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Projektgruppe Wa(h)re Identi tät · 2016. 5. 8. · Marx/Engels Werke˜40, 546) – diese aus dem 19ten Jahrhundert stammende Kritik von Karl Marx an den Identitätsfallen des Kapitalismus

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ProjektgruppeWa(h)reIdentität

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Originalausgabe 1. Auflage Januar 2016© 2015 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin; [email protected]@jugendkulturen.deAlle Rechte vorbehalten

Vertrieb für den Buchhandel: Bugrim (www.bugrim.dewww.bugrim.de)Auslieferung Schweiz: Kaktus (www.kaktus.net)www.kaktus.net)E-Books, Privatkunden und Mailorder: shop.jugendkulturen.deshop.jugendkulturen.de

Hrsg.: Kurt MöllerLektorat: Gabriele VogelIllustration und Layout: Jouak (jouak.comjouak.comIllustration und Layout: Jouak (jouak.comIllustration und Layout: Jouak ( )ISBN 978-3-945398-16-6 print

978-3-945398-17-3 pdf 978-3-945398-18-0 epub

Unsere Bücher kann man auch abonnieren: shop.jugendkulturen.de shop.jugendkulturen.de

Die AutorInnen:Dieses Buch entstand im Zusammenhang mit einem von Prof. Dr. Kurt Möller geleiteten zweisemestrigen Lehr-forschungsprojekt an der Fakultät für Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege der Hochschule Esslingen.Die AutorInnen sind: Juliane Bauer, Judith Beck, Manuel Begenat, Daniela Clausnizer, Karolina Czirnia, Svenja Dengler, Judith Dreher, Julian Haugg, Claudia Keifenheim, Matthias Mauz, Jasmin Mayer, Joachim Meirose, Kurt Möller, Anja Plümer, Johannes Sachse, Nadja Sailer, Sarah Schröder, Johannes Sorg und Isabelle Träger.

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Vorwort „Das Geld ist ja nicht weg, … es ist nur woanders!” 9

Einführung Kurt Möller: „Haste nix, biste nix!“? Zusammenhänge von Geld, Konsum und Geltung 11

Mainstream? 27„So ‘n bisschen Hipster is eigentlich jeder.” 29„Ich bin trend.“ 38„Jeder hat in ‘ner Art den gleichen Style …“ 43„Wo ist denn eigentlich die Wimperntusche für Kinder?“ 47„Ich kann halt nicht nach dem Äußeren gehen. Deshalb probier ich‘s erst gar nicht.“ 50„Ich mach eigentlich immer nur so ‘n Bobbel ...“ 53„Normale Menschen tun immer saufen und rauchen und ein normaler Mensch ist auch nett und lieb.“ 56„Es gibt jetzt eigentlich nix, wo ich sagen würde, dass mir das zu viel sei.“ 59„Der Wasa ru�, der Wasa ru�!“ 63

Geht‘s auch anders? 67„Mein Markt ist die Tonne.“ 68Containern – das erste Mal 77„Die Waggons sind eine Welt für sich.“ 79„Was ist denn der Sinn des Lebens?“ 85„… wenn ich mal was ausprobieren wollte, dann wäre es, dass ich mal für einen Tag genauso bin wie die anderen.“ 91„Ich gebe, du gibst, wir tauschen“ – der Kleiderrausch im Jesustre� 97„… meine größte Befürchtung, dass ich irgendwann zum Greenwashing-Mensch werde.“ 100 „Und da haben wir gesungen: ‚Kau� noch MEHR ein! Kau� noch MEHR ein!“ 107„Die Stadt gehört allen!“ 112„… auf dem Balkon einen Salatbaum …“ 121

Nur Business? 127Einkaufen bei Primark – eine Reportage 128„Fairness, Mitgefühl, Miteinander und Rücksicht. Das fehlt.“ 131„Ein Abendkleid aus Unterhosen“ 135„… ich weise immer darauf hin, dass man mich nicht kaufen kann.“ 141„... ich bezeichne mich als Wunscherfüllerin ...“ 145„... nur ein Mittel zum Zweck.“ 148

Inhaltsverzeichnis

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Ein Tag vor Heiligabend – Überleben im Einkaufsrausch 150„… die Marke ist in dir drin.“ 152„Cool, der kann Kick�ip, dem seine Klamotten sind cool, das muss ich jetzt auch haben.“ 158

Geht‘s auch ohne? 163„Wieso den Leuten, die sowieso mega viel Kohle machen, mein Geld noch in ‘n Rachen schmeißen?“ 164„Am Wochenende merkt man besonders, dass man eingesperrt ist.“ 171Sieben Tage hinter Klostermauern – ein Tagebuch 175„Ich musste dann wieder in der Vorlesung aufpassen.“ 181„Es gibt so viel Tolles, was nicht materiell ist …“ 184„Artgerecht ist nur die Freiheit!“ 188„... nicht so ein Schubladen-Veganer sein, der nach irgendeiner Bibel lebt.” 197„Es wäre schön, ö�ers so eine Zeit im Kindergarten zu haben.“ 201

Altbacken? 209„Ich will in Abhängigkeit zu Gott leben und nicht in Abhängigkeit vom Geld.“ 210„Die Wegwerfgesellscha� gibt es ja nicht nur bei den Tomaten, sondern auch bei den Menschen.“ 217„Wenn man Vieles hat, merkt man o� nicht, was einem wirklich fehlt.“ 221„Die App klingelt und sagt mir: Jetzt ist es Zeit für das Mittagsgebet.” 226„Die Jugend, die ist, krass gesagt, verwöhnt.“ 230„… auf die versprochene Dampfmaschine warte ich heute noch.“ 233

Zuviel des Guten? 239„Ich habe eigentlich auch nicht vor, in der Zukun� aufzuhören.“ 240„Wenn ich jetzt echt was durchziehen wollte …“ 243„… eine Mischung aus Liebesersatz und Geltungsbedürfnis.“ 247„Es war alles so surreal, so postapokalyptisch.“ 251„Und wenn es echt hart auf hart kommt, dann mache ich halt ‘nen neuen Kredit!“ 259„Ich weiß ja, dass ich verliere!“ 264„Kopf in den Sand – Briefe wegschmeißen …“ 268„Der, der Kohle hatte, hat es gezeigt.“ 274„Man versucht … alles, was Richtung Kommerz geht, abzulehnen.“ 277„Wenn man nicht essen und trinken oder schlafen müsste, dann könnte man immer vorm PC hocken.“ 285

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Das Geld ist ja nicht weg…

Wohl wahr! Aber nur ein schwacher Trost, wenn man sich mal wieder was besonders Teures geleistet oder aus anderen Gründen Ebbe in der Kasse hat. Sein augenzwinkernd-ironischer Unterton lässt sich nicht überhören, so unmissverständlich er auch auf den realen Kreislauf des Geldes hinweist. Ob wir wollen oder nicht: Wir sind Teil dieses Kreislaufs: Ohne Moos nix los! Ein radikaler Ausstieg aus der Geldwirtschaft gelingt niemandem von uns. Auch nicht, wenn wir uns um jeden Preis dem Umstand entziehen wollen, dass sich in unserer Welt anscheinend alles um die Kohle dreht. Um haben oder nicht haben. Um kaufen oder verkau-fen. Um genießen können oder verzichten müssen. Um Macht oder Ohnmacht. Denn wie heißt es so unschön: Wer zahlt, bestimmt die Musik!

Schließlich sind wir Menschen Stoffwech-selwesen. Von Luft und Liebe allein können wir nicht leben. Wir müssen essen, trinken, wohnen, uns kleiden  … Nicht zufällig versteht uns die Volkswirtschaft als „Verbraucher“. Unsere Welt – zumal die westliche – mutiert zu einer globalen Einkaufszone. So asketisch man/frau sich auch geben mag: Am Konsumieren geht kein Weg vorbei! Und am Geldausgeben folglich auch nicht.

Oder vielleicht doch? Lassen sich nicht wenigstens die breit asphaltierten Konsum-Autobahnen ver-meiden? Finden sich nicht doch andere Pfade des Konsums – versteckt und abseits des Mainstream?

Oder suchen wir sie gar nicht wirklich? Schweineberge, Milchseen, Tomatenschwemmen

– sicherlich: Wir leben in einer Überflussgesell-schaft. Wer weiß das nicht? Ozonloch, Atom-endlagerung, Müllexporte in Entwicklungsländer – zugegeben: Die Wegwerfgesellschaft hat ihren Preis. Aber seien wir doch mal ehrlich: Solange andere diesen Preis bezahlen – Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ und künftige Gene-rationen – was schert‘s uns dann alltagspraktisch?

Hinzu kommt: Was Neues zu haben, ist doch einfach schön, oder? Ein bisschen Luxus – wer will das nicht? Sind wir nicht alle ein bisschen It-Girl – selbst die Kerle unter uns?

Consumo, ergo sum: Ich konsumiere, also bin ich. Mag sein, dass wir diese Lebensphilosophie für überzogen halten. Aber kaufen wir nicht mit jedem Produkt auch ein Stück unseres Selbstver-ständnisses? Mehr noch: Bauen wir nicht auch einen großen Teil unserer Außenwirkung über Konsum- und Besitzgüter auf? Wie wirbt eine große Jeans-Marke für ihre Produkte? „Tu was für dein Image! Zeig Dich mit mir!“ „Was ich zahlen, das heißt, was das Geld kaufen kann, das bin ich, der Besitzer des Geldes selbst. So groß die Kraft des Geldes, so groß ist meine Kraft.“ (vgl. Marx/Engels Werke 40, 546) – diese aus dem 19ten Jahrhundert stammende Kritik von Karl Marx an den Identitätsfallen des Kapitalismus scheint manch einem aktueller denn je.

Wie viel „wahre Identität“ bietet eigentlich die „Ware Identität“? Welche Bedeutung hat sie gerade für junge Leute als Hauptzielgruppe von

es ist nur woanders!

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<< Einführung – Kurt Möller 10

Werbung und Marketing? Und wie lässt sich Identität wahren – mitten im Einkaufs- und Konsumdschungel selbst, aber auch an seinen Rändern und durch die Anlage von Landschaften, die Gegenentwürfe bilden?

Genau dies sind die Kernfragen der studentischen Arbeitsgruppe der Hochschule Esslingen, die dieses Buch gemacht hat. Es ist das Produkt ihrer einjährigen Recherchen unter jungen Leuten ganz unterschiedlicher Szenen, Verständnisse und Lebensweisen: „Normalos“, Ordensleute, „Knackies“, Urban Gardener, ausdrücklich Konsumkritische, Label-Prostituierte und Freaks jegli-cher Couleur.

Sie wollen wissen, was sie denken? Sie wollen sie verstehen? Sie wollen ihre Haltungen etwas einordnen können? Na dann: Lesen hilft!

Esslingen, im Januar 2015

Projektgruppe Wa(h)re Identität

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„Haste nix, biste nix!“? << Einführung – Kurt Möller 11

„Haste nix, biste nix!“?

Geld und Konsum sind Sachverhalte, mit denen wir tagtäglich zu tun haben – und dennoch wissen wir über die Bedeutung, die ihnen für die Menschen zukommt, wissenschaftlich eher wenig.

Nun gut: Die Wirtschaftswissenschaften erheben Preisent-wicklung und Verkaufszahlen, berechnen Kapitalinvesti-tionen und Produktionskosten, prüfen den ökonomischen Nutzen von Werbestrategien, errechnen Gewinne wie Verluste und Vieles mehr. Sie vermessen die Sphären von Produktion, Kauf, Verkauf und Besitz. Aber sie beschränken sich zumeist auf das, was sie für objektive Fakten halten. Was Geld und Konsum mit Selbstbildern, Fremdwahrnehmungen, Gesellschaftsverständnissen, Gemeinschaftsbildungen etc. der Konsument_innen zu tun haben, interessiert sie selten. Und wenn einmal doch, dann zumeist unter Gesichtspunkten von Kosten-Nutzen-Verhältnissen.

Letzteres gilt auch für den Großteil der Werbe- und Kommunikationspsychologie, die im Spektrum der wirtschaftsnahen Disziplinen noch am ehesten die subjektiven Relevanzsetzungen von Konsum und sei-ner Finanzierungen in den Blick nimmt (vgl. dazu das Interview mit Damaris in diesem Band). Im Fokus stehen freilich dann zumeist die konsumstarken Jahrgänge bzw. junge Leute, die man erst noch als Konsument_innen von bestimmten Produkten gewinnen will.

Angesichts dessen, dass zum einen Geld und Konsum Alltagsdinge sind und dass zum anderen gerade die junge Generation wie keine zweite konsumgesellschaftlich

umworben wird, verwundert es nicht wenig, dass Päda-gogik und Soziale Arbeit mit Kindern und Jugendlichen diese Themen bislang stark, ja sträflich unterbelichten. Konsumpädagogik bzw. Konsumerziehung existieren zwar als Begriffe, konkrete Ansätze, Konzepte und Maß-nahmen sind allerdings rar und kommen anscheinen nur schwer und etwas holprig in Gang (vgl. dazu aber Lange/Muck 1997; Stange/Gnielczyk 2000; Tully/Krug 2011; Nemnich/Fischer 2011 sowie das Interview zum spielzeugfreien Kindergarten und den knappen Infokasten in diesem Band). Dabei gäbe es eigentlich jede Menge Veranlassung, sich mit dem Thema zu beschäftigen: die von manchen beklagte angebliche Zentrierung auf das Materielle bei der jungen Generation, die zunehmende Kommerzialisierung der Freizeit und die Rede von Konsum als Sinnsurrogat oder gar Ersatzreligion (vgl. die Interviews mit Ordensleuten in diesem Band), die registrierten Abgrenzungen unter Gruppierungen von Jugendlichen selbst entlang des Besitzes bestimmter Konsumgüter und der Nutzung bestimmter Marken (vgl. z. B. das Interview mit Paul und Marie in diesem Band), die Klagen über die Brüchigkeit einer Konsumidentität (vgl. z. B. die Interviews mit Gesche, Wiesel und Axel in diesem Band), die mit Konsumwünschen in Verbin-dung gebrachte Beschaffungs-Kriminalität (vgl. z. B. das Interview mit den zwei „Elstern“ in diesem Band), Sucht-gefahren (vgl. die Interviews mit Anthony und Smoky) und Prostitution (vgl. die Interviews mit Iwan, Sarah und Viktoria), die deutliche Zunahme der Verschuldungspro-blematik bei den Jüngeren (vgl. z. B. die Interviews mit

Zusammenhänge von Geld, Konsum und Geltung Kurt Möller

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Einführung – Kurt Möller >> „Haste nix, biste nix!“? << Einführung – Kurt Möller 12

Ann-Christine, Michael und Anonymus in diesem Band), die Befürchtung, die ökologischen und sozialen Kosten der „Ex-und-hopp-Gesellschaft“ nicht mehr tragen zu können (vgl. z. B. das Interview mit Katharina in diesem Band) und andere Problemlagen mehr (vgl. insgesamt auch Lange/Choi 2004).

Auch wenn weniger problemzentriert auf das Themenfeld geschaut wird, erstaunt die weitverbreitete fachprakti-sche und fachwissenschaftliche Ignoranz der mit dem Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen befassten Disziplinen und Professionen. Kaum beschäftigt wird sich mit Fragen wie: Inwiefern bieten die vielfältigen Konsummöglichkeiten unserer Tage Minderjährigen gut nutzbare Ressourcen? Inwieweit werden durch sie in weiten Teilen der (jugendlichen) Bevölkerung Bedarfe gestillt, deren Befriedigung früher allenfalls bestimmten Gruppen und Schichten offenstand (vgl. die Interviews mit dem 84-jährigen Fritz Plümer und der 85-jährigen Gerda Renzenbrink)? Inwiefern stiften gemeinsame kon-sumatorische Akte Gemeinschaft (vgl. das Interview mit dem Computerspieler Martin in diesem Band)? Welche (Identitäts-)Gewinne sehen Kinder und Jugendliche eigentlich in bestimmten Konsumweisen und Konsum-gütern (vgl. z. B. das Interview mit Giuseppe)? Welche Kompetenzen erwerben sie über die Entwicklung von Konsumfähigkeit und durch den Umgang mit Geld? In welcher Weise und mit welchen Grenzen organisieren Jugendliche Zugehörigkeit, Partizipation und Anerken-nung über Konsum und Besitz (vgl. z. B. Paul und Marie sowie das Gruppengespräch mit den Achtklässlern im Rahmen des Projekts „Dialog macht Schule“ in diesem Band)? Inwieweit kann die Globalisierung der Markenwelt und der Konsumproduktion zu einem im Generationen-vergleich neuartigen Bewusstsein weltumspannender Abhängigkeiten, Zusammenhänge und Integrations-chancen beitragen? Welche neuen, eher konsumfernen bzw. konsumbewussteren Lebensweisen propagieren und praktizieren junge Leute (vgl. z. B. die Interviews mit Moe, Angelina, Wiesel und Gizmo in diesem Band)?

Jede Menge Fragen, die jede Menge Antworten heraus-fordern. Eine Quersicht auf die durchgeführten Recher-chen, Beobachtungen und Interviews kann sie nicht in

umfassender Weise liefern, vermag aber immerhin die im Folgenden dargelegten Überlegungen und Erkenntnisse zu Tage zu fördern.

Dabei ist vorab zu bedenken: Egal um welche Phä-nomene es sich handelt: Betrachtet man sie isoliert von ihrer Umwelt, dann lässt sich kein adäquates Verständnis für sie entwickeln. Daher werden die Phänomene Geld und Konsum hier zunächst in einen gesellschaftlichen Kontext gestellt, der sich aus der damit eingenommenen Perspektive ihrer generellen sozialen Bedeutung zu ver-gewissern sucht.

In einem zweiten Schritt werden sie dann in den Zusammenhang individueller Entwicklung gestellt, und es wird die Frage aufgeworfen, welchen Stellenwert sie für das persönliche Streben des Subjekts nach Lebens-gestaltung besitzen.

Geld und Konsum – der gesellschaftliche

Kontext der Kohäsion: Zugehörigkeit, Partizipation, Anerkennung, Identifikation

Aus gesellschaftlicher Perspektive lassen sich Geld und Konsum als Medien begreifen, die soziale Kohäsion sicherstellen sollen.

„Essen und trinken hält Leib und Seele zusammen“ sagt der Volksmund. Essen und trinken hält aber wohl auch die Gesellschaft zusammen. Freilich: Nicht nur essen und trinken, auch andere konsumbezogene Akti-vitäten wie sich kleiden, wohnen, Medien nutzen, reisen etc. haben diese Funktion. Eine gewisses Ausmaß an Bedürfnisbefriedigung, ja eine gewisse Saturiertheit der Bevölkerung und ihr Wohlstand schaffen augenscheinlich Systemvertrauen: Warum sollte ich aufbegehren, solange meine Bedürfnisse gestillt werden?

Aber nicht nur das vorhandene ökonomische System sucht sich durch Nachweise solchen Funktionierens zu sta-bilisieren, auch ganze gesellschaftliche Kollektive werden offensichtlich durch Konsum gebildet. Dabei muss man nicht nur daran denken, dass sich mittels finanzieller Mittel und Konsumchancen eine „reiche“ und konsumstarke

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Einführung – Kurt Möller >> „Haste nix, biste nix!“? << Einführung – Kurt Möller 13

Oberschicht auf der einen Seite und eine eher „arme“ und in ihren Konsummöglichkeiten begrenzte Unterschicht gruppieren. Verschiedene sozioökonomische Kreise und Konsumkulturen, ihre jeweiligen Rituale und Stile schaffen auch Gemeinschaft(sempfindung)en, auch gerade unter jungen Menschen: die Clubgänger, die Fußballfans, die „Ökos“, die Popmusik-Hörer, die Computerfreaks – um nur einige wenige zu nennen. Dabei bleibt zwar offen, inwieweit solche Gemeinschaften real existieren oder nur fiktiv, imaginiert und als Illusionen bestehen. Sie prägen aber in jedem Fall die gesellschaftliche Ordnung und die wechselseitige Wahrnehmung und Einordnung der Gesellschaftsmitglieder.

Spezifizierter ausgedrückt: Geld und Konsum sol-len insbesondere der Vermittlung von Zugehörigkeit, Partizipation, Anerkennung und Identifikation dienen – zumindest der subjektiven Empfindung all dessen bei den Menschen (vgl. zu diesen Begriffen im Zusammen-hang von Kohäsion und sozialer Integration auch Möller 2013).

ZugehörigkeitIn modernen Gesellschaften wird Zugehörigkeit zu grö-ßeren sozialen Einheiten immer weniger als naturgegeben betrachtet. Selbst wenn innerhalb der Kleinfamilie noch gelten mag, dass Blut dicker ist als Wasser, so gilt doch für größere gesellschaftliche Assoziationen, dass die biologi-sche Abstammung an Bedeutung verliert: Nicht (mehr so sehr) weil man in bestimmte nationale Herkunftsbezüge, in einen bestimmten Stamm, in eine bestimmte Sippe oder in einen bestimmten Verwandtschafts-Clan hineingeboren wurde, kommt einem eine entsprechende Zugehörigkeit zu. Vielmehr ist sie erst zu erwerben. Vor allem über zwei Mechanismen wird in diesem Sinne Zugehörigkeit erzielbar: über Leistung und Besitz. Leistungseliten auf der einen Seite, sozioökonomische Underperformer auf der anderen Seite, Besitzbürger und „Besserverdienende“ hie, Habenichtse und Sozialtransfer-Empfänger dort – zwischen diesen Polen spannt sich die soziale Verortung auf. Entweder man hält mit oder man ist ein „Loser“. Dass die meisten von uns weder ganz das Eine noch völlig das Andere sind, ändert an den Währungen, mit denen

soziale Platzierungen verteilt werden, nichts. Sie heißen Leistung und Besitz.

Besitz ist von jeher ein zentrales Kriterium, mit dem Status, Macht und gesellschaftliches Ansehen einher-geht. Im Verhältnis unterschiedlicher Besitzformen wie Ländereien, Immobilien, Unternehmen, Geldvermögen etc. scheint allerdings für die Zurechnung und Demons-tration sozialer Zugehörigkeit zu gemeinschaftlichen Sphären, insbesondere in jüngeren Generationen, eine Verschiebung bzw. Gewichtsverlagerung eingetreten zu sein. Gegenüber Besitztümern, die über Generationen hinweg tradiert werden können, verschaffen sich wertvolle Konsumgüter von u. U. durchaus kurzen Halbwertszeiten einen wachsenden Stellenwert. Sicher: Das ökonomische Kapital hat nach wie vor ein bemerkenswertes Beharrungs-vermögen in jenen Kreisen, die es ihr Eigen nennen. Es wird in einer Weise an die nachfolgenden Generationen vererbt, die die Grundstrukturen der Vermögensver-teilung langfristig sichert, ja geradezu zementiert. So konzentrieren sich über die letzten Jahrzehnte hinweg rd. 2/3 des Gesamtvermögens in den Händen von 10 % der Bevölkerung. Die ärmsten 20 % besitzen dagegen 0 % des gesellschaftlichen Gesamtvermögens (vgl. Frick/Grabka 2009; Bach/Beznoska/Steiner 2011). Dennoch: Die objektive ökonomische Potenz von Besitzenden und ihr Beitrag zum Erhalt des gesellschaftlichen Systems ist das Eine. Die soziale Zugehörigkeit, die im Alltag aktiviert wird und Gemeinschaftlichkeit konstruiert, ist das Andere.

Alltägliche soziale Interaktionen und die darauf basierenden sozialen Zuordnungen zu Kollektiven wer-den weniger durch ein – im Alltag ja in der Regel auch unsichtbar bleibendes – großvolumiges Sachvermögen bestimmt, als durch die Verfügungsmöglichkeiten über angesagte und (meist zugleich) wertvolle Gebrauchsgüter geprägt. Konsumfähigkeit läuft hier statischem Besitz den Rang ab. Möglichst immer flüssig zu sein, sprich: über Geldmittel zu verfügen, die ungehemmten Konsum ohne kriminelle Machenschaften möglich machen, ist dafür allerdings eine nicht zu vernachlässigende Vor-aussetzung. In einer Gesellschaft, in der das unablässige Kaufen und der sich ständig umwälzende Prozess des Ge- und Verbrauchens mehr zählt als das Wahren des Besitzes und seine Pflege wird das Geldausgeben(können)

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Einführung – Kurt Möller >> „Haste nix, biste nix!“? << Einführung – Kurt Möller 14

mindestens ebenso wichtig wie das Geldhaben. Das epi-sodische sinnliche Erleben des konsumatorischen Akts verdrängt zunehmend den Besitzerstolz. Nicht „Haben oder Sein“ (Fromm 1976) erscheinen – so gesehen – als die Alternativen der „seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft“ – so der Untertitel des Bestsellers von Erich Fromm –, sondern (Nicht-)Haben oder Konsumieren.

Längst leben wir dabei in einer Gesellschaft, in der Leis-tung nicht nur als Produktionsleistung definiert wird. Neben Distributions- und Qualifizierungsleistungen – also etwa Tätigkeiten im Vertrieb von Waren und beim Bildungserwerb – wird in der (nicht zufällig vielfach so bezeichneten) Leistungs- und Konsumgesellschaft unserer Tage vor allem auch die Leistungsfähigkeit des Konsums immer wichtiger. Nicht nur das, was man leisten kann, sondern auch vermehrt das, was man sich leisten kann, wird zum Ausweis von Zugehörigkeit: ein dickes Auto, eine schick eingerichtete Wohnung, modische Kleidung, neueste Kommunikationstechnik u.ä.m. Eher zweitrangig erscheint dabei, ob solche Konsumfähigkeit durch gesell-schaftlich nützliche Arbeit erworben wurde.

Was in einer outputorientierten Erfolgskultur wie Was in einer outputorientierten Erfolgskultur wie Wder unsrigen am Ende zu zählen scheint, ist das voraus-setzungs- und bedingungslose Konsumieren an sich. Mehr noch: Je stärker sich der Kapitalismus insgesamt und der kapitalistische Alltag insbesondere digitalisiert, desto mehr erleidet der physisch-materielle Besitz an Einbußen für Zugehörigkeitsdefinitionen. Möglichst umfassende Verfügungschancen über die digitale Konsumwelt zu besitzen und sich innerhalb ihrer souverän zurechtfinden zu können, gewinnt an Bedeutung gegenüber (dem Protzen mit) bloßem Besitz. Am Beispiel: Soziale Zugehörigkeit wird unter Jugendlichen weniger dadurch gezeigt bzw. zugesprochen, dass jemand tatsächlich das topaktuellste und teuerste Handy besitzt, als darüber organisiert, dass jemand mit seinem Smartphone virtuos konsumatorisch umgehen kann. Eine geile App heruntergeladen oder ein witziges Video auf Youtube aufgestöbert zu haben, garantiert Zugehörigkeit eher als der Besitz von beson-ders teurem technischen Schnickschnack. Ein gewisser Bedeutungsverlust des unbedingten Besitzenwollens ist im Übrigen ja auch schon in anderen gesellschaftlich relevanten Konsumbereichen innerhalb der jüngeren

Generation registrierbar: Die Zahl solcher junger Leute in den Metropolen wächst, die auf eigenen Autobesitz keinen Wert mehr legen – erst recht nicht als Status-symbol. Was für sie stärker zählt, ist ein gut ausgebautes Radwegenetz, ein eng getakteter öffentlicher Nahverkehr und die Verfügbarkeit eines Autos nur dann, wenn man es wirklich braucht, bspw. über sogenannte Stadtmobile bzw. Carsharing.

PartizipationDie gesellschaftliche Partizipation der Subjekte wird in der modernen Marktgesellschaft neben den Arenen der Politik und der Öffentlichkeit – und zum Teil in Verbin-dung mit ihnen – nicht zuletzt über ihre Konsumfähigkeit hergestellt bzw. herzustellen angestrebt. Wer sich dem eigenen Empfinden nach in hinreichendem Maße auf dem Konsummarkt bewegen kann, vermag gesellschaftliches Beteiligtsein zu verspüren – zumindest soweit, wie es als Zugang zu und Mitverfügen über die materiellen Güter einer Gesellschaft verstanden wird. Konsum schafft insofern diese spezifische Form von gesellschaftlichem Angeschlossensein. Dies gilt mit Abstrichen sogar mehr oder minder auf niedrigem Niveau für einen Konsum, der unterhalb des ersten Konsummarktes stattfindet und mittels Tafelläden, Essensgutscheinen, BonusCards, kleinen monetären Zuwendungen und Brockensammlun-gen organisiert wird, wobei hier die soziale Ein- besser: Anbindung allerdings zumeist partiell und hochgradig prekär bleibt. Nicht wenigen erscheint sie weniger grund-sätzlichen Partizipationsrechten aller Subjekte als dem Interesse der Mächtigen am Systemerhalt geschuldet (vgl. zu einer derartigen Kritik an Tafelläden etwa Selke 2012). Diagnostiziert wird in dieser gesellschaftskritischen Sicht eine geradezu narkotisierende Wirkung des Konsums, die den Drang nach Befriedigung „wahrer“ Bedürfnisse bewusstseinsindustriell überformt und paralysiert. Wird dieser Auffassung gefolgt, so ist die Beteiligung an gesell-schaftlichen Prozessen des Konsumierens allenfalls als eine Art von „Partizipation light“ zu verstehen: Man/frau ist irgendwie dabei, aber letztlich einflusslos. Die Konsument_innen sind danach im wahrsten Sinne des Wortes bestenfalls Marktteilnehmer_innen, nicht aber Marktteilhaber_innen.

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Einführung – Kurt Möller >> „Haste nix, biste nix!“? << Einführung – Kurt Möller 15

Soziale Zugehörigkeit dadurch erwerben und demonstrie-ren zu können, dass man/frau auf dem „normalen“ Kon-summarkt mithalten und bestehen kann, bedeutet jedoch auch nicht zwangsläufig, hier umfassend zu partizipieren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Teilhabe nicht nur als die Einnahme passiver Konsumentenrollen verstanden wird. Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken ermöglichen zwar, ja erfordern teilweise geradezu, den aktiven Konsum: das Uploaden von Dateien, das Kreieren von Blogs, das Sich-Einschalten in Foren, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ansonsten aber – z. T. längst jedoch auch unter Nutzung des Internets – ist aktive Marktteilnahme eher in Nischen gedrängt: in das Re- und Upcycling von Produkten (vgl. dazu das Interview mit Carina in diesem Band), den Tauschhandel und das Verschenken (vgl. z. B. das Interview mit Fabi zum Fairteiler und die Reportage „Kleiderrausch“ in diesem Fairteiler und die Reportage „Kleiderrausch“ in diesem FairteilerBand). Oder die Verbraucher- und Produzentenrolle spielt sich nahezu gänzlich außerhalb des Marktes ab (vgl. z. B.das Interview mit Moe zum Containern und mit Gizmo zum Urban Gardening). Freilich ist eine aktive Ausei-nandersetzung mit dem Marktgeschehen auch dort zu lokalisieren, wo selektiv-kritisch mit den Verlockungen der Einkaufsparadiese umgegangen wird, der Boykott mancher Konzerne, Warenangebote und Konsumweisen propagiert und teilweise auch praktiziert wird (vgl. dazu z. B. das Interview mit der Adbusterin in diesem Band), zumindest aber mehr Verbrauchsbewusstsein angezielt werden soll (vgl. z. B. das Interview mit Katharina) und/oder ganz alltagspraktisch Alternativen gelebt werden, die bis in die Bereiche des Wohnens, des Arbeitens und des Reisens ausgreifen (vgl. z. B. auch die Interviews mit Gesche, Angelina und Axel; auch: Taubert 2014). Hier bekommt der Aspekt der Partizipation am gesellschaft-lichen Reichtum eine ganz neue Bedeutung – eine, die sich kaum noch monetär regeln lässt, Reichtum nicht nur materiell fasst, globale Gesichtspunkte mit einbezieht und dabei Produktionsbedingungen von Konsumgü-tern genauso mit bedenkt wie ökologische Folgen ihrer Be- und Vernutzung und das weitere Aufspreizen der Wohlstandsschere zwischen den Menschen in hoch-industrialisierten Ländern und in den Nationen, die als Schwellenländer oder herablassend und fälschlich als „Dritte Welt“ bezeichnet werden. Und hier werden

konsumbezogene Teilhaberechte reklamiert, die sich teils explizit, teils aber auch nur implizit in ihrer Umsetzung als politisches Handeln verstehen. Eine durch Sozialtrans-fers und Discounteinkäufe gestützte Konsumdemokratie stellt sich aus dieser Perspektive als eine Sonderform von Scheindemokratie dar. In jedem Fall geht bei den besonders Verbrauchsbewussten und Geldskeptischen Konsumteilhabe von eher Konsumdistanzierten über die Alimentation Chancenbeeinträchtigter hinaus; dies teilweise soweit, dass stadtgestalterisch gedacht wird (vgl. z. B. das Interview zur Initiative „Transition Town“ mit Jule), um nicht zuletzt der Mutation unserer Innenstädte zu künstlichen Konsumtempelketten mit immer weniger inhabergeführten Läden entgegenzusteuern.

AnerkennungAufgrund von Geldbesitz oder Nicht-Besitz sowie aufgrund der (Nicht-)Verfügung über bestimmte Konsumartikel oder der Ausprägung bestimmter Konsumgewohnheiten und -stile wird nicht nur soziale Zugehörigkeit aufgebaut bzw. zugeschrieben und auch nicht nur gesellschaftliche Teilhabe geregelt. Es wird entlang solcher Kriterien auch soziale Anerkennung verteilt.

Das Prestige, also das gesellschaftliche Ansehen, das jemand hat, wird in der modernen Konsumgesellschaft ganz entscheidend über Statussymbole konstruiert, die käuflich zu erwerben sind. Nicht zufällig werden Par-füms gern unter der Bezeichnung „Prestige“ verkauft. Das Image, also das Bild, das jemandem zugerechnet und das nach außen abgegeben wird, wird gezielt mit einer bestimmten Ware mitverkauft (vgl. dazu auch das Interview mit Damaris in diesem Band). Teilweise stellt sich gar der Eindruck her: Weniger – oder gar überhaupt nicht mehr – der reale Warenwert wird gekauft als das, was Marketing und Werbung an Lifestyleassoziationen in das Produkt hineinschreiben (vgl. Klein 2001). Die Warenästhetik wiegt dann mehr als der gegenständliche Warenwert, das Gebrauchswertversprechen und nicht der tatsächliche Gebrauchswert bestimmt dann den Kauf. Der Schein wird wichtiger als das Sein (vgl. Haug 1971).

In der sozial ausdifferenzierten Gesellschaft, in der wir leben, vollziehen sich allerdings Zuweisungen gesellschaft-

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lichen Ansehens nicht auf der Basis einheitlicher, allen Gesellschaftsmitgliedern mehr oder minder gemeinsamer Kriterien. Zwar mögen die Geschmacksbildungen der Upperclass weiterhin gesamtgesellschaftlich dominieren; dennoch gilt für die Ebene der Integration Einzelner in überschaubaren gemeinschaftlichen Bezügen: Für den Einen ist der vor der Doppelgarage des eigenen Einfa-milienhauses parkende Porsche Ausweis persönlichen Erfolgs; für den Anderen ist er Beleg für Bonzentum, ökologischen Irrsinn und Angeberei. In manchen Krei-sen ist das Tragen von maßgeschneiderten Anzügen und Chanel-Kostümen ein gesellschaftliches Muss, in anderen sind bestimmte Turnschuhe, preiswerte Sweater und abgewetzte Jacken angesagt. Soziale Geltung stellt sich also ganz wesentlich milieuspezifisch her. Und sie hat in verschiedenen Lebensstilgruppierungen jeweils unterschiedliche Bezugspunkte.

Konsumweisen und -artikel dienen insofern auch dem, was die Soziologie soziale Distinktion nennt: der Unterscheidung und Abgrenzung voneinander (vgl. Veblen 1986; Bourdieu 1982 sowie beispielhaft das Interview mit Paul und Marie in diesem Band). Der ständig mit Neuigkeiten aufwartende und zugleich überbordende Konsummarkt bietet für demonstrativen Konsum gegen-wärtig eine nie dagewesene, ständig umgewälzte und mit neuen Bedeutungen versehene Material- und Symbolfülle. Nicht nur das Viel- oder Wenighaben wird daher zum Maßstab von Geltung und ggf. Ächtung, sondern auch das Über-dieses-oder-jenes-Verfügen bzw. eben -Nicht-Verfügen. Eine empirische Studie über Jugendkonsum machte schon vor rd. 10 Jahren bei 28 % der deutschen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren ein entsprechen-des Verhaltensmuster aus (vgl. Lange/Choi 2004). Nicht nur arme Menschen und Konsumschwache erleben daher die Versagung sozialer Anerkennung.

Wenn gerade in den Kulturen Jugendlicher schon Wenn gerade in den Kulturen Jugendlicher schon Wvon jeher Prozesse der Ein- und Abgrenzung besonders stark über Stilistisches und Symbolisches sowie über ästhetische Auffassungen und Praxen verlaufen (vgl. z. B. Brake 1981; Baacke 1987), so erweitern die kaum noch übersehbare Vielfalt der Warenwelt und die damit verknüpfte Multiplizierung der Warensymboliken den Ermöglichungsraum für soziale Distinktionen enorm, ja sie befeuern geradezu das Streben nach stilistischer

Besonderung und Grenzziehung (vgl. auch Ferchhoff 2011; Farin/Möller 2014). Je mehr es ihren Protagonist_innen gelingt, die (nicht nur) jugendliche Kundschaft entspre-chend zu vereinnahmen, desto höher schwillt nicht nur die Geltungskonkurrenz zwischen konsumkulturellen Stilisierungen an.

Es steigt auch der Druck auf Formen des Erwerbs von sozialer Achtung, die nicht marktförmig zugeschnitten sind: respektvoller Umgang miteinander, Solidarisie-rungen mit Schwächeren, geldlose wechselseitige Hilfs-leistungen u.a.m. Wo die Devise „Haste was, biste was“ sich durchsetzt und dominiert und zugleich ein recht verstandenes „Machste was, biste was“ verdrängt, schreitet die Entwertung sozialer Anerkennungsmedien, die nicht dem Prinzip von Kauf und Verkauf unterliegen, voran. Nicht zuletzt die Wahrnehmung der anderen Person als relevante_r Beiträger_in zu wie auch immer gearteten Kooperationsbeziehungen verliert dann an Bedeutung. Schon vor rd. 10 Jahren war immerhin bei etwa einem Achtel der Jugendlichen sogenannter kompensatorischer Konsum festzustellen, also ein Verhaltensmuster, das durch den Kauf von Konsumgütern Misserfolgserlebnisse auszugleichen sucht, die in anderen Lebensbereichen, wie etwa in der Schule oder im Beruf, entstanden sind (vgl. Lange/Choi 2004). Nach derselben Studie sind sogar 6 % der Jugendlichen als kaufsüchtig zu bezeichnen. Besonders hoch gefährdet in solche Konsummechanismen abzuglei-ten sind demnach eher niedrig gebildete Jugendliche mit geringem Selbstwert, starker Peergroup- und zugleich schwacher Elternbindung.

Auf Gefährdungen des Sozialen wie diese hinzuweisen, ist nicht gleichzusetzen mit einer – etwa kommunita-ristischen (vgl. dazu Bellah u.  a. 1987; Etzioni 1995, 1997) – Kritik an einem krakenhaft um sich greifenden marktwirtschaftlich erzeugten „Extremindividualismus“, der für den angeblichen Niedergang des Sozialkapitals in westlich-industrialisierten Gesellschaften verantwortlich zu machen wäre. Für solche Gesellschaftsdiagnosen feh-len belastbare Belege, zumal in Bezug auf den deutschen (Post-)Wohlfahrtsstaat. Wohl aber kann bedenklich stimmen, dass zum einen Konkurrenzehrgeiz, Dominanz-streben, ökonomistische Einstellungen, machiavellistische Haltungen und Orientierungen bindungsloser Flexibilität

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ganz offensichtlich wechselseitiger Anerkennung auf der Basis von Gleichheitsvorstellungen entgegenstehen, ja Ungleichwertigkeitsvorstellungen und Ungleichbehand-lungen begünstigen (vgl. z. B. Heitmeyer 2008), und dass zum anderen die Ausrichtung des eigenen Handelns an „hierarchische Selbstinteressen“ bei denjenigen stark ist, die kapitalistische Prinzipien internalisiert haben (vgl. Rippl 2002; Hadjar 2004).

IdentifikationDieser Gedanke verweist darauf, dass die Konsumenten-rolle Identifikationsmöglichkeiten beinhaltet, aber auch darauf, dass diese nicht immer unproblematisch sind und die Zusammengehörigkeitsangebote des Konsummarkts unterlaufen können.

Auf der einen Seite soll offensichtlich zum Erhalt von Systemfunktionalität durch einen gut ausgebauten Konsummarkt und durch eine hinreichende Verbreitung der Mittel, die seine Zugangsvoraussetzungen bilden, finanzieller Mittel nämlich, auf Seiten der Marktteilneh-menden Identifikation mit der bestehenden Form des Wirtschaftens aufgebaut werden. Auf der anderen Seite wird diese Identifikation nicht nur umso fragiler, je weiter die Konsummöglichkeiten einzelner gesellschaftlicher Gruppierungen auseinanderklaffen, sondern auch je stringenter die Subjekte kapitalistisches Denken verin-nerlicht haben: die Sicherung ökonomischer Privilegien und die Eigendurchsetzung um jeden Preis. „Koste es, was es wolle“ ist eine (Kunden-)Devise, die das Markt-geschehen anheizt, zugleich aber eine Orientierung, die privaten Genuss und ökonomischen Vorteil absolut setzt. Eine Moral des Ausgleichs und der Rücksichtnahme wird dann durch die Moral des Geldes, des Geldausgebens und des hedonistischen Lustgewinns ersetzt.

Identifikation mittels Geldbesitz und Konsum stellt sich aber auch noch in weiterer Hinsicht als begrenzt und in ihrer Stabilität gefährdet dar: Die Konsum(kultur)ge -meinschaften, von denen weiter oben schon die Rede war, werden ja weitgehend durch gesellige konsumatorische Akte, durch Stilistisches und durch Symbolisches pro-duziert und zusammengehalten: etwa durch miteinander

Party machen, durch das Bevorzugen gleicher Marken und durch das Image, das mit dem geteilten Konsumverhalten verbunden ist. Sie konstituieren sich nicht (allenfalls weniger) mittels substanzieller Kommunikation oder gar mittels produktiver Zusammenarbeit.

Karl Marx und Friedrich Engels haben in der Deut-schen Ideologie (vgl. MEW, Bd. 3) das Geld als das tertium comparationis aller Menschen und Dinge bezeichnet, also als das Dritte („tertium“), was das eigentlich nicht Vergleichbare miteinander vergleichbar macht und in messbare Relation zueinander setzt (comparare (lat.) = vergleichen). Ähnliches dürfte für das Verfügen über Konsumobjekte gelten, soweit sie nicht nur einen indivi-duellen Gebrauchswert, sondern auch einen Tauschwert darstellen, d. h., soweit sie dem sozialen Vergleich dienen, insbesondere Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit, Teilhabe oder Nicht-Teilhabe, Anerkennung oder Ver-sagen von Anerkennung signalisieren. Dies aber hieße, dass die Kollektivbildung rund um ökonomischen Besitz und Konsumverhalten qualitativ ganz unterschiedliche Elemente zusammenbringt; etwa Menschen mit densel-ben Konsumstilen, die aber substantiell eigentlich nichts miteinander zu tun haben (vgl. die Reportage vom Stutt-garter Frühlingsfest). Die so gebildete Verbrauchs- und Feiergemeinschaft bleibt dementsprechend eigentümlich inhaltsleer und lebt von kaum etwas Anderem als dem geteilten stilistischen Ausdruck. Verlässlichkeitserwar-tungen, Solidarität oder wechselseitige Hilfsansprüche lassen sich auf dieser Basis im Regelfall nicht aufbauen. „Wir Adidas-Träger“, „Wir Zara-Kundinnen“ „Wir Aperol-Spritz-Trinkende“ – über Konsumgemeinschaften wie diese hergestellte kollektive Identitäten bieten eine soziale Einbindung, die sich im Fall des Falles als wenig belastbar und höchst brüchig erweist. Nur folgerichtig erscheint es deshalb z. B. auch, wenn unter den Anhänger_innen des inzwischen ja hochgradig durchkapitalisierten Profi-Fußballs die verschworenen Gemeinschaften der Ultras sich um jeweilige Vereinstraditionen und (wie auch immer ausbuchstabierte) „Werte“ herum zusammenfinden und den um sich greifenden Kommerzialisierungstendenzen des Sports entgegenzutreten versuchen (vgl. das Interview mit Ché in diesem Band). Zugleich wird (nicht nur) hier die Ambivalenz solchen Absetzungsbestrebens deutlich: Ganz entraten lässt sich der Sogwirkung des Warenange-

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bots nicht. Zu sehr bestimmt dafür der Warencharakter der meisten Befriedigungsmittel der Bedürfnisse des modernen Menschen die Lebensführung. Wollte man pathetisch werden, würde einem Theodor W. Adorno (2001, 43) einfallen: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“

Geld und Konsum – der individuelle Kontext der

Lebensgestaltung: Kontrolle, Integration, Sinnlichkeit, Sinn

Während also Geld und Konsum die gesellschaftliche Funktion haben, Kohäsionsleistungen zu erbringen, also Zusammenhalt zustande zu bringen bzw. zu fördern, stehen aus der Sicht des Individuums ihre Lebensgestal-tungsfunktionen im Mittelpunkt. Die zentrale Frage lautet hier: Welchen Nutzen bringt mir die Ausrichtung meiner Lebensführung (auch) an Geld und Konsum?

Bei der Suche nach Antworten darauf ist davon aus-zugehen, dass die Subjekte bei ihrer Lebensgestaltung (LG) vor allem an der Realisierung von vier Erfahrungstypen interessiert sind: an Kontrolle (K), an Integration (I), an sinnlichem Erleben (S) und an Sinnstiftung und -erfah-rung (S). Solche KISS-Erfahrungen erzeugen (e) – so die hier vertretene These – Fähigkeiten, die als Selbst- und Sozialkompetenzen (S) verstehbar sind (z. B. Empathie, Reflexivität, Frustrationstoleranz etc.) und die Art und Weise der subjektiven Verarbeitung von Erfahrungen auf bedeutsame Weise strukturieren. Im Weiteren verfolgen wir daher die Formel LG = KISSeS.

KontrolleWohl kaum etwas verschafft in unserer Geldgesellschaft stärker das Gefühl von Kontrolle als finanzieller Besitz. Etwas auf der hohen Kante zu haben bzw. einen gut gefüllten Geldbeutel mit sich führen zu können, gibt Sicherheit. Es steigert die Beeinflussbarkeit und Plan-barkeit der Lebensführung. Zugleich dokumentiert das Verfügen über Geldmittel Erfolg und (Konsum-)Macht.

Ja manchem gilt Geld gar als „geprägte Freiheit“ (F. N. Dostojewski). Gerade für Jugendliche ist die Verfügung über eigenes Geld, sei es Taschengeld oder selbst erar-beitet, zumindest auch Ausweis von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Der sozialisatorische Erwerb autonomer Handlungskompetenz findet schon seit Jahrzehnten im Bereich des Konsums statt, war aber wohl kaum jemals bedeutsamer als in der pekuniär gesteuerten Erlebnisge-sellschaft der Gegenwart. Die Geschicke seines Lebens selbst bestimmen zu können, die Dinge im Griff zu haben und über sich selbst bestimmen zu können – Geld haben und ausgeben können, ist eine wesentliche Voraussetzung für solche Erfahrungen. Die (zugegeben meist kurze) Befriedigung, die einen nach dem Kauf eines langersehnten Produkts beseelt, legt Zeugnis davon ab, wie sehr mit der Verausgabung von Geld auch Selbstwirksamkeitserfah-rungen verbunden sind: Zwar nicht durch produktives Tun, aber durch mein Geld habe ich bewirkt, dass meine materielle Umwelt angereichert wird. Zugleich gibt der souveräne Umgang mit (vor allem wertvollen Konsum-artikeln) – heute vor allem mit Fahrzeug- und Informa-tionstechnik – zu erkennen, dass man(n) „auf der Höhe der Zeit“ ist und „durchblickt“. Dies gilt umso stärker, je gewichtiger Konsumfähigkeit und Besitz als Kriterien interpersonaler Wahrnehmung und als Konstituenten des persönlichen Selbstwerts werden und je mehr sie produktiven Fähigkeiten, Kooperationsbereitschaft und kommunikativ-sozialen Kompetenzen auf diesen Feldern den Rang ablaufen.

Nichtsdestoweniger ist die Monetarisierung des Kontrollerlebens prekär: Zum einen macht Geld, auch wenn es beruhigt, bekanntlich allein nicht glücklich. Und auch wenn manche schmunzelnd meinen, es gehörten auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu, so lassen sich doch wichtige Dinge wie wahre Liebe und Freundschaft, Lebenszeit oder Gesundheit nicht schlicht kaufen. Wie labil Kontakte und Zuneigung sind, die erkauft wurden, zeigt sich nicht nur auf dem Feld der Prostitution (vgl. dazu die Interviews mit Sarah, Viktoria und Iwan in diesem Band), sondern auch dort, wo ein ökonomisch Nicht-mehr-mithalten-Können oder gar eine plötzliche Verarmung den Verlust von Freundschaften befürchten lässt (vgl. Ann-Christine in diesem Band). Zum anderen droht nämlich Kontrollverlust, wenn die Realisierung von

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Konsumwünschen nicht in angemessenem Verhältnis zur finanziellen Ausstattung steht. Wo Konsumfähigkeit im Sinne des Vermögens, Käufe zu realisieren, nicht mit Konsumkompetenz als personaler Fähigkeit einhergeht, klappt leicht die Verschuldungsfalle zu. Kontrollausübung wird zur Fiktion, wo Kontrollbedürfnisse allein durch Zahlungs- und Konsumfähigkeit befriedigt werden sollen.

IntegrationGanze Gesellschaften und einzelne gesellschaftliche Ein-heiten wie etwa Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und andere Interessenverbände, aber auch alltagsweltlich prä-sente kleinere Gemeinschaften wie z. B. örtliche Vereine, Freundschaftsclubs und Jugendkulturen gründen – wie erwähnt – ihren Systemerhalt darauf, die Kohäsion ihrer Elemente, also in erster Linie ihrer Mitglieder, zu stiften. Aus der Perspektive der Subjekte, die ihnen zugehörig sind, haben sie deshalb Integrationsangebote zu machen, damit die Individuen sich an-, ja eingebunden fühlen können. Neben formellen bzw. lebensweltlich gewohnheitsmäßig erfahrbaren Mitgliedschaften, die strukturelle Zugehö-rigkeiten ausweisen und mit dem einen oder anderen Vorteil verbunden sind, spielen Vergewisserungen der kollektiven Identität über geteilte Narrationen, spezielle Events, bestimmte Rituale und Symbole wichtige Rollen. So bieten etwa Sportclubs permanente Erzählstränge über Erfolge und Misserfolge ihrer Mannschaften an, in die das Individuum sich selber einweben kann, z. B.dadurch, dass es davon berichten kann, wo und wie es das Erringen der letzten Meisterschaft erlebt hat und welche Kenntnisse es darüber besitzt, wie sich dieser Erfolg in die Vereinstraditionen einbetten lässt. So lebt die örtliche Vereinskultur von regelmäßig stattfindenden Festen, auf denen man sich begegnet, miteinander kommuniziert und so den sozialen Zusammenhang festigt. So wird bspw. in kirchlichen Zusammenhängen mit einer Kette von Ritualen Gemeinschaftlichkeit beschworen und auch faktisch hergestellt. Und so wird über spezifische Symbolisationen in diversen kulturellen Szenen – nicht zuletzt in Jugendkulturen – Zugehörigkeit und Einbindung ermöglicht und auch tatsächlich ausgedrückt. Derartige Offerten zur Bildung kollektiver Identität kommen dem Bedürfnis des Individuums entgegen, keine monadische

Einzelexistenz zu führen, sondern trotz aller mehr oder minder stark reklamierter Individualitätsansprüche sozialen Anschluss zu verspüren, inkludiert zu sein, ja sich als Teil eines größeren Ganzen fühlen zu können.

Gemeinsamer Konsum stellt dabei schon traditi-onell, besonders gewichtig aber in der Gegenwart ein bedeutsames Vehikel dar. Bestehen schon Familien-, Dorfgemeinschafts- und Vereinsfeiern von jeher wesent-lich aus konsumatorischen Akten – gemeinsamem Essen und Trinken, Tanz- und Musikvergnügungen etc. –, so gilt dies in Hochpotenz für kommerzielle Eventkulturen sowie für die meisten aktuellen Jugendkulturen. Letzteres deshalb, weil die Authentizität wirklich von jungen Leuten ausgehender Stilproduktionen im Regelfall spätestens nach wenigen Wochen nicht mehr erkennbar ist; dann nämlich dürfte sie marktförmig vereinnahmt worden sein. Pointiert: Integration, also Zugehörigkeit, Partizipation, Anerkennung und Identifikation gibt es dann im Internet oder bei H&M von der Stange zu kaufen.H&M von der Stange zu kaufen.H&M

Kommerzieller Konsum bietet symbolische Integra-tion. Er verspricht ein Gefühl des sozialen Eingebunden-seins, das auf Kauf-, Benutzungs- und Verbrauchsakten beruht. Sicherlich: AirMax-Schuhe, Abercrombie & Fitch-T-Shirts und iPhones schaffen Integrationschancen für die Person, die diese Produkte nutzt. Über sie zu verfügen, ist daher gerade bei jungen Leuten attraktiv. Allerdings produzieren Symbole letztlich nur Bilder von dem, was ihnen an Bedeutung zugerechnet wird. Sie können ebenso wenig die Bedeutungen selbst einlösen, wie ein Superman-Kostüm übernatürliche Kräfte verleiht oder einem Fetisch reale Zauberkräfte zukommen.

Jugendliche wissen durchaus um die Begrenztheit kommerzieller Integration und Geltungskonsum. „Wahre Freundschaft“ beginnt auch für sie jenseits der „Warenfreundschaft“ (vgl. die Interviews mit Paul und Marie sowie die Achtklässler-Äußerungen im Rahmen von „Dialog macht Schule“ in diesem Band). Und sie vermuten: Sozialer Rückhalt wurzelt wohl nicht in Konsum-Integration. Ebenso wenig vermag diese die Des-integrationserfahrungen und Integritätsbeschädigungen zu kompensieren, die andernorts gemacht werden, etwa Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, Benachteili-gungen im Bildungssystem oder Arbeitsmarktnachteile.

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Dennoch: Nahezu zwangsläufig führt der Weg dorthin über den ersten Eindruck, den die jeweils andere Person macht (vgl. ebd.). Und dieser erste, übrigens nicht nur temporär punktuelle Eindruck stellt sich über Marken-Images und überhaupt den zugeschriebenen Grad an Konsum-Coolness her. Integrationsempfindungen werden damit in erheblichem Grade konsumabhängig.

Sinnliches ErlebenSchon seit über 20 Jahren macht kultursoziologisch das Schlagwort von der „Erlebnisgesellschaft“ die Runde (vgl. Schulze 1992). Für den hier interessierenden thematischen Zusammenhang ist damit gemeint, dass hierzulande Güter und Dienstleistungen immer weniger über ihre von außen sichtbare Zweckmäßigkeit definiert werden, wogegen ihr Erlebniswert an Bedeutung gewinnt. Zunehmend innenorientiert schauen die Subjekte darauf, dass die Angebote, die ihnen entgegentreten, bei ihrer Nutzung bei ihnen psychophysische Reaktionen her-vorrufen, die als genussvoll empfunden werden können. Konsum dient dementsprechend längst nicht mehr (nur) der Befriedigung grundlegender Bedürfnisse wie essen, trinken, wohnen, sich kleiden etc., sondern bedeutet ein Handeln, in dem für die eigene Erlebnisintensität aktiv Sorge getragen werden muss. Sich selbst (wie auch immer im Einzelnen definierte) „schöne“, lohnende Erlebnisse zu produzieren, wird so zur Hauptaufgabe der Lebens-gestaltung. Gebrauchswerte von Angeboten ergeben sich folglich nicht mehr primär aus ihren Funktionen, die sie für das Überleben besitzen. Vielmehr basieren sie auf ihren Nutzungsmöglichkeiten für alltagsästhetische Erlebnisse. „Wiederholungstendenzen in den alltagsästhetischen Epi-soden eines Menschen“ (ebd., 103) wiederum konstituieren einen „Lebensstil“, der einerseits Individualität Ausdruck verleihen, andererseits aber auch durch die Orientierung an „alltagsästhetischen Schemata“ (Schulze unterschei-det hier Hochkultur-, Trivial- und Spannungsschemata) die Anbindung an kollektiv geteilte Geschmacksmuster bewerkstelligen soll und kann. In jedem Fall kommt dem Stil (vgl. ebd.) die dreifache Bedeutung zu, a) sich von anderen zu unterscheiden (Distinktion), b) die eigenen Auffassung vom Leben zu realisieren und erkennbar zu

machen (Lebensphilosophie) und c) psychophysische Zustände positiv erlebter Wertigkeit zu erzielen (Genuss).

In jeweils spezifischer Weise lassen sich genau diese drei Funktionskreise in den Konsumstilen ausmachen, die in den Interviews in diesem Band zur Sprache gebracht werden. Insofern Jugendliche lebensphasengemäß noch auf der Suche nach Identität sind (vgl. z. B. Hurrelmann/Quenzel 2012) und diese zugleich konsumgesellschaft-lich modelliert wird, bewegen sie sich besonders aktiv, suchend und aufmerksam zwischen den symbolischen Verweisungen der Angebote des Warenmarktes. Dabei hat es den Anschein, als käme in ihren Stilisierungsprozessen der Distinktionsfunktion eine besonders herausragende Rolle zu, um Individuierungsbedürfnisse einerseits und Vergesellschaftungsbedürfnisse andererseits befriedigen zu können, sprich: Individualität auszubuchstabieren und zugleich sozialen Anschluss sicherzustellen. Jugendkultu-ren stellen dafür, oft geschlechtsspezifisch zugeschnitten, einen breiten Fundus bereit (vgl. Möller 2014). Soweit sie dabei konsumkulturell überformt werden, drängt sich jedoch die Frage auf, inwieweit Ein- und Abgrenzungen entlang kommerziell vermittelter Symboliken verlässliche Integrationsmechanismen und Differenzbestimmungen darstellen und ob nicht scheinbare Individuierung letzt-lich nur die Diversifizierung der komplexen Warenwelt widerspiegelt (vgl. auch die Infokästen zu „Normcore“ und „Hipster“ in diesem Band).

Sinnstiftung und -erfahrungDort, wo sich erlebnisgesellschaftliche Rationalität durchsetzt, wird sinnvolles Leben zu einer Frage der subjektiven Empfindung. Sinnhaftigkeit lässt sich dann nicht länger an Faktoren festmachen, die von außen dem Lebensvollzug zugeschrieben werden; etwa an dem, was jemand produktiv arbeitend oder in Hinsicht auf Unter-stützungsleistungen für andere leistet. Sinn erschließt sich unter diesen Bedingungen vielmehr über das eigene psychophysische Erleben des Subjekts und dessen positive Selbstvalidierung. Sinnerfahrung erfolgt im Konsum von Erlebniswaren, ihr Erwerb ist ein Akt der Sinnstiftung. So gesehen macht Kaufen Sinn. Dies gilt auch dann, wenn aus der Außenperspektive betrachtet „sinnloses Zeug“

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gekauft wird. So wenig wie es „sinnlose“ Gewalt gibt, so wenig gibt es „sinnloses Geldausgeben“.

Allerdings ist zu fragen, von welcher Qualität die Sinnerfahrungen und -zuschreibungen des Kaufens und Konsumierens sind. Sicher: Über die Teilnahme am Marktgeschehen stellt sich soziale Ordnung her – sachlich, räumlich, zeitlich und sozial: Ein System von Tauschwerten setzt die gehandelten Dinge miteinander in Beziehung, der Handel findet an spezifischen Orten statt, Erwerb und Verbrauch von Waren werden zeitlich strukturiert, bestimmte Regeln des Kaufens und Verkaufens müssen akzeptiert werden und sowohl die eigene als auch die auf andere Personen bezogene soziale Platzierung wird so organisiert.

Durch derartige Strukturierung wird die Komplexität der Warenwelt reduziert. Und auf dem Markt geschieht ein Stück Kontingenzbearbeitung, also Bewältigung des Umstands, dass das Leben prinzipiell offen und ungewiss ist. D. h., es vollzieht sich die Auseinandersetzung mit dem Gegebenen und seinem prinzipiell denkbaren möglichen Anderssein. Markthandeln ist weder von unabänderlichen Notwendigkeiten noch von bloßen Zufällen gesteuert, es ist riskant: Werbung kann Falsches vorgaukeln, Verpackun-gen können täuschen, Gebrauchwertversprechen nicht eingelöst werden, ökologische Gefährdungen ungenannt bleiben, Geldscheine falsch sein, zum Verkauf präsentierte Waren gestohlen werden usw. So gesehen geschieht über die Marktteilnahme eine Bearbeitung kultureller Kontin-genz; d. h., es werden Sinnbildungsprozesse angestellt, die zu er- und begründen versuchen, warum die Dinge und Sachverhalte so sind, wie sie sind, und nicht anders.

Indem die eigene Person ins Verhältnis zu anderen Marktteilnehmenden und zu den materiellen Gegebenhei-ten des Marktes gesetzt wird, erwirbt das Individuum über sein Markthandeln immer auch gewisse Antworten auf die Frage „Wer bin ich?“, also auf die Kernfrage der Identität. Insoweit betreibt es – wie oben schon angedeutet – auch über das Erwerben und Konsumieren Identitätsaufbau und -erhalt. Es weist damit seiner Existenz und seinem Tun spezifischen Sinn zu.

Selbst wenn manche Käufe und kommerzielle Erlebnisepisoden im nachhinein als „sinnlos“ bewertet werden, wird doch in ihrem Vollzug Sinn in Form positiv wahrgenommener psychophysischer Erfahrungen erlebt

und ist doch auch gerade die revidierende Neuinterpre-tation dieses Sinnerlebens ex post Beleg für die vormals aufgebauten Sinnbezüge. So bezieht sich auch das Vor-haben, demnächst kein Geld mehr dafür zu verausgaben, sondern „Sinnvolleres“ mit dem eigenen Geld anzustellen, auf den Referenzpunkt „Sinn“ bezogen – dies auch dann, wenn die erlebnisgesellschaftliche Devise gilt: Nur Genuss macht Sinn.

Sinn ist dabei auch keineswegs nur im individua-listischen Vergnügen zu sehen. Aktivitäten wie anderen etwas kaufen, etwas verschenken oder verleihen, Geld spenden, Freunde zum Essen einladen, Runden ausgeben u.a.m. sind Hinweise darauf, dass auch soziale Motive das Geldausgeben und das Konsumieren beeinflussen können. Hier kommt durchaus auch ein sozialer Sinn zum Vorschein.

Allerdings ist die zeitliche Ordnung, die durch kommerzi-elles Verhalten und Genussstreben auf Seiten der Konsu-ment_innen angelegt wird, weitgehend auf recht profane Hier-und-Jetzt-Erlebnisse begrenzt. Die Parole „Gib Gas! Ich will Spaß!“ – ein One-Hit-Wonder des Schlagersängers Markus aus dem Jahr 1982 – ist symptomatisch für die Absehung von den Konsequenzen nahezu ungehemmten Konsums. Folgenabschätzung ist keine Dimension, die solches Konsumverhalten kennzeichnet. Die Ordnung der Dinge, die von ihm errichtet wird, ist strikt gegenwarts-bezogen, sachliche Zusammenhänge von Verbrauch und Entsorgung thematisiert sie nicht, räumlich-ökologische Auswirkungen der Sachverwendungen bleiben von ihr unterbelichtet, soziale Verantwortung für ein Danach kommt in ihr nicht vor. Eine vergleichbar geringe Kon-textsensibilität gilt für den Umgang mit Finanzprodukten.

Die Kommerzialisierung der Sinnstiftungsbestre-bungen hat mittlerweile sogar Zurechnungen spirituellen Sinns ergriffen. Ein Wellness- und Esoterikmarkt mit einer entsprechenden Eventkultur macht den traditio-nellen religiösen Sinnverheißungen schon seit längerem Konkurrenz. Solche Phänomene scheinen Belege für die schon von Erich Fromm vor Jahrzehnten aufgestellte These zu liefern, dass die „Trias von unbegrenzter Produktion, absoluter Freiheit und uneingeschränktem Glück […] den Kern der neuen Fortschrittsreligion“ bildet (Fromm 1976, 13/14).

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Gleichwohl: Sinnerfahrung bezieht seine Substanz selbst hier im Wesentlichen aus einer käuflichen Objektwelt bzw. aus dem unmittelbaren Erleben des Außeralltägli-chen und/oder Spirituellen, basiert aber nicht gleicher-maßen wie überlieferte religiöse Überzeugungen auf einem System von Werten und Normen, die gleichsam „ewige“ und ubiquitäre Gültigkeit beanspruchen und gerade auf die Transzendenz des Materiellen und somit Irdischen angelegt sind. Gläubige meinen zu erkennen: Wo spirituelle Erfahrung konsumiert wird und Konsum spiritualisiert wird, konstituiert sich Ersatzreligion (vgl. die Interviews mit den Ordensleuten und Axel in diesem Band). Aus dieser Sicht bricht der erlebnisgesellschaftlich vermittelte Sinn des schönen Lebens spätestens mit dem Tod in sich zusammen. Ihm ist erlebnisgesellschaftlich kein Sinn zuweisbar.

Geld und Konsum – ein Fazit und alle Fragen offen

Kein Zweifel: Über Geld und Konsum wird Geltung verteilt. Und: Dieser Modus von Geltungsgenerierung nimmt an Bedeutung zu. Denn je umfassender und stärker Lebensvollzüge durchkapitalisiert werden und je mehr Raum die kommerzielle Konsumkultur in unserem Leben einnimmt, um so prägender werden Finanzkapital und Warenmarkt sowohl für den gesellschaftlichen Zusam-menhalt als auch für die individuelle Lebensgestaltung. Wo Zugehörigkeit und Partizipation, Anerkennung und Identifikation über diese Sorte sozialen Kitts vermittelt, wo Kontrolle, Integrationsempfindungen, sinnliches Erleben und Sinnerfahrungen des Individuums kom-merziell grundiert werden, dort regieren die Magie des Geldes und der Zauber der Warenwelt. Aber haben sie uns deshalb auch fest im Griff? Verleiten sie uns zum „Tanz ums goldene Kalb“?

Die eigene Lebensgestaltung nicht bis zur Unkennt-lichkeit von Konsum-KISSeS überzuckern lassen, Ansehen nicht auf Geld und Besitz gründen, wenigstens zusätzlich auf andere Anerkennungsformen setzen – verschafft das wahre Autonomie?

Die durch Konsumangebote kreierten Illusionen durchschauen, die ihnen zugrunde liegenden Mecha-

nismen erkennen, die ökologischen Folgen und sozialen Kosten mitbedenken – führt das zu bewussterem Konsum?

Sich abkoppeln von der Geldgesellschaft, sich ganz oder zeitweise in nicht-kommerzialisierte Nischen zurückziehen, wenigstens einen faireren Handel auf die Beine stellen und die Instrumentalisierung unserer Stadtlandschaften für Profitzwecke unterlaufen – greift dann der lange Arm des Kapitals ins Leere?

Oder doch mitschwimmen im Mainstream?Die Gesprächspartner und -partnerinnen in diesem Band haben ihre jeweils eigenen Antworten darauf.

Ich glaube ans Geld,den Zaster, den Allmächtigen,

das Schachern um Profit und Mehrwert.Und an jeden Krösus

samt seinem unverdienten Lohn,empfangen durch den eiligen Geist,

geboren aus der puren Habgier,inmitten Bonzen plus viel Status,

hinaufgestiegen in das Reich des Goldes,erbeutet, gehortet und vergraben,

an jedem Tage ausgegeben von den Konten,aufgebraucht für jeden Fimmel.

Geld sitzet zur Rechten Mammons,des allmächtigen Faktors.

Durch ihn wird es kommenzu dichtem Elend, Not und Toten.Ich glaube an den geilen Scheiß,die geilere kapitalistische Psyche,

Gemeinschaft der Finanzhaie,Vergabe von Krediten,

Aufsummierung der Schuldenund das marktförmige Leben.

Amen.

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Literatur:

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Stange, Waldemar/Gnielczyk, Peter: Schuldenprävention. Eine Zukunftswerkstatt. Materialien für den handlungsorientierten Unterricht. Berlin 2000: Verbraucher-zentrale Bundesverband.

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Veblen, Thorstein: Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen. (Orig. 1899). Frankfurt a. M. 1986: Fischer.

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Mainstream?

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<< Mainstream?

„So ‘n bisschen Hipster is eigentlich jeder.”

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„So ‘n bisschen Hipster is eigentlich jeder.” << Mainstream? 29

„So ‘n bisschen Hipster is eigentlich jeder.”

Paul, 16, Schüler und Marie, 15, Schülerin; beide an einem Gymnasium

Paul, ich weiß von dir schon: Du trägst gerne Marken: T-Shirts von Abercrombie & Fitch, Unter-hosen von Calvin Klein usw. Was ist denn das Coole daran, so Klamotten zu tragen?Paul: Ja stimmt schon, aber ich bin eigentlich nicht so der Typ, der Sachen kauft, die mir nicht gefallen, wo aber ‘ne Marke draufsteht. Es geht mir nicht so sehr um die Marke. Ob da jetzt Calvin Klein auf dem Shirt steht, is mir eigentlich nicht so wichtig, aber wichtig is mir, ob

das T-Shirt gut aussieht. Und die ganze Unterwäsche kaufe ich mir ja nicht selber. Das wär mir auch zu teuer. Wenn ich mir selber Unterwäsche kaufe, dann von H&M. Anderes bekomm ich halt mal geschenkt. Ist auch nicht selbstverständlich immer so.Aber du bekommst es ja von deinen Eltern geschenkt, weil sie wissen: Abercrombie & Fitch und solche Marken findet unser Sohn cool. Paul: Ja, schon. Aber ich weiß nicht ... ich bin jetzt auch gar nicht mehr so auf Abercrombie fixiert. Ich fand das immer cool, weil das gab‘s nur in Amerika. Ich trag auch gern mal Klamotten, die nicht jeder trägt. Und was mich jetzt ein bisschen stört, ist, dass Abercrombie jetzt nach Frankfurt gekommen ist und Hollister, die Geschwistermarke, nach Stuttgart. Jetzt trägt jeder zweite Typ Hollister-Zeug.

Und du meinst, dadurch, dass man das jetzt auch hier kaufen kann, ist es jetzt ein bisschen entwertet?Paul: Ja. Ich fand‘s immer cool, weil mein Freund Julius und ich quasi die einzigen waren, die‘s hatten. So vor eineinhalb Jahren kannte das noch keiner, in Frankfurt trugen es nur ganz wenige. Das gab‘s halt in Deutschland nicht. Wahrscheinlich fand das deswegen jeder so cool. „Was haste denn da für ‘n Shirt an?”, „Hab ich aus Ame-rika”, so hat man das dann gesagt.Aber ich weiß, dass du auch Badeschlappen von Quik-silver oder so hast ... silver oder so hast ... silverPaul: Einfach auch weil‘s besser aussieht. Quiksilver hab Quiksilver hab Quiksilverich immer gern getragen, weil ich bin auch viel geskatet und gelongboarded, da hat man sowas einfach getragen. Es ging mir nicht darum, mich dadurch nur wie ‘n Skater zu fühlen, sondern ich stand damals einfach darauf, Skate-Sachen zu tragen. Da trägt man halt nicht Deichmann, da trägt man halt Quiksilver und Quiksilver und Quiksilver Volcom, WeSC und so Zeug.WeSC und so Zeug.WeSCWe ... was?Pau l : [ b u c h s t a b i e r t e n g l i s c h : ] W, E , S , C o d e r [buchstabiert deutsch:] W, E, S, C sagen auch manche. We are the Superlative Conspiracy. Solche Marken oder G-Star sind cool. Und Hugo Boss. Aber das tragen dann eher die edlen Leute. Quiksilver und Volcom sind halt eher die Skater-Sachen, so ‘n bisschen ausgefranst. Das hat auch ‘ne Zeitlang echt keiner getragen, aber das trägt jetzt auch jeder ...Und dadurch ist es wieder nicht mehr so viel wert?Paul: Ja, eben. Das erklärt sich auch ein bisschen selber: Wenn man jetzt was hat, was eigentlich keiner hat, ist es was Cooles. Keiner kennt‘s, jeder will‘s, so. Aber wenn jeder dasselbe anhat, dann is es ja irgendwie langweilig.

Aber dann kannste dir ja genauso gut Klamotten ausm Second-Hand-Laden kaufen. Die hat ja auch keiner – irgend-wie abgerissene Klamotten ...Paul: [Lacht.] Ja, okay. Hab ich jetzt noch nicht so drüber nachgedacht. Ehrlich gesagt: Ich kenn keinen Second-Hand-Laden und probier nicht so viel Neues. Ich kauf auch eher in Einzelgeschäften.

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Und jetzt geh ich halt gerne in die Jugendabteilung bei Peek & Cloppenburg.Echt? Peek & Cloppenburg?Paul: Ja, die sind nicht so teuer wie viele denken. Aber wenn man da ins Tiefgeschoss runterfährt, da gibt‘s ein-fach Jugendklamotten. Ist jetzt nich billig unbedingt, aber es is auch nich teuer. Is halt einfach auch so ‘n bisschen Style. Sieht auch besser aus als beim Karstadt. Marie: ... gut und stylisch.Paul: Gechillt!Ah ja, okay. Ich kann mich erinnern, dass du, Paul, früher so ‘n Baseball-Cap getragen hast, ich seh dich überhaupt nicht mehr mit so ‘ner Kappe. Ist das uncool, oder, um es in euern Worten zu sagen, unstylish geworden?Paul: Ja diese New Era Caps. Das hat auch zum Skater gehört. Am Wochenende hat man sich halt so aufm Ska-tepark getroffen, Kopfhörer reingesteckt, ‘ne Cap auf, und dann is man halt mit seinem Skateboard rumgefahren.Und du, Marie, hast du auch Vorlieben für bestimmte Marken?Marie: Nö, also eigent-lich nicht. Ich kauf gern bei H&M ein. H&M ein. H&M MANGO find ich auch nicht schlecht, oder ZARA. Aber mir geht‘s halt nicht wirklich um die Marke, mir geht‘s auch ein bisschen um die Qualität. Ich kauf das, was mir gefällt, egal wo eigentlich. Hast du Freundinnen, für die das anders ist, die mehr nach Marken gucken?Marie: Nicht Freundinnen. Ich kenn aber Menschen, die haben sehr viel Geld, und die sagen, dass es peinlich ist, bei New Yorker z.New Yorker z.New Yorker B. einzukaufen.Und Schuhe oder sowas?Paul: Vans.Marie: Ja, Vans find ich gut. Die sind zwar eigentlich schon relativ teuer, aber es sind halt Schuhe, in denen ich mich wohlfühl. Es ist zwar schon irgendwie langsam langwei-lig, weil so viele die anhaben, aber ich find‘s eigentlich trotzdem noch gut.Was für Klamotten würden denn gar nicht gehen? Welche Marke oder welchen Style würdet ihr nicht anziehen?

Ehrlich gesagt: Ich kenn keinen Second-

Hand-Laden.

Marie: Also Marke gibt‘s eigentlich keine, wo ich jetzt sagen würde: Nein, auf gar keinen Fall ... Paul: Doch! Gibt‘s schon ...Marie: Also das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen arrogant an, aber ich würd jetzt irgendwie nicht in KiKgehen. Das hat für mich ‘nen schlechten Ruf einfach. Nicht, weil‘s billig ist. Aber ich würde jetzt auch keinen verurteilen, weil er KiK-Sachen anhätte. Das hat ja auch manchmal mit dem Geld zu tun. Wenn manche Menschen sich teurere Sachen nicht leisten können, dann sollen sie, dann können sie KiK haben. Das stört mich nicht.KiK haben. Das stört mich nicht.KiKWomit bringst du den schlechten Ruf zusammen?Marie: Irgendwie, dass es keine so gute Qualität hat oder dass es halt sehr viel Kinderarbeit anscheinend hat. Ja, aber das kann man eigentlich bei allen Klamotten, auch bei Breuninger-Klamotten sagen. Auch teure Marken nutzen Kinderarbeit. Aber ich würde jetzt halt mal sagen, dass es vermehrt in solchen Discountern is. Paul: Ich kauf auch nich bei KiK. Okay, wenn ich nur sowas zum Drunterziehen brauch, ‘n T-Shirt unter ‘nem Hemd oder so, dann kauf ich mir irgend so ‘nen 6-Euro-Scheiß. Das is wahrscheinlich genauso blöd produziert wie beim KiK, hol‘s trotzdem beim H&M, ich weiß nicht. Ich würd auch nich sagen, wenn jemand KiK anhätte, is er irgendKiK anhätte, is er irgendKiK -wie blöd oder ich will nix mit ihm zu tun ham, der hat kein Geld oder so, das würd ich niemals sagen. Ich hab auch Leute unter meinen Freunden, z. B. einen aus meiner Klasse, der hat eigentlich, ich würd mal sagen, Style hat der nicht wirklich.Was ist denn Style?Paul: Ja, ich weiß nicht so genau, so ‘ne Kombination von Klamotten halt. Marie: Ja, Style ist ja auch so ein bisschen, was grad passt.Paul: Ein Freund aus meiner Klasse is total der nette Typ, einer, den ich als Typ total schätze. Ich find den total nett, aber was der trägt, das passt nich zusammen. Marie: Das is ja auch Geschmacksache.Da gehen also Signalwirkungen von den Klamotten aus? Paul: Ja ... ja, ich weiß nicht.Marie: Also wenn sie jetzt z. B. nur Markensachen anhaben, dann macht‘s für mich schon ‘n bisschen den Eindruck, als achtet derjenige schon ziemlich aufs Geld. Oder wenn

Style ist ja auch so ein bisschen,

was grad passt.

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