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Physikpraktikum für Pharmazeuten Universität Regensburg Fakultät Physik 10. Versuch: Radioaktivität In diesem Versuch beschäftigen Sie sich mit den Grundlagen der Ra- dioaktivität. Hierzu lernen Sie neben dem theoretischen Hintergrund auch die Funktionsweise eines Geiger-Müller-Zählrohrs kennen.

10. Versuch: Radioaktivität - Physik · 2 Theorie 2.1 Grundlagen der Radioaktivität RadioaktivitätisteinProzessbeideminstabileAtomkerneEnergiedurchausgesandte Strahlung verlieren

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Physikpraktikum für PharmazeutenUniversität RegensburgFakultät Physik

10. Versuch: Radioaktivität

In diesem Versuch beschäftigen Sie sich mit den Grundlagen der Ra-dioaktivität. Hierzu lernen Sie neben dem theoretischen Hintergrundauch die Funktionsweise eines Geiger-Müller-Zählrohrs kennen.

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1 Einführung

Der folgende Versuch dient als Einführung in die Radioaktivität. Auch wenn dieses The-ma vielleicht im Alltagsgeschehen eher in den Hintergrund gelang, beeinflusst diesesTeilgebiet der Physik stark unseren Alltag. Trotz der Tatsache, dass erneuerbare Energi-en immer wichtiger werden, kommt ein großer Teil des weltweit produzierten Stroms ausAtomkraftwerken. Auch im Bereich der Medizin spielt die radioaktive Strahlung einezentrale Rolle. So verwendet man zum Beispiel bei Strahlungstherapien hochenergeti-sche Kerne, welche gezielt auf kranke Zellen geschossen werden, um diese bewusst zuzerstören.Um in diesem Gebiet einige Grundkenntnisse zu erlangen, lernen Sie in diesem Versuch

die grundlegenden Arten radioaktiver Strahlung und darüber hinaus auch deren Detek-tion kennen. In dem experimentellen Teil des Versuchs werden Sie mit einem Geiger-Müller-Zähler radioaktive Zerfälle zählen und die Statistik dieser auswerten.

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2 Theorie

2.1 Grundlagen der RadioaktivitätRadioaktivität ist ein Prozess bei dem instabile Atomkerne Energie durch ausgesandteStrahlung verlieren. Die drei einfachsten Zerfallsprozesse sind die der α-, β- und γ-Strahlung.

α-Zerfall. Der α-Zerfall tritt bei instabilen Atomkernen auf, bei denen die Kernkräfteschwächer sind als die abstoßenden elektrostatischen Kräfte der Protonen untereinan-der. Um in einen stabileren Zustand überzugehen, wird ein Helium-Atomkern (4

2He), einsogenanntes α-Teilchen ausgesandt. Ein Beispiel hierfür ist das in der Natur vorkom-mende Isotop Radium-224, welches in ein α-Teilchen und Radon-220 zerfällt. Bei diesemProzess wird eine Energie von 6,3MeV frei.

22488 Ra→220

86 Rn +42 He + 6, 3 MeV

β-Zerfall. Ist die Neutronenzahl eines Atomkerns verhältnismäßig groß gegenüber derProtonenzahl, so neigt der instabile Kern dazu, eines der Neutronen in ein Proton undein Elektron (und ein Anti-Elektronen-Neutrino) umzuwandeln. Dabei wird das Elek-tron (und das Neutrino) von dem Kern ausgesandt. Es kann dabei Geschwindigkeitenzwischen 0 und der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Die Elektronenstrahlung wird auchals β−-Strahlung bezeichnet.Ein Beispiel hierfür ist das Isotop Blei-214, welches durch einen β−-Zerfall zu Bismut-214zerfällt. Die Freigesetzte Energie beträgt 1,02MeV.

21482 Pb→214

83 Bi+ e−(+00ν̄e−)

γ-Zerfall. Bei γ-Strahlung handelt es sich um keinen tatsächlichen Kernzerfall, sondernum einen energetischen Übergang eines Kerns von einem angeregten, hochenergetischenZustand in einen niedrigeren. Dabei muss aufgrund der Energieerhaltung die Energie-differenz der zwei Zustände abgegeben werden. Das geschieht mithilfe der Ausstrahlungvon γ-Strahlung, das sind hochenergetische Photonen, also Lichtquanten. Diese sind auf-grund ihrer hohen Energie jedoch nicht mehr sichtbar für das menschliche Auge, so wiees bei Röntgenstrahlung auch der Fall ist.Nach so gut wie jedem α oder β-Zerfall tritt auch γ-Strahlung auf, da die Kerne nach

dem Zerfallsprozess noch in einem höheren Energiezustand als dem Grundzustand sind.

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2.2 Messung radioaktiver Strahlung mittelsGeiger-Müller-Zählrohr

Radioaktive Strahlung wird meist mit einem Geiger-Müller-Zählrohr gemessen. DiesesZählrohr besteht aus einem mit Gas gefüllten, metallischen Zylinder. Der Zylinder hataußerdem einen Draht, der entlang der Zylinderachse gespannt ist. Zwischen Zylinder-mantel und Draht wird eine Gleichspannung angelegt, sodass der Zylinder negativ (Ka-thode) und der Draht positiv (Anode) geladen sind.

Abbildung 2.1: Das Geiger-Müller-Zählrohr

Radioaktive Strahlung gelangt durch ein Glimmerfenster in das Zählrohr, das Gaskann dadurch jedoch nicht entweichen. Gelangt nun ein α, β oder γ-Teilchen in dasZählrohr, so schlägt das Teilchen Elektronen aus den Gasatomen heraus und ionisiert siesomit. Die freien Elektronen werden dann zur Anode beschleunigt und schlagen weitere,sogenannte Sekundärelektronen, aus den anderen Gasatomen heraus. Dadurch entstehtpro einfallendem Teilchen eine Elektronenlawine, die als Signal (knacken) detektiert wird.

2.3 StatistikDie Wahrscheinlichkeit, dass ein radioaktiver Kern zerfällt, ist auf kurzen Zeitskalenunabhängig von vorherigen Zerfallsprozessen konstant. Voraussetzung hierfür ist, dassdie Anzahl der radioaktiven Kerne über den Zeitraum der Messungen relativ konstantbleibt.

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Auf längeren Zeitskalen zerfällt ein Großteil der Kerne. Daher ist diese Näherung dannnicht mehr möglich. Um eine Einschätzung treffen zu können, welche Zeitskalen als großund welche als klein zu klassifizieren sind, vergleicht man diese mit den Halbwertszeitender radioaktiven Materialien. Die Halbwertszeit gibt dabei an, ab welcher Zeit die Hälftealler Kerne eines bestimmten Materials zerfallen sind. Diese kann sogar Millionen vonJahren betragen.Auch in diesem Versuch ist die Halbwertszeit genügend groß, um die Näherung ei-

ner konstanten Anzahl radioaktiver Kerne zu rechtfertigen. Aus diesem Grund könnenZerfallsprozesse mit üblichen statistischen Methoden, die Sie auch schon in den vorigenVersuchen kennengelernt haben, beschrieben werden.

2.3.1 Die BinomialverteilungDie Binomialverteilung B(n, p, k) gibt bei einer Wahrscheinlichkeit p eines Ereignissesdie Wahrscheinlichkeit an, dass bei n Versuchen das Ereignis genau k mal eintrifft.

B(n, p, k) = (nk)pk(1− p)n−k

Hierbei ist der Binomialkoeffizient:

(nk) = n!k! · (n− k)!

Ein Beispiel dafür ist das achtfache Werfen eines Würfels. Will man nun wissen, wiewahrscheinlich es ist, dass von den 8 Würfen genau 4 mal eine 6 gewürfelt wurde, somuss man die Binomialverteilung B(8, 1/6,4) berechnen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeitbei einem Wurf eine 6 zu würfeln genau 1/6.

B(8, 1/6, 4) = (84)(1/6)4(1− 1/6)8−4

2.3.2 Poisson StatistikBei einer großen statistischen Masse (d.h. bei großem n) und kleiner Ereigniswahrschein-lichkeit p kann die Binomialverteilung durch die Poissonverteilung, Gleichung (2.2), ge-nähert werden. Hierbei ist Pλ(x) die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Ereignisanzahlx, wenn die mittlere Rate der Ereignisse n · p = λ ist.

P (x = k) = B(n, p, k) ≈ λk

k! · e−λ (2.1)

Pλ(x) = λx

x! · e−λ (2.2)

Misst ein Geiger-Müller-Zähler also die Anzahl der Zerfallsereignisse in einem Zeitin-tervall ∆t, so gibt die Poissonverteilung Pλ(x) an, wie wahrscheinlich es ist, dass genaux Zerfallsprozesse in diesem Zeitintervall gemessen werden.

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Abbildung 2.2: Die Poissonverteilung für verschiedene λ

Wie in Abbildung 2.2 zu erkennen ist, ist die Poissonverteilung bei kleinen λ asymme-trisch. Mit zunehmendem λ wird die Verteilung immer symmetrischer und nähert sichder Gestalt einer gaußschen Normalverteilung.Für große λ gilt:

Pλ(x) ≈ 1√2πλ

e− (x−λ)22λ (2.3)

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3 Versuchsdurchführung

3.1 VersuchsaufbauUm die radioaktiven Zerfälle in den zur Verfügung gestellten radioaktiven Proben zuzählen, befestigen Sie die Probe wie in Abbildung 3.1 gezeigt mit einer Klemme aneinem Ständer.Nehmen Sie anschließend die Schutzkappe des Geiger-Müller-Zählrohrs ab und plat-

zieren dieses in einem Abstand von wenigen Millimetern von der Probe, wie ebenfalls inAbbildung 3.1 zu sehen.

Abbildung 3.1: Das Geiger-Müller-Zählrohr in Messposition

Stecken Sie das Kabel des Zählrohrs in die Eingangsbuchse des Bedienelements, wel-che sich links unten befindet. Achten Sie dabei darauf, dass das Bedienelement während

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des Einsteckens ausgeschaltet ist. Nachdem Sie das Bedienelement eingesteckt haben,können Sie es mit dem Schalter auf der Rückseite anschalten. Um eine angenehme Ar-beitsatmosphäre sicherzustellen, können Sie mit dem rechten Knopf den Ton ausschalten.

Abbildung 3.2: Bedienelement des Geiger-Müller-Zählrohrs

3.2 Aufgaben• Messen Sie 400 mal wie viele Zerfallsprozesse innerhalb einer Sekunde stattfin-den. Stellen Sie hierzu den Drehknopf am Bedienelement auf 1 s. Mit Start/Stopstarten Sie eine Messung. Diese zählt ab diesem Zeitpunkt eine Sekunde lang alle

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Zerfallsprozesse. Nach einer Sekunde stoppt die Zählung und die Zahl kann notiertwerden. Geben Sie dabei die Zahl aus zeittechnischen Gründen möglichst sofort inQTI-plot ein (und speichern lieber vorsichtshalber hin und wieder). Um die nächs-te Messung zu starten, muss der Zähler zurückgesetzt werden, sonst addiert dasBedienelement die nächsten Zerfallsprozesse dazu. Drücken Sie hierzu den ResetButton. Nach 400 Durchläufen haben Sie diesen Versuchsteil erledigt.

• Plotten Sie in QTI ein Histogramm der Daten. Markieren Sie hierzu die Spalte inder die Daten gespeichert sind und wählen Sie mit Rechtsklick: Diagramm → Sta-tistische Diagramme → Histogramm. Erforschen Sie den Einfluss, den die Anzahlder Bins auf das Histogramm hat. Dazu können Sie das Diagramm mit Doppelklickdarauf auswählen. Damit kommen Sie in das in Abbildung 3.3 gezeigte Menü. Dortkönnen Sie die Anzahl der Bins einstellen.

Abbildung 3.3

• Fitten Sie nun das Histogramm mit einer Poissonverteilung. QTI hat eingebauteFitfunktionen, die Sie unter Analyse → Fit-Assistent finden können. Bei Histo-grammen stellt sich das Programm jedoch ein wenig an. Um hier eine Funktionzu fitten müssen Sie in dem Kästchen "Bin Arbeitsplatz", wie in Abbildung 3.3 zusehen, auf Statistik anzeigen klicken. Dann erscheint eine Matrix von der Sie dieersten zwei Spalten mit einem Säulendiagramm plotten können. Dieses Diagrammkönnen Sie dann wie gewohnt fitten. Im Fit-Assistenten ist die Poissonverteilungbereits eingebaut, diese finden Sie entweder unter Grundlegend oder sie geben perHand "poisscdf(k,x)" ein. Hierbei bezeichnet x den Datensatz und k ist das λ ausFormel (2.2). Da die Poissonverteilung normiert ist, d.h. sie ist so gewählt, dassdas Integral darüber 1 ist, müssen Sie noch einen Vorfaktor als Fitparameter andie Poissonverteilung multiplizieren. Auf welchen Wert kommen Sie für λ?Tipp: Achten Sie im Ergebnis-Log darauf, ob der Fit erfolgreich war, dies erscheintbei "Status". War der Fit nicht erfolgreich, so können Sie z.B. einen anderen Algo-

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rithmus wählen oder die Anzahl an Iterationen erhöhen.

• Zuletzt messen Sie 100 mal wie viele Zerfallsprozesse innerhalb von 10 Sekundenstattfinden. Dazu drehen Sie das Bedienelement auf Auto/10 s. In diesem Fall müs-sen Sie nicht immer wieder Reset und Start drücken, da das Bedienelement selbstimmer wieder von vorne zu zählen beginnt. Sie müssen lediglich alle 10 Sekundenden neuen Wert notieren.Plotten Sie auch hier wieder ein Histogramm. Das Ergebnis sollte Sie nun an dieGaußsche Normalverteilung erinnern, dies liegt daran, dass das λ für 10 s größerist als für 1 s. Fitten Sie an das Histogramm eine Gaußsche Normalverteilung. Dasist wieder einfacher, gehen Sie dazu unter Analyse auf Gauß-Fit.

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