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Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 1

Zur Kritik der Politischen Oekonomie - MarktendeNews Buecher/Marx/PDF... · Karl Marx Zur Kritik der Politischen Ökonomie 1 1859 Foto 1861 1 Quelle: Marx-Engels-Werke, Band 13, Seite

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  • Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 1

  • Karl Marx Zur Kritik der

    Politischen Ökonomie 1 1859

    Foto 1861

    1 Quelle: Marx-Engels-Werke, Band 13, Seite 7 bis 11, Dietz Verlag Berlin, 1972.Erstveröffentlicht Januar 1859 bei Franz Duncker, Berlin.

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  • Vorwort 4Erstes Buch: Vom Kapital 11

    Abschnitt I: Das Kapital im Allgemeinen 11Erstes Kapitel: Die Ware 11 A. Historisches zur Analyse der Waren 40Zweites Kapitel: Das Geld oder die einfache Zirkulation 55

    Theorien von der Maßeinheit des Geldes 71Zirkulationsmittel 86 . Die Metamorphose der Waren 86 a. Der Umauf des Geldes 98 b. Die Münze. Die Wertzeichen 109 Geld 128 a. Schatzbildung 131 b. Zahlungsmittel 145 c. Weltgeld 158 Die edlen Metalle 163 Theorien über Zirkulationsmittel und Geld 168

    Einleitung von 1857 202Produktion, Konsumtion, Distribution, Austausch 203 (Zirkulation)1. Produktion 2032. Das allgemeine Verhältnis der Produktion zu Distribution, Austausch, Konsumtion 2103. Produktion und Konsumtion 2124. Produktion und Distribution 2175. Austausch endlich und Zirkulation 223Die Methode der politischen Ökonomie 225 Produktion. Produktionsmittelä undProduktionsverhältnisse. Produktionsverhältnisse und Verkehrs verhältnisse. Staats- und Bewußseinsformen im Verhältnis zu den Produktions- und Verkehrverhältnissen. Rechtsverhältnisse. FamilienverhältnisseDie meisten Bilder von Wiki 2018Geschrieben August 1858 bis Januar 1859.Erschienen 1859 bei Franz Duncker, Berlin.

    Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 3

  • VorwortIch betrachte das System der bürgerlichen Ökonomie in dieser

    Reihenfolge: Kapital, Grundeigentum, Lohnarbeit; Staat,auswärtiger Handel, Weltmarkt. Unter den drei ersten Rubrikenuntersuche ich die ökonomischen Lebensbedingungen der dreigroßen Klassen, worin die moderne bürgerliche Gesellschaftzerfällt; der Zusammenhang der drei andern Rubriken springt in dieAugen. Die erste Abteilung des ersten Buchs, das vom Kapitalhandelt, besteht aus folgenden Kapiteln: 1. die Ware; 2. das Geldoder die einfache Zirkulation; 3. das Kapital im Allgemeinen.

    Die zwei ersten Kapitel bilden den Inhalt des vorliegendenHeftes. Das Gesamtmaterial liegt vor mir in der Form vonMonographien, die in weit auseinander liegenden Perioden zueigner Selbstverständigung, nicht für den Druck niedergeschriebenwurden, und deren zusammenhängende Verarbeitung nach demangegebenen Plan von äußern Umständen abhängen wird.

    Eine allgemeine Einleitung, die ich hingeworfen hatte,unterdrücke ich, weil mir bei näherem Nachdenken jedeVorwegnahme erst zu beweisender Resultate störend scheint, undder Leser, der mir überhaupt folgen will, sich entschließen muss,von dem einzelnen zum allgemeinen aufzusteigen. EinigeAndeutungen über den Gang meiner eignen politisch-ökonomischen Studien mögen dagegen hier am Platz scheinen.

    Mein Fachstudium war das der Jurisprudenz, die ich jedoch nurals untergeordnete Disziplin neben Philosophie und Geschichtebetrieb. Im Jahr 1842/43, als Redakteur der "Rheinischen Zeitung",kam ich zuerst in die Verlegenheit, über sogenannte materielleInteressen mitsprechen zu müssen. Die Verhandlungen desRheinischen Landtags über Holzdiebstahl und Parzellierung desGrundeigentums, die amtliche Polemik, die Herr von Schaper,damals Oberpräsident der Rheinprovinz, mit der "RheinischenZeitung" über die Zustände der Moselbauern eröffnete, Debattenendlich über Freihandel und Schutzzoll, gaben die ersten Anlässezu meiner Beschäftigung mit ökonomischen Fragen. Andererseits

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  • hatte zu jener Zeit, wo der gute Wille "weiterzugehen"Sachkenntnis vielfach aufwog, ein schwach philosophisch gefärbtesEcho des französichen Sozialismus und Kommunismus sich in der"Rheinischen Zeitung" hörbar gemacht. Ich erklärte mich gegendiese Stümperei, gestand aber zugleich in einer Kontroverse mit der"Allgemeinen Augsburger Zeitung" rundheraus, dass meinebisherigen Studien mir nicht erlaubten, irgendein Urteil über denInhalt der französischen Richtungen selbst zu wagen. Ich ergriffvielmehr begierig die Illusion der Geranten der "RheinischenZeitung", die durch schwächere Haltung des Blattes das über esgefällte Todesurteil rückgängig machen zu können glaubten, ummich von der öffentlichen Bühne in die Studierstubezurückzuziehen.

    Die erste Arbeit, unternommen zur Lösung der Zweifel, die michbestürmten, war eine kritische Revision der HegelschenRechtsphilosophie, eine Arbeit, wovon die Einleitung in den 1844in Paris herausgegebenen "Deutsch-Französichen Jahrbüchern"erschien. Meine Untersuchung mündete in dem Ergebnis, dassRechtsverhältnisse wie Staatsformen weder aus sich selbst zubegreifen sind noch aus der sogenannten allgemeinen Entwicklungdes menschlichen Geistes, sondern vielmehr in den materiellenLebensverhältnissen wurzeln, deren Gesamtheit Hegel, nach demVorgang der Engländer und Franzosen des 18. Jahrhunderts, unterdem Namen "bürgerliche Gesellschaft" zusammenfasst, dass aberdie Anatomie der bürgerlichen Gesellschaft in der politischenÖkonomie zu suchen sei. Die Erforschung der letztern, die ich inParis begann, setzte ich fort zu Brüssel, wohin ich infolge einesAusweisungsbefehls des Herrn Guizot übergewandert war. Dasallgemeine Resultat, das sich mir ergab und, einmal gewonnen,meinen Studien zum Leitfaden diente, kann kurz so formuliertwerden: In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehendie Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willenunabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einerbestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfteentsprechen.

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  • Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet dieökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sichein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcherbestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. DieProduktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen,politischen und geistigen Lebensprozess überhaupt. Es ist nicht dasBewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihrgesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.

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  • Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiel-len Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit denvorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristi-scher Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, inner-halb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus den Entwicklungs-formen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesselnderselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revo-lution ein.Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich derganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In derBetrachtung solcher Umwälzungen muss man stets unterscheidenzwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatie-renden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungenund den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oderphilosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich dieMenschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten.Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, wases sich selbst dünkt, ebensowenig kann man eine solcheUmwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondernmuss vielmehr dies Bewusstsein aus den Widersprüchen desmateriellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen dengesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen

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  • erklären. Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alleProduktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neuehöhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor diemateriellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der altenGesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.

    Daßher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sielösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, dass dieAufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungenihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihresWerdens begriffen sind. In großen Umrissen können asiatische,antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen alsprogressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformationbezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sinddie letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktions-prozesses, antagonistisch nicht im Sinne von individuellemAntagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichenLebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonis-mus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sichentwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellenBedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieserGesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte dermenschlichen Gesellschaft ab.

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  • Friedrich Engels, mit dem ich seit dem Erscheinen seiner genialenSkizze zur Kritik der ökonomischen Kategorien (in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern") [Marx-Engels-Werke Band 1, Seite499 ff, "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie"] einensteten schriftlichen Ideenaustausch unterhielt, war auf andermWege (vergleiche seine "Lage der arbeitenden Klasse in England")[Marx-Engels-Werke, Band 2, Seite 225 ff] mit mir zu demselbenResultat gelangt, und als er sich im Frühling 1845 ebenfalls inBrüssel niederließ, beschlossen wir, den Gegensatz unsrer Ansichtgegen die ideologische der deutschen Philosophie gemeinschaftlichauszuarbeiten, in der Tat mit unserm ehemaligen philosophischenGewissen abzurechnen. Der Vorsatz ward ausgeführt in der Formeiner Kritik der nachhegelschen Philosophie. Das Manuskript ["Diedeutsche Ideologie", Marx-Engels-Werke, Band 3, Seite 9 ff], zweistarke Oktavbände, war längst an seinem Verlagsort in Westphalenangelangt, als wir die Nachricht erhielten, dass veränderte Umstän-de den Druck nicht erlaubten. Wir überließen das Manuskript dernagenden Kritik der Mäuse umso williger, als wir unsernHauptzweck erreicht hatten - Selbstverständigung. Von denzerstreuten Arbeiten, worin wir damals nach der einen oder andernSeite hin unsere Ansicht dem Publikum vorlegten, erwähne ich nurdas von Engels und mir gemeinschaftlich verfasste "Manifest derKommunistischen Partei" und einen von mir veröffentlichten"Discours sur le libre échange" ["Rede über den Freihandel", Marx-Engels-Werke, Band 4, Seite 444 ff]. Die entscheidenden Punkteunsrer Ansicht wurden zuerst wissenschaftlich, wenn auch nurpolemisch, angedeutet in meiner 1847 herausgegebenen und gegenProudhon gerichteten Schrift "Misère de la philosophie etc." ["DasElend der Philosophie", Marx-Engels-Werke, Band 4, Seite 63 ff].Eine deutsch geschriebene Abhandlung über die "Lohnarbeit"["Lohnarbeit und Kapital", Marx-Engels-Werke Band 6, Seite 397ff], worin ich meine über diesen Gegenstand im BrüsselerDeutschen Arbeiterverein gehaltenen Vorträge zusammenflocht,wurde im Druck unterbrochen durch die Februarrevolution undmeine infolge derselben stattfindende gewaltsame Entfernung ausBelgien.

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  • Die Herausgabe der "Neuen Rheinischen Zeitung" 1848 und 1849und die später erfolgten Erkenntnisse unterbrachen meineökonomischen Studien, die erst im Jahr 1850 in London wiederaufgenommen werden konnten. Das ungeheure Material fürGeschichte der politischen Ökonomie, das im British Museumaufgehäuft ist, der günstige Standpunkt, den London für dieBeobachtung der bürgerlichen Gesellschaft gewährt, endlich dasneue Entwicklungsstadium, worin letztere mit der Entdeckung deskalifornischen und australischen Goldes einzutreten schien,bestimmten mich, ganz von vorn wieder anzufangen und michdurch das neue Material kritisch durchzuarbeiten.

    Diese Studien führten teils von selbst in scheinbar ganzabliegende Disziplinen, in denen ich kürzer oder länger verweilenmusste. Namentlich aber wurde die mir zu Gebot stehende Zeitgeschmälert durch die gebieterische Notwendigkeit einerErwerbstätigkeit. Meine nun achtjährige Mitarbeit an der erstenenglisch-amerikanischen Zeitung, der "New-York Tribune",machte, da ich mit eigentlicher Zeitungskorrespondenz mich nurausnahmsweise befasse, eine außerordentliche Zersplitterung derStudien nötig. Indes bildeten Artikel über auffallende ökonomischeEreignisse in England und auf dem Kontinent einen so bedeutendenTeil meiner Beiträge, dass ich genötigt ward, mich mit praktischenDetails vertraut zu machen, die außerhalb des Bereichs dereigentlichen Wissenschaft der politischen Ökonomie liegen. DieseSkizze über den Gang meiner Studien im Gebiet der politischenÖkonomie soll nur beweisen, dass meine Ansichten, wie man sieimmer beurteilen mag und wie wenig sie mit den interessiertenVorurteilen der herrschenden Klassen übereinstimmen, dasErgebnis gewissenhafter und langjähriger Forschung sind. Bei demEingang in die Wissenschaft aber, wie beim Eingang in die Hölle,muss die Forderung gestellt werden: Qui si convien lasciare ognisospetto, Ogni viltà convien che qui sia morta.2 London, im Januar1859

    2 Hier musst Du allen Zweifelmut ertöten, Hier ziemt sich keine Zagheitfürderhin; aus: Dante: "Göttliche Komödie"

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  • ERSTES BUCH: Vom Kapital

    ABSCHNITT I: Das Kapital im allgemeinenERSTES KAPITEL Die Ware

    Auf den ersten Blick erscheint der bürgerliche Reichtum als eineungeheure Warensammlung, die einzelne Ware als seinelementarisches Dasein. Jede Ware aber stellt sich dar unter demdoppelten Gesichtspunkt von Gebrauchswert und Tauschwert.3

    Die Ware ist zunächst, in der Sprachweise der englischenÖkonomen, "irgend ein Ding, notwendig, nützlich, oder angenehmfür das Leben", Gegenstand menschlicher Bedürfnisse,Lebensmittel im weitesten Sinne des Wortes. Dieses Dasein derWare als Gebrauchswert und ihre natürliche handgreiflicheExistenz fallen zusammen. Weizen z.B. ist ein besondererGebrauchswert im Unterschied von den GebrauchswertenBaumwolle, Glas, Papier usw. Der Gebrauchswert hat nur Wert fürden Gebrauch und verwirklicht sich nur im Prozess derKonsumtion. Derselbe Gebrauchswert kann verschieden vernutztwerden. Die Summe seiner möglichen Nutzanwendungen jedoch istzusammengefasst in seinem Dasein als Ding mit bestimmtenEigenschaften. Er ist ferner nicht nur qualitativ, sondern auchquantitativ bestimmt. Ihrer natürlichen Eigentümlichkeit gemäßbesitzen verschiedene Gebrauchswerte verschiedene Maße, z.B.Scheffel Weizen, Buch Papier, Elle Leinwand usw.

    Welches immer die gesellschaftliche Form des Reichtums sei,Gebrauchswerte bilden stets seinen gegen diese Form zunächstgleichgültigen Inhalt. Man schmeckt dem Weizen nicht an, wer ihn

    3 Aristoteles, "De Republica", L. I, C. 9 (edit. I. Bekkeri, Oxonii 1837). "Dennzweifach ist der Gebrauch jedes Guts ... Der eine ist dem Ding als solchen eigen,der andre nicht, wie einer Sandale, zur Beschuhung zu dienen und austauschbarzu sein. Beides sind Gebrauchswerte der Sandale, denn auch wer die Sandale mitdem ihm Mangelnden, z.B. der Nahrung austauscht, benutzt die Sandale alsSandale. Aber nicht in ihrer natürlichen Gebrauchsweise. Denn sie ist nicht dades Austausches wegen. Dieselbe Bewandtnis hat es auch um die andern Güter."

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  • gebaut hat, russischer Leibeigner, französischer Parzellenbauer oderenglischer Kapitalist. Obgleich Gegenstand gesellschaftlicherBedürfnisse, und daher in gesellschaftlichem Zusammenhang,drückt der Gebrauchswert jedoch kein gesellschaftlichesProduktionsverhältnis aus. Diese Ware als Gebrauchswert ist z.B.ein Diamant. Am Diamant ist nicht wahrzunehmen, dass er Wareist. Wo er als Gebrauchswert dient, ästhetisch oder mechanisch, amBusen der Lorette oder in der Hand des Glasschleifers, ist erDiamant und nicht Ware. Gebrauchswert zu sein scheintnotwendige Voraussetzung für die Ware, aber Ware zu seingleichgültige Bestimmung für den Gebrauchswert. Der Gebrauchs-wert in dieser Gleichgültigkeit gegen die ökonomische Formbe-stimmung, d.h. der Gebrauchswert als Gebrauchswert, liegt jenseitsdes Betrachtungskreises der politischen Ökonomie.4 In ihren Kreisfällt er nur, wo er selbst Formbestimmung. Unmittelbar ist er diestoffliche Basis, woran sich ein bestimmtes ökonomischesVerhältnis darstellt, der Tauschwert.

    Tauschwert erscheint zunächst als quantitatives Verhältnis, worinGebrauchswerte gegeneinander austauschbar. In solchem Verhältnisbilden sie dieselbe Tauschgröße. So mögen 1 Band Properz und 8Unzen Schnupftabak derselbe Tauschwert sein, trotz der disparatenGebrauchswerte von Tabak und Elegie. Als Tauschwert ist einGebrauchswert grade so viel wert wie der andere, wenn nur inrichtiger Portion vorhanden. Der Tauschwert eines Palastes kann inbestimmter Anzahl von Stiefelwichsbüchsen ausgedrückt werden.Londoner Stiefelwichsfabrikanten haben umgekehrt den Tausch-wert ihrer multiplizierten Büchsen in Palästen ausgedrückt. Ganzgleichgültig also gegen ihre natürliche Existenzweise, und ohneRücksicht auf die spezifische Natur des Bedürfnisses, wofür sieGebrauchswerte, decken sich Waren in bestimmten Quantitäten,ersetzen einander im Austausch, gelten als Äquivalente, und stellenso trotz ihres buntscheckigen Scheins dieselbe Einheit dar.

    4 Dies ist der Grund, warum deutsche Kompilatoren den unter dem Namen "Gut"fixierten Gebrauchswert con amore abhandeln. Sieh z.B. L. Stein,"System der Staatswissenschaft", Bd. I. den Abschnitt von den "Gütern".Verständiges über "Güter" muss man suchen in "Anweisungen zur Warenkunde".

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  • Die Gebrauchswerte sind unmittelbar Lebensmittel. Umgekehrtaber sind diese Lebensmittel selbst Produkte des gesellschaftlichenLebens, Resultat verausgabter menschlicher Lebenskraft,vergegenständlichte Arbeit. Als Materiatur der gesellschaftlichenArbeit sind alle Waren Kristallisationen derselben Einheit. Derbestimmte Charakter dieser Einheit, d.h. der Arbeit, die sich imTauschwert darstellt, ist nun zu betrachten.

    Eine Unze Gold, 1 Tonne Eisen, 1 Quarter Weizen und 20 EllenSeide seien gleich große Tauschwerte. Als solche Äquivalente,worin der qualitative Unterschied ihrer Gebrauchswerte ausgelöschtist, stellen sie gleiches Volumen derselben Arbeit dar. Die Arbeit,die sich gleichmäßig in ihnen vergegenständlicht, muss selbstgleichförmige, unterschiedslose, einfache Arbeit sein, der es ebensogleichgültig, ob sie in Gold, Eisen, Weizen, Seide erscheint, wie esdem Sauerstoff ist, ob er vorkommt im Rost des Eisens, derAtmosphäre, dem Saft der Traube oder dem Blut des Menschen.Aber Gold graben, Eisen aus dem Bergwerk fördern, Weizen bauenund Seide weben sind qualitativ voneinander verschiedeneArbeitsarten. In der Tat, was sachlich als Verschiedenheit derGebrauchswerte, erscheint prozessierend als Verschiedenheit derdie Gebrauchswerte hervorbringenden Tätigkeit. Als gleichgültiggegen den besonderen Stoff der Gebrauchswerte ist die Tauschwertsetzende Arbeit daher gleichgültig gegen die besondere Form derArbeit selbst. Die verschiedenen Gebrauchswerte sind fernerProdukte der Tätigkeit verschiedener Individuen, also Resultatindividuell verschiedener Arbeiten. Als Tauschwerte stellen sie abergleiche, unterschiedslose Arbeit dar, d.h. Arbeit, worin dieIndividualität der Arbeitenden ausgelöscht ist. Tauschwert setzendeArbeit ist daher abstrakt allgemeine Arbeit.

    Wenn 1 Unze Gold, 1 Tonne Eisen, 1 Quarter Weizen und 20Ellen Seide gleich große Tauschwerte oder Äquivalente sind, sind 1Unze Gold, 1/2 Tonne Eisen, 3 Bushel Weizen und 5 Ellen SeideTauschwerte von durchaus verschiedener Größe, und dieserquantitative Unterschied ist der einzige Unterschied, dessen sie alsTauschwerte überhaupt fähig sind. Als Tauschwerte von

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  • verschiedener Größe stellen sie ein Mehr oder Minder, größere oderkleinere Quanta jener einfachen, gleichförmigen, abstraktallgemeinen Arbeit dar, die die Substanz des Tauschwerts bildet. Esfragt sich, wie diese Quanta messen? Oder es fragt sich vielmehr,welches das quantitative Dasein jener Arbeit selbst ist, da dieGrößenunterschiede der Waren als Tauschwerte nurGrößenunterschiede der in ihnen vergegenständlichten Arbeit sind.Wie das quantitative Dasein der Bewegung die Zeit ist, so ist dasquantitative Dasein der Arbeit die Arbeitszeit. Die Verschiedenheitihrer eignen Dauer ist der einzige Unterschied, dessen sie fähig ist,ihre Qualität als gegeben vorausgesetzt. Als Arbeitszeit erhält sieihren Maßstab an den natürlichen Zeitmaßen, Stunde, Tag, Wocheusw. Arbeitszeit ist das lebendige Dasein der Arbeit, gleichgültiggegen ihre Form, ihren Inhalt, ihre Individualität; es ist ihrlebendiges Dasein als quantitatives, zugleich mit seinemimmanenten Maße. Die in den Gebrauchswerten der Warenvergegenständlichte Arbeitszeit ist ebensowohl die Substanz, die siezu Tauschwerten macht und daher zu Waren, wie sie ihre bestimmteWertgröße misst. Die korrelativen Quantitäten verschiedenerGebrauchswerte, in welchen dieselbe Arbeitszeit sichvergegenständlicht, sind Äquivalente, oder alle Gebrauchswertesind Äquivalente in den Proportionen, worin sie dieselbeArbeitszeit aufgearbeitet, vergegenständlicht enthalten. AlsTauschwert sind alle Waren nur bestimmte Maße festgeronnenerArbeitszeit.

    Zum Verständnis der Bestimmung des Tauschwerts durchArbeitszeit sind folgende Hauptgesichtspunkte festzuhalten: dieReduktion der Arbeit auf einfache, sozusagen qualitätslose Arbeit;die spezifische Art und Weise, worin die Tauschwert setzende, alsoWaren produzierende Arbeit gesellschaftliche Arbeit ist; endlich derUnterschied zwischen der Arbeit, sofern sie in Gebrauchswerten,und der Arbeit, sofern sie in Tauschwerten resultiert.

    Um die Tauschwerte der Waren an der in ihnen enthaltenenArbeitszeit zu messen, müssen die verschiedenen Arbeiten selbstreduziert sein auf unterschiedslose, gleichförmige, einfache Arbeit,

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  • kurz auf Arbeit, die qualitativ dieselbe ist und sich daher nurquantitativ unterscheidet.

    Diese Reduktion erscheint als eine Abstraktion, aber es ist eineAbstraktion, die in dem gesellschaftlichen Produktionsprozesstäglich vollzogen wird. Die Auflösung aller Waren in Arbeitszeit istkeine größere Abstraktion, aber zugleich keine minder reelle als diealler organischen Körper in Luft. Die Arbeit, die so gemessen istdurch die Zeit, erscheint in der Tat nicht als Arbeit verschiedenerSubjekte, sondern die verschiedenen arbeitenden Individuenerscheinen vielmehr als bloße Organe der Arbeit. Oder die Arbeit,wie sie sich in Tauschwerten darstellt, könnte ausgedrückt werdenals allgemein menschliche Arbeit. Diese Abstraktion der allgemeinmenschlichen Arbeit existiert in der Durchschnittsarbeit, die jedesDurchschnittsindividuum einer gegebenen Gesellschaft verrichtenkann, eine bestimmte produktive Verausgabung von menschlichemMuskel, Nerv, Gehirn usw. Es ist einfache Arbeit5, wozu jedesDurchschnittsindividuum abgerichtet werden kann und die es in dereinen oder andern Form verrichten muss. Der Charakter dieser5 "Unskilled labour" nennen es die englischen Ökonomen.

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  • Durchschnittsarbeit ist selbst verschieden in verschiedenen Ländernund verschiedenen Kulturepochen, erscheint aber als gegeben ineiner vorhandenen Gesellschaft. Die einfache Arbeit bildet die beiweitem größte Masse aller Arbeit der bürgerlichen Gesellschaft,wie man sich aus jeder Statistik überzeugen kann. Ob A während 6Stunden Eisen und während 6 Stunden Leinwand produziert, und Bebenfalls während 6 Stunden Eisen und während 6 StundenLeinwand produziert, oder ob A während 12 Stunden Eisen und Bwährend 12 Stunden Leinwand produziert, erscheint augenfällig alsbloß verschiedene Anwendung derselben Arbeitszeit. Aber wie mitder komplizierten Arbeit, die sich über das Durchschnittsniveauerhebt als Arbeit von höherer Lebendigkeit, größerem spezifischenGewicht? Diese Art Arbeit löst sich auf in zusammengesetzteeinfache Arbeit, einfache Arbeit auf höherer Potenz, so dass z.B.ein komplizierter Arbeitstag gleich drei einfachen Arbeitstagen. DieGesetze, die diese Reduktion regeln, gehören noch nicht hierher.Dass die Reduktion aber stattfindet, ist klar: denn als Tauschwert istdas Produkt der kompliziertesten Arbeit in bestimmter ProportionÄquivalent für das Produkt der einfachen Durchschnittsarbeit, alsogleichgesetzt einem bestimmten Quantum dieser einfachen Arbeit.

    Die Bestimmung des Tauschwerts durch die Arbeitszeit unterstelltferner, dass in einer bestimmten Ware, einer Tonne Eisen z.B.,gleich viel Arbeit vergegenständlicht ist, gleichgültig, ob sie Arbeitvon A oder B, oder dass verschiedene Individuen gleich großeArbeitszeit zur Produktion desselben, qualitativ und quantitativbestimmten Gebrauchswerts verwenden. In andern Worten, es istunterstellt, dass die in einer Ware enthaltene Arbeitszeit die zu ihrerProduktion notwendige Arbeitszeit ist, d.h. die Arbeitszeiterheischt, um unter gegebenen allgemeinen Produktions-bedingungen ein neues Exemplar derselben Ware zu produzieren.

    Die Bedingungen der Tauschwert setzenden Arbeit, wie sie sichaus der Analyse des Tauschwerts ergeben, sind gesellschaftlicheBestimmungen der Arbeit oder Bestimmungen gesellschaftlicherArbeit, aber gesellschaftlich nicht schlechthin, sondern inbesonderer Weise. Es ist eine spezifische Art der Gesellschaft-

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  • lichkeit. Zunächst ist die unterschiedslose Einfachheit der ArbeitGleichheit der Arbeiten verschiedener Individuen, wechselseitigesBeziehen ihrer Arbeiten aufeinander als gleicher, und zwar durchtatsächliche Reduktion aller Arbeiten auf gleichartige Arbeit. DieArbeit jedes Individuums, soweit sie sich in Tauschwerten darstellt,besitzt diesen gesellschaftlichen Charakter der Gleichheit, und siestellt sich nur im Tauschwert dar, soweit sie auf die Arbeit allerandern Individuen als gleiche bezogen ist.

    Ferner erscheint im Tauschwert die Arbeitszeit des einzelnenIndividuums unmittelbar als allgemeine Arbeitszeit und dieserallgemeine Charakter der vereinzelten Arbeit als gesellschaftlicherCharakter derselben. Die im Tauschwert dargestellte Arbeitszeit istArbeitszeit des einzelnen, aber des einzelnen ohne Unterschiedvom andern einzelnen, aller einzelnen, sofern sie gleiche Arbeitvollbringen, daher die von dem einen zur Produktion einerbestimmten Ware erheischte Arbeitszeit die notwendige Arbeitszeitist, die jeder andre zur Produktion derselben Ware verwendenwürde. Sie ist die Arbeitszeit des einzelnen, seine Arbeitszeit, abernur als allen gemeine Arbeitszeit, für die es daher gleichgültig, dieArbeitszeit wessen einzelnen sie ist. Als allgemeine Arbeitszeitstellt sie sich dar in einem allgemeinen Produkt, einem allgemeinenÄquivalent, einem bestimmten Quantum vergegenständlichterArbeitszeit, das gleichgültig gegen die bestimmte Form desGebrauchswerts, worin es unmittelbar als Produkt des einenerscheint, beliebig übersetzbar ist in jede andere Form vonGebrauchswert, worin es sich als Produkt jedes andern darstellt.Gesellschaftliche Größe ist es nur als solche allgemeine Größe. DieArbeit des einzelnen, um in Tauschwert zu resultieren, mussresultieren in ein allgemeines Äquivalent, d.h. in Darstellung derArbeitszeit des einzelnen als allgemeiner Arbeitszeit oderDarstellung der allgemeinen Arbeitszeit als der des einzelnen. Esist, als ob die verschiedenen Individuen ihre Arbeitszeitzusammengeworfen und verschiedene Quanta der ihnengemeinschaftlich zu Gebote stehenden Arbeitszeit in verschiedenenGebrauchswerten dargestellt hätten. Die Arbeitszeit des einzelnenist so in der Tat die Arbeitszeit, deren die Gesellschaft zur

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  • Darstellung eines bestimmten Gebrauchswertes, d.h. zurBefriedigung eines bestimmten Bedürfnisses bedarf. Aber eshandelt sich hier nur um die spezifische Form, worin die Arbeitgesellschaftlichen Charakter erhält. Eine bestimmte Arbeitszeit desSpinners vergegenständlicht sich z.B. in 100 Pfund Leinengarn.100 Ellen Leinwand, das Produkt des Webers, sollen gleichesQuantum Arbeitszeit darstellen. Sofern diese beiden Produktegleich großes Quantum allgemeiner Arbeitszeit darstellen unddaher Äquivalente für jeden Gebrauchswert, der gleich vielArbeitszeit enthält, sind sie Äquivalente füreinander. Nur dadurch,dass die Arbeitszeit des Spinners und die Arbeitszeit des Webers alsallgemeine Arbeitszeit, ihre Produkte daher als allgemeineÄquivalente sich darstellen, wird hier die Arbeit des Webers für denSpinner und die des Spinners für den Weber, die Arbeit des einenfür die Arbeit des andern, d.h. das gesellschaftliche Dasein ihrerArbeiten für beide. In der ländlich-patriarchalischen Industriedagegen, wo Spinner und Weber unter demselben Dach hausten,der weibliche Teil der Familie spann, der männliche webte, sagezum Selbstbedarf der Familie, waren Garn und Leinwandgesellschaftliche Produkte, Spinnen und Weben gesellschaftlicheArbeiten innerhalb der Grenzen der Familie. Ihr gesellschaftlicherCharakter bestand aber nicht darin, dass Garn als allgemeinesÄquivalent gegen Leinwand als allgemeines Äquivalent oder beidesich gegeneinander austauschten als gleich gültige und gleichgeltende Ausdrücke derselben allgemeinen Arbeitszeit. DerFamilienzusammenhang vielmehr mit seiner naturwüchsigenTeilung der Arbeit drückte dem Produkt der Arbeit seineneigentümlichen gesellschaftlichen Stempel auf. Oder nehmen wirdie Naturaldienste und Naturallieferungen des Mittelalters. Diebestimmten Arbeiten der einzelnen in ihrer Naturalform, dieBesonderheit, nicht die Allgemeinheit der Arbeit bildet hier dasgesellschaftliche Band. Oder nehmen wir endlich diegemeinschaftliche Arbeit in ihrer naturwüchsigen Form, wie wir siean der Schwelle der Geschichte aller Kulturvölker finden.6 Hier ist

    6 Es ist ein lächerliches Vorurteil, in neuester Zeit verbreitet, dass die Form desnaturwüchsigen Gemeineigentums spezifisch slawisch oder gar ausschließlich

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  • der gesellschaftliche Charakter der Arbeit offenbar nicht dadurchvermittelt, dass die Arbeit des einzelnen die abstrakte Form derAllgemeinheit, oder sein Produkt die Form eines allgemeinenÄquivalents annimmt. Es ist das der Produktion vorausgesetzteGemeinwesen, das die Arbeit des einzelnen verhindert, Privatarbeitund sein Produkt Privatprodukt zu sein, die einzelne Arbeitvielmehr unmittelbar als Funktion eines Gliedes desGesellschaftsorganismus erscheinen lässt. Die Arbeit, die sich imTauschwert darstellt, ist vorausgesetzt als Arbeit des vereinzeltenEinzelnen. Gesellschaftlich wird sie dadurch, dass sie die Formihres unmittelbaren Gegenteils, die Form der abstraktenAllgemeinheit annimmt.

    Es charakterisiert endlich die Tauschwert setzende Arbeit, dassdie gesellschaftliche Beziehung der Personen sich gleichsamverkehrt darstellt, nämlich als gesellschaftliches Verhältnis derSachen. Nur insofern der eine Gebrauchswert sich auf den andernals Tauschwert bezieht, ist die Arbeit der verschiedenen Personenaufeinander als gleiche und allgemeine bezogen. Wenn es daherrichtig ist zu sagen, dass der Tauschwert ein Verhältnis zwischenPersonen7 ist, so muss aber hinzugesetzt werden: unter dinglicherHülle verstecktes Verhältnis. Wie ein Pfund Eisen und ein PfundGold trotz ihrer verschiedenen physischen und chemischenEigenschaften dasselbe Quantum Schwere darstellen, so zweiGebrauchswerte von Waren, worin dieselbe Arbeitszeit enthalten

    russische Form sei. Sie ist die Urform, die wir bei Römern, Germanen, Keltennachweisen können, von der aber eine ganze Musterkarte mit mannigfaltigenProben sich noch immer, wenn auch zum Teil ruinenweise, bei den Indernvorfindet. Ein genaueres Studium der asiatischen, speziell der indischen,Gemeineigentumsformen würde nachweisen, wie aus den verschiedenen Formendes naturwüchsigen Gemeineigentums sich verschiedene Formen seinerAuflösung ergeben. So lassen sich z.B. die verschiedenen Originaltypen vonrömischem und germanischem Privateigentum aus verschiedenen Formen vonindischem Gemeineigentum ableiten.

    7 "La ricchezza è una ragione tra due persone." Galiani, "Della Moneta". p.221. In vol. III von Custodis Sammlung der "Scrittori classici Italiani diEconomia Politica. Parte Moderna", Milano 1803.

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  • ist, denselben Tauschwert. Der Tauschwert erscheint so alsgesellschaftliche Naturbestimmtheit der Gebrauchswerte, als eineBestimmtheit, die ihnen als Dingen zukommt, und infolge deren siesich im Austauschprozess ebenso in bestimmten quantitativenVerhältnissen ersetzen, Äquivalente bilden, wie einfache chemischeStoffe in bestimmten quantitativen Verhältnissen sich verbinden,chemische Äquivalente bilden. Es ist nur die Gewohnheit destäglichen Lebens, die es als trivial, als selbstverständlich erscheinenlässt, dass ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis die Formeines Gegenstandes annimmt, so dass das Verhältnis der Personenin ihrer Arbeit sich vielmehr als ein Verhältnis darstellt, worinDinge sich zu einander und zu den Personen verhalten. In der Wareist diese Mystifikation noch sehr einfach. Es schwebt allen mehroder minder vor, dass das Verhältnis der Waren als Tauschwertevielmehr Verhältnis der Personen zu ihrer wechselseitigenproduktiven Tätigkeit ist. In höheren Produktionsverhältnissenverschwindet dieser Schein der Einfachheit. Alle Illusionen desMonetarsystems stammen daher, dass dem Geld (ImHandmanuskript korrigiert; (1859) Gold) nicht angesehen wird,dass es ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis darstellt, aberin der Form eines Naturdings von bestimmten Eigenschaften. Beiden modernen Ökonomen, die auf die Illusionen desMonetarsystems herabgrinsen, verrät sich dieselbe Illusion, sobaldsie höhere ökonomische Kategorien handhaben, z.B. das Kapital.Sie bricht hervor in dem Geständnis naiver Verwunderung, wennbald als gesellschaftliches Verhältnis erscheint, was sie eben plumpals Ding festzuhalten meinten, und dann wieder als Ding sie neckt,was sie kaum als gesellschaftliches Verhältnis fixiert hatten.

    Indem der Tauschwert der Waren in der Tat nichts ist alsBeziehung der Arbeiten der einzelnen aufeinander als gleiche undallgemeine, nichts als gegenständlicher Ausdruck einer spezifischgesellschaftlichen Form der Arbeit, ist es Tautologie, zu sagen, dassdie Arbeit einzige Quelle des Tauschwerts sei und daher desReichtums, soweit er aus Tauschwerten besteht. Es ist dieselbe

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  • Tautologie, dass der Naturstoff als solcher keinen Tauschwert8, weilkeine Arbeit und der Tauschwert als solcher keinen Naturstoffenthält. Wenn aber William Petty "die Arbeit den Vater und dieErde die Mutter des Reichtums" nennt, oder Bischof Berkeley fragt,"ob die vier Elemente und des Menschen Arbeit darin nicht diewahre Quelle des Reichtums seien"9, oder wenn der AmerikanerTh. Cooper populär klarmacht: "Nimm von einem Laib Brot diedarauf verwandte Arbeit weg, die Arbeit von Bäcker, Müller,Pächter usw., und was bleibt übrig? Ein paar Graskörner,wildwachsend und unnütz für jeden menschlichen Gebrauch"10, sohandelt es sich in allen diesen Anschauungen nicht von derabstrakten Arbeit, wie sie Quelle des Tauschwerts ist, sondern vonder konkreten Arbeit als einer Quelle stofflichen Reichtums, kurzvon der Arbeit, sofern sie Gebrauchswerte hervorbringt. Indem derGebrauchswert der Ware vorausgesetzt ist, ist die besondereNützlichkeit, die bestimmte Zweckmäßigkeit der in ihraufgezehrten Arbeit vorausgesetzt, damit aber vom Standpunkt derWare aus zugleich alle Rücksicht auf die Arbeit als nützliche Arbeiterschöpft. Am Brot als Gebrauchswert interessieren uns seineEigenschaften als Nahrungsmittel, keineswegs die Arbeiten vonPächter, Müller, Bäcker usw. Wenn durch irgendeine Erfindung 19/20dieser Arbeiten wegfielen, würde das Laib denselben Dienst leistenwie zuvor. Wenn es fertig vom Himmel fiele, würde es kein Atomseines Gebrauchswerts verlieren. Während sich die Tauschwertsetzende Arbeit in der Gleichheit der Waren als allgemeinerÄquivalente verwirklicht, verwirklicht sich die Arbeit alszweckmäßige produktive Tätigkeit in der unendlichenMannigfaltigkeit ihrer Gebrauchswerte. Während die Tauschwert

    8 In seinem Naturzustand ist der Stoff stets von Wert entblößt." MacCulloch,"Discours sur l'origine de l'économie politique etc.", traduit par Prevost, Genève1825, p. 57. Man sieht, wie hoch selbst ein MacCulloch über dem Fetischismusdeutscher "Denker" steht, die den "Stoff" und noch ein halbes Dutzend andererAlotria für Elemente des Wertes erklären. Vgl. z.B. L. Stein, l.c. Bd. I, p. 170. 9 Berkeley, "The Querist", London 1750. "Whether the four elements, and man'slabour therein, be not the true source of wealth?"10 Th. Cooper, "Lectures on the Elements of Political Economy", London 1831(Columbia 1826). p. 99

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  • setzende Arbeit abstrakt allgemeine und gleiche Arbeit, ist dieGebrauchswert setzende Arbeit konkrete und besondere Arbeit, diesich der Form und dem Stoff nach in unendlich verschiedeneArbeitsweisen zerspaltet.

    Von der Arbeit, soweit sie Gebrauchswerte hervorbringt, ist esfalsch zu sagen, dass sie einzige Quelle des von ihrhervorgebrachten, nämlich des stofflichen Reichtums sei. Da sie dieTätigkeit ist, das Stoffliche für diesen oder jenen Zweckanzueignen, bedarf sie des Stoffes als Voraussetzung. Inverschiedenen Gebrauchswerten ist die Proportion zwischen Arbeitund Naturstoff sehr verschieden, aber stets enthält derGebrauchswert ein natürliches Substrat. Als zweckmäßige Tätigkeitzur Aneignung des Natürlichen in einer oder der anderen Form istdie Arbeit Naturbedingung der menschlichen Existenz, eine vonallen sozialen Formen unabhängige Bedingung des Stoffwechselszwischen Mensch und Natur. Tauschwert setzende Arbeit istdagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit.Schneiderarbeit z.B. in ihrer stofflichen Bestimmtheit als besondereproduktive Tätigkeit, produziert den Rock, aber nicht denTauschwert des Rocks. Letztern produziert sie nicht alsSchneiderarbeit, sondern als abstrakt allgemeine Arbeit, und diesegehört einem Gesellschaftszusammenhang, den der Schneider nichteingefädelt hat. So produzierten in der antiken häuslichen IndustrieWeiber den Rock, ohne den Tauschwert des Rockes zu produzieren.Arbeit als eine Quelle von stofflichem Reichtum war demGesetzgeber Moses sowohl bekannt wie dem Zollbeamten AdamSmith.11

    Betrachten wir nun einige nähere Bestimmungen, die sich aus derZurückführung des Tauschwerts auf Arbeitszeit ergeben.

    11 F. List, der den Unterschied zwischen der Arbeit, sofern sie Nützliches, einenGebrauchswert, schaffen hilft, und der Arbeit, sofern sie eine bestimmtegesellschaftliche Form des Reichtums, den Tauschwert, schafft, nie begreifenkonnte, wie Begreifen überhaupt seinem interessiert praktischen Verstand fernlag, erblickte daher in den englischen modernen Ökonomen bloße Plagiarien desMoses

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  • Als Gebrauchswert wirkt die Ware ursachlich. Weizen z.B. wirktals Nahrungsmittel. Eine Maschine ersetzt Arbeit in bestimmtenVerhältnissen. Diese Wirkung der Ware, wodurch sie alleinGebrauchswert, Gegenstand der Konsumtion ist, kann ihr Dienstgenannt werden, der Dienst, den sie als Gebrauchswert leistet. AlsTauschwert aber wird die Ware immer nur unter dem Gesichtspunktdes Resultats betrachtet. Es handelt sich nicht um den Dienst, densie leistet, sondern um den Dienst12, der ihr selbst geleistet wordenist in ihrer Produktion. So ist also der Tauschwert einer Maschinez.B. bestimmt nicht durch das Quantum Arbeitszeit, das von ihrersetzt wird, sondern das Quantum Arbeitszeit, das in ihr selbstaufgearbeitet und daher erheischt ist, eine neue Maschine derselbenArt zu produzieren.

    Bliebe daher das zur Produktion von Waren erheischteArbeitsquantum konstant, so wäre ihr Tauschwert unveränderlich.Aber die Leichtigkeit und Schwierigkeit der Produktion wechselnbeständig. Wächst die Produktivkraft der Arbeit, so produziert siedenselben Gebrauchswert in kürzerer Zeit. Fällt die Produktivkraftder Arbeit, so wird mehr Zeit erheischt zur Produktion desselbenGebrauchswerts. Die Größe der in einer Ware enthaltenenArbeitszeit, also ihr Tauschwert, ist daher ein wechselnder, steigtoder fällt in um-gekehrtem Verhältnis zum Steigen oder Fallen derProduktivkraft der Arbeit. Die Produktivkraft der Arbeit, die in derManufakturindustrie in vorausbestimmtem Grade angewandt wird,ist in der Agrikultur und der extraktiven Industrie zugleich bedingtdurch unkontrollierbare Naturverhältnisse. Dieselbe Arbeit wirdeine größere oder mindere Ausbeute verschiedener Metalle ergeben,je nach dem relativ seltenern und häufigeren Vorkommen dieserMetalle in der Erdrinde. Dieselbe Arbeit mag sich mit Gunst derJahreszeit in 2 Bushel Weizen, mit Ungunst derselben vielleicht nurin 1 Bushel Weizen vergegenständlichen. Seltenheit oder Überflussals Naturverhältnisse scheinen hier den Tauschwert der Waren zu

    12 Man begreift, welchen " Dienst" die Kategorie "Dienst" (service) einer SorteÖkonomen wie J.-B. Say und F. Bastiat leisten muss, deren räsonierendeKlugheit, wie schon Malthus richtig bemerkte, überall von der spezifischenFormbestimmtheit der ökonomischen Verhältnisse abstrahiert.

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  • bestimmen, weil sie die an Naturverhältnisse gebundene Produktiv-kraft besonderer realen Arbeit bestimmen.

    Verschiedene Gebrauchswerte enthalten in ungleichen Volumendieselbe Arbeitszeit oder denselben Tauschwert. In je kleineremVolumen ihres Gebrauchswerts, verglichen mit den andernGebrauchswerten, eine Ware, ein bestimmtes Quantum Arbeitszeitenthält, umso größer ist ihr spezifischer Tauschwert. Finden wir,dass in verschiedenen, weit auseinanderliegenden Kulturepochengewisse Gebrauchswerte unter sich eine Reihe von spezifischenTauschwerten bilden, die, wenn nicht exakt dasselbeZahlenverhältnis, doch das allgemeine Verhältnis der Über- undUnterordnung gegeneinander bewahren, wie z.B. Gold, Silber,Kupfer, Eisen, oder Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, so folgt darausnur, dass die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichenProduktivkräfte gleichmäßig oder annähernd gleichmäßig auf dieArbeitszeit einwirkt, die zur Produktion jener verschiedenen Warenerfordert ist.

    Der Tauschwert einer Ware kommt nicht in ihrem eignenGebrauchswert zur Erscheinung. Als Vergegenständlichung derallgemeinen gesellschaftlichen Arbeitszeit jedoch ist derGebrauchswert einer Ware in Verhältnisse gesetzt zu denGebrauchswerten anderer Waren. Der Tauschwert der einen Waremanifestiert sich so in den Gebrauchswerten der anderen Waren.Äquivalent ist in der Tat der Tauschwert einer Ware ausgedrückt imGebrauchswert einer andern Ware. Sage ich z.B. eine ElleLeinwand ist wert zwei Pfund Kaffee, so ist der Tauschwert derLeinwand in dem Gebrauchswert Kaffee, und zwar in einembestimmten Quantum dieses Gebrauchswerts ausgedrückt. DieseProportion gegeben, kann ich den Wert jedes Quantums Leinwandin Kaffee ausdrücken. Es ist klar, dass der Tauschwert einer Ware,z.B. der Leinwand, nicht erschöpft ist in der Proportion, worin eineandere besondre Ware, z.B. Kaffee, ihr Äquivalent bildet. DasQuantum allgemeiner Arbeitszeit. dessen Darstellung die ElleLeinwand ist, ist gleichzeitig in unendlich verschiedenen Volumenvon Gebrauchswerten aller andern Waren realisiert. In der

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  • Proportion, worin der Gebrauchswert jeder andern Ware gleichgroße Arbeitszeit darstellt, bildet er ein Äquivalent für die ElleLeinwand. Der Tauschwert dieser einzelnen Ware drückt sich dahernur erschöpfend aus in den unendlich vielen Gleichungen, worindie Gebrauchswerte aller andern Waren ihr Äquivalent bilden. Nurin der Summe dieser Gleichungen oder in der Gesamtheit derverschiedenen Proportionen, worin eine Ware mit jeder andernWare austauschbar ist, ist sie erschöpfend ausgedrückt alsallgemeines Äquivalent. Z.B. die Reihe der Gleichungen

    1 Elle Leinwand = 1/2 Pfund Tee,1 Eile Leinwand = 2 Pfund Kaffee,1 Elle Leinwand = 8 Pfund Brot,1 Elle Leinwand = 6 Ellen Kattun,

    kann dargestellt werden als

    1 Elle Leinwand = 1/8 Pfund Tee + 1/2 Pfund Kaffee + 2 PfundBrot + 11/2 Ellen Kattun.

    Wenn wir daher die ganze Summe von Gleichungen vor unshätten, worin sich der Wert einer Elle Leinwand erschöpfendausdrückt, könnten wir ihren Tauschwert darstellen in der Formeiner Reihe. In der Tat ist diese Reihe unendlich, da der Umkreisder Waren nie definitiv abgeschlossen ist, sondern sich stetsausdehnt. Indem aber so die eine Ware ihren Tauschwert misst inden Gebrauchswerten aller andern Waren, messen sich umgekehrtdie Tauschwerte aller andern Waren in dem Gebrauchswert diesereinen sich in ihnen messenden Ware.13 Wenn der Tauschwert 1 ElleLeinwand sich ausdrückt in 1/2 Pfund Tee oder 2 Pfund Kaffee oder6 Ellen Kattun oder 8 Pfund Brot usw., so folgt, dass Kaffee, Tee,Kattun, Brot usw. in dem Verhältnis, worin sie einem dritten, derLeinwand, gleich sind, untereinander gleich sind, also Leinwand alsgemeinschaftliches Maß ihrer Tauschwerte dient. Jede Ware alsvergegenständlichte allgemeine Arbeitszeit, d.h. bestimmtes13 "Es ist auch eine Eigentümlichkeit der Maße, ein solches Verhältnis mit demgemessenen Ding zu haben, dass in gewisser Art das Gemessene das Maß desMessenden wird." Montanari, "Della Moneta", p. 41 in. Custodis Sammlung,vol. III., Parte Antica.

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  • Quantum allgemeiner Arbeitszeit, drückt ihren Tauschwert derReihe nach aus in bestimmten Quantitäten der Gebrauchswerte allerandern Waren, und die Tauschwerte aller andern Waren messen sichumgekehrt in dem Gebrauchswert dieser einen ausschließlichenWare. Als Tauschwert aber ist jede Ware

  • werden können. Um zu sehen, welchen möglichen Wechseln dieseProportion ausgesetzt ist, unterstellen wir zwei Waren A und B.Erstens: Die zur Produktion von B erforderte Arbeitszeit bleibeunverändert. In diesem Falle fällt oder steigt der Tauschwert von A,in B ausgedrückt, direkt wie die zur Produktion von A erheischteArbeitszeit fällt oder steigt. Zweitens: Die zur Produktion von Aerforderliche Arbeitszeit bleibe unverändert. Der Tauschwert von Ain B ausgedrückt, fällt oder steigt in umgekehrtem Verhältnisse, wiedie zur Produktion von B erheischte Arbeitszeit fällt oder steigt.Drittens: Die zur Produktion von A und B erheischte Arbeitszeitfalle oder steige in gleicher Proportion. Der Ausdruck derÄquivalenz von A in B bleibt dann unverändert. Nähme durchirgendeinen Umstand die Produktivkraft aller Arbeiten indemselben Maße ab, so dass alle Waren in gleicher Proportion mehrArbeitszeit zu ihrer Produktion erheischten, so wäre der Wert allerWaren gestiegen, der reale Ausdruck ihres Tauschwerts wäreunverändert geblieben, und der wirkliche Reichtum derGesellschaft hätte abgenommen, da sie mehr Arbeitszeit brauchte,um dieselbe Masse von Gebrauchswerten zu schaffen. Viertens: Diezur Produktion von A und B erforderte Arbeitszeit mag für beidesteigen oder fallen, aber in ungleichem Grade, oder die für Aerforderte Arbeitszeit mag steigen, während die für B fällt, oderumgekehrt. Alle diese Fälle können einfach darauf reduziertwerden, dass die zur Produktion einer Ware erheischte Arbeitszeitunverändert bleibt, während die der andern steigt oder fällt.

    Der Tauschwert jeder Ware drückt sich in dem Gebrauchswertjeder andern Ware aus, sei es in ganzen Größen oder in Brüchendieses Gebrauchswerts. Als Tauschwert ist jede Ware ebenso teilbarwie die Arbeitszeit selbst, die in ihr vergegenständlicht ist. DieÄquivalenz der Waren ist ebenso unabhängig von ihrer physischenTeilbarkeit als Gebrauchswerte, wie die Addition der Tauschwerteder Waren gleichgültig dagegen ist, welchen realen Formwechseldie Gebrauchswerte dieser Waren in ihrer Umschmelzung zu einerneuen Ware durchlaufen.

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  • Bisher wurde die Ware unter doppeltem Gesichtspunkt betrachtet,als Gebrauchswert und als Tauschwert, jedesmal einseitig. Als Warejedoch ist sie unmittelbar Einheit von Gebrauchswert undTauschwert; zugleich ist sie Ware nur in Beziehung auf die anderenWaren. Die wirkliche Beziehung der Waren aufeinander ist ihrAustauschprozess. Es ist dies gesellschaftlicher Prozess, den dievoneinander unabhängigen Individuen eingehen, aber sie gehen ihnnur ein als Warenbesitzer; ihr wechselseitiges Dasein füreinanderist das Dasein ihrer Waren, und so erscheinen sie in der Tat nur alsbewusste Träger des Austauschprozesses.

    Die Ware ist Gebrauchswert, Weizen, Leinwand, Diamant,Maschine etc., aber als Ware ist sie zugleich nicht Gebrauchswert.Wäre sie Gebrauchswert für ihren Besitzer, d.h. unmittelbar Mittelzur Befriedigung seiner eignen Bedürfnisse, so wäre sie nicht Ware.Für ihn ist sie vielmehr Nicht-Gebrauchswert, nämlich bloßstofflicher Träger des Tauschwerts, oder bloßes Tauschmittel; alsaktiver Träger des Tauschwerts wird der GebrauchswertTauschmittel. Für ihn ist sie Gebrauchswert nur noch alsTauschwert.14 Als Gebrauchswert muss sie daher erst werden,zunächst für andere. Da sie nicht Gebrauchswert für ihren eigenenBesitzer, ist sie Gebrauchswert für Besitzer anderer Ware. Wennnicht, war seine Arbeit nutzlose Arbeit, ihr Resultat also nicht Ware.Andererseits muss sie Gebrauchswert für ihn selbst werden, dennaußer ihr, in den Gebrauchswerten fremder Waren, existieren seineLebensmittel. Um als Gebrauchswert zu werden, muss die Waredem besonderen Bedürfnis gegenübertreten, wofür sie Gegenstandder Befriedigung ist. Die Gebrauchswerte der Waren werden alsoals Gebrauchswerte, indem sie allseitig die Stellen wechseln, ausder Hand, worin sie Tauschmittel, übergehen in die Hand, worin sieGebrauchsgegenstände. Nur durch diese allseitige Entäußerung derWaren wird die in ihnen enthaltene Arbeit nützliche Arbeit. Indieser prozessierenden Beziehung der Waren aufeinander alsGebrauchswerte erhalten sie keine neue ökonomische

    14 Es ist in dieser Bestimmtheit, dass Aristoteles (siehe die im Eingang desKapitels zitierte Stelle) den Tauschwert auffasst.

    Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 28

  • Formbestimmtheit. Vielmehr verschwindet die Formbestimmtheit,die sie als Ware charakterisierte. Brot z.B. in dem Übergang aus derHand des Bäckers in die Hand des Konsumenten ändert nicht seinDasein als Brot. Umgekehrt, erst der Konsument bezieht sich auf esals Gebrauchswert, als dies bestimmte Nahrungsmittel, während esin der Hand des Bäckers Träger eines ökonomischen Verhältnisses,ein sinnlich übersinnliches Ding war. Der einzige Formwechsel,den die Waren in ihrem Werden als Gebrauchswerte eingehen, istalso die Aufhebung ihres formellen Daseins, worin sie Nicht-Gebrauchswert für ihren Besitzer, Gebrauchswert für ihrenNichtbesitzer waren. Das Werden der Waren als Gebrauchswerteunterstellt ihre allseitige Entäußerung, ihr Eingehen in denAustauschprozess, aber ihr Dasein für den Austausch ist ihr Daseinals Tauschwerte. Um sich daher als Gebrauchswerte zuverwirklichen, müssen sie sich als Tauschwerte verwirklichen.

    Erschien die einzelne Ware unter dem Gesichtspunkt desGebrauchswertes ursprünglich als selbständiges Ding, so war siedagegen als Tauschwert von vornherein in Beziehung auf alleandern Waren betrachtet. Diese Beziehung jedoch war nur einetheoretische, gedachte. Betätigt wird sie nur im Austauschprozess.Andrerseits ist die Ware zwar Tauschwert, sofern ein bestimmtesQuantum Arbeitszeit in ihr aufgearbeitet und sie dahervergegenständlichte Arbeitszeit ist. Aber, wie sie unmittelbar ist, istsie nur vergegenständlichte individuelle Arbeitszeit vonbesonderem Inhalt, nicht allgemeine Arbeitszeit. Sie ist daher nichtunmittelbar Tauschwert, sondern muss erst solcher werden.Zunächst kann sie nur Vergegenständlichung der allgemeinenArbeitszeit sein, soweit sie Arbeitszeit in bestimmter nützlicherAnwendung, also in einem Gebrauchswert darstellt. Dies war diestoffliche Bedingung, unter der allein die in den Waren enthalteneArbeitszeit als allgemeine, gesellschaftliche vorausgesetzt war.Wenn die Ware daher nur als Gebrauchswert werden kann, indemsie sich als Tauschwert verwirklicht, kann sie sich andrerseits nurals Tauschwert verwirklichen, indem sie sich in ihrer Entäußerungals Gebrauchswert bewährt. Eine Ware kann als Gebrauchswert nuran den veräußert werden, für den sie Gebrauchswert ist, d.h.

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  • Gegenstand besondern Bedürfnisses. Andrerseits wird sie nurveräußert gegen eine andre Ware, oder, wenn wir uns auf die Seitedes Besitzers der andern Ware stellen, kann er seine Ware ebenfallsnur veräußern, d.h. verwirklichen, indem er sie in Kontakt mit dembesondern Bedürfnis bringt, dessen Gegenstand sie ist. In derallseitigen Entäußerung der Waren als Gebrauchswerte werden siedaher aufeinander bezogen nach ihrer stofflichen Verschiedenheitals besondre Dinge, die durch ihre spezifischen Eigenschaftenbesondre Bedürfnisse befriedigen. Aber als solche bloßeGebrauchswerte sind sie gleichgültige Existenzen füreinander undvielmehr beziehungslos. Als Gebrauchswerte können sie nurausgetauscht werden in Beziehung auf besondre Bedürfnisse.Austauschbar aber sind sie nur als Äquivalente, und Äquivalentesind sie nur als gleiche Quanta vergegenständlichter Arbeitszeit, sodass alle Rücksicht auf ihre natürlichen Eigenschaften alsGebrauchswerte und daher auf das Verhältnis der Waren zubesondern Bedürfnissen ausgelöscht ist. Als Tauschwert betätigtsich eine Ware vielmehr, indem sie als Äquivalent beliebigbestimmtes Quantum jeder andern Ware ersetzt, gleichgültig, ob siefür den Besitzer der andern Ware Gebrauchswert ist oder nicht ist.Aber für den Besitzer der andern Ware wird sie nur Ware, sofern sieGebrauchswert für ihn ist, und für ihren eignen Besitzer wird sienur Tauschwert, soweit sie Ware für den andern ist. DieselbeBeziehung also soll Beziehung der Waren als wesentlich gleicher,nur quantitativ verschiedener Größen, soll ihre Gleichsetzung alsMateriatur der allgemeinen Arbeitszeit und soll gleichzeitig ihreBeziehung als qualitativ verschiedene Dinge, als besondreGebrauchswerte für besondre Bedürfnisse, kurz, sie als wirklicheGebrauchswerte unterscheidende Beziehung sein. Aber dieseGleichsetzung und Ungleichsetzung schließen sich wechselseitigaus. So stellt sich nicht nur ein fehlerhafter Zirkel von Problemendar, indem die Lösung des einen die Lösung des andernvoraussetzt, sondern ein Ganzes widersprechender Forderungen,indem die Erfüllung einer Bedingung unmittelbar gebunden ist andie Erfüllung ihres Gegenteils.

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  • Der Austauschprozess der Waren muss sowohl die Entfaltung wiedie Lösung dieser Widersprüche sein, die sich in ihm jedoch nichtin dieser einfachen Weise darstellen können. Wir haben nurzugesehen, wie die Waren selbst wechselseitig aufeinander alsGebrauchswerte bezogen werden, d.h., wie die Waren alsGebrauchswerte innerhalb des Austauschprozesses auftreten DerTauschwert dagegen, wie wir ihn bisher betrachtet, war bloß da inunsrer Abstraktion oder, wenn man will, in der Abstraktion deseinzelnen Warenbesitzers, dem die Ware als Gebrauchswert aufdem Speicher und als Tauschwert auf dem Gewissen liegt. DieWaren selbst müssen aber innerhalb des Austauschprozesses nichtnur als Gebrauchswerte, sondern als Tauschwerte füreinander dasein, und dies ihr Dasein als ihre eigene Beziehung aufeinandererscheinen. Die Schwierigkeit, an der wir zunächst stockten, war,dass, um sich als Tauschwert, als vergegenständlichte Arbeitdarzustellen, die Ware zuvor als Gebrauchswert entäußert, an denMann gebracht sein muss, während ihre Entäußerung alsGebrauchswert umgekehrt ihr Dasein als Tauschwert voraussetzt.Aber gesetzt, diese Schwierigkeit sei gelöst. Die Ware habe ihrenbesondern Gebrauchswert abgestreift und durch dessenEntäußerung die stoffliche Bedingung erfüllt, gesellschaftlichnützliche Arbeit zu sein, statt besondre Arbeit des einzelnen für sichselbst. So muss sie dann im Austauschprozess als Tauschwert,allgemeines Äquivalent, vergegenständlichte allgemeine Arbeitszeitfür die andern Waren werden und so nicht mehr die beschränkteWirkung eines besonderen Gebrauchswerts, sondern dieunmittelbare Darstellungsfähigkeit in allen Gebrauchswerten alsihren Äquivalenten erhalten. Jede Ware aber ist die Ware, die sodurch Entäußerung ihres besondern Gebrauchswerts als direkteMateriatur der allgemeinen Arbeitszeit erscheinen muss.Andrerseits aber stehen sich im Austauschprozess nur besondereWaren gegenüber, in besonderen Gebrauchswerten verkörperteArbeiten von Privatindividuen. Die allgemeine Arbeitszeit selbst isteine Abstraktion, die als solche für die Waren nicht existiert.

    Betrachten wir die Summe von Gleichungen, worin derTauschwert einer Ware seinen realen Ausdruck findet, z.B.:

    Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 31

  • 1 Elle Leinwand = 2 Pfund Kaffee,1 Elle Leinwand = 1/2 Pfund Tee,1 Elle Leinwand = 8 Pfund Brot usw.,

    so besagen diese Gleichungen zwar nur, dass allgemeine,gesellschaftliche Arbeitszeit von gleicher Größe sich in 1 ElleLeinwand, 2 Pfund Kaffee, 1/2 Pfund Tee usw. vergegenständlicht.Aber in der Tat werden die individuellen Arbeiten, die sich indiesen besondern Gebrauchswerten darstellen, nur zu allgemeinerund in dieser Form zu gesellschaftlicher Arbeit, indem sie sichwirklich gegeneinander austauschen im Verhältnis der Zeitdauer derin ihnen enthaltenen Arbeit . Die gesellschaftliche Arbeitszeitexistiert sozusagen nur latent in diesen Waren und offenbart sicherst in ihrem Austauschprozess. Es wird nicht ausgegangen von derArbeit der Individuen als gemeinschaftlicher, sondern umgekehrtvon besondern Arbeiten von Privatindividuen, Arbeiten, die sicherst im Austauschprozess durch Aufhebung ihres ursprünglichenCharakters, als allgemeine gesellschaftliche Arbeit beweisen. Dieallgemein gesellschaftliche Arbeit ist daher nicht fertige Voraus-setzung, sondern werdendes Resultat. Und so ergibt sich die neueSchwierigkeit, dass die Waren einerseits als vergegenständ-lichteallgemeine Arbeitszeit in den Austauschprozess eingehen müssen,andrerseits die Vergegenständlichung der Arbeitszeit der Individuenals allgemeiner selbst nur Produkt des Austauschprozesses ist.

    Jede Ware soll durch Entäußerung ihres Gebrauchswerts, alsoihrer ursprünglichen Existenz, ihre entsprechende Existenz alsTauschwert erhalten. Die Ware muss daher im Austauschprozessihre Existenz verdoppeln. Andrerseits kann ihre zweite Existenz alsTauschwert selbst nur eine andre Ware sein, denn imAustauschprozess stehen sich nur Waren gegenüber. Wie einebesondere Ware unmittelbar darstellen als vergegenständlichteallgemeine Arbeitszeit, oder, was dasselbe ist, wie der individuellenArbeitszeit, die in einer besonderen Ware vergegenständlicht ist,unmittelbar den Charakter der Allgemeinheit geben? Der realeAusdruck des Tauschwerts einer Ware, d.h. jeder Ware als

    Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 32

  • allgemeinen Äquivalents, stellt sich dar in einer unendlichenSumme von Gleichungen wie:

    1 Elle Leinwand = 2 Pfund Kaffee, 1 Elle Leinwand = 1/2 Pfund Tee,1 Elle Leinwand = 8 Pfund Brot,1 Elle Leinwand = 6 Ellen Kattun, 1 Elle Leinwand = usw.

    Diese Darstellung war theoretisch, soweit die Ware alsbestimmtes Quantum vergegenständlichter allgemeiner Arbeitszeitnur gedacht war. Das Dasein einer besonderen Ware alsallgemeines Äquivalent wird aus bloßer Abstraktiongesellschaftliches Resultat des Austauschprozesses selbst durcheinfache Umkehrung der obigen Reihe von Gleichungen. Also z.B.:

    2 Pfund Kaffee = 1 Elle Leinwand,1/2 Pfund Tee = 1 Elle Leinwand,8 Pfund Brot = 1 Elle Leinwand,6 Ellen Kattun = 1 Elle Leinwand,

    Indem Kaffee, Tee, Brot, Kattun, kurz alle Waren, die in ihnenselbst enthaltene Arbeitszeit in Leinwand ausdrücken, entfaltet sichder Tauschwert der Leinwand umgekehrt in allen andern Waren alsihren Äquivalenten und wird die in ihr selbst vergegenständlichteArbeitszeit unmittelbar die allgemeine Arbeitszeit, die sichgleichmäßig in verschiedenen Volumen aller andern Warendarstellt. Die Leinwand wird hier allgemeines Äquivalent durch dieallseitige Aktion aller andern Waren auf sie. Als Tauschwert wurdejede Ware zum Maß der Werte aller andern Waren. Hier umgekehrt,indem alle Waren ihren Tauschwert in einer besondern Waremessen, wird die ausgeschlossene Ware adäquates Dasein desTauschwerts, sein Dasein als allgemeines Äquivalent. Dagegenschrumpfen die eine unendliche Reihe oder die unendlich vielenGleichungen, worin der Tauschwert jeder Ware sich darstellte, ineine einzige Gleichung von nur 2 Gliedern zusammen. 2 PfundKaffee = 1 Elle Leinwand ist jetzt der erschöpfende Ausdruck desTauschwerts von Kaffee, da er in diesem Ausdruck unmittelbar als

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  • Äquivalent für bestimmtes Quantum jeder andern Ware erscheint.Innerhalb des Austauschprozesses sind also jetzt die Warenfüreinander da oder erscheinen einander als Tauschwerte in derForm Leinwand. Dass alle Waren als Tauschwerte aufeinanderbezogen sind, als nur verschiedene Quanta vergegenständlichterallgemeiner Arbeitszeit, erscheint jetzt so, dass sie als Tauschwertenur verschiedene Quanta desselben Gegenstandes, der Leinwand,darstellen. Die allgemeine Arbeitszeit stellt sich daher ihrerseits darals ein besonderes Ding, eine Ware neben und außer allen andernWaren. Zugleich aber ist die Gleichung, worin sich Ware für Wareals Tauschwert darstellt, z.B. 2 Pfund Kaffee = 1 Elle Leinwand,noch zu verwirklichende Gleichsetzung. Nur durch ihreVeräußerung als Gebrauchswert, die davon abhängt, ob sie sich alsGegenstand eines Bedürfnisses im Austauschprozess bewährt,verwandelt sie sich wirklich aus ihrem Dasein Kaffee in ihr DaseinLeinwand, nimmt so die Form des allgemeinen Äquivalents an undwird wirklich Tauschwert für alle andern Waren. Umgekehrt da-durch, dass alle Waren durch ihre Entäußerung als Gebrauchswertesich in Leinwand verwandeln, wird die Leinwand das verwandelteDasein aller andern Waren und nur als Resultat dieser Verwandlungaller andern Waren in sie unmittelbar Vergegenständlichung derallgemeinen Arbeitszeit, d.h. Produkt der allseitigen Entäußerung,Aufhebung der individuellen Arbeiten. Verdoppeln die Waren so,um als Tauschwerte füreinander zu erscheinen, ihre Existenz, soverdoppelt die als allgemeines Äquivalent ausgeschlossene Wareihren Gebrauchswert. Außer ihrem besonderen Gebrauchswert alsbesondere Ware erhält sie einen allgemeinen Gebrauchswert. Dieserihr Gebrauchswert ist selbst Formbestimmtheit, d.h. geht aus derspezifischen Rolle hervor, die sie durch die allseitige Aktion derandern Waren auf sie im Austauschprozess spielt. DerGebrauchswert jeder Ware als Gegenstand eines besondernBedürfnisses hat verschiedenen Wert in verschiedener Hand, z.B.andern Wert in der Hand dessen, der sie veräußert, als in der Handdessen, der sie aneignet. Die als allgemeines Äquivalentausgeschlossene Ware ist jetzt Gegenstand eines aus dem Aus-tauschprozess selbst hervorwachsenden allgemeinen Bedürfnisses

    Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie - 34

  • und hat für jeden denselben Gebrauchswert, Träger desTauschwerts zu sein, allgemeines Tauschmittel. So ist in der einenWare der Widerspruch gelöst, den die Ware als solche einschließt,als besonderer Gebrauchswert zugleich allgemeines Äquivalent unddaher Gebrauchswert für jeden, allgemeiner Gebrauchswert zu sein.Während also alle andern Waren jetzt zunächst ihren Tauschwert alsideelle, erst zu realisierende Gleichung mit der ausschließlichenWare darstellen, erscheint bei dieser ausschließlichen Ware ihrGebrauchswert, obgleich reell, in dem Prozess selbst als bloßesFormdasein, das erst durch Verwandlung in wirkliche Gebrauchs-werte zu realisieren ist. Ursprünglich stellte sich die Ware dar alsWare überhaupt, allgemeine Arbeitszeit vergegenständlicht ineinem besondern Gebrauchswert. Im Austauschprozess beziehensich alle Waren auf die ausschließliche Ware als Ware überhaupt,die Ware, Dasein der allgemeinen Arbeitszeit in einem besondernGebrauchswert. Als besondere Waren verhalten sie sich dahergegensätzlich zu einer besondern Ware als der allgemeinen Ware.15Dass also die Warenbesitzer wechselseitig sich auf ihre Arbeiten alsallgemeine gesellschaftliche Arbeit beziehen, stellt sich so dar, dasssie sich auf ihre Waren als Tauschwerte beziehen, diewechselseitige Beziehung der Waren aufeinander als Tauschwerteim Austauschprozess als ihre allseitige Beziehung auf einebesondere Ware als adäquaten Ausdruck ihres Tauschwerts, wasumgekehrt wieder erscheint als spezifische Beziehung dieserbesondern Ware zu allen andern Waren und darum als bestimmtergleichsam naturwüchsig gesellschaftlicher Charakter eines Dings.Die besondere Ware, die so das adäquate Dasein des Tauschwertsaller Waren darstellt, oder der Tauschwert der Waren als einebesondere, ausschließliche Ware, ist - Geld. Es ist eine Kristall-isation des Tauschwerts der Waren, die sie im Austauschprozessselbst bilden. Während daher die Waren innerhalb des Austausch-prozesses als Gebrauchswerte füreinander werden, indem sie alleFormbestimmtheit abstreifen und sich aufeinander in ihrerunmittelbaren stofflichen Gestalt beziehen, müssen sie, umeinander als Tauschwerte zu erscheinen, neue Formbestimmtheit

    15 Derselbe Ausdruck findet sich bei Genovesi. [Note im Handexemplar.]

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  • annehmen, zur Geldbildung fortgehen. Das Geld ist nicht Symbol,so wenig wie das Dasein eines Gebrauchswerts als Ware Symbolist. Dass ein gesellschaftliches Produktionsver-hältnis sich als einaußer den Individuen vorhandener Gegenstand und die bestimmtenBeziehungen, die sie im Produktionsprozess ihres gesellschaftli-chen Lebens eingeben, sich als spezifische Eigenschaften einesDings darstellen, diese Verkehrung und nicht eingebildete, sondernprosaisch reelle Mystifikation charakterisiert alle gesellschaftlichenFormen der Tauschwert setzenden Arbeit. Im Geld erscheint sie nurfrappanter als in der Ware.

    Die notwendigen physischen Eigenschaften der besondern Ware,worin sich das Geldsein aller Waren kristallisieren soll, soweit sieaus der Natur des Tauschwerts unmittelbar hervorgehen, sindbeliebige Teilbarkeit, Gleichförmigkeit der Teile und Unterschieds-losigkeit aller Exemplare dieser Ware. Als Materiatur derallgemeinen Arbeitszeit muss sie gleichartige Materiatur sein undfähig, bloß quantitative Unterschiede darzustellen. Die andrenotwendige Eigenschaft ist Dauerbarkeit ihres Gebrauchswerts, dasie innerhalb des Austauschprozesses ausdauern muss. Die edelnMetalle besitzen diese Eigenschaften in vorzüglichem Grade. Dadas Geld nicht Produkt der Reflexion oder der Verabredung ist,sondern instinktartig im Austauschprozess gebildet wird, habensehr verschiedene, mehr oder minder unpassende Warenabwechselnd die Funktion des Geldes verrichtet. Die Notwendig-keit, auf einer gewissen Stufe der Entwicklung des Austauschpro-zesses, die Bestimmungen von Tauschwert und Gebrauchswertpolarisch an die Waren zu verteilen, so dass eine Ware z.B. alsTauschmittel figuriert, während die andere als Gebrauchswertveräußert wird, bringt es mit sich, dass überall die Ware oder auchmehrere Waren vom Allgemeinsten Gebrauchswert zunächstzufällig die Rolle des Geldes spielen. Wenn nicht Gegenstand einesunmittelbar vorhandenen Bedürfnisses, sichert ihr Dasein alsstofflich bedeutendster Bestandteil des Reichtums ihnen einenallgemeineren Charakter als den übrigen Gebrauchswerten.

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  • Der unmittelbare Tauschhandel, die naturwüchsige Form desAustauschprozesses, stellt vielmehr die beginnende Umwandlungder Gebrauchswerte in Waren als die der Waren in Geld dar. DerTauschwert erhält keine freie Gestalt, sondern ist noch unmittelbaran den Gebrauchswert gebunden. Es zeigt sich dies doppelt. DieProduktion selbst in ihrer ganzen Konstruktion ist gerichtet aufGebrauchswert, nicht auf Tauschwert, und es ist daher nur durchihren Überschuss über das Maß, worin sie für die Konsumtionerheischt sind, dass die Gebrauchswerte hier aufhörenGebrauchswerte zu sein und Mittel des Austausches werden, Ware.Andrerseits werden sie Waren selbst nur innerhalb der Grenzen desunmittelbaren Gebrauchswerts, wenn auch polarisch verteilt, sodass die von den Warenbesitzern auszutauschenden Waren für beideGebrauchswerte sein müssen, aber jede Gebrauchswert für ihrenNichtbesitzer. In der Tat erscheint der Austauschprozess von Warenursprünglich nicht im Schoß der naturwüchsigen Gemeinwesen16,sondern da, wo sie aufhören, an ihren Grenzen, den wenigenPunkten, wo sie in Kontakt mit andern Gemeinwesen treten. Hierbeginnt der Tauschhandel und schlägt von da ins Innere desGemeinwesens zurück, auf das er zersetzend wirkt. Die besondernGebrauchswerte, die im Tauschhandel zwischen verschiedenenGemeinwesen Waren werden, wie Sklave, Vieh, Metalle, bildendaher meist das erste Geld innerhalb der Gemeinwesen selbst. Wirhaben gesehen, wie sich der Tauschwert einer Ware in um sohöherem Grade als Tauschwert darstellt, je länger die Reihe seinerÄquivalente oder je größer die Sphäre des Austausches für die Wareist. Die allmähliche Erweiterung des Tauschhandels, Vermehrungder Austausche und Vervielfältigung der in den Tauschhandelkommenden Waren, entwickelt daher die Ware als Tauschwert,drängt zur Geldbildung und wirkt damit auflösend auf denunmittelbaren Tauschhandel. Die Ökonomen pflegen das Geld aus

    16 Aristoteles bemerkt dasselbe von der Privatfamilie als dem ursprünglichenGemeinwesen. Aber die ursprüngliche Form der Familie ist selbst Stammfamilie,aus deren historischer Analyse sich erst die Privatfamilie entwickelt. "Denn inder ursprünglichen Gemeinschaft (dies aber ist die Familie) bestand offenbarkeinerlei Notwendigkeit für diesen (nämlich den Tausch)." (l.c.)

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  • den äußern Schwierigkeiten abzuleiten, worauf der erweiterteTauschhandel stößt, vergessen aber dabei, dass dieseSchwierigkeiten aus der Entwicklung des Tauschwerts und daherder gesellschaftlichen Arbeit als allgemeiner Arbeit entspringen.Z.B.: Die Waren sind als Gebrauchswerte nicht beliebig teilbar, wassie als Tauschwerte sein sollen. Oder die Ware von A magGebrauchswert für B sein, während die Ware von B nichtGebrauchswert für A ist. Oder die Warenbesitzer mögen ihrewechselseitig auszutauschenden unteilbaren Waren in ungleichenWertproportionen bedürfen. In andern Worten, unter dem Vorwand,den einfachen Tauschhandel zu betrachten, veranschaulichen sichdie Ökonomen gewisse Seiten des Widerspruchs, den das Daseinder Ware als unmittelbare Einheit von Gebrauchswert undTauschwert einhüllt. Andrerseits halten sie dann konsequent amTauschhandel als adäquater Form des Austauschprozesses derWaren fest, der nur mit gewissen technischen Unbequemlichkeitenverknüpft sei, wofür Geld ein pfiffig ausgedachtes Auskunftsmittel.Von diesem ganz flachen Standpunkt aus hat ein geistreicherenglischer Ökonom daher richtig behauptet, Geld sei ein bloßmaterielles Instrument, wie ein Schiff oder eine Dampfmaschine,aber nicht die Darstellung eines gesellschaftlichen Produktionsver-hältnisses und folglich keine ökonomische Kategorie. Es werdedaher nur missbräuchlich in der politischen Ökonomie, die in derTat nichts mit der Technologie gemein hat, abgehandelt.17

    In der Warenwelt ist eine entwickelte Teilung der Arbeitvorausgesetzt, oder stellt sich vielmehr unmittelbar in der Mannig-faltigkeit der Gebrauchswerte dar, die sich als besondere Warengegenübertreten und in denen ebenso mannigfaltige Arbeitsweisenstecken. Die Teilung der Arbeit, als Totalität aller besondern

    17 "Geld ist in Wirklichkeit nur das Instrument zur Tätigung von Kauf undVerkauf" (aber was verstehen Sie, bitte, unter Kauf und Verkauf?) "und seineBetrachtung bildet ebensowenig einen Teil der Wissenschaft der politischenÖkonomie wie die Betrachtung von Schiffen oder .Dampfmaschinen, oderirgendeines anderen Instruments, das zur Erleichterung der Produktion undVerteilung des Reichtums angewandt wird. (Th. Hodgskin, "Popular PoliticalEconomy etc.", London 1827, pag. 178, 179)

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  • produktiven Beschäftigungsweisen, ist die Gesamtgestalt der ge-sellschaftlichen Arbeit nach ihrer stofflichen Seite, als Gebrauchs-werte produzierende Arbeit betrachtet. Als solche aber existiert sie,vom Standpunkt der Waren aus und innerhalb des Austauschpro-zesses, nur in ihrem Resultat, in der Besonderung der Waren selbst.

    Der Austausch der Waren ist der Prozess, worin dergesellschaftliche Stoffwechsel, d.h. der Austausch der besonderenProdukte der Privatindividuen, zugleich Erzeugung bestimmter ge-sellschaftlicher Produktionsverhältnisse ist, welche die Individuenin diesem Stoffwechsel eingehen. Die prozessierenden Beziehun-gen der Waren aufeinander kristallisieren sich als unterschiedeneBestimmungen des allgemeinen Äquivalents, und so ist derAustauschprozess zugleich Bildungsprozess des Geldes. Das Ganzedieses Prozesses, der sich als ein Verlauf verschiedener Prozessedarstellt, ist die Zirkulation.

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  • A. Historisches zur Analyse der WareDie Analyse der Ware auf Arbeit in Doppelform, des

    Gebrauchswerts auf reale Arbeit oder zweckmäßig produktiveTätigkeit, des Tauschwerts auf Arbeitszeit oder gleichegesellschaftliche Arbeit, ist das kritische Endergebnis der mehr alsanderthalbhundertjährigen Forschungen der klassischen politischenÖkonomie, die in England mit William Petty, in Frankreich mitBoisguillebert18 beginnt, in England mit Ricardo, in Frankreich mitSismondi abschließt. Petty löst den Gebrauchswert in Arbeit auf,ohne sich über die Naturbedingtheit ihrer schöpferischen Kraft zutäuschen. Die wirkliche Arbeit fasst er sofort in ihrergesellschaftlichen Gesamtgestalt, als Teilung der Arbeit.19

    18 Eine vergleichende Arbeit über die Schriften und Charaktere Pettys undBoisguilleberts, abgesehen von dem Schlaglicht, das sie auf den sozialenGegensatz Englands und Frankreichs am Ende des 17. und Anfang des 18.Jahrhunderts werfen würde, wäre die genetische Darstellung des nationalenKontrastes zwischen englischer und französischer politischer Ökonomie.Derselbe Kontrast wiederholt sich abschließend in Ricardo und Sismondi19 Petty hat die Teilung der Arbeit auch als Produktivkraft entwickelt, und zwarin großartigerer Anlage als Adam Smith. Siehe: "An essay concerning themultiplication of mankind etc.", 3. Edition 1686, p. 35/36. Er zeigt hier dieVorteile der Teilung der Arbeit für die Produktion nicht nur an der Fabrikationeiner Taschenuhr, wie Adam Smith später an der Fabrikation einer Nadel tat,sondern zugleich durch Betrachtung einer Stadt und eines ganzen Landes unterdem Gesichtspunkt großer Fabrikanstalten. Der "Spectator" vom 26. November1711 bezieht sich auf diese "illustration of the admirable Sir William Petty". MacCullochvermutet also fälschlich, dass der "Spectator" Petty mit einem 40 Jahre jüngernSchriftsteller verwechselt. (Sieh: MacCulloch, "The Literature of PoliticalEconomy, a classified catelogue", London 1845, p.102.) Petty fühlt sich alsGründer einer neuen Wissenschaft. Seine Methode, sagt er, sei "nicht dieherkömmliche". Statt eine Reihe komparativer und superlativer Worte undspekulativer Argumente zusammenzuflechten, habe er es unternommen, intherms of number, weight or measure zusprechen, sich einzig aus sinnlicher Erfahrung abgeleiteter Argumente zubedienen, und nur solche Ursachen zu betrachten, as have visible foundations innature . Der Betrachtung anderer

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  • Diese Anschauung von der Quelle des stofflichen Reichtumsbleibt nicht, wie etwa bei seinem Zeitgenossen Hobbes, mehr oderminder unfruchtbar, sondern leitet ihn zur politischen Arithmetik,der ersten Form, worin die politische Ökonomie sich alsselbständige Wissenschaft abscheidet. Den Tauschwert jedochnimmt er, wie er im Austauschprozess der Waren erscheint, alsGeld, und das Geld selbst als existierende Ware, als Gold undSilber. In den Vorstellungen des Monetarsystems befangen, erklärt

    überlasse er die Ursachen, die abhängen von den mutable minds, opinions,appetites and passions of particular men . ("Political Arithmeticetc.", London 1699, Preface.) Seine geniale Kühnheit zeigt sich z.B. in demVorschlag, alle Einwohner und Mobilien Irlands und Hochschottlends nach demRest von Großbritannien zu transportieren. Damit würde Arbeitszeit gespart, dieProduktivkraft der Arbeit vermehrt, und "der König und seine Untertanen reicherund stärker werden". ("Political Arithmetic", Ch. 4, [p. 325].) Oder in demKapitel seiner politischen Arithmetik, worin er zu einer Zeit, wo Holland einestets noch vorwiegende Rolle als Handelsnation spielte und Frankreichherrschende Handelsmacht zu werden schien, Englands Beruf zur Eroberung desWeltmarkts beweist: "That the king of England's subjects have stock competentand convenient to drive trade of the whole commercial world" (l.c. Ch.10, [p. 272]). "That the impediments of England's greatness are but contingentand removeable." (p. 247 seq.) Ein origineller Humor durchströmtalle seine Schriften. So zeigt er z.B. nach, dass es mit natürlichen Dingenzugegangen sei, als Holland, damals ganz so das Musterland für englischeÖkonomen, wie England es jetzt für kontinentale Ökonomen ist, den Weltmarkteroberte "without such angelical wits and judgments, as some attribute to theHollanders" (l.c. p.175, 176). Er verteidigt die Gewissensfreiheitals Bedingung des Handels, "weil die Armen fleißig seien und Arbeit undIndustrie als Pflicht gegen Gott betrachten, solange man ihnen nur erlaube zudenken, dass sie, die weniger Reichtum haben, mehr Witz und Verstand ingöttlichen Dingen hätten, welches sie als spezielles Eigentum der Armenbetrachten". Der Handel sei daher "nicht fixiert an irgendeine Art Religion, abereher stets an den heterodoxen Teil des Ganzen" (l.c. p. 183-186). Er bevorworteteigne öffentliche Abgaben für Spitzbuben, weil es besser für das Publikum sei,sich selbst für die Spitzbuben zu besteuern, als sich von ihnen besteuern zulassen (l.c. p. 99). Dagegen verwirft er die Steuern, die Reichtum vonindustrieller Hand übertragen auf solche, die "nichts tun als essen, trinken,

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  • er die besondere Art realer Arbeit, wodurch Gold und Silbererworben wird, für Tauschwert setzende Arbeit. Er meint in der Tat,dass die bürgerliche Arbeit nicht unmittelbaren Gebrauchswertproduzieren muss, sondern Ware, einen Gebrauchswert, der fähigist, durch seine Entäußerung im Austauschprozess sich als Goldund Silber darzustellen, d.h. als Geld, d.h. als Tauschwert, d.h. alsvergegenständlichte allgemeine Arbeit. Sein Beispiel zeigt indesschlagend, dass die Erkenntnis der Arbeit als Quelle des stofflichenReichtums keineswegs die Verkennung der bestimmtengesellschaftlichen Form ausschließt, worin die Arbeit Quelle desTauschwerts ist.

    singen, spielen, tanzen und Metaphysik betreiben" [l.c. p. 198]. Pettys Schrittensind beinahe buchhändlerische Raritäten und nur in alten schlechten Ausgabenzerstreut vorhanden, was um so wunderlicher, als William Petty nicht nur derVater der englischen Nationalökonomie, sondern zugleich der Vorfahre vonHenry Petty alias Marquis of Lansdowne, dem Nestor der englischen Whigs. DieFamilie Lansdowne könnte indes kaum eine Gesamtausgabe von Pettys Werkenveranstalten, ohne sie mit seiner Lebensgeschichte einzuleiten, und hier gilt, wasvon den meisten origines der großen Whigfamilien, the less said ofthem the better . Der denkkühne,aber grundfrivole Armeechirurgus, der ebenso geneigt war, unter CromwellsÄgide in Irland zu plündern, als von Karl II. den nötigen Baronettitel für denPlunder zu erkriechen, ist ein Ahnenbild kaum passend zu öffentlicherSchaustellung. Überdem sucht Petty in den meisten Schriften, die er beiLebzeiten herausgab, zu beweisen, dass Englands Blütezeit unter Karl II. fällt,eine heterodoxe Ansicht dies für erbliche Exploiteurs der "glorious revolution".

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  • William Petty (1623-1687) Er gilt als der Vater der englischen Nationalökonomie

    Boisguillebert seinerseits löst, wenn nicht bewusst, so tatsächlichden Tauschwert der Ware in Arbeitszeit auf, indem er den "wahrenWert" (la juste valeur) durch die richtige Proportion bestimmt,worin die Arbeitszeit der Individuen auf die besondernIndustriezweige verteilt wird, und die freie Konkurrenz als dengesellschaftlichen Prozess darstellt, der diese richtige Proportionschaffe. Gleichzeitig aber und im Kontrast zu Petty, kämpft erfanatisch an gegen das Geld, das durch seine Dazwischenkunft dasnatürliche Gleichgewicht oder die Harmonie des Warenaustauschesstöre und, ein phantastischer Moloch, allen natürlichen Reichtumzum Opfer verlange.

    Pierre Le Pesant, sieur de Boisguilbert (1646-1714)

    Französischer Ökonom zur Zeit des Merkantilismus

    Wenn nun einerseits diese Polemik gegen das Geld mitbestimmten historischen Umständen zusammenhängt, indemBoisguillebert die blindzerstörende Goldgier des Hofes einesLudwig XIV., seiner Finanzpächter und seines Adels befehdet20,

    20 Im Gegensatz zur schwarzen Finanzkunst der damaligen Zeit sagtBoisguillebert: "Die Finanzkunst ist nichts als die vertiefte Kenntnis derInteressen der Landwirtschaft und des Handels." ("Le détail de la France" 1697.

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    http://www.marktendenews.de/https://de.wikipedia.org/wiki/Klassische_National%C3%B6konomiehttps://de.wikipedia.org/wiki/William_Petty

  • während Petty in der Goldgier den tatkräftigen Trieb feiert, der einVolk zur industriellen Entwicklung und zur Eroberung desWeltmarkts stachelt, springt hier jedoch zugleich der tiefereprinzipielle Gegensatz hervor, der sich als beständiger Kontrastzwischen echt englischer und echt französischer21 Ökonomiewiederholt. Boisguillebert sieht in der Tat nur auf den stofflichenInhalt des Reichtums, den Gebrauchswert, den Genuss22, undbetrachtet die bürgerliche Form der Arbeit, die Produktion derGebrauchswerte als Waren und den Austauschprozess der Waren alsdie naturgemäße gesellschaftliche Form, worin die individuelleArbeit jenen Zweck erreiche.

    Ausgabe von Eugène Daire der "Economistes financiers du XVIII. siècle". Paris1843, vol. I, p. 241.)21 Nicht romanischer Ökonomie, denn die Italiener in den beiden Schulen, derneapolitanischen und der mailändischen, wiederholen den Gegensatz vonenglischer und französischer Ökonomie, während die Spanier der früherenEpoche entweder bloß Merkantilisten sind, und modifizierte Merkantilisten wieUstáriz, oder wie Jovellanos (sieh seine "Obras", Barcelona 1839/40) mit AdamSmith die "richtige Mitte" halten.22 "Der wahre Reichtum ... ist der vollkommene Genuss nicht nur derLebensbedürfnisse, sondern auch des Überflusses und all dessen, was denSinnen Freude bereiten kann." (Boisguillebert, "Dissertation sur la nature de larichesse etc.", l.c. p. 403.) Während aber Petty ein frivoler plünderungslustigerund charakterloser Abenteurer war, trat Boisguillebert, obgleich einer derIntendanten Ludwig XIV., mit ebensoviel Geist als K�