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Zeitschrift für angewandte Chemie. 1898. Heft 22. Zur Theorie des Färbungsprocesses. Von R. Gnehm und E. Rötheli. [Schluaa von S. 488] B. Stearate. 8. Auraminsalz. Die Darstellung ist dieselbe wie beim Palmitat: Säure und Base werden in der Kälte, unter Befeuchtung mit Alkohol, zu- sammengerieben und hierauf demselben Rei- nigungsprocess unterworfen, wie die übrigen Körper. Beim Versuch, die Verbindung in der Wärme zu bewirken, zersetzte sich das Gemisch unter Bildung eines Körpers, der sich bei der Untersuchung als das stearin- saure Salz des Tetramethyldiamidobenzo- phenons herausstellte. — Die Eigenschaften des Auraminstearates stimmen mit denen des Palmitates überein. Analog verhalten sich auch die andern stearinsauren Salze, die dargestellt wurden, und es sei deshalb, um Wiederholungen zu vermeiden, bezüglich deren Eigenschaften auf die Beschreibung der Palmitate verwiesen. Das Auraminstea- rat hat den Schmelzpunkt 68°. 9. Salz des Tetramethyldiamido- ben zophenons. Dieser Körper entsteht, wie schon er- wähnt, beim längern Erwärmen von Stearin- säure mit Auraminbase auf dem Wasserbad unter Ammoniakentwicklung. Er ist durch mehrfaches Umkrystallisiren aus Alkohol rein zu erhalten in Form hübscher, hell- gelber Nadeln, die bei 159° schmelzen. Der Körper löst sich in Alkohol, Aceton und Chloroform leicht, schwieriger in Äther und Benzol. Die Reaction dürfte im Sinne fol- gender Gleichung verlaufen: C 0 H 4 N(CH 3 ), C---NH, : + C 17 H 35 COOH = = NH, + C OH 93°. 10. Neurosanilinsalz. Das Salz hat seinen Schmelzpunkt bei 11. Pararosanilinsalz. Der Schmelzpunkt liegt bei 98°. 12. Nachtblausalz. Schmilzt bei 101°. 13. Krystallviolettsalz. Schmelzpunkt 153°. 14. Salz von Victoriablau B. Schmelzpunkt 113°. 15. Salz von Victoriablau 4 R. Schmilzt bei 93°. Nachdem hiermit die Existenzfähigkeit der Salze mit hochmolecularen Fettsäuren dargethan war, erschien es nicht zweifelhaft, dass auch niedrigere Glieder der Essigsäure- reihe beständige Verbindungen liefern müssen. Der Vollständigkeit halber stellten wir noch zwei Salze der Propionsäure dar. 16. Auraminpropion at. Beim Verdunsten eines Gemisches von überschüssiger wässeriger Propionsäure und einer alkoholischen Lösung der Farbbase schied sich das Salz in Form schöner, orange- gelber Krystallblätter aus, die durch zwei- maliges Abpressen und Umkrystallisiren aus verdünntem Alkohol rein erhalten wurden. Der Körper ist löslich in Alkohol, Aceton, Benzol, Ligroin; er zersetzt sich beim Er- hitzen, ohne vorher zu schmelzen. 17. Neurosanilinpropionat. Die Darstellung erfolgte in der Weise, dass die in Alkohol gelöste Base in die überschüssige Säure eingetragen wurde. Beim Verdünnen mit Wasser schied sich das Salz in pulveriger Form aus; durch mehrmaliges Lösen in Alkohol und Wiederausfällen wurde es rein erhalten. Krystalle konnten keine erhalten werden. Der Körper stellt ein grünes, metallglänzendes Pulver dar, welches sich beim Erhitzen zersetzt, ohne zu schmelzen. Er ist löslich in Alkohol, Ace- ton, Chloroform. C. Salze von Amidosäuren. Durch die Darstellung der Salze mit den Fettsäuren war einmal soviel bewiesen, dass diese immerhin mit Leichtigkeit Verbindun- gen mit den Farbbasen einzugehen im Stande Ch, 98.

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Page 1: Zur Theorie des Färbungsprocesses

Zeitschrift für angewandte Chemie.1898. Heft 22.

Zur Theorie des Färbungsprocesses.Von

R. Gnehm und E. Rötheli.[Schluaa von S. 488]

B. Stearate.

8. Auraminsalz.Die Darstellung ist dieselbe wie beim

Palmitat: Säure und Base werden in derKälte, unter Befeuchtung mit Alkohol, zu-sammengerieben und hierauf demselben Rei-nigungsprocess unterworfen, wie die übrigenKörper. Beim Versuch, die Verbindung inder Wärme zu bewirken, zersetzte sich dasGemisch unter Bildung eines Körpers, dersich bei der Untersuchung als das stearin-saure Salz des Tetramethyldiamidobenzo-phenons herausstellte. — Die Eigenschaftendes Auraminstearates stimmen mit denendes Palmitates überein. Analog verhaltensich auch die andern stearinsauren Salze,die dargestellt wurden, und es sei deshalb,um Wiederholungen zu vermeiden, bezüglichderen Eigenschaften auf die Beschreibungder Palmitate verwiesen. Das Auraminstea-rat hat den Schmelzpunkt 68°.

9. Salz des Tetramethyldiamido-ben zophenons.

Dieser Körper entsteht, wie schon er-wähnt, beim längern Erwärmen von Stearin-säure mit Auraminbase auf dem Wasserbadunter Ammoniakentwicklung. Er ist durchmehrfaches Umkrystallisiren aus Alkoholrein zu erhalten in Form hübscher, hell-gelber Nadeln, die bei 159° schmelzen. DerKörper löst sich in Alkohol, Aceton undChloroform leicht, schwieriger in Äther undBenzol. Die Reaction dürfte im Sinne fol-gender Gleichung verlaufen:

C0H4N(CH3),

C---NH, : + C17H35COOH =

= NH, + C OH

93°.

10. Neurosanilinsalz.Das Salz hat seinen Schmelzpunkt bei

11. Pararosanil insalz.Der Schmelzpunkt liegt bei 98°.

12. Nachtblausalz.Schmilzt bei 101°.

13. Krysta l lv iole t tsa lz .Schmelzpunkt 153°.

14. Salz von Victoriablau B.Schmelzpunkt 113°.

15. Salz von Victoriablau 4 R.Schmilzt bei 93°.Nachdem hiermit die Existenzfähigkeit

der Salze mit hochmolecularen Fettsäurendargethan war, erschien es nicht zweifelhaft,dass auch niedrigere Glieder der Essigsäure-reihe beständige Verbindungen liefern müssen.

Der Vollständigkeit halber stellten wirnoch zwei Salze der Propionsäure dar.

16. Auraminpropion at.Beim Verdunsten eines Gemisches von

überschüssiger wässeriger Propionsäure undeiner alkoholischen Lösung der Farbbaseschied sich das Salz in Form schöner, orange-gelber Krystallblätter aus, die durch zwei-maliges Abpressen und Umkrystallisiren ausverdünntem Alkohol rein erhalten wurden.Der Körper ist löslich in Alkohol, Aceton,Benzol, Ligroin; er zersetzt sich beim Er-hitzen, ohne vorher zu schmelzen.

17. Neurosanilinpropionat.Die Darstellung erfolgte in der Weise,

dass die in Alkohol gelöste Base in dieüberschüssige Säure eingetragen wurde. BeimVerdünnen mit Wasser schied sich das Salzin pulveriger Form aus; durch mehrmaligesLösen in Alkohol und Wiederausfällen wurdees rein erhalten. Krystalle konnten keineerhalten werden. Der Körper stellt eingrünes, metallglänzendes Pulver dar, welchessich beim Erhitzen zersetzt, ohne zuschmelzen. Er ist löslich in Alkohol, Ace-ton, Chloroform.

C. Salze von Amidosäuren.Durch die Darstellung der Salze mit den

Fettsäuren war einmal soviel bewiesen, dassdiese immerhin mit Leichtigkeit Verbindun-gen mit den Farbbasen einzugehen im Stande

Ch, 98.

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502 Gnehm und Rötheli: Theorie des Färbungsprocesses. r Zeitschrift fürL angewandte Chemie.

seien. Um dies ebenfalls darzuthun fürKörper, welche der Thierfaser offenbar näherstehen als die behandelten, wurde die Ein-wirkung von Farbbasen auf Amidosäurenstudirt, Verbindungen, in denen die saurenGruppen bedeutend geschwächt sind durchdie Anwesenheit von basischen. Konnte derNachweis der Verbindungsfähigkeit für hoch-moleculare, sehr schwach saure Amidosäurengeliefert werden, so musste das offenbareine Stütze sein für die Annahme der Salz-bildung zwischen Faser und Farbstoff. Wieim Folgenden gezeigt wird, gelang dieserBeweis, indem Salze mit den verschieden-sten Amidosäuren dargestellt und isolirtwurden.

18. Amidoessigsaures Neurosanilin.

Die Darstellung dieses Salzes geschiehtin der Weise, dass die Base in Alkohol,die Säure in Wasser gelöst und das Ge-misch beider Lösungen zur Trockne einge-dampft wird. Gleich den Salzen mit denFettsäuren war es nicht so einfach, denneuen Körper rein zu erhalten. Die Reini-gung gelang schliesslich durch Auflösen destrockenen Rückstandes in Aceton und Aus-fällen des Salzes mit Äther. Auf diese Artwird es als grünes, metallglänzendes Pulvererhalten, das beim Zerreiben roth wird.Der Körper zersetzt sich, ohne vorherigesSchmelzen, beim Erhitzen über 300°. Erist leicht löslich in Aceton und Alkohol,wenig in Wasser, gar nicht in Äther undBenzol.

19. Amidocapronsaures Neurosanilin(Leucinsalz).

Die Darstellung geschieht in genau der-selben Weise, wie bei dem Glycocollsalz.Das Salz ist löslich in Aceton und Alkohol,unlöslich in Benzol. Es zersetzt sich beimErhitzen, ohne erst in den flüssigen Zustandüberzugehen.

20. Tyrosinsalz von Neurosanilin.

Die Darstellungsweise ist völlig analogder des Leucinsalzes. Der Körper ist eingrünes Pulver, das keinen Schmelzpunkt be-sitzt. Er löst sich in Alkohol und Aceton,sehr schwer in Wasser.

21. Amidostearinsaures Neurosanilin.

Während das Material für Leucin- undTyrosinpräparate nach einer Beilstein'schenVorschrift aus Knochenspähnen dargestelltwurde, musste für die Versuche mit Amido-palmitin- und Amidostearinsäure der syn-thetische Weg betreten werden.

Die Darstellung geschah nach der Me-

thode von Hell und Sodomsky1). DieFettsäuren wurden erst in die Bromderivateund letztere durch Erhitzen mit alkoholi-schem Ammoniak unter Druck in die Amido-säuren übergeführt.

Zur Darstellung des Salzes mit Amido-stearinsäure wurde die Base in Aceton gelöstund unter Kochen die Säure zugefügt, bisalles gelöst war. Durch Ausfällen der er-kalteten Lösung mit Äther konnte das Salzabgeschieden und durch mehrmaliges Wieder-holen der Operation rein erhalten werden.Es stellt ein grünes Pulver dar, das keinenSchmelzpunkt besitzt.

22. Ainidopalmitinsaures Neuros-anilin.

Die Darstellung ist analog derjenigen,des amidostearinsauren Salzes, wie auch dieäussere Erscheinung, Verhalten beim Er-hitzen und gegen Lösungsmittel genau die-selben sind.

Die Salze haben die Eigenschaft, ausverdünnt-alkoholischen Lösungen die anima-lische Faser anzufärben; auch hier bleibendie Säuren im Bade, deren Kryställchenbeim Verdunsten der Lösungen unter demMikroskop wahrgenommen werden können.

D. Salze von Farbsäuren mit Basen.Wenn die Existenz der Salze von Farb-

basen mit schwachen Säuren eine Stützefür die „chemische Theorie" des Färbepro-cesses sein sollte, so musste andererseitsauch zu beweisen sein, dass saure Farbstoffemit schwach basischen Körpern sich chemischzu vereinigen vermögen. Die bei den basi-schen Farbstoffen erhaltenen Resultate er-munterten uns, die bezüglichen Versuche zuunternehmen. Die Resultate entsprachen,wie aus Nachstehendem ersichtlich, der Er-wartung.

23. Naphtolgelb S-Anilinsalz.Die Darstellung gelingt auf zwei Arten

mit gleichem Erfolg: entweder durch dop-pelte Umsetzung des Farbsalzes mit salz-saurem Anilin, oder aber durch directe Ver-einigung der Componenten. Im ersterenFalle werden die wässerigen Lösungen derbeiden Salze in theoretischen Mengen ver-mischt und etwas concentrirt, wobei sichdas neue Salz in gelben Krystallnädelchenausscheidet. Im zweiten Fall versetzt mandie wässerige Lösung der freien Farbsäuremit der alkoholischen Lösung der berech-neten Anilinmenge; das Resultat ist das-selbe wie bei der doppelten Umsetzung.

') B. B. XXIV, S. 941; B. B. XXIV, S. 2395.

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Jahrgang 1898. "1rieft 22. 31. Mai IS«8.J Gnehm und Rötheli: Theorie des Färbungsprocesees. 503

Der Körper kann durch Umkrystall isirenaus heissem Wasser rein erhalten werden.E r ist löslich in Wasser und besitzt keinenSchmelzpunkt. Die Bildung erfolgt im Sinneder Gleichung:C10H4OH(XO,),SO:!Na + HC1NH, C6H5 —

= CI0H4ÖH(NO2)2SO3H . H2NC6HS 4- NaCl.

24. Naphtolgelb S-Benzidinsalz.

Dasselbe wurde dargestellt durch Ver-mischen der wässerigen Lösung von 2 Mole-cülen Säure mit der alkoholischen Lösungvon 1 Molecül Benzidin. Hierbei schiedsich das Salz als grüngelbes Pulver ab, dasbeim Umkrystallisiren aus heissem Wasser,in welchem es sehr schwer löslich ist, inForm von Krystallnädelchen erhalten wurde.Die Untersuchung zeigte, dass hierbei nichtdas zweisäurige, sondern immer nur das ein-säurige Salz entstand. Der Körper zersetztsich beim Erhitzen, ohne zu schmelzen.

!C6 H4 NHS

HSO3 C10 H, OH (NO,), =

C6 H4 NH3 SO3 C,o H4 OH (NO,)2— I

C6 H4 NH2

25. Amidopalmitinsaures Salz vonNaphtolgelb S.

Es entsteht beim Versetzen einer Lösungder freien Farbsäure in Wasser mit der inEisessig gelösten Amidosäure. Das Salz,das in heissem Wasser nur äusserst schwerlöslich ist, schied sich aus, wurde längereZeit mit kaltem Wasser gewaschen unddann in kleinen Mengen aus heissem Wasserumkrystallisirt. Es sind gelbe mikroskopi-sche Nädelchen, die nicht ohne Zersetzungschmelzen.

26. Helve t iab lau-Ani l insa lz .

Der Körper wurde erhalten durch län-geres Kochen von freier Farbsäure mit über-schüssigem Anilin und Waschen des erhal-tenen Productes mit kaltem Wasser undverdünntem Alkohol. Er stellt ein blauesPulver dar, das keine krystallinische Struc-tur besitzt. Das Salz hat keinen Schmelz-punkt.

27. Benzopurpurin-Anilin.

Die Darstellung gelang durch doppelteUmsetzung des Natronsalzes mit salzsauremBenzidin. Das Salz stellt ein schwarz-braunes Pulver dar, das in Wasser schwerlöslich ist.

28. |S-Naphtolorange-Benzidin.

Die Darstellung erfolgte durch Zugebeneiner Lösung der freien Säure in Wasser zueiner alkoholischen Benzidinlösuug. Der

Körper schied sich hierbei als rothes Pul-ver aus, welches aus Wasser gereinigt wurde.

29. Pikr insäure-Benzidin.Das Salz wurde erhalten durch Ver-

mischen der berechneten Menge von Pikrin-säurelösung mit alkoholischer Benzidinlösung.Aus warmem Alkohol umkrystallisirt, erhältman schöne grüngelbe Nadeln, die keinerleiSchmelzpunkt zeigen. Das Pikrat ist inWasser und Alkohol löslich.

30. Amidopalmit in8äure-Pikra t .

Zur Darstellung wurde die Amidosäurein Eisessig gelöst und in der Wärme einealkoholische Pikrinsäurelösung zufliessen ge-lassen. Der Körper schied sich hierbei inkleinen, gelben Nädelchen aus, die schwerlöslich sind. Sie können durch Umkrystal-lisiren gereinigt werden. Einen Schmelz^punkt besitzt die Verbindung nicht.

Das Eesultat der beschriebenen Ver-suche beweist somit, dass einerseits Farb-basen mit schwach sauren Körpern (Amido-säuren) Salze zu liefern vermögen, und dassandererseits Farbsäuren dasselbe im Standesind mit schwachen Basen (und Amidosäuren).Es ist somit die Möglichkeit oder vielmehrWahrscheinlichkeit, dass sich die Thierfaserbeim Färbeprocess chemisch mit dem Farb-stoff verbindet, von neuem, auf anderemWege, dargethan.

Obschon die vorstehenden Mittheilungennoch manche Lücken aufweisen, glauben wiraus denselben doch folgende Schlussfolge-rungen ziehen zu dürfen.

Der Färbeprocess wird von allen Autorenfür die gleiche Faser als einheitlicher Vor-gang aufgefasst, sei er nun mechanischeroder chemischer Natur, wenigstens ist inder Litteratur nirgends die Vermuthung zutreffen, er könne das Eesultat verschiedenerKräfte sein.

Die Anhänger der rein chemischen Theoriegründen ihre Anschauung auf verschiedeneThatsachen: einmal darauf, dass Faser undSubstantive Farbstoffe ausgesprochen salz-bildende Eigenschaften besitzen; weitereGründe liefern die Knecht'sehen Resultate,welche ergaben, dass Nitrophenole in mole-cularen Mengen auf die Faser zu gehen ver-mögen, dann Reisse's Untersuchung überdie Beziehung von Acidität und Basicitätder Farbstoffe zur Aufnahmefähigkeit durchWolle und Seide. Für die Existenz chemi-scher Verbindungen spricht auch die Eigen-schaft- der Färbungen, durch Extractions-mittel nur unvollständig abgezogen zu wer-den, sowie die Abhängigkeit dieser Rest-menge von der Dauer des Processes. Der

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504 Gnehm und Rötheli: Theorie des Färbungsprocesses. r Zeitschrift fllrLangewandte Chemie.

Umstand ferner, dass sich FuchsinfärbungenAlkylirungsmitteln gegenüber verhalten wieein Salz und nicht wie die freie Base, ist,zusammengehalten mit der Thatsache, dassbeim Färben die Säure quantitativ im Badbleibt, als weiterer Beweis für stattgehabteSalzbildung anzusehen. Endlich ist auchdie bewiesene Leichtigkeit der Salzbildungzwischen sauren und basischen Farbstoffenund Amidosäuren als eine Stütze dieserTheorie zu betrachten. Dagegen scheint dasBeispiel der Amidoazobenzolsulfosäure, umdas Stattfinden von Salzbildung zu beweisen,ein schlecht gewähltes. Die Gründe bezüg-lich der Färbung der Salze und der freienSäure sind nicht stichhaltig, wie gezeigtwurde, und zudem verhält sich die Färbung,besonders auf Seide, derart waschunecht,dass man kaum annehmen kann, dieselbesei eine chemische Verbindung. Es dürftedies vielmehr ein Fall sein, der beinaheausschliesslich im Sinne der Anschauungvon Georgievics zu behandeln ist. (DieSpur, die bei der Extraction zurückbleibt,würde als chemisch gebunden anzunehmensein.)

Die sogenannte mechanische Theorie stütztsich darauf, dass viele Färbungen existiren,die durch blosse Präcipitation auf der Fasererzeugt werden (Berlinerblau); ferner auf dasgleichartige Verhalten der Färbung und ihrereinzelnen Componenten, ein Grund, welchernicht stichhaltig ist, wie früher gezeigtwurde. Der Vorgang beim Färben bestehtdoch nach der sogenannten chemischenTheorie darin, dass die Säure des Farbsalzesdurch die „Fasersäure" bez. das Metall desFarbsalzes durch die „Faserbase" ersetztwird. Da aber Eigenschaften, wie Bromir-barkeit, Diazotirbarkeit u. s. w., nicht ab-hängig sind von der Art der salzbildendenSäure bez. des Metalles, so ist es gar nichtauffallend, wenn die Färbungen sich in diesenPunkten gleich verhalten, wie die Compo-nenten. Auch der Einwand, dass moleculareVerhältnisse fehlen, ist nicht so schwer-wiegend, wie er gewöhnlich angesehen wird.Abgesehen davon, dass Knecht ihn füreinzelne Farbstoffe durch das Experimentwiderlegte, ist die Wahrscheinlichkeit derAufnahme in molecularen Mengen beim Färbe-process eine sehr geringe. Einmal ist meistdie Concentration der Bäder dazu viel zugering, andererseits aber spielen noch Fac-toren aller Art mit, welche eine rein che-mische Aufnahme verhindern, wie aus denGnehm'schen Versuchen hervorgeht. — Ge-wiss spielt die Adhäsion eine grosse Rollebeim Färben, sicher aber auch die Art desZustandekommens der Färbung. So ist zum

Beispiel die Beständigkeit von Fuchsin-färbungen auf Glas sehr gross, während dievon Kosanilin und ammoniakaliscbem Fuchsinkaum haften. Wenn aber schon Glas solchstarke Adhäsionserscheinungen aufweist, wieviel stärker müssen sie in den Capillar-räumen der Fasern auftreten? Wenn nunalso die Faser sämmtliche sauren oder basi-chen Gruppen abgesättigt hätte, was wahr-scheinlich nie eintrifft, so würde doch dermechanisch zurückgehaltene FaTbstoff dasVerhältniss sofort ändern und es müsste einseltener Zufall sein, dass bei der Analysegerade Zahlen herauskämen, welche auf mole-culare Mengen stimmen würden.

Unsere Ansicht ist demnach die, dass dieSubstantiven Färbungen auf thierischer FaserGemische seien von chemischer Verbindungmit mechanisch zurückgehaltenem Farbstoff,und zwar erscheint uns die Ansicht Geor-gievics ' für die mechanische Fixirbarkeitdie annehmbarste zu sein. Der Färbeprocessbestände demnach für die Thierfaser einer-seits in Salzbildung, andererseits in Adsorp-tion des Farbstoffes durch die Seide und dieWolle. Der letztere Vorgang dürfte in derMehrzahl der Fälle vorherrschend sein, undbei Einzelfällen, wie Seidenfärbungen mitIadigocarminoderAmidoazobenzolsulfosäuren,tritt wohl chemische Reaction nur in unter-geordneter Weise ein. Auch Martiusgelbund einige andere gelbe Farbstoffe müssenhierher gezählt werden, und die Leichtigkeit,mit welcher dieselben durch Erwärmen vonder Faser wegzubringen sind, lässt eineAnalogie mit von Kohle adsorbirten Gasennicht verkennen. — Immerhin wird man sichauch bei diesen Schlussfolgerungen hütenmüssen, zu generalisiren. Das Mitwirkenanderer Factoren, die wir nicht kennen, istdurchaus nicht ausgeschlossen.

Was nun von dem Färben animalischerFasern gesagt wurde, gilt in gleicher Weiseauch für das Beizen derselben. Die That-sache, dass Beizen auf der Faser unver-ändertes Verhalten zeigen, spricht nicht ge-gen die Ansicht, dass die Metallverbindun-gen theils in chemischer, theils in mecha-nischer Weise (Adsorption oder einfachePräcipitation) aufgenommen werden. Andersverhält es sich mit den Pflanzenfasern: DieFärbungen mit Pigmentfarben, mit auf derFaser entwickelten Azofarbstoffen, dürftenwohl reine Präcipitationen auf der Faser sein,festgehalten in den capillaren Räumen der-selben. W e b e r zählt auch die Indigo-färbungen hierher, doch ist dieses Beispieljedenfalls anders zu betrachten als dieübrigen. Die eigentliche Indigofärbung be-steht in dem Ausziehen des Indigoweisses-

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Jahrgang 1898. ~|Heft 2«. 31. Mai lKW.J Gnehm und Rötheli: Theoiie des Fäibungiprocessts. 505

aus der Küpe; dass eine nachherige Oxy-dation nöthig ist, um ein Blau hervorzurufen,ist für unsere Frage unwichtig. Dieser Fallillustriit übrigens sehr hübsch die Abhängig-keit der Adhäsionserscheinungen von denchemischen Eigenschaften. Während daschemisch reactive Indigoweiss von der Faseradsorbiit und festgehalten wird, haftet derdaraus entstandene Indigo nur wenig darangleich einem Präcipitat; er russt ab. Fürdie Färbungen mit Substantiven Benzidin-farbstoffen endlich können wir dagegen ganzwohl die Weber'sche Anschauung acceptiren,um so mehr, als auch die wenigen Versuche,die wir in diesem Gebiet unternahmen, da-mit übereinstimmen. —

Um kurz zu resümiren, haben wir unsaus dem Studium der verschiedenen Theorien,unterstützt durch eigene Versuche, folgendeAnsicht gebildet: Das Färben der ver-schiedenen Gespinnstfasern i s t ke in«inhei t l icher Vorgang. Die Fä rbe re ider Pflanzenfasern beruht nicht aufdenselben Processen (oder nur zumTheiJ) , wie die der Thierfasern. Aberauch für die letzteren ist für jeden Einzel-fall die Entstehungsart keine einheitliche,indem neben chemischer Reaction mechanischeKräfte, Adsorptionserscheinungen, mitspielen.

Es sind also:1. Baumwollfärbungen auf gebeizter Faser:

Lacke zwischen dem Farbstoff und demmechanischen Präcipitat der Beize aufder Baumwolle.

2. Pigmentfarben und auf der Faser er-zeugte Azofarben: rein mechanischePräcipitate auf der Faser.

3. Indigo und basische Substantive Baum-wollfarbstoffe: Adsorption der Farbstoffeim Sinne von Georgievics .

4. Directe Baumwollfärbungen mitBenzidin-farben: Lösungen der Farbsalze im Zell-saft, ermöglicht durch ihre geringe Dif-fusionsgeschwindigkeit.

5. Färbungen von Wolle und Seide in ge-beiztem Zustand : Lacke der Farbstoffe,mit der zum Theil in chemischer, zumTheil in mechanischer Weise fixirtenBeize (ohne Participation der Faserselbst — soweit sie nicht in chemischerVerbindung mit der Beize steht — ander Fixiruog der Farbstoffe).

6. Substantive Färbungen auf thierischerFaser: Gemische von chemischen Ver-bindungen mit mechanisch adsorbirtemFarbstoff.

Zürich, techn.-chem. Laboratorium des eidg.Polytechnikums.

Das Differential-Aräometer als Laborato-riums-Normal zur Ermittlung specifischer

Gewichte von Flüssigkeiten.Von

Paul Fuchs.

Soll eine Aräometerscale einigermaassengenaue Angaben gewähren, so sind von Naturaus verschiedene Bedingungen zu erfüllen,die ein solches Instrument von Laborato-riumszwecken meist ausschliessen.

Wollte man eine Genauigkeit der Scalein Einheiten der dritten Decimale haben,so gehören für die Dichtendifferenz von0,700 bis 1,840 allein neunzehn Stück ein-zelne Spindeln.

Unter gewissen Umständen ist die An-schaffung eines solchen Instrumentariumsempfehlenswerth, das Arbeiten damit jedochsowie das Aufstellen einer Fehler-Correc-tionstafel ist äusserst zeitraubend und um-ständlich. Eine in der Aräometrie längstbekannte, aber nicht angewandte Methodegestattet jedoch, diese Übelstände zu besei-tigen, ohne am Aräometer die Vortheile einesexacten Mess ins t ruments einbüssen zumüssen.

Dieselbe besteht in der Möglichkeit, dieMasse des Aräomete r s veränder l ichzu machen.

Bei gleichbleibender Scale treten hiermitÄnderungen des Gradwerthes auf, welche ineiner Tafel zur Ermittlung der wahren Dich-tigkeit aufgestellt werden müssen (Tafeln Aund B).

Aräometer mit veränderlichemGewicht und gleichbleibender Scalegehören in die Klasse der „gemisch-ten Aräometer", welche wir in diesemFalle analog metastatischen Thermo-metern (Instrumente mit variirenderQuecksilberfüllung) „Differential -Aräometer" nennen wollen.

Eine Ausführungsform des Diffe-rential-Aräometers zeigt die Fig.129*). Der Körper des Instrumentshat zwei Belastungskammern, dieeine derselben ist in der üblichenWeise mit Quecksilber beschwert,die zweite Kammer besteht auseinem oben zugeschmolzenen, untenmit sicher eingeschliffenem Glas-stopfen versehenem Rohre, welchedie erste Belastungskammer durch-setzt und im untersten Theile mit Fig. 12i).derselben fest verbunden ist.

\

*) Die Firma Gustav Müller hat diese Anord-nuDg zum patentamtl. Musterschutz angemeldet.