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Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels Von MARGOT GOEHRING und KLAUS-DIETRICH WIEBUSCH Inhaltsiibersicht Bei dcr Umsetzung zwischen H,S und SO, in indifferenten organischen Losungs- mitteln erhalt man bei Anwesenheit von Spuren von Wasser gelbe Losungen, die der Analyse nach Polyschwefeloxyde enthalten. Die Lijsungcn lassen sich von den Ausgangsgasen befreien. Die Polyschwefeloxyde sind zu Oxydationsleistungen befahigt; thermisch zer- fallen sic in Schwefel und Schwefeldioxyd. Bei der Verseifung mit Wasser entstehen die niederen Sauerstoffsaurcn dcs Schwefcls, S(OH),, S,(OH), und vielleicht auch noch schwefelreichere Sauren, im Gleichgewicht. Die Losungen sind dcm qualitativen Bcfund nach identisch mit Polyschwefeloxydldsungen, die man bei der unvollstandigen Verbren- nung des Schwefels unter vermindertem Druck erhalten kann. Eine Umsetzung zwischen schwefliger Saure und Schwefelwasser- stoff kann in sehr verschiedener Weise vor sich gehen. In wasseriger Liisung bildet sich, wenn man uberschiissiges H,S anwendet, haupt- sachlich Schm-efell) ; verwendet man uberschiissiges 80,, so entsteht be- kanntlich die sog. WACKENRODERsche Plussigkeit, die neben Thio- schwefelsaure die Polythionsauren enthalt. Bringt man dagegen die absolut trockenen Gase, SO, und H,S, bei Temperatureii unter 400" zusammen, so tritt keine Reaktion ein, auch nicht, wenn man die beiden Gase gemeinsam verfliissigt2). Erst bei Temperaturen uber 400" findet an gewissen'Kontakten die Umsetzung 2HzS 3- SO2 = 2HSO + 3 S (1) statt, die die Grundlage fur den Cum-ProzeB zur Gewinnung von Schwefel darstellt. Leitet man bei Zimmertemperatur H,X und SO2 in nichtwasserige und mit Wasser nicht mischbare Losungsmittel ein, so findet hier, wie bei dem analogen Versuch ohne Losungsmittel, wenn siimtliche Stoffe sorgfgltig getrocknet sind, auch innerhalb von mehreren Stunden keine sichtbare Reaktion statt. Ganz anders ist es, wenn man dem Ldsungsmittel Spuren von Wasser zusetzt. Bereits im Jahre 1912 l) 0. V. DEINES u. H. GRASSXANN, 2. anorg. allg. Chem. 220, 337 (1934). ,) W. BILTZ u. M. BRAUTIGAM, Z. anorg. allg. Chem. 162, 55 (1927).

Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

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Page 1: Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

Von MARGOT GOEHRING und KLAUS-DIETRICH WIEBUSCH

Inhaltsiibersicht Bei dcr Umsetzung zwischen H,S und SO, in indifferenten organischen Losungs-

mitteln erhalt man bei Anwesenheit von Spuren von Wasser gelbe Losungen, die der Analyse nach Polyschwefeloxyde enthalten. Die Lijsungcn lassen sich von den Ausgangsgasen befreien. Die Polyschwefeloxyde sind zu Oxydationsleistungen befahigt; thermisch zer- fallen sic in Schwefel und Schwefeldioxyd. Bei der Verseifung mit Wasser entstehen die niederen Sauerstoffsaurcn dcs Schwefcls, S(OH),, S,(OH), und vielleicht auch noch schwefelreichere Sauren, im Gleichgewicht. Die Losungen sind dcm qualitativen Bcfund nach identisch mit Polyschwefeloxydldsungen, die man bei der unvollstandigen Verbren- nung des Schwefels unter vermindertem Druck erhalten kann.

Eine Umsetzung zwischen schwefliger Saure und Schwefelwasser- stoff kann in sehr verschiedener Weise vor sich gehen. In wasseriger Liisung bildet sich, wenn man uberschiissiges H,S anwendet, haupt- sachlich Schm-efell) ; verwendet man uberschiissiges 80,, so entsteht be- kanntlich die sog. WACKENRODERsche Plussigkeit, die neben Thio- schwefelsaure die Polythionsauren enthalt. Bringt man dagegen die absolut trockenen Gase, SO, und H,S, bei Temperatureii unter 400" zusammen, so tritt keine Reaktion ein, auch nicht, wenn man die beiden Gase gemeinsam verfliissigt2). Erst bei Temperaturen uber 400" findet an gewissen'Kontakten die Umsetzung

2HzS 3- SO2 = 2HSO + 3 S (1)

statt, die die Grundlage fur den Cum-ProzeB zur Gewinnung von Schwefel darstellt. Leitet man bei Zimmertemperatur H,X und SO2 in nichtwasserige und mit Wasser nicht mischbare Losungsmittel ein, so findet hier, wie bei dem analogen Versuch ohne Losungsmittel, wenn siimtliche Stoffe sorgfgltig getrocknet sind, auch innerhalb von mehreren Stunden keine sichtbare Reaktion statt. Ganz anders ist es, wenn man dem Ldsungsmittel Spuren von Wasser zusetzt. Bereits im Jahre 1912

l) 0. V. DEINES u. H. GRASSXANN, 2. anorg. allg. Chem. 220, 337 (1934). ,) W. BILTZ u. M. BRAUTIGAM, Z. anorg. allg. Chem. 162, 55 (1927).

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beobachtete SARASON3), da13 sich bei der Einwirkung von Schwefel- wasserstoff auf Schwefeldioxyd in mit Wasser nicht inischbaren orga- nischen Losungsrnitteln Schwefel erhalten lafit, der sich in Wasser kolloidal lost. Intermediiir sol1 sich das verwendete Losungsrnittel orangegelb farben. Nun konnte fruher gezeigt werden4), da13 man bei der Reaktion von H,S und SO, in Ameisensaure als Losungsmittel eine Losung erhalt; die einige Zeit haltbar ist, und die z. B. gegenuber Jod- wasserstoff kraftig oxydierend wirkt,. Nachdem cs sich weiter gezeigt hatte, daIJ den niedereri XchM.efelsauerstoff~auren, S(OH), untl S,(OH),, die man aus ihren Derivaten frei machen kann, solche oxydierenden Wirkungen zukommen5), konnten wir vermuten, da13 allgemein das erste nachweisbar e Reaktionsprodukt der Unisetzung zwischen H,S und SO, eine der genannten Schwefelsauerstoffshren sei, und aus den Produkten der Umsetzung in wgsseriger Losung muate geschlossen werden 'j), dal3 es sich hierbei iiberw-iegend um die thioschweflige SBure, S,(OH),, oder vielleicht auch urn ihr Anhydrid, S,O, handeln sollte. Aber in wisseriger Losung ist S,(OH), oder sein Anhydrid nicht bestan- dig, es wird vielmehr sofort liydrolysiert, bzw. es reagiert mit den Aus- gangsstoffen H,S und so, zu Schwefel urid der ~rACKENRODERSchen Flussigkeit '). Wir versuchten, die primaren Reaktionsprodukte der Um- setzung von H,S und SO, frei von den Ausgangstoffen und von sekun- dBren Umsetzungsprodukten zu isolieren, und d a m erschienen uns die gelben Losungen von SARASON geeignet zu sein.

Darstellung der Losungen Sattigt man eine Probe nicht getrockneten Chloroforms mit Schwe-

felwasserstoff land eine zweite Probe des Losungsrnittels mit Schwefel- dioxyd und mischt, dann die beiden Losungen, so farbt sieh die Flussig- keit nach einiger Zeit gelb und einige Xekunden spater tiiibt sie sich; es fiillt eine gelbliche Substanz am, die wie Sehwefel aussieht. Sattigt man das Chloroforni zuniichst mit H,S und leitet in diese Losung SO2 ein, so erhalt man eine schwach gelb gefiirbte Flussigkeit, die sich rasch trubt. Sattigt man danegen das Chloroform zunachst mit Schwefel-

s, L. SARASON. DRP. 262467 (1912). 4, H. STAMM u. M. GOEHRISG, Katurwiss. 27, 317 (1939). j) Vgl. H. STAMM u. M. GOEHRING, Z. anorg. allg. Chem. 242, 413 (1939); M. GOEH-

6, H. STAMM u. M. GOEHRING, 2. anorg. allg. Chem. 242, 423 (1939); H. STAMM,

7, Zum Chemismus dieser Umsetxungen vgl. z. B. H. STAMBJ u. M. GOEHRIKG, Die

RING, Z. anorg. Chcm. 253, 304 (1947).

W. W. MAGERS u. M. GOEHRING, 2. anorg. allg. Chem. 244, 184 (1940).

Chemie 23, 52 (1945).

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GOEHRING u. WIEBUSCH, Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels 229

dioxyd und leitet dann langsam unter intensiveni Ruhren H,S in das etwas feuchte Losungsmittel ein, so erhdt nian kraftig gelb bis orange gefiirbte Losungen, die sich r i m langsam truben. Die Reaktion, die sich in1 Chloroform abspielt, ist suhwach exotherm: nian kann sie in dern ver- hiiltnismaDig groWen Temperaturbereich von etwa -20" bis +60" durchfuhren. Will man klare, stabile Losungen gewinnen, so empfiehlt es sich jedoch, Temperaturen zwischen -10" und -20" einzuhalten. An Stelle von Chloroform kanii man auch andere Losungsmittel wie z. B. Tetrachlorkohlenstoff, Ligroin, Toluol, Benzol verwenden; aber rnit Chloroform erhalt nan die stabilsteri und die an1 intensivsten gefarb- ten Losungen. Das Chloroform wird mahrend der Uinsetzung selbst etwas arigegriffen; ein kleiner Teil geht in Phosgen uber, und dieses wird offenbar teilweise durch das bei der Reaktion gebildete Wasser hydroly- siert. Dabei entsteht Salzsaure, die aber ibrerseits die gelben Losungen nicht zersetzt, sondern eher stabilisierend wirkt.

Folgendes Verf a h r e n hat sich zur Darstellung der gelben Losungen bewahrt :

I n einen 3-Halskolben von 1 Liter Inhalt, der mit einem eingeschlif- fenem KPG-Ruhrwerk, zwei tief in den Kolbm hineingefuhrten Gaszu- leitungsrohren und einem Gasableitungsrohr versehen ist, br irigt man 850 (31113 phosgenfreies, frisch destilliertess) Chloroform. Nun leitet man in das Liisungsmittel bei Zimmertemperatur etwa 400 bis 500 mmol SO, ein. Die Stromungsgeschwindigkeit wahlt man dabei so, daG sich das SO, vollstdndig im Chloroform lost. Dann suspendiert man unter kraftigern Ruhren 0,3 cm3 destilliertes Wasser in der Plussigkeit, kuhlt auf -21" ab und leifet unter dauerndem Ruhren gleichzeitjg H,S 'mit einer Stromungsgeschwindigkeit von 85 inmol/Stunde und SO, mit einer Stromungsgeschwindigkeit von 170 mmol/Stunde ein. Nach etwa i bis 10 Minuten zeigt cine schwache Gelbfiirbung den Beginn der Reaktion an, nach ungefahr 2 bis 3 Stunden sieht die J,osung orange- gelb aus. Wahrend dieser ganzen Zeit h d t man die Temperatur des Reaktionsgemisches auf etwa -15". Sobald - nach etwa 3 Stunden - die Fliissigkeit sich zu truben beginxit, bricht man das Einleiten der Gase ab. Man gieCt das Reaktionsgemisch sofort in einen l-Liter-Rund- kolben, der ungefahr 10 g Phosphorpentoxyd enthiilt. Nun kann man die noch nicht umgesetzten Reste der Ausgangsgase aus der Fliissigkeit entfernen, indem man den Kolben mit einer Wasserstrahlpumpe eva- kuiert. Dabei halt die Verdunstungskalte das Reaktionsgemisch von

*) Das Chloroform wurde nach einer Vorschrift von A. BECKMA" u. P. WAENTIO, Z . anorg. allg. Chem. 67, 31 (1910) gereinigt.

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allein auf einer Temperatur, bei der die Losung stabil ist. Nach etwa 2-stundigem Evakuieren war bei unsern Versuchen die Losung immer frei von H,S und von SO,; in den Gasrauni hineingebrachtes Rleiazetat- und Quecksilber(1)-nitratpapier wurde nicht mehr gefarbt.

Die gelbe Liisung IiiGt sich nur dann vom uberschussigen H,S und SO, befreien, wenn sie mit Phosphorpentoxyd versetzt ist. Versucht man die Flussigkeit direkt, ohne vorherigen Zusatz voii P,O,, zu eva- kuieren, so entweicht H,S und SO,; auQerdem zersetzt sich aber der gelbe Korper offenbar unter Ruckbildung dieser beiden Ausgangsgase, und es bleibt nur etwas in Chloroform geliister Schwefel zuruck. Wir verniuten, dalj sich bei dern Zusammenbringen von H2S und SO, im feuchten Chloroform als erstes die folgenden Reaktionen abspielen :

( 2 )

(3 1 H,S + SO, ~i S,O +- H,O + H,S20,

S20 + H2S --f 3 S + H20. Das P,O, beseitigt die iiach (3) gebildete schiiidliche Wassermenge, die bewirken wiirde, daW Reaktion (2) ruckwkts verlauft ; auWerdem wirkt es wahrscheinlich hemmend auf die Einstellung des Gieichgewichtes (2) 9 ) l O ) .

Der Sauerstoffgehalt der Losungen Die gelben Losungen, die frei von H,S und von SO, sind, sind Oxyda-

tionsmittel. Sie oxydieren Jodwasserst,offsaure in Wasser oder auch in Ameisensaure als Losungsmit'tel sofort zu Jod ; Stickstoffwasserstoff - saure wird in Stickstoff ubergefuhrt. Bei der Umsetzung mit J' in Wasser tritt Sod allerdings nur intermediar auf, niimlich sofort na'ch dern ZusammengieQen der gelben Liisung mit der w2,sserigen Jodwasser- stoffsaure. Schuttelt man die Flussigkeit kraftig durch, so wird das aus- geschiedene Sod wieder reduziert, offenbar, weil jetzt eine Reaktion des gelben Stoffes mit Wasser allein uberwiegt, die Sod reduzierende Stoffe liefert (s. unten). Verwendet man dagegen Ameisensaure als Losungs- mittel fur HJ', so kann die Oxydationsreaktion nicht, durch eine st,orende Hydrolysenreaktion uberlagert werden.

Zur B e s t i m u n g des Oxydat ionswer tes der LBsung haben wir je 1 g KJ in 100 em3 wasscrfreier Ameisensaure in cinem Schliff-Erlcnmeyerkolben geliist. Zu dieser

s, Da13 Phosphorverbindungen eine solche Wirkiing haben konnen, haben H. JONAS u. H. STOHR am Cleichgewicht 2 Sc'l, + S,Cl, + C1, gezeigt; Naturforschung und Meclizin in Deutschland (1939-1946), Anorganische Chemie, im Druck.

lo) Andcrc Trockenmittel wie 2. B. CaCI, oder Na,SO, bewirken eine sofortige Zer- setzung der Losung innerhalb von wenigen Sekunden. Dabci handelt ea sich offenbar urn eine Oberfachenkatalyse. Wenn man versucht, die Lasungcn iiber Papierfiker, Por- zellan- oder Giasfritten zu filtrieren, so trit,t ebenfalls sofort Zcrsetzung ein.

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COEHRTNG u. W-IEBUSCH, Zpr Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefrls 231

Losung wurde eine gcwogene Menge der zu untersuchenden Plussigkeit gegeben und 5 Minu- ten larig stehen gelassen. Dann haben wir das Reaktionsgemisch mit 100 cm3 Wasser verdunnt und das ausgeschiedene Jod mit Thiosulfatlosung gemessen. Niedere Oxyde des Schwefels reagiereri hierbei' offenbar nach der Bruttogleichung

S,O + 2 H J + J , + H,O + x S , (4)

d, h. 1 mval ausgeschiedenes Jod entspricht '/, mg-atom Sauerstoff.

Die gelben Losungen sind bei -20" init P,O, einige Stunden lang haltbar. . In der Warme zerfallen sie; dabei ent'steht SO, und die Losung trubt sich. Wenn die Entwicklung von SO, fast beendet ist,, kl#rt sich die Flussigkeit wieder, und sie enthtilt dann nur noch in Chloroform ge- losten Schwefcl.

Um das entwickelte SO, quantitativ zu bestimmen, haben wir die frisch bereitete Losung in eine Schliffapparatur hineingcbracht, in der wir sie im '20,-Strom am Ruck- fluBkiihler kochen konnten. Die aus dem Kiihler entweiehenden Gase haben wir in eine mit n/10 Jodlosung beschickte Volhard-Vorlage geleitet. Urn Jodverluste zu Termeiden, war an diesevorlage noch eine zweite angeschlosseu, die eine gemessene Menge n/i 0 Thiosul- fatlosung enthielt. Nach etwa 1,s bis 2-stiindigem Kochen im langsamen C0,-Btrom war die Substanx vollig zu 80, und Bchwefel zersetzt. Wir entfcrnten die Vorlagen, ver- einigten ihren Inhalt und bestimmten den Jodverbrauch.

Es ergab sich, daIJ der, a'ls SO, entbundene Sauerstoff quantitativ dem nach G1. (4) bestimmten Sauerstoff entsprach. So haben wir z. R . aus einer Losung, die in 1000 g 5,2 mg-atom oxydierenden Sauerst'off enthielt, nach Sstundigem Erhit,zen 5,23 mg-atom Sauerstoff als SO, gefunden und aus einer Losung mit l3 ,9 mg-at'om oxydierend wirkendem Sauerstoff in 1000 g nach 2,5stundigem Erhitzen 13,7 mg-atom Sauer- stoff als SO,.

Der Schwefelgehalt der Losungen Uni den Schwefelgehalt der gelben Losungen zu bestimmen, haben wir einen gewo-

genen Teil der Liisung in 0,h n Katronlauge, der etwas Wasserstoffperoxyd zugesetzt war, eingegossen. Durch gclindes Erwarmen wurde die Losung zersetzt. Dann haben wir das Losungsmittel verdampft und die wasserige Schicht eingeengt. Der dabei ausgefallene Schwefel wurde durcli Erhitzen mit rauchender Salpetersaure in Sulfat iibergefuhrt . Die Salpetersaure muBte anschlieBcnd durch Abrauchen mit SahsLure verdrangt werden, und dann konnte das gebildete Sulfat in iiblicher Weise als BaSO, ausgefallt und bestimmt werden .

Tabelle 1 zeigt das Verhaltnis von Schwefel zu Sauerstoff (aus dem Oxydationswert bestimrnt) in unseren Losungen. Dieses Verhiiltnis schwankt etwas, entspricht aber etwa einer Zusammensetzung S : 0 wie 5 : l bis 8 : l .

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TLtbellc 1 Verhi i l tnis yon Schwcfcl- z u S a u e r s t o f f g e h a l t der Losungen

mg-atom StLuerstoj in 1000 g Losung

3,o %,9 2,3 l,G 199 7,s 3,G 4,3 3,3

_ _ _ ~

S : O ~ Bemerkungen

6,7:1 6,3 : 1 5,2:1 8,1 :1 6,s : 1 6,4:1 8,5: 1 3,9:1

11,O:l

&sung ist schwach getriibt G s u n g ist schwach getriibt klare Losung Lijsung fluoresziert stark

klare Liisung

f luoreszierend Losung is t stark triibe

Um die gelben Losungen we iter zu charakterisieren, haben wir

das Molekulargewicht

bestimmt. Dazu haben wir Tetrachlorkohlenstoff als Losungsmittel verwendet. Setzt man H,S mit SO, in diesem Losungsmittel urn, so beginnt die Flussigkeit sich schon relativ fruh zu truben. Das schadet aber nichts; denn wenn man die Losung durch P,O, stabilisiert, so setzt sich der Niederschlag vollstandig mit dem P,O, ab, so da13 man eine klare Losung erhalt. Wegen der Zersetzlichkeit der Losungen bei hoherer Temperatur kam zur Bestimmung des Molekulargewichtes nur die Metho- de der Gefrierpunktserniedrigung in Frage. Dieses Verfahren ist bei Tetrachlorkohlenstoff als Usungsmittel nicht sehr genau, da einerseits die Erstarrungstemperatur des reinen Losungsmittels leicht fnkonstant gefunden wirdll), und da andererseits die kryoskopische Konstante anscheinend nicht allgemein gultig festzulegen ist Wir bestimmten fiir das von uns verwendete Losungsmittel mit Schwefel als Eichsub- stanz die kryoskopische Konstante zu 31"/Mol und 1000 g Liisungs- mittel. Bei eiriem Schwefelgehalt von 16,94 mg-atom/1000 g Losung und einem Sauerstoffgehalt von 4,3 mg-atom/1000 g Losung fanden wjr eine Gefrierpunktserniedrigung von 0,053" ; das entspricht einem Gehalt von S : 0 im Molekul wie 9,8 : 2,5 und einem Molekulargewicht von rund 360.

11) W. BRULL, 2. Elektrochem. 38, 601 (1932); 40, 8 (1934); W. E. NIEWENHUS, Z. Elektrochem. 39, 727 (1933).

12) A. BECRMANN u. P. WAENTIQ, Z. anorg. allg. Chem. 67, 31 (1910); P. WAENTIG, Z. physik. Chem. 68, 547 (1910); M. GOMBERQ u. F. W. SULLIVAN, J. Amer. chem. SOC. 1922, 1821; BASRUR SANJIVA RAO, Proc. Ind. Acad. Sci. Sekt. A 10, 491 (1940).

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GOEEIRING u. U'IEBGSCH, Zur Kenntnis der niederen Oxyde dcs Schwefels 233

Uneere Versuche ergeben, da13 die gelben Losungen ein niederes Oxyd des Schwefels (oder - u-eniger wahrscheinlich - eine Schwefelsauer- stoffssure) enthslten, das ungef a h r die Zusammensetzung hat S,O, (n = 8-16) - oder anders geschrieben etwa (S,O),. Dieses l 'oly- schwefe loxyd ist offenbar zu den folgenden Reaktionen befiihigt

S,O, + 4 0 + 4 H' -t n S + 2 H,O (6) u nd SnOz --f (n - 1) S + SO,

Die U'msetzungen der Polyschwefeloxyde in wasseriger Losung Weitere Aufschlusse iiber die Natur dieser Schwefeloxyde sollten

sich nun ergeben, wenn man ihre Umsetzungen in wgsseriger Losung studierte. Insbesondere sollte sich zeigen, ob bei der Verseifung eine der bekannten niederen Schwefelsauerstoffsauren entsteht, also S(OH),, S,(OH),, H,SO, (die unsymmetrische Form der Sulfoxylsaure '3)) oder H2S,0,. Die Tatsache, da0 dss Polyschwefeloxyd auch in wasseriger L6sung zu Oxydationsleistungen befahigt ist, weist schon darauf hin, daIj man mit den stark reduzierend wirkenden Siiuren Sulfoxylsaure, H,SO,, urid dithioniger Saure, H,B,04, als primiiren Hydrolysenprodukten nicht zu rechnen hat ; dagegeri ware das Auftreten von.S(OH), oder von S2(OH), niit dieser Eigenschafk der Polyschwefeloxyde durchaus zu vereinharen. Zuni Nachweis von S(OH), und von S,(OH), sind geeignet die Umsetzun- gen init schwefliger %ure hzw. mit T'hioschwefelsaure. So erhalt man aus S(OH), mit H,Sb, - oder besser rnit HSO', - nach

S(OH), -1 2 HSO', -+ S,Oi + 2 H,O

S,(OH), + 2 H,SO, ->W,S,O, + 2 HZO,

( 7 )

( 8 )

Tri thi~nsaurel~) , aus S,(OH), ganz analog Tetrathionsti~rel~) :

und in rieutraler oder alkalischer Losung durch ,,Sulfitabbau" der Te- trathionsiiure aquivalente Merigen von Trithionat und von Thiosulfat :

S,O; + HSOH + S,Oi + S,O[ -+ H'. (9)

Wenn wir also unser Polyschwefeloxyd mit iiherschussiger schwefliger XBure bei verschiedenen p,-Werten umsetzten, so sollten sich aus Art und Nenge der gebildeten Reaktionsprodukte Schlusse auf die primar gebildeten Schwefelsauerstoffsauren ziehen lassen.

n) M. GOEHRING, Z. anorg. Chem. 253, 313 (1947). 14) M. GOEHRING, Z . anorg. Chem. 263, 304 (1947); M. COEHRING U. H. STAMM,

15) H. STAMM u. M. GOEHRING, Z. ~ L I ,rg. allg. Chem. 142, 418 (1939). Z. anorg. allg. Chem. 250, 58 (1942).

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234 Zeitsehrift fur anorganische Chemic. Band 257. 1948

Zur Durchfiihrung solcher Versuche haben wir die gelben Losungen nach den1 oben beschriebenen Verfahren dargestellt. Das nicht umgesetzte H,S und SO, wurde hier aber niclit durch Absaugen entfernt. Wir haben vielmehr noch 1 Stunde lang mit eincr Stro- mungsgeschwindigkeit von 80 bis 90 mmol-Stunde SO, in die Pliissigkeit, cingeitet und dann die Liisung 1 Stundc lang bei -15" sicli selbst uberlassen. Wahrend dieser Zeit setzt sich das anfanglich in der Flussigkcit noch nachweisbare H,S mit den1 grol3en SO,- UberschuD um; nach dieser Zeit i s t daher H,S im Gasraum nicht rnehr nachzuweisen. Gemessene Teile der,so vorbcreiteten LBsung wurden auf mehrere Schuttelflaschen ver- teilt; in dencn sich jeweils 105 om3 Wasser bzw. Natronlauge bestirnmter Konzentra,tion befanden. Die Fliissigkeitsschichten wurden gi l t durchgemischt. Direlrt anschlieljend analysierten wir die rvlsserige Schicht nach den Methoden uon KURTEx.4cKER16) und be- stimmten die H'-Konzentration durch Titration gcgcn Bromphenolblau als Indikator. Die Susgangskonzentration an S,O, konnte h i diesen Versuchen natiirlich nicht ermit,telt werden, da das iiberschiissige SO, eine Bestinimung des Oxydationswertes unnioglich macht .

Das Ergebnis der Versuche zeigt Tabelle 2. Bei der Umsetzung ist in stark saurer Losung ziemlich vie1 Pentathionsaure entstanden ; mit steigendem pR tritt an St'elle von S501;' in wachsendern MaOe S,Oi auf, das in der Nahe des Neutralpunktes von S,OL abgelost, wird. AuWer- dem firidet man rnit abnehmender H'-Konzentration wachsende Mengen von Thiosulfat. Die Versuche zeigen: dalJ eine Reaktion nach G1. (7) vermutlich riicht stattgefunden hat, wenn man nicht annehmen will, daO der in der Losung vorhandene Schwefel sofort mit nach (7) ent- standenem S,Ol,' in saurer Losung zu hiiheren Polythionaten weiterrea- giert hat. Vie1 wahrscheinlicher ist, eine Reaktion uber S,(OH), als Zwischenprodukt m c h (8).

Tabelle 2

Umsetzung e iner Polyschw-efeloxydlosung m i t schwefl iger Saure bei verschiedener S a u r e k o n z e n t r a t i o n

__.______ ~ - - ~

1 Anpewandt Gefunden mrnol in 105 en13 l gLosung H' 1 O H ' / SO;'

31,4 1 21,7

_ .

I 236 I

j 231 ' 23,o 1 I 25,9 234 ' 16,3 I I C6,l 227 ' 1,9 I i 107

44,i 1 10117) I , 229 1 -

8.5 , 0,o j 0,o

l 6 ) A. KURTENACKER, Analytische Chemie der Sauerstoffsiiuren des Gchwefels.

17) Diese Zahlen sind durchweg sehr ungenau, da beim Schiitkln der aauren Liisung Stuttgart 1938.

ein grol3er Teil des SO, entw-eicht.

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GOEHRING u. WIEBUSCH, Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Sehwefels 235

Die Bildung von S,Or in stark saurer Losung kanri man sich viellcicht als eine Folge der Umsetzung von S,OL' mit l'hioschwefelsaurc denkenla)

S40y + S,Oi' -+ 2 H' + S,Oy f H,SO,. (10) Vielleicht ist auch der Schwefel in statu nascendi, der aus dern Polyschwefeloxyd frei wird, befiihigt, S,O;' direkt sehr rasch zu S,OA' aufzuschwefeln, oder vielleicht mu0 man auch an eine Reaktion eines hoheren Polysrhwefeloxydes denken, etwa in dem Sinne:

(11)

(12)

Benierkenswert an den Versuchen der Tabelle 2 scheint uns zu sein, darJ man ganz analoge Reaktionsprodukte findet. wenn man uberschiissige schweflige SIuIe mit Schwefelwasserstoff in wasseriger Liisung rea- gieren laat, und diese Analogie bleibt auch bestehen, wenn man bei ver- schiedenen p,-Werten arbeitet (vgl. Tabelle 3). Diese Erscheinung kann doch wohl nichts anderes bedeuten, als daG die Reaktion des Poly- schwefeloxyds mit schwefliger Saure uber das gleiche Zwischenprodukt verlauft, wie die Reaktion von Schwefelwasserstoff mit schwefliger Saure in Wasser.

S,O + H,O s S,(OH),

S,(OH), + 2 H,SO, -tH,S,O, + 2 H,O.

Tabelle 319)

Umsetzung zwischen Schwefelwassers toff u n d schwefl iger S a u r e im Mol- v e r h a l t n i s e t w a 1 : 3 i n wasser igcr Losung. (300 em3 Losung)

s,o;' 050 5,G 53 9 4

10,3 12,B 13,6

Bei unsern Versuclien fiillt weiter auf darJ imrner verhCltnismLI3ig vie1 Thioschwefelsaure suftritt, uad es ist die Frage, wie man sich das

la) Vgl. H. STAMM, 0. SEIPOLD u. M. GOEHRING, 2. anorg. allg. Chem. 247,277 (1941). Such bei Umsetzungen von direktcn Derivaten der thioschwefligen Saure mit H,S03 ent- steht in st.ark saurer Losung H,S,O,; vgl. z. B. M. GOEHKINC u. H. STAMM 1. e .

l9) Diese Tabelle ist mit Erlaubnis von Herrn Prof. Dr. €1. STAMM der Dissertation von W. NAGERS, Halle 1940, entnominen worden.

2") Bei diesen Versuchen wurde, im Gegensatz zii den Versuchen der Tabelle 2 der p,-Wert wshrend des ganzen Versuches koristant gehalten. Sulfit-, Sulfidlosung und eine der OH'-Konz. dieser Liisungen entsprediende Menge Saure wurden wiihrend der ange- gebenen Zeit untcr Ruhren in eine vorgelegte Pufferlosung eingetropft,.

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Entstehen von S,Oy zu denken hat. Ein Teil der Thioschwefelsaure entsteht sicherlich durch Sulfitabbau von hohereril Polythionat etwa nach GI. (9), ein weiterer Teil sollte sich aus dem in statu nascendi be- sonders reaktionsfahigen Schwefel des Polyschwefeloxyds und schwef- liger Siure bilden konnen :

S + HSO; + S,Oy + H’. (13)

Wenn diese Xnschauung richtig ist, dann muljte die Ausbeute an Thio- sulfat groWer werden, wenn man in neutraler Losung arbeitete. und wenn man einen moglichst grogen UberschuB an HSO; verwendete.

Wjr haben uriseIe sorgfaltig von den Ausgangsgasen, H2S und SO,, befreite Polyschwefeloxydlosung mit Bisulf itlosung bestinmiter Konzen- tration umgesetzt und erhielten dabei das in Tabelle 4 zusammenge- stellte Ergebnis.

Umsetzung von PolyschwefeloxZ.dldsuri~ m i t Bisu l f i t losung (150 cm3 w-asse- r ige Schicht) . (Alle Angabcn bezogen a u f 1000 p Rusgangs ldsung. ) pII 4,5

Tabelle 4

Angewandt in 1000 gLOsurig I Poly schwefeloxyd

mg-atom O 1 mg-atom S , - ~~

I 3,1 24,9 i

30,3 P,0 12.2

16,l I 1 9 6 :

Wie bereits nach den Versuchen der Tabelle 2 zu erwarten war, treten bei dieser Umsetzung in neutraler Liisung neben Schwefel nur S,O: und S z O i als Reaktionsprodukte airf. Dabei ist das Verhiiltnis von Thiosulfatausbeute zu Trithionatausbeute von der Ausgangskonzentration an Bisulfit abhangig. Aber es ist nicht so, daC das VerhaJtnis [S,O’,’]: [S,OI] init wachsendem HSOi-UberschuW ansteigt , wie nian das doch erwarten sollte, wenn fur das Entstehen von S 2 0 i nur G1. (9) und (13) verantwortlich w&ren ; das Verhaltnis [S,O’,’] : [S,O:] sinkt vielrnehr mit steigendem [HSO;]: [S,O]. Das ist uriserer Ansicht nach so zu deuten, daI; ein Teil des’l~hiosulfates direkt aus dem S,O entstehen Bann :

2 S,O -+ H20 --f S20i +- 2 H’ + (2 x - 2) S. (14) *I) Wir uberzeugten uns durch Blindversuche davon, da8 in Chloroform gelijstes

S, unter unseren Ticrsuchsbedingungen nur wesentlich kleinere Xengen an SzOi’ mit HSO; bzw. H,SO, liefert.

Page 11: Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

GOEHRING u. WIEBUSCH, ZuFKenntnis der riietleren Oxyde des Schwefels 237

Dabei mag dahingestellt sein, auf welchem Wege diese Umsetzung stattfindet. Viclleicht ist auch hier &(OH), das erste Hydrolysenprodukt, das dann in brkannter WeiseZ2) weiterreagieren kann :

S,(OH), + S(OH), + S (15)

(16)

Die Geschwindigkeit der Kondensationsreaktion (8) ist olfenbar zu klcin, um nicht von der sehr raschen Reaktion (14) bzw. (15) inid (16) uberlagert, zu werden. Wir suchten danach, eine Reaktion zu finden, die so rasch verlguft, da13 man die primzr entstehende Schwefelsauerstoff- siiure abfarigen kann, ohne dalJ sich die Substanz anderweitig unzwandelt. Wir wissen, da,J3 die Tjmsetzung zwischen H,S,03 und &OH), bzw.

2 S(OH), + 2 OH' --f S,Oy f 3 H,O.

besonders schnell verlauft :

S(OH), +- 2 H,S,O, +€12S,06 + 2 H,O

S,(OH), + 2 H2S203 +H,S,O, + 2 H,O ,

(15)

(16)

und zwar so schnell, daG, Venn aquivalente Mengen der Reaktions- partner verwcndet werden, sich keine der €ur sicli sehr unbestgndigen Schwefelsauerstoffsiiuren in wasseriger Lijsung zersetzen kann, ohne a'n der Reaktion teilgenommen zu liaben ,,).

Bei diesen Versuchen haben wir eine Polyschwefeloxydlosung sorgfaltig vom iiber- schussigerl H,S und SO, befreit. I n einer kleinen Probe dieser Lasung bestimmten wir den Oxydationswert . Danach berechrieten wir, wieriel H,S,O, ungefahr notwendig war, um einen vollstandigen Umsatz nach (15) oder (16) zu erzielen. Die so ermittelte Nenge an 0,l n-Thiosulfatliisung wurde auf 0" abgekiihlt,, mit einer bestimmten Menge 1 n-Salz- saure von 0" versetzt und sofort in einem Scheidetrichter mit der Chloroformlosung gut durchgeschiittelt,. Kach 30 his 40 Sekunden ist die Chloroformschicht entfarbt. Wir haben dann sofort etwa 50 mg Zirkonnitrat zugesetzt, um die grof3e Menge kolloidalen Schwefels, der bei dieser Umsetzung entsteht, auszufiillen. Wir trennten nun die bdden Schichten und filtrierten voni ausgeflockten Schwefel ab. Wir analysierten die %sung nach dem von KURTENACKER und CZERNOTZKY 24) abgeanderten Verfahren von -4. KUR- TENACKER. Es macht sich dabei storend bemerkbar, da13 sich die klare wasserige Losung schnell wieder von erneut ausfallendem Schwefel trubt.

Wir fanden bei der Umsetzung von Polyschwefeloxyd (4,7 mmol S,O) mit 10 mmol S,O: und 50 mval H' als einziges Reaktionsprodukt 4,7 mmol hohere Polythionsiiure, S,Oy, init einein mittleren Schwefel-

22) 9. MEUWSEN u. H . GEBHARDT, Ber. dtsch. chem. Ges. 68, 1011 (1935); vgl. a. M. GOEHHINC, W. HELBING u. I. APPEL, Z. anorg. Chem. 264, 195 (1947).

23) H. STANM, W. W. MAGERS u. hl. GOEHRINC, Z. anorg. allg. Chem. 244, 184 (1940); X. COEHXING u. H. STA>lM, z. anorg. allg. Chem. 2.50, 56 (1942); M. GOEHRIYC,

X. anorg. Chem. 253, 304 (1947); M. GOEHRINC u. U. FELDNANN, 2. anorg. Chem. 267,

z4) 9. KCRTENACXB, u. A. CZERNOTZKY, 2. anorg. allg. Chem. 178, 2334 (1928). "3 (1948).

Page 12: Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

238 Zeitschrift fur anorganische Chemie. Band 257. 1948

gehalt n = 5,7. Und bei der entsprechenden Umsetzung von 2,6 mmol S,O mit 10 minol S 0" und 60 inval H' fanden wir neben 2,02 inmol nicht umgesetztem R 2 0 3 1.62 mmol H,SO, und 2.61 rnmol S,Oy mit einem Schwefelgehalt~ n = 5,3 . Diese Versuche zeigen, da13 aus dem Polyschwefeloxyd so viele Mole Polythionat entstehen, wie das zu er- warten ist, wenn man vollstgndige Hydrolpse zu S(OH), oder S,(OH), annimmt und weitere Renktion nach (15) oder (16). D. h. auf jedes Sauerstoffatom des Schwefeloxyds entsteht ein Molekul Polythionat. Es lafit sich aber nicht entscheiden, welche der niederen Schwefelsauer- stoffsauren als erstes Hydrolysenprodukt gebildet wird. Die Tatsache, daW wir nicht reiries S,Oi fanden, sondern daneben immer noch S,Oi, I#& vermuten, daD vielleiclit neben S,(OH\, auch S(OH), gebildet wird. Es ist auch denkbar, und das qualitative Erscheinungsbild legt es nahe - Schwefelausscheidung aim der sauien Liisung -, daC neben H2S,0, und H,S,06 intermediiir noch schwefelreichere Polythionate auf- treten, die iiur vor der Analyse bereits wieder in Schwefel und H2S,06 oder H,S,O, zerfallen sind. Solche hoheren Polythionate kiinnten aus Tri- oder Tetraschwefelhydroxyden gebildet werden, z. 3.

Wir halten es &her fur wahrscheiulich, daiJ sich bei der Hydrolyse der Polyschu~efeloxyde S(OH),, S,(OH),, S3(OH), usw. bilden, die im Gleich- gewicht miteinander stehenZ5).

Mit diesem Befund sind auch die Ergebnisse der Vemeifung mit Alkalilauge zu vereinbaren; hierbei erhiilt man niimlich S", SOY und S,Oi, also Stoffe, wie sie auch bei der alkalischen Verseifung von Deri- vaten von S,(OH), oder S(OH), entstehenZ6).

3,f

SJOH), + 2 H2S,03 4H2S,O6 + 2 H20. (18)

Polyschwefeloxydlosungen, die durch unvollstandige Verbrennung des Schwefels erhalten wurdenZ7)

Polyschwefeloxyde sirid nun bereits seit langerer Zeit bekannt. So hat P . W. SCHENK,~) bei der unvollstandigen Verbrennung des Schwefels

25} Auf die Existenz eritsprechender Gleichgewichte im System Schwefel-Chlor hat M. TRACTZ, 2. Elektrochem. 35, 110 (1929), hingerviesen.

26) Die Verscifung mit Alkalilauge ist ein Vorgang, der sich zweifellos aus einer ganzen Reihe von Teilreaktionen zusammcnsetzt. Aus ihrem qualitativeri und quantita- tiven Ergebnis alleiri Schlusse auf das primar vorhandene Schwefeloxyd zu zichen, wie das z. B. B. 8. RAO, 1. c . , getan hat, erscheint uns zu gewagt.

27) Die diesem Abschnitt zugrunde licgenden Versuche uber die uni~ollstandige Verbrennung des Schwefels sind der Diplomarbeit von K. D. WIEBUSCH, Halle 1945, die unter Leitung von Prof. Dr. H. STATN ausgefuhrt wurde, entriommen.

28) P. W. SCHENK, z. anorg. allg. Chem. 220, 268 (1934); 248, 297 (1941); zusammen- fassende Darstcllung: P. W. SCHENK, Chem.-Ztg. 67, 251 (1943).

Page 13: Zur Kenntnis der niederen Oxyde des Schwefels

GOEHRING u. WIEBTJSOH, Zur Kenntnis dcr nideren Oxyde des Schwefels 239

niedriger aber in der glei- Gefunden S: 0' Gefunden S :O G~ 6Genordnung wie Jn mg-atom , im Molekul

3,9:1 10,5:2,7 bei unseren Liisungen aus H,S und SO,, und das 5,6:1 5,6: 1,0 gleiche gilt fur das Ver- 2,5:1 7,3 : 2,8 haltnis S : 0 im Molekiil. 2,9:1 6,3:2,2

2,2 : 1 7,9:3,6 Auch in ihrem Verhalten I ~~

unter vermindertem Druck ein Schwefeloxyd erhalten, das als ein in nicht reversibler Polymerisation befindlicher Stof anzusehen ist, der wahrend der Polymerisation bereits teilweise zu srhwefelreicheren Oxyden - Polyschwefeloxyden - abgebaut wird. Leitet man diese Gase nach BASRUR SANJIVA RAO 29) in geliuhlten Schwefelkohlenstoff, in Chloro- form oder in Tetrachlorkohlenstoff ein, so erhalt man gelb bis orange1 ot gefarbte Losungen. Diese Losungen, die sich von mitgelosteni SO, durch Durchleiten von reinem Stickstoff lejcht befr eien lassen, wurden mit den aus H,S und SO, erhaltenen Polyschwefeloxydliisungen ver- glichen.

Dem aul3eien Augenschein nach sehen die Losungen, vor allem was die Farbe betrifft, sehr Bhiilich am. T&siichlich ist auch das Absorp- tionsspektruin wahrscheinlich identiach. Die langwellige Kante des Absorptionsspektrumk liegt etwa bei 4700 a. Die Lsge der langwelligen Absorptionskante ist in geringem Mace linear abhangig vom Gehalt der Losungen an Polyschwefeloxgd. Die Absorption der Losungen gehorcht dem BEExschen Gesetz.

Gegen Jodwasserstoff in Wasser oder in Ameisensaure gdost ver- halten sich die Stoffe ganz analog denen, die wir aus H,O und SO, er- hielten30) (Reaktion 5). Ebenso wie die aus H,S und SO, dargestellten Losungen zersetzen sich die Losungen nach BASRUR SANJIVA RAO in der Kihte langsam, beim Erhitzen schneller in Schwefel und SO, (Reak- tion 6 ) 31). Das Molekulargewicht der Polyschwefeloxydlosungen schwsnkt

mittleres Molekulargewicht

380 210 280 240 310

-

Tabelle 5 etwas, wie Tabelle 5 ~ e i g t ~ ~ ) ; es liegt etwas ~~ , I

29) BASRCR SANJIVA RAO, Current Sci. 4,406 (1935); Proc. Ind. Acad. Sci. Sekt. A 10

30) H. STAMM u. K. D. WIEBCSCH, Naturwiss. 32, 42 (1944). 31) BASROR SANJIVA RAO, Proc. ind. Acad. Sci. Sekt. A 10,491 (1940); P. W. SCHBNK,

2. anorg. allg. Chem. 248, 297 (1941); H. STAMM u. K. D. WIEBUSCH fanden, da5 die Geschwindigkeit dieser Zcrsetzungsreaktion dem Cesetz einer Reaktion 1. Ordnung folgt .

a2) Die hier sngefuhrten Molekulargcwichte stimmen hinreichend iiberein mit den yon R. S. RAO, 1. c., gcfundenen; sie sind niedriger als die von P. W. SCHENK, Z. anorg. allg. Chem. 248, 297 (1941), angegebenen.

2. anom. Chemie. Bd. 257.

491 (1940).

17

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240 Zeitschrift fur anorganische Chemie. Band 257. 1948

gegen Wasser bzw. Alkali erscheinen die Losungen ganz analog, und bei der Verseifung in Gegeiiwart von iiberschussiger schwefliger Saure erhalt inan S,Oy, S,Oi und S,Oy, wiihrend nlit HSOH S,O: uiid S,O: auftritt. Leider waren die Losungen zu wenig konzentriert, um eine exalite quantitative Bestirnniung des Thiosulfates und der Polythionate durchfuhren zu konnen ; im qual i t a t i v en V er h a I t en gleichen Polyschwefeloxydliisungen verschiedener Herkunft sich vollig.

Feste Polyschwefelo xyde Da13 sich feste schwefelreiche Polyschwefeloxyde bei der unvoll-

standigenverbrennung des Schwefels bilden konnen, ist aus den Arbeiten von P. W. SCHENK bekannt. Aus H,S und SO, erhalt man derartige feste Polyschwefeloxyde, wenn man in die oben erwkhnten organischen Lo- sungsmittel bei Zimmertemperatur (oder auch bei etwas erhohter Teni- peratur) so vie1 H,S und SO, einleitet, daI3 sich feste gelbe Produkte ab- scheiden. Durch Evalruieren bei Zimmertemperatur kann man aus diesen Stoffen das anhaftende H,S und SO, entfernen. Auch dann noch ent- halt der Stoff aber Sauerstoff, den er - besonders leicht beiin Erhitzeri - langsarn als SO, abgibt. Mit Jodwasserstoff reagieren auch die festen Produkte noch unter Jodausscheiduiig. Wie bereits SARASON gezeigt hat, geben diese Stoffe mit Wasser Losungen von kolloidalem Schm efel, und das ist ohne weiteres verstandlich, wenn man bedenkt, daLl bei der Verseifung von Polyschwefeloxyd ja Thiosulfat entsteht, das seiner- seits mit Polyschwefeloxyd hoheres Polythionat zu liefern vermag. Schwefelreiche Polythionsiiuren sind aber neben Sp die wesentlichen Bestandteile der Micelle des lyophilen Schwefelsols 33).

as) Vg1. z. R. E. 0. K. VERSTRARTE, Kolloid-2. 102, 251 (1943).

Heidelberg, Chemisches Institut der Universitat.

(Bei der Reaktion eingegangen am 31. August 1948.)