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111 Zur Geschiehte der Entdeckung der chemischen Verwandtsehaft yon Chloro- phyll und Bluti'arbstoff. Von Prof. Dr. L. Marehlewski. Ich bin leider gen0thigt, auf einen hufsatz 1) der Dr. Grafin v. Linden, den ich jetzt erst zu Gesicht bekam, einzugehen, da derselbe in einer mir unbegreiflichen Art die Geschichte der Ent- deckung der chemischen Verwandtschaft des Chlorophylls und Blut- farbstoffs unrichtig wiedergibt. Obwohl ich annehmen darf, dass den mit dieser wichtigen Frage sich naher Beschifftigenden der richtige Sachverhalt bekannt ist, so mSchte ich mir doch erlauben, an dieser Stelle diese Angelegenheit aufzukli~ren, da Diejenigen, die nicht in der Lage sind, die Literaturquellen selbst zu studiren und in dem hufsatz der Griffin v. L i n d e n eine Directive gefunden zu haben hoffen, arg geti~uscht werden. Die Verfasserin erwahnt bei der Besprechung der genannten Verwandtschaft an mehreren Stellen verschiedene Autoren, aber kein einziges Mal erwi~hnt sie Diejenigen, die die Entdeckung thatsi~chlich gemacht haben. Nencki, Zaleski und Kfister, von deren Arbeiten Griffin v. L i n d e n spricht, haben tiber Chlorophyll fiber- haupt nicht gearbeitet. Der richtige Sachverhalt ist folgender. Bekanntlich gelang es Hoppe-Seyler e) und spi~ter Nencki und Siebera), aus dem Hi~min ein eisenfreies Derivat zu erhalten, welches sie Hamatoporphyrin nannten und welches durch ejn tiberaus charakteristisches Spectrum ausgezeichnet ist. Bei seinen Untersuchungen fiber Chlorophyll gelang es Hoppe-Seyler ~) ein rothes Abbauproduct zu erhalten, welches 1) Dieses Archiv Bd. 98 S. 1. 1903. 2) J. Th. 1871 S. 78. 3) Ber. Bd. 17 S. 2272. M. 9, 115. 4) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 4 S. 193. 1880, Bd. 5 S. 75. 1881.

Zur Geschichte der Entdeckung der chemischen Verwandtschaft von Chlorophyll und Blutfarbstoff

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Z u r G e s c h i e h t e d e r E n t d e c k u n g d e r c h e m i s c h e n V e r w a n d t s e h a f t y o n C h l o r o -

p h y l l u n d B l u t i ' a r b s t o f f .

Von

Prof. Dr. L. M a r e h l e w s k i .

Ich bin leider gen0thigt, auf einen hufsatz 1) der Dr. Grafin v. L i n d e n , den ich jetzt erst zu Gesicht bekam, einzugehen, da derselbe in einer mir unbegreiflichen Art die Geschichte der Ent- deckung der chemischen Verwandtschaft des Chlorophylls und Blut- farbstoffs unrichtig wiedergibt. Obwohl ich annehmen darf, dass den m i t dieser wichtigen Frage sich naher Beschifftigenden der richtige Sachverhalt bekannt ist, so mSchte ich mir doch erlauben, an dieser Stelle diese Angelegenheit aufzukli~ren, da Diejenigen, die nicht in der Lage sind, die Literaturquellen selbst zu studiren und in dem hufsatz der Griffin v. L i n d e n eine Directive gefunden zu haben hoffen, arg geti~uscht werden.

Die Verfasserin erwahnt bei der Besprechung der genannten Verwandtschaft an mehreren Stellen verschiedene Autoren, aber kein einziges Mal erwi~hnt sie Diejenigen, die die Entdeckung thatsi~chlich gemacht haben. N e n c k i , Z a l e s k i und K f i s t e r , von deren Arbeiten Griffin v. L i n d e n spricht, haben tiber Chlorophyll fiber- haupt nicht gearbeitet.

Der richtige Sachverhalt ist folgender. Bekanntlich gelang es H o p p e - S e y l e r e) und spi~ter N e n c k i und S i e b e r a ) , aus dem Hi~min ein eisenfreies Derivat zu erhalten, welches sie Hamatoporphyrin nannten und welches durch ejn tiberaus charakteristisches Spectrum ausgezeichnet ist. Bei seinen Untersuchungen fiber Chlorophyll gelang es H o p p e - S e y l e r ~) ein rothes Abbauproduct zu erhalten, welches

1) Dieses Archiv Bd. 98 S. 1. 1903. 2) J. Th. 1871 S. 78. 3) Ber. Bd. 17 S. 2272. M. 9, 115. 4) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 4 S. 193. 1880, Bd. 5 S. 75. 1881.

112 L. Marchlewski:

er Dichromatinsaure nannte, dessen angebliches Spaltungsproduct ein Spectrum zeigte, welches nach H o p p e - S e y l e r mit dem des Hiimato- porphyrins gewisse Aehnlichkeiten besitzt und nannte daher dasselbe Phylloporphyrin, obwohl er an eine wirkliche Verwandtschaft beider Farbstoffe nicht dachte, eine diesbeztigliche Vermuthung wenigstens nicht aussprach, und wohl auch nicht annehmen konnte, da die Dichromatinsi~ure nach ihm stickstofffrei sein sollte. Spi~ter unter- suchte E. S c h u n c k 1) das Verhalten yon Phyllocyanin, eines Deri- rates des Chlorophylls unter der Einwirkung yon schmelzendem Alkali. Er isolirte in winzigen Mengen eiu rothes Product, for welches er den Namen Phylloporphyrin beibehielt, dessen Spectrum er oberfiachlich besprach und auch nicht ganz richtig angab. Sodann wurde mir die Ehre zu Theil, in dem Laboratorium des genannten beriihmten englischen Forschers zu arbeiten, ich bemtihte reich wo- mi~glich eine bessere Methode zur Darstellung des Phyl]oporphyrins zu finden, da der K5rper far die Chlorophyllforschung yon grossem Werthe zu sein versprach. Dies gelang mir auch, indem ich Phyllo- taonin bezw. seine Aether mit alkoholischer LOsung yon KOH in zugeschmolzenen RShren auf hohe Temperaturen erhitzte2). Die Methode gab eine Quantitat yon Phylloporphyrin, die es ermSglichte, eine genauere Untersuchung durchzuftihren. Auf Grund der er- haltenen Resultate gelang es vor Allem, die H o p p e- S e y I e r ' schen Angaben aufzuklaren und zu berichtigen; es zeigte sich, dass die Dichromatinsaure kein einheitliches Product sein konnte, und dass ihr vermeintliches Zersetzungsproduct in Wirklichkeit ein Umwandlungs- product unter dem Einfiuss yon Si~uren ist, aus welchem der ur- sprilngliche KSrper durch Alkaliwirkung regenerirt werden konnte. Sodann erwies sich, dass die H o pp e- S eyl e r ' sche Angabe, das rothe Spaltungsproduct des Chlorophylls ware stickstofffrei, irrthiim- lich ist. Thatsi~chlich gab eine Verbrennung des Phylloporphyrins die Formel CI~Hls:N~O. Dieses Resultat war nun fiir die Entdeckung der chemischen Verwandtschaft des Chlorophylls und Blutfarbstoffs das e r s t e entscheidende Moment, denn dasselbe (und nur dieses) veranlasste reich einen directen Vergleich des Phylloporphyrins mit dem analog zusammengesetzten Hamatoporphyrin (C16H~sN20a) durch-

1) Proc. Royal Socidty vol. 50 p. 302. 2) Annalen der Chemie Bd. 284 S. 94. 1894, Bd. 288 S. 209. 1895, Bd. 290

S. 306. 1896.

Zur Geschichte der Entdeckung der chem. Verwandtschaft e tc . . 113

zufiihren. Das Ergebniss war tiberraschend. Beide KSrper sind durch ausserst charakteristische, nahezu identische Spectren aus- gezeicbnet. In neutraler LSsung zeigen beide Farbstoffe 7 Bander (im starker gebrochenen Theil) und 3 Bander in saurer LSsung (bei hinreichender Verdtinnung)l). Weiterhin ergab sich, class Phyllo- porphyrin ahnlich wie Hamatoporphyrin bei der trockenen Destilla- fion und bei der Destillation mit Zinkstaub Pyrrol liefert u. s. w. Auf diese Thatsachen gesttitzt, sprachen wir in einer mit E. S c h u n c k publicirten Abhandlung ~) den Schluss aus, dass Hamatoporphyrin und Phylloporphyrin, also auch ihre Muttersubstanzen nahe ver- wandte KOrper sind, und die damals herangezogenen Argumente wurden auch aUgemein als beweisend anerkannt. Ueber meinen Antheil an dieser Entdeckung sprach sich S c h u n c k 8) wie folgt aus: ,This discovery was made in my laboratory, but the merit of it is chiefly due to my friend and former collaborator, Dr. M a rch l e wski."

Die Stellung yon N e n c k i * ) zu der erwahnten Arbeit wird gent~gend dutch die folgenden Satze aus dem geistreichen Artikel: ,Ueber die biologischen Beziehungen des Blatt- und des Blut- farbstoffes" dieses genialen polnischen Gelehrten beleuchtet: ,Es sei mir gestattet, die biolo.-ische Bedeutung des vor Kurzem von S ch un ck und M a r c h 1 e w sk i gelieferten Nachweises, dass ein Derivat des Chlorophylls - - das Phylloporphyrin - - zu dem yon mir und S i e b e r dargestellten Hamatoporphyrin in naher genetischer Beziehung steht, hervorzuheben. ~' ,Die Entdeckung yon S c h u n c k und M a r c h 1 e w s k i ist fiir die biologische Chemie desshalb yon so capitaler Bedeutung . . ."

Selbstverstandlich war es wtinschenswerth, das erhaltene Resultat angesichts seiner grossen biologischen Tragweite noch durch weitere Forschungen zu erharten. Ich selbst habe daher getrachtet, vom Phylloporphyrin zu Producten zu gelangen, die auch aus dem Hamatoporphyrin erhaltlich sind. Als K i i s t e r seine Resultate tiber die Hamatinsauren bekannt gab, unternahm ich sofort die Oxydation des Phylloporphyrins und erhielt auch, noch vor dem Jahre 1900 eine geringe Menge einer Saure, die ich mit Htilfe einer

1) Bei dieser Gelegenheit wurde zum ersten Mal das Absorptionsspectrum des Hamatoporphyrins griindlich durchgeforscht und genau beschrieben.

2) Annalen der Chemie Bd. 290 S. 306. 1896, 3) Journ. of the Society of chem. Industry 1897 p. 590. 4) Ber. Bd, 29 S. 2877. 1896.

E. Pflfiger, Archly fiir Physiologie. Bd. 102. 8

114 L . Marchlewski:

kleinen Probe Hamatinsaure, die mir Herr K i i s t e r gatigst zur Verfagung stellte, mit letzterer identificiren konnte. Da ich jedoch damals zu wenig Material hatte, um quantitative Untersuchungen durchzufahren, so wollte ich das erhaltene Resultat nicht publiciren. Inzwischen versuchte N e n c k i mit Z a l e s k i 1) Hi~matoporphyrin ab- zubauen, um womiiglich zum Phylloporphyrin zu gelangen, und ob- w0hl ihnen dies nicht gelang, so erhielten sie doch ein ungemein wichtiges Resultat, ni~mlich sie zeigten, dass Hi~matoporphyrin zu H/hnopyrrol abgebaut wird, einem KSrper, der angesichts K t~ s t e r ' s Forschungen tiber die Hiimatinsi~ure, als Methyl - n - Propylpyrrol aufzufassen ist. Am Schlusse ihrer Arbeit bemerken l ~ e n c k i und Z a l e s k i ~ ) : ,,Wir zweifeln auch nicht daran, dass das Phyllo- porphyrin, mit Jodwasserstoff und Phosphoniumjodid in Eisessig be- handelt, Hamopyrrol geben wird.'! Ich denke, zu einer solchen heusserung konnten sich die genannten doch nur dann far berechtigt fiihlen, wenn sie die yon E. S c h u n c k und mir behauptete Ver- wandtschaft des Phylloporphyrins und Hi~matoporphyrins auf Grund der yon uns gelieferten Beweise als e r w i e s e n betrachtet haben.

Nachdem N e n c k i ' s und Z a 1 e s k i ' s Resultate bekannt wurden, und ich reich aberzeugte, dass Phyllocyanin-Kupferacetat leicht zu einem farblosen Product durch Zink und Salzsi~ure reducirt wird, schlug ich 1~ e n c k i vor, die Reduction yon Chlorophyllderivaten

m i t mir auszufahren, welchen Vorschlag er auch annahm. Die Redaction eines Phyllocyanin-Kupferacetatpr/iparates, das ich ihm sandte, ergab auch das erwartete Resultat, ni~mlich Hi~mopyrroI, w~hrend ich selbst dieselbe Umwandlung qualitativ far Aethyl- phyllotaonin constatirte. Das erhaltene Resultat publicirten wir ge- meinschaftlich im Bull. intern, de l'Acad, des Sciences de Cracovie a).

Etwas spi~ter war ich in der Lage, meine Oxydationsversuche fortzusetzen. Mit 5 g Phylloporphyrin operirend, gelang es mir ge- nagend des reinen Oxydationsproductes zu gewinnen, um mit abso- luter Sicherheit seine Identiti~t mit der Hi~matinsaure zu beweisen4).

Angesichts dieses Sachverhaltes hoffe ich annehmen zu darfen, dass Griffin v. L i n d e n selbst geneigt sein wird einzusehen, dass

1) Bull. international de l'Acad, des Sciences de Cracovie 1901 p. 217. 2) Ber. Bd. 34 S. 1010. 1901. 3) 1901 p. 277. 4) Bull. international de l'Acad, des Sciences de Cracovie 1902 p. 1.

Zur Geschichte der Entdeckung der chem. Verwandtschaft etc. 115

die Citirung verschiedener Autoren, aber zugleich Vernachl~tssigung

E. S c h u n c k ' s und meines Namens bei der Besprechung der Ent-

deckung der chemischen Verwandtschaft des Chlorophylls und Blut-

farbstoffs etwa ebenso zu qualificiren ist, wie ,,a wedding without the bride" 1).

1) Ausser den oben bertihrten Beweisen ftir die Verwandtschaft des Chloro- phylls und Blutfarbstoffs mag noch auf meine z. Th. mit C. A. Schunck publi- eirten Arbeiten: Journ. chem. Society vol. 77p: 1080. 1900, Bull. intern, de l'Acad, des Sciences de Cracovie 1902 p. 223, verwiesen sein.

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