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Archly Ohren- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk. 177, 353--395 (1961) Aus der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universiti~t G6ttingen (Direktor: Prof. Dr. Dr h.c. It. :FRENZEL) Zur Systematik, Klinik und Untersuehungsmethodik der VestibularisstSrungen* Von HERMA_NN FRENZEL Mit 25 Textabbildungen (Eingegangen am 27. Januar 1961) Die vorliegende Abhandlung versueht, die vielgestaltigen Vestibu- larisst6rungen, die h/iufig bei den mit Schwindel einhergehenden Erkran- kungen vorhanden und nachweisbar sind, vom Symptomatischen her gegenfiberzustellen, voneinander abzugrenzen und in ein Gesamtsystem dieser StSrungen einzuordnen, das als Orientierungsgrundlage und als Ausgangsstellung ffir die diagnostisehe K1/~rung des Einzelfalles ver- wendbar ist. ]3esondere Berficksiehtigung erfahren unter den drei Hauptformen yon VestibularisstSrungen diejenigen mit Lage- und Lagerungsschwindel bzw. Nystagmus, unter anderem deswegen, well die Darstellung im Zusam- menhang steht mit einem im Mai 1960 gehaltenen Einleitungsvortrag zum Symposion fiber Lage-Nystagmus in Basel, tier im Bericht (Acta oto- laryng. Stockh. Suppl. 159) nur gekfirzt und ohne Abbildungen verSffent- licht wurde. Aufterdem stellt die vorliegende Arbeit, die sich ffir eine kurze Zusammenfassung nicht eignet, so daft an deren Stelle eine Inhalts- fibersicht vorangestellt wird, eine Erg~nzung zu der Monographie des Verfassers fiber Spontan- und Provokations-Nystagmus dar entspreehend der dort auf S. 43 diskutierten Notwendigkeit einer systematisehen Lagerungs-Prfifung. Inhaltsiibersieht Scite I. Einleitung ........................... 354 II. Charakteristik der drei Hauptformen von VestibularisstSrungen .... 356 t. Morbus Meni~ri S. 356; 2. Vestibularisausfall S. 357 ; 3. Lage- und Lagerungsschwindel bzw. Nystagmus S. 357 III. (Jberg~nge, Mischformen und Zwisehenformen ........... 358 IV. Atiologisches und Pathogenetisches zu den drei Hauptformen der Vestibularisst6rungen ...................... 362 * Erweiterte Dacstellung eines I-Ierm Prof. Kn~vs VOGEL,Kiel, zum 70. Ge- burtstage gewidmeten f]berblicks fiber die Klinik tier Vestibularisst6rungen. Auszugsweise vorgetragen in der Sitzung der Oto-laryngologischen Gesellschaft zu Berlin am 29. Januar 1960. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk., Bd. 177 25

Zur Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisstörungen

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Page 1: Zur Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisstörungen

Archly Ohren- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. Heilk. 177, 353--395 (1961)

Aus der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universiti~t G6ttingen (Direktor: Prof. Dr. D r h.c. It. :FRENZEL)

Zur Systematik, Klinik und Untersuehungsmethodik der VestibularisstSrungen*

Von HERMA_NN FRENZEL

Mit 25 Textabbildungen

(Eingegangen am 27. Januar 1961)

Die vorliegende Abhandlung versueht, die vielgestaltigen Vestibu- larisst6rungen, die h/iufig bei den mit Schwindel einhergehenden Erkran- kungen vorhanden und nachweisbar sind, vom Symptomatischen her gegenfiberzustellen, voneinander abzugrenzen und in ein Gesamtsystem dieser StSrungen einzuordnen, das als Orientierungsgrundlage und als Ausgangsstellung ffir die diagnostisehe K1/~rung des Einzelfalles ver- wendbar ist.

]3esondere Berficksiehtigung erfahren unter den drei Hauptformen yon VestibularisstSrungen diejenigen mit Lage- und Lagerungsschwindel bzw. Nystagmus, unter anderem deswegen, well die Darstellung im Zusam- menhang steht mit einem im Mai 1960 gehaltenen Einleitungsvortrag zum Symposion fiber Lage-Nystagmus in Basel, tier im Bericht (Acta oto- laryng. Stockh. Suppl. 159) nur gekfirzt und ohne Abbildungen verSffent- licht wurde.

Aufterdem stellt die vorliegende Arbeit, die sich ffir eine kurze Zusammenfassung nicht eignet, so daft an deren Stelle eine Inhalts- fibersicht vorangestellt wird, eine Erg~nzung zu der Monographie des Verfassers fiber Spontan- und Provokations-Nystagmus dar entspreehend der dort auf S. 43 diskutierten Notwendigkeit einer systematisehen Lagerungs-Prfifung.

I n h a l t s i i b e r s i e h t Scite I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

II. Charakteristik der drei Hauptformen von VestibularisstSrungen . . . . 356 t. Morbus Meni~ri S. 356; 2. Vestibularisausfall S. 357 ; 3. Lage- und

Lagerungsschwindel bzw. Nystagmus S. 357 III. (Jberg~nge, Mischformen und Zwisehenformen . . . . . . . . . . . 358 IV. Atiologisches und Pathogenetisches zu den drei Hauptformen der

Vestibularisst6rungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

* Erweiterte Dacstellung eines I-Ierm Prof. Kn~vs VOGEL, Kiel, zum 70. Ge- burtstage gewidmeten f]berblicks fiber die Klinik tier Vestibularisst6rungen. Auszugsweise vorgetragen in der Sitzung der Oto-laryngologischen Gesellschaft zu Berlin am 29. Januar 1960.

Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk., Bd. 177 25

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354 tI~,RMA~ ~RENZEL : Seite

1. Morbus Meni~ri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 2. Einseitiger Vestibularisausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 3. Lage- und Lagerungs-Nystagmus . . . . . . . . . . . . . . . . 368

V. Vestibularisst6rungen anderer Art . . . . . . . . . . . . . . . . 372 VI. Schwindelanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372

VII. Zur Priifung auf Lage- und Lagerungs-Nys~agmus . . . . . . . . . 376 VIII. Einige diagnostische Nystagmusregeln . . . . . . . . . . . . . . . 383

IX. Beispiele unter besonderer Beriicksiehtigung des Lage- und Lagerungs- schwindels bzw. -Nystagmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

Li~era~ur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394

I. Einleitung Ves t ibu la r i s s t6 rungen s ind keineswegs so sel tene und keineswegs

nu r au f das Arbe i t sgeb ie t der 0 to loger t besehr/~nkte Vorkommnisse , wie m a n das aus der ger ingen B e a c h t u n g sehlieBen k6nnte , die sic in der n ich to to log isehen L i t e r a t u r b isher gefunden haben.

In unserer Poliklinik, in der auch alle stationer behandelten Kranken durch die Erstuntersuchung erfagt werden, ergab eine Ausz~hlung der Jahre 1957 und 1958 unter 12363 Zug~ngen 833 Kranke, also fast 7o/0 mit objektiven Vestibularis- st6rungen.

Unter 155 Kranken des ersten Halbjahres 1959, deren Krankengeschichten wir einer genauen Durehmusterung unterzogen haben, entfielen auf:

1. Morbus Meni~ri sui generis 17 2. ~ormenkreis Meni~re-artiger Krankheitsbilder 4 3. Einseitiger Vestibularisausfall 23 ~. VestibularisstSrungen mit Lage- und Lagerungs-

schwindel bzw. -Nystagmus 35 5. Vestibularisst6rungen anderer Art 76

W e n n m a n yon den meis t le ieht d iagnos t i z i e rba ren o t i t i schen oder d u t c h organisehe E r k r a n k u n g e n des Zen t rMnervensys tems ve ru r saeh t en Ves t ibu la r i s s t6 rungen absieht , so d i i r f te es sich vorwiegend u m vaseul/~re Prozesse handeln , frei l ich wohl un te rsch ied l ieher Ar t , wie Insu l t e und meehan i seh oder dys regu la to r i seh bedingte Durehb lu tungss t6 rungen , bei deren Z u s t a n d e k o m m e n neben einer a l lgemeinen vege t a t i ven Dys ton ie aueh Einfli isse der Sehwerkra f t und des B lu td ruckes - - vor a l lem wohl der H y p o t o n i e - - und vielerlei ~t iologisehe F a k t o r e n , wie T rauma , A]lergie, I n tox ika t i onen , Osteoehondrose der Halswirbels / iule , hormonale S t6rungen und n ich t zu le tz t psychische Einfli isse aufs V e g e t a t i v u m im Spiele sind.

Diese durehaus noeh n ieh t vollst/~ndige Aufz~hlung 1/~gt bere i t s ve rmuten , dab m a n im Einzel fa l l m i t e inem wenn aueh fiir die The rap ie ausre iehenden, so doeh fiir wissensehaft l iehe und Begu tach tungszweeke h6ehst mig l iehen Jong l ie ren mi t M6gl ichkei ten reehnen mug.

F i i r die Therap ie desha lb ausre iehend, weil die isol ier ten vascul~ren Ves t ibu la r i s s t6 rungen der ve rseh iedens ten A r t zwar sehr 1/~stige, aber harmlose Gesundhe i t s s t6 rungen m i t s t a rke r Neigung zum spon tanen Versehwinden zu sein pflegen und somit fas t jede Therap ie , ,erfolgreich" sein kann.

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Syst, ematik, Klinik und Untersuehungsmethodik der Vestibularisst0rungen 355

Ihre h/~ufige garmlosigkeit diirfte dazu beitragen, dab den VestibularisstSrun- gen als solehen in der Klinik und in der Praxis so wenig Beaehtung gesehenkg wird, und dub sie aueh keinen besonderen Anreiz Iiir die gerade bei ihnen reeht miihsame kliniseh-wissensehaftliche Erforsehung bieten.

Man pflegt Mlenfalls das im Vordergrund stehende subjektive Symptom des Sehwindels zur Kenngnis zu nehmen und symptomatiseh zu behandeln. Man kennt es Ms Teilsymptom klimak~eriseher und arteriosklerotischer Krankhei~sbilder, des hypotonen Symptomenkomplexes, bei Magen- und GMIenerkrankungen, bei ,,KreislaufstSrungen" und vegetativer Dystonie, ohne es in der Regel im Einzelfalle genauer zu differenzieren oder gar dutch eine Vestibularisprfifung zu objekti- vieren.

Daher finden sieh zahlreiehe unbeaehtete Vestibularisst6rungen bei den inter- nistiseh, neurologisch oder in der Allgemeinpraxis behandelten Kranken. Die geringe Beaehtung der Vestibularisst6rungen bringt es mit sieh, dab diejenigen unLer ihnen, die eine dramatiseh verlaufende SymptomaLik bieten, urie etwa ein Menigre- Anfall oder das Zustandsbild nach einsei~igem pl6tzlichen Vestibularisausfall oder ein massiver Lagerungssehwindel zu den iibliehen Fehldiagnosen wie Nerven- zusammenbrueh, Nahrungsmittelvergiftung, Apoplexie, psyehogenes Zus~ands- bild und anderes mehr f/ihren, obwohl im frisehen Erkrankungszustande fiir den Kundigen ein Bliek auf die Augen geniigt, um an dem darm aueh ohne Beobaehtungs- hilfsmittel leieht siehtbaren vestibul/~ren l~ueknystagmus das Zustandsbild als Ves~ibularisst6rung zu erkennen.

Da abet der Nystagmus nieht, nut bei dem dureh seine kurze Dauer eharakteri- sierten Meni~re-AnfM1 schnell versehwindet, sondern aueh bei anderen s~iirmiseh einsetzenden Vestibulariss~6rungen ein baldiger Riiekg~ng dieses diagnostiseh wiehtigsten objektiven Symptoms ebenso erfolgt, wie es aueh ffir die subjektiven Vesgibularissymlogome der Fall zu sein pfleg~, komm~ es in der l~egel angesiehts einer seheinbar erfolgreiehen Therapie mifi sehneller Besserung zu keiner K1/~rung des Krankheitsgesehehens, das dann sp/iter aus der Anamnese als Vestibularis- stSrung dieser oder jener Art noeh erkennbar sein kann.

Wi t haben vor 11/2 J ah ren yon den oben ge na nn t e n 155 K r a n k e n eine Gruppe yon einigen 20 Kranken , bei denen vaseulgre Prozesse an- zunehmen waren, gemeinsam mi t der Nervenkl inik , der Augenkl inik , der Medizinisehen Kl in ik u n d der R6n tgenab te i l ung der Ch~rurgisehen Kl in ik ~ besonders gri indlieh umbersueht, um zu sehen, ob sieh verwertbare diagnostisehe Anha l t spunk te ftir einen vaseul/iren Prozeg gewinnen liegen.

Die Untersuehungen erstreekten sieh neben der eingehenden otologisehen Untersuehung auf die Erhebung des genauen neurologisehen Befundes einsehlieB- lieh Liquorbefund, des internistisehen sowie des mit den ophthalmologischen Druek- messungen am Augenhintergrund fests~ellbaren Kreislauf- und Gef~13befundes und auf den Wirbels/~ulenbefund.

Leider haben diese Un te r suchungen bei den ersten 20 K r a n k e n keine diagnostiseh verwer tbaren Befunde hinsiehtl ieh der Gef/~Bfunktion ergeben, so dab wir sie bald danaeh eingestellt haben.

Fiir die Un~erstiitzung bei diesen s~e~s vom gleichen Untersueher durchgeffihr- ten miihevollen Prfifungert danke ich auch an dieser Stelle den Herren Privat- dozent, en Dr. PoP:PE und Dr. SC~WEER sowie den Herren Dr. PRILL und Dr. Sc~]s- L~X~ verbindliehst.

25*

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356 H ~ M A ~ FR~Z~L:

Wenn man sich nun zun&chst iiber das Gebiet der Vestibularis- st6rungen und die ihnen zugrunde liegenden Erkrankungen orientieren will, so kann man yon Zusammenstellungen nach Art der Tab. 1, S. 363, Gebrauch maehen, die es mit ihren dazugehSrigen, hier nicht wieder- gegebenen tabellarischen Erlguterungen erm6glichen, yon verschiedenen

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Abb, 1. ~ c h e m a d e r V e s t i b u l a r i . s s t 6 r u n g e n . Gering- fiigig modifiziert gegeniiber d~m im lgahmen einer Diskussionsbemerkung erstmals abgebil- deten Schema [HNO (Berl.) 7, 249 (1959)]

Standpunkten aus einen gewissen Uberbhck zu gewinnen, so wie man etwa fiber wenig bekannte Lgnder der Erde durch die in Atlanten iibliehen Zusammenstellungen fiber Fls BevSlkerungszahl, Anbau und Ernte, Viehbestand und anderes mehr einen 1Jberbhck erMlt. Aber ebensowenig wie diese Zusammenstellungen es ermSg- lichen, sieh in einem unbekannten Lande zurechtzufinden - - wozu man Kar te und KompaB benStigt -- , ebensowenig vermag man sich mit Zusammenstellungen nach Art tier Tab. 1 yore Vestibularis her dia- gnostisch zurechtzufinden.

Am Anfang des diagnostischen Weges sollte die Analyse und Ein- ordnung der vorhandenen Vestibularisst6rung stehen, die man an Hand des Schemas der Abb. 1 vornehmen kann und zwar mit Hilfe

1. der Schwindelanalyse, 2. der Beobachtung yon Spontan- und Provolcations-Nystagmus und 3. der Erreybar/ceitspri~]uny unter Beriicksichtigung der HSrbefunde.

II. Charakteristik der drei Hauptformen yon Vestibularisstiirungen

Die Darstellung der Abb. 1 schneider aus der Gesamtheit der Vesti- bularisstSrungen drei Formen heraus, die sich in ausgeprs F~llen gegeneinander und gegen den verbleibenden Rest yon ,,Vestibularis- st6rungen anderer Ar t" gut abgrenzen lassen. Der Formenkreis Meni~re- artiger Krankheitsbilder stellt eine Sonderform dar, auf die im Abschnit t I I I ngher eingegangen wird.

Der Morbus Meni~ri sui generis ist als VcstibularisstSrung charak- terisiert durch den Vestibularis-Anfallsschwindel in Form periodiseh auftretender kurzdauernder Schwindelattac[cen yon Minuten bis Stunden mit wechselnder Intensit&t der Anf&lle und wechselnder Hgufigkeit, die im Intensit i i ts-Zeitdiagramm einen Ablauf gemii8 Abb .2a zcigen. Die Schwindelattacken sind je nach ihrer Intensit&t yon mehr oder weniger intensivem Spontan-Nystagmus begleitet, der im Beginn eines sehweren

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8ystem~tik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibul~risstSrungen 357

Anfalles sog~r durch die dann iiblicherweise geschlossen gehaltenen Augenlider hindurch gut sichtbar ist. Die thermische Vestibularis- erregbarkeit pflegt l~nge Zeit normal zu bleiben oder nur unwesentlich gestSrt zu sein, so dal3 in der Zeitperiode, in der die di~gnostische

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Z e # - - . - c 2e//

b Ze// Abb. 2. Synoptische Schwindel-Oharakteristik der Vestibularlsst~rungen

f

Klgrung zu erfolgen pflegt, in der t~egel noch keine verwertbaren Erreg- barkeitsst6rnngen nachweisbar sind.

Der plStzliche einseitige Vestibularisaus/all ist dutch sine schwere initials Vestibutarschwindel-Attacke mit anschliel3endem gesetzm~ltig abklingenden Dauerschwindel entsprechend dem Intensit/its-Zeitdia- g ramm b (Abb. 2), dureh den in gleicher Weiss ablaufenden richtungs- best immten Vestibularisausfall-Nystagmus zur gesunden Seite und durch die thermische Unerregbarkeit der kranken Seite gekennzeichnet.

Die dritte Form schliel31ich, der Lags- und Lagsrungsschwindel bzw. IVystagmus, stellt eine VestibularisstOrung dar, die entsprechend der Bezeichnung und den charakteristischen Angaben der Kranken yon der Kop/lage im Raum oder - - sehr viel hi~ufiger - - yon dem Vorgang des Kopflagewechseis, also einer Lagerung, abh/~ngig ist und im letzteren Falle zu einem transitorischen ~ys tagmus zu fiihren pfiegt, der oft nur fiir wenige Sekunden - - ,,fiir einen Moment" - - mit dem allerdings

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358 HEaMA~N FRENZEL:

h~ufig sehr heftigen Vestibularissehwindel verbunden ist. Vom Kranken wird dieses Vorkommnis verst/indlieherweise gem als Schwindelan/aU bezeichnet, eine Bezeiehnung, die der Arzt fiir diesen lagerungsabhgngigen ,,Moment" -- oder ,,Sekunden"-Sehwindel besser vermeidet 1 und durch die Bezeiehnung ,,Lagerungsschwindel" oder ,,transitorischer Lageschwin- del" ersetzt. Die thermisehe Erregbarkeit pflegt nngest5rt zu sein.

IIL t)berg~nge, Mischformen und Zwischenformen Wie iiberall im Bereich des Biologischen gibt es auch bei den Vesti-

bularisst6rungen ~/bergdnge und Misch/ormen sowie S/calen yon Zwischen- ]ormen teils quantitativer, tells qualitativer Art, bei deren Symptomatik iiberdies noch Zeitfaktoren eine wesentliehe Rolle spielen.

Die Beriicksichtigung yon Zwischenformen ist in erster Linie bei dem plStzlichen einseitigen Vestibularisausf~ll und bei den Vestibularis- st6rungen mit Lage- und Lagerungs-Nystagmus yon Bedeutung.

Ersterer ist absiehtlich und ausdrficklich mit dem Epitheton .plStz- lich" versehen, weil das Auftreten der heftigen initialen Schwindel- attaeke (und des riehtungsbestimmten Vestibularis-Ausfall-Nystagmus zur gesunden Seite) yon dem plStzlichen Ausfall der Labyrinthaktivit~it einer Seite und damit dem Eintr i t t einer akuten Vestibulartonus- differenz im Kerngebiet abhs ist. Der gesetzms Ablauf des Dauerschwindels (und des Spontan-Nystagmus) beruht auf dem Vor- gang der sofort einsetzenden zentralen Kompensation. Beim allmdhlichen Funktionsausfall eines Labyrinthes wird die Kompensation bereits w~ihrend des allm/~hliehen Funktionsverlustes wirksam, so dag je naeh dem Tempo des Funktionsverlustes eine dutch diesen Zeitfaktor be- stimmte Skala yon Zwisehenformen yon dem einen eharakteristisehen Eekpfeiler des mit dramatiseher Symptomatik verbundenen plStzlichen Vestibularisausfalles bis zum anderen Eckpfeiler des so langsam eintretenden Vestibularisausfalles reieht, dal] er infolge der st~tndig mit ibm Sehritt haltenden Kompensation zum ,,symptomlosen '~ -- d.h. subjelctiv symptomlosen -- Vestibularisausfall wird.

Auf der anderen Seite steht eine quantitative Skala, die dureh das Vorkommen mehr oder minder starker Teilseh/iden eines Ves~ibularis bestimmt wird, so dab sieh die Ausl/~ufer dieser Skala in uneharakteri- stisehe Spurenbefunde verlieren kSnnen. W/~hrend der subjektiv sym- ptomlose Vestibularisausfall objektiv an der thermischen Unerregbarkeit erkennbar ist, I/~gt die Erregbarkeitspriifung bei den geringen Teilseh~- den im Stich, so dab bier etwaige Spurenbefunde in den Bereieh der erw/ihnten 1)berg/inge, etwa zu ,,Vestibularisst6rungen anderer Art" fiihren.

Dazu Ygl. Abschnitt VI ,,Schwindelanalyse".

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der VestibularisstSrungen 359

Fiir den einseitigen Vestibularisausfall ergibt sieh also folgende Doppelskala:

Geringfiigige- Slcala der - - Pl i i tz l icher- Skala der - - Langsamer einseitige Zwischen- einseitiger Zwischen- einseitiger

Vestibularis- /ormen Vestibularis- ]ormen Vestibnlaris- schiidigung ausfall aus~all

mit Spuren- mit (Symptom- befund, dramatiseher loserVestibu-

Symptomatik. larisausfall).

Bei den Vestibularisst6rungen mit Lage- und Lagerung~-Nystagmus mug man nun neben einer qualitativen und einer quantitativen Skala sogar ffinf verschiedene Zeitfaktoren berfieksichtigen :

1. die Latenzzeit 2. die Nystagmusdauer 3. die Reproduzierbarkeit 4. Die Gesam~dauer der Vestibularissymptome (Krankheitsdauer) 5. das Tempo des Lageweehsels. Ffir den transitorisehen Lagerungs-Nystagmus und Lagerungs-

sehwindel ist es charakteris~iseh, da[~ er erst einige Sekunden naeh Ein- nahme einer anderen Kopflage, also mit Latenz auftri t t (Zeitfaktor 1), einen sehnell zu seinem Maximum anschwellenden und wieder abschwel- lenden Sehwindel- bzw. Nystagmusvorgang begrenzter Dauer zwisehen einigen und etwa 20--30 see darstellt (Zeitfaktor 2) und nicht sofort, sondern erst naeh einer 1/ingeren Pause in roller St/irke reproduzierbar zu sein pflegt (Zeiffaktor 3).

Ferner gibt es sehr versehiedene Verlaufsdauern dieser Vestibularis- st6rung, die zum spontanen Verschwinden in Tagen, Woehen, Monaten neigt, abet aueh fiber Jahre hin vorhanden bleiben oder wiederholt in Perioden auftreten kann (Zeitfaktor 4).

Und schlieBlieh ist aueh das Tempo des Lageweehsels yon Bedeu- tung (ZeRfaktor 5). Dureh langsamen Lageweehsel kann das Auftreten yon Lagerungs-Nystagmus vermieden werden, der beim gleiehen Kranken nach sehnellem Lageweehsel stfirmisch auftritt .

Darfiber hinaus gibt es noeh die berei~s vonBX~X~Y beobaehtete und ~ron RVTTn~ als wiehtiges Kriterium angesehene ,,strenge Lateralitdt" eines Lage-Nystagmus, d.h. der statisehe Lage-Nystagmus t r i t t erst dann ein, wenn bei der Lage/inderung die Mittellinie fiberschrit~en wird.

Schliel31ich verdient auch die jeweils vorliegende A r t der Gegenldu/ig- lceit des Lagerungs-Nystagmus Berticksiehtigung. Es ist ja ffir den dureh Lagerung aus dem Sitzen in die Kopfh/ingelagen entstehenden, meist rotierenden transitorischen Lagerungs-Nystagmus charakteristisch, dab dasWiederaufrichten zum Sitzen zu einem erneuten transitorisehen abet

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360 HE~s~AsN FI~ENZEr,:

dem prim~ren Lagerungs-Nystagmus nun in seiner Richtung ent.gegen- gesetzten Nystagmus fiihrt, der also sozusagen den zweiten Tell eines Lagerungs-Nystagmus darstellt. Dieses yon tI . I t . STE~OE~ als ,,Gegen- l~ufigkeit" bezeichnete Verhalten kennzeichnet den Lagerungs-Nystag- Inns als riehtungsweehselnden 5~ystaginusvorgang in Abh~ngigkeit yon der Riieklagerung.

Es gibt aber auch noch andere Arten der Gegenl~ufigkeit etwa den naeh einer kleinen Pause ohne Anderung der Kopflage spontan auftreten- den Richtungsumsehlag eines Lagerungs-Nystagmus, wie er beispielsweise bei Lagerungs-Nystaginen mi t rein horizontaler Schlagrichtung naeh Einnahme der Seitenlagen vorkoinmt. Neben dem yon DIx u. HALLrlKE beschriebenen rotierenden Lagerungs-Nystaginus, der naeh Einnahme der Kopfh~ngelage da rn auftritt , wenn der Kopf naeh einer Seite (n~in- lieh der Seite des yon ihnen als otolithenkrank verinuteten 0hres) gedreht ist und neben dem yon STENGm~ beschriebenen ebenfalls Ineist rofierenden ~ystaginus, der sowohl naeh Lagerung in der Sagittalebene als auch naeh Lagerung Init naeh rechts oder mit nach links gedreh~ein Kopf vorhanden ist, gibt es noch andere Typen yon Lagerungs-Nystaginus beispielsweise den erw~hnten rein horizontalen nach Einnahine der Seitenlagen.

Bei letzterem kommt es iibrigens such vor, da6 nach einer sofor~ nach dem Ein- setzen des lXTystagmns vorgenommenen lgiickdrehung in die t%iickenlage der primate Lagerungs-Nystagmus zun/~chst unbeeinflulk weiterschl/~gt und dann nach einer Pause ohne erneuten Lagereiz der gegenl/~ufige Nystagmus in der vorher nystagmus- freien l%/ickenlage auftritt (siehe Fall 13, S. 390) 1.

Wenn hier Lage- und Lagerungsschwindel bzw. Nystagmus geineinsam ohne ausdrttckhehe Trennung in einer StSrungsgruppe zusainmengefaBt sind, so beruht das darauf, dab es auch hier Zwischenforinen gibt, die eine reinliehe Trennung etwa eines statiseh bedingten Lage-Dauer-Ny- stagmus 2 ohne Latenz und ohne Anfallscharakter yon einein kinetischen Lagerungs-Nystagmus Init Latenz und Anfallscharakter erschweren.

CAWTHOKNE hat zwar gefunden, da6 bei 10% seiner einschl/igigen Kranken ein statischer Lage-Dauer-Nystagmus ohne Latenz und ohne Anfallseharakter als Symptom einer Erkrankung des Zentralnerven-

1 Seitdem ich il~ letzter Zeit im Hinblick auf diese Arten spontaner Gegen- l~ufigkeit die t~ficMagerung nicht mehr sofort nach dem AufhSren des Lagerungs- ~ystagmus vorgenommen habe, konnte ich den spontanen Richtungsumschlag auch beim rotierendelt Lagerungs-Nystagmus in der Kopfhgngelage beobachten (Fall 14).

Bezfiglich einesDauer-~ystagmus muI~ man beriicksichtigen, dab damit nicht unbeding~ ein unersch6pflicher Nystagmus mi* der ganzen Strenge dieses Wortes gemeint ist, sondern nur ein gegeniiber dem transitorischen Nystagmus-,,Anfall" l~inger danernder und ohne die sonstigen Charakteristika des an- und abschwellend transi~orischen Nystagmus ablanfender Vorgang, bei dessen zeitlicher Abgrenzung fiir die Praxis 30 sec alsMindestdauer fiir einenDauer-Nystagmus anzusetzen sind (Einzelheiten siehe bei FI~E~ZEL S. 30, Abschnitt f; vgl. aueh tLUTTIN S. 608/609).

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Lage-Dauernystagmus ohne Latenz (Zeitfaktor I)

Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibu]arisst6rungen 361

systems vorlag (zentraler Typ), und in 900/0 ein Lagerungs-Nystagmus oder -- wie er mit HALLPIKE sagt -- ein ,,positional nystagmus of the benign paroxysmal type" vorhanden war, der, wie er ebenfalls mit tTIALLPIKE annimmt, auf einem Otolithensehaden beruht (peripherer Typ).

So besteehend eine solehe Einteilung aueh ist, so l~Bt sieh -- aueh nach unseren Erfahrungen -- das Problem des Lage-Nystagmus leider nieht auf eine derart einfache Formel bringen. Man kann aber in Anleh- nung an die Cawthornesche Einteilung unter Fortlassung alles Problema- tischen folgende Faustregel aufstellen:

Lage Dauer-Nystagmu8 mit meist unau/Jiilligem, gelegentlich ]ehlen- dem Begleitschwindel ist verd~ichtig au] eine Erkrankung des Zentral- Nervensystems, so daft naeh Ausschaltung eines toxisch bedingten Lage- Nystagmus mit aller Sorg[alt nach einem neurologisehen Grundleiden gesucht werden muff.

Transitorischer Lagerungs-Nystagmus ist trotz des o/t beiingstlgend he/tigen Befleitschwindels ein harmloses, o/t vaseuliir bedingtes Symptom, vorausgesetzt, daft ein krankha/ter neurologischer Be]und und entzi~ndliche Mittelohrerkranlcungen (Fistelsymptom!) ausgeschlossen wurden.

Die yon CAWTI~OR~S einander gegentibergestellten Typen des Lage- Dauer-Nystagmus ohne Latenz und des transitorischen Lagerungs- Nystagmus mit Latenz sind ferner sehr geeignet, als Eckpfeiler einer Skala der qualitativen Zwisehenformen zn dienen, so dal3 man unter Beriieksichtigung der genannten Faktoren zu folgender den Anfor- rungen einer ,,pragmatischen Systematik" entsprechenden Einteilung mit heuristischem Wert kommt:

Gegenldu/igkeit I

Tempo des Lageweehsels (Zeitfaktor V)

I nieht oder nut abgeschw~cht bzw. nur verz6gert reproduzierbar (Zeitfaktor III)

I - - Skala

der Zwischen]ormen

s t e t s so/ort reproduzierbar ( Z e i t f a k t o r I I I )

Krankheitsdauer ( Z e i t f a k t o r I V )

I Lateralitiit

- - Lagerungs.5~ystagmus, transitoriseh (Zeitfaktor II) mit Latenz (Zeitfaktor I)

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362 I-IEI~MANN FRENZEL :

D a n e b e n g ib t es d a n n noch die Ska la q u a n t i t a t i v e r Zwischenformen, die yon den m o n o s y m p t o m a t i s c h e n mass iven K r a n k h e i t s b i l d e r n herab- re icht bis zu ger ing in tens iven Formen , die ein unwesent l iches Beglei t- s y m p t o m andere r Ves t ibu lar i ss tSrungen , beispielsweise als Spg tbe fund nach dem einsei t igen Ves t ibu la r i sausfa l l und als I n t e r v a l l b e f u n d be im Morbns Meni6ri sein k6nnen.

Auch bei entziindlichen Labyrinth-Erkrankungen und bei direkten Labyrinth- verletzungen karm peripherer Lage- und Lagerungs-lNystagmus vorkommen (NYLE~; GERLII~IGS ; STENGER;HOFMA~N). Ob der bei akt, ter 0 ~itis media gelegent- lieh auftretende massive Lage- bzw. Lagerungs-Nystagmus auf otogenen Einfliissen auf die L~byrinthhmktion beruht oder dureh die far die Otitis verantwortliche Infektion auf andere Weise verursacht wird, wie das bei anderen, nicht-otitischen Infektionen, etwa bei einer Pyelitis der Fall ist, muB vorNiufig dahingestellt bleiben.

IV. Xtiologisehes und Pa thogene t i sches zu den drei f I a up t fo rme n der Ves t ibu lar i ss t i i rungen

1. Morbus Meni~ri

Das Schema der Abb. 1 s te l l t den Morbus Meni~ri sui generis als eine der drei H a u p t f o r m e n yon Ves t ibu la r i s s tSrungen in den Mi t t e lpunk t , also eine Krankheit. Die be iden anderen F o r m e n s ind dagegen nur s y m p t o m a t i s c h cha rak te r i s i e r t e StSrnngen. Eine solche Nebene inander - s te l lung m a g au f den ers ten Bl ick Ans to~ erregen. Aber im Sinne einer pragmatischen Systemati]s, also einer au f die arz t l iche P rax i s abges te l l ten Ein te i lung , schein t sie doch be rech t ig t und - - vgl. auch Tab. 1 - - nu t u n t e r Verzieht au f Vol ls t~ndigkei t v e r m e i d b a r zu sein.

U b e r die Menigresche Krankheit s ind wir, wenn auch die Xtiologie noch n ich t vollsti~ndig au fgek la r t werden konn te und wahrscheinl ich ein polys Geschehen au f vege t a t i v -dys ton i sche r Grundlage vor- l iegt, h ins icht l ich des Krankhe i t s s i t ze s und der Pa thogenese so wel t un te r r i ch te t , dal3 die Verwendung der Krankhe i t sbeze i chnung begr i inde t ist. I n der Mehrzahl der b isher his tologisch un te r such ten F~lle l a n d sich eine E k t a s i e im Bereiche des h~ut igen Labyr in thes , aus der auf einen H y d r o p s l a b y r i n t h i bzw. dessen Fo lgezus t and geschlossen werden darf .

Man hat aber auBerdem daraus geschlossen, dal~ die endolymphatische Druek- s~eigerung den Anfall bei der Meni@resehen Kr~nkheit anslSst, ja man hat sogar detaillierte Vorstellungen yon einer kritischen Zunahme des endolymphatischen Druekes entwickelt, die zur Kompression der Capillaren und damit zum Anfall fiihren soll, wghrend die verengten Capillaren gleichzeitig wieder die Endolymph- produk~ion verhindern, so dab Druek und Anfall naehlassen (CAwT~ORN~ U. ItEWL~TT). Gegeniiber so]ehen Vorste]lungen muBf jedoeh betont werden, dab damit das iiberwiegende Vorkommen eines massiven I~ystagmus zur kranken Seite im eehten Meni~re-Anfa]l (Gi2~THE~) sehleeht vereinbar ist. Kompression der Capilla- ren -- oder wie STEV~E~ in seinem Lehrbueh schreibt -- Xompression der Sinnes- endste]len miiBte mit aller Wahrscheinliehkeit zu einer Funktionssch~idigung des betroffenen Labyrinthes und damit zu einer Minderung der Spontanaktivitgt und zu einem l~ystagmus zur gesunden Seite fiihren. AuBerdem kennen wir Ektasien des

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der VestibularisstSrungen 363

h/~utigen Labyrin~hes ohne klinische Vestibulariserscheinungen, beispielsweise bei der heredit~r progressiven InnenohrschwerhSrigkeit.

Man sollte sieh daher bei Schlu6folgerungen aus der Ektasie des h/~utigen Labyrinthes vorli~ufig damit begniigen, aus ihr die Folge einer StSrung der nenro-vegetativ gesteuerten Produktion bzw. Resorption

Tabelle 1

]:[ALLPIKE

Brit. med. Bull.

12, 149 (1956)

Morbus Meni@ri

Kleinhirn- Briieken- winkel- Tumor

Vestibularis- Neuronitis

Lage- Nystag- m u s v o m benignen Anfallstyp

])FALTZ ~YL]~N WODAK ~{ANN

Schweiz. reed. Nordisk Llirobok I [ I tNO (Berl.) Ther. d. Wschr. 86, 425 Oto-~hino-Laryn- [ 7 ,257 (1959) Gegenw.

(1956) gologie. Kopenhage~ 98, 568 (1959) Verlag l~[unksgaard

3/iorbus Meni@ri

Kleinhirn- Briicken- winkel- Tumor

Vestibularis- Neuronitis

Peripherer Lage- Nystagmus

Syndrome Sympathique Cervical Post~rieur

Morbus Meni@ri

Tumor stato- acusticus

Neuritis (Neuro- nitis) vestibula- ris

Morbus otolithicus

Tumor eerebri und cerebelli

Labyrinth- Erkrankung a) purulenta b) Meni~re

Neurologisch (organiseh), Neurotisch, Allergisch, Vegetativ

Optokinetisch

Intestinalis

Circulatoria (Blutdruck, Hirn-Arterio- sklerose)

Vorwiegend funktionetle Zirkulations- st6rungen

Organische cere- brale Durchblu- tungsst6rungen

Hirntumoren

Hirn-Embolien und Encephalo- malacien

der Endolymphe zu schlieBen, wobei es naheliegt, dab rezidivierende stiirmische Produktions- bzw. ResorptionsstSrungen, wahrscheinlieh ver- bunden mit St6rungen des Chemismus (RO~DI), auf irgendeine Weise, vielleicht lymphokinetiseh, zu einer Vestibularerregung mit Aktivit/its- steigerung s Gelegentlich schl/igt aber auch der Nystagmus im Anfall zur gesunden Seite, und die Ektasie konnte in der Mehrzahl, aber nicht in allen morphologisch untersuchten F/~llen yon Meni~rescher Krankhei t nachgewiesen werden. Man muB also damit rechnen, dab auch pl6tzliche Aktivitg~tsminderungen einen Anfall hervorrufen. Entsprechend der alten Vorstellung yon der angioneurotischen Pathogenese der Meni~reschen Krankheit , die der Migraine an die Seite gestellt und in einzelnen Fgllen als Migraine-J~quivalent gedeutet wurde, scheinen also aueh angioneurotische Vorggnge ohne St6rungen yon seiten der Endo- lymphe die Symptome der Meni~reschen Krankhei t ausl6sen zu kSnnen.

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364 HERMA~ FRE~ZEL:

An solehe pathogenetischeMSgliehkeit ist um so eher zu denken, Ms d~mit die im Rahmen der Meni~reschen Krankheit vorkommenden isolierten vestibul~ren und cochle~ren ~Pormen Ms Gef~l~spasmen ~n den einzelnen }~sten der arteri~ Iabyrin~hica am ehesten erkl~irbar sind.

I m Gegensatz zu dem typischen Morbus Meni~ri, d e r n u r im Falle periodisch auf t re tender kurzdauernder AnfSlle yon Vestibularisschwindel mi t prakt isch sehwindelfreien Interval len bei einseitiger, progressiver, oft fluktierender Innenohrschwerh6rigkei t (mit posit ivem Recrui tment) kliniseh ohne weiteres diagnostiziert werden darf, gibt es nun, abgesehen vom ,,rein cochle/~ren" oder ,,rein vest ibul~ren" Morbus Meni~ri und yon der Sonderform des Lermoyez -- le vertige, qni fair entendre - - in 10--20~ der Falle auch doppelseitige Meni~resche Krankhei ten, deren klinische Diagnose ebenso wie diejenige der rein vest ibularen Formen mangels ausreiehender Charakter is t ika auf Sehwierigkeiten st6Bt oder bei der m a n sieh sogar mit Vermutungen begniigen mu[3.

Es bleibt daher - - wenn m a n auch sagen muB leider -- niehts anderes iibrig, als eine Naehbargruppe ,,Formenkreis Meni~re-artiger Kranlcheits-

bilder 1'' einzuffihren mi t flie~enden ]Jbcrgangen zu ,,VestibularisstSrun- gen anderer Ar t " .

Dureh den Verlauf und bei Beobach tung mehrerer Anf~lle - - ins- besondere hinsiehtlieh des Verhaltens des Nys tagmus im AnfM1, etwaiger Ohrger~usehe und des haufig vorkommenden , sehr charakteris t ischen Druekgefiihles in dem sehuldigen Ohr - - ,,mein Ohr ist wie zugekork t" - - laBt sich im Laufe der Zeit aus der Gruppe des Formenkreises eine Reihe von Krankhei tsbi ldern noeh a]s eehte Meni~resehe Krankhe i t erkennen, w5hrend der Rest - - alle Krankhei tsbi lder des Formenkreises natfirlich durch den periodischen kurzdauernden Anfallschwindel mi t praktisch freien In terval len und dadureh in ihrer symptomatologisohen Verwandt- sehaft zum Morbus Meni~ri gekennzeichnet - - sieh entweder als sympto- matische VestibularisstSrung einer anderen Erk rankung etwa einer zunaehst noch nieht erkennbar gewesenen E rk rankung des Zentral- nervensystems herausgestellt 2 oder zu anderen, diagnostiseh unklar bleibenden Erk rankungen geh6rt, die periodiseh, wohl auch infolge yon Durchblntungss tSrungen oder anderen fl(ichtigen Einfliissen etwa im Rahmen einer Allergic, die ja ~uch retroI~byrinth~r ~ngreifen k6nnen, zu , ,Vestibularis-Anfallsschwindel T yp Meni~re" fiihren.

Unter diesen Umst~nden ist es verstiindlich, dab die Bezeichnung ,,Morbus Meni~re" nich~ Mlgemein gebr~iuehlich ist, sondern dal~ -- besonders im Ausland -- aueh yon einem Meni~reschen ~yndrom mit oder ohne Labyrinthhydrops gesproehen wird. An nnserem Schema der Abb. 1 wird dadurch nichts Entscheidendes ge~ndert, wenn man stat~ Morbus 1V[eni4ri sui generis ,,Meni6re-Syndrom mit Labyrinth-

Diese Benennung is~ zuLreffender als die yon mir anf~nglieh benu~zte eines Formenkreises Meni~re-artiger Erkranlsungen. [HNO (Berl.) 7, 249 (1959)].

Vgl. hierzu die sehr instruktive Beobaehtung F~E~LS!

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 365

hydrops" sohreibt und den Formenkreis Meni6re-ar~iger Krankheitsbilder als Meni6re-Syndrom schleehthin bezeichnet. Es wird aber die Abgrenzbarkeit, die Orientierung im Gebiet der Vestibularisst~rungen schwieriger. Daher scheinen mir die Bezeichnungen in meinem Schema zweckm/~Biger zu sein. Den Einw/~nden 1V[ITTERMAIEI~S 1 vermag ich nicht zu folgen, da es sich ja bei meinem Schema im Gegensatz zu seinen Versuchen nicht darum handelt, ,,die Meni~resche Krankheit durch eine schematische Zeichnung zu erl/~utern" und da ja gerade die Einiiigung des Formenkreises Meni6re-artiger Krankheitsbilder der seharfen Abgrenzung des Morbus Meni6ri sui generis dien~.

W e n n ich oben sagte, dab leider nichts anderes i ibr igbleibt , als neben der Meni6reschen K r a n k h e i t auch einen , ,Formenkre is Meni6re-ar t iger K r a n k h e i t s b i l d e r " zu unterscheiden, so bezog sich das darauf , da6 es sehr wfinschenswert w/~re, den N a m e n Meni6res nut m i t der Meni6re- schen K r a n k h e i t zu ve rb inden nnd m i t n iehts anderem. Aber das is t eben leider nicht m6glich, ohne den Ta t saehen Gewal t anzu tun .

Es w/~re darfiber hinaus auch nichts Grunds/~tzliehes dagegen einznwenden, auBerdem noch yon einem ,,Meni~reschen ~qymptomenkomplex" zu sprechen und etwa die Initialattacke einer Labyrinthverletzung oder eines Vestibularisausfalles dami~ zu kennzeichnen oder die Bezeichnung ,,Meni~re-Schwindel" zu verwenden, wenn man fiber das Gebiet der Vestibularisst6rungen soweit orien~iert ist, dab mit diesen Bezeiehnungen keine Verwirrung angerichtet wird. Die Erfahrung lehrt aber, dab selbs~ in der wissenschaftlichen Literatur bis in die neueste Zeit solche Ver- wirrungen allzu leicht entstehen, so dab es ratsam ist, vor allem die letztgenannte Bezeichnung im wissenschaftlichen Schrifttum zu vermeiden und n6tiger~alls nur yon einem vestibul/~ren Anfallsschwindel Typ Meni6re zu sprechen (siehe Abb. 3).

2. Einseitiger Vestibularisaus/all 2

Fi i r den einsei t igen mehr oder weniger p l6 tz l ichen oder auch lang- s a m e n (symptomenlosen) bzw. par t i e l l en Ves t ibular i sausfa l l k o m m t pa thogene t i sch und i~tiologisch folgendes in F r a g e :

1. T r a u m a (meist Seh~delbas is f raktur ) , 2. Diffuse L a b y r i n t h i t i s (bakter ie l t oder toxisch-ser6s) , 3. Neur i t i s bzw. , ,Neuronitis" (Mono- und Polyneur i t i s , Encephal i t i s ) , 4. Vascul/~rer 1%ozeB, 5. Mul t ip le Sklerose, 6. A k u s t i k u s t u m o r , 7. Sonst ige H i r n t u m o r e n und Z N S - E r k r a n k u n g e n andere r Ar t , 8. Lues.

I n der Mehrzahl der ursi~chlich ftir den Ves t ibular i sausfa l l in B e t r a c h t k o m m e n d e n E r k r a n k u n g e n st6Bt, wie m a n sieht , die Diagnose auf keine gr61]eren Schwier igkei ten. 1Nur die Dif ferent ia ld iagnose : entzf indl ich oder

1 SchluBwort HI~O (Berl.) 7, 250 (1959). Von dem gleichzeitig doppelseitig auftretenden Vestibularisausfall und dessen

andersartiger Symptomatik wird hier wegen seiner gro6en Seltenheit ebenso abgesehen, wie yon dem noch selteneren zweizeitigen Eintrit t eines Vestibularis- ausfMles auch der anderen Sei~.

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366 H v , ~ F ~ z n L :

vasculi~r? ist schwierig. Hier wie bei der Mehrzahl aller Vestibularis- stSrungen fehlen uns pathologiseh-anatomisehe Grundlagen in ausreichen- dem Umfange.

Yon dem hiiufigen Morbus Meni~ri sui generis liegen nur einige 20 histologische Innenohrbe~unde vor, yon dem nicht otitisch bedingten, iolStzlichen einsei~igen Vestibul~risausfall, der entweder entziindlicher oder vascul~rer Genese ist, haben ]~OI%~KUBEI~ U. WALDECKER sogar nur einen histologisch untersuchten Fall yon LINDSAu U. HEMENWAu gefunden, bei dem es sich um einen Gefal~insult im Ganglion Scarpae gehandelt hat. Von der serologiseh zu besprechenden Gruppe der Vesti- bularisstSrungen mit Lage- undLagerungsschwindel habenDIxu. HALLPn~E und CAWTttOR~E U. HALLPIKE je einen histologisch untersuchteaFMlverSffentlicht, bei denen sie neben ttirntumoren bzw. Hirnmetastasen und in dem einen Falle neben einer schweren Vertebraliswandveranderung Otolithensch/iden ieststellten. Aus der Grupl0e der VestibularisstSrungen anderer Art sind, wenn man yon otitiseh beding- ten absieht, iiberhaupt keine morphologischen 0hr- oder sonstigen Vestibularis- befunde bekannt.

Wir stehen also ganz allgemein bei den Vestibularisst5rungen und ganz besonders bei den keineswegs seltenen entziindliehen bzw. vaseuli~ren einseitigen Vestibularis- ausfallen morpho]ogisch auf einem sehr unsicheren Boden.

Auf Grund ihrer eigenen zw61f Beobaehtungen sind KOR~tIUBE~ U. WALDECKER der Meinung, dal3 die entztindliehen Vestibularisausf/~lle einen allms Beginn mit Zunahme des Schwindels tiber Stunden oder Tage zeigen und eine gute Prognose mit weitgehender Wiederher- stellung der vestibul/~ren Funktion haben. Die vascul/iren St6rungen wiesen alle ein plStzliehes heftiges Einsetzen des Sehwindels auf. Ob es sieh bier aber wirklieh um differentialdiagnostiseh verwertbare Unterscheidungsmerkmale handelt, ist ungewil3, weil ja auch bei K o ~ - ItUtlE~ u. WALD:ECKEI~ die Diagnose der entziindliehen Genese einerseits und der vaseul//ren Genese andererseits notgedrungen nut auf Ver- mutungen auf Grund gewisser Indizien beruht und morphologiseh nieht gesiehert ist. Bemerkenswert ist, dal3 bei ihren Kranken, die alle isolierte einseitige akute Vestibularisausf~tlle hatten, der Liquor cerebrospinalis in allen untersuchten F/~llen normal war und dal~ STE~G~R, der aus unseren Beobaehtungen 53 einsehl~gige Krankengesehiehten dureh- gesehen hat, in den bei 37 Patienten erhobenen Liquorbefunden -- im Gegensatz zur Zoster-Polyneuritis -- nur zweimal ganz geringe Zell- erhShung land. Es seheint danaeh die vaseuls Genese beim plStzliehen einseitigen Vestibularisausfall durehaus im Vordergrund zu stehen, wobei V]~ZLAFr an StSrungen der vegetativen Gefs in Parallele zu der heute ebenfalls als gef/~Bbedingt gedeuteten idiopathisehen Faeialislghmung denkt. DaB es jedoch -- auBer den otitiseh bedingten -- auch andere entziindliehe, etwa virusbedingte plStzliehe einseitige Vestibularisausf~lle gibt, steht auger allem Zweifel. Bei ihnen erseheint abet der Sitz der Sehgdigung, ob im Ganglion Scarpae, am Nervenstamm oder im Kerngebiet des Hirnstammes so unsieher, dab yon DIX u. HAL~- ~K~ start der iibliehen alten Benennung ,, V e s t i b u l a r i s n e u r i t i s " die 1898

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Systematik, Klinik und Un~ersuehungsmethodik der Vestibulurisst6rungen 367

yon M~LT,S in anderem Zusammenhang gepr/igte Bezeichnung ,Neuroni- tis" verwendet wird.

Was schon MILLS befiirehtete, dal~ n~mlieh diese Bezeiehnung ,,seems to have an unnatural sound even to a neurological ear" kommt in den gerade auch yon neurologischer Seite mehrf~ch erfolg~en Beunstandungen dieser Bezeichnung zum Ausdruck 1 und zweifellos r~ L~Iss~ mit R.echt, dem Wort Neuroni~is gegenfiber recht mil~trauiseh zu sein, ,,Es kSnnte zu einem bequemen Stempel werden, der die Unsicherheit der Vestibularisdiagnose nut verschleiert".

Durch partielle Vestibutarissch~den und dutch dis in einem Tell der F~Ile vorhandene Rtickbildungsf/thigkeit derjenigen Schs die zum Vestibularisausfall gefiihrt haben, kommt es zu sehr unterschiedlichen Verlaufsformen hinsichtlich Intensit/it und Dauer. Im Falle der Erholung der Vestibularisfunktion kann ferner ein Richtungsumschlag des Spont~n- Nystagmus zur kranken Seite (Erholungs-Nystagmus nach It. H. S ~ o ~ ) erfolgen, wobei der Kopfschiittel-Nystagmus jedoch noch zur gesunden Seite schlagen kann. Diese Vorkommnisse mul3 man kennen, um auch in diesem Stadium keinen Fehldeutungen zu erliegen.

Bisher war vorwiegend die l~ede yore isolierten Vestibularisausfall, der zwar keine ausgesprochen seltene Erkrankung ist, der abet trotzdem in der Praxis des Hals-Nasen-Ohrenarztes selten vorkommt.

In der t~egel iiberweist n~mlieh der yon der anf~nglichen dramatischen Symp~o- matik stark beeindruckte Hausarzt einsehl~gige Kranke sofort in ein allgemeines Krankenhaus oder in eine Innere- bzw. Neurologisehe Faehabteilung und vielfach werden sie auch dort dem Otologen nicht vorgestellt, da j~ keine unmitt~elbar auf das Ohr hinweisenden Symptome vorhanden sind und -- wie bereits eingangs erw/ihnt -- unabh~ngig vonder jeweils gestellten Diagnose und bei jeder Ther~pie infolge der zentralen Kompensation eine schnelle Besserung einzutreten pflegt.

Eher bekommt der gals-Nasen-Ohrenarzt in seiner Praxis diejenigen Kranken zu sehen, bei denen durch eine Polyneuritis, etwa infolge eines Herpes zoster otieus, aueh der Aeusticus betroffen und vielleieht auch der Facialis beteiligt ist, so dal~ die Aufmerksamkeit yon vornherein auf das Ohr gelenkt wird. Die diagnostische Sehwierigkeit liegt in diesen F~llen dann nieht so sehr in der Deutung der Vestibularisst6rung als vieImehr im Erkennen des Krankheitsbildes, das im Falle einer Trommelfell- beteiligung dureh die Herpeseffloreseenzen zur Fehldiagnose einer akuten oti~is media mit Labyrinthitis und Faeialisl~hmung verleitet.

Symptomlose Vestibularisausfi~lle pflegen gemeinsam mit dem Aeustieus als Octavusausfall beispielsweise beim Aeustieustumor oder als Labyrinthausfall bei otitisehen Erkrankungen aufzutreten. Der symptomlose Labyrinthausfall hat eine besondere klinisehe Bedeutung im Falle einer chronisch-ostitischen und einer tuberkul6sen otitis media, well er trotz der Symptomenarmut auf einer bakteriellen Infektion des

1 LEISSE, MITTERMAIER, VENZLAFF 1L I~ORlq~IUBER." I-INO (Ber].) 8, 218--221 (I960).

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368 H~RMxn~ FRENZEL :

Innenohres beruhen kann, so dab das Labyrinth einen Uberleitungsherd zum Endocranium (~eningitis!) darstellt, der als solcher reehtzeitig diagnostiziert und ausgesehaltet werden muB.

3. Lage- und Lagerungs-Nystagmu8 Das Kapitel des Lage- und Lagerungs-Nystagmus steckt nun leider

noch roller Problematik. Wir stehen hier bei der wissensehaftlichen Erforschung und bei der klinischen Kls besonderen Sehwierigkeiten gegenfiber, die zum Tell auf Eigensehaften dieser Nystagmusvorg~nge beruhen, die man nicht anders als launenhaft bezeiehnen kann. Der bereits erwahnte Faktor der sehr unterschiedliehen l~eproduzierbarkeit geh6rt beispielsweise hierher, aber aueh in der Gesamtdauer der Vesti- bularissymptome (Krankheitsdauer) sowie in anderer Hinsieht finden sieh gerade in diesem Bereich der VestibularisstSrungen Vorg/inge und Erseheinungen, fiir die wir vorlaufig keine zuverlassigen Erklarungen haben und die es augerordentlieh erschweren, hier eine giiltige Ordnung zu schaffen.

Wir wissen zwar, dab es verschiedene Arten yon Lagerungssehwindel bzw. Nystagmus gibt, deren eine bei Bogengangsfisteln als kliniseh und experimentell geklart angesehen werden darf (Lymphokinetisehe Vorg/inge dutch Druck- und Sogwirkungen des Liquor cerebrospinalis nach ~YLI~N : Lagefistelsymptom nach It. H. ST~NGEn). Dariiber hinans ist abet noeh vieles unklar.

DIx u. tIALLrIKn haben bei ihrem ,,Positional nystagmus of the benign paroxysmal type" offenbar nut eine bestimmte Gruppe yon Kranken im Auge, namlieh nut diejenigen, die einen rotierenden Lage- rungs-Nystagmus zu der yon ihnen als otolithenkrank angenommenen Seite zeigen, wenn diese Seite bei der KopLTieflagernng mit seitlich gedrehtem Kopf unten liegt (Abb. 12). Auch wenn man diejenigen Kran- ken, die bei der yon HALLPIKE nieht verwendeten Lagerungspriifung in der Sagittalen einen Lagerungs-Nystagmus gleieher Riehtung zeigen, in diese Gruppe einbezieht (Abb. 18), so geh6ren trotzdem naeh unseren Erfahrungen nur eine Minderzahl yon Vestibularisst6rungen mit Lage- rungs-Nystagmus zur Grnppe DIX-tIALLrlKE.

In eigenen Beobachtungen 1 fanden wit in den yon H. H. STENGER aus einem Zeitraum yon 9 Monaten liickenlos zusammengestellten 33 Fallen yon Lagerungs-Nystagmus nut 11 real den Typ DIx-HALLPIKE, wahrend 22mal ein bei allen drei Lagerungsprii/ungen naehweisbarer und in 19 Fallen in die gleiehe Riehtung sehlagender Lagerungs-Nystagmus auftrat, so dab also hier weder eine Schlagrichtung zum ,,unten liegenden kranken Ohre" noeh eine ,,critical position" vorhanden waren (Abb. 15).

1 Acta oto-laryng. (Stoekh.) 48, 103 (1957), Diskussionsbemerkung.

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Systema~ik, Klinik und Untersuchungsmethodik der VestibularisstSrungen 369

SehlieBlich gibt es abweichend yore Typ DIx-HALLPIK~ nnd vom Typ H. H. S T ] ~ r (siehe S. 360) einen groben rein horizontalen Lagerungs- Nystagmus und zwar nicht nur in jener yon NYL~x 1924 beschriebenen Kombination :,,rotatory towards the side downwards the floor or horizontal towards the opposite side" oder dem yon Voc]~. 1960 mitgeteilten Befund : ,,vor allem bei rechter Seitenlage nach kurzer Latenz ein starker rotatorischer Rechtsnystagmus, der sich sehnell beruhigte, sber nsch dem Aufrichten in einen such schnell vorfibergehenden Horizontalnystagmus naeh links umschlug".

Sondern es gibt i h n - wie bereits im Zusammenhang mit dem Symptom der Gegenl~tufigkeit erw/~hnt - - sis rein horizontalen groben transitorisehen Lagerungs-Nystagmus naeh Seitenlagerung. (Vgl. hierzu Fall 13 in Absehnitt I X mit Abb. 22--23. Aueh die dort unter Ziffer 5 erw/~hnten Befunde MIEI~LK~S betreffen einen rein horizontalen Lage- bzw. Lagerungs-Nystagmus.)

Eine besondere Sehwierigkeit besteht sehlieglieh darin, dab die not- wendigen Priifungen in vollem Umfsnge in der Regel den Kranken nieht zumutbar sind, weft der wiederholte Sehwindel auBerordentlieh stark bel~stigt. Dazu kommen noeh sehwindelbedingte Beobaehtungssehwie- rigkeiten infolge der im Sehwindelzustsnd verst~ndliehen Neigung, die Augen fest, ja k rampfhaf t zu sehliegen.

F a r die Forsehung, die auf eine griindliehe Befunderhebung und Formanalyse des Lage- und Lagerungs-Nystagmus nieht verziehten kann, sind die genannten Sehwierigkeiten /iuBerst miglieh, so dsI3 wir fiber eine genfigend umfangreiehe Bestandssufnahme auf diesem Teil- gebiet der Vestibularisst6rungen leider noeh nieht verffigen.

Hinsiehtlieh der psthologiseh-anatomisehen und pathologiseh-physio- logisehen Grundlagen fibersehen wit wohl versehiedene MSglichkeiten, die teilweise deduktiv aus der Physiologie des Vestibularapparates abgeleitet, teilweise aus klinischen Beobsehtungen gefolgert wurden, die abet bisher nur in geringem Umfsnge morphologiseh oder experimentell gesiehert werden konnten. Diese M6glichkeiten wurden in dem eingangs erws Symposion-Vortrag etwa folgendermagen zusammengefaBt :

Pathologisch-anatomische Grundlagen 1. Hirntumoren, multiple Sklerose und andere Erkr~nkungen des Zentral-

nervensysbems einsehlieBlieh der Lues. 2. Seh/~deltrauma mit und ohne Ohrbeteiligung. Traumatische und andere

:Erkrankungen der Halswirbels/~ule. 3. Toxische Zell- und Gewebsver~nderungen (Infektionen, Medikamente,

Genuggifte, z.B. Alkohol) einschlieglich allergischer Ver/~nderungen, zentral und peripher.

4. Vaseul&re Prozesse, insbesondere Arteriosklerose und Atheromatose. Insulte •nd morphologisehe Folgezust/~nde yon DurehblutungssgSrungen einsehlieglieh der hormonell (Klimakterium) und der dureh Lues verursaehten, zentral und peripher.

Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-tteilk., ]~d. 177 26

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370 H~R~A~ F~ZEL:

5. Sonstiges, z.B. Labyrin~hhydrops, Otosklerose, Hirndruck, Aliquorrhoe bzw. Liquordefizit.

Pathologisch-phyaiologische Grundlagen 1. Destruktive oder toxische Enthemmung. Fehlverarbeitung peripherer

Erregungen. 2. Schwerebedingte Verlagerung yon Hirnsubsta.nz. 3. Schwerebedingte Durchblutungs~nderungen:

a) mechanisch, besonders bei vascul~ren Prozessen; b) reflektorisch-dyregulatorisch.

4. Schwerebeding~e Einfliisse (Druck und Sog) des Liquor cerebrospinalis auf die L~byrinthe via Perilymphe.

5. O~olithens~Srung bzw. OtolithenschSden. 6. Ha]swirbelbedingte Syrapathicusirritation. H~]swh-belbedingte VertebrMis-

kompression. 7. Ha]sreflektorische Fehlsteuerung. 8. P~thologische Lymphokinese infolge yon Labyrinthbarrikaden. 9. Schwerebedingte Wirkungen endogener Labyrinth-Fremdk6rper (peri-

lymphatische Exsudate bei Labyrinthitis serosa, Blutstropfen nach Traumen). Bei der Xlarung des Einzelfalles stogen wir jedoeh, falls keine leich~

diagnostizierbare Grundkrankheit vorliegt, auf vorlgufig oft unfiber- windliche Schwierigkeiten.

Das betrifft zun~chst die Lokalisation der ursachliehen Sch~digung, ffir die man folgende drei Regeln im Auge behalten muB:

1. Jeder Nystagmus entsteht zentral. 2. Nystagmus kann zentral oder peripher verursacht und zentral oder

peripher ausge168t werden. 3. Trotz peripherer AuslSsung kann die Ursache zentral gelegen sein.

Beziiglieh des Lage- und Lagerungs-Nystagmus haben sich die Auf- fassungen seit BX~X~u ersten Beobaehtungen nnd pathogenetischen Deu- tungen mehrfaeh gewandelt. Von der anf/ingliehen Deutung als peripher- labyrinthgres 0tol i thensymptom ist man fiber die Deutung als zentral verursaehtes und zentral ausgel6stes I t i rnsymptom heute wieder geneig- ter, der Peripherie zumindest als Ausl6sungsort die ftihrende l%olle zu- zusehreiben.

Ob allerdings die apodiktisehe Bemerkung MYGI~DS : ,,Auf Lagereize zu antworten, ist die Aufgabe des Labyrinthes und nieht des Gehirnes", ffir den Ausl6sungsort des Lage- und Lagerungs-Nystagmus die Bedeutung eines Gesetzes hat, ist noch nieht entsehieden, wenn aueh vieles ffir eine solehe Bedeutung sprieht, wobei natfirlich die Labyrinthe selbst v611ig intakt sein k6nnen und nur eine zentral bedingte Fehlverarbeitung etwa normaler 0tolithenerregungen vorliegen kann oder die zentral zum Kombinationseffekt erfolgende Verarbeitung der aus der Zusammen- arbeit yon 0toli then und Cupulae entstehenden Erregungen gest6rt ist.

Es wtirde hier zu weig ffihren, auf die wissensehaftliehe Problematik des Lage- und Lagerungs-Nystagmus im einzelnen einzugehen. Es sei

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 371

daher auf den eingangs erw~hnten Tagungsbericht verwiesen, tIier sei fiir die Diagnostik nut betont, dal3 man sieh bemiihen mug, auf dem Wcge der Formanalyse des Nystagmus cinerseits und des Eliminlerens andererseits zu einer Eincngung der im Einzelfallc vorhegcnden M6glieh- keiten zu gelangen.

Dazu geh6rt beispielsweise das fiir die Gutaehtenpraxis sehr wiehtige Elimi- nieren des dutch Medikamente (besonders Barbiturate) und GenuBgifte (besonders Alkohol) hervorgerufenen toxisehen Lage-Nystagmus. Zum Eliminieren gehSrt aueh die Aussonderung soleher t~glle, in denen vertebrale Einfliisse und Halsreflexe bei der Entstehung des Lage- und Lagerungs-Nystugmus eine l~olle spielen, Ein- fliisse, die entspreehend den Situationen im t~gliehen Leben bei der Untersuchung zun/~ehst bewul3t nieht ausgesehalte~ werden, die abet dann bei der diagnostisehen AI~lyse desEinzeIf~lles dutch Benutzung ei~es Spezi~i-L~getisehes, etw~ desjenigen naeh NYLON 11. FRO3IM oder eines einfaeheren Modells (Abb. 5), ausgesehMtet werden miissen. Der Grahesche Lagetiseh geniigt fiir diesen Zweek nicht.

Bei den nach Eliminierung gekl/irter Formen verbleibenden F/illen von typisehem transitorisehcn Lagerungs-Nystagmus (mit Gcgenl~ufig- keit beim Wiederaufriehten und damit als zugeh6rig zu den richtungs- weehselnden Nystagmus-Formen gekennzeichnet) dfirfte es sieh in crster Linie um DurchblutungsstSrungen handeln, vielleicht aueh gelegcntlich um Druek- und Sogwirkungen des Liquor c. sp. auf die Labyrinthe wie beim Lagefistelsymptom, etwa bei asymmetrischer Durehgi~ngigkcit der Labyrinth-Liquorverbindungen. Die Labyrinthe sind ja flfissigkcits- geffillte starre ttohlr/iume, die mit den Elastizitgten der Labyrinth- fenster versehen sind, und einc bei opcrativer Labyrinther6ffnung dureh reiehhchen Liquorabflug in Erscheinung tretende breite Kommunikation zwisehen Subarachnoidal- und Perilymphraum ist in letzter Zeit beim Menschen mehrfach bcobachtet women.

Trotz der in diesen Fiillen noch vorhandenen iitiologischcn und patho- genetisehen Unsicherheiten hat man jedoeh die GcwiBheit, dab der ohne ernste Grundkrankheit auf~retende transitorisehe Lagerungs-Nystagmus ein harmloses und zum spontancn Versehwinden neigendes Symptom ist, das fiber den Typ DIX-]-IALLPIKE hinaus als ,,benign paroxysmal type" treffend gekennzeichnet ist.

Um nun aber trotz der vorhandenen Schwierigkeiten mit der grfind- lichen Erforsehung der ~tiologie und Pathogenese des Lage- und Lage- rungs-Nystagmus weiterzukommen, ist zun/ichst eine einheitliehe Be- standsaufnahme in einer leieht fibersehbaren Form der Darstellung erforderlieh. Denn gerade bei dieser Vestibularisst6rung ist im ttinbliek auf die Viclfalt und Launcnhaftigkeit der Symptomenbilder ein umfang- reieher Uberbliek fiber eine sorgf~ltig und vollst~ndig untersuehte und besondcrs in ihrem Verlauf sorgf~ltig beobachtete Kasuistik notwendig. Da der Provokations-Nystagmus im Vordergrund der Symptomatik steht, abet andererseits zu einem etwaigen Spontan-Nystagmus und

26*

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372 HEEI~AI~N FRE~ZEL :

anderem durch Lockerungsmagnahmen provozierten Nystagmus in Beziehung gesetzt werden mnl~, muB die Beobaehtung auf Spontan- und Provokations-Nystagmus und nStigenfalls seine zusatzliche Registrierung auch im Vordergrund einer grtindliehen systematisehen Untersuchung stehen.

Leider bestehen beziiglich der fiir wissenschaftliche Zwecke sehr erwiinschten Registrierung fiir den vorliegenden Zweck erhebliche und ~eilweise, z.B. beim rotierenden Nystagmus, uniiberwindliche Schwierigkeiten, so dag vorl~ufig die l~egistrierung nut als zus~itzliches Verfahren zur direkten Beobachtung in Frage kommt, urn deren systematischen Ausbau ich mich daher seit langer Zeit und in den letzten Jahren gemeinsam mit meinem Mitarbei~er ST~NGEg unter besonderer Beriicksichtigung des Lage und Lagerungs-Nystagmus zum Zwecke einer Bestands- aufnuhme im notwendigen Umfange bemiiht babe (vgl. Abschnitt VII).

V. Vestibularisstiirungen anderer Art Wenn man nach den genannten Gesichtspunkten die besproehenen

wohieharakterisierten drei Formen yon VestibularisstSrungen und den Formenkreis Meni6re-artiger Krankheitsbilder ausgesehlossen hat, dann bleiben jetzt noeh die zahlenms am h~tufigsten auftretenden Vestibu- larisst6rungen anderer Art fibrig, fiber deren Pathogenese und Atiologie wit leider aueh wenig Sieheres wissen. Sie stellen das grote tIeer der geringintensiven Vestibularisst6rungen mit sehr untersehiedlichen Sehwindelerseheinungen dar. In der gegel besteht Bin sieh fiber l~tngere Zeitr~tume erstreekender Dauersehwindel, der oft als periodiseh und in seiner St/~rke weehselnd angegeben wird und durch das Intensits Zeitdiagramm der Abb. 2 e eharakterisiert werden kann.

Bei diesen Kranken werden in der Praxis nur selten Vestibularis- priifungen veranlaBt. Sie pflegen sieh in haus/irztlieher, internistiseher oder neurologischer Behandlung zu befinden, und der angegebene Sehwindel pflegt -- wie bereits erwi~hnt -- als Symptom der behandelten Kreis- laufst6rungen, einer allgemeinen vegetativen Dystonie, einer Versagens- reaktion, einer Arteriosklerose oder des Klimakteriums und anderes mehr aufgefaBt, symptomatiseh behandelt und wenig beaehtet zu werden. Kommen solehe Patienten, die fiber Sehwindel klagen, zur Vestibularis- untersuchung, so lassen sieh sehr hi~ufig bei der systematischen Fahn- dung auf Spontan- und Provokations-Nystagmus eindeutig pathologisehe Vestibularisbefunde erheben und aueh manehe sonderbar klingende Schwindelsehilderungen, die ohne Vestibularisuntersuchung gem Ms psyehogen gedeutet werden, als Ausdruek einer organisehen Vestibularis- st6rung erkennen. Eine Differenzierung der ,,Vestibularisst6rungen anderer Art': in bestimmte Typen ist vorlgufig nieht m6glieh.

VI. Schwindelanalyse Es wurde bereits eingangs erw/~hnt, d~g man sieh im Gebiete der

Vestibularisst6rungen mit Hilfe der Schwindelanalyse, des Spontan- und

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Systematik, Klinik und Ungersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 373

Schwindel

Provokations-Nystagmns nnd der Erregbarkeitsbefnnde unter Bertiek- sichtigung der t t6rbefunde orientieren mug. Auf die Schwindelanalyse und auf die Nystagmus-Untersuehung sei in diesem und im folgenden Abschni~t in Erggnzung friiherer Darlegungen noch kurz eingegangen.

In der Schwindelanalyse mug entgegen der noch vielfach verbreiteten Ansicht, daft der Vestibularisschwindel immer ein Drehschwindel sei,

[ "= Skala der Schwindelempfindungen ~

=' 11 I I 1 Prehschwlndel

Vestibularis- Diffuser (vasomotorischer) Hirnschw[ndel. (ohnmachtsShnlicher Schwindel)

t I Anfalls-Schwindeh Typ Meni~re

21 3, I Lage-, Lagerungs- und Bewegungs-Schwindel

.. J t mit zusdtzlichem oder dutch ..... Lockerung auftretendem

Dauer-Schwindeh a)' Typ Labyrinthausfall I Belastungs- und b) anderer Art, oft periodisch oder in EntsicherungsschwisdeL

seiner StSrke.wechselnd

''= I Abb. 3. Schwindelschema. Geringfiigig erweitert und modifiziert gegeniiber dem in ,,Spontan- nnd

Provokations-STystagmus usw." auf S. 10 abgebildeten Schema

eine ganze Skala yon Schwindelempfindungen beriicksichtigt werden, deren einer Eekpfeiler der Vesbibularis-Drehschwindel, deren anderer Eckpfeiler der diffusse vasomotorische Hirnschwindel mit dem Schwarz- werden vor den Augen ist (Abb. 3).

Es treten zwar bei einem bis znr vollen Ohnmacht starken diffusen vasomotorischen tIirnschwindel Bewegungsempfindungen auch drehen- der Art -- etwa schnell und schneller kreisende Lichterscheinungen -- auf und mit sehwerem Vestibularisschwindel kSnnen ~uch Bewnl3tseins- trtibungen oder gelegentlich sogar ein kurzer ]3ewul3tseinsverlust ver- bunden sein, d~ ja einerseits bei einer allgomeinen Hirnan/~mie mit Bewu~tseinsverlust auch vestibulare Regionen betroffen sind und anderer- seits ein massiver Vestibularisschwindel mit schweren St6~en ins Vegetativum und damit auch in die Hirnvasomotorik einhergehen kann. Dem Kundigen pflegen aber solche Vorkommnisse bei der Einreihung yon Schwindelempfindungen in die eine oder die andere Gruppe keine ernsthaRen Schwierigkeiten zu bereiten. Es erscheint jedoch nicht iiber- fliissig, auf die Beriicksichtigung der ganzen Skala verschiedenartiger

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374 I-IERNIANN FI~ENZEL :

Schwindelempfindungen und ihrer fliegenden Uberggnge vom Vesti- bularisschwindel zum diffusen Hirnschwindel hier an Hand des erweiterten Schwindelschemas der Abb. 3 noch einmal hinzuweisen.

Die Grenzen zwischen Vestibularisschwindel und vestibulgren GleichgewiehtsstSrungen sind subjektiv oft verwaschen, so dab etwa Gangabweiehungen (Lateropulsion), die man eigent]ieh als Latero- traction bezeiehnen miigte, da der Kranke sich nach einer Seite hin- gezogen ffihlt, oder Taumeln als Schwindel angegeben zu werden pflegen und daher in die Skala der Schwindelempfindungen aufgenommen wurden.

Neben dem eigentliehen Drehschwindel kommen nun hin- und her- sowie auf- und abgehende und gelegentlieh aueh noeh andere Sehein- bewegungen der Umgebung als charakteristisehe Empfindungen vor, bei deren Zustandekommen zuss optisehe Einfl[isse der im Nystagmns bewegten Augen eine Rolle spielen lcgnnen, w~hrend in der l~egel die Bewegungsempfindungen im Vestibularissehwindel unabh~ngig yon den Augenbewegungen auftreten und einen Paralleleffekt zum Nystagmus darstellen.

Ferner gehSren der Sehwanksehwindel, d.h. die Empfindung des sieh bewegenden Fugbodens, also eine Seheinbewegung im Tastraum, daher aueh Tastsehwindel genannt, sowie das Liftgefiihl und die Latero- pulsion zum Vestibularissehwindel. Unsieherheitsgef[ihl, Taumeligkeit, Betrunkenheitsgefiihl, Benommenheit, sonderbares Geftihl im Kopf sind weitere Sensationen, die bei objektivierbaren VestibularisstSrungen angegeben werden, die aber aueh fliegende Uberg~nge zum diffusen I-Iirnsehwindel darstellen, wie er nieht nur vasomotoriseh als ohnmaehts- s Sehwindel, sondern aueh bei Erkrankungen im Kopfbereieh beispielsweise bei Nasennebenh6hlen-Erkrankungen vorkommt, und wie er wohl aueh rein psyehogen bedingt sein kann.

Die weitere Analyse des Vestibularissehwindels erfordert eine Gliede- rung in versehiedene Vertau[s/ormen:

1. An/allsschwindel, Typ Meni~re, 2. Dauerschwindel :

a) Typ einseitiger Labyrinthausfall, b) anderer Art, oft periodiseh und in seiner St~rke wechselnd,

3. Lage-, Lagerungs- und Bewegungssehwindel. Zu 1 und 2 kann zuss oder durch Lockerung auftretender

Belastungs- und Entsieherungssehwindel hinzutreten, beispielsweise dureh Lageweehsel und Kopfbewegungen, im Dunketn oder beim Betrachten bewegter Gegenst&nde.

W e n n es sich im ]etzteren Falle u m vorbeifahrende Autos n~ch einem Autounfal l h~ndelt, wird irrigerweise leicht ein psychogener Schwindel diagnostiziert.

L~geweehsel und Kopfbewegungen k6nnen den Sehwindel beim Vestibularisausfall und im Sehwindelanfall der Meni~resehen Krankheit

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Systema~ik, Klinik und UnSersuchungsmethodik der VestibularisstSrungen 375

so verst/irken, dab die Kranken peinlieh darauf bedacht sind, ihre Lage im Bert nieht zu/s und den Kopf ruhig zu halten.

Es handelt sieh zwar bei solehem zus/itzliehen Belastungsschwindel aueh um eine Art Lage- und Bewegungssehwindel, der aber im Gegen- satz zu den eigentlichen ,,VestibularisstSrungen mit Lage- und Lagerungs- sehwindel" naeh unseren Erfahrungen nicht yon einem riehtungs- wechselnden bzw. mit Gegenl/iufigkeit ablaufenden Lage- und Lagerungs- Nystagmus begMtet wird, sondern nut mit Intensit~tsbeeinflussungen des riehtungsbestimmten Vestibular-Ausfall-Nystagmus bzw. des riehtungs- bestimmten Nystagmus im Menigre-Anfall einhergeht.

ASC~AN u. STAHL~ haben dagegen auch richtungswechselnden Lage- Nystagmus (NYLOns Typ I) bei Registrierungen w/ihrend der Anfglle bei Morbus Meni~ri gefunden.

Es li~f3t sich zwar aus ihrer Publikation nieht genau ersehen, innerhalb welchen Zeitraumes naeh Anfallsbeginn die Registrierung erfolgte, und die Autoren scheinen aueh eine yon uns abweiehende diagnostische Definition des Morbus Merfi~ri zu benutzen, denn sie erw/~hnen z. B. bei einem ihrer Kranken (Fall 957) eine mindestens 2 Wocher~ lang andauernde Attacke! Im Gegensatz zu unseren Beobaeh~ungen, die sieh im Anfall auf die Kurzuntersuehung (Abb. 7) besehr/~nken, haben ASCHA~ 11. STKI~LE jedoch ihre Patienten -- anscheinend auf dem motorisierten Lagetisch (naeh NYL~-F~o~M) -- in Riickenlage Rechts- und Linkslage und Kopfh/~ngelage registriert, so dab ihre Befunde umfassender sind und damit das Vorkommen yon riehtungsweehselndem Lage-Nystagmus im AnfM1 des Morbus Meni6ri mit dem ohne eigene Nachuntersuchungen notwendigen Vorbehalt anerkannt werden muB.

Im Intervallstadium des Morbus Meni6ri (Abb. 19) und im Spgt- befund eines einseitigen Vestibularisausfalles (Abb. 20) ist uns das Vor- kommen yon Lage- und Lagerungs-Nystagmus wohlbekannt, Befunde, die ebenso wie ein Lage-Nystagmus im Anfalt des Morbus Meni~ri in ihren Zusammenh/~ngen mit den Innenohrver/inderungen vorl/~ufig noch unge- kl/irt sind.

Wie es sich im Initialstadium eines einseitigen pl6~zlichen Vestibularisausfalles mit dem Lage- und Lagerungs-Nystagmus verhs entzieht sich bisher unserer Kennt- his, da eine in dieser ttinsieht verwertbare ~rztliche Beobaeh~ung des sehnell voriibergehenden Anfangsstadiums in der Klinik nicht mehr mSglich ist und auger- halb der Klinik nicht zu erfolgen ioflegt. Es muB aber damit gerechnet werden, dal~ auch hier je na.ch der Ar~ der urs/iehliehen Erkrankung neben dem Friihbefund eines Reiz-Nystagmus zur kranken Seite ein initiMer Lage- und Lagerungs- Nyst.agmus vorhanden sein kann.

Dureh das gelegentliehe Auftreten yon zus/itzlichem Lage- und Lage- rungs-Nystagmus bei Vestibularisst6rungen, die an sich dutch richtungs- bestimmte Spontan-Nystagmen eharakterisiert sind, entstehen gewisse Ubersehneidungen sowohl beziiglieh der Nystagmusform als aueh der Schwindelform. Es f/~llt jedoeh in der Regel bei Beriicksiehtigung der dargelegten Charakteristika nieht sehwer, diese Uberschneidungen als solehe zu erkennen und die einzelnen Bestandteile unter tIeranziehung

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376 H E ~ F ~ Z E L :

der Erregbarkeitsbefunde fiir die Diagnostik gentigend voneinander zu trennen.

Erschwerend fiir eine solche Trennung wirkt sich jedoch ein fiber- mi~Big welter Begriff des Lage-Nystagmus aus, wenn entweder riehtungs- best immte Lage-5[ystagmen ( N ~ L ~ Typ II) , die - - sofcrn es sich nicht um den sehr selteacn Ausnahmefall eines massiven r iehtungsbestimmten transitorischcn Lage-Nystagmus handelt - - gelockerte Spontan-Nystag- men d~rstellen, oder l~gebedingte Intensiti~tseinfliisse (AvBnY Typ I I ) in den Lage-Nystagmus einbezogen werden.

I m Sinne des oben genannten Eliminierens zum Zwecke dcr Einengung der i~tiologisch-pathogenetischen MSgliehkeiten des Einzelfalles sollte man daher die Typen N Y L ~ I I und AuBnY I I besser nicht zur Gruppe des Lage- und Lagerungs-Nystagmus reehncn.

Lage- und L~gerungs-Nystagmus sind - - abgesehen yon dem soeben genanntcn Ausnahmefall - - riehtungsweehselnde Vorg~nge, ersterer in Abh~ngigkeit yon der eingenommenen Lage und letzterer durch seine Gegenlaufigkeit nach dem sehnellen Wiederaufrichten odor dureh einen spontanen Richtungsumsehlag des Nystagmus bei unver~nderter Lage.

Eine ebenfalls nur scbeinbare Sehwierigkeit besteht in der Unter- seheidung yon Anfallsschwindel und Schwindelanfall. Man kann Schwin- delanf~lle haben, wie das durchaus verst~ndlich auch yon Kranken mit transitorischem Lugerungs-Nystagmus angegeben zu werden pflegt. Abcr das ist etwas ganz anderes als ein ~pontan in An/iillen auftretender Schwindel, ein ,,An/allsschwindel Typ Meni~re". Um Mi~verstiindnissen vorzubeugen rut man, wie bereits im Absehnitt I I erwi~hnt, gut daran, bei dcm Begleitsehwindel des Lugerungs-Nystagmus nicht yon Sehwindel- anf/~llen, sondcrn yon Lagerungsschwindel bzw. vestibuli~rem Moment- oder Sekundensehwindel zu sprechen.

u Zur l~riifung auf Lage- und Lagerungs-Nystagmus

Neben der Schwindelanalyse und der Erregbarkeitspriifung, auf welch letztere bier nicht eingegangen werden soll, stellt nun die syste- matische Fahndung auf Spontan- und Provokations-~qystagmus die fiir die Praxis wichtigste und ergiebigste Untersuchungsmethode dar. Auf Grund der Erfahrungen mit dcm heute viel h/iufiger als friiher zur Beobachtung kommenden -- friiher abet vielleicht nur weniger beachte- ten - - Lagerungs-Nystagmus haben wit das aus Grundschema, Locke- rungsmaBnahmen und Lageprfifung zusammengesetzte ,, Gcsamtschema" fiir die Nystagmusaufzeichnung zwar sehr ungern, aber notgedrungen

1 Falls ira Rahmen der SchnelI-Uberprfifung in der Sprechstunde die Lage- priifung nicht dutch Umlagern yon Kopf und KSrper in die Seitenlagen, sondem nur durch Kopfstellungsiinderungen im Sitzen vorgenommen wird, so ist neben dem Lagesehema ,,Ira Sitzen" zu vermerken.

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System~tik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 377

Nystag~nusschema ]:)as Sechseckschem~ ens ft inf Felder zur Aufzelchnung des ~ys t agmus in den zwanglosen ffinf ~aUlo&blickrichs bei :Beobachtung ohne Brille. (Endstellungs~ys~agm~s is?~ gegebenenfalls

neben das Scheraa ztt zeichnen) Die iibrigen l~echtecke dienen der Aufzeichnung des jeweils bei Blick geradeaus unter der Leuchtbri l le

im D u n k e l z i m m e r auf~retenden :Nys~gmus

ml#el- 5,r~bscht#~i~ #exlschter~sL unsz~he~.f, nur on~edeuteter #ys/.

>--~wen~ ~ sequent ~egeit- ~ mehrm~Is lanT~ Z~hen dot

I \ I schwlndel ~ wec~selnderf~3L Au~7~ninz?evMhonss/ell# ~, ~ (s

e/~m~l *~ /~ unersch6pHiches ~7erinj @l#e/ stark wochse/nderNj~sl Aufrucken)

D_a~ e~// anhl &~ta/s Latenzze/~hen.

(~ul~note siehe S.376)

Kopf lagep i i fung d u t c h

K o p i d r e h u n g e n im L iegen

5.'20 bedeuld, dab ersl nach 5 s~c ein

G r u n d s c h e m a

~Tzen I / S#zeng Ll~cnd ~ ~ t(opf zaru~kgebeug/

L o c k e r u n g s . { R L R L I~ ....... Lc J~ L ~ m a l ~ n a h m e n .... s~c sac _.see

Schwindel/age ~pfsch~el~ //~sff~Ren #a2schnellem ngchflhscW/d/2 ~lef-Oew~unj r Aufrich/eR derErreJ~n~e/h-

gas s pr~u#~en

Lagepr i i fung 1

gechtsl~e I sac I L/kzksl~e

K~fh#~/o2e Vereinfachle l(opfla#epr#fun~

Aus der gdckenla)~ -

~pff~Tedreh/ ~pfh.~Tedrehl

Von clef gopf-6'egendrehun 5 �9 her schne// schne/I

t(opf re gedreh/ ~ f l/,~Te~rehl

L a g e r un~sp r Ufun~ {n~ch/tg//~l~e -~/enger~

L a g e r u n g s p r f i i u n g SI/zend, Si/ze~g

Ngch schneller

Nach schneller I ap~] Nach sehneller Koffh#ngel~e, I ""'~'i ~p_~dngda#e~ Kopfr~ATedreht Naehschnellem I(opf li.jTedr~bt Aafrl~tez7

Neck schnellem AI~cA schnellen7 AufrichNn Aufrich/en

Abb. 4. Erweitertes Gesamtschema f i i r die Pr i i fungen a u f S p o n t a n . u n d P r o v o k a t i o n s - ~ y s t a g m u s u n d deren A u f ze ichnung

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378 H~a~ANN FR~,~Z~L :

dureh die Lagerungspriifung nach HALLPIKE-STENGEI% erweitern miissen (Abb. 4), wobei die Kopfhs mit naeh reehts oder naeh links gedrehtem K o p f a u f D I x u.HALLPIKE zuriiekgehen, w/~hrend H. H. STE~GE~ die Lagerungspriifung in der Sagittalen als systematische Untersuehungs- methode benutzt hat und fiir die Charakterisierung des Lagerungs- Nystagmus die methodisehe Beriicksiehtigung der ,,Gegenl/iufigkeit" des Lagerungs-Nystagmus naeh dem Wiederaufriehten betont und empfohlen hat. Das Auftreten yon Nystagmen in solehen oder s Untersnehungssituationen war zwar sehon frtiheren Untersuehern, z.B. NYLs bekannt. Aber die Zusammenstellung einer systematischen Lagerungspriifung ergab sieh auf Grund zunehmender Erfahrungen und vielleieht aueh h~iufigeren Vorkommens yon Lagerungs-Nystagmus erst sps

Einen systematisehen Untersuehungsgang erweitern zu miissen, ist immer miBlich, denn es bedeutet vermehrte Bels fiir den Kranken und vermehrte Arbeit fiir den Arzt. Die Erweiternng des alten Nystagmus- Gesamtsehemas hat sigh uns abet als notwendig erwiesen und entgegen unserer ttoffnung, allein mi t der Lagerungspriifung in der Sagittalen auszukommen, hat sieh herausgestellt, dal3 aueh die Lagerungspriifungen mit seitlieh gedrehtem Kopf notwendig sind, um keine wesentliehen Befunde zu tibersehen.

Andererseits haben wit abet gleiehzeitig fiir die Praxis eine Erleieh- terung der Lage-Priifung in Form der vereinfaehten Kopflagepriifung dutch Kopfdrehungen in das , ,Erweiter te Gesamtschema" aufgenommen.

Gleichzeitig wurden die Legenden dureh Zeichen fiir den Begleit- sehwindel, fa r die Latenz und den Dauernystagmus sowie ftir den seine Riehtung nur einmal weehselnden Nystagmus erg/tnz~.

Das Schema sieht also jetzt neben der einfaehen Nys%agmuspriifung ohne Brille in den ffinf Hauptbliekriehtungen 23 Untersuchungsposi- tionen unter der Leuehtbrille im Dunkelraum vor. Das erseheint bedenk- lich umfangreich. Es mag aber demjenigen, der es verwendet, znm Troste dienen, dab Bo~RIEs 1923 ein Untersuchungsprogramm yon 97 Positionen vorgesehlagen hat! In der Ta t gibt as Sonderf/tlle, in denen die im jetzigen erweiterten Gesamtsehema zusammengestellten Untersuehungspositionen noeh nieht ausreiehen.

Zum Beispiel kann es wiinsehenswert sein, bei der Kopflageprfifung ,,im Sitzen" in jeder Position noch zuss Xopfdrehuugen vorzunehmen, um mit MO~ITZ die Wirbels~uleneinfliisse oder -- a.llgemeiner gesagt -- die HMseinfliisse noeh zu stei- gem. Zusgtzliche Ergebnisse dieser und anderer Art kSnnen jedoch, nStigenfalls unter Verwendung yon l%echteeken mit Nystagmussymbolen sehnell neben die Sehemat~ oder, den Notwendigkeiten des Einzelfalles angepagt, auf ein Beiblatt handsehriftlich notiert werden. In anderen Fgllen sind zusgtzliche Aufzeichnungen besonderer Art, wie beispielsweise diejenigen in Abb. 22 und 23, erforderlieh.

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Systema~ik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibulariss?,6rungen 379

Die vereinfaehte Kopflage-Priifung haben wir eingefiihrt, well das Umlegen yon Kopf und K6rper in die Seitenlagen infolge der Hiiufung schwer beweglieher iibergewichtiger K6rper zunehmend miihsamer wurde und weil es doeh keine volle Gew/~hr fiir die Aussehaltung yon Hals- einfliissen gab, die erst durch Benutzung eines Spezial-Lagetisehes er- reieht wird.

Wir hatten bei Durchsieht unserer Protokolle in Ubereinstimmung mit CAWTgOn~E festgestellt, dab die vereinfaehte Kopflagepriifung, bei der die Patienten auf dem l~iieken liegen bleiben, praktisch die gleiehen Ergebnisse wie das Umlagern des ganzen K6rpers hat, ja eher noeh etwas ergiebiger ist.

Unter den 833 Fallen der Jahre 1957 und 1958 mit positivem Nystag- musbefund fanden sich nur zwei, in denen die Lageprfifung mit Umlegen des ganzen KSrpers einen beide Male gering-intensiven Befund ergab, der durch die vereinfaehte Kopflagepriifung nieht fagbar war. Dagegen waren mehrfach die Befunde bei der vereinfaehten Kopflagepriifung deutlieher oder nut bei dieser Priifnng naehweisbar. Das spricht natiirlieh dafiir, dab bier nieht nur die Lage, sondern Halseinfliisse eine Rolle gespielt haben. •ber diese bereits erwi~hnten tIalseinfltisse wissen wir leider noch recht wenig Sicheres. Es gibt vereinzelt Fanatiker der Vertebral- genese. Sie betrachten die Osteoehondrose bezw. die aus dem Wortsehatz der Chiropratiker fibernommene ,,Gefiigest6rung" der Halswirbels/~ule mit Auswirkungen via Halssympathicus auf das Labyrinth (oder die Vesti- bnlariszentren?) als Hauptschuldigen bei allen mSgliehen Vestibularis- stSrungen. Es gibt Negativisten, die diese Zusammenh/~nge ganz ablehnen. Das Richtige diirfte auch hier in der Mitre liegen, wenn aueh wohl etwas mehr anf der Seite der Negativisten. Da, wo durch Bewegungen des Kopfes gegen den K6rper bzw. die dadureh geiinderteKopfstellung vestibul/irer Sehwindelund Nystagmus provoziert oder zum Versehwinden gebraeht werden kann, w/~hrend gleichartige Bewegungen bzw. Kopflagen bei fixierter Wirbels/iule diesen Effekt nicht haben, ist das Vorliegen yon Hals- bzw. Halswirbels/tuleneinfltissen evident.

Es ist jedenfall ratsam, die MSgiiehkeit yon Einfliissen der Halswirbel- s/iule und der heute etwas in Vergessenheit geratenen nystagmo- genen Halsreflexe (Abb. 6) in der Untersuehungsmethodik auf Nystag- mus zu beriieksichtigen. Im erweiterten Gesamtsehema gesehieht das dureh Kontrollpositionen, wie z.B. Kopfdrehungsstellung im Sitzen als Ausgangsstellung der Lagerungspriifung gegeniiber der gleiehen KopL drehung in der vereinfaehten Kopflageprtifung in giiekenlage. Im Falle eines vertebralen oder halsreflektorischen Nystagmus mtiBte beide Male Nystagmus nachweisbar sein, w/~hrend im Falle eines lagebedingten Nystagmus nur naeh der Kopfdrehung in Riiekenlage Nystagmus

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380 H ~ M a ~ FaE~z~L

auftreten darfte. Leider scheint es hier jedoch auch Kombinationseffekte zu geben, indem Halseinfliisse vorwiegend in giickenlage zur Auswirkung kommen, wie es etwa der yon zwei verschiedenen Untersuchern fiberein-

s t immend erhobene Be- fund der Abb. 17 zeigt, der allerdings zu den ausgesprochenen Selten- heiten geh6rt.

Der sicherste Weg, HMseinfliisse auszu- sehMten, isr der Ge- braueh eines Spezial- Lagetisehes (Abb. 5), der aber, gemessen an den Notwendigkeiten der durchsehnittliehen Faehpraxis, einen iiber- mggigen Aufwand dar- stell~. Eirt iibe~mii]3iger Au/wand w/~re aueh die regelm~gige Durch- fiihrung des vollsts digen Untersuchungs- programmes des erwei- terten Gesamtsehemas in der Fachpraxis. Es dient zun/~chst dem Forseher, dem es die Befunde in ausreiehen- dem Umfange tibersicht- lich sammeln hilft. Es soil dem Arzt aber den Weg zeigen, auf dem man zu einem aus- reiehenden Gesam~bilde des Spontan- und Pro- vokations-Nystagmus

gelangen kann, so dag Abb.5, Einfacher Spezial-Lagetisch zur Ausschal tung yon sich mit einem Blick ftalseinflfissen. Provisorisches ArbeitsmodelI des Verfassers

die Besonderheiten des jeweiligen Vorganges erkennen lassen. Oft kann man sich fiir rein /irzt- liche Zwecke mit wenigen Untersuchungspositionen begniigen, wenn man sieh erst einmal im Gebiet der VestibularisstSrungen auskennt.

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 381

Das aber ist das fiir eine gezielte Untersuchung mit einem Minimum an Aufwand Wichtigste, da6 man sieh eben auskennt und dabei behilflich zu sein, is~ einer der Zwecke dieser Arbeit.

Eine Einschr/tnkung der in der Praxis verwendeten Untersuchungs- situationen ergibt sich iibrigens auch ans der notwendigcn Riicksicht auf den Zustand der Kranken und aus dem jeweiligen Unter- suchungsziel.

Beim bettl/igerigen Kranken mug und kann man sich oft mit einer Kurzuntersuchung (Abb. 7) begniigen, zu deren

25mra/sec

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Abb. 7 Abb.6. Elektro-Nystagmogramm eines halsreflektorischen Buck-Nystagmus beim Dreh-Unerregbaren 1. Die Kurven zeigen den bei K6rperdrehungen unter dem im zRaum feststehenden Js auftretenden Hals-Nystagmus, der bet Linksdrehung des K6rpers, also w~hrend eines tier l~echtsdrehung des Kopfes entsprechenden Vorganges wie tier vestibuli~ro Drehnystagmus nach rechts schliigt und eine Schlagfeldverlagerung nach rechts zeigt. Bei Rechtsdrehung des KOrpers tritt tIals-Nystagmus nach

links und Schlagfeldverlagerung nach links ein Abb. 7. Kurzuntersuchung des bettl~igerigen Kranken als t'rfihuntersuchung nach Schitdelverletzungen, beim frischen einseitigen Vestibularisausfall, im Anfall bei Meni~rescher J&rankheit, nach Stapes-

plastiken usw. Untersucht wird nur gem/ig den punktiert herausgehobenen Feldern

Durchfiihrung eine Leuchtbrille mit Batgeriehandgriff empfehlenswert ist. (Abb. 8). Je nach der Sehwere des Krankheitszustandes des Pa- tienten kann man nStigenfalls die Kurzuntersuehung am Krankenbet t , etwa durch die wichtigste Loekerungsmal3nahme des Kopfschiittelns oder das sehnelle Aufrichten aus der Riiekenlage, erg//nzen.

AmArbeitsplatz in der Klinik bzw. im Krankenhaus sowie am Spreeh- sgundenplatz, an dem sich der Gebrauch einer mit Widerstand arts Negz angeschlossenen aufklappbaren Leuchtbrille empfiehlt, gentigt oft, wenn es sieh nur um eine schnelle ,,gbe~'priiJung im Sitzen" handelt, das abgekiirzte Verfahren gemgg Abb. 9.

1 Vgl. Beitr. Anat. etc. Ohr.-Passow-Schaefer 28, 305 (1930) und Z. tIals-, Nas.- u. Ohrenheilk. 21, 177 (1928).

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3 8 2 HERNANN FRENZEL :

Am Krankenbe t t ist es nicht immer m6glieh, im Dunkeln zu beobach- ten, was in Kauf genommen werden kann, wenn e~ sieh um die Fest- stellung massiver Nystagmusbefunde, etwa bei friseh Sch~delverletzten,

Abb. 8. Zeuchtbrille rait Batterieha~dgriff, urspr~nglich ffir den Gebrauch bei der Ultraschan-Operation der Ylenibreschen

Krankheit nach KRE.ICI-ARSLAN gebautes Sondermodell

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Zo/~N~zNe/~ye

Abb,9. Sch~ell-Uberl)r'gfung im Sitzen am Untersuchungs- platz. Zur Prfifung gem~g den punktiert herausgehobenen Feldern kommen nStigenfalls noch zus~itzllche Kopfdrehungen nach MOI~ITZ zur Prfifung auf Hals- bzw. Wirbe]s~ulen- einfliisse, ttitufig In der S!orechstunde ben6tigte E]ementar- prtifung auf Spontan- und Frovokations-Nystagmus, die das u einer mit kleinem Transformator an das Lichtnetz angeschMteten Leuchtbrille am Spiegelplatz wtinschenswert macht, so dal~ im verdunkelten Untersuchungs- zimmer die Leuchtbrille mit einer Schalterbedienung schnell

arbeitsbereit ist

beim plStzliehen einsei- t]gen Vestibularisausfall, im Anfall b ei Meni~rescher Krankheit , zur iFber- waehung nach S~apes- plastiken und anderes mehr handelt. Es muB dann jedoeh wie bei der Bartelsbrille oder bei der Monokelbeobaehtung peinlichst daraufgeaehtet werden, dab keine Irr- tt imer dureh einen opto- kinetischen Nystagmus entstehen, der bei be- leuchteter Umgebung auch unter der Leuehtbrille besonders leicht auftreten kann; es muff also iede noch so geringe Bewegung im Gesichts]eld des Pa- tienten vermieden werden]

I m tibrigen sei hier noch einmal an eine der wiehtigsten Regeln ftir die Beobaehtung des vesti- bul~ren gucknys tagmus unter der Leuchtbrille er- innert :

Ein sicherer Nystagmus dar/ nut verzeichnet wet- den, wenn die regelm~iflig wieder/cehrenden lang- samen Phasen eindeutig ]eststellbar sin& Alle anderen unsieheren oder nur angedeuteten Nystag- men miissen mit dem

Schlangenlinienpfeil als unsicherer, ohne weiteres nicht verwertbarer Be- fund gekennzeichnet werden! Hier besteht fiir den Anfi~nger und wenig

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisst6rungen 383

Erfahrenen eine gefghrliche Fehlerquelle, da im Gegensatz zn den fixie- renden Augen ira hellen Raum die yon der Fixation ansgeschalteten Augen unter der Leuchtbrille h/~ufig eine Augenunruhe, das physiologische ,,Blickflackern" zeigen, das auf keinen Fall mit einem pathologischen Nystagmus verwechselt werden darf, nnd zwar anch dann nicht, wenn schne]lc Zuckungen fast nur nach einer Seite zu schlagen scheinen! Mafigebend ist der Nachweis der im regelm~l~igen Wechsel mit den ent- gegengesetzten schnellen Rucken auftretenden eindentigen langsamen Phasen !

Es mul3 hier auch noch auf eine weitere Fehlerquelle bei der Ausfiillung des Nsytagmnsschemas hingewiesen werden, n/~mlich die in der Erie der Arbeit auch leider bei erfahrenen Untersuchern vorkommende Rechts- Linksverwechslung. Ein mi61icher Umstand, der einer solehen Ver- wechslung Vorschub leistet, besteht darin, dai~ die Rechts-Links- bezeichnungen ira Nystagmusschema, die in der iiblichen Weise auf den dem Arzt gegeniiber befindlichen Kranken bezogen sind, ftir die Lage- und Lagerungspriifungen regelm/~Big ein Umdenken in den Rechts-Links sowie Auf-Abrichtnngen erfordern, um die Schlagrichtung eines Nystag- mus seitenrichtig einzutragen. Man mul~ sich bewul3t und mit grol3er Sorgfalt vor dem irrefiihrenden EinfluI~ gelgufiger visuelIer Vorstellungen des dem Arzt gegeniibersitzenden Kranken hiiten, wenn man am Kopf- ende des liegenden Kranken die Augen beobachtet! Es ist leider nicht mSglich, im Schema eine unterschiedliche Seitenbezeichnung einzufiihren, ohne einen der Hauptzwecke des Schemas, die Formanalyse und die ,,Er/assung des Nystagmus-Gesamtbe/undes mit einem Blicls" zu gef~hrden.

VIII. Einige diagnostische 5Tystagmusregeln Fiir die Nystagmu~vorgiinge des Morbus Meni~ri und des einseitigen.

Vestibularisausfalles lassen sich gewisse Regeln aufstellen:

1. Der Spontan-Nystagmus im Meni~re-Anfall schli~gt fiberwiegend richtungsbestimmt horizontal-rotierend oder horizontal zur kranken Seite mit der Neigung zum Richtungsumschlag zur gesunden Scite wiihrend des weiteren Verlaufes des Anfalles. Der Richtungsumschlag kann schon 1/a Std nach Anfallsbeginn einsetzen, so dab nut die Be- obachtung unmittelbar nach Anfallsbeginn mal~gebend fiir die Richtungs- bestimmung des Nystagmus ist.

2. Nystagmus gleicher Qualitiit zur gesunden Seite kommt als Erst- nystagmns im Anfall vor, aber er ist selten.

3. Nystagmus ohne konstante Schlagrichtung, auch mit vertikalen und diagonalen Schlagrichtungen vermischt, kommt ebenfalls v o r u n d zwar nach unseren eigenen Beobachtungen seltener als der Nystagmus zu 1. abet h~ufiger als der Nystagmus zu 2.

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3g4 HERMANN FNENZEL:

G/d~Tm~, der unser Beobachtungsgut bearbeitet hat, fand zu 1. 16 Kranke mit 30 Anf~llen, zu 2. zwei Kranke mit zwei Anf/illen und zu 3. ach~ Kranke mit insgesamt 25 Anf~llen.

Im Hinblick auf die kleine Zahl unserer sehr streng auf den typischen Morbus Meni~ri beschr~nkten Beobaehtungen und auf die Tatsaehe, dag sich in der Gruppe des Nystagmus ohne konstante Sehlagriehtung diejenigen Kranken finden, bei denen die h/iufigsten Anfglle gesehen werden konnten, mug damit gereehnet werden, dab sieh der Verteilungssehliissel der Giinthersehen Aufstellung bei einer grSgeren Zahl yon Beobaehtungen -- und bei der Erfassung groger Serien von Anf~llen beim einzelnen -- zugunsten der Gruppe ohne konstante Sehlagriehtung ~ndert.

Fiir den pl6tzlichen einseitigen Vestibularisaus]all gilt folgendes : 1. Abgesehen yon einem knrzen Initialstadium trit t der typische

anfangs horizontM-rotierende, sp/iter rein horizontale zur gesunden Seite sehlagende AusfMls-Dauernystagmus auf.

2. Im Falle einer Funktionsrtickkehr kann es zu dem Auftreten eines stets gering-intensiven ,,Erholungsnystagmus" zur kranken Seite kommen, wobei der Kopfschiittel-Nystagmus noeh zur gesunden Seite sehlagen kann.

3. Bei nur partieller FunktionseinbuBe mit einer bei Kalt-Heig- priifung noeh naehweisbaren thermisehen Erregbarkeit kommt es vor, dag diese Gesetzm/~gigkeit nieht immer vorhanden ist. Es k6nnen aty- pisehe Nystagmusbilder in einem verl~ngerten Initialstadium auftreten.

Diesen l~egeln l~Bt sich nun fiir den Late- und Lagerungs-Nystagmus niehts Gleiehwertiges gegeniiberstellen, sondern lediglich die auf S.361 angefiihrte Faustregel.

IX. Beispiele unter besonderer Beriicksichtigung des Late- und Lagerungssehwindels bzw. Nystagmus

Ankniipfend an das im Absehnitt V I I Gesagte seien zwei eigene Beobachtungen bei zwei ]~rzten vorausgesehickt, bei denen eine gezielte Kurzuntersuchung hinsiehtlieh des Lagerungs-Nystagmus in Verbindung mit einem altersms normMem tISrverm6gen und der charakteristisehen Anamnese geniigten, um die Wahrseheinlichkeitsdiagnose auf einen jener bei sonst organgesnnden Mensehen auftretenden vaseul~ren, meist auch ohne Therapie wieder versehwindenden Lagerungs-Nystagmen zu ste]len, so dab zun/~ehst sogar zur Vermeidnng der bei solehen Kranken damit oft verbundenen Bet/istigung auf die thermische Erregbarkeitspriifung verzichtet wurde, die naeh Mler Erfahrung wahrseheinlieh keine ver- wertbaren Abweiehungen yon der Norm ergeben h/~tte und bei der Kon- trolluntersuehung ergab. In beiden F~llen versehwanden die Vestibularis- symptome innerhMb weniger Woehen vollst~ndig.

Fall 1. Dr. E. R. c~ 64 J. Us.-Tag 7.7. 1955. Gelegentlieh nauseaartiges Gefiihl mi~ Herzbesehwerden. Seit 10 Tagen Lageschwindel.

Befund siehe Abb. 10. Die mehr aus wissensehaftliehem Interesse griindlieh erhobenen t~efunde am

darauffolgenden bzw. am gleiehen Tage ergaben fiir die klirdsehe Diagnose keine

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Systvm~tik, Klinik und Untersuehungsmethodik der VestibulurisstSrungen 385

weiteren Hinweise. Sie best/~tigten lediglieh, was bereits bus dem kurzen Nyst~gmus- befund veto 7.7.1955in der Abb.10 zu ersvhen war, dab ein transitorischer Lagerungs- Nystagmus vo lag, obwohl vine Latenzzeit, wie im Untersuchungsprotokoll ~us- drfieklivh vermerkt ist, nicht fvsts~ellbar war und obwohl vine typische Gvgen:

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Abb. 10

lgufigkeit, bvi der nach dem sehnellen Aufrichten aus der Riickenlage ein rotieren- der Nystagmus nach li. h~tte vintrvten miiss3n, nieht vorhanden war. Der Unter- suvher veto 8.7.1955 (Prof. SwE~G~g) fand vbenfalls keine typische Gegenl/~ufigkvit, sondvrn einen jetzt allerdings unter den Bedingungen der halben l~ficklagerung

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Abb. 11

naeh oben rechts sehlagenden Vertikal-NysSagmus. Dos sind die Launen des Lagvrungs-Nystagmus, der aber ~rotzdem als solchvr sofor8 erkennbar war. In den vorliegenden Befunden muB man frvilich offenlassen, ob nicht einem yon uns beiden in der Aufzeichnung der Schlagrichtung eine Verwechslung yon oben mit unten untvrlaufen ist (siehe S. 383), was besonders in drumatischen Situationen leicht ge- schehen kann, was jedoch ffir die klinische Deutung des vorliegenden Nystagmus- befundes ohne Bedeutung w~re.

Fall '2. Dr. W. H. c~ 47 J. Us.-Tag 15. 10. 1954. Hat Moment-Drehschwindel bei Kopfrfickneigung und Seitendrvhung des Kopfes nach re. oder nach li., z.B. abends im Bett beim Greifen nueh einem Buch aus einem rechts hinten oben b~finchicheu Bfichvrbrett.

Den Befund zeig~ Abb. 11. Ich wfirde zwur heute die Untersuchung unter Ausnutzung des klinischen

Rfistzeuges mit der Prfifung auf dem Spezial-Lagetiseh beginnvn, ~bvr auch ohne Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Keblk.-tteilk., Bd. 177 27

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386 H ~ x ~ F ~ z ~ :

ihn wies der Befund naeh dem aus der l~fiekenlage erfolgten sehnellen Aufriehten, das fiblieherweise mi~ handfester Untersttitzung dutch den Untersueher erfolgt, darauf bin, dab der transitorisehe L~gerungs-Nystagmus ohne HMswirbels~ulen- und Halsreflex-Einflfisse zustande gekommen isg.

Ebenso wie diese be iden Beisioiele s ind aueh die folgenden aus den in der t / igl iehen P rax i s gewonnenen Befunden und n ieh t aus einer ad hoe durchgef t ih r ten Unte rsuchungsser ie en tnommen , a l lerdings un te r Bevor- zugung der jenigen, bei denen vollst/~ndige oder m6gl iehs t vollst&ndige Befunde vorl iegen.

Eine gewisse Unvolls~indigkeit der Eintragungen fiber fehlenden oder vor- handenen Beglei~sehwinde], iiber die etwaige Latenz und ~nderes mehr, die aber das Grunds~tzliehe nieht beriihrt, muB daher in K~uf genommen werden. Versehiedene Zeiehen, wie die Sehwindeldreieeke, das erst neuerdings benutzte Zeiehen oo fiir den Dauer-Nystagmus und anderes mehr waren aueh zur Zeit der Befunderhebung noeh nicht immer fiblich.

Die •efunde werden abs ieh t l ieh in der H a u p t s a c h e un te r methodo- logisehen Gesichgspunkten in te rp re t i e r t , n i eh t abe t in gt iologiseher und pa thogene t i sche r Hins ich t . Le tz te res ls sieh in bef r ied igender Weise nur ~n einer sehr grogen Zahl von Beobach tungen m i t gent igenden Ver laufskont ro l len durehf i ihren, und ein so leherVersuch , so wiinsehens- wef t er aueh gerade auf dem noeh so p rob lemat i sehen Gebiete der Vest ibular iss~6rungen mi t Lage- und L~gerungsschwindel bzw. N y s t a g m u s ws wtirde sich much n ich t annS, he rnd in dem I~ahmen dieser Abhand- lung un te rb r ingen lassen. Dagegen hoffe ieh, dag die vor l iegenden Aus- f i ih rungen und t le ispiele als Grundlage zuki inf t iger &tiologiseh-patho- genet iseher I n t e r p r e t a t i o n e n yon Einzelf/~llen zur S a m m l u n g einer einschls Kasuisg ik dienl ieh sind.

1%118. M. R. ~ 56 J. Seit 1/2 Jahr Schwindel mit hirt- und hergehenden Schein- bewegungen. Ohren, HSrbefund, ~hermisehe Erregbarkeit seitengleieh o. B. (Abb. 12). Dieser Befund wfirde dem Typ DIX-tIALLPI~:E mit rotierendem ~ransigorischen Nystagmus nur zum unten liegenden Ohr entspreehen. Dieser Typ is~ ~ber keines- wegs der hi~uflgste Befund eines L~gerungs-Nystagmus. Ob dieser Typ wie DIx u. ItaLLPI~E meinen, stets durch einen Otolithensehaden des unten liegenden Ohres verursaeht wird, ist vorl~ufig noeh ungewiB.

Fall 4. C. W. ~ 64 J. Us.-Tag 16. 3. 1960. Seit 3 ~onagen im Zusammenhang mi% Pyeligis Lagesehwindel, allm~hlieh abnehmend, der ~nf~ngs aueh bei t~eehts- und Links-Lagerung des Kopfes, jetzt abet nur noeh naeh Kolofbewegungen in der SagitgMebene ~uftritt (Abb. 13). Beispiel ffir einen reinen Sagi~taltyp des Lagerungs- Nystagmus.

Fall ~. N. P. ~ 24 J. Us.-Tag 24. 6. 1958. Vor einigen Wochen Angina mit Pyelitis, danach L~gesehwindel. (Abb. 14). Beispiel fiir den seltenen ~'M1 eines rein rieh~ungsbestimmten transitorisehen Lage- und Lagerungs-Nystagmus. Gleieh- zeitlg ein Beispiel fiir die kurze Bestandsd~uer soleher Symptome (Zeitfaktor 4, S. 359), oder deren L~unenh~ftigkeit (S. 368), denn am Aufrtahmetage in die Klinik zweeks Tonsillektomie, 2 Tage sp~ter am 26.6. 1958 war kein Lagerungs-Nystagmus mehr naehweisbar !

FMI 6. L. A. ~ 45 J. Us.-Tag 6. 6. 1957. Seit 5 Jahren Lagesehwindel. Ohren, HSrbefunde und thermisehe Erregbarkeit seitengleieh o.B. (Abb. 15). Beispiel ffir

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Sys tem~ik , Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibul~risstSrungen 387

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die im Gegensatz zum Typ DIX-ItALLPIKE vorkommende Form eines sowohl nach Lagerung mib rechtsgedrehtem als ~uch mi t l inksgedrehtem Kopf als auch in der

27*

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388 HE~MAN~ F~E~ZEL:

Sagitt~ll~gerung in stets gleicher Richtung schlagenden transitorischen Lagerungs- Nystagmus mit Gegenls (Typ STm~GE~) (siehe S. 360) yon langer Bestsnds- d~uer.

Fall 7. K. D. ~ 48 J. Us.-T~g 10. 3. 1958. Vor 8 Monaten Schgdeltrauma. Ohren, ttSrbelund, thermische Erregb~rkeit seitengleieh o.B. (Abb. 16).

Wiederum ein im Gegensutz zu dem Typ D~X-HALLt~IKE stehender Befund yon L~- gerungs-Nystagmus mit richtungswechselnder Sehlagriehtung und Gegenlgufigkeit.

Fall 8. B. K. d ~ 50 J. Us.-T~g 31. 1. 1958. 2~/~ Monate n~ch Schgdeltraum~ (Abb. 17).

UngewShnlicher Befund, jedoch in einer sofort ~nsehliel~enden Kontrollunter- suchung (Prof. S T ~ a ) best~tig~ (vgl. S. 379 und 380).

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Abb. 16 Abb. 17

Fall 9. O.F. d~ 32 J. Us.-Tug 24.6.1958. Sch~del-Hirntrauma mit suboccipi~ler Blutung am 30. 11. 1957. Schwindelerscheinungea besonders morgens nach dem Aufstehen. Im re. GehOrg~ng hinten oben eine Knoohenstufe als Folge einer Geh6rgangsfr~ktur. Ohren sonst o.B. Pr~ktiseh norm~les HSrvermSgen. Thermisch seitengleich erregbar (Abb. 18).

Ein Befund, der zum Typ DIX-HALLPIKE eines Lagerungs-Nystagmus geh6ren kSnnte, da die Lagerungspriifung in der Sagittalebene nicht zu der Untersuchungs- methodik dieser Autoren gehSrt.

F~ll 10. G. W. d 43 J. Us.-Tag 24. 3. 1959. Morbus Meni~ri li. seit 1 Jahr. Interwllbelund (Abb. 19).

Dieser und der folgende Befund des Falles 11 illustrieren das Vorkommen vor L~gerungs-Nystagmus ~ls Teilerscheinung des Morbus Meni@ri im Intervall und im Sp~tbefund eines einseitigen Vestibul~risausfalles.

Fall 11. M. W. ~ 48 J. Us.-T~g 26. 2. 1959. Isolierter Vestibulgrisgusf~ll re. 1957. Spgtbefund mit Lsgerungs-Nyst~gmus bei teilweise rtickgekehrter thermischer Erregbarkeit re. ohne Nystagmusumschl~g durch Erholungs-Nyst~gmus (Abb. 20).

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System~tik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibul~risst6rungen 389

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Abb.21

Fall 1~. E. H. c~ 31 J. Us.-Tag 1O. 2. 1958. Alte Hirnstamm-Encephalitis. Lageschwindel nach plStzlichem Lagewechsel. Ohren, H6rbefund, thermische Er- re~barkeit seitengleich o. ]3. (Abb. 21).

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390 HEI~MANI~I FI~EI~ZEL :

Beispiel fiir das bunts Bild sines I-Iirnstamm-Nystagmus mit richtungswechseln- dem Lage-Dauernystagmus, aber auch Vorg~ingen naoh Art sines transitorischen, rein horizontalen Lagerungs-Nystagmus nach Lagerung mit rechts gcdrehtem Kopf,

Rechfslo~7e ~u_ckenlafle Linksloge I F I I I

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Logewec~sel oof 2~ezialloget/sc~

- - ~ s j l = lanasarn

jedoch ohne Gegenli~ufigkeit. Wahrscheinlieh auch Kombination zentral vestibul~rer und zentral ocul~rer :Nystagmen.

Fall13. E.E. ~ 65 J.Us.-Tag 19.10.1960. W~hrend einer Moorbadekur wegen Knie- gelenksarthrose, die Pat. bereits zum sieben- ten Male alle 2 Jahre im gleichen Kurort ohne l~lebenerscheinungen durchgefiihrt hat, p1Otzlicher schwerer Lage-Drehschwindel mit Ubelkeit morgens bei einer Linksdrehung des Kopfes im Bert, um auf die Uhr zu sehen. Die Pat.standvorsichtig aufund lie$ sich sine Tasse Kaffee geben; danach probierte sis der Wis- sensehaft halber noch die Kopfdrehung nach re. ans der Rfickenlage mit dem gleichen Er- gebnis sines LageDrehschwindels mit Ubelkeit.

Rechts/a~Te RSckezlo~e Z/n/(sla]e I i ~ I " i

L aSTewec~ se/auf 3pez/allasTet/sch 20.10.60

~ s ~ l= Ioogsom 12 ~ ' , l ~ - - ~ s = sahnell

ss = sohr scbze// 13

Abb. 22 Abb. 23

Abb. 22. Lags- und Lagerungspri~fung im Fal l 13. *Von der Linkslage wird sofort nach Auftreten des mi t einer Latenz yon 6 sec einsetzenden groben horizon?Galen E'ys~agmus nach links in die :Rlicken- lage zurfiekgegangen, in der der Nystagmus wider :Erwarten nicht sofort aufhSrt oder in seiner Riehtung umschI~gt, sondern genau so lange (wie bei der vorangegangenen Priifung in bleibender Linksiage) jetzt in der R/ickenlage weiterschl~gt, um dana dutch einen spontan aufgetre?Genen Hori- zontal-E'ystagmus entgegengese~zter :Richtung mi t 2 sec Latenz und l~ngerer Dauer, abet yon

wesentlicil schw~icherer Intensit~t abgel6st zu werden

Abb. 23. Lage- und Lagerungsprfifunng bei der gleichen Patient in tier Abb. 22 (Fall 13), in den FeN dern 1--1.1 bei Beobachtung ohne Brille sum Zwecke der Filmaufnahme. In den Feldern :12 und i 3

ansehlief/en4 unter ZeuchSbrillenbeob~eh~ung im Dunkelraum

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Sysbematik, Klinik und Untersuehungsmethodik der VestibularisstSrungen 391

Diese Beobach~ung sei als Beispiel fiir versehiedenerlei angefiiht~: 1. fiir die Launenhaft igkei t des Lagerungs-Nystagmus, 2. fiir das Vorkommen rein horizontaler Schlagriehtungen bei grobem Lagerungs-

Nystagmus und 3. fiir das den subjekt iven Sehilderungen entspreehende Auftreten soleher

grober t ransi tor iseher Lagerungs-Nystagmen naeh einfaeher Seitenlagerung,

Abb. 24. Ausschnitte aus den gleichzeitig mit den Beobachtungen der Abb. 23 gewonnenen elektro- nystagmographischen Kurven. Die hrummern der Kurvenausschnitte entsprechen den numerierten :Positionen derAbb.23 (Fall13). Nach oben Rechts-, nach unten s der Augen

4. ffir die Abhangigkei t des Auftretens veto Tempo der Lagerung und 5. ffir die Notwendigkeit, zus~zl iche Aufzeiehnungen selbst noch zum erweiter-

ten Gesamtschema heranzuziehen, im vorliegenden Falle in einer Form, wie sie MIEHL~E zur Darstellung eines Lagerungs-Nystagmus ver6ffen~licht hat , der iibrigens ebenfalls die Launenhaf t igkei t des Symptoms gut erkennen lggt.

Die sehr liebenswtirdige Pat . , eine Sehulleiterin mi t viel Verstgndnis fiir das Didaktische, willigte ein, sich am darauffolgenden Tage zum Zweeke einer Film- aufnahme nochmals untersuchen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit lieg sieh leider der am Vortage bei Linkslagerung vorhandene sehr massive horizontale, aber eben launische Lagerungs-Nystagmus nicht mehr im gleichen MM~e erreichen, so dab sieh die auf die Linkslagerung eingestellte Filmdarstel lung mit einem wesentlieh

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392 HERMA~ FRENZEL :

schwacheren transitorischen Nys~agmus ohne die am Vortage sehr deutliehe 6 see dauernde Latenz begnfigen muf3te (Abb. 22 und 23). Wir haben gleichzeitig mit der Filmaufnahme elektronystagmographisch abgeleitet, wie das in der Abb. 24 wieder- gegeben ist. Man sieht, dab an diesem Tage im Gegensatz zum Vortage Lagerungs- Nys~agmus auch nach Rechtslagerung and hier sogar, allerdings unter der Leueht- brille, st&rker auftrat.

Bei der Erstuntersuehung konnte ich noch etwas mir in dieser Deutlichkeit bisher Unbekanntes beobachtei~, n~mlich das Folgende :

Als ich die mittelschnelle Linkslagerung wiederholte, um die Reproduzierbar- keit zu prfifen, habe ieh, als naeh 6 see der grobe Links-Nystagmus mit st~rkem Schwindelgefiihl erneut auftrat, die Pat. auf dem Spezi~l-Lagetiseh sofort in die t~iiekenlage zuriickgedr~ht, um den Schwindel zu coupieren. Aber zu meiner ~ber- raschung erfolgte keine Coupierung, sondern der horizontale Links-Nystagmus schlug zungchst grob weiter, um d~nn erst ebenso abzuklingen, als wcnn die Pat. in der Linkslage verblieben w~re. AuBerdem setzte nach seinem Abklingen in unver- ~ndert beibehaltener Riiekenlage -- also ohne den Riieklagerungsreiz I -- naeh etwa 2 see der gegenl~ufige Nystagmus, etwas sehw~eher als nach der b~im ers~en Dureh- gang durehgefShrten Rtieklagerung in t~tiekenlage, abet mit etwa der gl ?iehen hohen Dauer ein.

Diese Beobaehtung l~gt -- wenigsgens im vorliegenden Falle -- an den Ablauf eines Anstogvorganges denken, dessen zuk/inf~ige Beriieksiehtigung fiir die Er- forsehung der Pathogenese yon Bedeutung sein k6nnte. Vielleieht gibt es transi- torisehe Lage-Nystagmen, die Ms Ans~ol3vorgang dureh den Zustand der Lage ausgel6st werden k6nnen ? Aber solehe Vielleieht-Erw/~gungen bewegen sieh vor- 1/~ufig noeh im durehaus Fragwtirdlgen. In m~thodiseher Hinsieht hat dies~ Be- obaehtung in mir den Wunseh naeh einem motorisehem Antrieb des Kopf und K6rper lest fixierend~m stabilen Spezial-Lagetisehes in mehreren, mindestens drei versehiedenen Geschwindigkeiten erweekt.

Die n u n als letztes Beispiel folgende, etwas ausfiihrlichere Kranken- gesehichte aus einem Gutach ten soll zun/~ehst die Bedeutu~g der Schwin- delanalyse in einer diagaostiseh schwierigen Si tua t ion zeigen, in der keine fr i ihe:en Nys tagmus- u n d Erregbarke i t sbefunde erh/~ltlieh wa,ren.

Ferner soll sie auf die Wieht igkei t der Lage- bzw. L.ugerungspriifung un te r s trenger Ausschaltung yon Halsein[liissen hinweisen, um im Einzel- falle zwisehen n ieh t -ver tebra len und den heut igentags besonders gern angesehuldigten ver tebra len Ursaehen unterseheiden zu k6nnen.

Die Krankengesehiehte best~t igt sehlieBlieh das auf S. 354 zur Therapie Gesagte: Die bei der Pa t i en t in im Ju l i 1960 plStzlieh auf- getretene isolierte Vest ibular iss tSrung mi t Dauerschwindel , ,Typ Labyr in thaus fa l l " wurde als Meni6resehe K r a n k h e i t mi t Stel la tum- bloekaden, I~ovigon, Bellergal, Ronieol u n d M 2 Woe lm- In jek t ionen

,,erfolgreich" behandel t .

Fall 14. I. L. g 30 J. Us.-Tag 24.--26.1. 1961. Sehwerer Unfall am 21.12. I957. Sch/~delfraktur mit bleibender Knocherffurehe der hint. oh. GehSrgangswand re. Commotio eerebri ,,ohne" -- naeh neurologisehem Urteil -- ,,substantielle Hirnseh~digung im Sinne einer Hirnquetsehung". Vom gleiehen Neurologen als konstitutionell psyehasgenisehe hyperaesghetisehe Pat. beurgeilt, die sehon vor dem UnfaI1 unter hyperbhyreotischen und anderen vegetagiven SgSrungen zu leiden

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Systematik, Klinik und Untersuchungsmethodik der Vestibularisstgrungen 393

hatte. ,,Es besteht nieht der geringste Hinweis auf eine Affektineontinenz ; ebenso ist ihr Benehmen w~thrend der Spreehstunde durehaus situationsgereeht. Keinerlei Anhalt fiir bewugte Aggravation oder Simulation" (September 1958).

In der Tat handelt es sieh um eine ungew6hnlieh Mar und pr~zise angebende Pat., deren Audiogramme bis auf einen geringen H6rverlust re. in den hgehsten Frequenzen normal sind und deren Elektronystagmogramm naeh Dreherregung (Besehleunigung von 3~ ~ his zur Drehgesehwindigkeit von 90~ und Stop bzw. VerzSgerung yon 3~ ~- naeh 3 rain konstanter Gesehwindigkeit yon 90~ abgesehen von einem nieht ganz konstanten Uberwiegen des Reehtsnystagmus neben Andeutungen eines spontanen Reehtsnystagmus geringster Intensit~t unter gesehlossenen Augen keine Erregbarkeitsdifferenz zwischen re. und li. Labyrinth und eine gute Erregbarkeit ergibt. Die wegen der nut sehr zurt vernarbten GehSr- gangsfraktur mit Luftgebl/ise durehgefiihrte thermisehe Priifung ergibt Erregbar- keit beider Vestibularapparate, re. vielleieht etwas sehw~eher. Als Sehwindel- sehilderung gibt die Put. folgendes an:

,,Ieh babe bei Wiedererlungung des BewugLs~ins naeh dem UnfM1 sofort bemerkt, dab Drehsehwindel beim Liegen des Kopfes auf der re. Seite auftrat, der sofort verschwand, wenn ieh den Kopf nueh li. drehLe. Wie lunge der Schwindel angehalten hgtte, wenn ieh den Kopf in der re. Seitenlage belassen h/itte, babe ieh nieht ausprobiert. Dieser Sehwindel ist st/indig vorhanden gebli~ben, uber er ist im Laufe der Zeit immer sehw~eher geworden, so dug er bis zum Jul i 1960 unwes~ntlieh geworden war.

Am 2. 7. 1960 trat ohne erkennbaren Grund, als ieh abends naeh dem Abend- ess~n ruhig zu Hause sag und ein Bueh las, heftiger Drehsehwindel auf mit Er- breehen, dessen Auftreten unabh/ingig yon irgendwelehen Bewegungsvorg~ngen oder sonstigen Einfliissen war. Ieh ging sofort zu BELL, abet aueh in der Battruhe hielt der Drehsehwindel st~ndig an, und ieh muBte aueh am Sonntug, den 3. 7. 1960, mehrfaeh erbreehen. Am Montag, dem 4. 7. 1960, wurde ieh in das Kranken- haus aufgenommen, we der Drehsehwindel noeh etwa 3--4 Tuge stark anhielt und ansehlieGend allm~thlieh abklang, so dug ieh naeh etwa 10 Tagen naeh der Krankenhausaufnahme fast sehwindelfrei war. AnsehlieBend trat der Drehsehwindel bei Reehtslage des Kopfes wieder starker auf. Er hat sieh dann allm~hlieh wieder his auf einen unwesentliehen Rest verloren. Ieh bemerke aber aueh heute noeh gele- gentlieh bei l~eehtslage des Kopfes sowie naeh sehnellen Kopfdrehungen geringen Sehwindel, der reich aber nieht nermenswert bel/istigt.

Im Naeken re. oben besteht eine Stelle, yon der aus sowohl bei Druek als aueh beim Liegen gerade auf dieser Stelle bei etwas zuriiekg~beugtem Kopf ein komisehes Geftihl auftritt, als wollte ein Drehsehwindel beginnen."

Trotz d~r ltiekenhaftan und wenig ergi~bigen /~rztliehen Aufzeiehnungen in den Akten, in denen der frisehe Sehwindelzustand im Juli 1960 als Meni~resehe Krankheit bezeiehnet wird und gleiehzeitig eine traumatisehe eervieale Innenohr- funktionsst5rung diaguostiziert wird, weil ,,das Auftreten unfallsartiger Sehwindel- erseheinungen nqt Nystagmus beim Einnehmen bestimmter Kopfstallungen auI eine m6gliehe eervieMe Ursaehe" hinweisen und naeh ,,Erholung yon dem schweren ukuten Meni're-Zustande" vom Rgntgenologen ,,fixier~a Wirbelversehiebungen" festgestellt wurden und ehiropraktisehe Manipulationen an der I-Ialswirbels~ule ein sofortiges Naehlassen der Sehwiadelerseheinungen, zun~ehst voriibergehend, zur Folge hatten, lassen sieh auf Grund der sehr gutan Angaben der Pat. die Vestibularis- s~6rungen folgendermagen rekonstruieren: Im Ansehlu8 an eine sehwere Seh/~del- verletzung trut Lage- bzw. Lagerungssehwindel bei Reehtslage des Kopfes auf, der im Laufe der Zeit bis auf unwesentliehe l~este versehwand. 0hne erkennbare Ursaehe trat am 2. Jul i 1960 plgLzlieh ein sehwerer Vesgibularissehwindel mit Erbreehen auf,

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der nach Art des gesetzm~ftig abklingenden Dauerschwindels ,,Typ Labyrinth- ausfall" ablief. Im Zusammenhang mit ibm trat der posttraumatische Lage- bzw. Lagerungsschwindel voriibergehend verstarkt auf.

Die Untersuehung im Januar 1961 ergab nun einen eindeutig pathologischen rotierenden Lagerungs-Nystagmus, von einem ,,komisehen Geffihl" begleitet, der in gleieher Art aueh bei der Kopftieflagerung auf dem Speziallagetisch, also ohne ]eden ttalsein/lufi auftrat und daher nicht als vertebral oder cervical bedingt angesehen werden kann. Er muf~ als Unfallfolge entweder auf einen traumatischen

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Innenohrschaden oder eine -- auch ohne substantielle Hirnschadigung mSgliche -- posteommotionelle zentral-vegetative St6rung, die, etwa auf dem Wege fiber die Vasomotorik zu einer Fehlverarbeitung yon Lags- bzw. Lagerungsreizen fiihrt, jedenfalls auf die Sehgdelverletzung selbst und nicht auf die Halswirbels~ule zurtiekgefiihrt werden (Abb.25).

Der im Juli 1960 ganz akut aufgetretene sehwere Dauerschwindel vom Typ ,,Labyrinthausfall" mu$ dagegen als eine yon dem traumatisehen Lagerungs- schwindel abgrenzbare Ves~ibularisstSrung gedeutet werden, die 21/2 Jahre nach dem Unfall auftrat und deren Zusammenhang mit dem Unfall durchaus zweifel- haft ist. Allenfalls kommt ein mittelbarer Zusammenhang fiber eine traumatisch gest6rte Vasomotorik etwa bei einem plStzliehen einseitigen Vestibularisausfall vascul~rer Genese in Frage.

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