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Zur Systematik der Regenbrachviigel, Grofien Brachviigel und Austernfischer. Van L. A. Portenko. I. Numenlus phaeopus (L.). Die Einzelheiten uber die Ausbreitung des Regenbrachvogels konrien bei weitem nicht als geklart gelten. Die Literaturangaben dariiber sind in vielem reclit mangelhaft. Ich personlich habe diesen Vogel am Brutplatz in der Waldtundra beobaclitet und muO gestehen, daB ich mich recht skeptisch zur Moglichkeit seines Nistens in sudlicheren Gegenden verhielt. Das Studium des Materials in den Kollektionen des Zoologischen Museums der Akademie der Wissenscliaften der UdSSR, des Arktischen Instituts und von P. P. SUSCHKIN hat meine Ansicliten endgiiltig gegndert. Die Gegenden des Nistens lassen sicli aus der nachstehenden systematisclien Uebersicht ersehen. 1. Numenius phaeopus plaaeopus (L.). Von oben relativ dunkel grauschwarz schattiert. Strichelung an Hals und Brust grob, breit, scharf. Die Axillarfedern sind niemals rein weiB; obgleich ihre Querstreifung Schwankungen unterworfen ist, sind sie melir gestreift als bei der nachsten Form des Brachvogels. Der untere Teil des Ruckens und der Biirzel sind etwas bunt gefleckt. Der Fliigel ist relativ kurz. Lebt in der W a l d t u n d r a und in den benachbarten Gegenden der Taigazone, nach den von inir untersucliten Exemplaren aus der UdSSR von der Kola-Halbinsel bis zum Ob-Meerbusen. 2. Nurnenius phaeopus albo axillaris Lowe. 1st oben ver- 1iHltnismiilJig heller, melir briiunlich schattiert. Die Strichelung an Hals und Brust ist enger und verwischter. Die Axillarfedern sind rein weiB, bisweilen mit einer kleinen Anxahl von Streifen, aber dieselben sind eriger und heller, sowie aucli weiter von einander abstehend als bei der typischen Form. Iler untere Teil des Ruckens und der Biirzel sind rein weiB oder nur init geringer Buntfieckigkeit. Fliigel relativ lang. Lebt, wie befremdend es auch ist, in Steppengegenden, durohaus gewiB am Ural-Flusse und ostlich von der Wolga, indem er vom Siiden teilweise in die Waldzone eindringt. Eierher gehort z. B. das Exemplar von P. P. SUSUHKIN aus dem ehemaligen Gouvernement Ufa. Mir schien

Zur Systematik der Regenbrachvögel, Großen Brachvögel und Austernfischer

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Page 1: Zur Systematik der Regenbrachvögel, Großen Brachvögel und Austernfischer

Zur Systematik der Regenbrachviigel, Grofien Brachviigel und Austernfischer.

Van L. A. Portenko.

I. Numenlus phaeopus (L.). Die Einzelheiten uber die Ausbreitung des Regenbrachvogels konrien

bei weitem nicht als geklart gelten. Die Literaturangaben dariiber sind in vielem reclit mangelhaft. Ich personlich habe diesen Vogel am Brutplatz in der Waldtundra beobaclitet und muO gestehen, daB ich mich recht skeptisch zur Moglichkeit seines Nistens in sudlicheren Gegenden verhielt. Das Studium des Materials in den Kollektionen des Zoologischen Museums der Akademie der Wissenscliaften der UdSSR, des Arktischen Instituts und von P. P. SUSCHKIN hat meine Ansicliten endgiiltig gegndert. Die Gegenden des Nistens lassen sicli aus der nachstehenden systematisclien Uebersicht ersehen.

1. N u m e n i u s p h a e o p u s p laaeopus (L.). Von oben relativ dunkel grauschwarz schattiert. Strichelung an Hals und Brust grob, breit, scharf. Die Axillarfedern sind niemals rein weiB; obgleich ihre Querstreifung Schwankungen unterworfen ist, sind sie melir gestreift als bei der nachsten Form des Brachvogels. Der untere Teil des Ruckens und der Biirzel sind etwas bunt gefleckt. Der Fliigel ist relativ kurz. Lebt i n der W a l d t u n d r a und in den benachbarten Gegenden der Taigazone, nach den von inir untersucliten Exemplaren aus der UdSSR von der Kola-Halbinsel bis zum Ob-Meerbusen.

2. Nurnenius p h a e o p u s a l b o a x i l l a r i s Lowe. 1st oben ver- 1iHltnismiilJig heller, melir briiunlich schattiert. Die Strichelung an Hals und Brust ist enger und verwischter. Die Axillarfedern sind rein weiB, bisweilen mit einer kleinen Anxahl von Streifen, aber dieselben sind eriger und heller, sowie aucli weiter von einander abstehend als bei der typischen Form. Iler untere Teil des Ruckens und der Biirzel sind rein weiB oder nur init geringer Buntfieckigkeit. Fliigel relativ lang. Lebt, wie befremdend es auch ist, in S teppengegenden , durohaus gewiB am Ural-Flusse und ostlich von der Wolga, indem er vom Siiden teilweise in die Waldzone eindringt. Eierher gehort z. B. das Exemplar von P. P. SUSUHKIN aus dem ehemaligen Gouvernement Ufa. Mir schien

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Systematik der Brachviigel uod Austernfischer. 215

es, daB die friiheren Hinweise iiher das Nisten des Regenbrachvogels in den ehemaligen Gouvernements Kiew (Kmsmit I ) ) , Tula (MENZBIER 2 ) )

und Woroiiescli (SEWERTZOW 8 ) ) , obgleich voii naniliaftesten russisclien Ornitliologen gemacht, niclit :tuf tatsiichlichen Befunden am Nest, sondern auf Frinden im Spiitsommer sicli griintleten, was das Nisteii durchaus niclit bewieae. In der Gegenwart neige ich der Ansiclit zu, daW wir in spiiterer Zeit keine Restktigung des Nistens des Regen- trachvogels in den angefuhrten Gouvernenients aus ganz anderen Griinden haben - infolge der Verbreitung des Ackerbaus in den Steppen und Verdrkngung diircli die Kultur des Menschen. Niclits- destoweiiiger stimnie icli durcliaus der Aiisictit des verstorbenen Dr. E. HARTERT (V. P. F., S. 2213) zu, dnW der Rcgen-Brachvogel weder auf der Tnsel Mauritius, noch in Afrika nistet. Sornit ist es uns gelungen, die Gegeiid des Rriitens cler Foriii festzustellen, welche LOWE an uberwinternden Exemplaren festgestellt hat. Das fiihrt uns zu be- merkenswerten zoogeographischen Schliissen. Die Liinicolen geben reclit viele Heispiele von Filllen der Reliktausbildung. Zu ihnen gehiirt aucli N. ph. aZboaxi2Zaris Lowe, der in Steppengebieten seit jenen Spiit- gletsclier- uncl Nacligletsclierperi~~~lcii geblieben ist, a19 an der Stelle seiner jetzigen Verbreitung tundraahuliclie Gegenden waren.

3. Numeizius phaeopzcs v a r i e g n t t c s Scop. Nacli tler Schattierung der Oberseite des Kiirpers und der Striclielung a n Hals und Rrust ist er dem typischen plineopus iihnlicli, nber die Axillarfederii sind inelir gestreift. Der hintere Teil der Hiicltens und tler Burzel sind stark bunt gePArbt. Der Fliigel ist kiirzer. Lebt in Nord-Ost-Sibirien vom Turuchansk-Gebiet bis zum Anadyr, icli bill iliiii im iistliclieii Teil der Tscliuktsclien-Hal~iiisel aber niclit begegnet.

Fast alle vermerkten Zeiclien der Regen-Brachviigel scliwanken, wie das gewohnlicli bei Unterarten der Fall ist. l ler Nzinzeuius phaeopns hudsorziczis Lath. unterscheidet sic11 etwas scliroffer, aber deniiocli sind die Unterscliiede bei iliin niclit griiller :ils bei eiiier guten Unterart. Zu demselben Forinenkreis recline ich den Nwmenizis taliitimsis (Gin.), welcher aber cine in alteii Zeiten abgcsontlerte Forni darstellt u n d sicli bis Zuni Grade einer Ar t ausgescliietleii Iittt. Daher glnube ich, dall

1) Naturgeschichte der Ciouvernements

2) Omithologische Fquna des Gouvcrnemont Tula. 3) Periodische Erscheinungcn im Lelxn der Yaagetiere, Viigcl und Iteptilieu des

liiewer Lehrbezirlts 1V. Sumpfvogel. Kiew 1862, S. 36.

Moskau 1879, S. 76.

Gouvernement Woronesh. Btoskau 1866, s. 78.

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216 L. Portenko :

:el

die Entwicklung der mittleren Brachvogel vorzugsweise ini Osten sich abspielte, und daD sie voii Osten nacli Westen vorruckten. Von diesem Standpunkt aus ist N. ph. alboaxillaras in gewissem Sinne eine Neu- bildung, die vor verliiiltnismaSig kurzer Zeit zu eineni Relilct geworden ist.

P l i i g e l l a n g e i n cm.

Schnabel

dd sen. (nec Io anno) maximal minimal Mittel Exempl. I 1 I I Anz*lder

1. phaeopus 26,3 24,4 26 2. alboarillaris 3. varieqatus

Q Q Ben. (nec I0 anno) I I I I 1. phaeopus 26,O 24,4 26,2 6 2. alboclari~laris 3. variegatus 1 2; 1 2; 1 2: I 'afi

11. Numenius arquafa (L.). Bis jetzt hat das letzte Wort uber die Unterscheidung der Rassen

des GroDen Brachvogels OSCAR NEUMANN gesprochen in seiner Arbeit : ,,Ueber Rassen des grol3en Brachvogels", Om. Mber. 1929, S. 76-78. Die Untersuchung des Materials im Zoologisclien Museum der Akademie der Wissenschaften und einigen anderen Kollektionen hat mich xu anderen SchluDfolgerungen gebracht. Oestlich der Wolga leben GroDe Brach- vogel von hellgelber Farbung mit einer dein Stroh und nicht: wie bei den im Osten verbreiteten, dem Ocker ahnlichen Schattierung. W a s die Flugel- und die Schnabellange betrifft, so durfen nur erwachsene Vogel vom zweiten Jahre an beriicksiclitigt werden, und zwar Mannchen und Weibchen getrennt. I n zwei bis drei Fallen begegnete ich auf Etilretten einer offensichtlich unrichtigen Geschlechtsbestimmung. I n der nachstehenden Tabelle sind nur die MaBe alter Vogel (mit den erwalinten zwei bis drei Korrekturen) aus Brutgebieten oder denrtelben nahen Gegenden aufgefuhrt. Eltigellange mit deru BandmaD, Schnabel- lange uber dem Bogen erniittelt.

Fli a l t e M a n n c h e n

max. I min. Europa nach Osten bis I 30,6 I 28,3

zur Wolna ~~

ijdich d e i Wolga, Ural, I 30,6 1 28,O weetsibirische und !sirpi- sische Steppe, Turkestb

Jenissei bis China

- Von Saissan, Altai und /al;sIpB.1

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Systematik der Brachviigel und Austerufischer. 217

Europa nach Osten bis

ostlich der Wolga, Ural, westsibirische und kirgi- sische Steppe, Turkestan

Von Saissan, Altai iind jenissei bis China

zur Wolga

~-

~-

I Fliigel a l t e W e i b c h e u

32,3 29,8

31,7 30,O ~~

_ _ _ _ ~ 38,6 29-1

1 niax. I min. I I

Schnabel

min. 1 Mittel IAneahl

14,3 16,6 10

14,2 16,8 9 ~~~

Die Analyse der angefiilirten Messungeii zeigt gar keine Be- ziehungen zu der geographischeii Verbreitung. Da Numenizcs arljtiata suschkini seiner Farbung nacli von N. a. lineatus nicht zu unterscheiden ist, mull er als ein Synonyni zu ihni gelten.

111. Haematopus ostralegus L. Die Ergebnisse der Untersucliiing der Austernfischer in den voii

mir genannten Kollektionen konnen als eine Ergiinzung zu h e r vor kurzem unternommenen Revision derselbeii durch FINN SALOMONSEN : ,,Reinarks on the Europeau forms of llarnintopus ostralegzisLL, Ibis 1930, S. 56-66 dienen. A n einein freilicli nicht groljen Material bestltigt sich die von NEUMANN beschriebene Form: H. 0. occideiitalis. Weiter nacli Osten leben folgende Unterarten.

a) H. 0. ostra2egzis L. Die Farbung der Oberseite ist schwiirzlich. Die Entwicklung der weilleri Partien auf den Pliigelii ist geringer a19 bei den beiden folgenden Uriterarten. Der Schnabel ist ain Ende niclits elten abgestumpft, indem er an das Ende eines Meillels erinnert und kiirzer ist, wie aus der naclistehenden Tabelle ersichtlicli. Diese Rasse ist, nach den untersuchten Exemplaren zu urteilen, verbreitet am Gestade cles Baltischen Meers, an der Kola-Halbinsel, am Gestade des Weillen Meers und weiter nach Osten his zur Petschora-Miindung.

b) H . 0. b o r y s t h e n i c w s Scharl. Die Fiirbung des Riickens und der Schultern ist brauner. An den Fliigeln ist melir Weill. Der Schnabel ist am Ende scharfer und langer. Eine Zeit glaubte ich (Der Ukrainische Jiiger und Fischer, Charkow, 1925, Nr. 9, S. 25), daD diese Unterart hauptsachlicli im Beckeii des Scliwarzen Meers verbreitet sei. Je tz t habe icli mich davon iiherzeugt, daS sie das kontinentale Gebiet der Westlililfte der Palaearktis nach Osten bis zum Ob einsclilieljlicli bewohnt, der extremste ostliche Punkt ist der FluW Tschulym. Auller den Ufern der Fliisse bewohnt diese Unterart wenigstens das Nord- gestade des Schwarzen Meeres und den Siwasch, nistet am Ural-FlulJ

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und an den Wasserbehaltern der Mittel-Kirgisen-Steppe, aber in siidlicheren Gebieten der Kirgisen-Steppe komm en Exemplare mit lhgerem Schnabel vor, welche auf den Uebergang zur nachsten Form hinweisen.

Die Farbung des Riickens und der Schultern ist noch heller: braun. Weill findet sich an den Pliigeln noch mehr, der Schnabel ist noch langer. Nistet in Turkestan: Aral-See, Syr-Darja, Amu-Darja, Semiretsclije, Kuldscha. Am Schwarzen Irtysch und unterhalb Smeinogorsk kommen Uebergangsformen von borysthenicus zu longipes vor. Der Typus, von S. A. RUTURLIN beschrieben, stammt vom Flu0 Alei des Smeinogorsker Bezirks. Die Lange des Schnabels betragt bei ihm 88 mm (BUTURLIN in litteris), aber der Cotypus: das Weibchen aus Lenkoran mit einem SchnaLel bis 90 mm, niuB zu borysthenicus gerechnet werden.

Der Lange des Schnabels nach ist diese Rasse dem longipes ahnlich, aber durch die geringe Entwicklung des Weill an den Schwnngfedern laSt sie sich sehr gut unterscheiden. 1st im Fernen Osten verbreitet. Leider tragt die Melirzahl der mir zur Verfiigung stehenden Exemplare keine genaue Bezeichnnng des Geschlechts. Ich fuhre daher nur zwei Messungen an, eines (f &us Sidemi und eines Q voni Amur.

Nachstehend folgt eine T a b e l l e d e r v e r g l e i c h e n d e n M e s - s u n g e n d e r S c h n a b e l l a n g e nur alter Exemplare, Manuchen und Weibchen getrennt, aus der Kollelttion der Akademie der Wissenschaften, von P. P. SUSCHKIN und von mir

c) H. 0. l ong ipes But.

d) H. 0. oscu lans Swinh.

~~

1. H. 0. ostrale us 7,42 6,43 6,93 i a

4. H. 0. osnclans - - 8,60 1

2. H. 0. borys&eninm 8,19 7 4 3 7,76 17 3. H. 0. longipes 8,77 8,P9 8,60 6

I dd I Q Q

7,89 6,67 7,951 11 9,09 8,09 8,69 8

10;37 9,06 9,68 8 - - 9,79 1

I mltx. I min. I Mittel IAnzahll min. I max. 1 hZittel I Anzahl

Die HauptuchluBfolgerungen aus dem Uargestellten sind : 1. Numenius phaeopus alboaxillaris Lowe ist eine gute Form., Ihr Brutgebiet ist klargostellt: das Gebiet ijstlich der Wolga und siidlicli des Ural; 2. Numenius arquatus suschr'cini ist keine unterscheidbare Unterart ; 3. Haematopus ostraleyus borysthenicus Scharl. ist eine gute Unterart mit einem grollen Verbreitungsgebiet vom Dnjepr bis zum Ob.