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DIE NATLIRWISSENSCHAFTEN 35. Jahrgang Heft 6*) 1948 Zur Erinnerun 9 an die Jugendzeit der Radioaktivitiit. Lise Meitner (geb. 7. Nov. 1878) und Otto Hahn (geb. S. Mfirz 1879 ) zu ihrem siebzigsten Geburstag gewidmet. Von Stefan Meyer. MSgen diese Zeilen, von einem alten Weggenossen geschrieben, unseren beiden Pionieren auf dem Gebiete der Radioaktivitfit yon allen Fachgenossen zu ihren ,,Siebzigern" die herzenswfirmsten GrfiBe bringen! Nieht vom fiuBeren Lebenslauf, jeon Stellungen und Ehren, Preisen und Auszeiehnungen, Mitgliedsehaften yon Akademien usw. soll bier die Rede sein, sondern nur einzelne Erinnerungen fiber Zei~ und Entstehen einiger ihrer prominenten Arbeiten sollen vorge- bracht werden. MOgen sic ihnen selber Bilder aus ver- schwundenen Zeiten wieder auff.auehen lassen. Meine ersten Erinnerungen an Lise Neither sind an die Studentin in Wien. Sie war die zweite Frau, die an der~Wiener Universitfit (1906) als Physikerin promovierte, was erklfirt, dab sic" erst mit 27 Jahren Dr. wurde und auf alle Sehwierigkeiten hindeutet, die sic zu fiberwinden hatte. Aber der Sehieksalsstern, der ihr den gleiehen Geburtstag nur 11 Jahre sp/iter wie Marie Curie zugewiesen hatte, blieb ihr treu. Ihre Dissertation ,,W~irmeleitung in inhomo- genen KSrpern" hatte sic bei Fran z E xner gemaeht, und darm noch eine Publikation in Wien: ,,Uber einige Folgerungen, die sich aus den Fresnelschen Reflexionsformeln ergeben" verfaBt und war dann in das Institut Ludwig Boltzmanns gekommen. Hier wandte sieh ihr Interesse bereits radioaktiven Problemen zu. Noch habe ieh ein Konglomerat enger }IetallrOhrehen im Auge, das der Institutsmeehaniker in einem dicken Bfindel nebeneinander zusammen- gel6tet hatte. Es sollte beim Studium der Streuung der Alphateilehen verwendet werden. Boltzmann endete sein Leben sehon im Sommer 1906 und Lise Meitner zog 1907 naeh Berlin, wo in jahrzehnte- !anger ZusammenarbeiL mit O. Hahn ihre wissen- sehaftliehe Bl~itezeit einsetzte. Letzterer hatte inzwischen sehon groBe Erfolge aufzuweisen, die in England und in Montreal bei Rutherford begannen, mig dem ihn dann eine un- unterbrochene innige F/eundsehaft his zu dessen Tode verband. Seine ersten groBen Entdeekungen waren die Auf- !indung des Ttadiothor (1905) und Mesothor (1907). ~ie Wurden aus Rfickst~nden" der Thorianitverarbei- tung gewonnen. Nun muB man sich daran erinnern~ dab es damals den Begriff der Isotopie, die wesentlieh erst 1911 er- kannt wurde, noch nieht gab, um den besonders hohen Wer~ dieser Leis~ungen roll zu wfirdigen. RdTh ist ja direkt nieht yon Th abtrennbar, es konnte sieh nut, naehgebildet aus MsTh, in den Bariumhaltigen Rfick- stfinden der Thorerzverarbeitung getrennt nach- weisen lassen. MsTh ist isotop mit Ra Und ehemiseh yon diesem nicht unterseheidbar. Es mag hier darauf hingewiesen ~werden. dab L. Haitinger, der da- malige Direktor der Auerfabrik in Atzgersdorf, schon 1904 ,,Radium" aus dem Thorerz Monazit hergestellt hatte. Im Geiste der damaligen Chemiker hatte er sein Prfiparat nur einem Spektroskopiker zur Unter- suchung gegeben un~d der haU~e im optischen Spek- ")-Ausgegeben trum keine neuen Linien gefunden. H~tte er es einem Radiologen anvertraut, so ware wohl sehon damals erkannt worden, dab es andere Zerfallszeiten und andere ,,induzierte Aktivitfiten", wie es d'amals hiel3, hatte als Ra. Es war eben MsTh. Abet erst Hahn hat sogleieh die Verschiedenheit seines Produktes yon Ra erkannt und ihm allein gebfihrt dieses Verdienst. Mit der Entdeckung der genannten beiden Produkte war die Erkenntnis des ganzen Zerfallsschemas der radioaktiven Familien begrfindet~ Die Isotopic wurde 1909 durch StrOmholm und Svedberg signalisiert, abet erst 1911 durch F. Soddy pr~izise erkannt und benannt. Die weitere Vervollkommnung verdankt man Fajans', Fleck, Heresy, Paneth, Russell, absehlieBend mit der Versehiebungsregel von Fajans-Soddy, und dann vor allem O. HOnigschmid und F. Soddy dutch ihren Nachweis der Existenz der Bleiarten 2~ und z~ und H6nigschmids Naehweis des 2S~ neben ~S~Th; doch hatte O. Hahn sehon wesentlich mitbe- grfindenden Anteil an diesen Erkenntnissen und hat mal3geblich durch sein RdTh und MaTh dazu beige- tragen. O. Hahn hat 1906 auch das RdAc und 1908 dann noeh das MsTh 2 (mit T--6,2 h) aufgefunden Lise Meitner zeigte t911, dab man letzteres elek- trolytisch auf einer Ag-Kathode abscheiden kann. Im September 1910 land in Briissel ein KongreB der Radiologen start. Damals wurde die Einheit ,,1 C u tie" aufgestellg und die Intern ationale Railium- Standard-Kommission gewfihlt. Sie bestand zuerst aus den Mitgliedern : B. B. Boltwood (New Haven); M. Curie (Paris); A. Debierne (Paris);'A. S. Eve (Montreal': H. Geit, el (Braunsehweig); O. Hahn (Berlin); St. Meyer (Wien); E. Rutherford (Man- chester); E. Schweidler (Innsbruek); F. Soddy (Glasgow) 1) Lise Meitner konnte zwar damals nieht direkt in die Kommission hineingenommen werden, doeh hat sic sich als zugezogener ,,Experte" vielfach in wertvoller Weise mit den einschl/igigen Problemen befaBt. Im August 1911 waren einerseits yon M. Curie in Paris, anderseits yon O. H6nigsehmid in Wien die ersten primfiren Ra-Etalons auf Grund der Brfisseler Beschlasse fertiggestellt worden. Im Mfirz 1912 wur- den sic kommissionell in Paris verglichen und er- wiesen sich als pro Gewiehtseinheit v611ig fiberein- stimmend. Beteiligt waren: M. Curie, A. Debierne, O. Hahn. St. Meyer, E. Rutherford, E. Schweidler, F. Soddy. Damit war naeh jahre- /anger Unsicherheit die Grundlage ftir die Gewinnung der wlehtlgsten Konstangen gesehaffen. Em elgenes Statut regulierte die Bentitzbarkeit dieser prim/iren. Standards und die Besehaffung sel~undfirer. n H. Geitel ist 1923 gestorben; B. Boltwood 1927; M. Curie 1934; E. Rutherford 1937; E. Sehweidler und A. S. Eve 1948. F. Soddy ist 1930 ausgeschieden. Naehgew~ihlt wnrden: H. Geiger (Tabingen) 1923 ('~ 1945); S. C. Lind (Minneapolis) 1927; J. Chadwick (Cam- bridge); O. H6nigsehmid (Mfinehen); (t 1945); Irene Curie-Joliot und F. Joliot (Paris); und A. Pieeard (Brtissel) 1934. im Dezember 19d8. Naturwiss. 1948 11

Zur Frinnerung an die Jugendzeit der Radioaktivität

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DIE NATLIRWISSENSCHAFTEN 35. Jahrgang Heft 6*) 1948

Zur Erinnerun 9 an die Jugendzeit der Radioaktivitiit.

Lise M e i t n e r (geb. 7. Nov. 1878) und O t t o H a h n (geb. S. Mfirz 1879 )

zu ihrem siebzigsten Geburstag gewidmet.

Von S t e f a n M e y e r .

MSgen diese Zeilen, von einem alten Weggenossen geschrieben, unseren beiden Pionieren auf dem Gebiete der Radioaktivitfit yon allen Fachgenossen zu ihren ,,Siebzigern" die herzenswfirmsten GrfiBe bringen!

Nieht vom fiuBeren Lebenslauf, jeon Stellungen und Ehren, Preisen und Auszeiehnungen, Mitgliedsehaften yon Akademien usw. soll bier die Rede sein, sondern nur einzelne Erinnerungen fiber Zei~ und Entstehen einiger ihrer prominenten Arbeiten sollen vorge- bracht werden. MOgen sic ihnen selber Bilder aus ver- schwundenen Zeiten wieder auff.auehen lassen.

Meine ersten Erinnerungen an L i s e N e i t h e r sind an die Studentin in Wien. Sie war die zweite Frau, die an der~Wiener Universitfit (1906) als Physikerin promovierte, was erklfirt, dab sic" erst mit 27 Jahren Dr. wurde und auf alle Sehwierigkeiten hindeutet, die sic zu fiberwinden hatte. Aber der Sehieksalsstern, der ihr den gleiehen Geburtstag nur 11 Jahre sp/iter wie Mar i e C u r i e zugewiesen hatte, blieb ihr treu. Ihre Dissertation ,,W~irmeleitung in inhomo- genen KSrpern" hat te sic bei F r a n z E x n e r gemaeht, und darm noch eine Publikation in Wien: ,,Uber einige Folgerungen, die sich aus den F r e s n e l s c h e n Reflexionsformeln ergeben" verfaBt und war dann in das Inst i tut L u d w i g B o l t z m a n n s gekommen. Hier wandte sieh ihr Interesse bereits radioaktiven Problemen zu. Noch habe ieh ein Konglomerat enger }IetallrOhrehen im Auge, das der Insti tutsmeehaniker in einem dicken Bfindel nebeneinander zusammen- gel6tet hatte. Es sollte beim Studium der Streuung der Alphateilehen verwendet werden. B o l t z m a n n endete sein Leben sehon im Sommer 1906 und Lise M e i t n e r zog 1907 naeh Berlin, wo in jahrzehnte- !anger ZusammenarbeiL mit O. H a h n ihre wissen- sehaftliehe Bl~itezeit einsetzte.

Letzterer hat te inzwischen sehon groBe Erfolge aufzuweisen, die in England und in Montreal bei R u t h e r f o r d begannen, mig dem ihn dann eine un- unterbrochene innige F/eundsehaft his zu dessen Tode verband.

Seine ersten groBen Entdeekungen waren die Auf- !indung des Ttadiothor (1905) und Mesothor (1907). ~ie Wurden aus Rfickst~nden" der Thorianitverarbei- tung gewonnen.

Nun muB man sich daran erinnern~ dab es damals den Begriff der Isotopie, die wesentlieh erst 1911 er- kannt wurde, noch nieht gab, um den besonders hohen Wer~ dieser Leis~ungen rol l zu wfirdigen. RdTh ist ja direkt nieht yon Th abtrennbar, es konnte sieh nut, naehgebildet aus MsTh, in den Bariumhaltigen Rfick- stfinden der Thorerzverarbeitung getrennt nach- weisen lassen. MsTh ist isotop mit Ra Und ehemiseh yon diesem nicht unterseheidbar. Es mag hier darauf hingewiesen ~werden. dab L. H a i t i n g e r , der da- malige Direktor der Auerfabrik in Atzgersdorf, schon 1904 , ,Radium" aus dem Thorerz Monazit hergestellt hatte. Im Geiste der damaligen Chemiker hatte er sein Prfiparat nur einem Spektroskopiker zur Unter- suchung gegeben un~d der haU~e im optischen Spek-

")-Ausgegeben

t rum keine neuen Linien gefunden. H~tte er es einem Radiologen anvertraut , so ware wohl sehon damals erkannt worden, dab es andere Zerfallszeiten und andere ,,induzierte Aktivitfiten", wie es d'amals hiel3, hat te als Ra. Es war eben MsTh. Abet erst H a h n hat sogleieh die Verschiedenheit seines Produktes yon Ra erkannt und ihm allein gebfihrt dieses Verdienst. Mit der Entdeckung der genannten beiden Produkte war die Erkenntnis des ganzen Zerfallsschemas der radioaktiven Familien begrfindet~

Die Isotopic wurde 1909 durch S t r O m h o l m und S v e d b e r g signalisiert, abet erst 1911 durch F. S o d d y pr~izise erkannt und benannt. Die weitere Vervollkommnung verdankt man F a j an s ' , F l e c k , H e r e s y , P a n e t h , R u s s e l l , absehlieBend mit der Versehiebungsregel von F a j a n s - S o d d y , und dann vor allem O. H O n i g s c h m i d und F. S o d d y dutch ihren Nachweis der Existenz der Bleiarten 2~ und z~ und H 6 n i g s c h m i d s Naehweis des 2S~ neben ~S~Th; doch hat te O. H a h n sehon wesentlich mitbe- grfindenden Anteil an diesen Erkenntnissen und hat mal3geblich durch sein RdTh und MaTh dazu beige- tragen. O. H a h n hat 1906 auch das RdAc und 1908 dann noeh das MsTh 2 (mit T - - 6 , 2 h) aufgefunden L i s e M e i t n e r zeigte t911, dab man letzteres elek- trolytisch auf einer Ag-Kathode abscheiden kann.

Im September 1910 land in Briissel ein KongreB der Radiologen start. Damals wurde die Einheit ,,1 C u t i e " aufgestellg und die Intern ationale Railium- Standard-Kommission gewfihlt. Sie bestand zuerst

a u s den Mitgliedern : B. B. B o l t w o o d (New Haven); M. Cur i e (Paris); A. D e b i e r n e (Paris); 'A. S. E v e (Montreal ': H. Geit, el (Braunsehweig); O. H a h n (Berlin); St. M e y e r (Wien); E. R u t h e r f o r d (Man- chester); E. S c h w e i d l e r (Innsbruek); F. S o d d y (Glasgow) 1)

L i s e M e i t n e r konnte zwar damals nieht direkt in die Kommission hineingenommen werden, doeh hat sic sich als zugezogener , ,Experte" vielfach in wertvoller Weise mit den einschl/igigen Problemen befaBt.

Im August 1911 waren einerseits yon M. Cu r i e in Paris, anderseits yon O. H 6 n i g s e h m i d in Wien die ersten primfiren Ra-Etalons auf Grund der Brfisseler Beschlasse fertiggestellt worden. Im Mfirz 1912 wur- den sic kommissionell in Paris verglichen und er- wiesen sich als pro Gewiehtseinheit v611ig fiberein- stimmend. Beteiligt waren: M. Cur ie , A. D e b i e r n e , O. H a h n . S t . M e y e r , E. R u t h e r f o r d , E . S c h w e i d l e r , F. S o d d y . Damit war naeh jahre- /anger Unsicherheit die Grundlage ftir die Gewinnung der wlehtlgsten Konstangen gesehaffen. Em elgenes Sta tut regulierte die Bentitzbarkeit dieser prim/iren. Standards und die Besehaffung sel~undfirer.

n H. Geitel i s t 1923 ges torben; B. Bol twood 1927; M. Curie 1934; E. Ru the r fo rd 1937; E. Sehweidler und A. S. Eve 1948. F. Soddy i s t 1930 ausgeschieden. Naehgew~ihlt wnrden: H. Geiger (Tabingen) 1923 ('~ 1945); S. C. L ind (Minneapolis) 1927; J. Chadwick (Cam- br idge) ; O. H6nigsehmid (Mfinehen); ( t 1945); I rene Curie-Jol iot und F. Jo l io t (Par is ) ; und A. P ieeard (Brtissel) 1934.

im Dezember 19d8.

Naturwiss . 1948 11

~- Die Natur- 162 Meyer : Zur Erinnerung an die dugendzeit der Radioaktivitfit. L wissenschaften

O. H a h n und L i s e Mei tn er haben sich spfiterhin ouch immer aktiv an der kritisehen Bearbeitung yon Tabellen der radioaktiven Konstanten und Bereini- gungen in der Nomenelatur betfitigt und H a h n hat jahrelang dureh Heransgabe der Isotope diese Arbeit der Atomgewiehtskommission vorbildlieh geleistet und damit anderen Forsehern viel Arbeit erspart.

In die ersten Dezennien ihres Berliner Aufenthaltes [allen insbesondere die grundlegenden Arbeiten Lis e M e i t n e r s tiber die O- und ~,-Spektren und die zu - sam menh~ingenden Wellenliingen der letzteren, sdwie abet Absorption und Streuung, was alles for die Auf- kl~irung der Kernstrukturen der radioaktiven Ele- mente und ihrer diversen Energieniveaus und damit vermittelnd spfiter allgemein for den Kernaufbau die Grundlagen sehuf. Diese Prfizisionsarbeiten hervor- ragendster Art haben die beiden Forseher jahrzehnte- lang beansprueht und sic wurden sparer durch die Messungen und Auslegungen der Feinstruktur der magne~isehen Spektren der a-Strahlen in wertvollster Weise erweitert. Insbesondere wurden die Niveau- Schemata der verse hiedenen radioaktiven Kerne dutch kombinierte Analyse der Feinstruktur der a- Strahlen. der weitreiehenden e~-Strahlen und der ~,-Strahlen festgelegt. Speziell wurden ouch in Analogie zum Licht --- ftir die fl-Strahlen ,,Auswahl- regeln" ftir die ~berg~inge zwischen verschiedenen Zust5nden in Abhangigkeit yon den Drehimpulsen aufgefunden und man konnte auch durch genaue :~_usmessung der Anregung verschiedener Zust~inde des Folgekernes aaf die Drehimpulse der angeregten Kernzust~nde sehlieBen.

Es ist nieht m6glich, im Detail auf alle die Errungen- schaften, einzugehen, die ' in jene Glanzzeit der Zu- sammenarbeit der beiden fallen. Eine vollkommen neue ,,ttadiochemie" wurde ftir die unw~gbar kleinen Mengen der radioaktiven Stoffe gesehaffen unter Heranziehung aller der Besonderheiten, welehe die r~dioaktiven Strahlungen und Eigenschaften ins Spiel trete~ lassen. Die Methode der radioaktiven In- dikatoren wurde weitgehend benOtzt, spezielle" Ad- sorptionserseheinungefi wurden s tudier t , das in der Technik der Ver~vendung wichtige ,,Emanierungs- vermOgen'" in der Abhangigkeit yon der chemischen Verbindung und deren Zustandes erforscht, mit tiefen Erkenntnissen fiber die Alterungserscheinun- gen bei diesem Vorgang und den M6glichkeiten der Regenerierung. Die ..F~illungsregeln" wurden er@nzt und ihr Verst~indnis durch die Beziehunzen zu den Krystallgittern wesentlieh gefSrdert. -

Schon 1906 hat te H a h n zweierlei a-Strahlen beim ThC festgestellt; der duale Zerfall der C-Produkte galt dauernd ihrem Interesse. Aueh das Abzweigungs- verhaltnis dec Ae-Iteihe in der U-Familie wurde un- tersueht. Besonders hervorgehoben sei das elegante Verfahren zur Gewinnung einer Folgesubstanz dureh F/tickstoB, wie z. B. dos RoB a u s RaA. Wird ein a-Teilehen ausgesehleudert, so erffihrt der Atomrest, in diesem Falle das Folgeprodukt in der Familie, in entgegengesetzter Riehtung einen Stog, undes wurde ein Verfahren ausgedacht und perfektioniert, in dieser Weise solehe Stoffe zu isolieren. Derart wurde aueh dos RAG" entdeckt. Aueh der fi-FltiekstoB wurde studiert.

Dazu kam~n Weisungen ftir die Eiehverfahren, be- sonders fiir die Eiehungen yon MsTh und ItdTh. Das sind. ganz eigenartig verzwiekte Verhfiltnisse. Die relativ langen Let3ensdauern, Halbwertszeit beim MsTh 1 6, 7 a; RdTh 1,9 a; und die Darstellungsart der Produkte mit zeitweiser Abtrennung, Abklingen und Wiedernaehwaehsen dieser Stoffe bedingen reeht komplizierte Verhaltnisse ftir die Eiehungen, noeh ersehwert dadureh, daft beim Vergleieh mit Ra

(bzw�9 FlaC) die Durehdringungsffihigkeit der ~,- Strahlen der drei zu vergleiehenden Substanzen ver- schieden ist. Die MsTh-FldTh-Verwandlungs- und Strahlungskurven wurden sorgffiltig ausgemessen nnd Tabellen far die Vergleiehe (und Bewertungsm6glieh- keiten versehieden alter MsTh-Priiparate mitgeteilt. Nur -genannt seien auch noch Studien an Nebel- bahnenbildern in der Wilsonkammer, Bestimmungen d er W~rmeentwicklung und allgemeine Uberlegungen tiber die Aktivitfit der Weltk6rper.

Nieht versehwiegen soll ouch werden, dab eine Reihe wertvoller negativer lqesultate vorliegen. Denn dieses Forseherpaar pflegte, wo es irgend konnte, ouch alle yon anderen Forsehern mitgetei[ten Ergeb- nisse sorgfMtig zu fib#rprfifen, und hat es oft verstan- den, in konzilianter Form irrige Mitteilungen zureeht- zuweisen.

Ein gl~nzendes Ergebhis tier gemeinsehaftliehen Arbeit war die Entdeekung des Protaet iniums (Pa) 1918. Aus der Uranpeehblendenbearbeitung waren die ,,lqtiekst~nde" fib~iggeblieben, die dann die Quelle ftir die Gewinnung des t/a wurden. Aus dieser letzte- ten Verarbeitung verblieben als besonders schwer auf- sehliel3bar die ,, Rfiekrtiekstfinde"., das,,grau e Elend". wle es bezeiehnenderweise in der Auerfabrik hieB. In ihnen muBte der Stammvater des Ae steeken. In dreifacher Weise. dureh Aiafsehlug mit Na-bisulfat. dureh Zersetzung mit FluB- und Sehwefelsfiure, dureh Aufl6sung m Salpetersaure gelang der Angnff, und dos ehemiseh besonders zuwidere und neuartige Element wurde angereichert und abgesehieden. Seine Ent- deekung fOllte nieht nut elne bisher unbesetzte LOcke (Nr. 91), sondern braehte aueh die Erkenntnis be- sonderer ehemischer Eigensehaften. Mit der Auffin, dung des Pa wurden erst die ganzen Familienverhfilt- nisse der nattirliehen radioaktiven Stoffe einiger- maBert absehlieBend geklfirt.

Aus UI Wird UX r Aus diesem entwiekelt sieh UXe. Die riehtige Zuordnung der einzelnen dabei auftre- ten den O- und 7-Strahlen verdankt man L. M e i t n e r und O. H a h n . Desgleichen verdankt man diesen bei- den Autoren die Kl~irung.der Verhfiltnisse um die Stam msubstanz des Pa, dos UY. das in seiner Iso- topie zu UX 1 anfangs viel Kopfzerbreehen verur- saehte�9 Ganz besonders'wiehtig wurde weiterhin die Entdeekung H a h n s aus dem Jahre 1921, dab UX a dual aufspalte und beidemal unter fl-Strahlung sieh verwandle, das eine Mal vorwiegend in UX2, das andere Mal (nut zu 3.5 Promille) in einen Stoff, den H a h n UZ nannte. UX 2 und UZ sind nieht nut isotop~ sondern haben aueh noeh dos gleiehe Atomgewieht, sic sind also, wie man es ~etzt nennt, ,,kernisomer '�9 Unter allen natfirlichen rad'ioaktiv'en Stoffen sind es his heute die einzigen Vertreter dieser Art geblieben.

O. H a h n hatte erfahren, dab wit Proben yon ,,Fladiobaryten" besaBen, yon denen wit inhomogene Sehwfirzungen auf photographisehen Plat ten erhiel- ten. Insbesondere K n et t hatte flaehe Barytpl~ttehen in den Spall~en der Kartsbader Thermen gefunden, und es gab aueh groBe Krystalle aus Teplitz und anderswoher, deren Eeken und Kanten starker aktiv waren als die tibrige Masse�9 H a h n s Untersuehungen hatten gezeigt, dab Bariumsulfat und Radiumsulfat ltickenlose Mischkrystallreihen bilden und damit sehien obiges unvereinbar. H a h n h a t t e a u e h tiierin reeht. H. H a b e r l a n d t hat die Verhfiltnisse 1939 aufgeklfirt, indem er naehwies, dab die Aktivit~it an diesen Krystallen nieht aus diesen selbst~, sondera von einem Ra-haltigen br~iunlichen Reissaeherit-~hn- liehem Belag stammt, der sich an Ecken, in feinen Spalten ur/d Rissen usw. der Barytkrystal le absetzt, d ie Erseheinung veranlaBt und die Inhomogenit~t vort~iuseht.

Heft 6 1948 I W a t t e n b e r g : Die MilehstraBe als Spiralnebel. 163

O. H a h n wies die Beganstigung der Blauf~rbung des Steinsalzes durch Bleispuren nach und erklarte den Helium- und Bleigehalt yon Steinsalz und Sylvin dutch die Einwirkung stark radioaktiver Tiefenwfisser bei der sekund~iren UmkrystalIisierung der Salzlager.

Zusammen mit S t r a B m a n n nnd Wall ing' iso= lierte er reines S~Sr aus Rubidiumhaltigem Glimmer und schloB daraus, dab STRb das radioaktive Isotop sei. M a t t a u e h hat die zugeh6rigen Massenspektro- gramme geliefert.

Lise M e i t n e r u n d O . H a h n warenbeideimmer eifrige Besucher yon Naturforseherversammlungen, Bunsengesellsehaftskongressen und Zusammenkfinf- ten aller Art und dabei iiberall hoeh aktiv und an- regend. Willkfirlich seien herausgehoben :

Die Versammlung in Freiburg i./S. 1921. Diese Zu- sammenkunft galt vorwiegend bergmfinnisehen und balneologisehen Interessen. Auf ih r wurde die Ein-~ fuhrung der Emhmt ,,1 E m a n besehlossen. Ffir natfirliehe radioaktive Wfisser is t die Einheit ,,1 Cur ie" viel zu grol3; man bentitzte , ,Mikroeuries" und ,,Millimikroeuries", was spraehlieh unsehOn und schleppend war. Die ffihrenden Geister bei diesen und anderen Diskussionen, speziell fiber die geeigneten lVlel~meth0den, Standardl0sungen usw., waren H a h n und Mei tner .

In Miinster (1932) war der Versa~nmlung ,,Radio- aktivitfit" als Hauptthema zugeordnet. Dieser Kon- greB war in erster Linie yon ihnen organisiert und vorbereitet. Selten gab es Gelegenheiten zu so 'aus- f~ihrliehen wertvollen Diskussionen im kleinen Kreise, in Versammlungslokalen, bei Tisehe und bei intimen Ausflt~gen. Von den zahlreiehen Teilnehmer~ ~seien ~ur als engster Kreis der ,Radioaktivlinge" genannt: J. Chadwick , H. Geiger , O. Hahn, ' G. He- r e s y , L. Me i t ne r , St . Meyer , F. P a n e t h , K. P r z i b r a m , und dominierend E. R u t h e r f o r d . H a h n leitete die ganze Versammlung nieht nur in vorbildlieher Weise, er selbst und L. M e i t n e r brach- ten auch in der Hauptsitzung zwei einleitende zu- sammenfassende Vortrfige, L. N e i t h e r : ,,Die Be- deutung der /~- und y-Strahlen in der Atomfor- sehung", O. H a h n : ,,Radioaktivit~t und chemisehe- Elementarprozesse".

1919 war die erste Atomzertrfimmerung durch a-BesehuB gelungen.

1932 braehte die Verwendung kfinstlich' auf hohe Spannung gebraehter Prot0nen zu'gleiehem Zweck; aul3erdem die Entdeckung heuer Bausteine der Ma- gerie: deffNeutronen und der der Positronen.

1934 wurde die Erschaffung k~instlich radioaktiver Stoffe entdeekt.

Nachdem so die M/Sgliehkei~ der kanstlichen Atom- verwandlung erkannt war, war es das Bestreben H a h n s und Mei tne r s , fiber die in der Natur vor- kommenden Elemente mit den hOchsten Atomge- wiehten hinaus neue Stoffe mit noch hSheren Atom- gewichten bzw. Ordnu~gszahlen fiber 92 dureh Kern- au]bau zu setaaffen, was durch BeschuB von U mit Neutronen ta~s~chlich gelang. So wurden die ersten Transurane erzeugt, mit den Atomnummern 93 his 96, zun~tehst radioaktive Stoffe mit Halbwertszeiten T yon ca. 13 Minuten bis einigen Tagen. Heute kennt man, darauf aufbauendl ber~its mit Sieherheit 4 neue radioaktive Familien: zu Nr. 93 das Neptunlum mit 6 Isotopen der Mass enzahlen 234 bis 239, deren lfings t- lebiges eine Halbwertszeit yon 2,25.10 G Jahren hat;

zu Nr. 94 das Plutonium mit Massenzahlen yon 238, 239, 241, wovon 2~gPU' T = 2,4.10aa besitzt ;

von'Nr. 95, dem Americium, kennt man bisher Mas- senzahlen 241 und 242;

vo~ Nr. 96, dem Curium, solehe yon 240 und 242. Bis 1939 war mari immerhin in der Auffassung be-

fangen, dab sowohl im Aufbau der Kerne als bei ihrem natfirlichen oder kfinsttichen Zerfall lediglich Helium- kerne, Protonen, Neulironen sowie :k Elektronen auf- trfiten. Da zeigten H a h n und Stra, Bmann uner- wartet, dab eine Aufspaltung der Atome hOehster Ordnungszahlen in grSl3ere Brocken m/Sglich ist, wob.ei enorme Energiemengen frei werden k6nnen, wle speziell Lise Me i tne r nachwies. Die Aufspaltang kann in mehrfacher Weise erfolgen, ent~eder wie bei 2asu in nahe gleiche Massenh~!ften oder wie beim 2asU im Verhfiltnis der Kerntrammermassen ca. 2:3. Die Bruehstticke hesitzen einen {JberschuB yon Neu- .tronen, die, emittiert, ihrerseits dutch Ker~treffer au~ andere Atome MiSg~ichkeiten .yon Kettenreak- tionen sehaffen. Die dabei auftretenc[en kolossalen Energiemengen, ausgel6st aus den Aufspeieherungen in den Atomkernen, Sehufen die Verwendungsm6g- lichkeit zu den entsetzlieh wirkungsvollen Atom- bomben und verspreehen, geb~indigt und in riehtige Bahnen gelenkt, Energiequellen far Industrie und W.irtschaft, die eine neue Epoehe in der Gesehiehte des Mensehenlebens einzuleiten berufen seheinen.

O. H a h n und L. Me i tne r gehOren zu den AuBer- ordentliehen, Begnadeten, die dureh ihre Arbeiten in vorbildlicher Selbstlosigkeit neue Kapitel der For- sehung erschlossen haben.

Nichl zu zerstdren, au[zubauen war ihr ZieI. MSge es ihnen vergSnnt sein, die Vollen segens-

reiehen Auswirkungen zum Gedeihen der Menseh- heir zu erleben.

Eingegangen am 23. A u g u s t 1948.

Die Milehstrafle als Spiralnebei.

Von D i e d r i c h W a t t e n b e r g .

(Fortsetzung und Sehlul3.)

t t . Der Nebettgp und Kern dee Miichstrafle.

Wir haben jetzt die Frage zu lorfifen, inwiefern sich ~iber den NebeltTr p der MilehstraBe hinreichende Aus-

" sagen maehen lassen. UnregelmaBige Nebelformen, etwa wie NGC'6822 (MagellaniseherTyp), dfirften ohne weiteres ausseheiden. Dasselbe gilt-zweifellos auch f~ir die elliptisehen Nebel,' deren Struktur erst seit 1944 eingehender bekanntgeworden ist. Infolge- dessen bleibt uns nur eine Vergleiehsm6gliehkeit mit groBen offenen Spiralsystemen, unter denen zun~tehst der Dreieeksnebel M 33 den riehtigen Eindruek vet-

mitteh~ dfirfLe, obwohl d ie GrOi3enverh~]tnisse und aueh der Typ dieses Nebels in spezieIler Hinsicht gegen eine n~here Be ziehung zur MilchstraBe sprechen. Wesentlicher erseheint ein Vergleich rail dem An- dromedanebel, der zahlreiche verwandte Ztige mit der MilchstraBe aufzuweisen hat. Er fihnelt ihr in der Gr613e und sehafft ferner durch seine beiden Begleit- nebel M 32 und NGC 205 ein Musterbeispiel, da auch die MilchstraBe fiber zwei Satellitensysteme verffigt, die als Grofie und Kleine Magellansche Wolken be- kannt sind und die Milchstraf3e in Entfernungen yon 22 000 und 25 000 Parsec umwandern. Das heif3t also,

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