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47 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 74 (2005), Heft 1 Der untersuchte 3-Blech-Querschnitt schließt als Sonderfälle doppelt- und einfachsymmetrische I-Querschnitte, U-, Z- sowie auch T- und L-Querschnitte ein. Für den allgemeinen Fall zwei- achsiger Biegung, Normalkraft und Torsion werden die Trag- schnittgrößen bestimmt. Dabei liegt stets ein vollplastizierter Querschnitt und ein Versagensmechanismus mit ebener Deh- nungsverteilung vor. Besondere Beachtung wird der Torsion ge- schenkt, insbesondere der Beeinflussung von primärem und se- kundärem Torsionsmoment durch Plastizieren. Es wird eine ein- fache Formel zur Berechnung des größten Torsionsdrehwinkels im Traglastzustand angegeben. Ultimate load capacity of 3-plate-cross-sections under normal force, biaxial bending and warping torsion. The considered 3- plate-section includes as special cases double-symmetric, single- symmetric I-sections, U-, Z- as well as T- and L-sections. For the general case of biaxial bending, normal force and torsion ultimate stress resultants are determined. The section then is always fully plasticized and a failure mechanism with plane strain distribution occurs. Especially the influence of plastification on primary and secondary moment of torsion is investigated. A simple formula for maximum angle of torsion in the state of ultimate load is given. 1 Einleitung Der zugrunde gelegte 3-Blech-Querschnitt (Bild 1) kann als verallgemeinerter I-Querschnitt angesehen werden, der als Sonderfälle den doppelt- und einfachsymmetrischen I-Querschnitt sowie den U- und Z-Querschnitt einschließt. Darüber hinaus werden auch die (wölbfreien) T- und L- Querschnitte behandelt. Ziel des Beitrages ist es, einerseits die Tragschnittgrößen zu bestimmen, andererseits aber auch, grundlegende Unterschiede zwischen dem Tragver- halten nach Elastizitäts- und Plastizitätstheorie aufzuzei- gen. In diesem Zusammenhang soll auch Stellung bezogen werden zu Fragen, die in Veröffentlichungen oder Fachdis- kussionen aufgetreten sind – konkret zu folgenden Fragen: 1. Muß bei Erreichen einer beliebigen Kombination von Tragschnittgrößen der Querschnitt immer vollplastiziert sein? 2. Sind unterschiedliche Querschnitts-Interaktionsbezie- hungen für die Nachweisverfahren „Elastisch-Plastisch“ und „Plastisch-Plastisch“ denkbar? 3. Darf bei Torsionsfreiheit nach Elastizitätstheorie gefor- dert werden, daß diese Torsionsfreiheit auch bei Plastizie- ren erhalten bleibt? Aus der Beantwortung dieser Fragen wird dann auch zu klären sein, ob beispielsweise für ein U-Profil mit Bie- gung um die starke Achse ein Tragmoment M pl existiert, bei dem nur die Gurte plastiziert sind, der Steg aber ela- stisch bleibt. Zahlenwerte hierfür sind z. B. in [1] zu fin- den. Es wird sich zeigen, daß die 1. Frage zu bejahen ist, die weiteren Fragen jedoch zu verneinen sind. Insbeson- dere wird gezeigt werden, daß bei allgemeiner Beanspru- chung sich durch Plastizieren die Querschnittsverwölbun- gen und Torsionsverdrehungen verändern bzw. daß diese erst entstehen, falls im elastischen Zustand nicht vorhan- den. In diesem Beitrag wird eine einfache Formel mitge- teilt, die, ausgehend vom vollplastizierten Querschnitt, den größten Torsionsdrehwinkel ϑ bei Erreichen der Traglast liefert – unabhängig davon, ob nach Elastizitätstheorie be- reits Torsion vorhanden war oder nicht. Darüber hinaus werden speziell für das U-Profil Ergebnisse nach der Fließ- zonentheorie angegeben, die u. a. die Entwicklung von ϑ im Verlauf der Laststeigerung zeigen. 2 Annahmen Bild 1 zeigt den zugrunde gelegten Querschnitt mit den Bezugsachsen x, y, z und den Verschiebungsgrößen w,v so- wie ϑ. Zur plastischen Tragfähigkeit von 3-Blech-Quer- schnitten unter Normalkraft, doppelter Biegung und Wölbkrafttorsion Helmut Rubin Fachthemen Bild 1. Betrachteter Querschnitt und Sonderfälle Fig. 1. Considered cross-section and special cases

Zur plastischen Tragfähigkeit von 3-Blech-Querschnitten unter Normalkraft, doppelter Biegung und Wölbkrafttorsion

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47© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 74 (2005), Heft 1

Der untersuchte 3-Blech-Querschnitt schließt als Sonderfälledoppelt- und einfachsymmetrische I-Querschnitte, U-, Z- sowieauch T- und L-Querschnitte ein. Für den allgemeinen Fall zwei-achsiger Biegung, Normalkraft und Torsion werden die Trag-schnittgrößen bestimmt. Dabei liegt stets ein vollplastizierterQuerschnitt und ein Versagensmechanismus mit ebener Deh-nungsverteilung vor. Besondere Beachtung wird der Torsion ge-schenkt, insbesondere der Beeinflussung von primärem und se-kundärem Torsionsmoment durch Plastizieren. Es wird eine ein-fache Formel zur Berechnung des größten Torsionsdrehwinkelsim Traglastzustand angegeben.

Ultimate load capacity of 3-plate-cross-sections under normalforce, biaxial bending and warping torsion. The considered 3-plate-section includes as special cases double-symmetric, single-symmetric I-sections, U-, Z- as well as T- and L-sections. For thegeneral case of biaxial bending, normal force and torsion ultimatestress resultants are determined. The section then is always fullyplasticized and a failure mechanism with plane strain distributionoccurs. Especially the influence of plastification on primary andsecondary moment of torsion is investigated. A simple formula formaximum angle of torsion in the state of ultimate load is given.

1 Einleitung

Der zugrunde gelegte 3-Blech-Querschnitt (Bild 1) kannals verallgemeinerter I-Querschnitt angesehen werden, derals Sonderfälle den doppelt- und einfachsymmetrischen I-Querschnitt sowie den U- und Z-Querschnitt einschließt.Darüber hinaus werden auch die (wölbfreien) T- und L-Querschnitte behandelt. Ziel des Beitrages ist es, einerseitsdie Tragschnittgrößen zu bestimmen, andererseits aberauch, grundlegende Unterschiede zwischen dem Tragver-halten nach Elastizitäts- und Plastizitätstheorie aufzuzei-gen. In diesem Zusammenhang soll auch Stellung bezogenwerden zu Fragen, die in Veröffentlichungen oder Fachdis-kussionen aufgetreten sind – konkret zu folgenden Fragen:1. Muß bei Erreichen einer beliebigen Kombination vonTragschnittgrößen der Querschnitt immer vollplastiziertsein?2. Sind unterschiedliche Querschnitts-Interaktionsbezie-hungen für die Nachweisverfahren „Elastisch-Plastisch“und „Plastisch-Plastisch“ denkbar?3. Darf bei Torsionsfreiheit nach Elastizitätstheorie gefor-dert werden, daß diese Torsionsfreiheit auch bei Plastizie-ren erhalten bleibt?

Aus der Beantwortung dieser Fragen wird dann auchzu klären sein, ob beispielsweise für ein U-Profil mit Bie-gung um die starke Achse ein Tragmoment Mpl existiert,bei dem nur die Gurte plastiziert sind, der Steg aber ela-stisch bleibt. Zahlenwerte hierfür sind z. B. in [1] zu fin-den. Es wird sich zeigen, daß die 1. Frage zu bejahen ist,die weiteren Fragen jedoch zu verneinen sind. Insbeson-dere wird gezeigt werden, daß bei allgemeiner Beanspru-chung sich durch Plastizieren die Querschnittsverwölbun-gen und Torsionsverdrehungen verändern bzw. daß dieseerst entstehen, falls im elastischen Zustand nicht vorhan-den.

In diesem Beitrag wird eine einfache Formel mitge-teilt, die, ausgehend vom vollplastizierten Querschnitt, dengrößten Torsionsdrehwinkel ϑ bei Erreichen der Traglastliefert – unabhängig davon, ob nach Elastizitätstheorie be-reits Torsion vorhanden war oder nicht. Darüber hinauswerden speziell für das U-Profil Ergebnisse nach der Fließ-zonentheorie angegeben, die u. a. die Entwicklung von ϑim Verlauf der Laststeigerung zeigen.

2 Annahmen

Bild 1 zeigt den zugrunde gelegten Querschnitt mit denBezugsachsen x, y, z und den Verschiebungsgrößen w, v so-wie ϑ.

Zur plastischen Tragfähigkeit von 3-Blech-Quer-schnitten unter Normalkraft, doppelter Biegungund Wölbkrafttorsion

Helmut Rubin

Fachthemen

Bild 1. Betrachteter Querschnitt und SonderfälleFig. 1. Considered cross-section and special cases

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Im einzelnen werden folgende Annahmen getroffen:– Blechdicke << Blechbreite (im Querschnitt)– Wagner-Hypothese: Blechquerschnitte bleiben eben– Schubverformungen der Bleche aus (blechparallelen)Querkräften werden vernachlässigt– Querschnitt bleibt formtreu und beult nicht– linearelastisches-idealplastisches Stoffgesetz– die St.Venant-Torsionssteifigkeit GIT bleibt auch bei Pla-stizieren des Querschnitts erhalten,– Theorie I. Ordnung.

3 Allgemeines zur Ermittlung der Tragschnittgrößen

Nach den Traglastsätzen der Plastizitätstheorie muß sichbei Erreichen der Tragschnittgrößen ein Versagensmecha-nismus im Querschnitt ausbilden. Dies ist nur möglich,wenn dieser Querschnitt vollplastiziert ist (ausgenommenLasteinleitungsproblem an einem freien Stabende, wo Teil-versagen des Querschnitts möglich wäre).

Für übliche Lasten und vorwiegende Biegebeanspru-chung besteht dieser Versagensmechanismus aus einerebenen Relativbewegung im betreffenden Querschnitt; dieDrehachse ist gerade und kann eine beliebige Lage imQuerschnitt haben. Damit hat der Dehnungszustand hiereinen Freiheitsgrad weniger als in den nicht vollplastizier-ten Querschnitten mit Verwölbung; dies bedeutet, daß nureine Kombination der Normalkraft und der Biegemo-mente – nicht aber des Wölbmoments – vorgegeben wer-den darf, um den vollplastizierten Spannungsverlauf zu er-halten. Das Wölbmoment ist daraus dann aber eindeutigbestimmbar und wird für die bereits erwähnte Formel zurBerechnung des größten Torsionsdrehwinkels ϑ benötigt.

Daraus folgt insbesondere auch, daß zur Bestimmungder Tragschnittgrößen die Vorgabe Wölbmoment = 0 (beiTorsionsfreiheit nach Elastizitätstheorie) unzulässig ist.Ebenso folgt daraus, daß die genannten Werte Mpl in [1]für U-Profile keine Tragmomente sind und der Begriff Mplunzutreffend ist.

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Nun ist aber noch auf einen anderen Sachverhalt hin-zuweisen, der mit dem zuvor beschriebenen nicht ver-wechselt werden darf. Wenn die Achse des Versagensme-chanismus in einem Gurt oder im Steg liegt, so kann auf-grund der Annahme des idealisierten Querschnitts (mitBlechdicke << Blechbreite) gesagt werden, daß die ge-nannte Achse mit der Blechachse zusammenfällt. Wie inBild 2 gezeigt, darf dann mit einer mittleren Ersatzspan-nung σm = (1 – 2γ)fy gerechnet werden, welche dieselbenSchnittgrößen liefert wie die wirkliche Spannungsvertei-lung. Dies ändert nichts an der Tatsache, daß eine vollpla-stizierte Spannungsverteilung vorliegt und daß die Lageder Versagensachse nach wie vor zwei Freiheitsgrade be-sitzt und eindeutig bestimmt werden kann. Ein Beispielhierzu ist in Abschnitt 6.3 gegeben.

In diesem Zusammenhang sei auf die Anmerkung 2des Elements (755) von DIN 18800 Teil 1, Nov. 1990 hin-gewiesen: „… Als vollplastische Zustände werden diejeni-gen plastischen Zustände bezeichnet, bei denen eine Ver-größerung der Schnittgrößen nicht möglich ist. Dabei mußder Querschnitt nicht durchplastiziert sein. Dies kann z. B.bei ungleichschenkligen Winkelquerschnitten der Fall sein,die durch Biegemomente My und Mz beansprucht sind;siehe hierzu z. B. [7].“

Das Studium der genannten Literaturquelle zeigt, daßes sich bei den dort behandelten Winkelprofilen um Fällehandelt, bei denen die Versagensachse in einem Schenkelliegt. Damit liegt der vorstehend beschriebene und in Bild 2gezeigte Sachverhalt vor, wobei die mittlere Ersatzspan-nung σm die Streckgrenze nicht erreicht. Wenn auch dieAussage „nicht durchplastizierter Querschnitt“ unzutref-fend ist, so führt die Rechnung mit σm doch zu völlig kor-rekten Ergebnissen. Ein ganz anderer Sachverhalt liegtbeim erwähnten U-Profil vor, wo die Biegeachse y wederim Steg noch in einem Gurt liegt.

4 Schnittgrößen N, My, Mz und Mxx des vollplastiziertenQuerschnitts (aus Normalspannungen σσ)

Bild 3 zeigt die Festlegungen für den allgemeinen Quer-schnitt, Bild 4 die Teilschnittgrößen NS, MS für den Steg,NO, MO für den Obergurt und NU, MU für den Untergurt.MS ist auf die y-Achse (siehe Bild 1) und MO sowie MUsind auf die Stegachse bezogen. Die daraus hervorgehen-den Gesamtschnittgrößen N, My, Mz und Mxx sind aus

Bild 2. Wirkliche vollplastizierte Spannungsverteilung undVerlauf der mittleren Ersatzspannung σm, wenn die Ver-sagensachse in einem Blech (Steg oder Gurt) liegtFig. 2. Real plastic distribution of stress and function of themean equivalent stress σm, if axis of failure is inside of webor flange

Bild 3. Allgemeiner QuerschnittFig. 3. General cross-section

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Bild 5 ersichtlich. Während N, My und Mz eindeutig defi-nierte Größen sind, ist für Mxx eine Definition noch erfor-derlich; diese wird wie folgt vorgenommen:

Mxx = (MO – MU)a (1)

Diese Schnittgröße kann als Wölbmoment, bezogen aufdie x-Achse, interpretiert werden. Wesentlich ist aber, wienoch gezeigt werden wird, daß Mxx so definiert ist, daß dieAbleitung nach x das auf die x-Achse bezogene sekundäreTorsionsmoment Mx,s ergibt, d. h. es gilt:

M′xx = Mx,s (2)

Für die restlichen Schnittgrößen erhält man:

N = NS + NO + NU (3)

My = MS + (NU – NO)a (4)

Mz = MO + MU (5)

Um allgemeine Formeln für die Teilschnittgrößen von Stegund Gurten (Bild 4) angeben zu können, wird für ein Ein-zelblech von den in Bild 6 angegebenen Definitionen aus-gegangen. Mit ζ ist die (unbekannte) Lage der Nullinieund mit β die (bekannte) Lage der Bezugsachse für M fest-gelegt (für den Steg gilt stets β = 0). Die Formeln lauten:

N = ζ A fy (6)

(7)

für –1 ≤ ζ ≤ 1 und –1 ≤ β ≤ 1

Um sich einer vorliegenden Spannungsverteilung oderSchnittgrößendefinition anzupassen, können die positivenRichtungen von ζ, β, N, M und fy jeweils auch umgekehrtangenommen und durch Vorzeichenänderung in den For-meln berücksichtigt werden.

Bei der Anwendung erhalten die einzelnen Größenzusätzlich noch den auf den Steg bzw. den Gurt hinwei-senden Index.

Wenn nicht der Sonderfall vorliegt, daß die Versagens-achse im Steg oder in einem Gurt liegt, so sind zwei Werte ζzur Festlegung der Lage dieser Achse im Querschnitt erfor-derlich. Durch Vorgabe des Verhältnisses der SchnittgrößenN, My und Mz ist – wie bereits erwähnt – die Versagen-sachse eindeutig bestimmbar und Mxx aus dem zugehörigenvollplastizierten Spannungsverlauf danach berechenbar.

5 Zahlenbeispiel eines doppeltsymmetrischen I-Querschnitts

Hier ergibt sich im vollplastizierten Querschnitt nur dannein Wölbmoment Mxx, wenn N, My und Mz gleichzeitigvorhanden sind. Als Beispiel wird der beidseits gabelgela-gerte I-Träger aus [2], Abschnitt 3.1 gewählt. Mit den Defi-nitionen von Bild 3 gilt für den hier vorliegenden doppelt-symmetrischen Querschnitt:

a = bO = bU = b = 0,1 mAS = 0,0018 m2, AO = AU = AG = 0,003 m2

Gegeben sind die (der 1,7fachen elastischen Grenzlast ent-sprechenden) Schnittgrößen

N0 = 783 kN

Mx = 0

und die Streckgrenze fy = 240/1,1 MN/m2.

M kNm aus q

M kNm aus q

y z

z y

0 2

0 2

18

44 7 3 50 29

18

33 5 3 37 69

= ⋅ =

= ⋅ =

, , ( )

, , ( )

M bAf N b bAfy y= − + = + − −[ ]12

1 12

12 2 2( ) ( )ζ β β β ζBild 4. Teilschnittgrößen von Steg und GurtenFig. 4. Partial stress resultants of web and flanges

Bild 5. Gesamtschnittgrößen N, My, Mz und MxxFig. 5. Total stress resultants N, My, Mz and Mxx

Bild 6. Vollplastizierter Spannungsverlauf und Teilschnitt-größen N und M für ein Blech (Steg oder Gurt)Fig. 6. Plastic distribution of stress and partial stress resul-tants N and M for web or flange

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Gesucht ist der Traglastfaktor νT, mit dem alle dreiSchnittgrößen gesteigert werden, und das zugehörige Wölb-moment Mxx.

Die Lage der Spannungsnullinie ist durch Probierenzu finden. Aus Bild 7, in dem bereits die Ergebnisse ange-geben sind, ist ersichtlich, daß die Spannungsnullinie Ober-gurt, Untergurt und Steg schneidet.

Aus den Gln. (6) und (7) erhält man als Teilschnitt-größen gemäß Bild 4:für den Steg (βS = 0):

NS = ζSASfy (8)

(9)

für den Obergurt (βO = 0):

NO = –ζOAGfy (10)

(11)

für den Untergurt (βU = 0):

NU = ζUAGfy (12)

(13)

Geometrische Bedingung:

(14)

Gesamtschnittgrößen nach Gln. (3) bis (5):

νTN0 = NS + NO + NU = (ζSAS – ζOAG + ζUAG)fy (15)

(16)

ν

ζ ζ ζ

T y S U O

S S U O G y

M M N N a

A A af

0

212

1

= + −

= − + +

( )

( ) ( )

ζζ

ζζ

O

U

S

S= −

+11

M bA fU U G y= −12

1 2( )ζ

M bA fO O G y= −12

1 2( )ζ

M aA fS S S y= −12

1 2( )ζ

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(17)

Die Gln. (14) bis (17) sind Bestimmungsgleichungen fürdie vier Unbekannten ζS, ζO, ζU und νT. Die Auflösung er-gibt:

ζS = 0,9459ζO = 0,0229ζU = 0,8252νT = 1,145

Die richtige Annahme der Lage der Nullinie wird bestätigtdurch

0 ≤ ζO ≤ 1 und 0 ≤ ζU ≤ 1.

Als Tragschnittgrößen erhält man:

N = νTN0 = 896,6 kN

My = νTM0y = 57,58 kNm

Mz = νTM0z = 43,15 kNm

Gemäß Gl. (1) ergibt sich für das Wölbmoment:

(18)

Der Torsionsdrehwinkel ϑ in Stabmitte kann unter Vor-wegnahme der Gl. (48) hier wegen Mx ≡ 0 sehr einfach be-rechnet werden aus:

wobei G = 81 · 106 kN/m2 und IT = (ASt2S + 2AGt2G)/3 =0,4986 · 10–6 m4 mit tS = 9 mm und tG = 15 mm eingesetztwurden. Der Torsionsdrehwinkel ϑ ist unabhängig von derLänge des Stabes.

Bild 7 zeigt alle wesentlichen Ergebnisse für den voll-plastizierten Querschnitt. Die Durchbiegung wächst beiAnnäherung an die Traglast unbegrenzt, deren Richtungstrebt gegen die Normale zur Nullinie (Bild 7).

6 Zahlenbeispiel eines allgemeinen 3-Blech-Querschnitts6.1 Querschnitt und Material

Der (idealisierte) Querschnitt hat folgende Abmessungenbzw. Flächen (vgl. Bild 3):Steg: a = 0,45 m, AS = 0,018 m2 → tS = 0,02 mObergurt: eO = 0,10 m, bO = 0,30 m, AO = 0,024 m2

→ tO = 0,04 mUntergurt: eU = 0,05 m, bU = 0,20 m, AU = 0,012 m2

→ tU = 0,03 mMaterial: fy = 240 MN/m2,

E = 210 · 103 MN/m2, G = 81 · 103 MN/m2

Damit erhält man die (erst später benötigte) Torsionssteifig-keit:

GI G A t A t A t MNmT S S O O U U= + + =13

1 5232 2 2 2( ) ,

ϑ = − = − = − °MGI

xx

T0 0551 316, , ,

M M M a abA f

kNm

xx O U U O G y= − = −

=

( ) ( )

,

12

2 227

2 2

2

ζ ζ

ν ζ ζT z O U O U G yM M M b A f0 2 212

2= + = − −( )

Bild 7. Doppeltsymmetrischer I-Querschnitt mit vollplasti-ziertem Spannungsverlauf und Tragschnittgrößen N, My undMzFig. 7. Double symmetric I-section with plastic stress distri-bution and ultimate stress resultants N, My and Mz

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6.2 Berechnung von Mpl,y und Mxx,pl,y (N = 0, Mz = 0)

Für eine ausschließlich vertikale Belastung sind das Trag-moment My = Mpl,y und das zugehörige WölbmomentMxx,pl,y zu bestimmen, wobei N = 0 und Mz = 0 gilt. Ausder Anschauung heraus, erforderlichenfalls durch Probie-ren, ist festzustellen, daß die Nullinie Obergurt und Stegin der in Bild 8 gezeigten Form schneidet, festgelegt durchdie Unbekannten ζS und ζO.

Die allgemeinen Formeln für diese Nullinienlage lau-ten gemäß Abschnitt 4:

NS = ζSASfy (19)

NO = –ζOAOfy (20)

NU = AUfy (21)

N = (ζSAS – ζOAO + AU)fy = 0 (22)

(23)

(24)

MU = –NUeU = –eUAUfy (25)

(26)

(27)

M b A e A fz O O O O O U U y= − + − +[ ] −

=12

1 02 2β β ζ( )

M aA A A a fy S S U O O y= − + +

12

1 2( ) ( )ζ ζ

M b A f e bO O O O O O y O O O= − + − +[ ] =12

1 2 2β β ζ β( ) , /

M aA fS S S y= −12

1 2( )ζ

Nach Einsetzen der gegebenen Zahlenwerte liefert Gl. (27)unmittelbar die erste Unbekannte:

ζO = 0,7971

Damit erhält man aus Gl. (22) die zweite Unbekannte:

ζS = 0,3961

Daraus ergeben sich folgende Schnittgrößen:

NS = 1,711 MN, NO = –4,591 MN, NU = 2,880 MNMS = 0,820 MNm, MO = 0,144 MNm, MU = –0,144 MNmMy = Mpl,y = 4,181 MNm

Schließlich liefert Gl. (1):

Mxx = Mxx,pl,y = 0,1296 MNm2

6.3 Berechnung von Mpl,z und Mxx,pl,z (N = 0, My = 0)

Für eine ausschließlich horizontale Belastung ist das Trag-moment Mz = Mpl,z und das zugehörige WölbmomentMxx,pl,z zu bestimmen. Durch Probieren findet man, daßdie Nullinie im Steg liegt (Bild 9); damit ist dort der inBild 2 dargestellte Sachverhalt gegeben. Um die genaueLage der Nullinie innerhalb der Stegfläche angeben zukönnen, sind zwei Unbekannte zu bestimmen. Diese Be-rechnung ist aber nicht notwendig, wenn nur (was prak-tisch ausreichend ist) Mpl,z ermittelt und der Nachweis er-bracht werden soll, daß die angenommene Nullinienlagerichtig ist.

Für beide Gurte sind die Gln. (6) und (7) mit β = ζ an-wendbar. Obergurt mit βO = ζO = –eO/bO:

NO = βOAOfy (28)

Bild 8. Vollplastizierter Spannungsverlauf für Mpl,y (N = 0,Mz = 0) am Beispiel eines allgemeinen QuerschnittsFig. 8. Plastic stress distribution for Mpl,y (N = 0, Mz = 0),example of a general cross-section

Bild 9. Vollplastizierter Spannungsverlauf für Mpl,z (N = 0,My = 0) am Beispiel eines allgemeinen QuerschnittsFig. 9. Plastic stress distribution for Mpl,z (N = 0, My = 0),example of a general cross-section

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(29)

Untergurt mit βU = ζU = –eU/bU:

NU = βUAUfy (30)

(31)

Aus N = 0 erhält man gemäß Gl. (3):

NS = –NO – NU (32)

Aus My = 0 erhält man gemäß Gl. (4):

MS = –(NU – NO)a (33)

Es ist nachzuweisen, daß der Steg die Schnittgrößen NSund MS übertragen kann. Die Interaktionsbedingung hier-für (Rechteckquerschnitt) lautet:

(34)

Ist der Nachweis nicht erfüllt, war die Annahme für dieNullinienlage falsch.

Nach Gl. (5) ergibt sich:

Mz = MO + MU (35)

Gl. (1) liefert schließlich:

Mxx = (MO – MU)a (36)

Einsetzen der Zahlenwerte:

NO = –1,92 MN, MO = 0,96 MNm, NU = –0,72 MN,MU = 0,306 MNmNS = 2,64 MN, MS = –0,54 MNm, Npl,S = 4,32 MN,Mpl,S = 0,972 MNmMz = Mpl,z =1,266 MNm, Mxx = Mxx,pl,z = 0,2943 MNm2

Gl. (34): 0,929 < 1, dies bedeutet nicht, daß der Steg nichtvollplastiziert wäre, sondern nur, daß die Nullinie nichtnormal zur Stegachse (also nicht horizontal) verläuft.

Zur Klärung des allgemein in Abschnitt 3 und Bild 2dargestellten Sachverhalts, wird nachfolgend die genaueLage der Nullinie innerhalb des Steges und die Verteilungder mittleren Ersatzspannung σm bestimmt. Wie bereits er-wähnt, ist dies für den Tragsicherheitsnachweis nicht not-wendig. Bild 10 zeigt die Lage der Nullinie (festgelegt durchα und γ), die nach der Theorie vorhandene vollplastischeSpannungsverteilung, die daraus hervorgehenden KräfteNpl,S und ∆Npl,S sowie die σm-Verteilung. Für die (als kleinangenommene) Stegdicke tS muß kein Zahlenwert ange-nommen werden.

Die Schnittgrößen NS und MS sind bekannt, ebensoNpl,S; ∆Npl,S ergibt sich aus den Druckspannungen im Be-reich der Dreiecksfläche des Steges als „Korrekturkraft“

mit N A f und M aA fpl S S y pl S S y, ,= = 12

M

MN

NS

pl S

S

pl S, ,+

2

1

M b A fU U U U y= +12

1 2( )β

M b A fO O O O y= +12

1 2( )β

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zu Npl,S, das heißt, daß dort die Druckspannung 2fy anzu-setzen ist. Daraus folgt:

(37)

Resultierende aus Npl,S und ∆Npl,S sind NS und MS, so daßgilt:

NS = Npl,S – ∆Npl,S (38)

(39)

Aus Gl. (38) erhält man: ∆Npl,S = 1,68 MN,aus Gl. (39): α = 0,857,aus Gl. (37): γ = 0,907.

Gemäß Bild 2 beträgt σm an der Stegunterkante:

σm = (1 – 2γ)fy = –0,815fy

womit die σm-Verteilung in Bild 10 festliegt.Die Tatsache, daß die Nullinie im oberen Teil außer-

halb des Steges liegt, ist kein Widerspruch zur Annahme„Nullinie im Steg“, weil am idealisierten Querschnitt mittS → 0 die Abweichungen der Nullinie von der Stegachseebenfalls gegen Null streben. Die oben berechneten Werteändern sich dabei nicht, da sie unabhängig von tS sind.

7 Formeln für Mpl,y, Mxx,pl,y und Mpl,z, Mxx,pl,z für Querschnitts-sonderfälle

Für bestimmte 3-Blech-Querschnitte werden in Tabelle 1das Tragmoment Mpl,y für eine vertikale Querlast, das Trag-moment Mpl,z für eine horizontale Querlast, die zugehöri-

M N aS pl S= − −

∆ , 1

∆N a t f A fpl S S y S y, = =12

2 12

α γ αγ

Bild 10. Wirkliche vollplastizierte Spannungsverteilung und Verlauf der mittleren Ersatzspannung σm im Steg fürMz = Mpl,z gemäß Bild 9Fig. 10. Real plastic distribution of stress and function ofthe mean equivalent stress σm in the web for Mz = Mpl,zaccording to Fig. 9

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gen Wölbmomente Mxx,pl,y bzw. Mxx,pl,z und die Lagen derSpannungsnullinie angegeben.

Tabelle 2 enthält für bestimmte 2-Blech-Querschnittewieder die Tragmomente Mpl,y und Mpl,z sowie die Lagender Spannungsnullinie. Diese Querschnitte haben natur-gemäß keine Verwölbung, Wölbmomente Mxx existierennicht, und der Ursprung derAchsen y-z wird in den Schnitt-punkt der Blechachsen gelegt. Ein Torsionsmoment MT =Mx wird hier auf diesen Schnittpunkt (= Schubmittelpunkt)bezogen. Da keine Wölbkrafttorsion auftritt, liegt (im ela-stischen und plastischen Bereich) stets nur St. Venant-Tor-sion vor.

8 Torsionsmomente und Torsionsverdrehungen

Ziel dieses Abschnitts ist es, jene Formel herzuleiten, dieden maßgebenden Torsionsdrehwinkel ϑ im Traglastzu-stand liefert. Bild 11 zeigt die Querkräfte QO, QU und QSin den Querschnittsteilen. In Bild 12 ist der Schnittkraft-zustand an einem Obergurtelement der Länge dx darge-stellt. Die Momentengleichgewichtsbedingung bezüglichder vertikalen Stegachse ergibt:

QO = M′O (40)

Tabelle 1. Tragmomente Mpl,y, Mpl,z, zugehörige Wölbmomente Mxx,pl,y, Mxx,pl,z undLage der Spannungsnullinie für bestimmte 3-Blech-QuerschnitteTable 1. Ultimate moments Mpl,y, Mpl,z, associated warping moments Mxx,pl,y, Mxx,pl,zand position of zero line for special 3-plate-sections

Tabelle 2. Tragmomente Mpl,y, Mpl,z und Lage der Spannungsnullinie für bestimmte 2-Blech-QuerschnitteTable 2. Ultimate moments Mpl,y, Mpl,z and position of zero line for special 2-plate-sec-tions

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Die Änderungen von QO und NO sind in Bild 12 nichtdargestellt, da sie für vorstehende Bedingung ohne Bedeu-tung sind. Dies gilt aber nur, weil MO auf die Stegachsebezogen wird; andernfalls würde die Änderung dNO inGl. (40) eingehen.

Für den Untergurt gilt analog:

QU = M′U (41)

Das auf die x-Achse bezogene sekundäre Torsionsmomentbeträgt:

Mx,s = (QO – QU)a (42)

Die Ableitung von Mxx gemäß Gl. (1) ergibt:

M′xx = (M′O – M′U)a = (QO – QU)a (43)

Daraus folgt:

Mx,s = M′xx (44)

Entsprechend der Annahmen in Abschnitt 2 wird für dieprimäre Torsion (St. Venant) angenommen:

(45)

Dies kann mit der Tatsache gerechtfertigt werden, daß beimPlastizieren die Interaktion zwischen σ und τ gemäß derVergleichsspannungsformel σV = √σ2 + 3τ2 relativ geringist. Das gesamte Torsionsmoment bezüglich der x-Achse er-gibt sich aus primärem und sekundärem Anteil wie folgt:

Mx = Mp + Mx,s (46)

Unter Berücksichtigung der Gln. (44) und (45) erhält mandaraus:

′ =ϑM

GIp

T

54

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Mx = GITϑ′ + M′xx (47)

Die Integration vom Anfangspunkt i bis zur allgemeinenStelle x und die Auflösung nach ϑ liefern:

(48)

ϑ und Mxx beziehen sich auf die allgemeine Stelle x desStabes, während ϑi und Mxx,i auf den Anfangspunkt i(Stelle x = 0) bezogen sind. An einem frei verwölbbarenStabende ist das Wölbmoment Mxx Null oder als einge-prägte Größe bekannt (z. B. bei exzentrischem Angriff vonN). Am vollplastizierten Querschnitt ist Mxx mit den ange-gebenen Formeln berechenbar. Zur Auswertung des Inte-grals in Gl. (48) muß der Verlauf des Torsionsmoments Mxbekannt sein.

9 Lastfälle und Lagerungsfälle für einen Einzelstab

Bild 13 zeigt als mögliche Lastfälle die Gleichlasten qz, qyund die an beliebiger Stelle j vorhandenen Einzellasten Pz,Py. Alle Lasten können bezüglich des Stegmittelpunktesbeliebige Exzentrizitäten ey bzw. ez aufweisen. Als Lage-rungsfälle werden der beidseits gabelgelagerte und der ein-gespannte Stab (starre Biege- und Wölbeinspannung) be-rücksichtigt.

Es werden jeweils die Traglasten und die zugehörigenmaßgebenden Torsionsdrehwinkel bestimmt. Hierzu wirdGl. (48) in der Form angewendet, daß die allgemeine Stelle xdurch die Stelle „pl“ des versagenden, vollplastizierten Quer-schnitts ersetzt wird.

10 Gabelgelagerter Stab

Es wird angenommen, daß an der Stelle von max M Biege-versagen auftritt. Dies setzt voraus, daß die Schubspan-nungen aus Torsion und Querkraft an den Auflagerquer-schnitten aufgenommen werden können.

Die Verläufe von Querkraft und Biegemoment für dieLasten gemäß Bild 13 sind statisch bestimmt, also unmit-telbar bekannt. Für den Verlauf des Torsionsmoments Mxtrifft dies nicht zu. Wendet man Gl. (48) für x = � an, so er-

ϑ ϑ= + − +

∫i

Tx xx xx i

x

GIM dx M M1

0

,

Bild 11. Querkräfte in den QuerschnittsteilenFig. 11. Shear forces in the parts of section

Bild 12. Element des ObergurtesFig. 12. Element of upper flange

Bild 13. Berücksichtigte Gleichlasten qz, qy und Einzella-sten Pz, Py mit Exzentrizitäten ey, ez sowie LagerungsfälleFig. 13. Considered uniform loads qz, qy and single loads Pz, Py with eccentricities ey, ez as well as cases of supportconditions

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hält man mit ϑi = ϑk = 0 und Mxx,i = Mxx,k = 0 die Verträg-lichkeitsbedingung:

(49)

Diese ist nur gültig, weil (wie bei Elastizitätstheorie) GIT =konst. angenommen wurde. Da auch für die QuerkräfteQz und Qy das Integral über � jeweils Null ist, folgt, daßMx ähnlich zu Qz bzw. Qy verläuft. Damit erhält man:für die vertikale Belastung:

Mx = Qzey (50)

(51)

(52)

für die horizontale Belastung:

Mx = Qyez (53)

(54)

(55)

Bemerkenswert ist, daß ϑpl jeweils unabhängig von der Stab-länge � ist.

10.1 Lastfall qz

Die Stelle „pl“ liegt in Stabmitte m. Die Traglast qz erhältman aus:

(56)

qz ist unabhängig von der Exzentrizität ey. Mpl,y wird, wiein Abschnitt 5 bzw. 6 gezeigt, ermittelt. Aus Symmetrie-gründen sind in Stabmitte alle Torsionsmomente undQuerkräfte Null, also auch alle Schubspannungen.

Der Torsionsdrehwinkel ϑm = ϑpl ergibt sich ausGl. (52):

(57)

1. Fall: Beispiel eines allgemeinen Querschnitts nach Ab-schnitt 6Bereits berechnet wurden GIT = 1,523 MNm2, Mpl,y =4,181 MNm und Mxx,pl,y = 0,1296 MNm2. Nach Gl. (57)erhält man (im Bogenmaß):

Last in Stegebene (ey = 0): ϑm = –0,08511Last im Schubmittelpunkt: ϑm = +0,04687,

ϑmye

m= −

0 36420 08511

,,

ϑmT

pl y y xx pl yGIM e M= −1 ( ), , ,

18

2q Mz pl yl = ,

ϑplT

pl z z xx pl zGIM e M= −1 ( ), , ,

M dx M ex pl z z

pl

=∫ ,

0

ϑplT

pl y y xx pl yGIM e M= −1 ( ), , ,

M dx M ex pl y y

pl

=∫ ,

0

M dxx =∫ 00

l

wobei ey = cy = 0,048066 m nach [3] eingesetzt wurde.In diesem Fall ist nach Elastizitätstheorie ϑm = 0, dasheißt, der Torsionsdrehwinkel entsteht erst durch Plasti-zieren.

2. Fall: U-Querschnitt gemäß Tabelle 1Mit der Abkürzung

(58)

erhält man aus Tabelle 1:

(59)

Mxx,pl,y = 2AGabfy (60)

Nach Gl. (57) ergibt sich:

(61)

Last in Stegebene (ey = 0):

(62)

Last im Schubmittelpunkt:

(63)

wobei ey = cy = b/(1 + δ/6) als Schubmittelpunktsabstandeingesetzt wurde. Auch hier tritt Torsion erst durch Plasti-zieren auf. Würde man anstelle von Mpl,y das elastischeGrenzmoment Mel,y = (1 + δ/6)2AGafy einsetzen, sowürde sich aus Gl. (63) offensichtlich auch ϑm = 0 erge-ben.

3. Fall: Z-Querschnitt gemäß Tabelle 1Mpl,y wird nach Tabelle 1 bestimmt; Mxx,pl,y ist Null. Damitliefert Gl. (57):

(64)

Für eine Belastung in Stegebene würde sich demnach ϑm = 0ergeben.

10.2 Lastfall qy

Die analogen Formeln lauten hier:Traglast qy aus:

(65)

Torsionsdrehwinkel in Stabmitte:

(66)

1. Fall: Beispiel eines allgemeinen Querschnitts nach Ab-schnitt 6Bereits berechnet: GIT = 1,523 MNm2, Mpl,z = 1,266 MNmund Mxx,pl,z = 0,2943 kNm2

ϑmT

pl z z xx pl zGIM e M= −1 ( ), , ,

18

2q My pl zl = ,

ϑmT

pl y yGIM e= 1

,

ϑ δδm

G y

T

A abf

GI= +

+−

>1 41 6

12

0//

ϑmG y

T

A abf

GI= − <

20

ϑ δm

T

yG yGI

e

bA abf= +

1 14

1 2

M A afpl y G y, = +

1

42δ

δ = AA

S

G

Page 10: Zur plastischen Tragfähigkeit von 3-Blech-Querschnitten unter Normalkraft, doppelter Biegung und Wölbkrafttorsion

Damit liefert Gl. (66) für ϑm (im Bogenmaß):

Last in halber Steghöhe (ez = 0): ϑm = –0,1933Last in Höhe Obergurt (ez = a = 0,45 m): ϑm = +0,1809

2. Fall: Einfachsymmetrischer I-Querschnitt gemäß Ta-belle 1Nach Einsetzen von Mpl,z und Mxx,pl,z nach Tabelle 1 erhältman:

(67)

Last in halber Steghöhe (ez = 0):

(68)

Last in Höhe Obergurt (ez = a):

(69)

Last in Höhe Untergurt (ez = –a):

(70)

3. Fall: Z-Querschnitt gemäß Tabelle 1Tabelle 1 liefert Mpl,z und Mxx,pl,z = 0. Damit gilt nachGl. (66):

(71)

Wirkt die Last in halber Steghöhe, wird ϑm = 0.

10.3 Lastfall Pz

Die Stelle „pl“ liegt am Angriffspunkt j der Last Pz. DieTraglast Pz erhält man aus:

(72)

Dies setzt voraus, daß das in diesem Lastfall vorhandeneTorsionsmoment und die vorhandene Querkraft für dieInteraktion mit dem Biegemoment Mpl,y vernachlässigbarsind. Ein solcher Nachweis kann wie folgt erbracht wer-den:

Unter der Annahme �• ≤ �* ist der Querschnitt linksvon j (Bild 13) maßgebend. Dort gilt:

(73)

Mx,j = Qz,jey (74)

Im Sinne des statischen Satzes der Plastizitätstheorie wirdangenommen, daß Mx,j als sekundäres Torsionsmomentübertragen wird. Gemäß Gl. (42) ergeben sich daraus dieGurtquerkräfte:

(75)Q QM

aQ

e

aO Ux j

z jy= − = =,

,2 2

Q Pz j z,

*= l

l

M P My j z pl y,

• *

,= =l ll

ϑmT

pl z zGIM e= 1

,

ϑmT

O O yGIA b af= − 1

ϑmT

U U yGIA b af= 1

ϑmT

U U O O yGIA b A b af= −1 1

2( )

ϑmT

zU U

zO O yGI

ea

A bea

A b af= +

− −

1 1 1 12

ϑmze

m= −

1 20301933

,,

56

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Die Stegquerkraft beträgt:

QS = Qz,j (76)

Für die plastische Querkraft eines Blechs mit der Quer-schnittsfläche A gilt:

Qpl = Afy/√—3 (77)

Für alle drei Bleche des Querschnitts ist der Nachweis zuerbringen, daß Q/Qpl ≤ 1/3 ist. Ist der Nachweis nichterfüllt, könnte die Interaktion mit dem Biegemoment da-durch berücksichtigt werden, daß die entsprechende Blech-dicke mit dem Faktor √1 – (Q/Qpl)2 ermäßigt wird. Derdaraus hervorgehende reduzierte Querschnitt wäre dannkonsequent sowohl der Berechnung von Mpl,y als auchMxx,pl,y zugrunde zu legen.

DerTorsionsdrehwinkel ϑj = ϑpl ergibt sich aus Gl. (52):

(78)

ϑj ist identisch mit ϑm nach Gl. (57), wenn der Querschnittnicht reduziert werden muß, also die Interaktion mit denQuerkräften QO, QU und QS in den Blechen vernachläs-sigbar ist.

Prinzipiell aber bleiben alle weiteren Formeln des Last-falls qz (Abschnitt 10.1) erhalten, gegebenenfalls unter Zu-grundelegung eines reduzierten Querschnitts; dabei ist dieStelle m durch die Stelle j zu ersetzen.

10.4 Lastfall Py

Alle Aussagen des vorigen Abschnitts für Pz gelten sinn-gemäß; die Indizes y und z sind zu vertauschen. Ein Unter-schied besteht lediglich darin, daß die Querkraft Qy,j nichtdurch den Steg, sondern je zur Hälfte durch die beidenGurte übertragen wird. Insgesamt erhält man für die Gurt-querkräfte:

(79)

(80)

mit

(81)

11 Eingespannter Stab

Gemäß Bild 13 hat der Stab links ein freies Ende undrechts eine starre Biege- und Wölbeinspannung; dort wirdfür die nach Bild 13 möglichen Lastfälle Biegeversagenangenommen. Gegenüber dem gabelgelagerten Stab än-dern sich in diesem Querschnitt jeweils die Vorzeichender Biegemomente und somit auch der Spannungen desvollplastizierten Querschnitts. Die damit verbundene Än-derung der Vorzeichen von Mpl,y, Mxx,pl,y und Mpl,z,Mxx,pl,z wird in den Formeln berücksichtigt, so daß dieWerte selbst ihr Vorzeichen nicht ändern, also unverän-dert wie bisher bleiben.

Q Py j y,

*= l

l

Qea

QUz

y j= −

1 12 ,

Qea

QOz

y j= +

1 12 ,

ϑ jT

pl y y xx pl yGIM e M= −1 ( ),, , ,

Page 11: Zur plastischen Tragfähigkeit von 3-Blech-Querschnitten unter Normalkraft, doppelter Biegung und Wölbkrafttorsion

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Neben den Querkräften und Biegemomenten sind nunauch die Torsionsmomente statisch bestimmt.

Die Stelle „pl“ liegt für alle betrachteten Lastfälle ander Einspannstelle k.

Für die allgemeine Gl. (48) gilt nun x = �, ϑ = ϑk = 0und Mxx,i = 0; sie wird nach ϑi aufgelöst. Die den Gln. (50)bis (55) entsprechenden Formeln lauten hier:für die vertikale Belastung:

Mx = Qzey (82)

(83)

(84)

für die horizontale Belastung:

Mx = Qyez (85)

(86)

(87)

Die genannten Vorzeichenänderungen sind dabei berück-sichtigt. ϑi stimmt mit ϑm bzw. ϑj des gabelgelagerten Sta-bes formelmäßig überein. Für die Ergebnisse trifft dies auchzu, wenn die maßgebenden Querschnitte nicht reduziertwerden müssen.

11.1 Lastfall qz

Die Traglast qz ergibt sich aus:

(88)

Die zugehörige Querkraft

Qz,k = –qz� (89)

und das Torsionsmoment

Mx,k = Qz,key (90)

ergeben Steg- und Gurtquerkräfte, die wieder nach denGln. (75) und (76) bestimmt werden können. Auch hierwird angenommen, daß Mx,k als sekundäres Torsionsmo-ment übertragen wird. Bezüglich einer eventuell erforder-lichen Querschnittsreduktion ist gemäß Abschnitt 10.3 zuverfahren.

11.2 Lastfall qy

Die analogen Formeln lauten hier:Traglast qy aus:

(91)

Qy,k = –qy� (92)

M q Mz k y pl z, ,= − = −12

2l

M q My k z pl y, ,= − = −12

2l

ϑ iT

pl z z xx pl zGIM e M= −1 ( ), , ,

M dx M e M ex z k z pl z z= = −∫ , ,

0

l

ϑ iT

pl y y xx pl yGIM e M= −1 ( ), , ,

M dx M e M ex y k y pl y y= = −∫ , ,

0

l

Mx,k = Qy,kez (93)

Gurtquerkräfte:

(94)

(95)

Erforderlichenfalls Querschnittsreduktion gemäß Ab-schnitt 10.3.

11.3 Lastfall Pz

Gemäß Bild 13 kann Pz an beliebiger Stelle wirken; derpraktisch häufige Sonderfall �• = 0, �* = � ist in den folgen-den Formeln enthalten.

Die Traglast Pz erhält man aus:

My,k = –Pz�* = –Mpl,y (96)

zugehörige Querkraft:

Qz,k = –Pz (97)

Torsionsmoment:

Mx,k = Qz,key (98)

Steg- und Gurtquerkräfte nach den Gln. (75) und (76).Erforderlichenfalls Querschnittsreduktion gemäß Ab-

schnitt 10.3.

11.4 Lastfall Py

Die Aussagen des vorigen Abschnitts für Pz gelten sinn-gemäß; die Indizes y und z sind zu vertauschen. Für dieGurtquerkräfte gelten die Gln. (94) und (95).

12 Ergebnisse nach Fließzonentheorie für einen gabel-gelagerten Stab mit U-Querschnitt und vertikaler Last

12.1 System, Material

U-Querschnitt (vgl. Tabelle 1):

A = 0,12 m, b = 0,05 m, tS = tG = t = 0,01 mAS = 2at = 0,0024 m2, AG = 2bt = 0,001 m2

Material:

fy = 240 · 103 kN/m2

E = 210 · 106 kN/m2

G = 81 · 106 kN/m2

Stablänge:

� = 4,12 m

Für Biegung um die y-Achse erhält man nach Tabelle 1:

Mpl,y = 92,16 kNmMxx,pl,y = 2,88 kNm2

δ = =AA

S

G2 4,

Qea

QUz

y k= −

1 12 ,

Qea

QOz

y k= +

1 12 ,

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Schubmittelpunktsabstand (von Stegachse):

Torsionssteifigkeit:

12.2 Lastfall q = qz (vgl. Bild 13)

Traglast nach Gl. (56):

qT = 8Mpl,y/�2 = 43,44 kN/m

Torsionsdrehwinkel ϑm in Stabmitte im Tragzustand nachGl. (61):

ey = 0: ϑm = –0,2424

ey = cy: ϑm = 0,0346

Die Ergebnisse nach Fließzonentheorie sind jeweils für dieFälle ey = 0, ey = cy/2 und ey = cy in Bild 14 dargestellt.

Bild 14a zeigt den Last-Verformungs-Verlauf q/qT –wm/�. Für q → qT strebt wm → ∞. Im Fall ey = cy ist beimÜbergang von Elastizitäts- zu Plastizitätstheorie ein Knickvorhanden (Steifigkeit ändert sich sprunghaft).

Bild 14b zeigt den Verlauf q/qT – ϑm, wobei für q = qTdie ϑm jeweils endlich sind und die oben errechneten Werteannehmen. Interessant ist, daß ϑm im Fall ey = cy/2 kurzvor Erreichen der Traglast wieder kleiner wird, während ϑmim Fall ey = cy erst durch Plastizieren auftritt.

Bild 14c zeigt für die linke Traghälfte die Biegelinienw/� bei q = 0,999qT. Wie bereits erwähnt, wächst für q → qTdie Durchbiegung unbegrenzt.

Bild 14d zeigt für die linke Trägerhälfte den Verlaufdes Torsionsdrehwinkels ϑ und Bild 14e den Verlauf derentgegengesetzt gleichen Gurtkrümmungen κG (aus de-nen durch zweifache Integration ϑ hervorgeht). Überra-schend sind die Sprungstellen von κG und der ansch-ließend konstante Verlauf im Bereich der Trägermitte; fürey = 0 wird κG dort Null, während in den anderen beidenFällen ein Vorzeichenwechsel auftritt, welcher wiederummit einem Wendepunkt der ϑ-Funktion verbunden ist.

Bild 14f zeigt schließlich die Verläufe von Mx (jeweils li-near) und Mx,s. Das primäre Torsionsmoment ergibt sich dannaus Mp = Mx – Mx,s. Den größten Betrag Mp erhält man für ey= 0 (Mp = –2,05 kNm), den größten Betrag Mx,s dagegen für ey= cy (Mx,s = 3,09 kNm), und zwar jeweils am Auflager. Die ausprimärem und sekundärem Torsionsmoment hervorgehendenSchubspannungen lassen sich hier berechnen aus

und

τpp

T

M

It=

ec

yy

m= = −2

01039: ,ϑ

ϑmye

b= −

1 6 1 0 2424, ,

GI G A A t kNmT S G= + =13

2 11 882 2( ) ,

c b b my =+

= =1 6 1 4

0 0357δ/ ,

,

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12.3 Lastfall P == Pz (�• == 0,4�, �* == 0,6�, vgl. Bild 13)

Traglast nach Gl. (72):

Torsionsdrehwinkel ϑj = ϑm von Lastfall qEs ist nachzuweisen, daß eine Abminderung von Mpl,y

aufgrund der vorhandenen Querkräfte im Steg und in denGurten nicht erforderlich ist; maßgebend hierfür ist derQuerschnitt unmittelbar links von j. Gemäß den Gln. (72)bis (77) erhält man: für den Steg:

Qz,j = 0,6PT = 55,9 kNQpl,S = ASfy/√—

3 = 333 kNQz,j < Qpl,S/3 erfüllt

für den Obergurt:

Qpl,G = AGfy/√—3 = 139 kN

QO,j < Qpl,G/3 erfüllt

Die Ergebnisse nach Fließzonentheorie sind für ey = 0, ey =cy/2 und ey = cy in Bild 15 dargestellt.

Bild 15a zeigt den Last-Verformungs-Verlauf P/PT – wj/�.Im Gegensatz zum Lastfall q sind hier die wj bei Erreichen derTraglast endlich (trotz unendlicher Krümmung κy in j).

Bild 15b zeigt den Verlauf P/PT – ϑj. Die Verläufesind unterschiedlich, die Endwerte bei Erreichen derTrag-last jedoch wieder dieselben wie im Lastfall q.

Bild 15c zeigt die Biegelinien w/� bei P = 0,999PT. ImGegensatz zum Lastfall q weisen diese an der Laststelle jeinen Knick auf und haben für P = PT einen endlichenWert. Darüber hinaus unterscheiden sich die Biegelinienfür ey = 0, cy/2 und cy nur durch diesen Knickwinkel in j,das heißt, sie haben sonst überall gleiche Krümmungen.

Bild 15d zeigt den Verlauf des Torsionsdrehwinkels ϑund Bild 15e den Verlauf der entgegengesetzt gleichen Gurt-krümmungen κG. Wieder sind an der Stelle j Knickwinkelvorhanden, und wieder sind sonst überall die Krümmun-gen κG für verschiedene ey gleich.

Bild 15f zeigt schließlich die Verläufe von Mx (ab-schnittsweise konstant) und Mx,s, womit das primäre Tor-sionsmoment wieder aus Mp = Mx – Mx,s bestimmt werdenkann. Die betragsmäßig größten Werte sind am linkenAuflager Mp = – 1,85 kNm (für ey = 0) und Mx,s =1,85 kNm (für alle ey).

13 Ergebnisse nach Fließzonentheorie für zwei eingespannteStäbe mit U-Querschnitt und vertikaler Einzellast amfreien Ende

Die Ergebnisse für die Traglast PT des gabelgelagerten Sta-bes gemäß Abschn. 12.3 gelten gleichzeitig für zwei einge-spannte Stäbe mit je einer Einzellast am freien Ende. Die-

Q Qc

akN e cO j z j

yy y, , , ( )= = =

28 3

PM

kNTpl y= =,• *

,l

l l93 21

τsx s

G

MaA

= ,

2

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Bild 14. Ergebnisse nach Fließzonentheorie für gabelgelagerten Stab mit U-Querschnitt unter Gleichlast q Fig. 14. Results according to yield-zone-theory for a beam with fork bearing and U-section under uniform load q

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Bild 15. Ergebnisse nach Fließzonentheorie für gabelgelagerten Stab mit U-Querschnitt unter Einzellast PFig. 15. Results according to yield-zone-theory for a beam with fork bearing and U-section under single load P

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ser Sachverhalt, der im Fall der Elastizitätstheorie nicht zu-treffen würde, ist in Bild 16 dargestellt. Identisch sind dieTraglasten, alle zugehörigen Schnittgrößen und alle Krüm-mungen, während die Biegelinien w(x) und die Torsions-verdrehungen ϑ(x) bis auf eine Starrkörperbewegung gleichsind. Die Ergebnisse von Bild 15 beinhalten damit auch Er-gebnisse für zwei Beispiele eines eingespannten Stabes.

14 Zusammenfassung

Für den allgemeinen 3-Blech-Querschnitt gemäß Bild 1werden die Tragschnittgrößen unter derVoraussetzung desmeist vorliegenden Biegeversagens bestimmt. Die Quer-schnittsbeanspruchung kann beliebig sein (zweiachsige Bie-gung, Normalkraft und Torsion). Die bei Elastizitätstheoriein der Regel verwendeten Hauptachsen, der Schwerpunktund der Schubmittelpunkt verlieren bei Plastizitätstheorieihre Bedeutung; deshalb wird das Bezugsachsensystem x,y, z auf den Stegmittelpunkt bezogen. Besondere Beach-tung wird der Torsion geschenkt, insbesondere der Beein-flussung von primärem und sekundärem Torsionsmomentdurch Plastizieren.

Die wichtigsten Aussagen lassen sich wie folgt zusam-menfassen:– Bei Erreichen der Tragschnittgrößen ist der Querschnittstets vollplastiziert (mit Bildung eines Versagensmechanis-mus).– Ein Tragmoment Mpl,y für ein U-Profil, bei dem der Stegelastisch bleibt, (wie z. B. in [1]) gibt es daher nicht. Die

mit den Tragschnittgrößen verbundenen Interaktionsbezie-hungen sind (selbstverständlich) für die Nachweise „Ela-stisch-Plastisch“ und „Plastisch-Plastisch“ dieselben.– Ist nach Elastizitätstheorie (z. B. bei Querlastangriff imSchubmittelpunkt) keine Torsionsbeanspruchung vorhan-den, so tritt im allgemeinen Fall durch Plastizieren zwangs-läufig eine solche Torsionsbeanspruchung auf. – Beim Biegeversagen eines Querschnitts liegt (aus kine-matischen Gründen) stets eine ebene Dehnungsverteilungvor, das heißt, die Verwölbung und ϑ′ müssen Null sein,was im allgemeinen Fall zwangsläufig zu einem Wölbmo-ment führt. Dieses ist, wenn die Dehnungsnullinie bekanntist, eindeutig berechenbar, darf also nicht vorgegeben wer-den.– Für den Traglastzustand läßt sich – sowohl im Fall desbeidseits gabelgelagerten als auch des einseitig eingespann-ten Stabes – der größte auftretende Torsionsdrehwinkel miteiner vergleichsweise einfachen Formel unmittelbar berech-nen.– Zumindest beim beidseitig gabelgelagerten Stab untereiner Gleichlast ist die Traglast unabhängig von der Exzen-trizität des Lastangriffs (Biegeversagen vorausgesetzt).

Abschließend sei darauf hingewiesen, daß bei An-wendung derTheorie II. Ordnung die Traglast in der Regelschon vor Erreichen der Traggrenze eines Querschnitts er-halten wird. Das System versagt dann nicht durch Mecha-nismusbildung in einem Querschnitt, sondern durch In-stabilwerden des Gleichgewichts. Primäres Ziel dieses Bei-trages ist jedoch die Untersuchung der Querschnittstrag-fähigkeit.

Literatur

[1] STAHLBAU-PROFILE. 24. Auflage. Düsseldorf: VerlagStahleisen GmbH 2004.

[2] Hübel, H.: Bemerkungen zur Ausnutzung plastischer Quer-schnitts- und Systemreserven. Stahlbau 72 (2003), H. 12,S. 844–852.

[3] Rubin, H.: Zur Berechnung von Stäben mit 3-Blech-Quer-schnitt unter Normalkraft, doppelter Biegung und Wölbkraft-torsion. Stahlbau 72 (2003), H. 12, S. 853–865.

Autor dieses Beitrages:O. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Helmut Rubin, Institut für Baustatik,Technische Universität Wien, Karlsplatz 13/211, A – 1040 Wien

Bild 16. Zwei eingespannte Stäbe mit gleicher Traglast undgleichen Schnittgrößen wie beim gabelgelagerten StabFig. 16. Two cantilever with the same ultimate load and thesame stress resultants as for a beam with fork bearing