfliissigkeit alkalischer als das Blut (Gollwi tzer-Meyer). Beim Zustand hochgradigster Azidose, h i m Coma diabeticuin, findet man, ltein Odcm sondern im Gegentcif eine ahnornie Austroclinung allen Gewehes, worauf ieh schon fruher an anderer Stcllc hingewicsen habe. Alkali- und Insulinheliandlung, dic Hehandlungsformcn, die der Azidose entgegenwirken, rufen hingegen oft kliniscli nachweisbares Odem h i diesen I>ial~rtesfallen hervor. Ilesgleichcn sagt Volhard, dass ini Entlsladium von Nephri- tisfdllcn, da man einer wahren Azidose begcgnet, Keigung zu odem vermisst wird. Wciter weist Schadc darauf liin, dass das Binde- gewehe hci den Saurcgraden die wahrend des I A e n s vorkommtw tln t qui llt .

Fiscliers Odcmthcorie ist spatcr von I‘llinger und von HuIsc mociifizicrt worden. 1)iese Modifikationcn bergen vie1 von unhe- wiescnen IIypotlicscn und vagen Annnhmrn in sich und halien sich init Hccht starker Kritik ausgesctzt. Kcine von diesen wheini den Ausgangspunkt fur cine annehin1)are ~dein theor ie ausninchrn zu konnen.

2. Wahrend clcr letzten Jahre ist d t r Ycrsuch gcniacht worden, die Ursache zum Ncplirosrodem ins Blut ZII verlcgen. K i n hat hierlwi lwsonders an die Scnkung dcs Rlutei~~ciss~el ia l tc~s angc- knupft, die ein sehr konstnntes Symptom Iwi Nephroscfnllen niit ijtiern ist.

Dicsr Scnkung dcs Rluteiwcisses errekh t bei dcr Scphrose holicre Gratlc als h i irgendeiner anderen hcltannten Kranltliei t.

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y o n (l(iri Normalwerten zwischen 7-8.5 o/o sinkt der Eiweissgehalt auf 5 o/o und darunter. Von besonderer Bedeutung scheint aucli die \'erscIiiebung der Eiweissfraktionen zu win, die zuerst von Erben und unabliiingig davon von Luosche und 'ralanion hemerkl wurde. ])as Albumin sinkt betrachtlich mehr als das Globulin, was in1 (iegenteil in eineni Teil dcr Faille hedeutend steigen kann. So 1)eschreibt Salvesen einen Fall von Nephrose init einem Albumin- gehalt von 1.9-2.4 %, walirend der Globulingehalt auf 7.3-8.3 % angcstiegen ist. Man erhalt auf diese Weise cine Umkehrung im Albumin-Glol~ulinquotienten.

Eine direkte Folge der Verminderung des Bluteiweisses ist aucli die Senkung des k. 0. L). des Blutes hci Fallen von Nephrosc. Diese Senkungdes k. 0. Ds heruht in erster Linie auf der Senkung des Albumingehnltes im Blute, aber auch auf einer eventuellen Senkung des Globulingehaltes.

Nach Untersuchungen von v. Farkas sowie aucli von Govaerts 2

ist cler Gehalt des Blutes an Alhumin und Globulin fur den k. 0. D ausschlaggebend. Eine I %ige A1l)uminlosung sol1 einen k . 0. I). von 70 mm H,O haben, wahrend fur eine 1 %ige (;lohulinlosung ein Druck von ungefalir 'LO inm H,O angegeben wird. Die Lipoide sowie Fihrinogen sollen auf diesen Druck nicht eitiwirken.

Gewissc Forschcr wie Krogh, Iversen, Koranyi;Salvesen, Barath, van Slyke, v. Farkas u. A. haben der Senkung des k. 0. Ds. im Blutc ausschlaggebende Bvdeutung fur die Entsteliung von Nephroseiidem zugemessen.

I)ie Auffassung um die Bedcutung des k. o. Ds. fur dic Regu- licrung des Wasscrstroms zwischen Blut und Gewebc geht nuf Starling (18'36) zuruck, der schon in dieser Zeit direkt die Bedcutung cles Crlcichgewichtes zwischcm hydrostatischern Druck des Blu tes in clrn Kapillaren und osmotischern Druck der Bluteiweisse fur die Aufrechterhaltung dcs Gleicligewichts zwisclicn Gewebsfliissigkeit und Blut hervorhob. Zwischen 1920 und 25 fiihrten Schade und Mitartwiter (Clausscn, Birner u. A.) die klassisch gewordenen Experirnente durch, wodurcli cr direkt zeigen konntc, wit, eine Senkung iin k. 0. D. des Blutes, tlas eine kunstliche Kapillare durchstromt, cine I~lussigkcitstranssudation clurch dic Kapillar-

1 L e\p. Illcd. I3d. 30. Jh111. .%cad. MLY! Illelz 5.

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wande hervorruft. Schliesslich konnte Kylinl Schades Labora- toriumsexperiment durch rein klinische Experimente bestatigen. Kylin liess Patienten, deren k. 0. D. sowohl im Arterien- als auch iIn Venenblute vorher bestimmt war, so schnell wie moglich 1 Liter Wasser trinken. Wahrend der nachsten Stunden wurde der k. 0. D. mehrfach sowohl im Arterien als auch im Venenblute bestimmt. Hierbei zeigte es sich, dass der k. 0. D. im Arterienblute sank. Im Venenblute wurden nach dem Verzehren von Wasser hohere Werte hestimmt als im Arterienblute. Das Blut wurde also wahrend des Durchstromens der Kapillaren eingedickt, wasserarmer. Die Erklarung hierfiir ist in einem Wasserstrom Blut 3 Gewebe zu suchen.

Dass Verschiebungen im k. 0. I). des Blutes Veranderungen im Fliissigkeitsstrom Blut - Gewebe hervorrufen konnen ist also eindeutig.

Es fragt sich nun, inwieweit eine Senkung des k. 0. Ds Odem hcrvorrufen kann.

Dic Tatsache, dass eine Senkung des k. 0. Ds im Blute eine Verschiebung des Fliissigkeitsstromes in der Richtung Blut -+ Gewebe nach sich zieht, berulit auf der Forderung eines Gleich- gewichtszustandes zwischen dem hydrostatischcn und dem kol- loidosmotischeri Druck im Blute. Sinkt der eine, so muss auch der andere sinken, damit der Gleichgewichtszustand aufrecht erhalten wird. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass nichts hetreffs der Krafte auf den Wasserstrom geiindert wird, die im Gewehe zu suchen sind.

Bei Nephrose diirfte der hydrostatische Druck in den Kapillaren normal sein. Wenigstens liegt der kapillarc Kornpressionsdruck innerhalb normaler Werte, wie ich durcli Messungen mit meinem Kapillardruckapparat feststellen konnte, und nichts deutet darauf hin, dass der Kapillardruck hei Nephrose verandert ist. Nun ist e s . so, dass der liydrostatische Druck in den Kapillaren unter normalen Verhaltnissen riiedrig, ungefiihr zwischen 25 und 73 mm H,O liegt. Bei eirier Senkung dcs k. 0. Ds im Blutc kann einc Kompensationsreaktion nicht durcli Senkung dcs hydrostatischen Druckes zustande koinmen. Der k. o. D. sinkt hei dieser Erkrankung vom Normalen, ca 350, his zu 73-150, d. 11, urn 200-230 mm H20 .

Deutsch. Arch. kliu. Ned. Ed. 173.

26 - Arfn r n d . Scottdinrri). Yo/. L X X X .

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Eine solche Senkung kann allenfalls nicht durch den hydrostati- schen Druck kompensiert werden, da dieser schon im Anfang derartig gering ist. Die Kompensation, urn das Gleichgewicht wieder herzustellen, inuss von anderer Seite kommen, wenn wirklich das Verhalten des k. 0. 1)s von so ausschlaggeben der Bedeutung ist.

Ware die Senkung des k. 0. Ds der wichtigste Faktor fur die Entstehung des Nephroseodems, so muss dieser Faktor odem- erzeugend wirken, solange er vorhanden ist. Wir mussten dann erwarten, dass bei den Nephrosekranken standig ein Wasserstrom Blut ---f Gewehe stattfindet. Ware das der Fall so miisste das venbse Blut wasserarmer sein als das arteriellc. Ich konnte dies indessen durch meine Untersuchungen widerlegen. In (.in paar Fallen von Nephrose habe ich mehrfach den k . 0. 11. im Arterien- und Venen- blut gleichzeitig bestimmt, habe jedoch kcinen hoheren Druck im Venen- als irn Arterienblut gefunden. Im Gegenteil war oft der k. 0. 11. ctwas holier im Arterien als Venenblut. Ich fand also keinen Flussigkeitsstrom Blut -+ Gewebe, trotz diescr niedrigen Werte fur den k. 0. D. im durchstriimenden Blut.]

Wenn der niedrige k. 0. 1). im Rlute die hkmentsteliung bei Nephrose verursachte, so wurde weiter, wie Volhard mit Recht hervorgehohen hat, das Blut hei diesen Kranken immer konzen- trierter werden; wenigstens am Morgen, da der Kranke wahrend der Nacht keine Gelegenheit hat durch Wasserzufuhr den Wasser- verlust an das Gewebc zu kompensieren. Hierdurcli musste der k. 0. D. steigcn his Gleichgcwicht erreicht ist. Ein derartiges Ver- halten kann jedoch nicht nachgewiesen werden. Der k. 0 . D. ist am Morgen bei niich tcrnem Magcn gleich niedrig wie im Laufe des Tages, wie ich an Ncphrosekranken konstatieren konnte.

Auch nicht auf andere Weise konntc cine Eindickung des Blutes bei Nephrost. nachgewiescn werden. Die Anzahl der roten Blut- korperchen ist ungefahr normal.

Wichtiger als theoretischc Diskussionen, wie hicr oben, erscheinen inir die rein klinischen und tierrxperinientclleri Untersuchungen zu sein.

Was erstens die klinischen L’ntcrsucliungen betnfft, so halw ich in vier Fallen von Sephrost. konstatiern konnen, dass fldetn-

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ausschwemmung stattfindet, auch wenn der k . 0. D. des Blutes niedrig ist? Dieser Druck stieg in meinen Fallen nicht und dies, obwohl klinisch Odemlosigkeit erreicht wurde. Die Tatsache scheint mir gegen die Auffassung um die Redeutung dcs k. 0. Ds fur die Odementstehung zu spreclien.

Weiter konnte ich einen unhehandelten Fall von Nephrose 2

mit einem k. 0. D. von 150-160 m m H,O beschreiben, bei den1 niemrrls Odem nachgewiesen werden konnte.

Es ist also durch die klinische Forschung festgestellt, dass nicht einmal hei hochgradigen Senkungen des k. 0 . Ds im Blute Odem cntstehcn muss.

Gegen die Bedeutung der Senkung des k. o. Ds fur die Odein- en tstehung spricht weiterhin eine Serie von Ticrexperimenten, die i c h durchgefiihrt habe.3

Vor einigen Jaliren gelang es dem amerikanischen Forscher Leiter experimentell an Tieren Odem von der Art des Nephrose- odems hcrvorzurufen.

Leiter 4 nahm an Experimenttieren mehrfach Aderlass vor, schied tlas Plasma von den Blutkorperchen und injizierte diese in Lockes Losung aufgeschwenimt wieder. Das Blut des Tieres wurdc auf dime Weise eiweissarm. Um die i)deinentstehung zu hegiinstigen wurden dem Tier peroral grosse Mengen Salzlosung zugefuhrt. Als das Bluteiweiss unter 4 yo gesunken war cntstanden deutliche Odeme.

nachuntersucht, welche Leiters llesultal. vollkonimen bcstatigen konnten. Aurh dicsc Forscher fuhrten ihrcn Versuclistierrri pcroral Salz zu.

Bei meinen Untersuchungen teilte ich die ‘I‘iere in zwci (iruppen cin. ISine Gruppe die extra Salzzufuhr erliielten und eine Gruppe ohne dcrartige Salzzufuhr, ausser dcrjenigen, die der Aufdiwem- mungslosung hcigemengt war.

Mcinc Untersuchungen wurden an 1 0 Kanincllen vorgcnommrn. I h c h Ilcrzpunktion wurde das Blut in eine Zitratlosung aufge- sogen. I)ic Blutkorpcrchen murdcn durcli Zent rifugicrcn voni

Leiters Experiment wurde von Darrow, Hopper und Cary

Uaun\ n-Srhmirdeherg\ Archiv 168. 2 1)eulsc.h Xrch. ltlin. Mcd. 13d l i l .

r \ r ,7ui iSi i -Sr t i i i i ied~l~er~~ Arch. Iiri Druc 1,. Imtcr: Arch i i i t .IIed. 46

.1 1)airov I lopper and G i n . .Jourii c h i . inbest. 1 1 .

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412 E S K l L K Y L I N .

Plasma getrennt, gewaschen und aufgeschwemmt in 20 cm3 Ringer- losung intracardial wieder injiziert.

Die Gruppe, die extra Salzzufuhr erhielt, 1)ekam diese intra- cardial als eine 2 %ige NaC1-Losung.

Das Resultat meiner Untersuchungen war folgendes: In den Fallen, da NaC1-Injektion vorgenommen wurde, entstand odem, in den anderen Fallen dagegen nicht. Trotzdeni erreichten gewisse Tiere der letzteren Gruppe, die keine extra Salzzufuhr erhielten, so niedrige Werte fur den k. 0. I). wie 30 mm H,O.

Meine LJntersuchungen scheinen dagegen zu sprcchen, dass die Verminderung des k . 0. Ds Odem hervorruft. Odem t ra t nur auf, wenn dem Tier gleichzeitig Salz zugefuhrt wurde.

In der Zufuhr von Salz lag eine Fehlerquelle, die sowohl von Leiter als auch den spateren Autoren iiberselien wurde, da sie den Schluss zogen, Eiweissverminderung im Blute als solche riefe d d e m hervor.

-4ndererseits muss gesagt werden, dass die Senkung von Blut- eiweiss einen Faktor fur die Qdementstehurig darstellt, da aus Erfahrung fruherer Forscher gesunde Tiere durch blosse Salz- zufuhr kein Odcm hekommen.

lnwieweit nun Eiweissmnngel im Blute allein und an und fur sich odem hervorruft geht nicht aus den hier gcnannten Unter- suchungen hervor. Meine fruheren Erfahrungrn spreclien dafiir, dass dies der Fall sein kann. In einigen Krankheitsfallen mit schwe- ren und wiederholten Magenblutungen konnte ich die Entstehung von klinisch nachweisbarem Odem konstatieren.

Wir haben hier zwci Faktoren gefunden, die beide fur die Ent- stehung von Nephroseoclem von Bedeutung sind, namlich:

1) Senkung des Bluteiwcissgelialtes, 2) Kochsalzzufuhr.

Es scheint aus den hier erwahnten Untersucliungen hervorzu- gehen, dass die Senkung des k. o. 13s nicht von der odemerzeugen- den Bedeutung sein kann wie gewisse Forscher annahmen. Dieser Faktor wird durch diese Forschungen ganz in den Hintergrund gedi iangt. Es m m s angenomrnen tverden, dass das Bluteiweiss ir- gmdeine anderr Eigenscha{t besitzt, deren Verlast odemerzeugend wirkt.

Bevor ich nun fortsetze, will icli cine Beobachtung an einein Nephrosefall mitteilen, die mir bedeutungsvoll erscheint.

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Es gilt einem etwas iiber 20 Jahre alten Mann, der seit langem an schwerer Nephrose auf der Basis einer chronischen Osteomyelitis litt. Er war durch Thyreoideamedikation sowie Einschrankung von Salz- und Wasserzufuhr so gut wie ijdemfrei geworden. Fine gewisse Gedunsenheit im Gesicht war zuruckgehlieben und durch Finge.rdruck konnten im Unterschenkel geringe Ein- driicke hervorgerufen werden. Bei einer Wasserzufuhr von 500 g pro Tag stand er ini Wassergleicligewicht mit konstanter Gewichts- kurve.

Durch erhbhte Wasserbelastung wurde rasch eine Wasser- retention hervorgerufen, wobei deutlich nachweisbare Odeme auftraten und das Kdrpergewicht stieg. Bemerkenswert ist, dass die Harnmenge durch die erhdhte Wasserzufuhr nicht stieg. Nach- dem der Kranke deutliche Odeme erhalten hatte wurde ihm durch Transfusion von einem gesunden Verwandten Blut zugefiihrt; hierdurch erhiihte sich der Bluteiweissgelialt von 4.08 auf 4.6 "/, und der k. 0. D. des Blutes von 100 auf 158 mni H,O. Nach dieser Transfusion stieg die Diurese schlagartig um ungefahr das 1)oppelte (von 300-500 cm3 pro Tag his zu 700-1,000 cms pro Tag). Es ist deutlich, dass durch die Transfusion dem Kranken irgendein harntreibender Faktor zugefiihrt wurde.

Noch eklatanter als die Erhi)hung der Wasserausscheidung war in diesem Falle die Erholiung der Chloraussclieidung, die nicht mit der Wasserausscheidung parallel ging, sondern bedeutend starker anstieg. Der liarntreihende Faktor, der durch die Bluttransfusion dem Kranken zugefiihrt wurde wirkte noch kraftiger auf die Salz- als auf die Wasserausscheidung ein.l

Wo sollen wir nun den Faktor suchen, der durch die Bluttrans- fusion odemausschwemmend und harntreibend gewirkt hat:'

Nach den oben genannten Untersuchungen iiber die Bedeu tung des Bluteiweisses fur die Odementstehung, durfte es natiirlich sein, dais dieser Fnktor in erster Linie in der Erhohung des BlutPiweissfs zu vermuten isl .

Das hier angefiihrte Experiment scheint nun die Umkehrung des ohen erwiihnten Tierexperimentes zu sein. Beiin Tierexperiment riefen wir Odem hervor, indem dem Tier unter gleichzeitiger Salz- zufulir Bluteiweiss entzogen wurde. Ohne Salzzufuhr entstand kein

netreff5 d i e m Talle5 siehe weiter Naunyn-Schtniedehergs Arch. Ijd. 168.

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414 ESKlI. K Y L I N .

Odem. Bei meineni Experiment wurde ~demausschwemmung durch Zufuhr von Bluteiweiss hervorgerufen. Hierbei erhohte sich die Salzausscheidung durch den Harn betrachtlich.

Wir begegnen im vorliegenden Problem drei Grossen die auf irgendeine Weisc zusamnienwirken: Bluteiweiss, Salz und Wasser. Wird Pine Verminderung von Bluteiiueiss herbeigefiihrf, so kann krankha fte Wasseransanimlung in1 Korper durch Salzzufuhr herbei- geliihrt ruerden. Fiihrl man eine Erhohung uon Rluteiweiss herbei, so wird gleichzeiiig Salr- und Wassernusscheidrrng durch den Harn erhohi.

Es ist offensichtlich, dass das Vernioyen des Kiirpers, Salz- und Wasserumseizung zu beherrsrhen auf iryendeine Weise mii dem Bluteiiueiss zusammenhungl.

Durch meine experimentellen LTntersuchungen, die Irier in Kiirze wiedergegeben sind sind wir auf einen odemerzeugenden Faktor h ingewiesen worden, der schon seit Iangem hekannt und der wohl niemals vergessen wordem ist, dem jedoch die Forscher, die dem kolloidosmotischen Druck dic ausschlaggebende Bedeu- t,ung fur die Pathogenese des Nephroseodems zugesclirieben haben, nicht die gebiihrende Beachtung geschenkt halien. Dieser Faktor isf drrs Kochsal:.

Die hydropigene Wirkung des Kochsalzes kennen wir hesonders aus den Untersuchungen franzSsischer Forscher (Widal, Javal, Achard u. A.). Aus dieser Kenntnis resultierte auch, wie hekannt, eine der wichiigsten Lleliandliingsm~thoilen bei &lernkrankheiten, die salzfreie Kosf.

Die hydropigene Wirkung des Salze kommt lwkanntlich heson- de,rs Natriumchlorid zu. Und in diesem Salz scheint besonders der Natriumbestandteil wasserhindend zu wirken. Dies Verlialten ist uns wohl bekannt. NaHCO, wirkt beinahe so stark hydropigen wie NaC1, wahrend KC1 und CaC1, die Odernausscliwernmung eher hegunstigen.

Wir kommen nun zu einer bedeutungsvollen Konsequenz: Erhohung uon Natriumzufuhr und Verrninderung uon Bluleiweiss begiinstigen die Entstehung von Nephroseodem. Verminderung von Natriumzufuhr und Erhohung von Bluteiweiss wirkt dagegen in iidemaussehwemmender Richtung.

Sie werden ausfiihrlich in Nnunyn-Schmiedebergs Archiv veroffentlicht.

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Bei normulem Rlu feiweissgehalt vermag der Korper sogar eine grosse Salzzufuhr zu beherrschen, bei herubgesektem Eiweissgehalt iedoch verliert der Orpmismus dieses Vermogen.

Wie immer in der wissenschaftlichen Forschung wirft eine Schlussfolgerung eine neue Frage auf, die ihrerseits Veranlassung zu neuer Problemstellung und neuen Arbeitshypothesen gibt.

Unser Schlussatz zieht die Frage nach sich: Auf welche Weise kann dcr Bluteiweissgehalt mit der Salz- und Wasserausscheidung zu tun haben’?

Die neuen Problemstellungen werden mit der modernen For- schung auf dem Gebiet des Biuteiweisses Hand in Hand gehen.

1)er Hamburger Forscher, Bennhold hat kiirzlich einige hoch- interessante Untersuchungen uber die I’ehikel- und Transport- funktion des Bluteiweisscs veroffentlichl.

Bennholds jahrelangen und inuhevollen Arbeiten heschaftigtcn sich besonders mit dern Bindungsvrrmijgen des Blutes fur gewisse Farbstoffe. Er konnte zeigen, dass gewisse Farhstoffe an Alhumin g e h n d e n werden, so das Bilirubin. Glohulin dagegen bindet Chole- sterin und andere Stoffe die in Cholesterin loslich sind, wie z. B. den Farbstoff Sudanrot.

Dic an das Blut gebundenen Stoffc werden spater wieder t o m Eiwciss abgeschieden, t e ils in der Leber, teils in den Nieren und werden durcli die Galle oder den Harn aus dem Korper ahgefiihrt.

lXe Vermutung liegt nun nalie, dass das Bluteiweiss irgendeine Vehikelfunktion in Bezug auf Kochsalz und besonders dessen Natriurnhestandteil zu erfullen hatte, und, dass dieser Stoff auf irgendeine Weise durch die I‘ermittlung des Bluteiweisses den Nieren zugefiihrt wird. 01) cine solche Verrnutung berechtigt ist, mogen kommende Untersuchungen klarstellen. Schon jetzl sprechen gewissc Verlialtnisse gegen diese Annahme, aber die Untersuchung in dieser Richtung fortzusetzen, diirfte doch immerhin berechtigt sein.

3. Als eine dritte Moglichkcit beim Suchen nach der Ursachr des Nephroseodems gab ich eine eventuelle Schadigung der Scheidc- wand zwischen Blut und Gewebflussigkeit, der Kapillarwand, an. Besonders Volhard hat die Ursaclie des Nephroseodems hicrher postulieren wollen.

Erg. inr i . N e d . Dd. 40.

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Es scheint mir, als 01) wir gar keinen Grund hatten die Kapillar- wand h i der Nephrosekrankheit als geschadigt anzunehmen. Ware die Kapillarwand geschadigt wiirden wir berechtigt sein hei der crwahnten Krankhe,it ein eiweissreiches Odem anzunehmen. Aher im Gegenteil wissen wir, dass das Nephroseodem das eiweissarmste Odcm ist, wahrenddcm wir das eiweissreichste Odem bei der akuten Glomerulonephrit finden. Weiter habe ich schon vor etwa 15 Jahren feststellen konnen, dass der KapiIlardruck, weklier bei der akuten Glomerulonephrit erhiiht ist, bei Nephrose normal ist.

Weiter sc,lieinen mir die, oben ciwiihnten klinischefi und esperi- mentellen Forschungen betreffs der Bedeutung des Bluteiweisses und der Salze fur die Odementstehung geeignet zu sein die Ent- stehung des Nephroseiidems ohne Annahme eines Kapillarwand- schadens vollstiindig zu erklaren.

*. * *

Es diirftc wolil zuletzt hereclitigt sein auf die Resultate der Therapie hinzuweisen, welche die erweitcrte Kenntnis hetreffs der Pathogenese uns zu geben scheint. Wir haben dargestellt, dass zwei verschiedene Faktoren odemhervorrufend wirlten:

I . Kochsalzbelaslung. 2. I3luteiweissahnahme.

Seit langeni haben wir bei unsercr TI'lierapic auf den einen Faktor, namlicli die Kochsalzbelastung, Riicksicht gcnommen. IVir haben unsere Nephrosefalle mit kochsalzariner D i d behandeit.

Es scheint mir notwendig den anderen hydropigenen Faktor, die Eiweissverminderung im Blut, ebenfalls zu beriicksichtigen. Deshnlb srheint mir f ine eiru(>issreirhe D i d laut L'psteins Vorxhlny i ichtiy.

Gegen diese Fordcrung ist wahrend der letzten Jahre vie1 gesiin- digt worden. Wir wissen ja alle wic eine salz- und eiweissarme Diat seit 10--13 Jahren bei allen Nierenerkrankungen cine Modesache geworden ist.

Bei der Nephrosekrankheit liegt keine Vcranlassung vor einr stickstoffarme Diat zu ordinieren. Die Fahigkeit der Nieren stick- stoffhaltige Stoffe auszuscheidcn ist, wie bekannt, normal. Und von 13est-N-Steigerling im Blut ist gar keine Rede. Es liegt keine Kontraindikatiol, vor, bei dieser Krarikheit Eier und Fleisch zugeben.

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Es scheinen im Gegenteil spezielle Kontraindikationen gegen die eiweissarme Diat vorzuliegen. Der Nephrosckranke verliert taglich grosse Mengen Bluteiweiss durch den I Iarn. Diese Eiweissmengen muss der Kranke wicder erzeugen. Es scheint deshall) rationell zu sein ihm so reichlich Eiweiss zuzufuhren, dass rr rueniqstens Rohmateritrl frrr die Erzeugunq seines 13luteiu)eisses nicht entbehrt.

Seit 3 - 1 Jaliren pflege ich meinen Nephrosekranken reichlich 1:leisch und Eier zu geben, wie es ails theoretischen Griinden als zweckmassig angcsehen worden ist. In gewissem Masse hat dies Verfahren einc Enttauschung herbcigcfulirt. Irh hnbe in meinen FiilZen, wahrend dieser eiiveissi rirhrii Diirt keine deutliche Rlui- riiurissteiger un!j gefiinrlen.

Ich habe mir gedacht auf eineni anderen Weg zuni Zicl zu gelangen, und zwar via intravcnoser Zufuhr von Eiweiss und vor allem von Albumin, welchcs besonders hei der Nephrosckrankheit in] Blute ahninimt. l h r c h Entgegenkomrnen der Arzneimittel- firma Astrn in Sodertalje habe ich ein 5 %iges reines, aus Pferdc- serum zubereitetes Albuminpraparat erhalten. (Praparat ist von den1 fruheren Svedbergsschuler Sjiigren hergestcllt). Ich 1)eabsich- tige dieses in zureichenden Mcngen intravcncis h i Ncphrosekranken zu injizieren urn bci ihnen auf diese Weise das Bluteiwc' 'ISS Zll

crhohen, und auf diesem Wege ihr odem zu Iwzwingen. Bevor das Praparat h i Menschen angcwendet wird, wird cs erst

aorgfaltig bci Tieren erproht. Diese Versuche sind schon eingeleitet. q u f dicsem Wege ist es mbglich, dass eine rationellere Therapie

hervorwachsen kann, als wie wir j e t z t hnhen.

Zusammenfassung.

I. Vcrfasscr bcrichtet iihcr dir verschiedenen Theorirn zur Icrklarung der Pathogenese des Nephroseddems. Keine dieser Theorien wird fur bcwciskraftig crachtet.

11. Besonders wcndet sic11 der Verfasser gegen die in den letzten .Jahren hcrvorgetretene Auffassung, die Senkung des k. 0. D. im Blute sei Ursache zum Nephroseodem.

I I I. Vrrf. konnte in einigen Ncphrosefallen im Arterienblut cinen so niedrigen k. 0. I). wie 100-150 mm H,O bestimmen, ohne class irgendwclche Zeichen fur Odem gefunden wurden. Ja, es wurde

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sogar hei k. 0. rl.-Wertcn von 100-150 mm H,O Odemaus- schwenimung fast his zu vollstandigen Odemfreiheit beobachtet.

IV. Der amerikanische Forscher Leiter konnte an Tieren durch Enteiweissen des Blutes nephroseahnliches Odcm erzeugen. Leiter gab den Versuchstiercn grosse Kochsalzmengen um die 6demhil- dung zu beschleunigen. Nachuntersucher wie Ilarrow, Hopper und Cary hahrn Leiters Befund bestatigt. Verf. hat Leiters Unter- suuchngcn an 15 Kaninchen nachuntersucht. Verf. konnte hicrbei zeigen, dass einc hochgradige Enteiweissung his zu einem k. 0. D. von 50-100 mm H,O an und fur sich kein Odem hervorrief. Wurde indcsscn wahrend der Blutenteiweissung extra Kochsalz gegehen, trat Odem auf. ]lies betrachtet Verf. als Beweis, dass die Senkung dcs k. 0 . I). an untl fur sich nicht ausreicht, Odein zu erzeugen. Bei Lciters Versuchcn spieltc zweifellos die hydropigene Wirkung des Kochsalzes einc lwtrachtliche Rolle.

Bei einem Fall von Nephrose erzeugtc Verf. Wasser- und Kochsalzausscheidung durch Transfusion grosser Mengen Normal- hlut. Diesc Tatsache spricht fiir die Bedeutung des Bluteiweisses fur &lemausschwenimung und Odementstehun?g, in welcher U‘eise ist der weiteren I+’orschuiig uberlassen.

V I . Verf. inochte glauben, class sowohl die hydropigene Wirkung des Kochsalzes als auch die Rluteiweissverminderung als €:aktoren fur die Patliogenese dcs Ncphroseodems einr Rolle spielen.

1’.

Litterntur siehe writer in Volhard: Bergmann und Staeh~lin Handbucli d r r inneren Med. Julius Springer. Berlin, 1031 und in Kyliri Die Ilyper- t omiekrxmkhei t en . .I ulius Springrr, Berlin 1030.