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482 Buntrock: Erzeugung von Seidenglanz auf Baumwolle. L Zeitschrift fllr .angewandte Chemie. Faserspannung nachgelassen hat, behufs Vermeidung des Einlaufens der Faser. In dem Zusatzpatente No. 97 664 vom 4. September 1895, ertheilt am 4. April 1898 (Zusatzpatent zu 85 564) sagen Thomas und Prevost, dass das Einlaufen der Faser bei der Behandlung mit Säuren oder Basen auch, dadurch unschädlich ge- macht werden kann, dass man die vege- tabilischen Faserstoffe, in Gewebe- oder Strangform, ohne Spannung mit den genannten Reagentien behandelt und die dadurch eingelaufenen Stoffe, während sie noch mit der Natronlauge benetzt sind, auf die ursprünglichen Dimensionen ausreckt. Das Auswaschen muss, wie beim Hauptverfahren, unter Span- nung geschehen und so lange fortgesetzt werden, bis die innere Faserspannung nach- lässt. Der Patentanspruch lautet: Das Verfahren des Hauptpatentes wird dahin abgeändert, dass die vegetabilischen Faserstoffe in Gewebe- oder Strangform ohne Spannung mit Basen oder Säuren behandelt, die eingelaufenen, noch mit der Präparirflüssigkeit benetzten Stoffe auf die ur- sprünglichen Dimensionen ausgereckt und sodann in gespanntem Zustande gewaschen werden, bis die innere Faserspannung nachgelassen hat. Während sowohl das ursprüngliche Patent Mercer's als auch das Lowe's irgend welche erhebliche Bedeutung in der Technik nicht gefunden hat, haben sich die Thomas und Prevost'schen Patente von ausserordent- lichem Werthe erwiesen, denn die in ge- spanntem Zustande mit Natronlauge behan- delte oder die in losem Zustande mit Natron- lauge behandelte und dann wieder auf die ursprüngliche Länge ausgereckte Baumwolle zeigt, was allerdings Thomas und Prevost in ihren deutschen Patenten nicht angeben, einen seidenartigen Glanz. Wie aus dem oben Stehenden ersichtlich, hebt Löwe in seinem englischen, übrigens jetzt verfallenen Patente besonders hervor, dass die mit Natronlauge in gespanntem Zustande bebandelte oder die nach dieser Behandlung in ungespanntem Zustande nach- träglich ausgereckte Baumwolle glänzender als das Ausgangsmaterial ist. In allen übrigen wesentlichen Punkten sind die beiden Verfahren einander sehr ähnlich. Zwar erwähnt Löwe in seinem letzten Patente die Verwendung von Schwefel- säure, deren eigenthümliche Wirkung schon Mercer erkannt hatte, nicht; allein diese Methode der Erzeugung von Seidenglanz mit conc. Schwefelsäure ist schwer durchführbar und daher von untergeordneter technischer Bedeutung. Es ist unter allen Umständen anzuneh- men, dass Thomas und Prevost unabhängig von Löwe ihr Verfahren erfunden haben, und in keinem Falle werden die Meinungen darüber getheilte sein, dass aliein Thomas und Prevost das Verfahren der Erzeugung von Seidenglanz auf Baumwolle durch Mer- cerisation in die Technik eingeführt haben. In England ist das Thomas- und Pre- vost'sche Patent auf Grund der Existenz des älteren Lowe'schen Patentes gefallen, soweit es sich nämlich auf die Behandlung der Baumwolle mit Ätzalkalien in gespanntem Zustande bezieht. In Deutschland bestehen jedoch die Thomas- und Prevost'schen Patente noch zu Recht, und eine unbefugte Ausnutzung derselben ist daher bis jetzt nicht gestattet. Zur Theorie des Färbungsprocesses. Von R. Gnehm und E. Rötheli'). Die umfangreiche Litteratur 2 ) über das Studium der Vorgänge beim Färben von Ge- spinnstfasern gibt uns über den gegenwärtigen Stand dieser Frage ein Bild, das sich etwa in Folgendem reproduciren lässt. Es stehen sich verschiedene Ansichten gegenüber: die Vertreter der einen halten den Färbeprocess für eine rein chemische Reaction (Salzbildung), die der anderen sehen in demselben einen ausschliesslich mecha- nischen Vorgang (Adhäsion). Dazwischen ') Aus der Inaugural-Dissertation des Herrn Dr. E. Rötheli, Zürich 1898. 2 ) loc. cit. I. Theil. steht die Anschauung, derProcess sei auf jeder einzelnen Faser, nicht dagegen für die Gesammtheit der Gespinnstmaterialien ein- heitlicher Natur. Wieder Andere betrachten die Fixirung der Farbstoffe durch die Faser als eine Ana- logie mit dem Zustandekommen starrer Lösungen und endlich vereinigt die Ansicht alle übrigen in sich, der Färbeprocess sei kein einheitlicher Vorgang. Anhänger der rein chemischen Theorie sind Knecht und Vignon: ersterer zufolge seiner Beobachtung, dass Säurefarbstoffe in molecularen Mengen von Wolle aufgenommen werden können, dann aber auch, weil diese Faser beim Kochen Lanuginsäure liefert, welche mit allen Substantiven Farbstoffen unlösliche Lacke bildet; Vignon auf Grund

Zur Theorie des Färbungsprocesses

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Page 1: Zur Theorie des Färbungsprocesses

482 Buntrock: Erzeugung von Seidenglanz auf Baumwolle. L Zeitschrift fllr.angewandte Chemie.

Faserspannung nachgelassen hat, behufsVermeidung des Einlaufens der Faser.

In dem Zusatzpatente No. 97 664 vom4. September 1895, ertheilt am 4. April1898 (Zusatzpatent zu 85 564) sagenThomas und Prevost, dass das Einlaufender Faser bei der Behandlung mit Säurenoder Basen auch, dadurch unschädlich ge-macht werden kann, dass man die vege-tabi l i schen Faserstoffe, in Gewebe-oder Strangform, ohne Spannung mitden genannten Reagentien behandel tund die dadurch eingelaufenen Stoffe,während sie noch mit der Natronlaugebenetz t sind, auf die ursprünglichenDimensionen ausreckt. Das Auswaschenmuss, wie beim Hauptverfahren, unter Span-nung geschehen und so lange fortgesetztwerden, bis die innere Faserspannung nach-lässt. Der Patentanspruch lautet:

Das Verfahren des Hauptpatentes wird dahinabgeändert, dass die vegetabilischen Faserstoffe inGewebe- oder Strangform ohne Spannung mit Basenoder Säuren behandelt, die eingelaufenen, noch mitder Präparirflüssigkeit benetzten Stoffe auf die ur-sprünglichen Dimensionen ausgereckt und sodannin gespanntem Zustande gewaschen werden, bis dieinnere Faserspannung nachgelassen hat.

Während sowohl das ursprüngliche PatentMercer's als auch das Lowe's irgendwelche erhebliche Bedeutung in der Techniknicht gefunden hat, haben sich die Thomasund Prevost'schen Patente von ausserordent-lichem Werthe erwiesen, denn die in ge-spanntem Zustande mit Natronlauge behan-delte oder die in losem Zustande mit Natron-lauge behandelte und dann wieder auf dieursprüngliche Länge ausgereckte Baumwollezeigt, was allerdings Thomas und Prevost

in ihren deutschen Patenten nicht angeben,einen seidenart igen Glanz.

Wie aus dem oben Stehenden ersichtlich,hebt Löwe in seinem englischen, übrigensjetzt verfallenen Patente besonders hervor,dass die mit Natronlauge in gespanntemZustande bebandelte oder die nach dieserBehandlung in ungespanntem Zustande nach-träglich ausgereckte Baumwolle glänzenderals das Ausgangsmaterial ist.

In allen übrigen wesentlichen Punktensind die beiden Verfahren einander sehrähnlich. Zwar erwähnt Löwe in seinemletzten Patente die Verwendung von Schwefel-säure, deren eigenthümliche Wirkung schonMercer erkannt hatte, nicht; allein dieseMethode der Erzeugung von Seidenglanz mitconc. Schwefelsäure ist schwer durchführbarund daher von untergeordneter technischerBedeutung.

Es ist unter allen Umständen anzuneh-men, dass Thomas und Prevost unabhängigvon Löwe ihr Verfahren erfunden haben,und in keinem Falle werden die Meinungendarüber getheilte sein, dass aliein Thomasund Prevost das Verfahren der Erzeugungvon Seidenglanz auf Baumwolle durch Mer-cerisation in die Technik eingeführt haben.

In England ist das Thomas- und Pre-vost'sche Patent auf Grund der Existenzdes älteren Lowe'schen Patentes gefallen,soweit es sich nämlich auf die Behandlungder Baumwolle mit Ätzalkalien in gespanntemZustande bezieht.

In Deutschland bestehen jedoch dieThomas- und Prevost'schen Patente nochzu Recht, und eine unbefugte Ausnutzungderselben ist daher bis jetzt nicht gestattet.

Zur Theorie des Färbungsprocesses.Von

R. Gnehm und E. Rötheli').

Die umfangreiche Litteratur2) über dasStudium der Vorgänge beim Färben von Ge-spinnstfasern gibt uns über den gegenwärtigenStand dieser Frage ein Bild, das sich etwain Folgendem reproduciren lässt.

Es stehen sich verschiedene Ansichtengegenüber: die Vertreter der einen haltenden Färbeprocess für eine rein chemischeReaction (Salzbildung), die der anderen sehenin demselben einen ausschliesslich mecha-nischen Vorgang (Adhäsion). Dazwischen

') Aus der Inaugural-Dissertation des HerrnDr. E. Rötheli, Zürich 1898.

2) loc. cit. I. Theil.

steht die Anschauung, derProcess sei auf jedereinzelnen Faser, nicht dagegen für dieGesammtheit der Gespinnstmaterialien ein-heitl icher Natur.

Wieder Andere betrachten die Fixirungder Farbstoffe durch die Faser als eine Ana-logie mit dem Zustandekommen starrerLösungen und endlich vereinigt die Ansichtalle übrigen in sich, der Färbeprocess seikein einheitlicher Vorgang.

Anhänger der rein chemischen Theoriesind Knecht und Vignon: ersterer zufolgeseiner Beobachtung, dass Säurefarbstoffe inmolecularen Mengen von Wolle aufgenommenwerden können, dann aber auch, weil dieseFaser beim Kochen Lanuginsäure liefert,welche mit allen Substantiven Farbstoffenunlösliche Lacke bildet; Vignon auf Grund

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Jahrgang 1898. 1Heft 21. 24. Mai 1898.J Gnebm und Rötheli: Tbeoiia des Färbungsprocesies. 483

seiner thermochemischen Untersuchungen derGespinnstfasern. Diese ergaben, dass sichSeide und Wolle gegen Säuren und Sasensehr reactiv verhalten und demnach alsAmidosäuren aufzufassen sind, während sichBaumwolle stark indifferent zeigt. Da an-dererseits kein directer Farbstoff von neutralemCharakter existirt, so muss man die Fär-bungen als Salze betrachten.

Zu demselben Schluss gelangt Reissebeim Studium des Verhaltens der Farbstoffegegen ein Mischgewebe von Wolle und Seide.

Die rein mechanische Theorie ist haupt-sächlich vertreten durch von Georgievics,welcher die Färbungen als analogeErscheinungbetrachtet wie die Verdichtung von Gasenauf festen Körpern (Kohle, Glas u. dgl.), fürwelche du Bois-Reymond die BezeichnungAdsorption einführte, im Gegensatz zur Ab-sorption, der Aufnahme von Flüssigkeiten.Er gründet seine Anschauung auf die An-nahme, dass bei der Vereinigung von Faserund Farbstoff keine molecularen Verhältnisseauftreten, und dass die entstandenen Productedieselben Eigenschaften zeigen, wie die Com-ponenten, was speciell auch von Hwassund von Perger betont wird. Der Umstand,dass chemisch indifferente Körper gleich derFaser gefärbt werden können, sowie dieEigenschaft vieler Farbstoffe, durch Subli-mation von der Faser trennbar zu sein,spricht nach Georgievics gegen jede andereErklärung. Ausschlaggebend für die mecha-nische Theorie ist nach ihm aber die Beob-achtung, dass in zwei Fällen, nämlich fürIndigocarmin undMethylenblau derTheilungs-koefficient zwischen Faser und Farbbad eineCoDstante war.

Weber betrachtet die Färbungen fürjede Faser von verschiedenen Gesichtspunktenaus. Während Wolle und Seide die Substan-tiven Farbstoffe als Lacke fixiren, sind Fär-bungen mit Anilinschwarz, auf der Faser er-zeugte Azofarbstoffe u. s. w. rein mechanischePräcipitate, gleich den Pigmentfarben.

Substantive Baumwollfarbstoffe dagegensind Lösungen des Farbstoffes in Zellsaft,deren relative Waschbeständigkeit auf dergrossen Diffusionsträgheit der Farbstoffe be-ruht.

Wi t t fasst alle Färbungen als starreLösungen des Färbemittels in der Faser aufund hält den Vorgang beim Färben füranalog dem Ausschütteln wässeriger Lösun-gen mit Benzol, Äther u. s. w.

Gnehm endlich nimmt den Standpunktein, der Färbeprocess sei überhaupt, auchfür ein und dieselbe Faser und den gleichenFarbstoff, nicht als einheitlicher Vorgang zubetrachten.

In der Absicht, einerseits verschiedeneAngaben einzelner Autoren, die uns wichtigerschienen, durch Wiederholung der Experi-mente aus eigener Anschauung kennen zulernen, andererseits aber auch, um neuesexperimentelles Material zu gewinnen, daszur Klärung der Frage beitragen könnte,unternahmen wir zahlreiche Versuche, vondenen die grössere Zahl mit den wesent-lichsten Ergebnissen nachstehend beschriebenwerden soll.

In erster Linie wurden die Gnehm'schenVersuche mit Färbungen von Fuchsin, Ros-anilin und ammoniakalischer Fuchsinlösungauf Seide und Glasperlen wiederholt.

Je 100 g Glasperlen wurden mit heissen,wässerigen Lösungen von a) 0,5 g Fuchsin,b) 0,5 g Fuchsin -+- Ammoniak und c) 0,4726 gRosanilinbase Übergossen und dieselben vom5. Mai .1896 bis zum 21. Juli 1896 stehengelassen. Beim Herausnehmen erwiesen sichalle drei Proben als gefärbt, die Nuancenwaren nicht sehr verschieden; eine Verschie-denheit zeigte sich aber sofort bei der Ex-traction mit Alkohol. Während b und cschon nach kurzer Zeit ihren gesammtenFarbstoff verloren hatten, zeigte sich zwarder von a ablaufende Alkohol auch baldgänzlich farblos, aber die Perlen bliebendeutlich gefärbt, selbst bei stundenlang fort-gesetzter Extraction. Das Resultat stimmtealso mit dem Gnehm'schen überein1); dieFuchsinfärbungen erwiesen sich viel bestän-diger als die mit gefärbter und ungefärbterRosanilinbase hergestellten. — Weniger gutstimmten die Resultate bei den Seidenfär-bungen mit den früher erhaltenen. Eswurde immer auf gleiche Intensität ausge-färbt (selbstverständlich wurden die Färbun-gen unter gleichen Bedingungen in demselbenBad und zu gleicher Zeit erzeugt) und dieStränge Dach dem Auswaschen mit Wasserder Extraction unterzogen. Hierbei zeigtees sich, dass die Resultate von den ver-schiedensten Umständen beeioflusst werden.Nachdem im Anfang immer widersprechendeErscheinungen auftraten, wurde eine Quan-tität Seide frisch entschält, indem die vonuns benutzte anderer Provenienz war als diefrüher verwendete; aber auch die so vorbe-handelte und nachher gefärbte Seide ergabverschiedene Resultate je nach der Art derExtraction. Bestimmt konnte constatirtwerden, dass der Wasse rgeha l t der Seidevon Einfluss war. Wurde nämlich der Strangvor der Extraction bis 100° getrocknet undmit ganz absolutem Alkohol behandelt, soergaben sich so ziemlich dieselben Erschei-

') Gnehm, Färberzeitung 1894/95, 361.

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484 Gaehm und Rot hell: Theorie des Färbuogspirocessei. t Zeitschrift fürangewandte Chemie.

nungen, wie sie von Gnehm beobachtetwurden: die Fuchsinfärbungen blieben be-deutend stärker als die von Rosanilin undammoniakalischer Fuchsinlösung.

Eine Eigentümlichkeit zeigte sich beiallen Extractionen: es gelag nie, auch nichtnach wochenlang fortgesetztem Versuch,allen Farbstoff von der Faser abzuziehen.Dies müsste aber möglich sein, wenn derFarbstoff in der Faser gelöst oder in reinmechanischer Weise auf der Seide fixirtwäre. Die Vermuthung lag nun nahe, dassdieser unlösliche Rest eine chemische Ver-bindung der Faser mit dem Farbstoff sei,und der folgende Versuch scheint dieser An-sicht günstig zu sein. Es wurden dreiSeidenstränge in verschieden starker Lösungauf gleiche Intensität ausgefärbt, der einebloss 10 Minuten im concentrirten Bad, derzweite '/j Stunde im weniger concentrirtenund der dritte 2 Stunden im verdünntestenBad. Trat nun ein chemischer Vorgang ein,so war anzunehmen, dass die längere Färbe-dauer in der verdünnten Lösung der Bildungeiner chemischen Verbindung günstiger seials die kurze Dauer des Processes bei grös-serer Goncentration. Das scheint denn auchwirklich der Fall zu sein, indem der Strangaus der verdünntesten Lösung bei der Ex-traction am wenigsten an Intensität abnahm,der aus dem concentrirtesten Bad am meisten.Dieser Versuch stützt die Vermuthung, dassdie Fuchsinfärbung theils auf chemische,theils auf mechanische Weise zu Standekomme, und zwar würde der letztere Pro-cess vorherrschen. Um vielleicht eine grös-sere Verschiedenheit von mit Fuchsin ge-färbter Seide einerseits und mit unter gleichenVerhältnissen erzeugten Rosanilinfärbungenandrerseits constatiren zu können, wurdenStränge beider Art 25 Tage lang in derKälte mit verschiedenen Lösungsmitteln ex-trahirt. Das Resultat entsprach den beiden Alkoholextractionen gefundenen. Wäh-rend Fuchsin- und Rosanilin-Färbungen sichgegenüber Äther, Glycerin, Essigäther, Acetonbeinahe gleich verhielten, wurde die erstereFärbung durch Eisessig mehr angegriffenals die letztere; mit Phenol zeigte sichgerade das Umgekehrte. Wie man sieht,ergeben sich auch hier verschiedene Resul-tate, so dass man annehmen muss, dass nochunbekannte Factoren bei dem Färben bez.Abziehen (Extrahiren) eine Rolle spielen.Mit Sicherheit ist den Extractionsversuchennur zu entnehmen, dass sich Färbungen mitFarbsalz und Base nicht immer gleich ver-halten, dass der Farbstoff nicht vollständigabgezogen wird und dass endlich dieMenge des nicht extrahirbaren Restes des-

selben abhängt von der Dauer des Färbe-processes.

Um die Angaben von Georgievics1)bezüglich der geringen Stabilität der Carbi-nolbase von Fuchsin zu erproben, wurdefolgender Versuch angestellt.

Zwei Proben von Neufuchsin, jede 0,2 g•wiegend, wurden zur Darstellung der beidenBasen mit Kali versetzt, die eine kalt zurAbscheidung der Ammoniumbase, die andereunter längerem Kochen, um das Carbinol zuerhalten2). Beide Fällungen wurden in Ätheraufgenommen und durch Verdunsten einerabpipettirten Menge der Procentgehalt be-stimmt. 20 cc der Ammoniumbase enthielten0,0046 g, dieselbe Menge der Garbinollösung0,,0026 g. Die beiden Lösungen verhieltensich also bezüglich ihres Gehaltes zu einanderwie 46 : 26 und dementsprechend wurde jeeine solche Seidenmenge eingelegt, dass gleich-procentige Färbungen entstehen mussten.Das Resultat war, wie schon mitgetheilt,folgendes: Die Lösung der Ammonbasefärbte die Seide sofort intensiv roth an,während die Carbinolbase nur sehr langsameine viel schwächere Färbung lieferte. DurchBetupfen des ungewaschenen Stranges mitEssigsäure wurde die Färbung bald stärker,während sie ohne Säure nicht mehr an In-tensität zunahm. Der Versuch lehrt also,dass die Carbinolbase ziemlich beständig istund ihre Überführung in das Ammonium-derivat relativ starke Säuren erfordert, indemdieselbe durch Kohlensäure noch nicht be-wirkt wird. Die Seide functionirt somithier als Säure.

Schon oben wurde aus dem Umstände,dass Seide durch Extractionsmittel ihresFarbstoffes nur bis auf einen bestimmtenRest beraubt werden kann, der Schluss ge-zogen, es sei dieser Theil chemisch gebunden.Es schien nun interessant, zu prüfen, obsich eine Seidenfärbung bei gewissen chemi-schen Reactionen wie die Färb salze ver-halten werde, oder aber wie die Base.Zum Vergleich wurde ein Alkylirungsprocessvorgenommen. Ein mit Fuchsin gefärbterSeidenstrang wurde längere Zeit neben Probenvon Rosanilinbase, salzsaurem, stearinsauremund amidostearinsaurem Rosanilin mit Jod-methyl und Methylalkohol in der Kältestehen gelassen. Keines dieser Materialienwurde merklich verändert mit Ausnahmeder freien Base, welche eine tiefblaue Fär-bung angenommen hatte. Bei ungefähr20 stündigem Erwärmen auf 35 bis 40°wurden aber sowohl der- Strang, als auch

]) Mittheil, des Technolog. Gewerbemuseums1894.2) Nietzki, Farbstoffe, 1894 S. 110.

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die Salze methylirt. — Die Färbung verhältsich somit wie die Salze, nicht wie die freieBase. — Wie man zugeben muss, sprichtdieser Versuch sehr für eingetretene Salz-bildung, wobei aber nicht gesagt werdensoll, dass aller Farbstoff in dieser Weiseaufgenommen worden sei.

Während nach den geschilderten Ver-suchen ein chemischer Process als Ursachedes Färbens der Thierfaser als -wahrschein-lich anzunehmen ist, war dies bei der Baum-wolle von vornherein nicht zu vermuthen.Nach Weber sollen die Benzidinfarbstoffein Form ihrer Salze auf die Faser aufgehen.Um diese Annahme durch das Experimentzu bestätigen, wurde Baumwolle mit denBaryumsalzen von Benzoazurin und Benzo-purpurin gefärbt und die aufgenommenenBaryummengen bestimmt: je 100 g Baum-wollstrang wurden mehrere Tage lang imkochenden Bad mit 1 g sorgfältig von Sulfatgereinigtem Baryumsalz aus Benzopurpurin4 B (Natriumsalz der o-Tolidin-disazo-bi-1-naphtylamin-4-sulfosäure) und aus Benzo-azurin 3 G (Natriumsalz der Dianisidin-dis-azo-bi-l-naphtol-5-sulfosäure) behandelt, bisdie verschwundene Färbung der Lösung an-zeigte, dass aller Farbstoff aufgenommenworden sei. Die stark gewaschenen und ge-trockneten Stränge ergaben beim Abrauchenmit Schwefelsäure und Wiegen des Sulfatesfolgende Resultate:

1. Benzopurpurin 4B lieferte:Baryumsulfat: entspricht Baryum:

I. 0,2840 g 0,1669 gII. 0,2850 g 0,1680 g

Die gefundenen Mengen entsprechen 16,74 Proc.Baryum, berechnet wurde für das angewendete Salz16,81 Proc.

2. Benzoazurin 3 G:Sulfat: Baryum:

0,2721g 0,1600 g0,2710 g 0,1589 g

Gefunden 15,94 Proc, berechnet 16,14 Proc.Das heisst: die beiden Salze von Benzidin-

farbstoffen gingen mit ihrem vollen Metall-gehalt auf die Faser, wie nach Weber an-zunehmen war.

Bei diesem Versuch konnte auch dieRichtigkeit der Web er'sehen Angaben be-züglich des Diffusionsvermögens der Farb-stoffe bestätigt werden. Gingen nämlich dieNatriumsalze der erwähnten Farbstoffe mitLeichtigkeit auf die Faser, so thun dies dieBaryumsalze, vermöge ihres stark verkleiner-ten Diffusionscoefiicienten, äussers-t langsam,zeigen dann aber auch beim stärksten Waschennicht die Eigenschaft des Blutens, sie diffun-diren ebenso schwer wieder heraus, wie siehinein gelangten. — Bei Gelegenheit der

erwähnten Untersuchungen wurde auch dasVerhalten gefärbter Fasern gegen Röntgen-s t r ah len geprüft. Das Resultat war daserwartete: Fuchsin, Krystallviolett, Malachit-grün (Oxalat) auf Wolle und Seide erwiesensich als vollständig durchlässig, wie dieungefärbten Fasern; Baumwolle mit Congo(Na-Salz) gefärbt, absorbirte die Strahlentheilweise, -während sich endlich die Färbungmit Baryumsalz als in hohem Grade undurch-lässig erwies. Dieses Resultat beweist so-mit, gleich dem analytischen, dass dieBenzidinfarbsalze in unveränderter Weisevon der Baumwolle aufgenommen -werden.

Um eventuell auf anderm Wege, mitHülfe des Mikroskopes , weitere Auf-klärung in unserer Frage zu erhalten, stelltenwir Querschnitte von gefärbten Fasern dardurch Einbetten des Faserbündels in Glycerin-gelatine und nachheriges Schneiden mit demMikrotom. Den vielleicht störenden Einflussdes Härtungsmaterials bei der Untersuchungzu vermeiden, wurden die Schnitte längereZeit mit destillirtem Wasser gewaschen unddie so erhaltenen Präparate, ohne sie einzu-schliessen, aufbewahrt. — Die Untersuchungwurde bei polarisirtem und gewöhnlichemLicht vorgenommen, es zeigte sich aber beikeiner Probe Doppelbrechung. Während beiWolle, die 1. mit Krystallviolett, 2. mitMalachitgrün gefärbt worden war, die Schnitt-flächen vollständig homogen mit dem Farb-stoff durchsetzt waren, zeigten Baumwoll-färbungen mit Congo und Benzoazurin diegrösste Intensität der Färbung im Lumen,entsprechend der Weber'schen Anschauungvon dem Zustandekommen derselben. —Von gefärbter Seide wurden zwei Sortenuntersucht, eine gewöhnliche Fuchsinfärbung,die sich als völlig homogen erwies, undandererseits die verschiedenen Stadien einesschwarz gefärbten Stranges. Hierbei zeigtesich, dass das Eisen vollständig gleichmässigdie Faser durchsetzte, während das darauffolgende Berlinerblau nur die äussere Schichtin Form eines concentrischen Ringes ausge-färbt hatte. Eigenthümlicherweise war indem mittleren, scheinbar ungefärbten Theildie vom Eisen herrührende Gelbfärbung ver-schwunden, vermuthlich für das Auge auf-gehoben durch eine Spur eingedrungenenBlaus. Der nachfolgende, mit Catechu be-handelte schwarze Strang zeigte unter demMikroskop dieselbe Erscheinung wie der vor-hergehende, nur war der blaue concentrischeRing etwas verstärkt. Wie es scheint, wirktein Theil des zuerst eingedrungenen Farb-stoffes als eine Art von Filter für den nach-folgenden, so dass vielleicht nach erfolgterSättigung der äussern Schicht erst ein wei-

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teres Eindringen stattfindet. Thatsächlich•war es möglich, durch Betupfen des Schnittesmit einer Lösung von Ferrocyankalium dieganze Schnittfläche blau zu färben.

"Waren diese Versuche auch nicht sehrfruchtbringend, so viel scheinen sie dochdarzuthun, dass bei Farbstoffen, bei deneneine chemische Bindung annehmbar ist, dieFaser sich homogen anfärbt, während diesbei mechanischer Aufnahme nicht eintritt, ent-sprechend dem langsamen Vordringen der Lö-sung durch Capillarwirkung. Für die "Weber-sehe Theorie der Substantiven Baumwollfär-bungen dürften sie aber direct beweisend sein.

Um endlich für die Angaben von Geor-gievics und Knecht über die Spaltung derFarbsalze beim Färben neue Beweise bringenzu können, wurden deren Untersuchungenauf weitere Körper ausgedehnt und zwarverwendeten wir dazu Farbstoffe mitmögl ichs t hoch molecularen Säure-bez. Basencomponenten. Als solcheleisteten gute Dienste die speciell für dieseArbeit dargestellten Farbsalze der basischenFarbstoffe mit Palmitin- und Stearinsäureund andererseits die Salze von sauren Farb-stoffen mit organischen Basen. Bei denersteren war der quantitative Nachweis derSäure ein sehr einfacher. Die mit dem Salzgefärbte Seidenfaser wurde in Salzsäure ge-löst; war noch Fettsäure mit auf die Fasergegangen, so musste sie hierbei zum Vor-schein kommen; um auch eventuell vorhan-dene Spuren nachzuweisen, wurde die salz-saure Lösung mit Äther ausgeschüttelt unddieser verdunstet. Es zeigte sich in jedemFalle, dass, wenn die Faser nach dem Färbendurch Benzol gezogen wurde, um mechanischadhärirende Säure zu entfernen, keine Spurvon Fettsäure mehr auf der Faser blieb.Das Resultat stimmte somit mit denenKnecht 's und Georgievics' überein. DasFarbsalz spaltet beim Färben quantitativseine Säure ab unter Zurücklassung der-selben in dem Farbbad. Im Gegensatz zudiesem indirecten Verfahren wurde für diesauren Farbstoffe zum Nachweis der eventuellabgespaltenen Base die directe Bestimmungdurch Wägen vorgenommen und zwar wurdeals Versuchsobject das Benzidinsalz vonNaphtolgelb S verwendet, einerseits aufWolle, andererseits auf Seide. Folgendessind die erzielten Resultate:

1. Abgewogen für Wolle 0,5 g.Gefunden im Bad 0,1824 g, Rückstand = 36,45 Proc.Berechnet 0,1122 g, - =22,42 Proc.

Da der Rückstand viel Zersetzungspro-duete von Wolle enthielt, die vermuthlichdas Mehrgewicht derselben bedingten, wurdeder gleiche Versuch 'mit Seide vorgenommen:

2. Abgewogen für Seide 0,2000 g.Gefunden im Bad 0,0454 g = 22,68 Proc.Berechnet 0,0448 g = 22,42 Proc.

Auch bei den sauren Farbstoffen trittsomit beim Färbeprocess eine Spaltung ein,wenigstens bei den Salzen mit organischenBasen, was immerhin sehr für die Salz-bildung auf der Faser spricht.

Als weitere Stütze für die Annahme vonchemischer Bindung der Farbstoffe durch dieFaser dürfte wohl die Exis tenz der citirtenFarbsalze mit hoch molecularen, relativschwachen Säuren bez. Basen gelten. Wieschon erwähnt, wurden deren eine grössereAnzahl für diese Arbeit dargestellt und zwarzu dem Zwecke, um nachzuweisen, dasseinerseits die Farbbasen im Stande sind, mitrelativ schwachen Säuren oder gar derenAmidoderivaten beständige Verbindungen zuliefern, und andererseits zu zeigen, dass dieFarbsäuren dasselbe mit schwachen Basenoder Amidosäuren zu thun vermögen. DieserVersuch gelang. Im Folgenden seien die dar-gestellten Körper näher beschrieben.

I. S tear in- und palmit insaure Salze.Es wurde erst versucht, dieselben durch

doppelte Umsetzung der Farbsalze mit denKaliseifen dieser Säuren darzustellen, wobeisich aber bedeutende Schwierigkeiten er-gaben. Zwar entstehen die erwarteten Ver-bindungen sofort beim Vermischen der bei-den wässerigen Salzlösungen, bilden aber,obschon gänzlich unlöslich in Wasser, eineEmulsion mit der seifigen Flüssigkeit (auchbei überschüssigem Farbstoff), die jede Tren-nung durch Filtration unmöglich macht.Erst nach wochenlangem Stehen scheidet sichein Theil des fettsauren Farbsalzes in com-pacteren Flocken aus; dieselben sind abersehr unrein und widerstehen allen Reinigungs-versuchen mit grosser Hartnäckigkeit. Nachzehnmaliger Reinigung aus Alkohol enthieltein so dargestelltes Fuchsinsalz noch ziem-lich bedeutende Mengen von Chlor, so dass,ein anderer Weg eingeschlagen werden musste.Das Princip der nun angewendeten Methodeist eigentlich noch einfacher als das derersteren: es wurde die Base in die ge-schmolzene oder gelöste Säure eingetragenund das entstandene Salz gereinigt. Alleinauch hier war die Ausführung nicht so be-quem vorzunehmen, wie man erwarten sollte;das Product war nur sehr mühsam rein zuerhalten. Auch bei Anwendung der theore-tischen Mengen der beiden Componentenblieb immer ein Theil derselben unverändert,namentlich erwies sich die freie Base alsein sehr lästiges Verunreinigungsmittel. Eswurde schliesslich folgendes Verfahren als

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das beste befunden und in der Folge ange-wendet: etwa l'/4 Mol. an Säure wurden ineiner Porzellanschale geschmolzen und hier-auf 1 Mol. der äusserst fein pulverisirten(in der Kälte mit Ammoniak gefällten) Baseunter stetigem Umrühren eingetragen. Nach-dem die Schmelze einige Zeit in dünnflüssi-gem Zustande gehalten worden war, wurdeerkalten gelassen und hierauf das Schmelz-product in Alkohol gelöst. Es wurde nunvorsichtig Wasser zugegeben, wobei sich erstdie überschüssige Säure ausschied. Dieselbewurde sorgfältig mit einem Glaslöffel abge-schöpft, bis sich keine Krystalle mehr davonzeigten, hierauf der Farbstoff durch mehrWasser vollständig ausgefällt, nach demFiltriren wieder in Alkohol gelöst und die-selbe Reinigungsprocedur noch 2 bis 3 Malwiederholt. Hierbei ist jedes Erwärmen derLösungen zu vermeiden, indem dadurch dieFarbsalze sich zum Theil zu zersetzen schei-nen, wenigstens zeigten sich nach stattge-habter Erwärmung stets wieder die Krystalleder Fettsäuren auf der Oberfläche der Flüs-sigkeit.

Die so erhaltenen Farbsalze stellen Pul-ver dar, die beim langsamen Verdunsten derLösungen mit dem charakteristischen Metall-glanz der mineralsauren Salze erhalten wer-den können. Krystallisirversuche scheitertenimmer; auch bei sehr starker mikroskopischerVergrösserung konnte keine krystallinischeStructur nachgewiesen werden.

In unreinem Zustande sind diese Körpervermuthlich schon lange bekannt; sie sindwahrscheinlich in den sogenannten Basol-farben enthalten, die zum Trockenfärben vonSammet u. a. m. benutzt werden. Diese,die vermuthlich die von uns studirten Salzeenthalten, zeigen wie die letzteren die Eigen-schaft, sich in Benzol zu lösen, was siegerade zur Anwendung für den beabsichtigtenZweck befähigt. Der Sammet wird damitin der Weise gefärbt, dass man ihn in derBenzollösung der Farbstoffe umzieht, bis dergewünschte Effect erreicht ist, und hieraufnoch durch ein Benzolbad passirt, offenbarum die anhängende Fettsäure zu entfernen.

Von den fettsauren Salzen, die wir dar-gestellt haben, zeigen alle die Eigenthüm-lichkeit der Benzollöslichkeit, mit Ausnahmederjenigen von Para- Rosanilin und Neu-Rosanilin. Sie haben alle einen bestimmtenSchmelzpunkt; einige schmelzen nicht scharf.Bei einer gewissen Temperatur, die unterdem Schmelzpunkt liegt, sintern sie zusam-men und verbleiben so, bis zu dem mehroder weniger scharf erkennbaren Punkt, wodas eigentliche Schmelzen eintritt. Im Fol-genden seien diese Salze einzeln aufgeführt.

A. Pa lmi t a t e .

1. Auraminsalz .

Die Darstellung dieses Körpers geschiehtnach der beschriebenen Methode, nur mussman hier ganz besonders darauf achten, dassalle Proceduren kalt vorgenommen werden;wenn das nicht geschieht, so tritt ähnlicheZersetzung ein, wie bei dem gewöhnlichenAuraminsalz, es spaltet sich Ammoniak abunter Bildung eines Benzophenonderivates.Die Vereinigung von Base und Säure be-wirkt man daher hier besser durch einfachesZusammenreiben in der Kälte unter Be-feuchten mit Alkohol.

Die Reactionsgleichung ist wie folgt zuformuliren, wobei zu bemerken ist, dass dieBasen, weil kalt gefällt, immer in der Am-moniumform angenommen werden:

C) 5H3 l COOH =

6NH2

.= H2O + C — ^

<"*—*—_-COOC15H31

Das Salz schmilzt bei 57°, ist ein orange-gefärbtes Pulver, das sich leicht in Alkohollöst, ebenso in Chloroform, Benzol, Schwefel-kohlenstoff, schwieriger in Äther. Die Lö-sungen sind gelb gefärbt.

Analyse:a) 0,200 g Substanz ergaben 0,5578 e CO., und

0,1770 g H2O.b) 0,2 g Substanz ergaben 14,9 cc N bei 16° C.

und 716 mm Druck.

Berechnet für C33H5JN3O.,: Gefunden:N = 8,06 Proc. 8,3 Proc.C = 76,00 76,00H = 9,78 9,88

Das Molecul arge wicht, nach der Siede-methode in Benzol bestimmt, ergab die Zahl510, die berechnete beträgt 521.

2. Neurosani l insa lz .Die Darstellung weicht nicht von der

allgemeinen Methode ab. Der Körper istein Pulver, das beim Ausfällen aus Lösungs-mitteln eine violettrothe Färbung .zeigt; das-selbe nimmt beim Schmelzen die bekannte,metallisch grüne Oberflächenfarbe der Fuchsin-salze an, mit welcher es auch erhalten wird,wenn man dasselbe durch Verdunstenlasseneiner Lösung gewinnt. Das Salz schmilztbei 79°, löst sich leicht in Alkohol, Aceton,Chloroform, ist dagegen unlöslich in Ligroinund Benzol1).

Cb. 98.

') Mit Bezug auf die Analysenresultate diesesund der übrigen Salze verweisen wir auf die Disser-tation des Herrn Rötheli, S. 65 u. ff.

42

Page 7: Zur Theorie des Färbungsprocesses

488 Lunge: Abwässer von der Ammoniaksodafabrikation. c Zeitschrift für.angewandte Chemie.

3. Pararosanilinsalz.Der Körper zeigt äusserlich dieselben

Eigenschaften wie das Salz des Neurosanilins.Er ist gleich diiesem löslich in Aceton,Chloroform, Alkohol, unlöslich in Benzol,Ligroin, Schwefelkohlenstoff. Die Löslich-keit ist geringer als bei andern Repräsen-tanten der Fuchsin gruppe, analog dem Ver-halten der gewöhnlichen Farbstoffe. DerSchmelzpunkt des Salzes liegt bei 85°.

4. Nachtblausalz.Die Darstellung geschieht nach der all-

gemeinen Methode. Der Körper wird er-halten in Form eines dunkelblauen Pulvers,dessen Schmelzpunkt bei 88° liegt. Er istlöslich in Alkohol und Chloroform mitblauer Farbe, die Lösung in Aceton istviolett gefärbt, während die Lösungen inBenzol, Ligroin, Äther und Schwefelkohlen-stoff eine tiefrothe Färbung zeigen.

5. Krystall violettsalz.Die Methode der Darstellung ist analog

der der übrigen dieser Salze. Der Körperist ein violettes Pulver, das sich leicht löstin Alkohol, Aceton, phloroform, Ligroin mitvioletter Farbe, in Äther roth, in Schwefel-kohlenstoff blau. Der Schmelzpunkt liegtbei 140°.

6. Victoriablau-B-Salz.Diese Verbindung wird dargestellt gleich

den übrigen, sie schmilzt bei 99°. DerKörper besitzt ungefähr die Farbe des salz-sauren Salzes, dunkelblau, und ist in Alko-hol löslich mit blauer, in Chloroform mitvioletter, in Aceton mit blauvioletter, inBenzol mit rother, in Ligroin mit rotherFarbe.

7. Salz von Victoriablau 4 R.Das Salz ist ein röthlichblaues Pulver,

welches einen Schmelzpunkt von 80° besitzt.Sein Verhalten zu Lösungsmitteln stimmtmit demjenigen des Salzes von Victoria-blau B überein. Die Lösung in Alkohol istblau, in Chloroform und Aceton violett, inBenzol und Ligroin roth.

[Schluss folgt]

Über Abwässervon der Ammoniaksodafabrikation.

VonG. Lunge.

Herr K. W. Ju r i sch hat sich neuerdingsan verschiedenen Stellen d. Ztsch. (1897,749; 1898, 130 und 132) über die Kritikgeäussert, welche ich an einigen seiner Zah-

lenangaben über Abwässer von der Ammoniak-sodafabrikation in meinem Handbuche derSodafabrikation vorgenommen habe. Einelängere Störung meiner Gesundheit hat michbisher verhindert, davon Notiz zu nehmen;selbst die mir von Herrn Ju r i s ch freund-lichst zugesandten Sonderabzüge sind mirerst vor Kurzem zugekommen. Inzwischenhat aber Herr Schre ib , der schon vor mireine ganz ähnliche Kritik ausgeübt hatte,Herrn Ju r i sch in d. Zsch. 1898, 274 eineso gründlich widerlegende Antwort gegeben,dass ich es mir und dem Leser ersparenkann, nochmals auf diesen Gegenstand ein-zugehen; hieran können auch die Bemer-kungen von Jur i sch S. 318 und 415 d. Z.nichts ändern.

Wenn ich mir nun doch ein Wort erlaube,so geschieht dies nur, um Verwahrung ein-zulegen gegen eine recht starke Entstellung,die Herrn Jur i sch auf S. 132 untergelaufenist. Zu einem Satze aus meiner „Sodain-dustrie" (III, 111): „Das Ammoniak aufNull zu bringen, und noch dazu immer,wie dies angeblich zu La Madelaine 1882bis 1883 geschah, ist wohl nirgends inWirklichkeit gelungen", macht Ju r i schfolgendeBemerkung: „Lungekannhiergegen"(d. i. gegen Vernachlässigung sehr kleinerMengen von Ammoniak in den Abwässern)„um so weniger etwas einzuwenden haben,als er es gern als sein besonderes Verdiensthervorhebt, die dritten Decimalen analytischerResultate Anderer zu beseitigen, also für0,004 notwendigerweise Null setzt."

Hieran ist so viel richtig, dass ich inmeiner „Sodaindustrie" an vielen Stellen diedritten, unter Umständen auch die zweitenDecimalen der Procente bei Wiedergabe derAnalysen von Jur i sch und anderen Che-mikern weggelassen habe, und dies auch inZukunft thun werde, nämlich da, wo dieuns zur Verfügung stehenden analytischenMethoden schon in der ersten oder zweitenStelle der Procente unsichere Resultate er-geben. Ich muss es eben für unwissen-schaftlich und geradezu irreführend ansehen,in solchen Fällen die Berechnung auf dreiStellen oder noch weiter durchzuführen.Ju r i sch möge mir nachweisen, wo ich diesemir selbstverständlich scheinende Ansichtund das darauf gegründete Verfahren als„mein besonderes Verdienst" hervorgehobenhabe. Wenn er aber behauptet, ich müssefolgerichtig einen bei der Analyse gefundenenBetrag einer Substanz von 0,004 (mag dasProcent oder g im Liter bedeuten) gleichNull setzen, so wirft er in ganz ungehörigerWeise zwei himmelweit verschiedene Dingezusammen und construirt daraus künstlich