ZUSAMMEN MEHR ERREICHEN - Kleiner Ratgeber für Bezugsgruppen (1/2)

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    ZUSAMMENMEHRERREICHEN

    KLEINER RATGEBERFR BEZUGSGRUPPEN

    COPY@LEFT50 centSpende erwnscht

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    2 Bildet Bezugsgruppen

    1. eine Bezugsgruppe ist ................a) ein Haufen Politchecker_innen, die alles immer schon vorher klren

    b) die erste Reihe auf einer Democ) eine Gruppe Menschen, die sich politisch aufeinander beziehen undzusammen Aktionen machend) eine Gruppe Menschen, die ihre Transparente immer auf Bettbezge malen

    2. J. Fischer war 68 auch in einer Bezugsgruppe organisiert, die hie....a) KBW b) Putz-Gruppec) Straenfeger d) APO

    3. Eine Bezugsgruppe hat auf einer Demo .............a) einen Sechsertrger Bier dabei b) einen gemeinsamen Rufnamenc) ihre Adressbcher dabei d) nix zu suchen

    4. Was sollte eine Bezugsgruppe auf einer Demo mithaben?a) einen Sechsertrger Bierb) den Obst und Gemse Einkauf fr die Vok danachc) ein Transparent, Flugbltter, eine Idee, wie Inhalte vermittelt werden sollend) ihre Hunde

    5. Nach einer Demo gehen wir als Bezugsgruppe .............a) erst mal einen trinkenb) schauen wir auf Indymedia, ob wir uns auch gut in Szene gesetzt habenc) treffen wir uns, um das ganze nach zubereitend) verstreuen wir uns und erzhlen Freund_innen erstmal von unserenHeld_innentaten

    6. Welches Symbol steht fr den Anti-Atom-Widerstanda) eine Sonne b) eine Sonne mit Faustc) das X d) ein Y

    7. Als Bezugsgruppe organisieren wir uns, weila) wir sonst bei den Grnen landenb) wir sonst immer so verloren bei den Demos herum stehenc) wir sonst nicht wssten, wie mensch da eigene Ideen, Argumente oderAktionen einbringen knnten

    d) wir uns sonst so organisierten Checker_innen irgendwie unterordnen msstenLsungen:1.c2.b3.b4.c5.c6.c7.c

    BEZUGSGRUPPEN-TEST

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    Hallo allerseits, nun eine Broschre zu Bezugsgruppen.

    Was soll das? Wir haben in der letzten Zeit immer wieder das Gefhl

    gehabt, dass bei Demos und Aktionen immer mehr Menschen alleineunterwegs sind. Sie scheinen so wenig informiert zu sein, dass sie z.B. nichtwissen was der EA (Glossar) ist oder ziellos durch die Gegend laufen undhufig schnell panisch wegrennen.

    Wir haben uns gefragt, was wir daran ndern knnen. Es kam uns die Ideeeine Broschre zu machen, in der wir ber unsere Erfahrungen berichten,Erlebnisberichte von anderen abdrucken und die dazu anregt, sich in

    Bezugsgruppen zusammen zu tun.

    Unser Motto: "zusammen mehr erreichen - Bezugsgruppen bilden" stieauf unterschiedliches Echo: "Was wollt ihr den damit? Das ist doch allesganz klar!" und "Gute Idee! Das brauchen wir unbedingt!" Wir habengewagt eine Broschre zusammen zu basteln, die bestimmt viele Fragenoffen lsst und viele Diskussionen anstt, vielleicht auch Widerspruchhervorruft und hoffentlich einen Beitrag leistet, mehr zusammen zumachen (Bildet Bezugsgruppen! Bildet Banden!).

    Wir waren und sind in verschiedenen Bezugsgruppen organisiert undsind auch nicht immer einer Meinung, auch nicht bei dem, was genau eineBezugsgruppe ist und wie sie organisiert sein kann.

    Wir haben den Versuch gestartet vieles aufzugreifen, was uns durch den

    Kopf gegangen ist und wollen dazu anregen Bezugsgruppen zu grnden,in Zusammenhngen gemeinsam unterwegs zu sein und vieles gemeinsamauszuprobieren. Wir wollen keine Rezepte oder Handlungsanweisungengeben und wissen, dass diese Broschre nur ein Anfang darstellen kann.Welche Aktion ihr plant, durchfhrt oder woran ihr euch beteiligt odernicht beteiligt, solltet ihr gemeinsam entscheiden. Wir meinen,Bezugsgruppen sind eine Grundlage, um gemeinsam politisch aktiv zuwerden.

    Aber genauso wie wir uns nicht immer einig sind, hoffen wir, dass vieleLeser_innen hier Anregungen finden und Kritik ben. Die Broschre ist

    Bildet Bezugsgruppen 3

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    zum Stbern, Lesen, darin Blttern ... und kein Lehrbuch zum durcharbei-ten, denn so einfach funktioniert das nicht.

    Wir sind keine "Bezugsgruppe" an sich. Wir beschftigen uns viel in/mit

    der Anti-Atom-Bewegung, aber auch Hausprojekte, Antifa und Antira sindunsere Themen. Wir sind innerhalb der radikal Linken teilweise schon seitgut 25 Jahren aktiv. Wir haben verschiedene Hintergrnde undErfahrungen. Wir hoffen, dass sich die verschiedenen Sozialisierungenauch in diesem Reader wiederfinden. Wir wnschen euch viel Spa beimLesen, Experimentieren und einem selbstbestimmteren Alltag. Wir freuenuns auf eine spannende Auseinandersetzung, die wir gerne aufgreifen undvielleicht auch in einer Fortsetzung verarbeiten.

    eure "ZUSAMMEN MEHR ERREICHEN" - RedaktionsGruppeWir sind zu erreichen unter:[email protected]

    INHALTSVERZEICHNISWieso, weshalb, warum Bezugsgruppen ............................... 5-7

    Ein Rezept fr 5-16 Personen oder:"Gibt es einen Baukasten fr Bezugsgruppen?"Anregungen fr das "Grnden" einer Bezugsgruppe ............ 8-11Verschiedene Formen von Bezugsgruppen, stellen sich vor(NUH, Samba, Clowns + ein Erfahrungsbericht) ......................... 12-22Mglichkeiten einer (schnellen) Entscheidungsfindungoder "ach Du scheie, da ist eine Lcke in der Bullenkette!?"... 23-25Vorbereiten und Nachbereitung

    von Aktionen bzw. vom Handeln! ..................................... 26-27Rechtshilfetipps .............................................................. 28-29Solidaritt innerhalb einer groen Gruppe, Demos ............. 30-32Leistungsdruck: Der Weg ist das Ziel ................................ 33-35Burn out statt burn down? -- Ausgebrannt sein und politische Arbeit in Gruppen .............. 36-38Out of Action - Emotional support .................................... 39-41Anregung fr: was mensch alles somit einer Gruppe machen kann? ........................................ 42A-Z Glosssar .................................................................. 43-47

    mailto:[email protected]:[email protected]:[email protected]:[email protected]
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    BANDEN BILDEN

    VERSUCHEINER EINFHRUNG

    Im Frhsommer 2007 werdensich tausende Demonstran-t_innen nach Heiligendamm inMecklenburg-Vorpommern auf-machen, um gegen den dortstattfindenden G8-Gipfel zu

    demonstrieren. Die G8 verkr-pern ein Herrschaftssystem miteiner ungeheuren Zerstrungs-kraft, von daher erscheinen unsProtest und Widerstand an die-sem Kristallisationspunkt ange-bracht. Die G8 verkrpern denglobalen kapitalistischen Markt,

    sie verkrpern eine Politik, dieauf kurz oder lang zu kologi-schen Katastrophen fhrt, sie verkrpern ein imperialesKommando, welches fr viele Menschen Krieg und dieZerstrung ihrer Lebensgrundlagen bedeutet.

    Das alles heit aber nicht, dass eine Kritik an den G8 automa-tisch auf dstere Katastrophenszenarien hinauslaufen muss. Im

    Gegenteil in bestimmter Hinsicht wre vor einer berhhungender G8, vor einer berschtzung ihrer Macht zu warnen. Fr unsist das eine Frage der Perspektive. Wir denken, dass wir wenigerTheorien darber brauchen, wie der G8 Prozess, wieHerrschaftsstrukturen, wie der Kapitalismus, wie die rassistischeund sexistische "Normalitt" funktionieren. Was wir vielmehrbrauchen, ist eine Theorie ber die Verletzbarkeit dieserHerrschaftsstrukturen. Eine Theorie und eine Praxis, die davon

    ausgeht, dass wir das, was wir kritisieren, auch abschaffen bzw.verndern knnen.

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    Wie kann das gehen? Wir leben in einer Gesellschaft, in der dieTrennung systematisch verfestigt und institutionalisiert wird. Daskapitalistische Kommando vereinzelt die Menschen, trennt sievon ihrem Arbeitsprodukt, bestimmt darber, was produziert

    wird und wann fr jede_n einzelne_n morgens der Wecker klin-gelt. Die rassistische und sexistische "Normalitt" trennt indeutsch und nicht-deutsch, in Mann und Frau. Es entsteht einestarre Welt, in der Menschen anhand von Zuschreibungen beur-teilt werden, in der Menschen Identitten haben wie Ohren undNase, quasi "von Natur aus".

    Im Gegensatz zu dieser starren Welt verweist linke Kritik auf die

    Mglichkeit, es anders zu machen, sie verweist auf dieMglichkeit, die Spielregeln nicht zu akzeptieren, den Spieltischzu zertrmmern - theoretisch wie praktisch. Das bedeutet zumBeispiel, das neoliberale t.i.n.a-Prinzip - "There is no alternative.Es gibt keine Alternative zum kapitalistischen Markt!"- als billi-gen und langweiligen Trick, den Sachzwang von Konkurrenz undWettbewerb als schlechten Witz und die starre Welt von Identittund Trennung als konstruiert und vor allem als dumm und

    unmenschlich zurckzuweisen.

    "Das ist erstmal Gedankenspielerei, was bedeutet das denn kon-kret?"knntet ihr jetzt fragen. "Wie kmpfen wir konkret gegendiese starre Welt von Herrschaft und Normierung?"Die einzigesinnvolle Antwort, die (auch) uns als Autor_innenkollektiv daraufeinfiel, lautet: Wir nehmen unser Leben selbst in die Hand.Wir gestalten unsere Beziehungen untereinander anders, als esuns die gesellschaftliche Normalitt nahe legt. Wir bekmpfenKategorien wie "Geschlecht"oder "Nation". Wir entwickeln eige-ne Mastbe. Naja, wir versuchen es zumindest.

    Das ist alles andere als einfach. Wir orientieren uns zum Beispielnicht an der Magabe "Leistung". Wir entwickeln einen eigenenRhythmus, unsere eigene Zeit, Dinge zu tun: Flugbltter schrei-

    ben, Kampagnen aushecken, Aktionen vorbereiten etc. WennDiskussionen dabei manchmal ewig lange dauern, weil alle zuWort kommen mssen, ist das nicht unproduktiv, sondern not-

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    wendig. Trotzdem bleibt das selbst bei diesem kleinen Beispielein stndiges Ringen, bleibt die gesellschaftliche Normalittstndig prsent: "Schnell abstimmen jetzt!" heit es dann."Dieser Punkt ist doch nebenschlich, zum nchsten Punkt der

    Diskussion! Wir knnen auf XY jetzt keine Rcksicht nehmen..."

    Dieser Prozess, die Diskussionen, in denen wir Beziehungenzueinander aushandeln, kann auch (neben der Tatsache, dass siefr Demos und Aktionen immer wieder ganz praktisch sind) deremanzipatorische Kern von Zusammenschlssen sein, also vondem, was in dieser Broschre Bezugsgruppe genannt wird.Einfach ausgedrckt, sind Bezugsgruppen ja das Resultat eines

    Prozesses, in dem Leute zusammenkommen, um die "Realitt"nicht zu akzeptieren; um gegen etwas aktiv zu werden - G8-Gipfel, rassistische Gesetze, Nazis, Atomtransporte, was auchimmer. Letztlich landet mensch dann, ausgehend von derEmprung und der Kritik an einzelnen Schweinereien, wiederbeim "groen Ganzen", bei der starren Welt aus Kategorien wieKapital, Staat, Geschlecht etc.

    Deren berwindung, die berwindung von Herrschaft, kann abernicht im "groen Sprung" erfolgen. Sie kann nicht anTechnokrat_innen und Funktionr_innen delegiert werden, auchnicht, wie wir immer wieder vor Augen gefhrt bekommen, anParteien. In der Frage derg e s e l l s c h a f t l i c h e nBefreiung gilt weiterhin:"Das mssen wir schon sel-ber tun!" Setzen wir dererstens dummen und zwei-tens falschen Annahme, dieGeschichte sei zu Ende und jede ihres GlckesSchmied, ein munteres"Zusammen sind wir

    unausstehlich!" entgegen.Banden bilden. Das wreein guter Anfang.

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    Ein Rezept fr5-16 Personen

    oder:"Gibt es einenBaukasten fr

    Bezugsgruppen?"

    ANREGUNGENFR DAS "GRNDEN" EINER BEZUGSGRUPPE

    In diesem Kapitel soll es um die Frage gehen "wie kannst Du/knnt Ihr eine Gruppe finden?", weil Du z.B. nachHeiligendamm zum G8 fahren willst. Du kannst Dich erstmal

    in Deinem Freundeskreis umhren, wer noch hinfahren mch-te. Wenn Ihr von einander wisst, ist es gut sich zu treffen undsich darber auszutauschen. Ihr solltet klren, was euchbewegt dorthin zu fahren, was ihr fr Ideen habt und was

    jede_r von euch dort tun mchte, da ihr erstmal wissenmsst, ob das zusammenpasst. Wenn bei dem Treffen klarwird, dass Ihr ganz unterschiedliche Ideen habt, z.B. von "ichwill da zur Demo" bis "ich will da Camp-Struktur machen"- istdas nicht die beste Voraussetzung. Aber das bedeutet nichtunbedingt, dass das gar nicht funktionieren kann. Vielleichtkommt ihr doch zusammen und knnt ein Konzept entwickelnin dem sich alle wiederfinden. Gut ist es auch, sich die Fragezu stellen: Wieso will ich das und nicht jenes machen? Dabeikann sich evtl. der Blickwinkel ndern und mensch kanndadurch offen dafr werden, etwas anderes auszuprobieren.

    Vorweg gleich mal: es gibt "zum Glck" nicht den Weg wieeine Bezugsgruppe entsteht. Mensch kann schon sagen, dassviele Bezugsgruppen aus WGs oder offenen

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    Politzusammenhngen entstanden sind. Aber es knnen aucheinfach Freundeskreise, Schler_innen die sich kennen,Studis, sein, die merken, dass sie ja eh immer auf die gleichenDemos rennen, oder oder oder sein.

    sich vorbereiten

    Wenn ihr zu dem Punkt gekommen seid, "cool, das klingt dochganz gut, lass es uns einfach versuchen", ist es sinnvoll sichregelmig zu treffen. Wie oft, ist natrlich eure Sache. Daskann von Sich-wchentlich-treffen bis Sich-im-Vorfeld-zweimal-ein-langes-Wochenende-nehmen sein. Das ist auch

    davon abhngig, was ihr vorhabt und wie gut ihr euch kennt.Aber lieber etwas zu oft treffen, als das es nachher dann heit"Wir hatten gar keine Zeit das zu besprechen"...Und so sind wir auch beim wichtigsten "Werkzeug"! Was sogesehen auch kein greifbares ist, nmlich reden und zuhren.Das klingt schn banal, ist es auch, irgendwie. Die meistenGruppen, die wir kennen, fangen ihre Treffen mit einer "wiegeht es mir gerade/ Emorunde" (Glossar: Runde) an, einfacheine kurze Runde zum Stand der persnlichen Dinge. Es mussnicht jede_r was sagen, aber es kann auch ein Ort whrenddes Treffens sein, umsagen zu knnen,warum mensch guteoder schlechte Launehat, was ihr/ ihm vom

    letzten mal noch imMagen liegt oder wasmensch gerne einfachallen mitteilen mch-te. Danach kannmensch vielleichtbesser verstehen,warum xy in der

    Diskussion schnellgereizt ist oder auch

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    alles total leicht sieht, da eh alles gerade bei xx gut luft.miteinander reden - und wie?

    Um mit dem Werkzeug "Reden und Zuhren" gut umgehen zu

    knnen, braucht mensch meistens noch viel bung. Klar hat jede_r eine Stimme und kann irgendwie zuhren, aber dieeinen knnen gut reden (manchmal auch ohne wirklich etwaszu sagen) und die anderen hren das was sie wollen. Dasklingt ziemlich bse, aber das wollen wir auch erstmal kei-ner/m unterstellen! Oft sind es soziale und gesellschaftliche

    Rollen, die wir so gelernt haben: in der Schule, als Kind, in derBeziehung zu Freund_innen oder auf der Arbeit. Das ist abernicht unvernderbar, es ist Teil unserer Utopie, dass wir alsMenschen innerhalb einer Gruppe wachsen und uns gegensei-tig weiterbringen. Dafr muss mit den gesellschaftlichenRollen auch umgegangen werden, das Thema heit hier dannRedeverhalten. Es ist gut sich darber einmal Gedanken zu

    machen. "Wo fllt yx immer wem anders ins Wort/ wie bekom-men wir das hin, dass alle was dazu sagen, was steht dahin-

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    ter, dass ich immer so lange rede oder xy immer sofort zuallem was sagen muss". Das Thema ist sehr komplex und hatviele Seiten. Aber es ist gut, sich zumindest auf "Basics" zueinigen, wie: ausreden lassen und/oder bei kontroversen

    Diskussionen jede_n zu Wort kommen zu lassen. Auch stum-mes Kommentieren, z.B. immer nicken, wenn es einer passt,immer was in die Hand nehmen und lesen, wenn wer anderswas sagt, sind Formen von Dominanz, sich immer wiederRaum nehmen und den Raum damit den anderen weg zu neh-men.

    ablauf der treffen

    Wie ihr das/die Treffen gestaltet, ist ganz eure Sache. Ihrmsst einfach sehen, wie strukturiert Ihr es braucht. Ob esohne Redeleitung oder Tagesordnung geht, hngt oft von derGruppengre ab und davon, was Ihr machen wollt - aber esist gut auch mal zu experimentieren. In Bezugsgruppen ist es,unserer Meinung nach, wichtig, im Konsens zu entscheiden,was nicht heit, das immer alles bis ins letzte diskutiert wer-den muss und dass alle alles richtig finden. Innerhalb derBezugsgruppe sollte ein Groteil beschlossen werden und dieanderen sollten damit einverstanden sein. Falls wer sagt "dasgeht nicht" und vom Vetorecht Gebrauch macht, muss das zuGehr kommen und ein Umgang damit gefunden werden.Aber innerhalb einer Bezugsgruppe mit Mehrheits-entscheidung anzufangen, hat nichts mit gleichberechtigter

    Beteiligung zu tun. Zu Entscheidungsfindungsprozessen gibtes in dem Heft auch noch extra Tipps.

    Kleiner Nachtrag noch: oft wird in Bezugsgruppen berMnner- /Frauenquote geredet. Tja, was sollen wir dazuschreiben? Wie so oft haben wir keine Lsung, aber ein paarFragen knnen wir aufwerfen: Was macht die Gruppe aus,wenn sie nur aus Mnnern oder Frauen besteht? Warum soll-

    te eine Frau bei Mnnern mitmachen oder ein Mann bei einerFrauengruppe? Wenn es fr alle okay ist, warum nicht. Abertrotz groer Ansprche wissen wir, wie anstrengend und ner-

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    AUF KEINEN FALL EINE KADER-ORGANISATION

    Irgendwann Ende der 90er Jahre war ja die Einsicht weitverbreitet, dass unberechenbare, direkte Aktionen gegenAtomtransporte der beste Weg sei, fr die Stilllegung aller

    Atomanlagen und berhaupt zu streiten. So auch in unse-rer kleinen Stadt. In dieser Zeit entstand auch der, sonenne ich das jetzt einfach mal, "nette, unkomplizierteHaufen" (NUH). Jetzt kann mensch ja wild und entschlos-sen sein, Atomtransporte zu stoppen, meist fehlt aberirgendwas entscheidendes: eine gute Idee, andere wildentschlossene Leute, Werkzeug, Autos, Geld undErfahrung. Und das war das Gute am NUH, hier gab es

    irgendwie alles. Das lag vor allem daran, das der NUH ausca. 25 sehr unterschiedlichen Leuten bestand. Ein paar vondenen haben eine verwegene Idee gehabt undFreundinnen und Freunde angesprochen, die wiederumFreundinnen und Freunde angesprochen haben. Fr das,was wir vorhatten, war NUH perfekt. Die Aktion war ziem-lich kompliziert und dadurch, dass Atomtransporte auf derSchiene fahren, auch nicht ungefhrlich. Das fhrte dann

    dazu, dass es viele unterschiedliche Aufgaben gab: Leutefr ein Ablenkmanver, Leute, die den berblick behalten,Leute, die mit der Presse oder den Bullen reden (die ja lei-der oft auch anwesend sind), Leute, die die Aktion an sichdurchfhren und welche, die fr eben diese Leute da sind,auf sie aufpassen, sie mit Schoki versorgen etc. Das fhr-te aber auch dazu, und dass finde ich im Nachhinein fastgenauso wichtig wie die (gelungene) Aktion, dass es die

    Monate davor und danach total viel zu basteln, zu recher-chieren und - ganz wichtig - zu bereden gab. Ob und wie

    VERSCHIEDENE FORMENVON BEZUGSGRUPPEN

    STELLEN SICH VOR

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    dieser Diskussionsprozess gelingt, das finde ich dasAllerwichtigste beim Thema Bezugsgruppe.

    NUH traf sich alle zwei Wochen, zum Teil fter. Wir waren,

    wie gesagt, 25 Leute, kannten uns zum Teil gut, zum Teilgar nicht. Einige machten schon lnger Politik und hatteneinige Erfahrungen gemacht, fr andere war es mehr oderweniger die erste Aktion. Einerseits muss mensch diesenUnterschied, wie ich finde, anerkennen, er darf allerdingsauf keinen Fall zu einer Trennung in Kader und Fuvolk fh-ren. Es liegt wohl an allen, dass das hinhaut. Beim NUHfand ich den Diskussionsprozess ganz gelungen. Fr mich

    war das eher neu und aufregend, trotzdem waren alledummen Fragen voll OK. Es gab nicht dieses Rumgetue,dass du cool sein musst und ganz abgeklrt. Wenn dasanders luft und einzelne die Diskussion dominieren oderein Teil der Leute sich nicht traut, Kritik zu ben oder nach-zufragen, dann ist das absolut fatal. Weil es uns dochdarum geht: Raus zukommen aus Verhltnissen, die unsbestimmen, rum kommandieren, uns aussaugen. DiePolitik und die Aktionen, die wir machen und gestalten, soll

    ja gerade Mut und Hoffnung machen und zeigen, das esanders geht, das wir nicht nur Rder, sondern auch Sandim Getriebe sein knnen.

    In diesem Sinne war NUH fr mich wichtig: Es war unsere,also auch meine Aktion. Wir haben sie ausfhrlich ausge-

    wertet, was zum einen extrem lustig war, zum andereneinfach dazugehrt, weil das eben alles ein zusammenhn-gender Prozess ist, in dem wir voneinander lernen; unsere"Arbeit", das, was wir zusammen machen, weiterentwik-keln - nach unseren Vorstellungen, nicht mit Blick auf dasStrafgesetzbuch oder dumme Kategorien, wie Kapital oderGeschlecht oder was wei ich. Naja, und in diesem Sinn istdieses Zusammenkommen dann auch revolutionr. Eine

    Revolution ohne groen Rumms, ganz alltglich, auf denersten Blick auch ganz einfach - und wirklich groartig.

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    BEZUGSGRUPPE ODER AKTIONSGRUPPE?- EIN ERFAHRUNGSBERICHT!

    Sptsommer. Eine mail in meinem Postfach, die vom nahendenCastor spricht. Und eine, die darauf antwortet und zu einemAktionsplanungstreffen einldt. Zwei Wochen spter dasTreffen. Groes Hallo allerseits. Haben uns in dem Kreis nunschon mehrere Monate nicht mehr getroffen. Freude desWiedersehens. Motivation, diesmal den Castor wirklich zu stop-pen, genug vorhanden. Letztes Jahr war es ja schon ganzerfolgreich..., aber dieses Jahr erst! Wir zgern nicht lange,

    unsere Ideen sprudeln zu lassen. Eine nach der anderen durch-kreist unsere aktionslsterne Runde. Es wird viel gelacht, vielgesponnen. Aber so richtig festhalten knnen wir uns an kei-nem der Vorschlge. Immer auch sofort eine Skepsis, sofort einVorbehalt.nNichts reit uns wirklich vom Hocker. Keine Idee fin-det allgemeine Zustimmung.

    Und doch favorisieren wir letztendlich einen Vorschlag und fan-gen an, uns genauer mit ihm auseinander zusetzen. Er scheintdurchfhrbar und die erste Delegation wird ins Wendlandgeschickt, um "die Lage zu checken". Sie kommt zurck. Wirmachen ein spontanes Treffen. Voller Neugier warten wir auf dieErgebnisse. Sie sind eher ernchternd. Neuer Zweifel, neueSkepsis unter einem Teil der Gruppe. F. steigt aus, er hat Stressmit seinem Job, wnscht uns gutes Gelingen. Ein Dmpfer. Aber

    wir wollen was machen. Jetzt sind wir schon so weit, die Zeitdrngt, nur wenige Wochen und er rollt. Ihn, den es aufzuhal-ten gilt. Wir treffen uns noch mal und stellen alles in Frage.Keine Entscheidung. Halbe Woche spter noch ein Treffen.Zwei, die es unbedingt machen wollen, setzen sich durch. Beiden anderen Motivationsschwund, aber sie bleiben trotzdemerstmal mit dabei. Zweite Wendlandtour. Ergebnisse hnlichernchternd. Wachsende Skepsis in der Runde. Aber wieder

    eine Stimme die ruft: "Aber jetzt sind wir doch schon so weit,jetzt haben wir schon soviel in unsere Idee investiert, jetzt kn-

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    nen wir doch nicht einfach von vorne anfangen. Zeit ist auchkeine mehr". Die anderen lassen sich berreden, berzeugenaber lassen sie sich nicht. Manch eineR fngt an sich nach ande-ren Optionen um zuschauen. Sucht nach einer neuen Gruppe.Bezugs- oder Aktionsgruppe? Wir lassen eine Konstruktionanfertigen. Einen Tag vor unserem gemeinsamen Aufbruch insWendland ist sie fertig. Sie wird mitgenommen. So gut wie nie-mand von uns hat sie in ihrer realen Ausfertigung gesehen.Egal, sie kommt mit. Jetzt, wo wir sie doch extra gebaut haben,jetzt, wo wir doch nichts anderes geplant haben! Im Wendland:erneut groes Hallo. Zu uns stoen all die Freund_innen ausdem Rest der Welt. Von unserer Aktion wissen sie noch nichts,hoffen wohl aber, dass wir was im Gepck haben. Wir feiernunser jhrliches Wiedersehen. Am nchsten Tag dann, Plenum.Was wollen wir machen? Was fr Optionen gibt es? ZwanzigLeute, die sich zum Teil nicht einmal kennen, suchen nach deroptimalen Castorblockade. Zwei Tage bevor er rollen soll.Bezugsgruppe? Aktionsgruppe? Das Wendland ist gro, wir sindauf Autos angewiesen. Die Autobesetzungen wechseln stndig,

    damit auch die Menschen, die fr die Hlfte des Tages deine"Bezugsgruppe" sind. Die andere Hlfte des Tages: wieder jemand neues an deiner Seite. Klar, auch ein guter Freund,freue mich, neben dir zu laufen. Aber wer ist nun in meinerBezugsgruppe? Wir mssen uns wohl mal festlegen, nur nocheine Nacht schlafen und er rollt. Die Autositzpltze geben dieBezugsgruppengre vor. Plenum. Wir sortieren uns also. Wermacht welche Aktion? Wer bernimmt welchen Job?

    Unsere Aktion steht, die Konstruktion wartet, wir brauchen nurnoch Leute, die mitmachen. Wo sind die Leute, mit denen ichall das zusammen geplant habe? Der eine sitzt dort drben inder Ecke und packt seine Sachen, die andere verabschiedet sichgerade. Sie hat Freund_innen getroffen und will jetzt mit denenetwas machen. Was genau? "Ach, wird sich schon zeigen"dieAntwort. Ich werde sie in der Nacht wieder treffen, irgendwo beieiner Blockade. Bei einer Blockade von vielen, die wir in dieser

    Nacht besucht haben. Blockadehopping. Wie Sylvesterfeiern inBerlin. Doch halt: wir waren bei der Bezugsgruppenfindung ste-

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    hen geblieben! Eine Nacht, bevor der Castor rollt. MeineBezugsgruppe berrascht mich in ihrer Besetzung. Zwei Leutevon fnf kenne ich kaum. Was solls. Bin traurig, htte dochauch so gerne M. in meiner Bezugsgruppe gehabt. Und ihn dortdrben auch. Bin ernchtert. Aber wir wollen ja die Aktionmachen. Die Leute, die jetzt in meiner Bezugsgruppe sind, wol-len auch die Aktion machen. Da haben wir unserVerbindungselement, dass schweit doch zusammen, oder?Aber Zweifel gibt es trotzdem noch. So richtig berzeugt sinddoch nicht alle. Aber irgendwas mssen wir ja machen. "Na gut,ich komme mit... dir zuliebe". Auch Frust, dass all die anderenabgesprungen sind, jetzt was anderes machen. Egal jetzt. Wirwerden ja irgendwann ein Nachbereitungstreffen machen, daknnen wir es dann besprechen, jetzt nicht. Gefrustet bin ichtrotzdem. Manch eineR bekommt es auch zu spren. Ach...htte doch alles so schn sein knnen. Dann ist es pltzlich klar.Unsere Aktion knnen wir nicht machen, der Aktionsort ist ver-brannt. Wie begossene Pudel stehen wir da. Wissen nichts mituns anzufangen. Irgendwie sinnentleert unsere Aktionsnacht.

    Was verbindet uns jetzt noch? Wir fahren von A nach B und wie-der zurck. berall treffen wir auf Leute, denen es hnlicherging. berall haben wir das Gefhl, zu spt zu kommen. Unsfehlt die Motivation noch richtig was zu "reien." Erschpfung.Resignation? Dann zu guter Letzt, ein stundenlanges Warten imWald. Warten darauf, dass er vorbei rollt und wir ihm vor dieRder springen knnen. Als es dann so weit ist, schlft dieHlfte und verpasst das "GO". Die andere Hlfte rennt wie wild

    darauf los. Alle in unterschiedliche Richtungen, alle sind alleine,niemand traut sich auf die Strasse. Die Bezugsgruppe imRcken fehlt. Die Bezugsgruppe, die mit los strmt. Zu fnfthtten wir es geschafft, aber alleine? Ich hebe mir diesenGedanken auf, fr das Nachtreffen. Jetzt falle ich erstmalernchtert und todmde auf meine Isomatte. Trume von einerBezugsgruppe, die wei was sie will. Die wei was sie will, auchwenn die eigentlich geplante Aktion nicht klappt. Die wei, dass

    sie etwas zusammen machen will. Nchstes Jahr?

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    SAMBA

    Von der Action Samba Band

    Berlin: Rhythms ofResistance oder kurz RoR.Sie ist Teil eines Netzwerkespolitischer Trommelgruppen,die Demonstrationen oderdirekte Aktionen unterstt- zen und veranstalten. Die

    Idee, Musik als Aktionsform zu nutzen, ist keine neue: In den

    1970er Jahren grndeten sich in Brasilien Afro BlockTrommelgruppen. Diese entwickelten sich aus den rmstenStadtteilen und wurden zu einer Bewegung des Widerstandesund einer Quelle des Selbstvertrauens, die von den aus demBoden sprieenden Sambaschulen, weltweit kommerzialisiertwurde. Diese Musik kombiniert mit TnzerInnen und demKonzept der "tactical frivolity" bildeten die Grundlage fr ein Aktionskonzept, das whrend des IWF/Weltbank-Gipfeltreffens 2000 in Prag zum ersten Mal groe Anwendungfand: Pink & Silver. Dadurch inspiriert haben sich seitdemBands in ganz Europa und darber hinaus entwickelt und ver-netzt. Der Straenkarneval ist zu einer weit verbreitetenAktionsform geworden.

    Wir sind eine grere Gruppe mit relativ unverbindlichen

    Engagement der einzelnen. Je nach dem, wer sich geradeeinbringen kann und Verantwortung bernimmt, verndertsich das Gesicht der Band. Die Sambaband ist also eine Artkreative Protestplattform, die vielfltig genutzt wird. Wichtigist fr uns, dass alle Bandmitglieder wichtige Entschei-dungen mittragen. So wenden wir dafr die Konsensform alsEntscheidungsfindung an. Wir treffen uns einmal in derWoche zur Probe und zum Plenum, so dass ein regelmiger

    Austausch und Spielpraxis mglich wird. Wir haben eine poli-tische Grundbasis, der wir mit unserem

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    eigenen Wirken selbst gerecht werden wollen.Antisexistisch, antirassistisch, antihierarchisch. DieAtmosphre in unserer Band ist jedoch ziemlich entspanntund angenehm, weil wir einen hheren Frauenanteil alsMnneranteil haben (um es mit Sozialisationsgruppen zubeschreiben). Wichtig fr die Durchfhrung von Aktionen istdie Bildung von kleinen Bezugsgruppen von etwa zwei bisvier Leuten, die whrend der Aktion besser aufeinander ach-ten knnen. Keine soll sich mit Bedrfnissen oder zumBeispiel ngsten allein fhlen. Bezugsgruppen sind sehrwichtig fr das Gefhl von Geborgenheit und gemeinsamerSorge. Bezugsgruppen finden sich bei uns unter folgendendrei Hauptkriterien: Freundschaft und Vertrautheitsgrad,Instrumentengruppen ( z.B. die Spieler_innen von kleinenund groen Instrumente gehen zusammen, damit die mitden kleinen Instrumenten, denen mit den groenInstrumenten beim Tragen helfen knnen, falls gerannt wer-den muss - da sind die mit den groen Instrumenten nm-lich stark eingeschrnkt in Bezug auf Geschwindigkeit und

    Mobilitt) und als drittes, fastwichtigestes Kriterium stehtdas Risikolevel, welches ein-zelne in Kauf zu nehmen bereitsind: Wie weit will ich gehen?Wo sind meine Grenzen?Wrde ich ich mich auch ver-haften lassen? sind die ent-

    scheidenden Fragen, damitsich Menschen mit hnlichenInteressen finden. Wichtig istuns, dass niemensch von uns,in keiner Minute allein ist,wenn es brenzlige Situationengibt. Denn: - Du bist nichtallein, sonst machen sie dich

    ein.

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    CLOWNS

    Das RebelClowning wurde erstmals anno 2003 anlsslich der

    Audienz von George W. Bush in UK ('Nach 500 Jahren wirdendlich wieder mal ein echter Narr zur Queen vorgelassen,der gleichzeitig der grte Kriegsheld unserer Tage ist...!')von einer Gruppe linker, nicht-autoritrer AktivistInnen ent-wickelt. Sie prgte das Konzept der Clandestine InsurgentRebel Clown Army kurz C.I.R.C.A. (www.clownarmy.org).Dieses Konzept verbindet die uralten Traditionen der Kunst,ein Clown zu sein ("Clowning"), mit den Prinzipien der nicht

    gewaltttigen Direkten Aktion und richtet sich vornehmlichgegen die kapitalistisch geprgten, ungerechten und tdli-chen Formen der so genannten Globalisierung, gegen Krieg,Atomkraft und Atom-Mchte, gegen Militarismus undMilitarisierung, gegen soziale, kologische, sexistischeAusbeutung oder Ausgrenzung und gegen alle Rassismen. Esreiht sich damit in die Vielfalt kreativen Strassenprotestesebenso ein wie in die Flle von emanzipatorischenAusdrucksformen des "Theaters der Unterdrckten" nachAugusto Boal.

    Auch wenn die bislang bestehenden ClownsEinheiten oderBatallione fr sich einen je eigenwilligen und speziellenAusdruck entwickelt haben, so bestehen doch fr alle die"Basics" - oder die Grundausbildung - nach dem Original-

    CIRCA-Rezept weiter fort - einerseits als Trainings-Einheiten,andererseits aber auch als Pool von Verabredungen frKlampfGenossinnen aus unterschiedlichen Gruppen oderSprachrumen. Im Falle einer intraplanetarischen oder auchintergalaktischen Begegnung von RebelClowns im Einsatzsollten dann die diversen Gre, Spiele, Marschformationenund (non-verbalen) Kommunikations-Codes gelufig undmiteinander zu performen sein!

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    Deshalb liegt ein Schwerpunkt vieler Einheiten imDurchfhren von Workshops und Trainings. Andere, meistschon sehr erfahrene und vertraute Gruppen konzentrierensich auf gut vorbereitete, selbst entwickelte und spektakul-re bis kunstvolle Aktionen. Und es gibt Gruppen mit regelm-igen Treffen, Plena und Trainings. Im Idealfall bilden jedochalle ClownArmyUnits fr sich Bezugsgruppen. Fr die"Gaggles", die kleinen EinsatzEinheiten von etwa 5 bis 8RebelClowns, ist diese Form der Struktur allerdings unerlss-lich - und sei es auch nur fr eine spontane Aktion von weni-gen Minuten!

    Wie schon betont, ist es von besonderer Wichtigkeit, dassalle Clowns, die an einer Aktion teilnehmen wollen, ein mg-lichst gutes BasisTraining absolviert haben. Das schliet auchdie Erfahrungen oder Kenntnisse ein, die fr AktivistInnenallgemein bei Aktionen notwendig sind. Natrlich haben dieRebelClowns ihre Sonderbedingungen - sie sollten z.B. nichtin "unaufflligen Klamotten"zum Einsatz erscheinen - oder

    z.B. kann ihnen die hbsche Maske aus Fettfarben beiTrnen- oder Reizgas-Einstzen zum Verhngnis werden, -aber auch die "water-based" Schminke lsst ihn im Falleeines Wasserwerfer-Einsatzes oder Regenschauers garschauerlich aussehen. Darum meiden auch viele Clowns allzuheie Kessel, sie treten den Rckzug an und fhlen sich ganzelend, wenn der Spa vorbei sein soll... Aber noch was: Dadie ClownArmyRebels selbstverstndlich nur die hchsten

    Dienstgrade und militrischen Rnge haben, machen extragebastelte Clowns-Ausweise (neben der Mitfhrung von Zivil-Pssen!) bei jeder Kontrolle besonders viel Gaudi...

    Prinzipiell sind die Vorbereitungen und konkretenVerabredungen fr ein Gaggle sehr bedeutsam: Handzeichennochmal durchgehen; immer wachsam bleiben und auf dieAnsagen oder Vorschlge, auf die Gesamtsituation und auf

    die anderen Clowns in der Bezugsgruppe achten; mglichstzusammen bleiben; vorher klren, wer sich wie viel zutraut,

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    falls nicht bekannt; beiEinzelaktionen oder gar zuverfhrerischen Ideen undSpielzeugen: dem Bodyoder den Bodies, also denvorher geklrten"Bodyguards" unbedingtBescheid geben undTreffpunkt oder Telefonatzu einer bestimmten Zeitvereinbaren; wenn esmehrere Gaggles gibt:geeignete Bezugsgruppen-

    Namen whlen, prfen (Laute und Weite des Rufes) und imChor ben; eventuelle Planungen einhalten - oder notfallsdurch Zeichen und Ansagen zusammenkommen und je nachLage der Situation gemeinsam neu entscheiden... DasAuswerten der Aktion - das Aufrechnen von Verlusten undZugewinnen eines hoffentlich erfolgreichen RebelClown-

    Einsatzes - bietet sich eher fr ein nchstes Wiedersehen derClowns an, die nmlich erst mal wieder in ihre zivilenIdentitten, Klamotten und geistigen Zustnde zurckfindenmssen: Das RebelClowning ist eine hchst emotionale undenergie-geladene Angelegenheit! Bei Stress hat sich nachbisherigen Erfahrungen bewhrt: Hilfe ringsum holen,Sprechchre starten, mglichst Film- oder Fotoaufnahmenmachen (lassen), Herausgabe oder Freilassung des Clowns

    fordern, unter schlimmsten Umstnden EA benachrichtigen,auf die Freilassung warten - abholen, abschminken, umzie-hen, runterholen, zurckholen... Klar: Einzelfestnahmen vonClowns sollten unbedingt vermieden werden!!!

    Und daran knpft auch die Erwhnung der Schwierigkeitenvon RebelClownArmyUnits als Bezugsgruppen an: Clownsmachen, was ihnen gerade in den Sinn oder in die Sinne

    kommt - eine Idee oder ein Spiel ist fr sie sofort umzuset-zen - ein lustiger Appetit wird zum unstillbaren Hunger nach

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    Erlebnis - ihre Herzen wollen alles und schenken pausenlosLiebe... Das bedeutet: Es passiert bei Einstzen hufiger,dass sie sich verspielen, an Inspirativem hngenbleiben, imtanzenden Taumel verlustig gehen oder sich im leidenschaft-

    lichen Getmmel selbst vergessen. Sie sind aber dadurchglcklicherweise weder berechenbar, noch diktierbar, nochknnen sie zur strategischen oder ideologischenManvriermasse werden.

    Trotzdem: Im Unterschied zu lnger bestehenden, stabilen,verbindlichen und "eingespielten"Einheiten ist die Gefahr derHierarchiebildung, aber auch die der Stagnation innerhalb

    offener und fluktuierender Gruppen relativ gro: durchunterschiedliche Levels von Trainiertheit, Erfahrenheit undKlampferprobung im Einsatz; durch Vor-Bildung im (Schau-)Spiel und Clowning; durch unterschiedliches Engagiert- undInvolviertsein in der politische Szene oder durch verschiede-ne Zugnge zu (Insider-) Informationen; auerdem schlicht-weg durch die ungleiche Verteilung der Ressourcen Zeit,Energie, Kreativitt, Begeisterungsfhigkeit; durch den niegleichen Anteil an Luxusgtern wie Empathie,Hypersensibilitt, Vertrauen und Offenheit; dann noch durchdie ungleichen Grade an Organisiertheit, Disziplin undVerantwortungsbewusstsein, aber auch an Operbereitschaft,Muuuhhht, Tupferkeit und anderer solidatischerUntugenden...

    Vor allem ist das ganze Unternehmen jedoch abhngig vonabgrundtiefem HUMOR, gnadenloser ALBERNHEIT und abso-lut unverstndlicher VERWIRRUNGSTAKTIK!

    FR FRIEDEN, FREIHEIT und CLOWNESKEN WIDERSTAND!

    RUN AWAY FROM THE CIRCUS -JOIN THE REBEL CLOWN ARMY!

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    MGLICHKEITEN EINER(SCHNELLEN)ENTSCHEIDUNGSFINDUNG

    oder ACH DU SCHEIE,DA IST EINE LCKE IN DER BULLENKETTE!

    Vielleicht warst Du/ ward Ihr schon mal auf einer Demo oderAktion, Ihr wolltet den Castor aufhalten, einen Naziaufmarschverhindern oder ein Lobbyistentreffen stren? Ihr habt euchwas Nettes berlegt, da mensch ja eh vor der Bullenkette her-

    umsteht und dann wenigsten nette Bilder rberkommen sol-len. Und nun das Unmgliche: die Cops stehen in 15 MeterAbstand gelangweilt vor der Castor-Schiene herum, dieSecurity ist mit einer andere Gruppe am Seiteneingangbeschftigt, und der Weg zum Lobbyist_innenpodium ist frei!Tja, was tun? Eine schnelle Entscheidung muss her! Wir woll-ten doch mehr als Bilder und eine direkte Aktion ist vielleichtdoch sinnvoller. Schn ist es dann, mit Leuten unterwegs zu

    sein, die sich gut kennen; ein hnliches Level haben oderspontan den gleichen Gedanken haben - letzteres passiert sel-ten, wenn Ihr zum ersten mal zusammen unterwegs seid.Hier soll es um den Weg zu Entscheidungen innerhalb derGruppe gehen, ohne Zeitdruck.

    entscheidungsfindung im konsens

    Eigentlich wollten wir ber Techniken der schnellenEntscheidungsfindung was schreiben, aber beim lnger dar-ber nachdenken, trat dieser Punkt immer mehr in denHintergrund. Viel wichtiger ist ein prozesshaftes Vorgehen unddeswegen soll es hier auch darum gehen.Erstmal vorweg: wir meinen, dass es wichtig ist, innerhalbeiner Bezugsgruppe im Konsens zu entscheiden, sonst kannmensch ja auch einer Partei, einer Politsekte oder einemVerein beitreten. Zum Konsens noch ein paar Ergnzungen, da

    jetzt alle an ewig lange Diskussionen denken, bis alle "ja"

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    sagen und das letzte Komma auf dem Flugblatt eine halbstn-dige Diskussion erfordert hat und die Farbe vom Stoff fr dasTransparent zum Politikum wird... So muss es nicht sein! Oftstehen andere Grnde hinter diesem Vorgehen, im schlimm-

    sten Fall persnliche Zerwrfnisse, die dann ber die Schriftartauf dem Plakat ausgetragen werden. Konsens heit fr uns,dass entweder mensch innerhalb der Bezugsgruppe einerMeinung ist (der Idealfall) oder ein Groteil es will und diekleinere Gruppe sagt das es so okay ist, es aber nicht dieIdeallsung ist (die mensch leider nicht gefunden hat, sichaber auch darum bemht hat). Wichtig ist, dass keine/r einVeto ausgesprochen hat! Dabei gehen wir davon aus, dass das

    Veto wirklich der letzte Weg ist eine lngere Diskussion zubeenden, weil mensch da keine Kompromisse eingehen kann.Aber es sind alle aufgefordert sensibel zu sein, da sich auchnicht alle trauen ein Veto auszusprechen. Ihr solltet beobach-ten, was passiert, wenn stndig Veto eingelegt wird. In welchenSituationen Veto eingelegt wird und ob der Punkt nicht erstmalwieder auf der Ebene darunter diskutiert werden sollte.

    entscheidungen sind prozesse

    Insgesamt ist es uns wichtig, den Weg zu Entscheidungen alseinen Prozess zu betrachten. Es gibt zwar Techniken, die invielen Gruppen funktionieren, aber das heit ja nicht, dass Ihrdarauf Lust habt. Es heit nicht umsonst, "Bewegung kommtvon bewegen", nicht nur krperlich, sondern auch im Kopf.

    Viel Spa beim Experimentieren, Diskutieren, Lachen,Kmpfen, Reden....

    Um konstruktiv zu einer Entscheidung zu kommen, ist es gut,sich erst einmal klar zu machen, was die Fragestellung ist. Umwas soll es bei der Diskussion gehen und was muss entschie-den werden? Lieber nochmal einen Schritt zurck und prinzi-piell reden, als sich dann im Detail zu zerreden, wobei das

    Ergebnis oft ist, dass alle genervt sind. Bei "Beschlssen" auchmal nachfragen, ob alle wirklich das gleiche meinen. Zu

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    Themen, die alle betreffen, kann en "Blitzlicht" gut funktionie-ren. Dort bekommen alle den Raum, etwas zu sagen und kn-nen hren, wie jede_r zu dem Thema steht. Falls das gutzusammen gefasst wird, kann daraus eine konkrete Frage zum

    weiter diskutieren entwickelt werden.

    Es ist auch hilfreich, wenn Menschen in der Runde sagen, dassdas Thema von ihnen als nicht so wichtig erachtet wird unddas dann auch okay ist, dass nur die es besprechen, denen eswichtig ist.

    sich nicht gegenseitig berrennen

    Nun zu der "Lcke in der Bullenkette" bzw. zu Entscheidungen,die mensch schnell fllen muss. So richtig knnen wir da auchkeine Techniken vorstellen, es geht in solchen Situationen vielum Vertrauen, ein Gefhl freinander oder ein spontanes "dasversuchen wir jetzt einfach". Gerade in solchen Momenten istes wichtig keine_n in der Gruppe zu "berrennen" oder mit zu

    zerren gegen ihren/seinen Willen und sensibel zu sein fr einleises "das will ich nicht". An solchen Punkten ist es wichtig,keine_n alleine stehen zu lassen. Schlielich wollen wir zusam-men weiter kommen, das heit dann eben auch, dass keine_rallein gelassen wird! Wennsich spontan zweiGruppen bilden, eineGruppe mit "da durch

    wollen" und eine mit "lie-ber was anderes machen", warum sich nicht tren-nen? Das ist keinStatement zum "menschkann sich ja beliebig tei-len, und nachher sinddann alle in Zweier-

    Gruppen unterwegs".Aber auch das kanndurchaus eine Option sein.

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    VORBEREITENUND NACHBEREITUNG VON AKTIONEN

    Der Schritt der Vorbereitung.

    Erstmal inhaltlich. Bevor mensch mit ihrer/seinerBezugsgruppe konkrete Planungen fr eine Aktion startet, istes gut, sich darber zu unterhalten, was das ganze politischsoll, was wir damit sagen/zeigen/vermitteln wollen. Das kn-nen Fragen sein, wie "ist es sinnvoll den Verkehr um dasNazitreffen zu stren oder den Nazitreffpunkt zu besetzen?"oder "machen wir eine Sitzblockade auf der Castorstreckeoder wollen wir vorher politischen Druck aufbauen, damit derCastor gar nicht erst rollt?" Es geht darum, die Aktion in einenpolitischen Kontext zu stellen und auerdem klar zu kriegen,was wir erreichen wollen.

    Wenn es dann eine Idee gibt, gibt es auch noch viel zu bere-

    den: wer besorgt den Transpistoff, wann wollen wir malen,was gab es schon mal fr hnliche Aktionen und was wollenwir besser machen? Mensch sollte auch berlegen, ob Teile derPerformance gebt werden mssen. Es ist auch gut, sich einenBezugsgruppennamen zu berlegen, da es in unbersichtli-chen Situationen praktisch ist, um wieder zusammen zu kom-men.

    Ein Teil der berlegungen, der gerne vergessen wird: Wie weitwill mensch gehen und wann wird abgebrochen? Klar kann dieGruppe nicht alle Eventualitten durchgehen, aber ein paarSzenarien. Was das sein kann, ist natrlich davon abhngig,was ihr wo vorhabt, das kann alles, von der besagten Lcke inder Polizeikette ber die Polizei prgelt in die Demo rein, Nazislaufen in der Demo mit sein, oder oder oder.

    Es ist auch gut, sich schon vorher zu verabreden wo menschsich dann als Gruppe im Notfall trifft, falls Ihr nicht mehr

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    zusammen unterwegs sein knnt.

    Nachbereitung 1:Direkt nach der Aktion, zurck im Camp, im Caf oder wo

    auch sonst - in einer ruhigen Ecke. Mal treffen, um einResmee zu ziehen, ein wenig zu reden, was so war und wiees einer/m gerade geht, um einfach runter zu kommen.

    Nachbereitung 2:Wenn Ihr euch regelmig trefft, knnt Ihr ja beim nchstenTreffen die Aktion bereden. Wenn es eine einmalige Gruppeist, ist es gut, sich noch einmal mit etwas Abstand zu treffen,

    um das Gelaufene zu reflektieren. Mit etwas Ruhe undAbstand ist es sinnvoll, die Aktion nochmal aufzuarbeiten: Waswar prima, womit ging es mir nicht so gut, was waren einfachcoole Erlebnisse, ist es so gelaufen wie mensch sich dasgewnscht hat? Was kann mensch das nchste Mal auch ein-fach anders/besser/effektiver (pfui, was fr ein Wort)machen? Oder will mensch auch das nchste mal was ganzanderes machen.

    Da sollte es nichtnur um Techni-ken gehen, son-dern auch um dieZusammenarbeitin der Gruppe:

    Aufeinander ach-ten oder was sollbesser abgespro-chen werden.Wenn wir esschaffen uns zureflektieren undehrlich miteinan-

    der umzugehen, kommen wir unserem Ideal von einem bes-serem Umgang miteinander nher.

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    RECHTSTIPPS

    Was muss mit- Personalausweis, Auto-

    papiere- unauffllige, bequeme Kla-motten und feste Schuhe

    - Ersatzklamotten, (Plastik-tte, falls eure Klamottenz.B. mit Pfefferspray vollsind) Regenzeug, Sonnen-brille, Cap, Halstuch

    - Schreibzeug, Stadtplan, Landkarte (Kompass)- Regelmig bentigte Medikamente, Binden, Tampons,Verbandszeug, Augensplflasche

    - Infotelefonnummer, Telefonkarte und Groschen, evt. Handy(Akku raus!)

    - Trinken und Essen, Schoki- Telefonnummer vom Ermittlungsausschuss (EA)Was bleibt zu Hause- Kalender, persnliche Aufzeichnungen, Adressbcher, Schlssel

    (Haustrschlssel am besten bei Freund_innen deponieren), Handy- Drogen, Alk- Schmuck, Fettcreme, Schminke, KontaktlinsenIn StresssituationenRuhe bewahren! Ketten bilden! An Absprachen halten.Auf die Menschen aus deiner Bezugsgruppe und auf andere achten.Beruhigend auf Leute einwirken, die in Panik sind.Wenn Rckzug, dann ruhig und entschlossen! Wildes

    Durcheinander Laufen und aufgelste Ketten erleichtern BullenPrgelorgien und Festnahmen.PersonenkontrolleSie drfen Dich anhalten, nach deinen Personalien fragen und dei-nen Ausweis verlangen. Frag nach dem Grund. BeiBeschlagnahmung von Gegenstnden lass Dir ein Verzeichnisgeben. Unterschreibe niX. Lass Dich nicht auf einen Plausch ein!Alles was Du erzhlst, wird spter gegen Dich oder andere verwen-

    det, nur deswegen reden sie mit dir.FestnahmeSorge dafr, dass Menschen deinen Vor- und Nachnamen und die

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    Stadt erfahren, aus der Du kommst, damit sie dem EA Bescheidsagen knnen.Lass Dich nicht auf Gesprche mit den Bullen ein, auch wenn sienoch so nett erscheinen und Du vllig fertig bist.

    Wenn Du in der Wanne/ im Gefangenentransporter sitzt, sag nixber die Aktion oder deine Zusammenhnge - es knnte ein Spitzeldabei sein oder eine_r knnte spter darber plappern.Auf der Wache / Gefangenensammelstelle (Gesa)NiX sagen!! Auer: Name, Geburtsdatum, Meldeadresse,Staatsangehrigkeit und allgemeine Berufsbezeichnung(Schler_in, Angestellte_r, Auszubildende_r)Falls sie Dich erkennungsdienstlich (ED) behandeln wollen,Widerspruch einlegen.Du hast das Recht zwei Telefongesprche zu fhren, ruf den EA anund teile nur deinen Namen und deine Stadt mit und sag, was sieDir vorwerfen - weiter niX!!Falls Du verletzt bist, hast Du das Recht von einer rztin odereinem Arzt behandelt zu werden. Lass Dir deine Verletzung atte-stieren.Auf der Wache niX unterschreiben. Protokolle geben lassen, aberniX unterschreiben! Es ist Dein Recht, nichts zu unterschreiben,

    auch wenn sie versuchen Dich unter Druck zu setzen und Dir z.B.deinen Hausschlssel nicht wieder geben wollen.Nach 48 Stunden sollten sie Dich raus lassen oder dem/ derHaftrichter_in vorfhren. Hier brauchst Du auch sptestens eine_nAnwlt_in.Wieder drauenSag dem EA Bescheid, dass Du drauen bist. Schreibe einGedchtnisprotokoll (Glossar), schreibe aber niX auf, was Dich oder

    andere belasten knnte!Dann kannst Du tief durch atmen, einen Kaffee trinken und Dichvon deiner Bezugsgruppe verwhnen lassen.Weitere Infos* "Wege durch die Wste" - eine Neubearbeitung soll im Frhjahr2007 erscheinen - ist ein Buch, dass sich ausfhrlich mit Repressionund Ermittlungsverfahren usw. befasst - sehr empfehlenswert* Was tun wenns brennt - DemoRatgeber der Roten Hilfe (als

    pdf bei www.dissentnetzwerk.org)* Ermittlungsausschsse und Rechtshilfe (Rote Hilfe /SchwarzBunte Hilfe) in vielen Stdten.

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    BEZUGSGRUPPENIN GROEN GRUPPEN

    BEISPIEL DEMO

    Deine/ Eure Bezugsgruppehat sich vorgenommen zurnchsten Demo zu gehen.

    Vor der DemoNatrlich seid Ihr gut vorbe-reitet. Ihr seid alle ausge-

    schlafen und habt auch noch mal besprochen, wie es euch so gehtund was Ihr heute auf der Demo machen wollt; das kann von mit-laufen bis durchbrechen alles sein.... Einige von euch waren auf demVorbereitungstreffen der Demo (falls es Euch schon lnger gibt) undhaben die anderen informiert. Ihr habt euch zwar nicht in dieOrganisation der Demo eingebracht, aber ein oder zwei von euchsind fr eure Bezugsgruppe zu dem Vorbereitungstreffen gegangen,um zu gucken wie sich eure Bezugsgruppe noch einbringen kann. Ihrhabt vorher diskutiert, ob eure Gruppe eine bestimmte Aufgabebernimmt, wie den Lautischutz (Glossar: Lauti) oder ob Ihr in denersten Reihen mitlaufen wollt. Ihr habt euch nicht so richtig gemein-sam entschlieen knnen und deswegen nichts zugesagt. Nach demTreffen habt ihr euch noch mal getroffen und euch entschlossen einTranspi zu malen. Ihr habt euch vor der Demo verabredet und seidgemeinsam zum Treffpunkt gegangen. Eure Verabredungen trefft ihrmglichst persnlich. Am Telefon und besonders am Handy gernemitgehrt wird und ihr findet es nicht ntig, dass die Bullen gleichwissen, dass ihr als Gruppe unterwegs seid.

    Whrend der DemoSo, nun seid Ihr angekommen, habt Freund_innen getroffen und einwenig den Redebeitrgen gelauscht. Die Demo soll jetzt langsam los-gehen - leider meist spter als vorgesehen. In eurer Bezugsgruppehabt Ihr euch schon mal die Gegend angeguckt und berlegt, wo Ihrin der Demo gerne mitlaufen wollt. Je nach Demo und eurerStimmung lauft Ihr locker in der Demo mit, guckt, welche Leute noch

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    so in eurer Nhe sind. Vielleicht kennt Ihr ja auch eine andereBezugsgruppen, mit denen ihr zusammen eine Reihe bildet. Ihr hal-tet euer Transpi hoch oder an der Seite. Ihr habt euch auch berlegt,was Ihr tut, falls es zu Rangeleien kommt, so dass Ihr evt. euer

    Transpi neben der tollen Botschaft, die Ihr damit vermittelt, entwe-der als Schutz einsetzen knnt oder es schnell zusammenrollen undIhr Ketten bilden knnt.

    Achten auf andereAuch ist es gut, wenn eure Bezugsgruppe etwas auf Menschen ach-tet, die allein unterwegs sind: besonders, wenn es dann doch etwasungemtlicher auf der Demo wird. Ihr knnt auch berlegen, ob Ihr

    den Menschen, die wieder mal mit Bierflaschen auf der Demo rumlaufen sagt, dass Ihr das gar nicht cool findet und dass sie damit sichselbst und andere gefhrden. Das Gleiche, wenn einige wieder malsexistische Sprche klopfen oder mackeriges Verhalten an den Taglegen, eure Bezugsgruppe kann hier eingreifen. berlegt euch vor-her am besten wie.Ihr wisst als Bezugsgruppe ungefhr, wie weit Ihr gehen wollt und,wenn ntig und mglich, sprecht Ihr es kurz ab - auch den Zeitpunkt,

    wann Ihr gehen wollt oder mit nach vorne strmt. Wenn es unge-mtlich wird, die Bullen Leute rausgreifen wollen oder euch nichtdurchlassen wollen, bildet Ketten und fordert andere auch dazu auf.Das gibt euch Sicherheit und die Demo ist geschlossener.Guckt euch um, dass keine Leute berrannt werden und falls dieBullen versuchen, Eine_n festzunehmen, berlegt, ob Ihr da hingeht,rumsteht oder eingreift. Eine entschlossene Gruppe kann eine ganzeMenge erreichen, auch wenn es keine Garantie dafr gibt. Genauso

    wenig gibt es eine Garantie dafr, keine Prgel von den Bullen ab zubekommen oder nicht festgenommen zu werden, ganz egal wo Ihreuch aufhaltet.

    Ruhe bewahrenAber: Panik ist hufig weit verbreitet, da kann es helfen, wenn eineBezugsgruppe ruhig und berlegt handelt, wenn sie Ruhe verbreitet,nicht auch in Panik gert und hektisch wegrennt - auch wenn weg-

    rennen manchmal ntig ist... Das knnt Ihr ausprobieren, Ihr habtden Vorteil, dass Ihr mit Menschen unterwegs seid, die Ihr kennt und

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    WER STEHT DA EIGENTLICH NEBEN MIR...?Verdeckte Ermittler_in, Kripo in Zivil, V-Leute... sie tragen nichtimmer den langen Trenchcoat oder eine Sonnenbrille. Von bieder bissportlich, von Autonom bis Punk ist ihr Repertoire unserem Outfit

    angepasst. D.h. bevor ich mich mit Freund_innen oder meinerGruppe bespreche, schaue ich mich mal um, wer da noch so rumstehtund groe Ohren bekommt. Aber vergesst dabei nicht, dass auchMenschen dabei sind, die neu sind, weniger Informationen habenoder sich unsicher sind. Nicht alle, die unmotiviert in der Gegend rumstehen, gehren zum Staatsschutz!

    NACH AKTIONEN...haben die meisten Menschen das Bedrfnis ber ihre Erlebnisse zusprechen, entweder weil sie einen besonders fiesen Polizeieinsatzerlebt haben (siehe auch Traumatisierung) oder weil die Aktion sowunderbar und pfiffig gelaufen ist. Wenn Aktionen gelaufen sind,geht es niemanden mehr etwas an, wer geplant hat oder dabei war.D.h. nicht, dass ihr nicht drber reden sollt, sondern, dass ihr genaudarauf achtet, mit wem ihr wo ber was redet, bspw. nicht am Telefon

    (Glossar: Handy).

    mit denen Ihr vorher was abgesprochen habt. Es gibt kein Rezept!

    Fazit:Es gbe hier noch viel zu sagen. Einige Anmerkungen, die wir erhiel-

    ten, bezogen sich darauf, dass auf Aktionen auch immer Spitzelunterwegs sind. Dass ist sicherlich so und soll auch nicht hinten run-terfallen, aber es soll euch auch nicht total hemmen, was zu machen.Bezugsgruppen sollten zusammenwachsen und wenn ihr euch bes-ser kennt, was ber den Alltag der anderen mitbekommt undVertrauen zueinander habt, solltet ihr euch immer noch malGedanken machen, mit wem ihr welche Aktion macht. Wenn ihr euchausfhrlich mit dem Thema beschftigen wollt: Mohr/Viehmann:

    Spitzel, 2004, Assoziation A oder guckt mal im Infoladen (Glossar).

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    LEISTUNGSDRUCK:

    DER WEG IST DAS ZIEL

    +++ Hier liegt begraben:Politgruppe XY. Am eigenen Anspruch zerbrochen. +++

    Was bedeutet(en) mir meine Politgruppe(n)? Ein Freundeskreisund Kuschelkasten? Die Rote Zelle auf revolutionrem Weg?Soviel Mitglieder eine Gruppe zhlt, soviel Motivationen,Trume, Wnsche und Ansprche zhlt sie potentiell. Wie solldieser berindividualisierte Haufen wohl einen gemeinsamen

    Nenner finden? Klar, da ist am Anfang wahrscheinlich eine grobepolitische (Sto)Richtung, vielleicht auch ein Konsens ber dieAktionsform. Eben der gemeinsame Wille, etwas zu tun. An die-sem Etwas nicht zu scheitern, ist aber bereits die erste Hrde.Eine gemeinsame Aktion, ein fein ausgetftelter Plan scheint alsBindeglied fungieren zu knnen. Das Realisieren eines tollenPlanes, einer fixen Idee schweit zusammen, die Vorstellungeiner erfolgreichen Aktion gleich noch mal mehr. Aber bleibt da,selbst wenn die Aktion dann tatschlich erfolgreich war, nichtauch Leere? Ein sich Verlassen fhlen? Ohnmacht? "Was knnenwir schon erreichen?" - scheint immer wieder die drngendeFrage!

    Und was wurde aus all den "erfolglosen"Aktionen? Die, die denCastor nicht zum Stoppen brachten, die Zufahrtsstrae zumGipfeltreffen nicht stundenlang blockierten, smtlicheAbschiebeknastmauern nicht zum Einstrzen brachten? All die

    lange vorbereiteten und gut geplanten Aktionen, die sich dannsamt Material irgendwo im Wald verliefen? Verlief sich mit ihnenauch die Gruppe? Zerstreuten sich die Aktivist_innen in alleWinde? Suchten sie einzeln Zuflucht unterm Deckmantel neuerGruppen? Waren sie erfolglos? War die Aktion, ber die nichtsin der Zeitung stand, erfolglos?

    Jung, schn und erfolgreich?

    Wir sollten unseren Erfolg und unsere Strke nicht nur angelungenen Aktionen messen. Was bedeutet denn zum Beispiel

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    eine Aktion, die von einer einzelnen Person vorbereitet wurde,die dann die anderen Mitspieler_innen kommandiert? Vielleichtist sie effektiver, vielleicht sind ihre Erfolgsaussichten grer,aber was genau ist fr uns "Erfolg"in diesem Kontext?

    Wir wollen etwas erreichen, wollen, dass sich unsereBemhungen nicht im Leeren verlaufen. Doch woran messenwir das? An der gesprengten Knastmauer? Am gestopptenCastor? Was ist das Ziel? Die Vernderung der Gesellschaft, desSystems? Bewusstseinswandel berhaupt? Mgliche Antwortenauf diese gigantische Frage gibt es wie Sand am Meer. DieAntworten rieseln uns durch die Hand, wie trockener Sand. Sorichtig greifbar sind sie nicht. Aber sie geben Hinweise darauf,in welche Richtung wir gehen wollen. Der Weg ist das Ziel. Dochwas ist der Weg? Wo fhrt er lang, wo fhrt er uns hin?

    Zusammen Druck machen

    Der Aushandlungsprozess des gemeinschaftlichen Lebens, inBercksichtigung all unserer Anti's, scheint ein solcher Weg zusein. Wir sind zum Beispiel antisexistisch oder antikapitalistisch

    und haben ziemlich viele verschiedene Vorstellungen davon,was das konkret heit. Wie stellen wir uns ein "gutes, freiesLeben" vor? Mhsam und steinig sind die Auseinandersetzungenund Plena darum, oft gibt es stundenlange Diskussionen, oftscheinen sie zu allem berfluss auch noch ergebnislos zu blei-ben. Es kann eine_n verrckt machen: Wir wollen doch waserreichen, wollen handlungsfhig sein!

    Gegenseitige Vorwrfe entstehen, die Blockierer_innen sindleicht auszumachen: "Warum blockierst Du uns mit deinenBedenken und ngsten? Warum weit Du nicht Bescheid, wasdie G8 fr Dreck am Stecken haben? Warum bist Du nicht zumPlenum gekommen? Warum bist du nicht zur Demo mitgekom-men? Was, du hast die Flyer nicht kopiert? Warum trittst Du denBullen nicht gegen's Schienbein? Warum? Warum? Warum?"Soviel gibt es zu tun, soviel zu machen. Das Leben ist eine rie-

    sige Baustelle, berall brennt es, berall sind wir gefragt. Werwundert sich da noch ber Leistungsdruck, selbst in der kusche-ligen Bezugsgruppe, in der politischen WG? Wie viele von uns

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    sind an ihm schon zerbrochen? Haben sich einsam und unver-standen gefhlt und trumten heimlich von einerEinraumwohnung, in der sie sich verkriechen knnen? Wo sinddie Zeiten, in denen wir mal einfach nur in den Tag hinein leben

    knnen? Nicht immer noch fnf offene Punkte auf der 'To DoListe' zu haben, wenn wir des Nachts ins Bett gehen. Stress undberlastung ruft eine wage Sehnsucht wach. Eine Sehnsucht,nach einem Leben ohne Leistungsdruck. Leistungsdruck, denwir uns auch selber auferlegen. Jede_r von uns.

    Groer Sprung? Kleine Schritte?

    Wir wollen etwas erreichen, auf die Reihe bekommen. Der Blickauf die kleinen Schritte, auf die schwer fassbaren Erfolge istdabei enorm eingeschrnkt. Auch sie rieseln uns durch dieHnde, scheinen so selbstverstndlich und sind doch so bewun-dernswert gro. Wir knnen nur aus diesem Leistungsdruckausbrechen, wenn wir ihn wahrnehmen, ihn thematisieren undum Hilfe bitten knnen. Dazu gehrt auch ein Blick fr dieAnderen. Ein Sensibel-sein und Zuhren-knnen. Stress-machen ist in diesem Zusammenhang tdlich. Tdlich im wahr-

    sten Sinne des Wortes. Tod der Politgruppe XY, weil einzelne vonuns nicht Schritt halten knnen und wollen mit dem Tempo desErfolgswahns. Ende eines Weges, der zum Ziel fhren soll. Wiedas Ziel konkret aussehen soll, werden wir noch nchtelang dis-kutieren. Auch das ist der Weg. Aber ein Ziel, welchem wirunsere Bedrfnisse und Trume unterordnen mssen, eineKollektivitt, in der Leistungsdruck herrscht - das ist garantiertnicht das, wofr wir

    kmpfen. Wenn wir dieEntscheidung gefllthaben, gemeinsam zukmpfen, zu leben, lieben,arbeiten, dann werden wirauch mit berzogenenAnsprchen, Erwartungs-haltungen und Leistungs-

    druck fertig. Nur wir ms-sen etwas gemeinsam wol-len!

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  • 8/9/2019 ZUSAMMEN MEHR ERREICHEN - Kleiner Ratgeber fr Bezugsgruppen (1/2)

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    Der nchste Teil zum Thema BURN OUT soll nicht zu schwergewichtet werden. Wir fanden es aber wichtig dieses Thema

    zu benennen und darauf aufmerksam zu machen,da es doch hin und wieder mal vorkommt.

    BURN OUT STATT BURN DOWN?

    AUSGEBRANNT SEINUND POLITISCHE ARBEIT IN GRUPPEN

    Die meisten kennen das. Immer wieder kommt es in den ver-schiedensten Gruppen dazu, dass sich einzelne Personen vlligaufreiben - bis hin zumRckzug aus der Gruppeund zur Selbstaufgabe.Oft merkt es diese Persongar nicht (selbst/ sofort).Sptestens dann, ist esfr das Umfeld sehr wich-

    tig, einzugreifen. Grnde,um in diese Situation zukommen, gibt es viele, siefinden sich auf verschie-denen Ebenen.

    Das "Ausgebrannt sein" oder englisch "Burnout-Syndrom" (engl. /to burn out/ -- ausbrennen) bezeichnet einen besonderen Fall

    chronischer Erschpfung. Durch stndige Frustration, dasNichterreichen eines Zieles und zu hohe persnliche Erwartungenan die eigenen Leistungen, kann es zu dieser berlastung kom-men. Dabei sind die Symptome vielfltig und knnen individuellunterschiedlich sein auftreten und ein unterschiedliches Ausmahaben. Die Symptome knnen Depressionen, aber auchBeschwerden wie Schlafstrungen, Kopfschmerzen,Magenkrmpfe oder andere krperliche Beschwerden sein.

    Typische Symptome sind auch Schuldgefhle, bspw. sich nichtgengend einzubringen. Der oder die "Ausgebrannte" erlebt dieUmwelt im Allgemeinen als nicht mehr kontrollierbar (was auch

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  • 8/9/2019 ZUSAMMEN MEHR ERREICHEN - Kleiner Ratgeber fr Bezugsgruppen (1/2)

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    nicht falsch ist, schlielich sind wir in den jetzigen Verhltnissentatschlich in hohem Mae fremdbestimmt) und zieht sich oft vl-lig in sich zurck. Hilfe von auen (durch Freund_innen), wirdkaum noch oder gar nicht mehr angenommen. Es gibt verschie-

    dene Ebenen, auf denen die Ursache und der Anlass fr einAusgebrannt-sein basiert. Daher kann auch neben Hilfe vonFreund_innen fachliche Hilfe von Nten sein.

    Die Ursachen sollen kurz angedeutet werden:

    Die Gruppendynamik

    Ein Aspekt ist die gruppendynamische Ebene. Diese entstehtunter anderem durch (zufllige Reihenfolge):

    a) (Wissens-) Hierarchien und fehlende Transparenz;b) Heterogenitt, unterschiedliche Hintergrnde, warum wer ineiner Gruppe ist - unterschiedliche Ambitionen, in einer Gruppemitzumachen - die Suche nach sozialem Kontakt kollidiert mitun-ter z.B. mit dem politischen Anspruch;c) offene Gruppen, die deswegen oft als zu unverbindlich aufge-

    fasst werden;d) Subgruppen, Klngel und Mobbing;e) Politgruppe/aktive Menschen - die nicht losgelst vom Alltag zusehen ist;f) Gruppenstrukturen/ Dominanzen ("Arschloch", Held_in,Sympathietrger_in);g) unterschiedliche Energiereserven und Kapazitten werden zuwenig wahrgenommen/respektiert;

    h) Perfektionszwang.

    Die individuelle Ebene

    Eine weitere Ebene ist die individuelle Ebene und die eigene "per-snliche" Struktur: wodurch es dazu kommt, dass bestimmteMenschen besonders gefhrdet sind, sich vllig zu verausgaben.Dazu gehrt:

    a) ein hoher eigener Anspruch / hohe Erwartungen an andere; b)mglicherweise stellt die Politgruppe auch die leider erfolglose

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    Flucht aus dem beschissenen Alltag dar;c) enttuschte Suche nach sozialem Netz;d) enttuschte Suche nach einem Sinn (im Leben);e) Idealismus und Realitt sind mitunter nicht vereinbar;

    f) eigens auferlegter Zwang, Pflichtbewusstsein;g) enttuschte Suche nach Besttigung;h) Helfer_innenkomplex - eigene Traumata verdrngen.

    Die gesellschaftliche Ebene

    Nicht zu vergessen: Wir leben in einer Gesellschaft, die einzig aufindividueller Leistung basiert, in der die oder der Einzelne nichtskriegt und nichts zhlt, wenn sie/er nichts leistet. Dieser Zwang,die unerbittliche Konkurrenz, der mensch sich individuell immerwieder aufs neue stellen muss, macht eine_n eben auch "ver-rckt" und "krank". Daher knnen die gesellschaftlichenVerhltnisse auch nicht ausgeklammert werden.

    Wie geht es besser?

    Zu diesen Ebenen kommen noch die "Probleme", die das Arbeiten

    in Gruppen an sich oft erschweren. Meistens loben wir uns selbergegenseitig zu wenig oder eben nur bestimmte Leute bzw. nurbestimmte Arbeiten. Die informelle Arbeit wird oft unterbewertet,es gibt festgefahrene Rollenverteilungen in der Gruppe, dochkeine klaren Zustndigkeiten. Das Private wird nicht im richtigenMa zugelassen und persnliche Grenzen werden nicht wahrge-nommen. Und auch die Repressionen von verschiedenen Seiten -vor allem staatlicherseits - sind eine Belastung fr jede_n einzel-

    ne_n, wobei es wichtig ist, diese in der Gruppe zu bearbeiten.

    Lsungsanstze knnten sein, die interne Strukturen zu klren,die momentanen Ziele zu klren; Sensibilitt anderen und unsselbst gegenber zu entwickeln und vor allem herrschaftsfreieStrukturen zu etablieren. Es ist auch immer wieder sinnvoll, nachzu vollziehen, was denn gerade in einer Gruppe nicht so toll luft,vor allem diese Punkte zu bedenken (und noch viel mehr), wenn

    sich die Gruppe mal wieder stresst und kein Mensch wei odersagt, woran es liegt.

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    Dieser Text ist von der Trauma Support Gruppe geschrieben worden.

    OUT OF ACTION - EMOTIONAL SUPPORT

    Wer wir sind.Wir verstehen unsere Gruppe als einen Teil derAntirepressionsstruktur und des internationalen Activist TraumaSupport-Netzwerks. Unser Anliegen ist es, ber die vielfltigenund manchmal auch langfristigen psychischen Folgen vonRepression zu informieren und damit vorzubeugen. Gleichzeitigwollen wir vor Ort bei den politischen Protesten "emotionaleErste Hilfe" anbieten (z.B. beim G8-Gipfel in Heiligendamm).Um zu uns zu kommen musst Du nicht unbedingt die "krasseAction" erlebt haben, sondern es kann ja auch einfach mal sein,dass es Dir (aus welchen Grnden auch immer) schlecht gehtoder Du einfach nur einen ruhigen Ort brauchst. PhysischeWunden erfahren in der Regel viel Aufmerksamkeit, doch psy-chische Wunden sind genauso behandlungsbedrftig. Auch dasbloe Mitansehen von Gewalt kann zu einer Traumatisierungfhren. Oft werden Menschen mit emotionalen Schwierigkeitenals "zu schwach" stigmatisiert. Doch diese Erfahrungen sindkein privates Problem. Letztendlich ist eine funktionierendeBezugsgruppe, in der es einen bewussten Umgang mit Gefhlenwie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Panik usw. gibt, die bestePrvention.

    MGLICHE REAKTIONEN NACH EINEM TRAUMA

    Die folgenden drei 'Phasen' knnen in beliebiger Reihenfolgenach-, nebeneinander oder auch gleichzeitig auftreten, manch-mal tun sie es oder einzelne von ihnen es auch berhaupt nicht:

    1. Wiedererleben des Erlebten

    Alptrume, Flashbacks, intrusive (immer wiederkehrende)

    Erinnerungen, das Gefhl, dass das Erlebte einen nicht mehr loslsst, etc.

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    2. Vermeidung-/ Verdrngungsverhalten

    Erinnerungsverlust, erhhter Alkohol/ Drogenkonsum,Selbstisolierung, Vermeidung von allem, was mit dem Erlebten

    zu tun hat oder einen daran erinnert, Aufbau einer Distanz zudem Geschehenen etc.

    3. bererregbarkeit

    Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Gefhls- und Wutausbrche, Angst,Panik, Konzentrationsschwierigkeiten, Schreckhaftigkeit, etc.

    WIE DU ANDEREIN DEINER BEZUGSGRUPPEUNTERSTTZEN KANNST

    - Warte nicht, bis Du um Hilfegefragt wirst, sondern sei einfachfr sie/ihn da. Gib nicht auf, auchwenn Du vielleicht das Gefhl

    hast, vor einer Mauer zu stehen.

    - Die Tage direkt nach derErfahrung sind besonders wichtigzum Reden, danach wird oft"zugemacht".

    - Vielleicht fhlst Du Dich unsi-

    cher und weit nicht, wie Du Dichverhalten sollst. Informiere Dich ber Trauma, um dieReaktionen besser verstehen zu knnen. Einfach "normal" sein,ohne zu bemitleiden und ohne aufdringlich zu sein, kann vielhelfen. Bemhe Dich gleichzeitig, den Reaktionen gegenbertolerant zu sein. Das Wichtigste ist, dass Dein_e Freund_in sichin Deiner Gegenwart wohl und sicher fhlt.

    - Traumatisierte Menschen isolieren sich hufig und habenSchwierigkeiten, um Hilfe zu bitten. Sie wollen kein Mitleid, son-

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    dern Verstndnis, keine aufgedrngte Hilfe, sondernEinfhlungsvermgen.

    - Vergiss nicht, dass Menschen nach traumatischen Erlebnissen

    anfangs oft OK erscheinen und die Reaktionen erst spter auf-treten knnen.

    - Sei ein_e gute Zuhrer_in. Vermeide es, zu bald, zu lange undzu viel zu reden. Oft tendieren wir dazu Rat zu geben, anstattwirklich zuzuhren. Durch einen Mangel an Untersttzung kn-nen die Reaktionen verstrkt werden, was als so genannte"sekundre Traumatisierung" bezeichnet wird. (Dass von

    Tter_innen keine gute Behandlung zu erwarten ist, ist klar,aber wenn irgendwer hinterher das Gefhl hat, seine/ihreFreund_innen sind nicht fr ihn/sie da, bricht die ganze Weltzusammen.) Diese sekundre Traumatisierung kann oft schwer-wiegender sein, als das Erlebte und ist daher uerst ernst zunehmen. Achte darauf, dass Dein_e Freund_in sich nicht alleingelassen fhlt.

    - Gute Therapeut_innen knnen helfen. Mit einem gebrochenenBein gehst Du ja auch zum Arzt... Ein Trauma ist sozusagen einepsychische Wunde. Der/die Therapeut_in sollte Erfahrung mitTrauma-Arbeit haben. Sonst bringt es oft nicht viel - auch frDich gilt - diese Zeit kann sehr schwer sein, aber sie geht vor-bei. Pass auf Dich auf und sei gut zu Dir. Rede mit wem darber,wie es DIR geht.

    Es ist an der Zeit, uns darum zu kmmern - nicht alleine, nichtim Privaten, sondern zusammen als solidarische Bewegung!

    Genauer informieren knnt Ihr euch unter:http://wiki.dissentnetwork.org/wiki/Trauma

    Persnlich sind wir zu erreichen unter:

    [email protected]

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    http://wiki.dissentnetwork.org/wiki/Traumamailto:[email protected]://wiki.dissentnetwork.org/wiki/Traumamailto:[email protected]
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    ANREGUNG FR"WAS SO MENSCH ALLES

    MIT EINER GRUPPE MACHEN KANN"

    Erstmal kann eine Bezugsgruppe ziemlich viel machen, abhn-gig natrlich von der Gruppengre und was mensch sokann/will -(in Bezug auf ihre/seine Fhigkeiten)l. Aber auch dieFhigkeiten kann mensch ja erweitern. Denn wir wollen uns jagegenseitig weiterbringen und voneinander lernen. Fr einigeVorschlge ist es gut, sich mit anderen Bezugsgruppe oderZusammenhngen zu koordinieren. Z.B. wenn Ihr auf demCamp kochen wollt, kann es gut sein, dies schon mal vorher mitder Vok abzusprechen. Klar geht so was auch vor Ort, aber esist doch besser fr alle Beteiligten, wenn mensch es planenkann.

    Also gut, eine erweiterbare Liste mit Vorschlgen: Plakatefr die Mobilisierung zum ..... , Transparente fr die Demomachen oder selber Eine organisieren, Camp-Schutz, mobileFahrradwerkstatt, Infoveranstaltungen, Partys fr dieFinanzierung von Projekten, Vok, Flugbltter schreiben undverteilen, Workshops organisieren, T-Shirt mit Inhalten bedruk-ken, direkte Aktionen planen, Artikel schreiben (z.B. frIndymedia oder Stadtteilzeitung), an Diskussionen im Vorfeldbeteiligen (inhaltlich und praktisch), zusammen auf Demosgehen, zum politischen Cafeklatsch einladen, Filmabende ver-anstalten, sich mit anderen Gruppen vernetzen, Kuchen aufeine Demo mitbringen, plakatieren gehen, Veranstaltungen derGegner_innen stren, Spuckis kleben, Naziplakate entsorgen,fr das Freie Radio eine Sendung gestalten, Infostnde machen,die Stadt verschnern, Redebeitrge fr Demos,Veranstaltungen oder Kundgebungen schreiben und halten,schne gute Parties organisieren, um auch mal zusammen zufeiern, Sprechchre berlegen, Informationen /Hintergrundwissen zu einen Thema sammeln und dann damitarbeiten, Videoclips zur Mobilisierung oder um "einem Themamehr ffentlichkeit zu geben", filmen ... .

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    GLOSSAR

    AlkoholA. hat auf Demonstrationen und bei Aktionen nichts zusuchen! Siehe auch Drogen.

    EA oder ErmittlungsausschussNicht zu verwechseln mit dem Infotelefon. Vertrauenswrdigeund erfahrene Leute, die beispielsweise whrend einer Demoam Telefon sitzen, damit keine_r verloren geht. Leute, diefestgenommen wurden, knnen/sollen den EA anrufen, damit

    dieser sich z.B. um Anwlt_innen kmmern kann. (Meldeteuch auch immer ab, wenn ihr wieder drauen seid!) DieTelefonnummer (EA-Nummer) wird vor der Demo/Aktionbekannt gegeben, an machen Orten ist sie immer die gleiche.

    Deli (auch Delegierten-Treffen, D.-Treffen)Eine oder Zwei vertreten die Bezugsgruppe, um sich mit einemgreren Zusammenhang (Demo-Block, Aktionsgruppe,Camp) zu koordinieren und abzustimmen. Funktioniert nur,wenn in den Bezugsgruppen auch diskutiert wird.

    DrogenD. haben auf Demonstrationen und bei Aktionen nichts zusuchen! Siehe auchAlkohol.

    Flugi (auch: Flugblatt, Flugschrift)Enthlt die gerade aktuelle Analyse, immer wichtig und hoch-spannend.

    Fotos/FilmeAuch wenn es hufig anders aussieht: Der Sinn einerDemonstration/Aktion ist nicht, dass wir uns alle gegenseitigfilmen und/oder fotografieren. F./F. knnen Leute zudem in

    ganz reelle Gefahr bringen. Wenn ihr dennoch F./F. machenwollt, z.B. auf einem Camp, dann fragt die Leute, die ihr auf-

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    nehmt, vorher immer um Erlaubnis! (Nebenbei: Wenn ihr dieDokumentation von Protest und Widerstand spannend findet,ist euer Engagement in linken => Medienprojekten sichernachhaltiger als die private Fotosammlung.) F./F. macht bri-gens auch die Gegenseite, und nicht zu knapp. Manchmal hel-fen => Wechselklamotten.

    GewaltDie Frage, ob der Staat das Monopol "legitimer G." innehabensollte, ist seit Jahr und Tag umstritten. Sicher ist, dass in derimmer gern gefhrten "G.-Diskussion" die strukturelle G.

    bspw. der Festung Europa oder des kapitalistischenKommandos, in der Regel neben vorauseilendenDistanzierungen von "Riots" und "Chaot_innen" immerirgendwie unter den Tisch fllt. Halten wir inne: Warum sindz.B. Abschiebungen oder prgelnde Bullen voll OK - keine G.-, entschlossene Aktionen gegen Abschiebungen oder verpr-gelte Bullen dagegen G., also berhaupt nicht OK? Vielleichtkann uns das ja mal wer erklren, wir verstehen es nicht.

    Handys (auch Mobiltelefone)Ganz praktisch, aber auch nicht ungefhrlich. Das H. lsstsich von den Bullen orten und als mobile Abhreinrichtungeinsetzen, auch wenn es ausgeschaltet ist. berlegt euch, woihr es wirklich braucht und wo es auf keinen Fall was zusuchen hat. Manchmal ist das gute alte Funkgert ohnehin

    besser geeignet.

    Helivon Helikopter, Hubschrauber. Lstig. Machen z.B. auf einerDemo auch aus groer Hhe Portraitaufnahmen von dir.Manchmal sieht oder hrt mensch den H., dieWrmebildtechnologie funktioniert aber auch aus extremerHhe, also ohne dass du bspw. bei Wald- und Wiesenkmpfen(wie in und um Heiligendamm) automatisch was davon mit-bekommst.

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    InfoladenEinen I. gibt es in vielen Stdten/Regionen. Weniger einGeschft, sondern ein selbstverwalteter Ort, an dem du dichmit Informationen jeder Art eindecken kannst, also auch mit

    Zeitungen, Flugblttern, Bchern, aber auch mit Buskarten,T-Shirts etc.; siehe www.infoladen.net

    InfotelefonAm I. gibt es allgemeine Ausknfte: Wo ist die Demo gerade?Wo ist der Castor? Welche Strasse haben die Bullen geradedicht gemacht? Welche Strasse wird gerade blockiert? Wo isteine Aktion (geplant, angekndigte). Fragt dort allgemeinnach, am besten von der Telefonzelle (siehe auch Handy) undnennt nicht euren Namen oder sonst was. Ein nettes Hallound die Frage: wir mchten gerne wissen, wo gerade derCastor ist, reicht.

    KonsensGegenteil vom Dissens und das, was bei einer => Runde im

    besten Falle raus kommt: Alle sind mit dem, was geschrieben,der Weltffentlichkeit verkndet, getan oder nicht getan wird,voll und ganz einverstanden. Alle.

    Lauti (auch Lautsprecherwagen; im Bullen-Jargon LauKW)spielt Musik und Redebeitrge, ist immer wieder Ziel vonAngriffen, deshalb gibt es eine oder zwei Reihen L.-Schutz -wenn nicht, knntet ihr ihn evtl. spontan bernehmen, fragteinfach am L. nach.

    MedienprojekteLinke, selbst verwaltete M. gibt es total viele, total verschie-dene: alte und neue, Hochglanz und Fehldruck, spannend undlangweilig. Es gibt Zeitungen und Zeitschriften (legale undillegalisierte), Radioprojekte (legale und eher piratenartige,

    spontane), es gibt Internetportale, Fotoarchive,Videoprojekte etc. Ein buntes Allerlei. Siehe z.B. (unvollstn-

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    dig): www.de.indymedia.org; www.freie-radios.net;www.freie-radios.de; www.kanalb.org; www.inforiot.de;www.nadir.org

    Runde"Lass uns 'ne R. machen..." Eine R. ist der Kern einer, je nachdem, schnellen oder langsamen Entscheidungsfindung. Egalob die Diskussion um euer Flugblatt oder darber, wie ihr ander Bullenkette vorbeikommt, das Prinzip ist immer gleich:Jede_r kommt zu Wort. Abwandlungen: die Emo-R. ("Wiegeht es dir gerade?") und die Daumen-R., wenn es schnellgehen muss. hnlich: Blitzlicht.

    Sanis (auch: Demo-S., autonome Sanitt)Auf Demos kommt es immer wieder zu Verletzungen. Dabeiist den blichen Rettungsdiensten /Krankenhusern nurbedingt zu vertrauen, da sie oftmals mit Bullen und Justizzusammenarbeiten. Unsere S. sind in ziviler Kleidung auf derDemo und knnen Verletzungen versorgen. Wenn ihr Hilfe

    braucht: rufen! (Trotzdem solltet ihr auch selber ntigeMedikamente, Wasser und Erste Hilfe Zeug mitnehmen).

    SpitzelNicht zu verwechseln mit Genossinnen und Genossen, dielter sind als 35 und/oder sich anders kleiden als "die Szene".Also seid umsichtig mit Verdchtigungen. Sp. werden vonVerfassungs- und Staatsschutz eingesetzt, um politischeAktivitten, die sich nicht unbedingt an der herrschendenOrdnung orientieren, aus zu leuchten, zu verhindern und,ganz wichtig, juristisch zu verfolgen. Zum Teil sitzen sie"spontan" in einem offenen Vorbereitungskreis, der eineAktion plant, sie nehmen durchaus auch an Aktionen teil,andererseits begeben sie sich gezielt und ber Jahre undJahrzehnte in politische Gruppen. Kein Grund fr Paranoia,

    aber berlegt euch, mit wem ihr welche Aktion macht.

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    T.I.N.A. ("There is no alternative")Neoliberale Leitmaxime, die die Mglichkeit leugnet, dassgesellschaftliche Verhltnisse vernderbar sind. Nach demt.i.n.a.-Prinzip muss sich jede Entscheidung dem kapitalisti-schen Markt und der Konkurrenz unterordnen. Merke: Das istUnsinn.

    Transpi (auch Transparent)ca. 3-6m langes Stck Stoff, bemalt mit politischenForderungen, Parolen oder Rttelreimen. Oft auch praktisch,um die eigene Gruppe wiederzufinden, als Sichtschutz und

    um zu verhindern, dass Bullen frech durch die Demo laufen.Manchmal durch dicke Seile oder auch Autoreifenverstrkt/gepolstert.

    VoKAuch Volxkche, Bevlkerungskche. Leute, die kochen. Meistensist aber Hilfe gerne gesehen. Essen gibt es gegen Spende.

    WechselklamottenW. sind immer sinnvoll, falls deine Sachen vom Wasserwerfernass sind oder durch Pfefferspray bzw. Farbmarkierungen derBullen verseucht/verunstaltet. W. oder die zweite SchichtKlamotten am Krper eignen sich auch hervorragend, umgegebenenfalls das eigene Aussehen etwas abzuwandeln,falls die Situation das verlangt.

    Zivi (auch: Z.-Bulle, Zivfte, Zifte)Polizeikrfte in ziviler, d.h. mehr oder weniger unaufflligerStrassenbekleidung. Mittlerweile z.T. wirklich authentisch.d.h. schwer zu erkennen. Mischen sich unterDemonstrant_innen, verfolgen z.T. gezielt und hartnckig ein-zelne "Verdchtige". Hier helfen vor allem Gruppen die sichuntereinander kennen, manchmal auch =>

    Wechselklamotten.

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    A DAllein machen sie dich ein,

    G A

    schmeissen sie dich raus, lachen sie dich aus,Dund wenn du was dagegen machst,

    G Asperr'n se dich in den nchsten Knast.

    Refrain:G A D D4 D9

    Und alles, was du da noch sagen kannst,G A D

    ist: "Das ist 'n ganz schner Hammer, ey Mann!"

    Zu zweit, zu dritt, zu viern,wird auch nix and'res passiern.Sie werden ihre Knppel hol'n

    und uns ganz schn das Kreuz versohlen.

    Refrain...

    Zu hundert oder tausend kriegen sie langsam Ohrensausen.Sie werden zwar sagen, das ist nicht viel,aber tausend sind auch kein Pappenstiel.Und was nicht ist, das kann noch werden.Wir knnen uns ganz schnell vermehren.

    In dem Land, in dem wir wohnen,sind aber 'n paar Millionen.

    Wenn wir uns erstmal einig sind,

    weht, glaub ich, 'n ganz anderer Wind.Dann werden se nicht mehr lachen,sondern sich auf die Socken machen.

    Auf die Bahamas oder ins Tessin,der Teufel wei am besten, wohin.

    [nach dem ersten Mal langsam leiser werden]7x Und du weit, das wird passieren,

    wenn wir uns organisieren.